Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2014 - 7 CS 13.2592

bei uns veröffentlicht am22.04.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 1 S 13.1842, 25.11.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Verfahren mit den Aktenzeichen 7 CS 13.2592 und 7 C 13.2593 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

III. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. November 2013 wird zurückgewiesen.

IV. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

V. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 7 CS 13.2592 wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wehrt sich gegen den Widerruf ihrer Aufnahme in die Vorklasse der staatlichen Berufsoberschule Regensburg, dessen sofortige Vollziehung angeordnet wurde, und begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerrufsbescheid der Beruflichen Oberschule Regensburg vom 31. Oktober 2013.

Die Antragstellerin ist muslimischen Glaubens. Mit Beginn des Schuljahres 2013/2014 war sie in die Vorklasse der staatlichen Berufsoberschule Regensburg aufgenommen worden. Ihre Aufnahme wurde widerrufen, nachdem sie sich geweigert hatte, ohne eine gesichtsverhüllende Verschleierung durch das Tragen eines Niqabs am Unterricht teilzunehmen.

Ihren Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Widerrufsentscheidung und ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben werde. Die Aufnahme der Antragstellerin in die Vorklasse der Berufsoberschule habe widerrufen werden können, weil die Schule berechtigt gewesen sei, die Aufnahme von vornherein abzulehnen, denn sie sei nicht bereit, ihren Verpflichtungen aus Art. 56 Abs. 4 Sätze 1 und 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) nachzukommen und sich so zu verhalten, dass die Schule ihre Aufgabe erfüllen und sie ihr Bildungsziel erreichen kann. Das sei vor Unterrichtsbeginn für die Schulleitung nicht erkennbar gewesen, weil die Antragstellerin auf den Passfotos in den eingereichten Unterlagen mit Kopftuch abgebildet sei und auch in den zuvor besuchten Schulen lediglich mit Kopftuch am Unterricht teilgenommen habe.

Das Tragen eines Gesichtsschleiers sei ein objektives Unterrichtshindernis. Die Schülerin könne nicht identifiziert werden. Die Gesichtsverhüllung verhindere die Erfüllung des Unterrichtsauftrags der Schule aus pädagogischer Sicht, denn erst die nonverbale Kommunikation durch Mimik und Gestik ermögliche die soziale Interaktion im Klassenverband. Außerdem bestünden Probleme beim Sprachverständnis, weil die Sprache unter dem Schleier sehr gedämpft und deswegen schwer verständlich sei. Die Verschleierung habe auch integrationspolitische Relevanz, weil dadurch der Aufbau von sozialen Beziehungen zu den Mitschülern beeinträchtigt werde. Ferner bestehe bei Versuchen in den naturwissenschaftlichen Fächern durch den Schleier Verletzungsgefahr.

Das Verlangen, während des Unterrichts auf die Gesichtsverhüllung zu verzichten, verletze nicht die Glaubensfreiheit der Antragstellerin, denn es sei durch das Bestimmungsrecht des Staates im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukomme, gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Glaubensfreiheit und auf Ausrichtung ihrer Lebensführung an ihrer Glaubensüberzeugung besonders gravierend beeinträchtigt werde. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, welcher Stellenwert dem Gebot des Tragens eines Niqabs im Rahmen ihrer Glaubensüberzeugung zukommt. Sie bewege sich in der Schule nicht in der Öffentlichkeit, sondern in einem geschützten Raum. Auch in den bislang von ihr besuchten Schulen habe sie keinen Schleier, sondern lediglich ein Kopftuch getragen. Ein Kompromiss zwischen beiden Positionen sei nicht möglich, so dass sich das staatliche Bestimmungsrecht im Unterrichtswesen durchsetzen müsse. Der Widerruf der Aufnahme sei nicht unverhältnismäßig. Er sei ein geeignetes Mittel, ein milderes gebe es nicht. Ordnungsmaßnahmen gemäß Art. 86 BayEUG seien nicht erfolgversprechend und deshalb auch nicht sinnvoll. Der Besuch der Vorklasse der Berufsoberschule sei auch nicht die einzige Möglichkeit, den beabsichtigten Schulabschluss zu erwerben. Außerdem habe die Antragstellerin bereits versucht, Lehrer und Mitschüler zu einer Solidarisierung zu bewegen, was zu einer aufgebrachten bis aggressiven Stimmung unter den Mitschülern geführt habe. Es bestehe die Möglichkeit weiterer Störungen des Schulbetriebs in Form von Protestaktionen oder eines Unterrichtsboykotts.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie habe den Stellenwert des Niqabs in Bezug auf ihre religiöse Überzeugung dargelegt und verweist auf eine freie Übersetzung von Suren des Koran. Der Verzicht auf den Schleier bedeute einen Verstoß gegen göttliches Gebot. Religionsfreiheit werde durch das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers geprägt. Es komme darauf an, was er aus religiöser Überzeugung für verbindlich halte.

Organisatorische Erwägungen könnten keinen Vorrang vor dem Grundrecht auf freie Religionsausübung haben. Es bestehe keine Gefahr, dass eine andere Person an ihrer Stelle unter dem Schleier am Unterricht teilnehmen würde. Außerdem habe sie ihre Bereitschaft erklärt, ihre Identität durch eine weibliche Person überprüfen zu lassen. Das Argument, die nonverbale Kommunikation werde gestört, gehe fehl, weil in großen Klassen mit bis zu 30 Schülerinnen und Schülern sich die Lehrkraft nicht mit der Mimik und Gestik der einzelnen Schülerinnen und Schüler befassen könne. Das sei an der Universität bei Vorlesungen mit über 100 teilnehmenden Studierenden auch nicht möglich. Im Übrigen verwundere es, dass der Erfolg in den Fächern Mathematik, Physik oder Chemie davon abhängen solle, dass die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern ins Gesicht blicken kann. Das Argument, die Integration in die Klassengemeinschaft werde behindert, sei unzutreffend, denn es habe sich noch niemand über die Verschleierung der Antragstellerin beschwert. Die Gefährdung bei Versuchen im naturwissenschaftlichen Unterricht sei nicht höher als beim Tragen von Kleidung aus Kunstfaser. Das Tragen des Niqabs sei der Kern ihrer religiösen Überzeugung. Müsste sie ihn ablegen, nähme man der Antragstellerin ihre religiöse Identität. Bei einer volljährigen Schülerin gebe es keinen Erziehungsauftrag mehr, weshalb der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag, gestützt auf Art. 7 Abs. 1 GG, nicht in die Abwägung einbezogen werden könne.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. November 2013 aufzuheben, ihr für das Eilverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf der Aufnahme in die Vorklasse der Berufsoberschule anzuordnen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel des Beschwerdeverfahrens und die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Verfahren mit den Aktenzeichen 7 CS 13.2592 und 7 C 13.2593 werden gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Beschwerde abzulehnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Insoweit wird auf die folgenden Ausführungen Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde, bei der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe geprüft werden, hat keinen Erfolg. Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich erfolglos bleiben. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Sie werden zum Gegenstand dieser Entscheidung gemacht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen auf Folgendes hinzuweisen:

Das Verlangen, dass die Antragstellerin während der Teilnahme am Unterricht auf das Tragen eines gesichtsverhüllenden Schleiers verzichtet, ist mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar, weil der beabsichtigten Ausübung der Glaubensfreiheit durch Tragen desNiqabs, einer gesichtsverhüllenden Verschleierung, während des Unterrichts Rechtsgüter von Verfassungsrang entgegenstehen und sich diese Begrenzung der freien Religionsausübung auf eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage stützen kann (vgl. BVerfG, U. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282).

Die Frage, ob und inwieweit die Verschleierung für Frauen von den Regeln des Islam vorgeschrieben ist, ist umstritten (BVerfG, B.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282). Zu Gunsten der Antragstellerin kann davon ausgegangen werden, dass auch die gesichtsverhüllende Verschleierung unter den Schutzbereich der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierten Glaubensfreiheit fällt.

Die Glaubensfreiheit wird gemäß Art. 4 Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährt. Sie wird aber durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukommt (Art. 7 Abs. 1 GG), beschränkt. Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit und das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen stehen sich gleichrangig gegenüber. Gemäß dem Grundsatz praktischer Konkordanz begrenzen sie sich wechselseitig in einer Weise, die weder das eine noch das andere bevorzugt und maximal behauptet. Das bedeutet eine wechselseitige Relativierung der beiden Verfassungspositionen. Das Grundrecht der Glaubensfreiheit wird dadurch in der Weise begrenzt, dass seitens einer einzelnen Schülerin als maßgeblich erachtete Verhaltensgebote zwar nicht prinzipiell als unbeachtlich behandelt werden dürfen, sie andererseits aber nur ausnahmsweise beanspruchen kann, von den den Schülerinnen und Schülern abverlangten Verhaltensweisen dispensiert zu werden, die aus der Wahrnehmung des staatlichen Bestimmungsrechts im Schulwesen, wie hier mit dem auf einer offenen Kommunikation beruhenden Unterricht, folgen.

Das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen umfasst den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag und befugt die staatlichen Stellen zu Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich-didaktischer Ausgestaltung des Schulwesens. Dazu gehört auch die Unterrichtsmethode, etwa in Form offener Kommunikation, die seit vielen Jahren üblich, im Gegensatz zu einem einseitigen Unterrichtsvortrag der Lehrkraft effizienter ist und die Möglichkeit bietet, auf die Schülerin oder den Schüler individuell oder auch auf die Klasse einzugehen.

Das Bildungs- und Erziehungsprogramm wird vom Staat grundsätzlich unabhängig von den Wünschen der betroffenen Schülerinnen und Schüler oder ihrer Eltern bestimmt. Das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen wäre durch kollidierende Erziehungsansprüche Einzelner und grundrechtliche Vetopositionen sonst vielfach blockiert. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantiert zwar auch das Recht, die Lebensführung an den eigenen Glaubensüberzeugungen auszurichten. Die Glaubensfreiheit wäre jedoch überspannt, wenn nicht der Pflicht des Staates, darauf Rücksicht zu nehmen, ihrerseits Grenzen gesetzt wären. Religiöse Minderheiten dürfen und können sich deshalb nicht selbst ausgrenzen, in dem sie sich Unterrichtsinhalten oder -methoden verweigern. Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit, die Lebensführung an der Glaubensüberzeugung auszurichten, kann insoweit eingeschränkt werden, als religiös bedingte Verhaltensweisen die Durchführung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags soweit behindern, dass ihm der Staat nicht mehr oder nur unzureichend nachkommen kann (BVerwG, U.v. 11.9.2013 – 6 C 25/12 – NVwZ 2014, 81 Rn. 11 ff.). Die Einschränkungsmöglichkeit findet ihre Grenze erst dann, wenn die Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit als typische Begleiterscheinung der staatlichen Ausgestaltung des Schulwesens eine besonders gravierende Intensität erreicht (BVerwG a.a.O., Rn. 21).

Gemessen daran wird die Antragstellerin durch den Widerruf der Aufnahme in die Vorbereitungsklasse der Berufsoberschule nicht in ihrer Glaubensfreiheit verletzt. Der Antragsgegner hat den Grundsatz offener Kommunikation der von ihm konzipierten Unterrichtsgestaltung in zulässiger Weise zu Grunde gelegt. Die offene Kommunikation beruht nicht nur auf dem gesprochenen Wort, sondern ist auch auf nonverbale Elemente angewiesen, wie Mimik, Gestik und die übrige sog. Körpersprache, die zum großen Teil unbewusst ausgedrückt und wahrgenommen werden. Fehlen diese Kommunikationselemente, ist die offene Kommunikation als schulisches Funktionserfordernis gestört. Bei einer gesichtsverhüllenden Verschleierung einer Schülerin wird eine nonverbale Kommunikation im Wesentlichen unterbunden. Ein Unterricht auf der Basis offener Kommunikation unter Einbeziehung der Antragstellerin ist dann nicht mehr möglich. Eine Ausweichmöglichkeit für die Schule ist dann nicht annehmbar, wenn sie zu einer Art der Unterrichtsgestaltung führte, die ihrem fachlichen Konzept – offene Kommunikation im Unterrichtsgespräch im Gegensatz zum einseitigen, monologen Vortrag der Lehrkraft – in gravierender Weise zuwider liefe (BVerwG, U.v. 11.9.2013 – 6 C 25/12 – NVwZ 2014, 81 Rn. 28). Dies gilt zumindest bei den üblichen Klassenstärken bis etwa 30 Schülerinnen und Schüler. An den Hochschulen übliche Lehrformen bleiben hier außer Betracht. Die Antragstellerin hat deshalb Beeinträchtigungen ihrer religiösen Überzeugung, die sich im Tragen des Niqabs ausdrückt, als typische Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung zu Grunde liegenden Ausgestaltung des Unterrichts hinzunehmen (BVerwG a.a.O., Rn. 17). Dabei ist in Rechnung zu stellen, inwieweit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag beeinträchtigt wird, wenn unter vergleichbaren Umständen eine Vielzahl von Grundrechtsträgerinnen in gleicher Weise von ihrer Glaubensfreiheit Gebrauch machen wollen (BVerwG a.a.O., Rn. 19).

Eine besonders gravierende Intensität der Beeinträchtigung ihrer Glaubensfreiheit, die die Grenzen der hinzunehmenden Einschränkungen der Ausrichtung der Lebensführung an der religiösen Überzeugung überschreitet, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.

Es ist schon fraglich, ob hier eine besonders gravierende Intensität der Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit in Betracht kommt. Die Antragstellerin ist nicht mehr schulpflichtig. Bei der Berufsoberschule handelt sich um keine Pflichtschule. Außerdem bestehen alternative Wege, den angestrebten Schulabschluss zu erreichen, zum Beispiel die Externen-Prüfung, die virtuelle Berufsoberschule Bayern (VIBOS) oder der fachgebundene Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte gemäß § 30 der Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaats Bayern und den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen (Qualifikationsverordnung – QualV) vom 2. November 2007 (GVBl S. 767; BayRS 2210-1-1-3-UK/WFK), zuletzt geändert mit Verordnung vom 6. Februar 2013 (GVBl S. 53). Die Antragstellerin ist nicht gezwungen, sich den Einschränkungen ihrer Glaubensfreiheit auszusetzen, um die Hochschulreife zu erreichen. Sie hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Einrichtung einer Schule oder Klasse, in der die Unterrichtung von verschleierten Schülerinnen mit einer geeigneten Unterrichtsmethode möglich ist. Das Recht auf Teilhabe an staatlichen Leistungen im Ausbildungswesen beschränkt sich auf das, was der oder die Einzelne von der Gesellschaft vernünftigerweise, insbesondere im Rahmen der haushaltspolitischen Grundsätze und Gegebenheiten, erwarten kann (BVerfG, U.v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 – BVerfGE 33, 303). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesichtsverhüllende Verschleierung selbst unter den – jedenfalls in Deutschland lebenden – muslimischen Frauen eine seltene Ausnahme ist.

Unabhängig davon hat die Antragstellerin eine besonders gravierende Intensität der Beeinträchtigung ihrer an ihrer Glaubensüberzeugung ausgerichteten Lebensgestaltung nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht. Eine besonders gravierende Intensität der Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit kommt nur in Betracht, sofern ein religiöses Verhaltensgebot aus der Sicht der Betroffenen imperativen Charakter aufweist. Hierfür trägt die Antragstellerin die Darlegungslast. Eine Beschränkung auf verbale Behauptungen reicht nicht aus, um ein für sie bestehendes religiöses Gebot von einer nicht abschließend bindenden Orientierung und Anleitung für eine in religiöser Hinsicht optimierte Lebensführung abzugrenzen. Zwar ist insoweit die individuelle Glaubensüberzeugung neben dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft maßgebend. Eine Beeinträchtigung der individuellen Glaubensüberzeugung ist jedoch eher nachvollziehbar, wenn auf ernst zu nehmende Lehrmeinungen oder Glaubenssätze verwiesen wird. Deshalb ist hierfür ein strenger Maßstab anzulegen (BVerwG, U.v. 25. 8. 1993 – 6 C 8/91 – BVerwGE 94, 82). Nach dem Text der Suren des Koran, auf die sich die Antragstellerin bezieht, sollen gläubige Frauen ihre Blicke niederschlagen, ihre Scham hüten und ihre Reize nicht zur Schau tragen. Sie sollen ihren Schleier über ihren Busen schlagen und ihre Reize nur ihren Ehegatten, Vätern, Brüdern, Söhnen und anderen nahen männlichen Verwandten sowie Frauen und auch Kindern, welche die Blöße der Frauen nicht beachten, zeigen. Insoweit müsste die Antragstellerin nachvollziehbar, gegebenenfalls unter Verweis auf entsprechende Lehrmeinungen, darlegen, dass dieser Glaubenssatz auch die völlige Gesichtsverschleierung umfasst (BVerwG U.v. 25.8.1993 – 6 C 8/91 – BVerwGE 94, 82). Daran fehlt es hier.

Die gemessen an Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 7 Abs. 1 GG zulässige Einschränkung der freien Religionsausübung der Antragstellerin kann sich auch auf eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage stützen (BVerfG, U. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282). Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Antragstellerin gemäß Art. 56 Abs. 4 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-UK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2013 (GVBl S. 465), verpflichtet ist, sich so zu verhalten, dass die Schule ihre Aufgabe erfüllen und sie ihr Bildungsziel erreichen kann. Wie bereits ausgeführt, ist das Tragen eines Niqabs damit nicht vereinbar, weil die offene Kommunikation zwischen Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern als auch den Schülern und Schülerinnen untereinander erheblich eingeschränkt ist. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine abstrakte Möglichkeit der Störung des Unterrichtsablaufs, sondern um eine konkrete erhebliche Beeinträchtigung eines schulischen Funktionserfordernisses. Anders als zur Abwehr abstrakter Gefahren, beispielsweise einer religiösen Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler durch das Tragen eines Kopftuchs durch die Lehrkraft, wird hier eine ausdrückliche Regelung des Tragens einer gesichtsverhüllenden Verschleierung von Schülerinnen während des Unterrichts vom Parlamentsvorbehalt nicht erfordert. Die Pflicht der Schülerin, mit geeigneter Bekleidung am Unterricht teilzunehmen, ergibt sich mit hinreichender Bestimmtheit unmittelbar aus Art. 56 Abs. 4 BayEUG (vgl. BVerfG, U. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282).

Nachdem die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beruflichen Oberschule Regensburg vom 31. Oktober 2013 damit keinen Erfolg haben kann, war auch die Beschwerde gegen die Ablehnung des Gesuchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurückzuweisen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 GKG. Eine Streitwertfestsetzung für die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags ist entbehrlich, weil hierfür nach dem maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1 Nr. 5502).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 4


(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 7


(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausn

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(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit ist, ob die Klägerin zur Wahrung ihrer Glaubensfreiheit von der Pflicht zur Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht zu befreien war.

2

Die Klägerin ist Muslima. Im Schuljahr 2011/2012 besuchte sie ein der Aufsicht des Beklagten unterstehendes Gymnasium in der 5. Jahrgangsstufe. Dort wurde der Schwimmunterricht für Jungen und Mädchen gemeinsam erteilt (koedukativer Schwimmunterricht). Die Eltern der Klägerin stellten im Namen der gesamten Familie einen Antrag auf Befreiung der Klägerin vom Schwimmunterricht: Im Islam sei sportliche Betätigung jeder Art erlaubt und erwünscht. Die islamischen Bekleidungsvorschriften erlaubten jedoch nicht, dass Mädchen und Jungen gemeinsam am Schwimmunterricht teilnähmen. Der Schulleiter lehnte den Antrag ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Zur Begründung wurde jeweils darauf verwiesen, die Klägerin könne in einer Badebekleidung am Schwimmunterricht teilnehmen, die den Vorgaben des Islam gerecht werde.

3

Die Klägerin hat Klage mit dem Antrag erhoben, die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids sowie des Widerspruchsbescheids festzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Ein "besonderer Grund", der nach § 69 Abs. 3 Satz 1 HessSchulG zur Unterrichtsbefreiung führen könne, liege nicht vor. Etwas anderes ergebe sich nicht aus Bundesverfassungsrecht. Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG) habe im vorliegenden Fall nicht hinter die Glaubensfreiheit der Klägerin (Art. 4 Abs. 1 GG) zurücktreten müssen. Der Klägerin sei zum einen zumutbar gewesen, dem von ihr für verbindlich erachteten Glaubensgebot, ihren Körper gegenüber Angehörigen des männlichen Geschlechts weitgehend zu verhüllen, im Schwimmunterricht durch Tragen eines sogenannten Burkini zu entsprechen. Dieser decke den Körper bis auf Hände, Füße sowie das Gesicht ab und verhindere auch im nassen Zustand ein Abzeichnen der Körperkonturen, ohne das Schwimmen zu behindern. Inwiefern das Tragen eines Burkini nicht hinreiche, um ihren Glaubensvorgaben zu genügen, habe die Klägerin nicht aufzuzeigen vermocht. Soweit die Klägerin zum zweiten ein Glaubensgebot für verbindlich erachte, sich nicht mit dem Anblick von Angehörigen des männlichen Geschlechts zu konfrontieren, die ihrerseits nicht in einer islamischen Vorgaben entsprechenden Weise gekleidet seien, sei der Eingriff in ihre Glaubensfreiheit im Hinblick auf die verfolgten staatlichen Erziehungsziele verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der staatliche Erziehungsauftrag umfasse die Erziehung zu sozialer Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, zu gelebter Toleranz, zur Gleichberechtigung der Geschlechter und zur Offenheit. Das Bundesverfassungsgericht habe die Bedeutung des Erziehungsziels der Integration unterschiedlicher Kulturen hervorgehoben, dessen Verwirklichung die Einübung und Praktizierung beiderseitiger Toleranz in der Schule voraussetze. Dieses Erziehungsziel erfordere die Anwesenheit der Klägerin auch im koedukativen Schwimmunterricht. Der Integrationsauftrag des Grundgesetzes gebiete es, die Schüler auf ein Dasein in der säkularen und pluralistischen Gesellschaft in Deutschland vorzubereiten, in der sie einer Vielzahl von Wertvorstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen begegnen würden, die sie für sich selbst ablehnten. Art. 4 GG vermittle weder in der Gesellschaft noch in der Schule einen umfassenden Konfrontationsschutz. Es existiere auch kein milderes Mittel, das in gleicher Weise wie die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht geeignet sei, die bezeichneten staatlichen Erziehungsziele zu erreichen. Zudem sei die Verpflichtung der Klägerin zur Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht in Anbetracht der Integrationsfunktion dieses Schulfachs auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Dem Risiko zufälliger körperlicher Berührungen von Jungen könne organisatorisch und pädagogisch in hinreichendem Umfang begegnet werden.

4

Die Klägerin verweist zur Begründung ihrer Revision darauf, dass die Veranstaltung des Schwimmunterrichts in koedukativer Form gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben sei. Daraus folge, dass der Gesetzgeber ihr keine besondere Bedeutung für die Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags zumesse. Der insoweit nur geringe Stellenwert der Koedukation werde auch daran deutlich, dass in zahlreichen Bundesländern ab der 5. Jahrgangsstufe kein koedukativer Schwimmunterricht vorgesehen sei. Weil danach der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht im Kern betroffen sei, gebühre ihrer Glaubensfreiheit der Vorrang. Das Tragen eines Burkini sei ihr nach ihrer religiösen Überzeugung verwehrt, weil sich auch bei einem solchen Kleidungsstück bei einzelnen Bewegungen oder Übungen die Körperformen abzeichneten.

5

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht. Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend entschieden hat, gebot das Grundrecht der Klägerin auf Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) nicht, dem Befreiungsantrag im vorliegenden Fall stattzugeben. Ob der Verwaltungsgerichtshof die zum irrevisiblen Landesrecht zählende Befreiungsvorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 1 HessSchulG auch im Übrigen rechtsfehlerfrei angewandt hat, entzieht sich der revisionsgerichtlichen Überprüfung (§ 137 Abs. 1 VwGO).

7

1. Allerdings hat die Schule mit der Ablehnung des Befreiungsantrags in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG eingegriffen.

8

Die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit umfasst nicht nur die (innere) Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die Freiheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu manifestieren und zu verbreiten. Umfasst ist auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und im Alltag seiner Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - BVerfGE 32, 98 <106>; stRspr).

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf Grundlage der Darlegungen der Klägerin (zur entsprechenden Obliegenheit: Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 7.93 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 108 S. 43) in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass diese für sich Gebote als religiös verpflichtend erachtet, ihren Körper gegenüber Angehörigen des männlichen Geschlechts weitgehend zu bedecken, sich nicht mit dem Anblick von Männern bzw. Jungen in knapp geschnittener Badebekleidung zu konfrontieren sowie Männer bzw. Jungen nicht zu berühren. Vor diesem Hintergrund drohte der Klägerin infolge der Pflicht zur Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht ein Eingriff in ihre Glaubensfreiheit.

10

2. Durch die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht wäre die Glaubensfreiheit der Klägerin jedoch nicht verletzt worden. Die Ablehnung des Befreiungsantrags war aufgrund des staatlichen Bestimmungsrechts im Schulwesen (Art. 7 Abs. 1 GG) gerechtfertigt.

11

a. Die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) ist zwar vorbehaltlos gewährt, wird jedoch auf Ebene der Verfassung durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen beschränkt, das in Art. 7 Abs. 1 GG verankert ist (vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - NJW 2009, 3151 Rn. 14; stRspr). Art. 7 Abs. 1 GG überantwortet dem Staat die Aufsicht über das gesamte Schulwesen. Die Vorschrift begründet nicht nur Aufsichtsrechte des Staates im technischen Sinne des Wortes, sondern - vorbehaltlich der Einschränkungen im Bereich des Privatschulwesens (Art. 7 Abs. 4 GG) - darüber hinaus einen umfassend zu verstehenden staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Dieser verleiht dem Staat Befugnisse zur Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich-didaktischen Ausgestaltung des Schulwesens, seiner Ausbildungsgänge sowie des dort erteilten Unterrichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288 <303>; BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1998 - BVerwG 6 C 11.97 - BVerwGE 107, 75 <78> = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 124 S. 39). Hierunter fällt grundsätzlich neben der Befugnis, den Inhalt des Unterrichts festzulegen, auch die Befugnis, über seine äußeren Modalitäten wie etwa die Frage seiner Durchführung in koedukativer oder monoedukativer Form zu bestimmen. § 69 Abs. 4 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. n, § 3 Abs. 4 Satz 2 und 3 HessSchulG ergeben hierfür eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage (zu diesem Erfordernis: BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>).

12

Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit sowie das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen stehen sich gleichrangig gegenüber (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <244>; stRspr). Sie bedürfen gemäß dem Grundsatz praktischer Konkordanz der wechselseitigen Begrenzung in einer Weise, die nicht eines von ihnen bevorzugt und maximal behauptet, sondern beiden Wirksamkeit verschafft und sie möglichst schonend ausgleicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <21>; BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2008 - BVerwG 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 7). Dies bedingt schon auf abstrakt-genereller Ebene wechselseitige Relativierungen beider Verfassungspositionen, die im hier interessierenden Zusammenhang zu der allgemeinen Maßgabe führen, dass seitens eines einzelnen Schülers als maßgeblich erachtete religiöse Verhaltensgebote von der Schule zwar nicht als prinzipiell unbeachtlich behandelt werden dürfen, der einzelne Schüler gestützt auf solche Verhaltensgebote aber nur in Ausnahmefällen eine Unterrichtsbefreiung beanspruchen kann:

13

Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit wird auf einer ersten Ebene durch die Eigenständigkeit der staatlichen Wirkungsbefugnisse im Schulbereich relativiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <44>; BVerwG, Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - BVerwGE 94, 82 <84> = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 109 S. 46). Diese erklärt sich - und bezieht ihre innere Legitimation - aus der Bedeutung der Schule für die Entfaltung der Lebenschancen der nachwachsenden Generation und für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Schule soll allen jungen Bürgern ihren Fähigkeiten entsprechende Bildungsmöglichkeiten gewährleisten und einen Grundstein für ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben legen. Zugleich soll sie, unter den von ihr vorgefundenen Bedingungen einer pluralistisch und individualistisch geprägten Gesellschaft, dazu beitragen, die Einzelnen zu dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewussten "Bürgern" heranzubilden und hierüber eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion erfüllen (hierzu mit unterschiedlichen Akzentsetzungen: BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 - BVerfGE 34, 165 <182>; Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 - BVerfGE 47, 46 <71>; Kammerbeschluss vom 29. April 2003 - 1 BvR 436/03 - BVerfGK 1, 141 <143>; BVerwG, Urteil vom 17. April 1973 - BVerwG 7 C 38.70 - BVerwGE 42, 128 <130> = Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 141 S. 65; Beschluss vom 29. Mai 1981 - BVerwG 7 B 169.80 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 74 S. 2; Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - a.a.O. S. 84 bzw. S. 46). Diesen weitreichenden Aufgaben könnte der Staat nicht gerecht werden, ohne eine allgemeine Schulpflicht einzuführen, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit daher außer Frage steht (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. April 1989 - 1 BvR 235/89 - juris Rn. 3 und vom 21. Juli 2009 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - a.a.O. S. 84 bzw. S. 46). Für die Ausfüllung seiner Rolle ist der Staat darauf angewiesen, das Bildungs- und Erziehungsprogramm für die Schule grundsätzlich unabhängig von den Wünschen der beteiligten Schüler und ihrer Eltern anhand eigener inhaltlicher Vorstellungen bestimmen zu können (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Februar 1989 - 1 BvR 1181/88 - juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - a.a.O.). Die verfassungsrechtlich anerkannte Bildungs- und Integrationsfunktion der Schule würde nur unvollkommen Wirksamkeit erlangen, müsste der Staat die Schul- und Unterrichtsgestaltung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Vorstellungen der Beteiligten ausrichten (vgl. Urteil vom 3. Mai 1988 - BVerwG 7 C 89.86 - BVerwGE 79, 298 <302> = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 95 S. 6; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, 2006, S. 608). Die Schule wäre dann durch kollidierende Erziehungsansprüche Einzelner und grundrechtliche Vetopositionen vielfach blockiert (Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 276; ähnlich Langenfeld, Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten, 2001, S. 246 f.).

14

Um die hierin angelegten Einschränkungen individueller religiöser Bestimmungsansprüche nicht zu überspannen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die in verschiedenen Verfassungsbestimmungen wurzelnde Vorgabe hervorgehoben worden, dass der Staat bei Ausgestaltung des Unterrichts Neutralität und Toleranz vor allem in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zu wahren, insbesondere jede Beeinflussung oder gar Agitation im Dienste einer bestimmten religiös-weltanschaulichen Richtung zu unterlassen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 a.a.O. S. 51 f.; Kammerbeschlüsse vom 9. Februar 1989 a.a.O. Rn. 6 und vom 31. Mai 2006 - 2 BvR 1693/04 - BVerfGK 8, 151 <153 f.>). Das Neutralitäts- und Toleranzgebot stimmt den Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG sowie die religiösen Grundrechte aufeinander ab und gleicht sie untereinander aus (Urteil vom 3. Mai 1988 a.a.O. S. 300 bzw. S. 5). Es schränkt den Kreis möglicher, der demokratisch legitimierten Entscheidung zugänglicher Unterrichtsgestaltungen im Interesse effektiven Grundrechtsschutzes ein. Die Entscheidung über Inhalt und Modalitäten des Unterrichts ist dem Staat überantwortet, der im Gegenzug aber Gewähr dafür tragen muss, religiöse Positionen wenigstens nicht absichtsvoll zu konterkarieren. Dass der Beklagte im vorliegenden Fall diese Grenze überschritten haben könnte, ist schon im Ansatz nicht ersichtlich.

15

In dem Anspruch auf Wahrung weltanschaulich-religiöser Neutralität des Unterrichts ist das Grundrecht auf Glaubensfreiheit im schulischen Kontext allerdings noch nicht erschöpft. Andernfalls würde es im Wesentlichen nur gewährleisten, dass die Schüler keiner unzulässigen religiösen Indoktrinierung ausgesetzt werden. Die Glaubensfreiheit umfasst aber nicht nur das Recht, eine unmittelbar gegenläufige Indoktrination von staatlicher Seite abzuwehren. Sondern sie umfasst darüber hinaus - wie bereits ausgeführt - auch das Recht, die eigene Lebensführung umfassend an den eigenen Glaubensüberzeugungen auszurichten. Dieses Recht würde leerlaufen und damit das Gebot einer ausgleichend-schonenden Zuordnung beider Verfassungspositionen auf ihrer vollen Breite verfehlt, dürfte die Schule sich im Rahmen der Unterrichtsgestaltung über die individuell erachtete Maßgeblichkeit bestimmter religiöser Verhaltensregeln stets ohne jede Einschränkung hinwegsetzen. Selbst eine dem Erfordernis weltanschaulich-religiöser Neutralität des Unterrichts genügende schulische Veranstaltung kann daher unter Umständen gegenüber einzelnen Schülern deren Glaubensfreiheit unzumutbar beschneiden. Die Verfassung geht nicht davon aus, dass der Staat im Sinne eines Modells weitgehender kompetenzieller Abschichtung im schulischen Bereich jeglicher Verpflichtung durch Art. 4 Abs. 1 GG ledig wäre, solange er nur das Neutralitäts- und Toleranzgebot beachtet, d.h. auf unmittelbare Indoktrination verzichtet (vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 a.a.O. S. 183; Jestaedt, in: Bonner Kommentar, Art. 6 Abs. 2 und 3, Lfg. Dezember 1995 Rn. 332; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 6 Rn. 218).

16

Kann die Schule daher nicht prinzipiell davon entbunden sein, auf religiöse Verhaltensgebote Rücksicht zu nehmen, so würde andererseits das Grundrecht auf Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG gegenüber dem staatlichen Bestimmungsrecht im Schulwesen aus Art. 7 Abs. 1 GG überspannt werden, wenn nicht auch dieser Pflicht zur Rücksichtnahme wiederum Grenzen gesetzt wären. Eine kategorische Beachtlichkeit sämtlicher vorgebrachter religiöser Verhaltensgebote liefe - entgegen dem oben aufgezeigten Ausgangspunkt - auf einen prinzipiellen Vorrang jedweder individuellen Glaubensposition vor dem staatlichen Bestimmungsrecht im Schulwesen hinaus, das insoweit dann seinerseits leerlaufen müsste. Die Schule hätte sich dann mit Unterrichtsgestaltungen zu begnügen, die von sämtlichen Glaubensstandpunkten aus akzeptabel erscheinen; sie wäre letztlich vom Konsens aller individuell Beteiligten abhängig. Dass dies in einer religiös pluralen Gesellschaft weder praktisch möglich noch, mit Blick auf die Integrationsfunktion der Schule, verfassungsrechtlich intendiert sein kann, liegt auf der Hand. Die integrative Wirksamkeit der Schule erweist sich nicht nur darin, Minderheiten einzubeziehen und in ihren Eigenarten zu respektieren. Sie setzt auch voraus, dass Minderheiten sich nicht selbst abgrenzen und sich der Konfrontation mit Unterrichtsinhalten, gegen die sie religiöse, weltanschauliche oder kulturelle Vorbehalte hegen, nicht stets von vornherein verschließen dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29. April 2003 a.a.O., vom 31. Mai 2006 a.a.O. S. 155 f. und vom 15. März 2007 - 1 BvR 2780/06 - BVerfGK 10, 423 <431>).

17

Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Befreiung von einzelnen Unterrichtseinheiten nicht als routinemäßige Option der Konfliktauflösung fungieren darf, die in jedem Fall ergriffen werden müsste, in dem aufgrund des Unterrichts Einzelnen eine Beeinträchtigung religiöser Positionen droht. Auch die Gewährung von individuellen Unterrichtsbefreiungen liefe, könnten die Betroffenen sie in jedem Konfliktfall beanspruchen, auf einen prinzipiellen Nachrang des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags hinaus, indem sie diesen für Minderheiten - zwar nicht mit Wirkung gegenüber allen Beteiligten, aber doch bezogen auf sich selbst - disponibel machte. Ist die staatliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf religiöse Belange aus Gründen der Praktikabilität und insbesondere auch aufgrund der Integrationsfunktion der Schule im Prinzip begrenzt, so folgt hieraus für alle Beteiligten, dass sie in einem bestimmten Umfang Beeinträchtigungen ihrer religiösen Überzeugungen als typische, von der Verfassung von vornherein einberechnete Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen haben, d.h. nicht über das Recht verfügen, ihnen beliebig auszuweichen. Hierdurch ist zugleich sichergestellt, dass der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag - der auch für die Schule im Grundsatz nicht disponibel ist - gleichmäßig gegenüber sämtlichen Schülern erfüllt wird. Eine Befreiung wegen befürchteter Beeinträchtigungen religiöser Positionen hat danach die Ausnahme zu bleiben. Von diesem Grundsatz ist der Senat bereits in seinem Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - BVerwGE 94, 82 ff. = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 109) ausgegangen. Dort ist ausgesprochen worden, dass Gründe der Glaubensfreiheit in aller Regel keine Unterrichtsbefreiung rechtfertigen und Ausnahmen auf das für den Grundrechtsschutz unerlässliche Maß beschränkt bleiben müssen (Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - a.a.O. S. 92 bzw. S. 54). Insoweit hält der Senat an diesem Urteil fest.

18

b. Der Grundsatz praktischer Konkordanz fordert nicht nur einen wechselseitig schonenden Ausgleich der hier in Rede stehenden Verfassungspositionen auf abstrakt-genereller Ebene. Aus ihm ergibt sich zudem die Vorgabe, bei Auftreten eines konkreten Konflikts zwischen beiden Verfassungspositionen zunächst auszuloten, ob unter Rückgriff auf gegebenenfalls naheliegende organisatorische oder prozedurale Gestaltungsoptionen eine nach allen Seiten hin annehmbare, kompromisshafte Konfliktentschärfung im Bereich des Möglichen liegt, die beiden Positionen auch in Bezug auf den Einzelfall Wirksamkeit verschafft und eine regelrechte Vorrangentscheidung so verzichtbar erscheinen lässt (vgl. bereits Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - a.a.O. S. 88 f. bzw. S. 50). Wer sich als Beteiligter einer solchen Konfliktentschärfung verweigert und annehmbare Ausweichmöglichkeiten ausschlägt, muss notfalls als Konsequenz hinnehmen, dass er sich nicht länger gegenüber dem anderen Beteiligten auf einen Vorrang seiner Rechtsposition berufen darf. Ist allerdings ein schonender Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen im Einzelfall unmöglich, so wird es unausweichlich, unter Einbezug der maßgeblichen Umstände eine Vorrangentscheidung zu treffen, d.h. danach zu fragen, ob die von einem Einzelnen aus religiösen Gründen begehrte Befreiung von der Unterrichtsteilnahme tatsächlich für seinen Grundrechtsschutz unerlässlich ist und das staatliche Bestimmungsrecht demzufolge ausnahmsweise zurückzutreten hat. Diese Prüfung ist insbesondere an folgenden Maßgaben zu orientieren:

19

aa. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls darf nicht bereits deshalb angenommen werden, weil ein Befreiungsverlangen nur von einer einzelnen Person in einer bestimmten Situation geltend gemacht wird. In die rechtliche Betrachtung ist mit einzubeziehen, dass die zur Entscheidung einer konkreten Konfliktlage zu bildende "Präferenzrelation" zwischen den konträren Verfassungspositionen (Jestaedt, a.a.O. Rn. 343) in vergleichbar gelagerten Konstellationen, die in ihrer Summe die Wahrnehmung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags deutlich stärker beeinträchtigen können, ebenfalls in Anspruch genommen werden könnte. Eine entsprechende Weiterung des Blickwinkels, wie sie bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Schrankenregelungen bei nicht vorbehaltlos gewährten Grundrechten selbstverständlich ist, ist auch bei Ermittlung der verfassungsrechtlichen Begrenzungen vorbehaltlos gewährter Grundrechte durch kollidierende Verfassungspositionen geboten. Andernfalls würde hier - wofür überzeugende Gründe nicht ersichtlich sind - der Abgleich zwischen Individualbelangen und gemeinwohlorientierten staatlichen Gestaltungsbelangen strukturell abweichenden Mustern folgen. Hier wie dort ist daher jeweils die Frage zu stellen, ob das in Rede stehende Individualinteresse das gegenläufige Allgemeininteresse auch dann überwiegt, wenn es unter vergleichbaren Umständen mehrfach bzw. von einer Vielzahl von Grundrechtsträgern geltend gemacht, d.h. als allgemeine Maxime der Rechtsanwendung ins Auge gefasst wird.

20

bb. Auch damit, dass ein Befreiungsverlangen nur eine einzelne Unterrichtsstunde oder eine überschaubare Zahl von Unterrichtseinheiten betrifft, kann eine Unterrichtsbefreiung regelmäßig noch nicht hinreichend begründet werden. Denn hiermit relativiert sich zum einen häufig zugleich das Gewicht der grundrechtlichen Beeinträchtigung (vgl. Krampen-Lietzke, Der Dispens vom Schulunterricht aus religiösen Gründen, 2013, S. 267). Vor allem aber liefe eine Betrachtungsweise, die ein Versäumnis einzelner oder ihrer Zahl nach begrenzter Unterrichtseinheiten - gegebenenfalls auch unter Verweis auf ihren vorgeblich geringen bildungsmäßigen Stellenwert - für vernachlässigenswert hält, auf eine unzulässige Ausblendung der Integrationsfunktion der Schule hinaus. Diese kommt - auch im schulischen Wirkungsfeld der Wissens- und Fertigkeitsvermittlung - unabhängig vom jeweils in Rede stehenden Unterrichtsstoff zum Tragen und folgt nach dem oben Gesagten einer starren, gleichwohl aber verfassungsrechtlich tragfähigen Modellvorstellung: Der einzelne Schüler soll an sämtlichen schulischen Veranstaltungen teilnehmen müssen, weil nur die permanente, obligatorische Teilhabe am Schulunterricht unter Hintanstellung aller entgegenstehenden individuellen Präferenzen gleich welcher Art jenen gemeinschaftstiftenden Effekt zu erzeugen vermag, der mit der Schule bezweckt wird und der die Einführung der staatlichen Schulpflicht zu wesentlichen Anteilen legitimiert; dieser Vorstellung kommt - wie oben gleichfalls schon aufgezeigt - gerade auch dort besonderes Gewicht zu, wo sich der Einzelne durch die Unterrichtsteilnahme in Belangen beeinträchtigt sieht, die ihn in eine Minderheitenposition rücken. Von der Schulpflicht sind dementsprechend auch solche Unterrichtseinheiten nicht ausgenommen, die nur einen begrenzten Umfang aufweisen oder deren Bildungsertrag dem Betroffenen gering erscheinen mag. Eine Betrachtung, wonach die Schulpflicht im Hinblick auf bestimmte Unterrichtseinheiten weniger gewichtig und insoweit ihr verfassungsrechtlicher Stellenwert geringer zu veranschlagen wäre als bei anderen, wäre insofern verfehlt. Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag darf in Anbetracht der integrativen Funktion der Schule grundsätzlich nicht je nach Umfang oder Inhalt betroffener Unterrichtseinheiten als mehr oder wenig "nachgiebig" gegenüber anderen Verfassungspositionen eingestuft werden.

21

cc. Bieten danach Inhalt und Umfang der betroffenen Unterrichtseinheiten regelmäßig keinen Ansatz für einen Nachrang des staatlichen Bestimmungsrechts und kann auch der Einmaligkeit eines geltend gemachten Befreiungsverlangens meist keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen, muss die Frage in den Vordergrund rücken, welches sachliche Gewicht nach den Umständen des Einzelfalls der Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit beizumessen ist. Im Lichte des erwähnten Grundsatzes, wonach solche Beeinträchtigungen regelmäßig als typische Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen sind, d.h. ihnen nur ausnahmsweise ausgewichen werden darf, ist ein Anspruch auf Unterrichtsbefreiung - das Fehlen annehmbarer Ausweichmöglichkeiten wie gesagt vorausgesetzt - grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Beeinträchtigung den Umständen nach eine besonders gravierende Intensität aufweist. Nur unter dieser Voraussetzung ist die rechtliche Wertung plausibel, dass die grundrechtliche Belastung durch die Verfassung nicht von vornherein in Art. 7 Abs. 1 GG einberechnet ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kommt dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag Vorrang zu. Einer weitergehenden Abwägung bedarf es dann nicht mehr; über die Zuordnung der konkurrierenden Positionen ist dann bereits abschließend, auf abstrakt-genereller Ebene durch die Verfassung entschieden. Ist diese Voraussetzung aber erfüllt, d.h. liegt eine besonders gravierende Beeinträchtigung religiöser Belange vor, führt dies noch nicht automatisch zu einem Zurücktreten des staatlichen Bestimmungsrechts. In diesem Fall weist der konkret zutage tretende Konflikt ein Ausmaß auf, das oberhalb der durch die Verfassung in Art. 7 Abs. 1 GG abstrakt einberechneten Belastungsschwelle liegt. Für die Frage, wie hier die konkurrierenden Positionen zuzuordnen sind, lässt sich der Verfassung keine vorgefasste Antwort entnehmen. Die rechtliche Bewertung hängt augenscheinlich von Faktoren ab - insbesondere der sachlichen Eigenart der religiösen Position und dem Umfang sowie der Art und Weise, mit der diese schulischen Funktionserfordernissen entgegenwirkt -, die von Fall zu Fall stark variieren können und über die daher eine allgemeingültige verfassungsrechtliche Aussage nicht getroffen werden könnte. Hier bedarf es dann der Vornahme einer weitergehenden Abwägung.

22

dd. Eine danach für den Vorrang der religiösen Position vorauszusetzende besonders gravierende Intensität der Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit kommt überhaupt nur in Betracht, sofern ein religiöses Verhaltensgebot aus Sicht des Betroffenen imperativen Charakter aufweist. Ein verlangtes Zuwiderhandeln gegen solche in unübersehbarer Zahl vorhandenen religiösen Überzeugungen, die lediglich in nicht abschließend bindender Weise Orientierung und Anleitung für eine in religiöser Hinsicht optimierte Lebensführung vermitteln sollen, rechtfertigt in keinem Fall einen Vorrang der religiösen Position. Sind solche Überzeugungen auch in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit bzw. des religiösen Erziehungsrechts einbezogen (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>), so entsteht doch kein Glaubens- bzw. Gewissenskonflikt unzumutbaren Ausmaßes, wenn sie nicht vollumfänglich verwirklicht werden können. In Bezug auf imperative Glaubenssätze stoßen die Möglichkeiten des Staates, sie nach Maßgabe seiner externen Beurteilung untereinander in Rangstufen zu setzen und hieran anknüpfend unterschiedliche Grade der Beeinträchtigungsintensität für den Fall eines erzwungenen Zuwiderhandelns auszumachen, insofern auf Grenzen, als diese Glaubenssätze in Abhängigkeit vom staatlicherseits zu respektierenden Selbstverständnis der betroffenen Glaubensgemeinschaft bzw. des individuellen Grundrechtsträgers stehen und daher dem eigenständig bewertenden Zugriff des Staates entzogen sind (vgl. Germann, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand 15. Mai 2013, Art. 4 Rn. 16). Der Staat muss jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass zahlreiche Glaubensgemeinschaften tatsächlich von entsprechenden Abstufungen ausgehen und nicht sämtlichen religiösen Geboten unbeschadet ihres für sich genommen jeweils bindenden Charakters ein- und dasselbe Gewicht zumessen (vgl. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, S. 288; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 379). Es ist Aufgabe der Verwaltung wie des Tatrichters, auf Grundlage der Angaben des Betroffenen - die zu machen diesem obliegen - aufzuklären, welcher Stellenwert einem in Rede stehenden, imperativ bindenden religiösen Verhaltensgebot im Rahmen des Gesamtgerüsts seiner Glaubensüberzeugungen zukommt, und sich zu vergewissern, ob danach im Falle eines Zuwiderhandelns tatsächlich von einer besonders gravierenden Beeinträchtigungsintensität auszugehen ist, die in Art. 7 Abs. 1 GG nicht von vornherein mit einberechnet ist und die es nach dem Vorgesagten erforderlich macht, die religiöse Position in eine weitergehende Abwägung gegen das staatliche Bestimmungsrecht zu bringen. Es ist durchaus denkbar, dass einzelne religiöse Verhaltensgebote für den Betroffenen einen so untergeordneten Stellenwert besitzen, dass dieser sich nicht in eine glaubensbedingte Gewissensnot gravierenden Ausmaßes versetzt, wenn er sie in einer Konfliktlage vernachlässigt, um auf diese Weise einem entgegenstehenden staatlichen Normbefehl Folge leisten zu können.

23

c. Im Lichte der vorstehend unter a. und b. dargestellten Maßstäbe stand der Klägerin im vorliegenden Fall kein grundrechtlicher Anspruch auf Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht zu.

24

aa. Dies folgt im Hinblick auf das von ihr als verbindlich erachtete Gebot, ihren Körper gegenüber Angehörigen des männlichen Geschlechts weitgehend zu bedecken, schon daraus, dass die ihr mit der Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht drohende Einschränkung ihres religiösen Bestimmungsanspruchs auf ein für sie hinnehmbares Maß hätte zurückgestuft werden können, wenn sie das von der Schule unterbreitete Angebot aufgegriffen hätte, während dieses Unterrichts einen sogenannten Burkini zu tragen. Hiermit wäre - entsprechend der oben erwähnten Vorgabe der Herstellung praktischer Konkordanz im Einzelfall - eine ausgleichend-schonende Zuordnung der konträren Verfassungspositionen erreichbar gewesen. Die Unterrichtsteilnahme im Burkini stellte für die Klägerin eine annehmbare Ausweichmöglichkeit dar. Dass sie diese ausschlug, fällt nach dem oben Gesagten ihr zu Last:

25

Es ist - angesichts der vom Berufungsgericht festgestellten Eigenschaften dieses Kleidungsstücks - nicht nachvollziehbar, inwiefern die Klägerin selbst bei Anlegen eines Burkini nicht hinreichend ihren religiösen Überzeugungen hätte folgen können. Soweit die Klägerin nunmehr im Stadium des Revisionsverfahrens vorträgt, bei Tragen eines Burkini hätten sich ihre Körperkonturen abbilden können, kann sie hiermit kein Gehör finden. Die Feststellung, welchen religiösen Überzeugungen eine Person folgt und inwiefern diese Überzeugungen der Befolgung eines staatlichen Normbefehls entgegenstehen könnten, obliegt wie jede andere Tatsachenfeststellung dem Tatrichter, der hierfür auf Darlegungen von Seiten des Grundrechtsträgers angewiesen ist. An die tatrichterlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden; darüber hinausgehende Feststellungen zu treffen ist das Revisionsgericht nicht befugt (§ 137 Abs. 2 VwGO). Mangels entsprechender Darlegungen der Klägerin hat im vorliegenden Fall der Verwaltungsgerichtshof nicht die Feststellung treffen können, auch bei Anlegen eines Burkini wäre sie - wegen der hiermit verbundenen Gefahr, dass sich ihre Körperkonturen abzeichnen - in ihrer Glaubensfreiheit beeinträchtigt worden. Unabhängig hiervon erscheint der Vortrag der Klägerin auch in der Sache nicht plausibel. Sie nimmt nach eigener Einlassung am sonstigen Sportunterricht in langärmligem Hemd und langer Hose teil. Auch bei Verwendung weit geschnittener Kleidung ist es im Sportunterricht unvermeidlich, dass sich in der Bewegung Körperkonturen abzeichnen. Gleichwohl sieht sich die Klägerin nicht aus Glaubensgründen an einer Teilnahme am sonstigen Sportunterricht gehindert. Einen nachvollziehbaren, gerade in ihren religiösen Überzeugungen wurzelnden Grund für eine abweichende diesbezügliche Bewertung von Schwimm- und sonstigem Sportunterricht hat die Klägerin nicht vorgetragen.

26

Auch soweit die Klägerin entgegenhält, das Tragen eines Burkini führe zu religiöser Stigmatisierung und Ausgrenzung, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Anblick eines Burkini einzelne Mitschüler zu intoleranten sozialen Reaktionen veranlassen könnte, wenngleich die dahingehende Gefahr schon deshalb begrenzt sein dürfte, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof tatrichterlich festgestellt hat -, das Tragen eines solchen Kleidungsstücks mittlerweile sowohl in islamisch geprägten Ländern wie auch in Deutschland Verbreitung gefunden hat. Allerdings muss derjenige, der auf die konsequente Umsetzung seiner religiösen Überzeugungen im Rahmen des Schulunterrichts dringt und von der Schule in diesem Zusammenhang Rücksichtnahme einfordert, seinerseits grundsätzlich akzeptieren, dass er sich hierdurch in eine gewisse, für andere augenfällig hervortretende Sonderrolle begeben kann. Hieraus erwachsende Belastungen sind nur dann unannehmbar, wenn sie ein noch angemessenes Maß überschreiten. Die Vorgabe der Herstellung praktischer Konkordanz im Einzelfall verlangt von allen Beteiligten die Bereitschaft, von einer optimalen Verwirklichung ihrer Anliegen Abstand zu nehmen und bis zu einer gewissen Grenze Nachteile in Kauf zu nehmen. In Anbetracht der Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, die Lehrkräfte hätten in Wahrnehmung ihrer Aufsichtsverantwortung unangemessenen Reaktionen seitens der Mitschüler entgegentreten können, war diese Grenze im vorliegenden Fall für die Klägerin nicht überschritten.

27

bb. Im Hinblick auf das von ihr in Bezug genommene Glaubensgebot, sich nicht mit dem Anblick von Männern bzw. Jungen in knapp geschnittener Badebekleidung zu konfrontieren, kann die Klägerin gleichfalls nicht zum Zuge kommen.

28

(1) Eine Konfliktentschärfung im Sinne der einzelfallbezogenen Herstellung praktischer Konkordanz wäre in diesem Zusammenhang nicht in Frage gekommen. Für die Klägerin wäre es nicht praktikabel gewesen, im Schwimmunterricht ihre männlichen Mitschüler visuell auszublenden. Auf der anderen Seite hätte, anders als die Klägerin meint, für die Schule die Veranstaltung monoedukativen Schwimmunterrichts gleichfalls keine annehmbare Ausweichmöglichkeit dargestellt. Eine Ausweichmöglichkeit ist für die Schule dann nicht annehmbar, wenn sie zu einer Art der Unterrichtsgestaltung führen würde, die ihrem fachlichen Konzept - das hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Einklang mit den schulgesetzlichen Vorschriften auf die gemeinsame Unterrichtung von Jungen und Mädchen gerichtet war - in gravierender Weise zuwiderliefe. Andernfalls würde die Befugnis der Schule, das Bildungs- und Erziehungsprogramm sowie die Modalitäten seiner praktischen Umsetzung anhand eigener Vorstellungen bestimmen zu können (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Februar 1988 - 1 BvR 1181/88 - juris Rn. 4), in ihrem Kern in Frage gestellt und damit der Rahmen einer ausgleichend-schonenden Zuordnung der betroffenen Rechtspositionen überschritten werden. Der Grundsatz praktischer Konkordanz verlangt zwar nach dem oben Gesagten die Bereitschaft aller Beteiligten, im Einzelfall von einer optimalen Verwirklichung der eigenen Anliegen Abstand zu nehmen und bis zu einer gewissen Grenze Nachteile in Kauf zu nehmen. Diese Grenze ist aber dann überschritten, wenn eine in Rede stehende Ausweichmöglichkeit in Anbetracht des Gewichts der mit ihr verbundenen Konsequenzen die Position des hiervon Betroffenen in derart substantieller Weise beschneiden würde, dass die mit ihr angestrebte Konfliktentschärfung sich in Wahrheit als eine Vorrangentscheidung erweisen würde, mit der bezogen auf den Einzelfall letztlich eine Präferenzrelation zwischen den kollidierenden Rechtspositionen gebildet - statt ein Kompromiss gefunden - wird. Berücksichtigt man die elementare schulpolitische und -administrative Bedeutung der Wahl zwischen monoedukativer und koedukativer Unterrichtsgestaltung, läuft der Standpunkt der Klägerin eben hierauf hinaus. Ob das hier von der Schule mit der Einrichtung koedukativen Schwimmunterrichts verfolgte Konzept in pädagogischer Hinsicht für jedermann überzeugend erscheint, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, da keine durchgreifenden Belege dafür ersichtlich sind, dass die Schule mit ihm die Bandbreite noch als vertretbar einzustufender pädagogischer Lehrmeinungen verlassen hätte (vgl. im anderen Zusammenhang Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 6 C 6.12 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1977 - 1 BvR 799/76 - BVerfGE 45, 400 <414 f.>). Soweit dem Urteil des Senats vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - (Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 109 S. 50 f. - insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 94, 82 ff.) Gegenteiliges zu entnehmen ist, hält der Senat hieran aus den genannten Gründen nicht länger fest.

29

(2) Ist es danach an dieser Stelle unausweichlich, unter Einbezug der maßgeblichen Einzelumstände eine Vorrangentscheidung zwischen den kollidierenden Verfassungspositionen zu treffen, so muss diese zu Lasten der Klägerin ausfallen:

30

Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich schon nicht eindeutig, ob dem Glaubensgebot, sich nicht mit dem Anblick von Männern bzw. Jungen in knapp geschnittener Badebekleidung zu konfrontieren, im Verhältnis zu anderen von der Klägerin als religiös bindend erachteten Geboten ein erhöhter Stellenwert zukommt und ihre Freiheit, das eigene Verhalten an Glaubensüberzeugungen auszurichten, durch die mit der Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht einhergehende Zuwiderhandlung gegen dieses Gebot nicht nur überhaupt, sondern darüber hinaus in einer besonders gravierenden, in Art. 7 Abs. 1 GG nicht von vornherein mit einberechneten Intensität beeinträchtigt worden wäre. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Glaubensfreiheit der Klägerin in Ansehung des besonderen Zuschnitts des fraglichen Glaubensgebots sowie der Art und Weise, in der es schulischen Funktionserfordernissen entgegenwirkt, zurücktreten müssen. Das Gebot läuft darauf hinaus, vom Anblick einer Bekleidungspraxis verschont zu werden, die auch außerhalb der Schule zum allgemein akzeptierten Alltagsbild - jedenfalls an bestimmten Orten bzw. zu bestimmten Jahreszeiten - gehört. Mit ihrem Befreiungsverlangen knüpfte die Klägerin ihre Bereitschaft, am Schulunterricht teilzunehmen, an die Bedingung, dass dort ein bestimmter, nach allgemeiner Auffassung unverfänglicher Ausschnitt sozialer Realität ausgeblendet werden sollte. Dies stellt den schulischen Wirkungsauftrag in seinem Kern in Frage. Die Schule soll, neben ihrer Bildungsaufgabe, unter den von ihr vorgefundenen Bedingungen einer pluralistisch und individualistisch geprägten Gesellschaft eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion erfüllen (s.o.). Hierbei kommt dem Anliegen, bei allen Schülern die Bereitschaft zum Umgang mit bzw. zur Hinnahme von Verhaltensweisen, Gebräuchen, Meinungen und Wertanschauungen Dritter zu fördern, die ihren eigenen religiösen oder kulturellen Anschauungen widersprechen, entscheidende Bedeutung zu. In der Konfrontation der Schüler mit der in der Gesellschaft vorhandenen Vielfalt an Verhaltensgewohnheiten - wozu auch Bekleidungsgewohnheiten zählen - bewährt und verwirklicht sich die integrative Kraft der öffentlichen Schule in besonderem Maße. Diese würde tiefgreifend geschwächt werden, wenn die Schulpflicht unter dem Vorbehalt stünde, dass die Unterrichtsgestaltung die soziale Realität in solchen Abschnitten ausblendet, die im Lichte individueller religiöser Vorstellungen als anstößig empfunden werden mögen. Eine (partielle) Unterrichtsbefreiung könnte bei dieser Sachlage allenfalls in Betracht zu ziehen sein, wenn andernfalls das religiöse Weltbild des Betroffenen nach seiner Wahrnehmung insgesamt negiert - d.h. zugleich auch die religiöse Position in ihrem Kern in Frage gestellt - würde. Dafür, dass diese extreme Schwelle im vorliegenden Fall erreicht gewesen sein könnte, ergeben weder die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs noch die ihnen zugrunde liegenden Darlegungen der Klägerin genügend Anhaltspunkte.

31

cc. Im Hinblick auf das von der Klägerin in Bezug genommene Gebot, keine männlichen Mitschüler zu berühren, genügt der Hinweis, dass die entsprechende Gefahr durch eine umsichtige Durchführung des Unterrichts von Seiten der Lehrkräfte sowie durch zusätzliche eigene Vorkehrungen der Klägerin auf dasjenige - für die Klägerin ohne weiteres hinnehmbare - Maß hätte reduziert werden können, mit dem sie auch außerhalb des Schwimmunterrichts im schulischen wie im außerschulischen Alltag ohnehin konfrontiert ist.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.