Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2017 - 19 CS 16.2376

bei uns veröffentlicht am24.07.2017

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, gegen die Abschiebungsanordnung aus der Haft heraus und gegen die Abschiebungsandrohung (Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.12.2015) nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen, ist nicht begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Der Antragsteller rügt mit seiner Beschwerde, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die im Bescheid vom 18. Dezember 2015 ebenfalls verfügte, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inzident zu prüfende Ausweisung rechtmäßig erfolgt und die begehrte Erteilung der Aufenthaltserlaubnis deshalb nach § 11 Abs. 1 AufenthG zu versagen sei, denn die Vorbelastungen des Antragstellers rechtfertigten die Ausweisung nicht; er sei vielfach wegen Straftaten im Bagatellbereich verurteilt worden. Die verbüßte Freiheitsstrafe habe nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Er habe weiterhin Kontakt zu seinen deutschen Kindern, so dass ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG anzuerkennen sei. Auch sei ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 gegeben, da er über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge und sich seit mindestens fünf Jahren in der Bundesrepublik aufhalte.

Diese Rügen greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist bei seiner inzident vorgenommenen Prüfung der Rechtmäßigkeit der verfügten Ausweisung (a) zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht zu beanstanden sein wird (b).

a) Da für die Auslösung der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AufenthG bereits die Wirksamkeit der Ausweisung ausreicht, hat das Verwaltungsgericht im Rahmen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis eine Überprüfung der Ausweisungsverfügung vorgenommen. Wird der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG einer gleichzeitig verfügten Ausweisung abgelehnt, so hat dies zur Folge, dass aufgrund des Entfallens der aufschiebenden Wirkung nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG insoweit auch die Ausweisungsverfügung mittelbar vollzogen wird. Unerlässlich ist es deshalb, um den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu genügen, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Versagung der Aufenthaltserlaubnis die Ausweisungsverfügung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wird (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 CS 14.2656 – juris Rn. 22 m.w.N.).

b) Das Beschwerdevorbringen, mit dem der Antragsteller geltend macht, die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis sei rechtswidrig, weil wegen der Fehlerhaftigkeit der Ausweisung § 11 Abs. 1 AufenthG nicht anwendbar sei, rechtfertigt nicht die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

aa) Das Verwaltungsgericht hat mit überzeugender Begründung festgestellt, dass die nach § 53 Abs. 1 AufenthG in der ab 1. Januar 2016 geltenden Neufassung (des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I S. 1886, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11.3.2016, BGBl I S. 394) vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beim Antragsteller auch aktuell noch gegeben ist, weil die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er weiterhin schwerwiegende, vor allem (auch) gegen die körperliche Unversehrtheit und damit ein besonders bedeutsames Schutzgut (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gerichtete Straftaten begehen wird. Das Verwaltungsgericht hat bei dieser Prognose die besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Umstände der Begehung der Straftaten, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt berücksichtigt.

Der Antragsteller hat während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik seit 2004 zahlreiche, vielfältige und wiederholt nicht nur geringfügige Straftaten bei hoher Rückfallgeschwindigkeit begangen, dabei auch die körperliche Unversehrtheit anderer Personen, insbesondere die seines entwicklungsverzögerten Sohnes und somit Schutzbefohlenen, vorsätzlich verletzt und ist insoweit auch als Wiederholungstäter und Bewährungsversager anzusehen. Am 19. Februar 2004 wurde er wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu 15 Euro verurteilt; dem schloss sich am 22. Juli 2005 eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 30 Euro wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis an. Am 21. Februar 2006 wurde er wegen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt (als Bewährungszeit sind 3 Jahre festgesetzt worden, die im weiteren Verlauf verlängert worden sind, bis schließlich die Strafaussetzung widerrufen werden und der Antragsteller vom 3.12.2008 bis 14.1.2009 in Haft genommen werden musste; der Verurteilung lagen Faustschläge und zugefügte Bissverletzungen zugrunde). Am 22. August 2006 folgte eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu 25 Euro wegen Erschleichens von Leistungen. Am 25. Januar 2007 wurde der Antragsteller wegen Freiheitsberaubung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 20 Euro verurteilt; nachträglich wurde am 27. Februar 2008 mit der Entscheidung vom 22. August 2006 eine Gesamtstrafe von 105 Tagessätzen zu 20 Euro gebildet. Am 12. Juni 2008 wurde der Antragsteller wegen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt; der Strafrest wurde nach Verbüßung von zwei Dritteln am 25. Oktober 2011 zur Bewährung ausgesetzt. Dem folgte am 1. Dezember 2008 eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 20 Euro und am 25. Mai 2009 eine Verurteilung wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten. Nach einer weiteren Verurteilung am 19. April 2010 wegen Erschleichens von Leistungen folgte am 5. Februar 2013 die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung des Sohnes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Am 19. Februar 2014 wurde der Antragsteller wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; der Verurteilung lag ein Faustschlag ins Gesicht im Rahmen einer zunächst verbalen Auseinandersetzung mit dem Geschädigten (Hausmeister der Mietwohnung des Antragstellers) zugrunde. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam ausweislich des Urteils wegen deutlich negativer Sozialprognose und Bewährungsversagens nicht in Betracht. Der Antragsteller befand sich vom 12. März 2014 bis zum 7. März 2016 erneut in Strafhaft. Während der Strafhaft hat sich der Antragsteller gegenüber einem Mitgefangenen wegen Beleidigung durch Anspucken strafbar gemacht, abgeurteilt am 23. März 2016 mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 10 Euro.

Der Antragsteller ist damit seit 2004 fortlaufend strafrechtlich in Erscheinung getreten, und zwar nicht nur - wie in der Beschwerde vorgetragen – mit Straftaten im Bagatellbereich, sondern vor allem wiederholt mit vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten. Bereits mit der am 19. Februar 2014 abgeurteilten Straftat hat der Antragsteller ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG und – nach der seit dem 17. März 2016 geltenden Rechtslage (vgl. G.v. 11.3.2016, BGBl 2016 I, S. 394) - auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG begründet. Der Vollzug vorangegangener Freiheitsstrafen oder eine laufende Bewährung haben ihn nicht von der Begehung weiterer Körperverletzungsdelikte abhalten können. Das ungehemmte Aggressionspotential des Antragstellers belegt, dass der Antragsteller dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), das innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes einen besonderen Platz einnimmt, nicht die erforderliche Bedeutung beimisst.

Der Antragsteller trägt vor, er habe seit der Haftentlassung vom März 2016 keine Straftaten mehr begangen und sich gewandelt. Dies ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu widerlegen. Dass ihn entgegen des Beschwerdevorbringens auch die letzte Strafhaft nicht nachhaltig beeindruckt oder geläutert hat, belegt zunächst die erneute Straffälligkeit wegen Beleidigung gegen Ende der Haftzeit. Hinzu kommt, dass der Antragsteller seine Strafe voll verbüßen musste. Wäre dem Kläger eine Aussetzung eines Strafrests gewährt worden, hätte dies zumindest bedeutet, dass im Rahmen der Strafvollstreckung von einer „gewissen Wahrscheinlichkeit“ eines Resozialisierungserfolgs in der Bewährungszeit ausgegangen worden ist. Nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung kann die Aussetzung des Strafrestes „verantwortet werden“ im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit, eine „reale Chance“ für den Erfolg spricht; eine Wahrscheinlichkeit der Resozialisierung, also eine Unwahrscheinlichkeit neuer Straftaten muss demgegenüber nicht unbedingt gegeben sein vgl. BGH, U.v. 28.06.2000 - 3 StR 156/00 - NStZ-RR 2001,15, juris Rn. 18 sowie BayObLG, U.v. 05.09.2002 - 5 St RR 224/2002 - NStZ-RR 2003, 105, juris Rn. 9 ff.; eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ der Bewährung in Freiheit wird nicht gefordert, vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 57 Rn. 14 ff. und Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 57 Rn. 14). Nachdem der Antragsteller eine solche Strafaussetzung nicht erhalten hat, ist im Rahmen der Strafvollstreckung weder von einer Wahrscheinlichkeit der Resozialisierung noch von einer diesbezüglichen realen Chance ausgegangen worden.

Schließlich ist nicht zu verkennen, dass der Antragsteller auch nach der Haftentlassung unter dem Druck des noch offenen Ausweisungsverfahrens steht. Eine drohende Ausweisung erzeugt im allgemeinen und insbesondere bei Personen mit Hafterfahrung einen Legalbewährungsdruck, der über denjenigen einer drohenden Inhaftierung hinausgeht. Dies entspricht nicht nur der Erfahrung des Senats. In Fällen, in denen therapeutische/psychologische Stellungnahmen zur Rückfall-Thematik vorliegen, wird häufig die erhebliche Beeindruckung durch eine bevorstehende Ausweisung beschrieben (vgl. beispielsweise S. 26 des Senatsbeschlusses vom 2.5.2017 – 19 CS 16.2466 – juris). Hierzu trägt auch der Umstand bei, dass im Ausweisungsrechtsstreit aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist noch nicht ergangen, so dass der Antragsteller deswegen auch jetzt noch unter einem besonderen Legalbewährungsdruck steht. Demzufolge ist das Legalverhalten des Antragstellers nach der Haftentlassung für die ausweisungsrechtliche Prognose zwar heranzuziehen, jedoch nur bedingt aussagekräftig, weil es nicht ohne weiteres auf ein straffreies Leben nach dem Abschluss des Ausweisungsverfahren schließen lässt. Insgesamt liegen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Antragsteller mit seiner erheblichen kriminellen Vergangenheit tatsächlich ernsthaft auseinandersetzt und es bei ihm nach Verbüßung der Freiheitsstrafe zu einem ernsthaften und nachhaltigen Einstellungswandel gekommen ist. In der Gesamtschau kommt den günstigen Prognoseaspekten lediglich ein geringes, die negativen Prognosekriterien nicht überwiegendes Gewicht zu.

bb) Soweit sich der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen auf ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG wegen seiner beiden deutschen Kinder beruft, bleibt der Vortrag betreffend Kontakte zu seinen Kindern unsubstantiiert und pauschal. Es kann somit nicht von einer gelebten Wahrnehmung der Personensorge und eines Umgangsrechtes ausgegangen werden. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach der Antragsteller zum älteren Sohn, der Opfer des 2013 abgeurteilten Körperverletzungsdelikts war, keinen Umgangskontakt hat und zu dem jüngeren Sohn, bei dem eine Vaterschaftsanfechtung seitens der Kindsmutter angekündigt wurde, keinen Kontakt hat, sind nicht in Zweifel gezogen. Dementsprechend widerspricht es nicht dem Wohl der Kinder und ist es dem Antragsteller zuzumuten, den Kontakt künftig von dem Heimatland aus, in dem der Antragsteller seine wesentliche Prägung erfahren hat, durch Briefe oder digitale Medien aufrecht zu erhalten.

Es kommt hinzu, dass selbst bei Vorliegen eines schwerwiegenden Bleibeinteresses gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG sich unter Berücksichtigung der Vielzahl an Straftaten, der Rückfallgeschwindigkeit und des Bewährungsversagens des Antragstellers die Ausweisung auch im Licht von Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK als verhältnismäßig erweisen würde. Durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützte familiäre Belange setzen sich bei der einzelfallbezogenen Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers auch dann nicht zwangsläufig durch, wenn sie gewichtig sind (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.4.2015 – 10 ZB 14.2534 – juris Rn. 9 m.w.N.). Art. 6 Abs. 1 GG gewährt nämlich nicht von vornherein einen Schutz vor Ausweisung, sondern verpflichtet dazu, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – NVwZ 2013, 1207, Rn. 12). Vorliegend käme dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse das höhere Gewicht gegenüber einem schwerwiegenden Bleibeinteresse zu.

Ein schwerwiegendes Bleibeinteresse ist auch nicht aus § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ableitbar. Der Antragsteller vermag nicht mit seinem Beschwerdevorbringen durchzudringen, er sei aufgrund der am 24. Juli 2006 beantragten Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis wegen der Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und halte sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet auf. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG fordert den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Eine im Hinblick auf den Verlängerungsantrag eines Aufenthaltstitels erteilte Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AufenthG steht dem nicht gleich (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2011 – 19 B 10.1631 – juris Rn. 40 ff.; U.v. 4.2.2009 – 19 B 08.2774 – juris Rn. 41; OVG Saarl, B.v. 27.8.2014 – 2 D 282/14 – juris Rn. 5; Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 55 AufenthG, Rn. 6; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 55 AufenthG, Rn. 30, dessen Meinung, der in § 55 Abs. 3 AufenthG enthaltene Verweis auf Absatz 2 sei als Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu werten, vgl. § 55 AufenthG Rn. 41 nicht überzeugt). Sinn und Zweck der Fiktionswirkung sowie die erforderliche Differenzierung zwischen Rechtmäßigkeit eines Aufenthalts und Titelbesitz sprechen dafür, dass der Fiktionswirkung nur eine besitzstandswahrende, aber nicht eine rechtsbegründende Wirkung zukommen soll (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2010 – 1 C-6/09 –, BVerwGE 136, 211 bis 222, Rn. 21). Für das Bestehen eines schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 AufenthG kommt es danach auf den tatsächlichen Besitz des jeweiligen Aufenthaltstitels an. Der Senat hat diese Frage im Hinblick auf einen Ausweisungsschutz in mehreren Entscheidungen in dem Sinne beantwortet, dass die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG dem tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nicht gleich steht (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2011, a.a.O., U.v. 4.2.2009, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG, wobei der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

I. Die Verfahren 10 CS 14.2656 und 10 C 14.2657 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten der Beschwerdeverfahren trägt der Antragsteller.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 10 CS 14.2656 wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seinen Beschwerden verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antrags- (M 25 S 14.3701) und das Klageverfahren (M 25 K 14.3700) weiter.

Der Antragsteller ist togoischer Staatsangehöriger und wurde am 23.Juni 1995 in der Bundesrepublik geboren. Nachdem er, vertreten durch seine Eltern, die im Jahr 1992 ins Bundesgebiet eingereist und Asyl beantragt hatten, erfolglos zwei Asylverfahren durchgeführt hatte, erhielt er erstmals im Dezember 2004 eine Aufenthaltsbefugnis und zuletzt am 13. Dezember 2005 eine bis 11. April 2010 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG, deren Verlängerung er am 9. April 2010 beantragte.

Bei diesem Antrag gab er an, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt werde. Er erhielt deshalb lediglich Bescheinigungen über eine Erlaubnisfiktion gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG. Seit Mai 2011 wird der Antragsteller auf der sog. Properliste für jugendliche Intensivstraftäter wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten geführt. Es liegen folgende strafrechtliche Verurteilungen vor:

1. Urteil des Amtsgerichts München vom 23. Mai 2011: Vier Tage Jugendarrest wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen in Tatmehrheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Diebstahl.

2. Urteil des Amtsgerichts München vom 24. Januar 2012: Vier Tage Jugendarrest wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Unterstellung unter einjährige Betreuungsaufsicht hinsichtlich Schule, Ausbildung, Arbeit und Freizeitgestaltung.

3. Urteil des Amtsgerichts München vom 3. April 2012: Jugendstrafe von zehn Monaten mit dreijähriger Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung.

4. Urteil des Amtsgerichts München vom 12. April 2012: Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten mit dreijähriger Bewährung unter Einbeziehung der Verurteilung vom 3. April 2012 wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort jeweils in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung.

5. Urteil des Landgerichts München I vom 26. November 2013: Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts München vom 12. April 2012.

Wegen der letzten Tat ist der Antragsteller seit 15. Februar 2013 inhaftiert.

Nach erfolgter Anhörung wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus (Nr. 1 des Bescheids vom 7.August 2014), lehnte seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 9. April 2010 ab (Nr. 2) und untersagte die Wiedereinreise für sieben Jahre (Nr. 3). Die Abschiebung nach Togo bzw. in einen anderen aufnahmebereiten bzw. zur Rückübernahme verpflichteten Staat aus der Haft wurde angeordnet bzw. angedroht (Nr. 4).

Zur Begründung der Ausweisungsentscheidung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Antragsteller zwingend auszuweisen sei (§ 53 Nr. 1 AufenthG). Besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG genieße er nicht, weil er nur bis zum 11. April 2010 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei. Die Ausweisung entspreche Art. 8 Abs. 2 EMRK. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei vor allem von Bedeutung, ob der Ausländer über soziale Bindungen zu seinem Herkunftsland verfüge, welche Bindungen er im Gastland habe und ob die Ausweisung wegen Straftaten erheblicher Schwere einem dringenden sozialen Bedürfnis entspreche. Die Eltern und Geschwister des Antragstellers lebten in Deutschland. Er habe die Schule mit dem Hauptschulabschluss beendet, aber noch keine Berufsausbildung begonnen. Es werde davon ausgegangen, dass der Antragsteller die Muttersprache der Eltern zumindest verstehe, da die Eltern erst im Jahr 1992 von Togo nach Deutschland eingereist seien. Zu den beiden Halbschwestern in Togo habe der Antragsteller eine durchaus enge Bindung. Als Erwachsener sei er nicht mehr auf den Beistand von Familienangehörigen angewiesen. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller und seine Familie noch gute Kontakte und einen Bezug nach Togo hätten. Der Antragsteller sei massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er sei bereits zweimal zu einer Jugendstrafe verurteilt worden. Er habe sich auch bereits zweimal in der Jugendarrestanstalt zur Verbüßung eines Arrests befunden. Dies hätte jedoch keinen Eindruck bei ihm hinterlassen. Am 14. Februar 2013 sei er massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er sei wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Das Gericht habe festgestellt, dass der Antragsteller und seine Mittäter mehrfach gegen den Willen der Geschädigten sexuelle Handlungen an ihr vornahmen, die sie sehr erniedrigten und auch zu gravierenden psychischen Folgen führten. Zu Lasten des Antragstellers habe die Art und Weise der Ausführung der Taten gesprochen. Äußerst negativ sei auch das Nachtatverhalten gewertet worden. Er habe keinerlei Schuldeinsicht gezeigt. Strafverschärfend habe sich weiter ausgewirkt, dass der Antragsteller bereits mehrfach vorgeahndet gewesen sei und innerhalb einer offenen Bewährung gehandelt habe. Es bestehe auch nach der Haftentlassung die Gefahr, dass der Antragsteller ähnlich gelagerte Straftaten begehe. Das ergebe sich aus dem Umstand, dass die bisher verhängten Jugendstrafen oder Jugendarreste offenbar keinerlei Eindruck bei ihm hinterlassen hätten. Zudem habe er keinerlei Schuldbewusstsein oder Einsicht an den Tag gelegt. Er habe eine enorme kriminelle Energie bewiesen, weil er sich auch dann nicht von seinem Vorhaben abbringen habe lassen und sexuelle Handlungen an der Geschädigten vorgenommen habe, obwohl diese immer wieder ihren entgegenstehenden Willen zum Ausdruck gebracht habe. Aufgrund des massiven delinquenten Verhaltens, der hohen Rückfallgeschwindigkeit und der geringen Achtung der körperlichen Unversehrtheit und sexuellen Selbstbestimmung anderer bestehe die konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten durch den Antragsteller im Bundesgebiet. Im Rahmen der Abwägung der privaten Interessen an einem weiteren Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet mit den öffentlichen Interessen an seiner Ausreise zeige sich, dass die öffentlichen Interessen überwögen.

Die Versagung des Aufenthaltstitels begründete die Antragsgegnerin mit dem Vorliegen des absoluten Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG sowie des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zwar könne von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bei Aufenthaltserlaubnissen zum Familiennachzug abgesehen werden. Die Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Versagung der Aufenthaltserlaubnis und den persönlichen Interessen des Antragstellers führe aber auch hier zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiege.

Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller Klage erheben (M 25 K 14.3700). Zugleich beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels anzuordnen bzw. wiederherzustellen (M 25 S 14.3701). Für beide Verfahren beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten.

Mit Beschluss vom 6. November 2014 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen, sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Antragsverfahren ab. Dem Erfolg des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wegen der Versagung der Aufenthaltserlaubnis stehe bereits die Sperrwirkung der verfügten Ausweisung entgegen. Auch wenn die Ausweisung des Antragstellers wegen der aufschiebenden Wirkung der gegen sie gerichteten Anfechtungsklage nicht vollziehbar sei, sei sie dennoch wirksam. Dies genüge für die Auslösung der Sperrwirkung. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG gebiete aber, dass im Rahmen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis eine summarische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung erfolge. Die Ausweisung finde ihre Rechtsgrundlage in § 53 Nr. 1 AufenthG. Besonderen Ausweisungsschutz genieße der Antragsteller nicht. Neben der Regelvermutung, dass schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Ausweisung des Antragstellers rechtfertigten, stütze auch die beim Antragsteller zu bejahende konkrete Wiederholungsgefahr die Zulässigkeit der Ausweisung. Die danach einfachgesetzlich zulässige Ausweisung des Antragstellers sei auch mit Blick auf die Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK und auf höherrangiges Verfassungsrecht als nicht unverhältnismäßig anzusehen. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die nicht in eine allgemeine Ermessensausübung münde, sei zu berücksichtigen, dass beim Antragsteller mit Blick auf sein bisheriges Verhalten von einer hohen Wiederholungsgefahr für die Begehung schwerer Straftaten auszugehen sei. Auch seien die den Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten nicht als bloße vorübergehende Jugenddelinquenz zu betrachten. Das Landgericht München I habe im Urteil vom 26. November 2013 herausgestellt, dass beim Antragsteller schädliche Neigungen vorlägen. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er hier geboren und aufgewachsen sei und er einen Hauptschulabschluss besitze. Auch wenn er seine Heimatsprache „Kotokoli“ nur sehr gebrochen spreche, sei ihm eine Rückkehr nach Togo zuzumuten. Nach der geplanten Haftentlassung im August 2016 werde er 21 Jahre alt sein. Er könne dann ohne die Unterstützung von Bekannten und Verwandten zu Recht kommen. Er könne bei einem weiteren Spracherwerb auf die vorhandenen, wenn auch geringen Kenntnisse aufbauen. Der Antragsteller befände sich in einem Alter, in dem ihm das Erlernen einer neuen Sprache ohne weiteres zumutbar sei. Aufgrund der Kontaktaufnahme der Familie zur togoischen Fußballnationalmannschaft und der aktenkundigen fußballerischen Begabung könne sich für den Antragsteller nach Verbüßung der Strafhaft in Togo auch eine sportliche Zukunft aufbauen lassen.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und für die Anfechtungsklage samt Nebenentscheidungen werde aus denselben Gründen abgelehnt. Die Befristung sei rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig. Dem Antragsteller könnten bereits vor Ablauf der Sperrfrist Betretenserlaubnisse erteilt werden. Es bleibe ihm auch unbenommen, einen Antrag auf Festsetzung einer kürzeren Frist zu stellen.

Im Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München aufzuheben, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu gewähren.

Zur Begründung bringt er vor, die Auffassung des Erstgerichts, dass bereits der Erlass der Ausweisungsverfügung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 11 AufenthG hindere, verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Für eine tatsächliche Überprüfung bleibe kein Raum mehr. Die Ausweisungsverfügung sei allein auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt worden. Dies verstoße gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2007. Das Bundesverfassungsgericht stelle alle Ausweisungstatbestände, unabhängig davon, ob es sich um eine Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung handle, unter den Vorbehalt einer verfassungsrechtlich vorgegebenen Einzelfallentscheidung. Das Erstgericht gehe irrig von einer zwingenden Ausweisung aus. Der Antragsteller besitze einen besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 4 AufenthG. Er sei im Bundesgebiet geboren und halte sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig mit Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik auf. Selbst wenn kein besonderer Ausweisungsschutz bestünde, sei ein Regel-Ausnahme-Verhältnis nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts in den sog. Verwurzelungsfällen zu treffen. Das Gericht habe übersehen, dass „Kotokoli“ ein Stammesdialekt sei, der nur mündlich weitergegeben werde. Das Gericht hätte darlegen müssen, wie das Erlernen eines Stammesdialekts ohne Lehrer und Bücher möglich sein solle. Zudem spreche der Antragsteller auch kein Französisch. Die Ausführungen zu den Sprachkenntnissen stützten sich auf Erkenntnisse, die ohne Beweisaufnahme durch das Gericht nicht unterstellt werden könnten. Es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass sich der fußballerisch begabte Antragsteller in Togo eine sportliche Zukunft aufbauen könne. Diese ohne jeden konkreten Bezug zur Realität ausgesprochene Hoffnung vermöge nicht die Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung eines faktischen Inländers zu stützen. Es verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, wenn der Entscheidung des Erstgerichts zugrunde gelegt werde, dass der Antragsteller schon vor Erreichen der Strafmündigkeit straffällig geworden sei. Die Entscheidung des Erstgerichts lasse zudem jede eigene Auseinandersetzung mit der Straftat und deren Motiven sowie eine Zukunftsprognose vermissen. Zusammenfassend sei auszuführen, dass der Ausgang des Klageverfahrens bezüglich der Ausweisung des Antragstellers zumindest offen und eine Beweisaufnahme zu verschiedenen Punkten durchzuführen sei. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens könne nicht von einem überwiegenden Vollzugsinteresse ausgegangen werden.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerden bleiben ohne Erfolg. Die für das Beschwerdeverfahren 10 CS 14.2656 dargelegten Gründe, die der Senat ausschließlich prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung der Nr. I und II des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. November 2014 (1.). Die Beschwerde gegen Nr. IV des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. November 2014 (10 C 14.2657) ist ebenfalls unbegründet, weil das Verwaltungsgericht die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren M 25 K 14.3700 und für das Antragsverfahren M 25 S 14.3701 zu Recht abgelehnt hat (2.).

1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7. August 2014, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 9. April 2010 abgelehnt worden ist, voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, und hat daher den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt.

Das Erstgericht stellt zur Begründung seiner Entscheidung darauf ab, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe, weil die Sperrwirkung der in Nr. 1 des Bescheids vom 7. August 2014 verfügten Ausweisung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehe (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG). Da für die Auslösung der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AufenthG bereits die Wirksamkeit der Ausweisung ausreicht (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, AufenthG § 11 Rn. 4), hat das Erstgericht im Rahmen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis eine Überprüfung der Ausweisungsverfügung vorgenommen. Diese Vorgehensweise verstößt entgegen dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Dies ergibt sich aus Folgendem: Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen Widerspruch und Klage unbeschadet der aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung unberührt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber entschieden, dass der Eintritt der Wirksamkeit einer Ausweisungsverfügung auch dann nicht gehemmt werden soll, wenn die sofortige Vollziehung nicht angeordnet wurde (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar, AufenthG, § 84 Rn. 38 m.w.N.). Wird der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG einer gleichzeitig verfügten Ausweisung abgelehnt, so hat dies zur Folge, dass insoweit auch die Ausweisungsverfügung mittelbar vollzogen wird. Unerlässlich ist es deshalb, um den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu genügen, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Versagung der Aufenthaltserlaubnis die Ausweisungsverfügung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wird (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar, AufenthG, § 84 Rn. 49). Das Erstgericht hat eine summarische Inzidentprüfung (vgl. Hailbronner, AufenthG, § 11 Rn. 14 m.w.N.) der Ausweisungsverfügung vorgenommen. Diese summarische Überprüfung der Ausweisungsverfügung im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis hindert entgegen dem Beschwerdevorbringen eine richterliche Überprüfung einer nicht für sofort vollziehbar erklärten Ausweisungsverfügung nicht. Diese findet jedenfalls im Rahmen des Klageverfahrens gegen die Ausweisungsverfügung statt. Sollte das Gericht im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die Ausweisung rechtswidrig ist, tritt auch die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht ein. Im Übrigen hat sich das Erstgericht nicht auf eine summarische Überprüfung der Ausweisung beschränkt. Sämtliche rechtlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung wurden überprüft. Fragen, die einer tatsächlichen Klärung im Hauptsacheverfahren bedurft hätten, bestanden nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht.

Soweit im Beschwerdeverfahren gerügt wird, dass die Ausweisungsverfügung nur auf generalpräventive Gründe gestützt worden sei und die verfassungsrechtlich vorgegebene Einzelfallentscheidung nicht erfolgt sei, trifft dies nicht zu. Das Erstgericht hat ebenso wie die Antragsgegnerin im Bescheid vom 7. August 2014 eine konkrete Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer schwerer Straftaten beim Antragsteller bejaht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auf seine strafrechtlichen Verurteilungen, insbesondere die zuletzt vom Antragsteller begangene Straftat (Vergewaltigung und Körperverletzung) abgestellt. Es hat betont, dass weder die Verbüßung von Jugendarrest noch die Verhängung von Jugendstrafen zur Bewährung positiv auf den Antragsteller hätten einwirken können, er im Strafverfahren die Tat geleugnet und keine Schuldeinsicht gezeigt habe und das Elternhaus auf seine Straftaten nicht oder in schädlicher Weise reagiert habe und er nach der Strafentlassung in eine vorbelastete Umgebung zurückkehre.

Auch die in der Beschwerdebegründung geäußerte Auffassung, die Ausweisungsentscheidung habe die individuellen Lebensumstände des Antragstellers nicht erfasst, weil dies durch das von der Ausländerbehörde bzw. dem Erstgericht angelegte Prüfprogramm nicht gewährleistet sei, ist nicht zutreffend. Die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht sind davon ausgegangen, dass der Antragsteller wegen der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zwingend auszuweisen sei (§ 53 Nr. 1 AufenthG). Die verfügte Ausweisung entspricht jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wonach auch bei Anwendung des gesetzlichen Stufensystems für Ausweisungen die Umstände des Einzelfalls zu prüfen seien, da nur diese Prüfung sicherstellen könne, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des betroffenen Ausländers gewahrt bleibe (BVerfG, B.v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 19), weil das Verwaltungsgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Maßstäbe des Art. 8 EMRK vorgenommen hat. Insbesondere legt der Antragsteller insoweit nicht dar, inwieweit die vom Erstgericht anhand von Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ausweisung nicht der sich aus dem Verfassungsrecht ergebenden Verpflichtung entspricht, die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR zu untersuchen.

Ebenso wenig legt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren dar, aus welchen Gründen er besonderen Ausweisungsschutz i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genießen solle. Die Rechtsfolge des § 56 Abs. 1 Satz 2 und 4 AufenthG, wonach ein Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden darf und die zwingende Ausweisung zu einer Regelausweisung herabgestuft wird, tritt nur ein, wenn der Ausländer den besonderen Ausweisungsschutz i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für sich in Anspruch nehmen kann. Der Antragsteller ist zwar im Bundesgebiet geboren und hat sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, er besitzt jedoch nicht die nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für das Bestehen eines besonderen Ausweisungsschutzes erforderliche Aufenthaltserlaubnis. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass es für das Bestehen eines besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auf den tatsächlichen Besitz der Aufenthaltserlaubnis ankommt und die Fiktionswirkung des Verlängerungsantrages gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG dem tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nicht gleichsteht. Diese Rechtsauffassung des Erstgerichts ist zutreffend (Alexy in Hofmann/Hofmann, HK-AuslR, 1. Aufl. 2008, AufenthG, § 56 Rn. 9) und wurde vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht in Zweifel gezogen.

Die im Beschwerdeverfahren vertretene Rechtsansicht, wonach selbst dann, wenn kein besonderer Ausweisungsschutz bestünde, wegen der Verwurzelung des Antragstellers ein „Regel-Ausnahme-Verhältnis nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 2 BvR 1392/10) zu treffen sei“, ist nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei Vorliegen einer zwingenden Ausweisung die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 23.10.2007 – 1 C 10/07 – juris Rn. 24), wonach ein Ausnahmefall von der Regelausweisung – und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung – bereits dann vorliegt, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten, keine Anwendung findet. Diese Rechtsprechung ist zum Regelausweisungstatbestand des § 54 AufenthG bzw. zu einer wegen des Vorliegens besonderen Ausweisungsschutzes zur Regelausweisung herabgestuften zwingenden Ausweisung ergangen. Sie ist nicht auf die Ist-Ausweisung nach § 53 AufenthG übertragbar. Eine Ist-Ausweisung ist allein auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die vom Antragsteller angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit es nicht zulasse, das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten zu bestimmen (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07), hat nicht zur Folge, dass aus einer zwingenden Ausweisung eine Ermessensausweisung wird, wenn verfassungsrechtlich oder völkerrechtlich geschützte private Interessen des Ausländers tangiert sind. Die bei einem zwingenden Ausweisungstatbestand verfassungsrechtlich vorgegebene Verhältnismäßigkeitsprüfung führt nicht zu einer durch den Gesetzeswortlaut des § 53 AufenthG ausdrücklich ausgeschlossenen Ermessensentscheidung, sondern beinhaltet lediglich die Pflicht, die der Ausweisung zugrundeliegende Straftat unter Berücksichtigung sämtlicher Tatumstände und der sich aus den Straftaten ergebenden Gefahr zu gewichten und mit eventuell entgegenstehenden privaten Interessen des Ausländers abzuwägen (vgl. zum Ganzen Hailbronner, AuslR, AufenthG, vor § 53 Rn. 10 ff.).

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorträgt, die Ausweisungsverfügung sei nicht rechtmäßig, weil er die Landessprache (Kotokoli) und Französisch nicht spreche und das Gericht zu Unrecht von einer sportlichen Zukunft als Fußballer in Togo ausgegangen sei, führt dies nicht zur Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass der Antragsteller entsprechend seinem Vortrag im Antragsverfahren „Kotokoli“ zumindest „sehr gebrochen“ spreche. Ausschlaggebend für die Auffassung des Erstgerichts, das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Antragstellers überwiege das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Interesse des Antragstellers trotz der nur geringen Sprachkenntnisse, war, dass dem Antragsteller das Erlernen seiner Heimatsprache zumutbar sei, weil er zumindest Grundkenntnisse der Sprache besitze und sich in einem Alter befinde, in dem er eine neue Sprache noch erlernen könne. Ob er sich um den weiteren Spracherwerb bereits während seiner Strafhaft bemüht oder erst in seinem Heimatland Anstrengungen zum Spracherwerb unternimmt, war für das Erstgericht dabei nicht maßgebend. Im Übrigen spricht nach der Aktenlage vieles dafür, dass die Sprachkenntnisse des Antragstellers in seiner Heimatsprache „Kotokoli“ besser sind als von ihm im Antragsverfahren behauptet. Insoweit hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt, dass die Mutter mit ihren Kindern zumindest teilweise in „Kotokoli“ gesprochen habe, weil sie nicht so gut Deutsch spreche. Zudem ergibt sich aus dem Jugendgerichtshilfebericht der AWO vom 30. Oktober 2013, dass der Antragsteller telefonischen Kontakt zu seinen Halbschwestern in Togo hatte. Ein solcher telefonischer Kontakt setzt zumindest Grundkenntnisse der Landessprache voraus. Wie sich bereits aus der Formulierung im Beschluss ergibt, verstand das Erstgericht eine eventuelle Karriere als Fußballspieler in Togo nicht als konkrete Zukunftschance, die maßgeblichen Einfluss auf das Abwägungsergebnis gehabt hätte, sondern nur als Hinweis, dass der Antragsteller eventuell auch seine fußballerische Begabung nutzen könnte.

Dem Verwaltungsgericht kam es bei der Abwägungsentscheidung auch nicht maßgeblich darauf an, ob die Halbschwestern des Antragstellers noch in Togo lebten und dem Antragsteller in der Anfangszeit unterstützend zur Seite stehen könnten. Es hat entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass der Antragsteller im Zeitpunkt seiner geplanten Haftentlassung 21 Jahre alt sein werde und es ihm in diesem Alter auch zuzumuten sei, sich ohne die Unterstützung seiner Familie eine Existenz in Togo aufzubauen. Der Schwierigkeiten, die sich hierbei für den Antragsteller ergeben würden, war sich das Gericht bewusst, es bewertete aber die vom Antragsteller ausgehende Wiederholungsgefahr als so schwerwiegend, dass selbst die zweifellos bestehenden Schwierigkeiten beim Aufbau einer Zukunft im Heimatland nicht zu einem Überwiegen des Interesses des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet führen.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung hat das Gericht seiner Auffassung, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch weitere Verfehlungen des Antragstellers drohe und von ihm somit eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgehe, auch keine Straftaten zugrunde gelegt, die der Antragsteller vor Erreichen der Strafmündigkeit begangen hatte. Die vom Antragsteller vor Eintritt der Strafmündigkeit begangenen Straftaten sind lediglich bei der Sachverhaltsdarstellung erwähnt. Ausschlaggebend für die Annahme der konkreten Wiederholungsgefahr waren die zahlreichen (teilweise schweren) Straftaten nach Eintritt der Strafmündigkeit, die Erfolglosigkeit der Maßnahmen der Jugendhilfe, die Tatsache, dass der Antragsteller von der Verbüßung des Jugendarrests vollkommen unbeeindruckt blieb, die Begehung weiterer Straftaten innerhalb der Bewährungszeit sowie sein Verhalten nach Begehen der letzten Straftat. Wenn das Erstgericht in dem Beschluss erwähnt, dass der Antragsteller schon als strafunmündiges Kind mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei und es gebrochen habe, dient dies lediglich der Abrundung des sich nach Eintritt der Strafmündigkeit abzeichnenden Bildes einer sich seit Jahren entwickelnden und steigernden kriminellen Karriere des Antragstellers.

Entgegen dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren hat sich das Erstgericht mit der Straftat des Antragstellers, die letztlich zu seiner Ausweisung führte, auseinandergesetzt und ist aufgrund des Verhaltens des Antragstellers in der Vergangenheit zu dem Ergebnis gekommen, dass auch in Zukunft eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von ihm ausgeht. Bei der Bewertung der vom Antragsteller begangenen Straftat hat sich das Erstgericht im Wesentlichen der Beurteilung des Landgerichts München I im Urteil vom 26. November 2013 angeschlossen. Es wurde berücksichtigt, dass sich beim Antragsteller keine Hinweise auf Reife- oder Entwicklungsverzögerungen oder sonstige Erklärungen für sein Verhalten ergeben hätten, die Art und Weise der Ausführung der Taten eine besondere kriminelle Energie gezeigt habe, weil er den vom Opfer deutlich geäußerten entgegenstehenden Willen nicht beachtet habe und neben der Vergewaltigung auch den Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllt habe. Zudem habe er keinerlei Schuldeinsicht gezeigt und nach der Tat versucht, seine Mitangeklagten im Hinblick auf ihr Aussageverhalten im Strafprozess zu beeinflussen. Die Auffassung des Erstgerichts, dass beim Antragsteller eine konkrete Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten bestehe und auch die Hauptverhandlung im Strafprozess keine Zäsur bewirkt habe, hat der Antragsteller mit seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt. Das Erstgericht hat betont, dass weder die Unterstellung unter die Aufsicht und Betreuung des Jugendamtes, die Verbüßung von Jugendarrest noch die Verhängung von Jugendstrafen zur Bewährung positiv auf den Antragsteller hätten einwirken können. Er habe im Strafverfahren die Tat geleugnet und keine Schuldeinsicht gezeigt. Das Elternhaus sei nicht in der Lage gewesen, auf die Verfehlungen des Antragstellers zu reagieren, so dass eine beabsichtigte Rückkehr nach der Strafentlassung in eine Umgebung, die bislang bereits nicht förderlich gewesen sei, die Wiederholungsgefahr nicht entfallen ließe. Allein die bekundete Absicht, ein Sachverständigengutachten bezüglich der Zukunftsprognose des Antragstellers einholen zu wollen, zieht die auf konkreten Tatsachen und Verhaltensweisen des Antragstellers beruhende Feststellung des Erstgerichts, dass vom Antragsteller eine Wiederholungsgefahr ausgehe, nicht in Zweifel.

2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 127 Abs. 2 ZPO liegen weder für das Klageverfahren noch für das Antragsverfahren vor.

Prozesskostenhilfe erhält derjenige, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Insoweit ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird und daher auch bei der Interessenabwägung im Antragsverfahren, die anhand der Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren erfolgt, das öffentliche Interesse an der sofortigen Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden. Im Prozesskostenhilfeverfahren ist der Senat allerdings nicht auf die Prüfung des Beschwerdevorbringens begrenzt. Aber auch aus den vorgelegten Akten und dem Parteivortrag vor dem Verwaltungsgericht ergibt sich nicht, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung des Antragstellers sei rechtmäßig, so dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits an § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG scheitere, nicht zutreffend wäre. Auch wenn der Antragsteller in Deutschland geboren ist, hier sein ganzes Leben verbracht hat und seine Kernfamilie hier lebt, ist die Ausweisung nicht unverhältnismäßig i.S.v. Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der Antragsteller wird bei seiner Rückkehr nach Togo bereits 21 Jahre alt sein. Die Kontakte zu seinen bisher in Togo lebenden entfernteren Familienangehörigen zeigen, dass er sich zumindest mündlich in der Landessprache verständigen kann. Ebenso bestehen offensichtlich Kontakte der Familie in das Heimatland. Die Mutter des Antragstellers hat sich zuletzt im Dezember 2012 dort aufgehalten. Zudem leben wohl auch die Großeltern des Antragstellers dort (vgl. Schreiben d. Antragstellers v. 8.4.2013 an einen Mitangeklagten). Die bislang bekannten Tatsachen zum Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit, den von ihm begangenen Straftaten und dem Verhalten nach der Tat reichen aus, um das Vorliegen einer nach wie vor bestehenden Gefahr erheblicher künftiger strafrechtlicher Verfehlungen des Antragstellers zu begründen. Angesichts der erheblichen Wiederholungsgefahr und dem hohen Rang der vom Antragsteller durch seine Straftaten verletzten Schutzgüter ist die Ausweisung auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Togo haben wird, notwendig i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren sind auch nicht offen. Nach dem derzeitigen Sachstand muss das Erstgericht kein Sachverständigengutachten bezüglich des Bestehens einer Wiederholungsgefahr oder zur Beurteilung der Zukunftsprognose für den Antragsteller einholen. Der Tatrichter hat insoweit eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr bedarf es nur in Ausnahmefällen. Nur bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen ist zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich (BVerwG, B.v. 13.3.2009 – 1 B 20.08 – juris Rn. 6). Anhaltspunkte für eine solche psychische Erkrankung beim Antragsteller ergeben sich aus den vorliegenden Akten nicht. Auch bezüglich der Sprachkenntnisse des Antragstellers bedarf es keiner Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren. Die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin würde sich auch dann als rechtmäßig erweisen, wenn der Antragsteller nur „sehr gebrochen“ Kotokoli sprechen könnte, da ihm ein weiterer Spracherwerb, gegebenenfalls auch erst in Togo, zugemutet werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 CS 14.2656 beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 C 14.2657 bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Tenor

I. Unter entsprechender Abänderung des Ergebnisses des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO (B.d. Verwaltungsgerichts vom 18.8.2015, Az. AN 5 S 15.778; Senatsb.v. 21.3.2016, Az. 19 CS 15.1913) sowie des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 25. Mai 2016 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015 nach § 80 Abs. 7 VwGO wiederhergestellt.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO in beiden Instanzen zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Beschluss vom 19. Oktober 2016 zwar von „starken Indizien für das Vorliegen hinreichender Gründe für eine Ausweisung und Abschiebung“ aus (S. 10), hat aber gleichwohl entschieden, dass bei dem Antragsteller angesichts der Entscheidung des Strafgerichts, den Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen (B.v. 6.5.2016 nach § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG), und des Fehlens einer substantiierten Begründung für die Abweichung von der strafvollstreckungsrechtlichen Einschätzung (des Fehlens einer breiteren Tatsachengrundlage, wie sie etwa dann vorliegt, wenn die Ausländerbehörde oder das Gericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben haben, welches eine Abweichung zulässt) im ausländerrechtlichen Verfahren von einer relevanten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann. Angesichts der (im Rahmen von Aufhebung und Zurückverweisung) den Senat bindenden höchstgerichtlichen Feststellung, dass eine relevante Wiederholungsgefahr fehlt, kann der Senat weder von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Ausweisungsbescheides vom 6. Mai 2015 noch von einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses über die privaten Belange des Antragstellers ausgehen, sodass dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO stattzugeben ist.

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben für die Praxis (auch wenn es sich - wie vorliegend - um Kammerentscheidungen handelt, die den Offensichtlichkeitsmaßstab des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfG zugrunde legen, kurz gefasst sind und keine vertiefte Problemaufbereitung enthalten) Bedeutung über den entschiedenen Fall hinaus und wirken maßstabbildend. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Annahme zugrunde, über die Aussetzung eines Strafrests nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG (diese Vorschrift regelt - ebenso wie § 57 StGB - eine Strafrestaussetzung, also die Aussetzung einer Strafe nach Teilverbüßung; es ist offen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der B.d. BVerfG ausschließlich von „Strafaussetzung“ und auf S. 7 von einer Aussetzung der „Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe“ spricht) werde anhand derjenigen Sozialprognose entschieden, die auch Voraussetzung einer Ausweisungsentscheidung ist, und deshalb müsse die ausweisungsrechtliche Prognose einer relevanten Wiederholungsgefahr nach einer Strafrestaussetzung besonders begründet werden (auf einer Tatsachengrundlage, die breiter ist als diejenige, auf der die Strafrestaussetzung beruht). Angesichts der erwähnten Breitenwirkung dieser Ausgangsannahme im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hält es der Senat für erforderlich, seinen Bedenken gegen diese Annahme Ausdruck zu geben (I.). Dasselbe gilt für die Annahme im Beschluss des Bundeverfassungsgerichts, die Senatsentscheidung vom 9. September 2016 beruhe auf keiner breiteren Tatsachengrundlage als die Strafrest-Aussetzungsentscheidung (II.).

I.

Die Auffassung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2016, nur bei einer breiteren Tatsachengrundlage dürfe im Ausweisungsverfahren von der in einer Strafrestaussetzung liegenden positiven Sozialprognose abgewichen werden, beruht auf der Annahme, die Frage der Wiederholungsgefahr habe im Strafvollstreckungsrecht und im Ausweisungsrecht dieselbe Bedeutung (also denselben Bezugsrahmen). Der Grundsatz, dass sich das Gericht bei der Prognoseentscheidung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die dem Richter allgemein zugänglich sind, und es nur ausnahmsweise der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG in st.Rspr., u.a. U.v. 04.10.2012 - 1 C 13/11 - BVerwGE 144, 230, juris Rn. 12; vgl. auch Beschlüsse vom 6.5.1983 - 1 B 68.83 - ZfSH/SGB 1983, 499/500; vom 14.2.1984 - 1 B 10.84 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102; vom 21.5.1986 - 1 B 74.86 - ZfSH/SGB 1986, 458; vom 30.12.1988 - 1 B 123.88 - a.a.O.; vom 4.5.1990 - 1 B 82.89 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 124 undvom 14.3.1997 - 1 B 63.97 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 10 m.w.N.; im gleichen Sinn betreffend strafrechtliche Prognoseentscheidungen vgl. BVerfG, U.v. 8.10.1985 - 2 BvR 1150/80, 2 BvR 1504/82 - BVerfGE 70, 297, juris Rn. 34 und B.v. 2.05.2002 - 2 BvR 613/02 - NJW 2002, 2773, juris Rn. 6), wird im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht in Frage gestellt; das Prognosegutachten wird im höchstgerichtlichen Beschluss lediglich als eine von mehreren Möglichkeiten erwähnt, eine unzureichende Tatsachengrundlage zu verbreitern (im Ergebnis ebenso OVG Lüneburg, B.v. 23.03.2017 - 11 ME 72/17 - juris).

Hätte die Wiederholungsgefahr in beiden Bereichen denselben Bezugsrahmen, würde der rechtswegübergreifende Grundsatz gelten, dass eine Frage, die in einem Gerichtsverfahren bereits geklärt ist, in einem anderen Gerichtsverfahren nur mit besseren Gründen anders entschieden werden darf (zu Feststellungen der Strafgerichte, die für das Ausweisungsverfahren bedeutsam sind, vgl. bereits BVerwG, B.v. 24.2.1998 - 1 B 21.98 - juris, zu § 47 Abs. 1 AuslG 1990 sowievom 8.5.1989 - 1 B 77.89 - InfAuslR 1989, 269 zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1965, st. Rspr.; zu strafgerichtlichen Feststellungen, die für zivilrechtliche Ansprüche bedeutsam sind, vgl. BGH, U.v. 27.9.1988 - XI ZR 8/88 - BGHR EGZPO § 14 Abs. 2 Nr. 1 Strafurteil 1 und vom 22.9.1982 - IVb ZR 576/80 - BGHZ 85, 32, 35, sowie BAG, U.v. 22.1.1998 - 2 AZR 455/97 - NJW 1999, 82 ; zu strafgerichtlichen Feststellungen, die für das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren bedeutsam sind, vgl. § 57 Abs. 1 BDG sowie BVerwG, U.v. 11.2.2014 - 2 B 37.12 - juris, vom 29.11.2000 - 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243, 245 sowie vom 16.3.2004 - 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81 f.; B.v. 24.7.2007 - 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11, vom 26.8.2010 - 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5 sowie vom 15.3.2013 - 2 B 22.12 - juris Rn. 6 ff.).

Der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B.v. 23.6.2016 - 1 B 77/16 - juris Rn. 4; U.v. 15.1.2013 - 1 C 10/12 - InfAuslR 2013,217, juris Rn. 17 ff.; U.v. 16.11.2000 - 9 C 6/00 - BVerwGE 112,185; B.v. 16.11.1992 - 1 B 197/92 - InfAuslR 1993,121, juris Rn. 4; B.v. 23.9.1987 - 1 B 97/87 - InfAuslR 1988,1; B.v. 19.10.1982 - 1 C 100.78 - InfAuslR 1983,34/35 re.Sp.; vgl. auch BVerfG, B.v. 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 - InfAuslR 2001, 113, Juris Rn. 18,19) ist hinsichtlich von Strafrestaussetzungen ein anderer Standpunkt zu entnehmen. Dem insoweit grundsätzlichen Urteil vom 16. November 2000 (a.a.O.) zufolge ist eine Strafrestaussetzung nach § 57 StGB bei der ausländerrechtlichen Prognose von tatsächlichem Gewicht und stellt ein wesentliches Indiz dar, begründet aber keine Vermutung für das Fehlen einer Rückfallgefahr. Die zuständigen Behörden und Verwaltungsgerichte im Ausweisungsverfahren haben eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen und sind an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Sie haben auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Im Weiteren weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass bei einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB (anders als bei einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB, vgl. BVerwG, U.v. 28.01.1997 - 1 C 17/94 - InfAuslR 1997,296, juris Rn. 23) eher Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen und dass die ausländerrechtliche Beurteilung eine längerfristige Gefahrenprognose als die Anwendung des § 57 Abs. 1 StGB erfordert. Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist es nicht erforderlich, im Rahmen einer negativen ausweisungsrechtlichen Prognose die Richtigkeit der Strafrestaussetzung zu widerlegen, weil letztere anderen Maßstäben zu genügen hat (einen anderen Horizont hat) als die im Ausweisungsverfahren zu erstellende Prognose. Dies gilt selbst dann, wenn die Strafvollstreckungskammer den Strafrest nach Einholung eines Prognosegutachtens ausgesetzt hat, denn auch ein solches Prognosegutachten ist an den (vom Ausweisungsrecht abweichenden) materiellen strafrechtlichen Voraussetzungen orientiert (BVerwG, U.v. 15.1.2013, a.a.O., Rn. 18).

Die Ausführung im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2016, Ausländerbehörde und Verwaltungsgerichte seien für die Frage der Wiederholungsgefahr nicht an die „Strafaussetzungsentscheidung“ der Strafvollstreckungskammer gebunden, solchen Entscheidungen komme aber eine erhebliche indizielle Bedeutung zu, könnte zwar als Bezugnahme auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung verstanden werden. Die weitere Ausführung im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, es bedürfe einer substantiierten Begründung, wenn von der strafgerichtlichen Einschätzung abgewichen werden soll, in Verbindung mit der Forderung nach einer breiteren Tatsachengrundlage, etwa einem Sachverständigengutachten, sowie die Heranziehung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung (S. 11) zeigen aber die Verfolgung des Ansatzes, dass eine Frage, die in einem Gerichtsverfahren bereits geklärt ist, in einem anderen Gerichtsverfahren nur mit besseren Gründen anders entschieden werden darf, und damit den Gegensatz zur bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung deutlich auf. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (ein Aufzeigen von Fehlern in dieser Rechtsprechung) ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht zu entnehmen.

Der Senat ist der Auffassung, dass der Rechtsmeinung des Bundesverwaltungsgerichts die zutreffende Rechtsauslegung zugrunde liegt und keine Notwendigkeit im Ausweisungsverfahren besteht, die Richtigkeit der Strafrestaussetzung zu widerlegen. Strafrestaussetzungen und Ausweisungsentscheidungen haben nicht dieselbe Prognose zur Grundlage; die Rechtsordnung ist insoweit aus guten Gründen nicht einheitlich. Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen ist zu berücksichtigen, dass die in diesen beiden Rechtsbereichen zu erstellenden Prognosen auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften in einem jeweils eigenen Regelungskontext gründen und deshalb an unterschiedlichen Maßstäben zu orientieren sind (systematische Auslegung, vgl. etwa Zippelius, Juristische Methodenlehre, JuS-Schriftenreihe 93, 11. Aufl. 2012, § 8 S. 36). Ein Beschluss über die Aussetzung des Strafrests trifft zur ausweisungsrechtlichen Frage, ob der Ausländer (auch) in Zukunft eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit darstellt, keine unmittelbar verwertbare Aussage; ihm ist insbesondere nicht die Überzeugung zu entnehmen, dass der Ausländer nach der Beendigung strafvollstreckungsrechtlicher Einwirkungen keine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit darstellen wird. Der Ausländer kann eine solche Bedrohung darstellen und die Strafrestaussetzung dennoch rechtmäßig sein. Die dezidierte Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, die Annahme einer Wiederholungsgefahr stelle kein Abweichen von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung dar (B.v. 16.11.1992 - Az. 1 B 197/92 - InfAuslR 1993,121, juris Rn. 4, vgl. auch die eingehende Erläuterung im U.v. 15.1.2013, a.a.O., Rn. 19), gibt die Rechtslage zutreffend wieder.

Entgegen der im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (S. 11 oben) geäußerten Auffassung wird ein Verurteilter durch rechtstreues Verhalten während der Inhaftierung, der Bewährungszeit oder der Zeit einer Zurückstellung der Strafvollstreckung dem vom deutschen Strafvollstreckungsrecht bezweckten Resozialisierungsziel nicht gerecht (es indiziert daher auch nicht, dass eine relevante Wiederholungsgefahr im Sinne der §§ 53 ff. AufenthG nicht mehr besteht), sondern erst bei nachhaltig rechtstreuem Verhalten ohne ständige Pflichtenmahnung durch ein „Damoklesschwert“ (so bezeichnen Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 57 Rn. 1 die Möglichkeit, die Aussetzung des Strafrests zu widerrufen). Jedenfalls in Fällen nachhaltiger Delinquenz ist eine nachhaltige Resozialisierung oft nicht im Rahmen einer Strafvollstreckung zu erreichen (sinngemäß ebenso BVerfG, B.v. 16.3.1994 - 2 BvL 3/90, 2 BvL 4/91, 2 BvR 1537/88, 2 BvR 400/90, 2 BvR 349/91, 2 BvR 387/92 - BVerfGE 91,1, juris Rn. 90). Dies beruht unter anderem auf dem Umstand, dass mit der Begrenzung des Strafmaßes auf das Schuldangemessene auch die strafvollstreckungsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten begrenzt sind. Es ist Aufgabe des Strafvollstreckungsrechts, aus den zu Gebote stehenden - derart begrenzten - Mitteln (z.B. probeweise Vollzugslockerung, Zurückstellung der Strafvollstreckung, Strafrestaussetzung, aber auch Verlängerung der Bewährungszeit, Widerruf begünstigender Maßnahmen usw.; der B.d. BVerfG v. 16.3.1994, a.a.O., juris Rn. 65 spricht insoweit von positiven und negativen Verhaltensverstärkern) diejenigen auszuwählen, die - unter Berücksichtigung des öffentlichen Sicherheitsinteresses - die Resozialisierungswahrscheinlichkeit so weit als möglich erhöhen. Die Art und der Umfang der jeweils anstehenden - für die Frage der nachhaltigen Resozialisierung nur begrenzt bedeutsamen - konkreten Vollstreckungsentscheidung bestimmen den Prognosehorizont und auch die Prognosetiefe. Die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geäußerte Auffassung, dass eine Strafrestaussetzung regelmäßig der Ausweisung entgegensteht, würde zu einer empfindlichen Störung dieses Strafvollstreckungssystems führen. Die Strafvollstreckungsbehörden sind sich derzeit nicht bewusst, dass eine Strafrestaussetzung regelmäßig vorgreiflich ist für die Frage der Ausweisung. Müssten sie von einer solchen Vorgreiflichkeit ihrer Entscheidung ausgehen, würden sie das Erprobungsmittel der Strafrestaussetzung in derartigen Fällen restriktiv handhaben, obwohl die Vorschriften (nicht zufällig, vgl. Nr. II.2. lit. d, aa) die mit einer restriktiven Handhabung einhergehende unterschiedliche Behandlung von deutschen Staatsangehörigen und Ausländern nicht vorsehen. Nachdem eine unterschiedliche Handhabung bei identischer Vorschriftenlage kaum zu rechtfertigen ist, könnte dies auch dazu führen, dass die Handhabung des Instituts der Strafrestaussetzung (entgegen den Absichten des Gesetzgebers) ganz allgemein restriktiver wird.

Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB setzt die Aussetzung des Strafrestes unter anderem voraus, dass „dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Diese Formulierung weicht deutlich von der Formulierung der positiven Sozialprognose in § 56 StGB ab, der Vorschrift über Strafaussetzungen von Anfang an (bedingte Freiheitsstrafen). Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB erfolgt eine solche Strafaussetzung, „wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit eines (über die Bewährungszeit hinausgehenden) straffreien Verhaltens größer sein muss als diejenige neuer Straftaten (Stree/Kinzig, a.a.O., § 56 Rn. 17 mit Rspr.-Nachw.). In § 57 StGB, der Vorschrift über die Aussetzung desjenigen Strafrestes, der nach einer Teilverbüßung verbleibt, hat der Gesetzgeber diesen Prognosemaßstab nicht festgelegt. Insbesondere fordert er hier nicht, dass auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs Delinquenzfreiheit zu erwarten ist. Er hätte sonst die Möglichkeit der Aussetzung eines Strafrestes zu sehr eingeschränkt und dem mit der Aussetzung verbundenen Resozialisierungsinteresse nicht gedient (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 10; Kühl in Dreher/Maassen/Lackner, StGB, 28.. Aufl. 2014, § 57 Rn. 7; vgl. auch BGH, B.v. 25.04.2003 - StB 4/03, 1 AR 266/03 - NStZ-RR 2003,200 ff., juris Rn. 5 ff. und LS 1, wo hervorgehoben wird, dass bei der Strafrestaussetzung ein größeres Risiko als bei der Strafaussetzung nach § 56 eingegangen werden kann). Nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung kann die Aussetzung des Strafrestes „verantwortet werden“ im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg spricht (eine reale Chance); eine Wahrscheinlichkeit der Resozialisierung, also eine Unwahrscheinlichkeit neuer Straftaten (sie müssen nicht unbedingt einschlägig sein vgl. BGH, U.v. 28.06.2000 - 3 StR 156/00 - NStZ-RR 2001,15, juris Rn. 18 sowie BayObLG, U.v. 05.09.2002 - 5 St RR 224/2002 - NStZ-RR 2003, 105, juris Rn. 9 f.) oder eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ der Bewährung in Freiheit wird nicht gefordert (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 11 ff., Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 57 Rn. 14). Rechtsprechung und Literatur gehen ganz überwiegend davon aus, dass die (durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes v. 26.1.1998, BGBl I S. 160) mit Wirkung vom 31. Januar 1998 eingeführte Wendung „… erwartet werden kann“ gegenüber der vorher geltenden Formulierung „wenn erprobt werden kann“ keine inhaltliche Veränderung des Maßstabs herbeiführen sollte (Fischer, a.a.O., § 57 Rn. 13, Kühl, a.a.O., § 57 Rn. 7 sowie Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 9 und 15 jeweils mit Rspr.-Nachw.). Demzufolge bezieht sich die hier zu erstellende Prognose auf die Frage, ob bei dem Verurteilten eine Chance besteht, dass er die Bewährungszeit durchsteht (Kühl, a.a.O., § 57 Rn. 7: reale Bewährungschance). In Übereinstimmung hiermit formuliert das Bundesverwaltungsgericht in seiner bereits erwähnten Bewertung der Strafrestaussetzung im Rahmen der ausweisungsrechtlichen Gefahrenprognose, bei der Strafrestaussetzung stehe das Resozialisierungsinteresse im Vordergrund. Auf diese Rechtsprechung haben das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 25. Mai 2016 und auch der Senat in seinem Beschluss vom 9. September 2016 (S. 7) Bezug genommen.

Entgegen der in der Verfassungsbeschwerde des Antragstellers geäußerten (und im Beschluss des BVerfG wiedergegebenen) Auffassung spricht es nicht gegen einen unterschiedlichen Prognosehorizont von Strafrestaussetzung und Ausweisung, wenn - wie vorliegend - die Dauer der Bewährungszeit und die Dauer der Ausweisungssperrfrist gleich festgelegt worden sind (jeweils auf fünf Jahre). Während die Dauer der Sperrfrist daran zu orientieren ist, wie lange die Gefahr für die Allgemeinheit voraussichtlich bestehen wird, wobei die persönlichen Belange auf der Seite des Ausgewiesenen berücksichtigt werden müssen sowie der Umstand, dass die persönliche Entwicklung nur etwa zehn Jahre vorhergesehen werden kann (BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - NVwZ 2013,733 Rn. 40), steht bei der Strafrestaussetzung die Frage im Vordergrund, wie lange die Erprobung unter dem „Damoklesschwert“ (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 1) eines Widerrufs der Strafrestaussetzung andauern muss, um wenigstens eine reale Chance auf Straffreiheit zu bieten. Der Umstand, dass vorliegend die maximale Bewährungszeit festgelegt worden ist (die Bewährungszeit kann bis zu fünf Jahren ausgedehnt werden, vgl. § 56a Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 36 Abs. 4 BtMG), also der Legalbewährungsdruck so lange wie möglich wirken soll, lässt auf die Besorgnisse des Strafgerichts betreffend den Antragsteller schließen. Die Festlegung der Einreisesperrfrist auf fünf Jahre dagegen trägt den Umständen Rechnung, dass der Antragsteller gewichtige persönliche Belange geltend machen kann und dass bei einer Vorhersehbarkeit der persönlichen Entwicklung von maximal zehn Jahren die entsprechende Sperrfrist-Maximaldauer von zehn Jahren Fällen vorbehalten sein muss, in denen schwerste Straftaten begangen worden sind und gewichtige persönliche Belange fehlen. Im Übrigen bedeutet die Festlegung der Ausreisesperrfrist auf fünf Jahre (wegen ihrer Begrenzung auf das Vorhersehbare) nicht, dass nach dem Ablauf dieser Frist eine (nach den Einzelfallumständen fortbestehende) Gefährdung der Allgemeinheit hinzunehmen ist (BVerwG, U.v. 13.12.2012, a.a.O., a.E.).

Der Verzicht auf eine Wahrscheinlichkeit der Resozialisierung als Voraussetzung für eine Aussetzung des Strafrestes beruht darauf, dass das mit einer Strafrestaussetzung verbundene Instrumentarium einschließlich des mit einem Aussetzungswiderruf verbundenen Legalbewährungsdrucks der Führungsaufsicht für Vollverbüßer überlegen ist (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 14). Das Strafvollstreckungsgericht muss sich für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden, weil das Strafrecht im Hinblick auf Art. 3 GG und auf Art. 2 der Antidiskriminierungsrichtlinie (RL 2000/42/EG des Rates v. 29.6.2000, ABl L 180/22) zwischen Deutschen und Ausländern grundsätzlich keinen Unterschied macht und deshalb davon ausgeht, dass ein Straftäter nach Verbüßung der schuldangemessenen Strafe auch dann nicht von der Gesellschaft ferngehalten werden kann (abgesehen von den Fällen, in denen die engen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung oder des § 64 Abs. 1 StGB für eine Unterbringung vorliegen), wenn weitere Straftaten wahrscheinlich sind. Das Strafvollstreckungsgericht hat demzufolge zum einen die Möglichkeit, einen Straftäter, bei dem weitere Straftaten wahrscheinlich sind, auch noch den Strafrest verbüßen zu lassen und auf diese Weise dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit für einen relativ kurzen Zeitraum voll Rechnung zu tragen, für die Folgezeit aber praktisch nicht mehr. Es kann zum anderen aber auch den Strafrest aussetzen und so für einen relativ langen Zeitraum den vorläufig Entlassenen unter (dem sich aus der Möglichkeit eines Aussetzungswiderrufs ergebenden) Legalbewährungsdruck halten, was die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht, dass es zu denjenigen (im Falle einer Vollverbüßung weniger wahrscheinlichen) mentalen Veränderungen kommt, die für eine Straffreiheit über die Bewährungszeit hinaus erforderlich sind. Insgesamt geht es bei der Frage der Strafrestaussetzung häufig nicht um die Frage, ob weitere Straftaten wahrscheinlich sind, sondern darum, dass die bestehende Gefahr weiterer Straftaten (einschließlich solcher nach dem Ende des gesamten Vollstreckungsverfahrens) durch die Strafrestaussetzung wirksamer als durch die Vollverbüßung gemindert werden kann (der Senat hat dies bereits mehrfach - vgl. zuletzt Rn. 19 des Beschlusses vom 28.9.2016 < 19 ZB 15.1565 > - mit der verkürzenden Formulierung zum Ausdruck gebracht, eine Reststrafenaussetzung liege allgemein deshalb nahe, weil der Wohlverhaltensdruck, dem der Haftentlassene bei einer Reststrafenaussetzung unterliege, wegen der Möglichkeit eines Bewährungswiderrufs mit Reststrafenverbüßung höher sei als der Wohlverhaltensdruck nach einer Vollverbüßung, an die sich lediglich die Führungsaufsicht anschließt). Wenn die Reststrafenaussetzung im Einzelfall scheitert, mag dies von der Öffentlichkeit dem staatlichen Verantwortungsbereich stärker angelastet werden als eine Straftat nach Vollverbüßung; dies ändert aber nichts an der generellen Erhöhung der Sicherheit der Allgemeinheit (der Zahl der erfolgreichen Resozialisierungen), wenn der Legalbewährungsdruck der Strafrestaussetzung so häufig wie möglich genutzt und zu dem Mittel der Vollverbüßung so selten wie unbedingt nötig gegriffen wird. Die bei Bewährungsversagen auftretenden Straftaten dürfen eben nicht isoliert betrachtet werden. Der Wert des Instituts der Strafrestaussetzung wird nur deutlich bei einem Vergleich der gesamten Delinquenz nach Strafrestaussetzungen mit der (zu schätzenden) gesamten Delinquenz, zu der es in diesen Fällen nach Vollverbüßungen (ohne vorherige Strafrestaussetzungen) gekommen wäre (Stree/Kinzig - a.a.O., § 57 Rn. 1a - weist auf Untersuchungen hin, denen zufolge es bei der Strafrestaussetzung noch unausgeschöpfte Potenziale gibt).

Das Ziel, die (möglicherweise eher geringe) Resozialisierungswahrscheinlichkeit zu erhöhen, weil das Strafrecht davon ausgeht, dass die Allgemeinheit - jedenfalls längerfristig gesehen - mit dem Verurteilten leben muss, hat besonders große Bedeutung in den Fällen, in denen - wie im vorliegenden Fall - eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zur Durchführung einer Therapie wegen Betäubungsmittelabhängigkeit vor der Reststrafenaussetzung (dann nach § 36 BtMG) erfolgt ist. Die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie setzt eine Straftat mit Betäubungsmittelzusammenhang voraus, nicht aber die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Durchführung der Therapie und erst recht nicht die Wahrscheinlichkeit des langfristigen Ausbleibens einer erneuten Delinquenz. Patzak (in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 35 Rn. 377) zufolge soll die Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht nur Musterpatienten, sondern auch Risikopatienten eine Therapiechance eröffnen; sie setze kein besonderes Durchhaltevermögen und keine günstige Zukunftsprognose voraus, vielmehr solle gerade in Fällen schlechter Prognose (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 206), bei denen eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Betracht kam, drogenabhängigen Verurteilten die Möglichkeit geboten werden, anstelle eines wenig hilfreichen Strafvollzuges im Wege einer Drogentherapie ihre Suchtprobleme aufzuarbeiten, um so ein zukünftiges straffreies Leben vorzubereiten; der Weg aus der Drogensucht sei regelmäßig mit mehreren gescheiterten Therapieversuchen sowie strafrechtlichen Rückfällen und/oder mit Fehlverhalten im Strafvollzug verbunden (im weiteren weist Patzak auf die Bedeutung der Therapiebereitschaft hin). Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Konzept des § 35 BtMG zwar die Sicherheit der Allgemeinheit berücksichtigt, jedoch nur generell, indem die Vorschrift die Durchführung von der Rehabilitation dienenden Behandlungen erheblich fördert. Eine Prüfung, ob die konkrete Zurückstellung mit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit vereinbar ist, findet nicht statt. Die Vorschrift setzt im Gegenteil eine so ungünstige Sozialprognose voraus, dass eine (der Zurückstellung nach § 35 BtMG vorgehende) Strafrestaussetzung nach § 57 StGB nicht möglich ist, die (von § 57 StGB geforderte) reale Chance eines Resozialisierungserfolgs also nicht besteht (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 18,19,28,30,49,51,206,207,377,408; Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 35 Rn. 479; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014 § 57 Rn. 2a). Wenn es zu einem Rückfall kommt, ist es sinnvoll, immer wieder neue Therapieprozesse in Gang zu setzen, um die Verweildauer des Probanden in der Therapie allmählich zu erhöhen und dadurch das Therapieziel wenigstens schrittweise zu verwirklichen (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 6,30,33,174,207,444,447 ff., 469 ff.). Dabei stellt die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Therapie einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar (zur Bedeutung der Therapiebereitschaft vgl. BGH, B.v. 18.06.1991 - 5 StR 217/91 - NJW 91, 3289 sowie Juris Rn. 4 ff.; Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 2 bis 5, 303 ff.). Therapien in Freiheit haben nicht zuletzt wegen der demotivierenden Wirkung der Haftumstände größere Erfolgschancen (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 2 und 35). Strafhaft sollte möglichst vermieden werden (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 65). Im Rahmen der §§ 35, 36 BtMG ist der Strafvollzug in erster Linie ein Druckmittel, durch das (echte) Therapiebereitschaft herbeigeführt und aufrechterhalten werden soll. Beispielsweise hat der Gesetzgeber festgelegt, dass der Strafrest, der nach § 36 BtMG ausgesetzt werden kann, wenn die Therapiedauer während der Vollstreckungszurückstellung angerechnet worden ist, noch mindestens ein Drittel der Strafe betragen muss (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG), und dadurch den Motivationsdruck aufrechterhalten (Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 24, 68 ff.; zu den entsprechenden Gründen für die begrenzte Anrechenbarkeit im Fall der Unterbringung vgl. BVerfG, B.v. 16.3.1994, a.a.O., juris Rn. 94). Wird nach einem Rückfall erneut Therapiebereitschaft dargetan, ist in der Regel auf den Widerruf der Vollstreckungszurückstellung nach § 35 BtMG zu verzichten, erforderlichenfalls auf weniger einschneidende Maßnahmen zurückzugreifen (Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 104,107 ff.,119; gemäß § 35 Abs. 5 BtMG widerruft die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung, wenn nicht…. zu erwarten ist, dass der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt). Ein Widerruf der Zurückstellung ist in der Regel nur bei erheblichen Straftaten veranlasst (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 467). Wenn schließlich eine Therapie abgeschlossen ist (also weder vom Verurteilten noch von der Einrichtung abgebrochen worden ist), ist die für die Strafrestaussetzung nach § 36 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BtMG erforderliche Verantwortbarkeit (reale Chance eines Resozialisierungserfolgs) kaum mehr zu verneinen. Mangels anderer Alternativen muss auf der im Therapieabschluss liegenden Chance aufgebaut werden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Drogenfreiheit nach Abschluss einer Drogentherapie deutlich unter 50% liegt. Das Argument des Antragstellers in seiner Verfassungsbeschwerde (S. 24), wenn Suchttherapien ohnehin keine Wirkung entfalteten, wäre die Anwendung des § 64 StGB in allen Fällen der Betäubungsmittelabhängigkeit verfassungswidrig, bleibt an der Oberfläche. Der Senat hat zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten, Suchttherapien hätten keinerlei Wirkung; er hat allerdings auf die relativ geringe Erfolgswahrscheinlichkeit hingewiesen. Auch der vom Antragsteller in seiner Verfassungsbeschwerde in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 ist zu entnehmen, dass es sich bei der Abhängigkeitstherapie um kein vollkommen ausgereiftes Instrument handelt (a.a.O., juris Rn. 85) und es regelmäßig nicht nur schwierig ist, den Süchtigen therapeutisch zu erreichen, sondern auch (selbst nach mehreren Monaten), die Frage der Erreichbarkeit zu beantworten (a.a.O., juris Rn. 60 ff. und 85). Die Erfolgswahrscheinlichkeit nach dem Ablauf eines Jahres (die Zahl der Rückfälle, die sich später als ein Jahr nach Therapieende ereignen, wird nicht systematisch erfasst) folgt aus einer vergleichenden Betrachtung derjenigen Erfolgsquote, die sich aus den Rückantworten von (im Zweifelsfall erfolgreichen) Patienten ergibt, und derjenigen Erfolgsquote, die auf alle planmäßig entlassenen Patienten (die im Zweifelsfall erfolglosen Nichtantworter inbegriffen) bezogen ist (Einjahreskatamnese). Die Katamnesedaten zum Entlassungsjahrgang 2011 - Drogeneinrichtungen - Stand: August 2013 des Bundesverbandes für Stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. (Teil 1) lassen auf eine Erfolgsquote (wie erwähnt: nach einem Jahr) zwischen 20% und 30% schließen. Nach Klos/Görgen (Rückfallprophylaxe bei Drogenabhängigkeit, 2009, S. 25 ff.) sind Rückfälle eher die Regel als die Ausnahme (vgl. insoweit auch Patzak, a.a.O., § 35 BtMG, Rn. 47: „bescheidene Erfolge“). In den Fällen, in denen eine zweite Therapie durchgeführt worden ist, weil sich die erste Therapie angesichts eines Rückfalls als wirkungslos erwiesen hat, liegt die Erfolgsquote noch deutlich niedriger (vgl. II.2 lit. d, bb). Eine Fortsetzung der Strafvollstreckung ist zwar als Drohkulisse hilfreich, würde aber aus den bereits erwähnten Gründen die aus dem Therapieabschluss erwachsene Chance weiter schmälern. Auch die starke Verminderung des Strafrestes (bis zu dem Umfang, den der Gesetzgeber als „Damoklesschwert“ (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 1) zur Aufrechterhaltung des Therapieerfolgs für nötig hält) mittels der großzügigen Anrechnungsvorschriften des § 36 BtMG - sogar abgebrochene und erfolglose Therapien sind anzurechnen (vgl. Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 16 ff und 37) -belegt, dass nach einer durchgestandenen Therapie eine Strafvollstreckung möglichst ganz vermieden werden soll (vgl. Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 1 und 65). Die positive Sozialprognose in § 36 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BtMG („unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses“), die auch hier bereits bei einer berechtigten Chance vorliegt (Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 70), orientiert sich daher - abweichend von § 57 Abs. 1 StGB - nur wenig an Prognoseindizien wie dem Vorleben und den Tatumständen, dagegen mehr an den Erwartungen aufgrund der Therapie; ernsthafte Schritte zur Befreiung von der Drogensucht („Heilungstendenzen“) reichen aus (Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 70,71,91). Auch diese weitere Reduktion der Anforderungen an eine positive Sozialprognose beruht zweifellos auf dem strafrechtlichen Ausgangspunkt, dass die Allgemeinheit jedenfalls langfristig mit dem Verurteilten leben muss. Dementsprechend wird - wenn das mit der letzten Straftat (im Betäubungsmittelzusammenhang) befasste Gericht die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder ihre Vollstreckung zurückgestellt hat (die Zuuständigkeitsverlagerung Weg von der Strafvollstreckungskammer wird damit begründet, dass dem sach- und zeitnäher befassten Gericht aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung die besseren Erkenntnismöglichkeiten für eine sachgerechte Beurteilung dieser Zukunftsprognose zur Verfügung stünden, vgl. Patzak, a.a.O., § 36 Rn. 106) - auch das mit der Frage des Bewährungswiderrufs wegen einer vorherigen Strafe befasste Gericht in der Regel vom Widerruf absehen. Insgesamt werden bei der Strafrestaussetzung nach § 36 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BtMG diejenigen Prognoseanhaltspunkte, die mit der Frage der Betäubungsmittelsucht nicht zusammenhängen, weitgehend in den Hintergrund gedrängt zugunsten einer Abstinenz- und Resozialisierungschance, die im Einzelfall (insbesondere bei mehreren gescheiterten Therapien im Vorfeld) minimal sein kann.

Im Ergebnis führt bei einer Straftat im Betäubungsmittelzusammenhang die Erklärung der Therapiebereitschaft regelmäßig (wenn Sicherungsverwahrung oder Unterbringung nicht angeordnet werden müssen) auch dann zur Vollstreckungszurückstellung nach § 35 BtMG und - nach durchgestandenen Therapie - zur Strafrestaussetzung nach § 36 BtMG, wenn eine Prognose, die alle anerkannterweise relevanten Umstände berücksichtigt, klar negativ ist.

II.

Die Annahme in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2016, die Prognose im Senatsbeschluss vom 9. September 2016 (vom Antragsteller gehe eine relevante Wiederholungsgefahr aus, obwohl er die Therapie bis zum Frühjahr 2016 durchgestanden hat, seine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist und seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am 31. März 2015 keine Straftaten oder Bewährungsverstöße bekannt geworden sind) beruhe auf keiner breiteren Tatsachengrundlage als die Prognose, die der Strafrest-Aussetzungsentscheidung zu Grunde liegt (hierauf käme es bei der vom BVerfG angenommenen Gleichheit der Prognosemaßstäbe beider Rechtsgebiete an), ist mit dem Fehlen eines Sachverständigengutachtens, sonst aber nicht näher begründet.

Bei einem konkreten Vergleich des Strafrestaussetzungsbeschlusses (1.) und des Senatsbeschlusses (2.) bestätigt sich die Annahme nicht, der Senatsbeschluss besitze nicht die breitere Tatsachengrundlage. Es kann offenbleiben, ob das Strafgericht bei dem Erlass des Strafrestaussetzungsbeschlusses und der vorherigen Erstellung einer positiven Prognose den von ihm anzuwendenden Vorschriften hinreichend Rechnung getragen hat; jedenfalls erlauben es die im Ausweisungsverfahren anzuwendenden Bestimmungen in §§ 53 ff. AufenthG nicht, den größten Teil der vorliegenden Prognoseanhaltspunkte unberücksichtigt zu lassen.

1. Der Beschluss vom 6. Mai 2016 über die Strafrestaussetzung, dem ein hinreichender ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegen muss (der Richter muss sich ein möglichst umfassendes Bild über die zu beurteilende Person verschaffen, vgl. Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 9, Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 398 ff., und § 36 Rn. 106 a.E.), ist unter Verwendung eines Formblattes mit vorformulierter Begründung erlassen worden. In dieser Form wird auf die bereits erfolgte Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG verwiesen und werden die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 3 bzw. Abs. 2 letzter Hs. BtMG bejaht. Angesichts des planmäßigen Abschlusses der Therapie (der Therapiebericht des Therapiezentrums D. wird allerdings nicht erwähnt) wird eine günstige Zukunftsprognose gestellt. Weiter wird auf die erteilten Weisungen (fester Wohnsitz, Mitteilung von Wohnsitzwechseln, Bemühung um geregelte Arbeit, Verbot von Betäubungsmittelkonsum, Anordnung von vier Kontrollen auf Betäubungsmittelkonsum pro Jahr) hingewiesen. Die Möglichkeit, die vorformulierten Begründungsabschnitte durch Einfügung von Freitext zu ergänzen, ist nicht genutzt worden. Somit sind alle übrigen Prognosegesichtspunkte unerwähnt geblieben, die zum größten Teil in dem ein Jahr vorher erlassenen Ausweisungsbescheid dargelegt sind, insbesondere der Umstand, dass der Antragsteller nicht nur Betäubungsmitteldelikte begangen hat, sondern bereits vor der Suchtentwicklung mehrfach straffällig geworden und schließlich zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten (unbedingt) verurteilt worden ist. Das Erfordernis, dem Unterschied zwischen Primärabhängigen mit Beschaffungsdelikten einerseits und Sekundärabhängigen mit krimineller Karriere andererseits Rechnung zu tragen (zu diesem Unterschied vgl. Patzak, a.a.O. § 35 Rn. 33), ist nicht berücksichtigt worden.

2. Die Senatsentscheidung 9. September 2016 ist - wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend feststellt - u.a. auf allgemeine Erfahrungen gestützt. Der Senat vermag jedoch die Kritik nicht nachzuvollziehen, die der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (vgl. S. 10) mit dieser Feststellung verbindet. Eine Prognose - wie die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten, die (mit unterschiedlichen Horizonten) sowohl im Strafrestaussetzungsverfahren als auch im Ausweisungsverfahren getroffen werden muss - bezieht sich auf Entwicklungen in der Zukunft und kann daher im Wege des Tatsachenbeweises nicht festgestellt werden. Prognosen haben Tatsachen zur Grundlage, bei deren Vorliegen sich gemäß anerkannter Erfahrungen die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der entscheidungserheblichen zukünftigen Entwicklung (hier: des Fortbestehens oder einer Beendigung von Delinquenz/Sucht) erhöht oder vermindert (und auf einer abwägenden Gesamtwürdigung; zur Pflicht, alle Indizien von Bedeutung für den Fall heranzuziehen, vgl. Stree/Kinzig, a.a.O., § 56 Rn. 33). Ob dies bei einer bestimmten Tatsache der Fall ist, ergibt sich aus der vergleichenden Betrachtung einer Vielzahl von Entwicklungen, die von dieser Tatsache beeinflusst bzw. nicht beeinflusst sind, also aus allgemeinen (d.h. vom vorliegenden Fall unabhängigen) Kausalitätserfahrungen (eine Tatsache in diesem Sinn ist daher ein abstrakter - und deshalb vergleichsgeeigneter - Umstand, beispielsweise die Begehung einer Straftat innerhalb der wegen einer anderen Verurteilung laufenden Bewährungszeit). Eine Ausblendung der im Einzelfall für den Ausländer sprechenden Umstände (diese Befürchtung wird im B. des BVerfG - S. 10 - geäußert) ist damit nicht verbunden, denn auch bei einem für den Ausländer sprechenden Umstand (z. B. der Absolvierung einer Drogentherapie) handelt es sich um eine solche Tatsache, die - neben anderen Tatsachen und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände - nach allgemeiner Erfahrung einen gewissen Einfluss auf seine künftige Entwicklung hat. Der Gesetzgeber hat diese Vorgehensweise anerkannt. In § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB und in § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB hat er (nicht abschließend, vgl. Stree/Kinzig, a.a.O., § 56 Rn. 24) mehrere Tatsachen/Tatsachenkomplexe, aus denen aufgrund allgemeiner Erfahrungen Schlüsse auf die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Delinquenz gezogen werden können, als Prognoseindizien aufgeführt (die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten nach der Tat bzw. im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind). Das Bundesverwaltungsgericht hat für die ausweisungsrechtliche Prognose (unter Berücksichtigung der sich aus den jeweiligen Rechtsrahmen ergebenden Unterschiede) im Wesentlichen dieselben Tatsachen/Tatsachenkomplexe für relevant erachtet. Dem Urteil vom 16. November 2000 zufolge (9 C 6/00 - BVerwGE 112, 185, juris Rn. 16) sind hier insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen (vgl. nunmehr auch AVwV AufenthG Nr. 53.3.1.4, in der die Prognoseindizien wesentlich differenzierter dargestellt werden als in AuslG-VwV Nr. 51.3.3.0, die vom BVerwG am 16.11.2000 in Bezug genommen worden ist).

Der Senatsbeschluss vom 9. September 2016 ist mit einer Gesamtwürdigung begründet, in deren Rahmen das hohe Gewicht der für eine relevante Wiederholungsgefahr sprechenden Prognoseindizien dargelegt wird. Im Hinblick darauf, dass die Übersichtlichkeit dieser Ausführungen daran leidet, dass der Senatsbeschluss vom 9. September 2016 nach § 80 Abs. 7 VwGO verschiedentlich auf die vorhergegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bezug nimmt, beide auf die vorhergegangenen Entscheidungen im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 21. März 2016 und vom 18. August 2015 Bezug nehmen und sämtliche Entscheidungen auf den Ausweisungsbescheid, fasst der Senat die Tatsachengrundlage des vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Senatsbeschlusses vom 9. September 2016 nachfolgend zusammen (die Prognoseindizien aufgrund der Delinquenz des Antragstellers und seiner diesbezüglichen Persönlichkeitsanteile - a -, aufgrund seiner Ausbildungs- und Erwerbsbiografie sowie der Qualität seiner bisherigen persönlichen Bindungen - b -, aber auch seiner Betäubungsmittelabhängigkeit - c - und der vom Antragsteller geltend gemachten Resozialisierungsaspekte - d). Angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage drängt es sich dabei auf, auch den seit dem Senatsbeschluss vom 9. September 2016 vergangenen Zeitraum einzubeziehen.

a) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 9. September 2016 auf die Delinquenz des Antragstellers und auf sie begünstigende Anteile seiner Persönlichkeit hingewiesen. Hierbei handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um Tatsachen, die die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten erhöhen. In § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB und § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB werden als Prognoseindizien u.a. die Persönlichkeit und das Vorleben genannt, wozu auch strafrechtlich relevante Vorgänge mit ihrer diesbezüglichen Aussagekraft gehören. Das Bundesverwaltungsgericht nennt insoweit in seinem Urteil vom 16. November 2008 (a.a.O.) die Ausweisungsstraftat (mit allen ihren Facetten), die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung.

Zusammenfassend ist insoweit festzuhalten, dass der Antragsteller (unbedingt) zu insgesamt drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Davon hat er (unter Einbeziehung der erlittenen Untersuchungshaft, die bei der Strafzumessung im Urteil vom 18.6.2007 - vgl. S. 18 - berücksichtigt worden ist) zwei Jahre und vier Monate verbüßen müssen, weil er mehrfach die ihm gebotenen Möglichkeiten, einer Strafvollstreckung zu entgehen, durch Straftaten oder durch Verstöße gegen Bewährungsauflagen ausgeschlossen hat. Weder Jugendarrest noch Untersuchungshaft noch Strafhaft haben ihn nach der jeweiligen Entlassung von weiteren Straftaten abhalten können. Der drohende Widerruf von Straf(rest) aussetzungen zur Bewährung und aus sonstigen Gründen ihm drohende Haft haben ihn zum Teil zeitweise beeindruckt; jedoch ist auch dann ein grundlegendes Umdenken nicht die Folge gewesen. Wiederholte Bewährungsbrüche wirken sich besonders negativ auf die Prognose aus (BGH, U.v. 17.5.1988 - 1 StR 138/88 - juris Rn. 8).

Nachdem der Antragsteller im März 2006 wegen Diebstahls zu Freizeitarrest und Arbeitsstunden verurteilt worden war, hat er bereits am 29. Mai 2006 erneut einen Diebstahl (gemeinschaftlich, in einem besonders schweren Fall) begangen. Wenig mehr als zwei Monate nach Verbüßung des zweitägigen Jugendarrests (ab dem 11.10.2006), der wegen dieses Diebstahls verhängt worden war, hat er den gemeinschaftlichen Diebstahl in einem besonders schweren Fall und die Beleidigung vom 21. und 22. Dezember 2006 begangen. Obwohl dem Antragsteller am 28. Januar 2007 bereits bekannt war, dass wegen dieses schweren gemeinschaftlichen Diebstahls und dieser Beleidigung gegen ihn ermittelt wird, und der zweitägige Jugendarrest zu diesem Zeitpunkt wenig mehr als drei Monate zurück gelegen hat, hat er am 28. Januar 2007 eine räuberische Erpressung begangen, bei der er (dem Strafurteil vom 18.6.2007 zufolge) Haupttäter und Triebfeder der Mittäter war. Daraufhin ist er in Untersuchungshaft genommen worden. Durch Strafurteil vom 18. Juni 2007 (hierdurch ist die Untersuchungshaft nach etwa vier Monaten beendet worden) sind die Taten vom Dezember 2006/Januar 2007 mit zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung geahndet worden, wobei dem Antragsteller schädliche Neigungen und eine erhebliche kriminelle Energie bescheinigt worden sind. Etwa zehn Monate nach dieser Verurteilung (am 25.4.2008) ist der Antragsteller von der Polizei auf frischer Tat bei einem Diebstahl ertappt worden. Trotz seiner von mehreren Pflichtenmahnungen geprägten Situation (der noch kein Jahr zurückliegenden mehrmonatigen Untersuchungshaft, der laufenden Bewährung aufgrund der Verurteilung vom 18.6.2007 und der Diebstahlsfeststellung vom 25.4.2008) hat der Antragsteller drei Tage später, am 28. April 2008, erneut einen Diebstahl begangen. Wegen dieses Diebstahls ist er am 2. Oktober 2008 - unter Einbeziehung des Strafurteils vom 18. Juni 2007 - zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Nach etwa einjährigem Jugendstrafvollzug (2.10.2008 bis 30.10.2009) ist der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt worden. Aufgrund des psychiatrischen Gutachtens vom 6. September 2012 (eingeholt im Berufungsverfahren betreffend das nachfolgend erwähnte Strafurteil vom 7. Mai 2012) ist davon auszugehen, dass der Kläger nach dieser Strafrestaussetzung im November 2009 begonnen hat, gewohnheitsmäßig Cannabis zu konsumieren (sporadisch auch Amphetamin, Methamphetamin und Ecstasy), und hiervon süchtig geworden ist. Zweifellos ist auf diese Sucht der Marihuanakauf zurückzuführen, der durch Strafbefehl vom 20. Juni 2011 (Geldstrafe von 30 Tagessätzen) geahndet worden ist. Durch Urteil vom 7. Mai 2012 ist der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, weil er zwischen Juli 2011 und Oktober 2011 ein Zimmer seiner Wohnung für eine Cannabiszucht verwendet hat, deren Erzeugnisse er in 74 festgestellten Fällen gehandelt, aber auch selbst konsumiert hat. Auslöser dieser Tat ist ebenfalls die Sucht gewesen. Jedoch setzen eine solche Cannabiskultur mit ihren technischen Vorrichtungen (festgestellt worden sind unter anderem eine Zuchtbox mit Ablaufschlauch, Thermostat, Ventilator, Beleuchtungseinrichtungen, Zeitschaltuhr) und die Tarnung des umfangreichen Cannabishandels eingehende Szenekenntnisse, ein langfristiges Konzept und umfangreiche Planungs-, Beschaffungs- und Betriebshandlungen voraus (das Strafurteil vom 7.5.2012 spricht von „nicht unerheblicher krimineller Energie“), sodass von einem erheblichen Mitwirkungsanteil der Primärpersönlichkeit des Antragstellers auszugehen ist. In geringerem Umfang gilt dies auch für den künstlichen Penis, den der Antragsteller am 13. Oktober 2011 zur Verfälschung des Ergebnisses des Drogentests verwendet hat.

Mit seiner Delinquenz hat der Antragsteller nicht nur das Vermögen anderer, sondern auch Gesundheit und Leben anderer gefährdet. Bei einem der am 17. März 2006 abgeurteilten Diebstähle hat der Antragsteller ein aufgeklapptes und griffbereites Messer bei sich getragen. Bei der räuberischen Erpressung vom 28. Januar 2007 hat der Antragsteller (dem Strafurteil vom 18.6.2007 zufolge) den Geschädigten mit dem Tod bedroht (er hat ihm ein Messer an den Hals gehalten und gedroht, ihn abzustechen).

Nach der Überzeugung des Senats ist die Delinquenz des Antragstellers bis zum Jahr 2008 nicht - wie jedoch im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts angenommen wird (vgl. die Hervorhebung auf S. 11, dass die nicht drogenbezogene Kriminalität bei dem Erlass des B. des BVerfG acht Jahre zurück gelegen hat, sowie die ansonsten ausschließliche Bezugnahme auf die Betäubungsmittelabhängigkeit und Drogendelikte des Antragstellers) - deshalb bedeutungslos, weil sie nunmehr mehr als acht Jahre zurückliegt. Gegen die Annahme jugendtypischer Verfehlungen bis zum Jahr 2008 spricht zunächst deren Häufigkeit, die offensichtliche Wirkungslosigkeit erzieherischer und strafrechtlicher Maßnahmen, die Volljährigkeit des Antragstellers zum Zeitpunkt der räuberischen Erpressung sowie die Feststellung erheblicher schädlicher Neigungen im Strafurteil vom 2. Oktober 2008. Auch das psychiatrische Fachgutachten, das im Verfahren über die Berufung gegen das Strafurteil vom 7. Mai 2012 eingeholt worden ist, spricht dafür, dass der suchtunabhängigen Delinquenz bis ins Jahr 2008 (zufolge dem psychiatrischen Gutachten vom 6.9.2012 hat der Antragsteller hinsichtlich der Zeit vor seiner Inhaftierung im Oktober 2008 von gelegentlichem Cannabiskonsum gesprochen; Anhaltspunkte für eine Suchtentwicklung vor 2009 liegen nicht vor) nachhaltig wirkende Ursachen zugrunde liegen. Das Gutachten vom 6. September 2012, demzufolge die Voraussetzungen weder des § 20 StGB noch des § 21 StGB vorgelegen haben, diagnostiziert leicht kränkbare, impulsive, aber auch antisoziale Anteile der Primärpersönlichkeit des Antragstellers (S. 21) und untermauert dadurch die Feststellung im Strafurteil vom 7. Mai 2012, dem Antragsteller könne keine günstige Sozialprognose gestellt werden. Diese Aburteilung von Straftaten aus dem Jahr 2011 zeigt, dass sich der Antragsteller in den vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hervorgehobenen letzten acht Jahren nicht bewährt hat. Hinsichtlich des Umstandes, dass der Antragsteller den Unterlagen zufolge nach dem Jahr 2011 keine Straftaten mehr begangen hat, ist zu berücksichtigen, dass er in dieser Zeit auch keine Lebensführung gewählt hat, die zur Annahme berechtigen würde, der Antragsteller habe die gutachterlich festgestellten kränkbaren, impulsiven und antisozialen Anteile seiner Primärpersönlichkeit zu beherrschen gelernt. Gewichtige Anhaltspunkte sprechen vielmehr dafür, dass es in diesen Jahren, in denen der Antragsteller mehrfach gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat, zu einer Verstärkung der problematischen Anteile der Primärpersönlichkeit des Antragstellers gekommen ist. Die Rauschgiftsucht, der der Antragsteller in den Jahren zwischen 2009 und (mindestens) 2015 verfallen ist, legt eine fortschreitende Persönlichkeitsbeeinträchtigung nahe. Das psychiatrische Gutachten vom 6. September 2012 stellt zwar fest (nach etwa drei Suchtjahren), die Feststellung einer Persönlichkeitsdepravation sei „noch nicht“ möglich. Nachdem es sich bei dem suchtbedingten Persönlichkeitsverfall aber um eine schleichende Entwicklung handelt, muss davon ausgegangen werden, dass der Suchtrückfall vom Frühjahr 2013 (bei dem Drogentest vom 14.3.2013 hat der Antragsteller erneut versucht, das Ergebnis zu verfälschen), die disziplinarische Entlassung im Frühsommer 2015 aus der Therapie in der S.-Klinik und die insgesamt mehr als drei weiteren Suchtjahre, die der (während der Therapie in G. vorgenommenen) psychiatrischen Exploration vom August 2012 nachgefolgt sind, zu einer Verstärkung der für Drogenabhängige typischen Labilität (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 413) und der von der Gutachterin festgestellten negativen Persönlichkeitsanteile geführt haben.

b) Der Senat hat auch darauf hingewiesen, dass der Kläger sich weder einer Ausbildung noch einer Erwerbstätigkeit längerfristig unterzogen hat und dass er auch keine stabilen, stützenden Bindungen unterhalten hat. Dies erhöht ebenfalls nach allgemeiner Auffassung die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten. Die Bestimmungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB und des § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB nennen unter den Prognoseindizien die Persönlichkeit, das Vorleben und die Lebensverhältnisse, zu denen auch die Qualität von Bindungen und Beziehungen sowie die Ausbildungs- und Erwerbsbiografie gehören. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000 (a.a.O.) werden insoweit die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt genannt.

Der Antragsteller hat die Förderschule im Jahr 2004 ohne Abschluss verlassen. Er hat ein Berufsvorbereitungsjahr begonnen, dieses jedoch nur für zwei Wochen besucht. Aus einer Anschlussmaßnahme bei der Deutschen Angestelltenakademie ist er nach zwei Monaten wegen häufiger Fehlzeiten entlassen worden. Anschließend hat er das Berufsförderzentrum besucht, jedoch nur einen Monat lang. Im Sommer 2005 hat er zwei bis drei Monate lang in einer Autowaschanlage gearbeitet. Nach seiner Entlassung aus der mehrmonatigen Untersuchungshaft am 18. Juni 2007 ist der Antragsteller zunächst wieder arbeitslos gewesen. Ab Dezember 2007 hat der Antragsteller an einer BVB-Maßnahme teilgenommen und diese im August 2008 mit dem Hauptschulabschluss beendet, wobei er - wie bereits erwähnt - infolge der Verurteilung vom 18. Juni 2007 unter Bewährung gestanden hat und ab April 2008 wegen Diebstahls mit einem weiteren Strafverfahren konfrontiert gewesen ist. Die geförderte Ausbildungsstelle zum Verkäufer ab September 2008 hat der Antragsteller nur für wenige Wochen in Anspruch genommen, weil er aufgrund des Diebstahls vom April 2008 am 2. Oktober 2008 verurteilt und gleichzeitig inhaftiert worden ist. Angesichts dieser Ausbildungs- und Erwerbsbiografie kann es nicht nur auf seine Suchtentwicklung nach der Haftentlassung im November 2009 zurückgeführt werden, wenn der Kläger in dieser Zeit - trotz vager Ankündigungen (u.a. am 10.6.2013 und am 21.6.2013) - eine Arbeit oder Ausbildung nicht mehr aufgenommen hat. Dasselbe gilt für die Zeit nach der Entlassung aus der Strafhaft am 31. März 2015.

Hinsichtlich persönlicher Bindungen ist festzustellen, dass der Antragsteller im Alter von zwei Jahren mit dem Vater aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, wobei seine Mutter in der Türkei geblieben ist. Der Vater hat in Deutschland wieder geheiratet. Etwa im Jahr 2000 ist es zur Trennung gekommen. Der Kläger ist bei seinem Vater geblieben, hat jedoch den Kontakt zur Stiefmutter zunächst aufrechterhalten. Der Antragsteller trägt zwar vor, er habe sowohl zu seinem Vater als auch zu seiner Stiefmutter ein gutes Verhältnis. Allerdings ist es während seines Zusammenlebens mit seinem Vater nach der Haftentlassung Anfang November 2009 zu Konflikten gekommen, die schließlich zu einem Auszug des Klägers geführt haben (vgl. die Bewährungsberichte vom 5.5.2010 und vom 27.12.2010). Der Kläger hat dann bei einem Freund in N. gewohnt. Wenige Monate später hat er die Cannabiszucht eingerichtet, die schließlich zum Strafurteil vom 7. Mai 2012 geführt hat. Nach der Beendigung der stationären Therapie in G. zu Anfang des Jahres 2013 ist der Kläger erneut zu seinem Vater gezogen. Nach wenigen Wochen ist er ausgezogen (bei der richterlichen Anhörung vom 10.6.2013 hat er zur Begründung angegeben, die Stadt W. sei zu klein). Er ist dann zu seiner Stiefmutter in N. gezogen, die ihn jedoch nach etwa einem Monat (im März 2013) hinausgeworfen hat (richterliches Anhörungsprotokoll vom 10.6.2013). Hinsichtlich sonstiger familiärer oder anderer Beziehungen in der Folgezeit ist dem Vorbringen des Antragstellers und den beigezogenen Akten nichts zu entnehmen.

Nach den vorliegenden Umständen ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller in der Türkei hinsichtlich des Unterstützungsbedarfs, der bei ihm als erwachsenem Menschen infrage kommt, auf verwandtschaftliche Beziehungen stützen kann. Sein Vater, seine Mutter und seine Stiefmutter stammen aus der Türkei und haben demzufolge dort Verwandte; der Antragsteller hat dies nicht substantiiert in Abrede gestellt. Überdies lebt die Mutter des Antragstellers nach wie vor in der Türkei; aus dem Umstand, dass sich die Eltern des Antragstellers früh getrennt haben und der Antragsteller bei seinem Vater aufgewachsen ist, ergibt sich nicht, dass die Mutter des Antragstellers zu einer Unterstützung nicht bereit ist. Nachdem der Antragsteller in der Obhut ausschließlich türkischstämmiger Personen aufgewachsen ist, ist bei ihm von hinreichenden türkischen Sprachkenntnissen auszugehen. Für Unterstützungsleistungen in finanzieller Hinsicht kommen jedenfalls sein Vater und seine Stiefmutter in Betracht, die im Bundesgebiet leben.

c) Der Senat hat weiter darauf hingewiesen, dass die manifeste Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers bis Dezember 2015 die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten erhöht. Die Persönlichkeit, das Vorleben und die Lebensverhältnisse, die in den Bestimmungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB und des § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB als Prognoseindizien genannt werden, werden erheblich durch eine Betäubungsmittelabhängigkeit geprägt. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000 (a.a.O.) werden insoweit die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt genannt.

Der Antragsteller hat vornehmlich Cannabis konsumiert. Cannabis, womit der Antragsteller dem Urteil vom 7. Mai 2012 zufolge auch in erheblichem Umfang gehandelt hat, besitzt zwar nicht das Suchtpotenzial etwa von Heroin, kann aber ebenfalls eine Abhängigkeit auslösen, mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sein (z.B. mit anhaltenden psychischen Schäden) und ist bei der großen Mehrheit der Rauschgiftsüchtigen die Einstiegsdroge.

Auch die jüngere Rechtsentwicklung zieht die von Cannabis ausgehenden Gefahren nicht in Zweifel. Nach der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BT-Drs. 18/10902) sollen zwar die medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis-Arzneimitteln und die Erstattungsfähigkeit solcher Arzneimittel (insbesondere wegen ihrer Schmerz-Wirksamkeit) verbessert werden; der komplizierte Weg über betäubungsmittelrechtliche Ausnahmeerlaubnisse soll nicht mehr erforderlich sein. Damit aber die Gefahr des Missbrauchs (und insbesondere von Betäubungsmittelabhängigkeiten) durch die Zulassung von Cannabis-Arzneimitteln nicht steigt, hat der Gesetzgeber die zentrale Ablieferung des gesamten Anbaus, einen strikten Arztvorbehalt, Höchstverschreibungsmengen sowie eine Pflicht zur Abgabe in Apotheken vorgeschrieben (vgl. insbesondere Abschnitt V, vor 1., der Entwurfsbegründung) und an der Einordnung von Cannabis als Substanz, die dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt, festgehalten.

Die von intensivem Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren haben sich bei dem Antragsteller realisiert. Er hat eine langjährige Sucht entwickelt und - wie mehrfach belegt ist - auch harte Drogen konsumiert. Er hat Betäubungsmittelstraftaten begangen, darunter eine schwere, derentwegen er am 7. Mai 2012 zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden ist.

d) Bei den vom Antragsteller für eine Resozialisierung angeführten Tatsachen handelt es sich um günstige Prognoseindizien. Die Bestimmungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB und des § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB nennen unter den Prognoseindizien die Persönlichkeit, das Verhalten nach der Tat und die zu erwartenden Wirkungen der Aussetzungsentscheidung. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000 (a.a.O.) werden insoweit die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt genannt. Den Tatsachen, dass der Antragsteller den Unterlagen zufolge nach dem Jahr 2011 keine Straftaten mehr begangen hat und später der Rest seiner Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (aa) sowie eine Drogentherapie absolviert hat (bb), und der Entwicklung des Antragstellers seit dem Therapieabschluss im April 2016 (cc) kann jedoch aufgrund der vorliegenden Umstände kein Gewicht zugemessen werden, das das Gewicht der negativen Prognoseindizien aufwiegt.

aa) Das Unterlassen von Straftaten während der Verbüßung von Strafhaft zwischen dem 22. April 2014 und dem 31. März 2015 (zum Führungsbericht vom 19.2.2015 vgl. lit. aa a.E.) hat sehr wenig Gewicht, weil es allgemeiner Erfahrung (und der Absicht des Gesetzgebers) entspricht, dass die Haft aufgrund ihrer Umstände eine disziplinierende und ordnende Wirkung hat und die Möglichkeit dissozialer Verhaltensweisen erheblich einschränkt. Daher ist anerkannt, dass das Verhalten im Vollzug zwar prognostisch heranzuziehen, aber nur bedingt aussagekräftig ist, und dass eine reibungslose Einordnung in den Anstaltsbetrieb nicht ohne weiteres auf ein straffreies Leben in Freiheit schließen lässt (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 16a; Fischer, a.a.O., § 57 Rn. 15a). Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Antragstellers, der schon in dem etwa einjährigen Strafvollzug bis Ende Oktober 2009 ein hinreichend angepasstes Verhalten gezeigt hat (auch damals ist ihm eine Strafrestaussetzung gewährt worden), ohne tatsächlich die negativen Anteile seiner Persönlichkeit bewältigt und einen inneren Wandel vollzogen zu haben.

Das Unterlassen von Straftaten und Bewährungsverstößen in der Zeit zwischen dem Herbst 2011 und der Inhaftierung vom 22. April 2014 bis zum 31. März 2015 sowie nach dieser Inhaftierung hat ebenfalls wenig Gewicht, weil es allgemeiner Erfahrung (und der Absicht des Gesetzgebers) entspricht, dass die Möglichkeit, eine zur Bewährung verfügte Strafaussetzung/Strafrestaussetzung zu widerrufen, einen erheblichen Legalbewährungsdruck darstellt, also zu erheblichen Anstrengungen in Richtung Selbstdisziplin und Lebensordnung führen kann. Dies ergibt sich u. a. daraus, dass die mit der Strafrestaussetzung zur Bewährung verbundene niedrigschwellige Möglichkeit einer Inhaftierung anerkannterweise wesentlich besser als die (nach einer Vollverbüßung meist eintretende) Führungsaufsicht geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu mindern (Stree/Kinzig, a.a.O., § 57 Rn. 14 m.w.N. und Rn. 1: „Damoklesschwert“; ähnlich Patzak, a.a.O., § 36 BtMG Rn. 68). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in dem Zeitraum vor der Inhaftierung am 22. April 2014 nicht nur wegen der früheren Verurteilung vom 2. Oktober 2008 unter Bewährung gestanden hat, sondern zunächst auch noch mit dem Strafverfahren wegen der im Oktober 2011 entdeckten Cannabis-Plantage (inklusive Handel) konfrontiert gewesen ist. Nach der deswegen erfolgten Verurteilung vom 7. Mai 2012 hat ihm die Vollstreckung der unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gedroht. Schließlich ist dem Antragsteller seit dem Anhörungsschreiben vom 8. Januar 2014 bekannt gewesen, dass seine Ausweisung beabsichtigt ist. Die Erwartung einer unbedingten Freiheitsstrafe und (nach ihrer Verhängung) das Bevorstehen ihrer (nur im Wege der §§ 35, 36 BtMG vermeidbaren) Vollstreckung sowie die konkrete Möglichkeit, ausgewiesen zu werden, entwickeln - jeder dieser Umstände für sich genommen - noch einmal mindestens denselben Legalbewährungsdruck wie die Strafrestaussetzung zur Bewährung. Eine drohende Ausweisung erzeugt insbesondere bei Personen mit Hafterfahrung (Ausgewiesene besitzen diese regelmäßig) häufig einen Legalbewährungsdruck, der über denjenigen einer drohenden Inhaftierung hinausgeht; hierzu trägt auch der Umstand bei, dass im Ausweisungsrechtsstreit aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Vorliegend sind in dem Zeitraum, den der Antragsteller als Beleg für seine Resozialisierung geltend macht, Entscheidungen betreffend den Sofortvollzug seiner Ausweisung in kurzer Folge ergangen (B. d. VG A. nach § 80 Abs. 5 VwGO v. 18.8.2015, Senatsbeschluss hierzu v. 21.3.2016, B. d. VG A. nach § 80 Abs. 7 VwGO v. 25.5.2016, Senatsbeschluss hierzu v. 9.9.2016, aufhebender und zurückverweisender B. d. BVerfG v. 19.10.2016). Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist noch nicht ergangen, sodass der Antragsteller deswegen auch jetzt noch unter einem zusätzlichen Legalbewährungsdruck steht. Dem Therapiebericht vom April 2016 zufolge löst die am 6. Mai 2016 verfügte Ausweisung bei dem Antragsteller große Besorgnisse aus. Demzufolge ist das Legalverhalten des Antragstellers in der Zeit, in der er nicht nur unter Bewährung gestanden hat, sondern ihm auch zunächst eine unbedingte Verurteilung bevorgestanden hat und anschließend die Vollstreckung dieser weiteren Freiheitsstrafe sowie - ab dem 8. Januar 2014 - die Ausweisung gedroht hat, für die ausweisungsrechtliche, über alle diese Zeiträume hinausgehende Prognose heranzuziehen, jedoch nur bedingt aussagekräftig, weil es nicht ohne weiteres auf ein straffreies Leben nach dem Ablauf dieser Zeiträume schließen lässt. Diese Einschätzung bedeutet - entgegen der Annahme im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - nicht, dass der Senat die Teilnahme des Antragstellers an der Drogentherapie und sein rechtstreues Verhalten in der Haft und in der Bewährungszeit gegen ihn gewertet hat. Der Senat hat diesen günstigen Prognoseaspekten lediglich ein geringes, die negativen Prognosekriterien nicht überwiegendes Gewicht zugemessen, weil sie angesichts des mehrschichtigen Abstinenz- und Legalbewährungsdrucks, der während der Therapie und des rechtstreuen Verhaltens bestanden hat, nach allgemeiner Erfahrung und auch nach der Auffassung der Strafgesetzgebers nicht den Schluss auf ein gleichartiges Verhalten in Zeiträumen gewährleisten, in denen dieser Druck nicht besteht. Ein geringes Gewicht kommt diesen Prognoseaspekten auch deshalb zu, weil der Antragsteller bereits durch Haft und Strafrestaussetzungen bzw. -zurückstellungen nicht nachhaltig beeindruckt worden ist, durch zwei Therapien nicht von seiner Abhängigkeit befreit worden ist und weil die gegenwärtige Situation keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine andersartige Entwicklung aufweist.

Das Strafrecht und das Betäubungsmittelrecht setzen die Möglichkeit, von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe abzusehen, als Druckmittel zur Resozialisierung ein. Dies bewirkt jedoch in einem großen Teil der Fälle keinen inneren Wandel, sondern nur ein druckmittelbedingtes Anpassungsverhalten ohne Nachhaltigkeit (z.B. eine ordnungsgemäße Führung in der Haft und in der Bewährungszeit, jedoch nicht während deren gesamter Dauer oder nicht lange über sie hinaus; zur Teilnahme an einer Drogentherapie in diesem Zusammenhang vgl. lit. bb). Dies ist fachlich anerkannt und entspricht der Erfahrung des Senats; in fast allen vom Senat zu entscheidenden Ausweisungsfällen sind Strafrestaussetzungen bzw. Vollstreckungszurückstellungen (zum Teil mehrfach) erfolgt, jedoch nicht lange nach dem Ablauf der jeweiligen Bewährungszeit (oder sogar noch während dieser) erneut Straftaten begangen worden. Die in der Verfassungsbeschwerde des Antragstellers vertretene Auffassung, die Berücksichtigung der Wirkungen eines Legalbewährungsdrucks führe dazu, dass von einem Rückfall während dieser Einwirkung nicht ausgegangen werden darf, ist nicht nachvollziehbar. Die Haftbedingungen und (danach) die Möglichkeit eines Aussetzungswiderrufs üben wegen der mit ihnen verbundenen Nachteilsandrohungen einen gewissen Legalbewährungsdruck aus, der in einem Teil der Fälle den für eine nachhaltige Resozialisierung erforderlichen Eindruck hinterlässt, und in einem weiteren Teil der Fälle ausreicht, wenigstens während der Druckausübung eine Delinquenzfreiheit zu bewirken. Sie sind jedoch nicht geeignet, das Unterlassen von Straftaten absolut zu erzwingen. In vielen Fällen reicht ein bestehender Legalbewährungsdruck nicht aus, wenigstens während der Haft oder der Bewährungszeit eine oberflächliche Anpassung zu bewirken. Der Antragsteller ist sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2011 bei laufender Bewährung straffällig geworden, sodass er als Beispiel für die einzelfallabhängige Effektivität von Legalbewährungsdruck dienen kann. Insgesamt ist eine Gefahrenprognose mittels differenzierter Abwägung bewertungsbedürftiger Indizien unverzichtbar. Der im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2016 für richtig gehaltene Maßstab der Evidenz (den Gründen des Beschlusses - S. 11 - zufolge hat das während bestehenden Legalbewährungsdrucks gezeigte Verhalten die ausweisungsrechtliche Gefahrenprognose zu einem günstigen Ergebnis zu führen, solange nicht offensichtlich ist, dass „die Bemühungen des Ausländers ausschließlich dem Ausweisungsverfahren geschuldet sind“) trägt dem nicht Rechnung. Mit der (nicht durch eine Rechtsvorschrift oder eine sonstige Quelle belegten) Aufwertung des während Haft, Bewährungszeit und Ausweisungsverfahren gezeigten Legalverhaltens von einem gewichtungsbedürftigen Prognoseaspekt zu einem praktisch nicht abwägbaren Entscheidungskriterium (es liegt in der Natur der Sache, dass das Vorspiegeln eines inneren Wandels bzw. die begrenzte Fähigkeit zu einem solchen Wandel in aller Regel nicht offensichtlich ist) wird die Komplexität der Problematik verkannt, eine vollumfängliche sowie rational nachvollziehbare Prognoseentscheidung verhindert und das öffentliche Sicherheitsinteresse vernachlässigt. Im Falle der Anwendung eines solchen Evidenzmaßstabs im Strafvollstreckungsrecht (etwa in der Art, dass eine günstige Prognose aufgrund ordnungsgemäßer Führung zu stellen ist, solange nicht offensichtlich ist, dass die ordnungsgemäße Führung ausschließlich dem jeweils angewendeten Druckmittel des Strafvollstreckungsrechts geschuldet ist) würde dasselbe gelten und würden beispielsweise ein differenzierter Führungsbericht oder ein Prognosegutachten jede Bedeutung verlieren. Durch Urteil vom 15. Januar 2013 (a.a.O., vgl. insbesondere Rn. 19 ff.) hat das Bundesverwaltungsgericht das ihm unterbreitete Berufungsurteil wegen der (auch durch Unionsrecht nicht gestützten) vorinstanzlichen Annahme aufgehoben, bei einer Strafrestaussetzung entfalle ausländerrechtlich die Wiederholungsgefahr zwangsläufig oder zumindest regelmäßig.

Die geringe Gewichtung des Legalverhaltens des Antragstellers unter Legalbewährungsdruck widerspricht auch nicht dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, aus dem der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die Evidenzforderung ableitet. Wie bereits dargelegt (vgl. I.) sind die Prognosen im Strafvollstreckungsrecht und im Ausweisungsrecht nach unterschiedlichen Maßstäben und für unterschiedliche Zeithorizonte zu erstellen, sodass einer Strafrestaussetzung keineswegs die Auffassung zu entnehmen ist, der Verurteilte sei nachhaltig resozialisiert. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass durch Anwendung der §§ 35, 36 BtMG die Teilnahme des Antragstellers an der Therapie ab Dezember 2015 gefördert worden ist, obgleich die Ausweisung bereits verfügt gewesen ist. Die Therapie im Sinne der §§ 35, 36 BtMG dient der Beseitigung der Gefahren, die eine Abhängigkeit für Körper und Geist des Verurteilten und für die Allgemeinheit mit sich bringt. Diese Vorteile einer erfolgreichen Therapie sind nicht nur im Bundesgebiet von Gewicht. Daher steht ihre Förderung durch das Betäubungsmittelgesetz nicht in Widerspruch zum Ausweisungsverfahren. Nichts anderes ergibt sich aus der Erwägung, dass der Ausgewiesene einen etwaigen Anspruch auf Teilnahme an einer Therapie nicht mit Erfolg gegen die Ausweisung einwenden kann (BVerwG, B.v. 15.04.2013 - 1 B 22/12 - InfAuslR 2013,317, juris Rn. 16 ff.; die Möglichkeit, dass eine Therapieteilnahme das Ausweisungsverfahren beeinflusst, weil die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung maßgeblich ist, ist rein tatsächlicher Art) und Therapieplätze rar sowie kostenintensiv sind. Diese Erwägung könnte zwar gegen eine Therapie bei laufendem Ausweisungsverfahren sprechen, hat ihre Grundlage aber nicht in der Rechtssphäre des Ausländers, sondern im öffentlichen Interesse. Allerdings ist in einem ähnlichen Zusammenhang - die Bestimmungen in § 67 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 StGB sehen für Ausländer, bei denen die Aufenthaltsbeendigung vollziehbar ist, eine Nachrangigkeit der Therapie-Unterbringung vor, die mit einer Zwangsbehandlung verbunden ist (vgl. zu dieser speziellen Problematik BVerfG, B.v. 16.3.1994, a.a.O., juris Rn. 82) und bei der sich wegen der immanenten Freiheitsentziehung die Frage der Kosten und der Verfügbarkeit von Therapieplätzen in besonderer Weise stellt - argumentiert worden, ein Therapieausschluss aus derartigen Gründen verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, weil er nur Ausländer betreffen könne (auf Art. 3 GG bzw. Art. 2 der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/42/EG des Rates v. 29.6.2000, ABl L 180/22, nehmen Bezug: Heinhold, Maßregelreform und Ausländerrecht, R & P, 24. Jg. - 2006 - S. 187/191; Schlebusch, Drogenabhängige Ausländer im Jugendstrafvollzug, ZfStrVo 1 48 - 1999 -,15,19; Jung, die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel bei Ausländern, StV 2009,212/215). Es kann aber offenbleiben, ob die Regelungen in § 67 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 StGB gegen ein Diskriminierungsverbot verstoßen. Bei Therapien im Rahmen der §§ 35, 36 BtMG fehlt es an einer entsprechenden Regelung. Diese Vorschriften sehen keinen Ausschluss von Ausländern vor, deren Aufenthaltsbeendigung vollziehbar ist, und geben dadurch (unabhängig von der Frage, ob dies geboten ist) der Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen Raum. Der Gesetzgeber hat demzufolge (abgesehen von § 456a StPO) darauf verzichtet, koordinierende Regelungen für den Fall einer Parallelität von Strafvollstreckung und Ausweisungsverfahren zu schaffen. Wegen Fehlens einer solchen Regelung kann eine bevorstehende Aufenthaltsbeendigung allenfalls eingeschränkt bei Aussetzungsentscheidungen berücksichtigt werden (vgl. die bei Stree/Kinzig, a.a.O., § 56 Rn. 34 und § 57 Rn. 16a zitierte Rechtsprechung). Die Rechtsordnung nimmt es somit - zugunsten des Ausgewiesenen und seiner Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen - in Kauf, dass eine Therapie durchgeführt wird, die (im Erfolgsfall) nicht der deutschen Allgemeinheit zugutekommt. Demzufolge wird die Rechtsordnung durch eine derartige Entwicklung in ihrer Einheitlichkeit nicht beeinträchtigt.

Gegen die Wahrscheinlichkeit eines langfristig straffreien Lebens des Antragstellers spricht, dass er nach einer Phase, in der er in keiner Weise durch Arreste oder sonstige erzieherische Maßnahmen sich hat beeindrucken lassen (bis zu der Untersuchungshaft ab dem 28.2.2008), Resozialisierungsbemühungen stets im Zusammenhang damit unternommen hat, dass er (unter Bewährung stehend und zum Teil erneut verurteilt) mit einer Strafvollstreckung zu rechnen gehabt hat. Dabei ist teils - wie sich im Nachhinein herausgestellt hat - kein oder allenfalls ein geringer Wandlungswille vorhanden gewesen (sondern nur oder vor allem der Wille, eine weitere Strafvollstreckung zu vermeiden) und teils von einem echten Interesse an einem persönlichen Wandel auszugehen, ohne dass dies aber zu mehr als nur vorübergehenden Erfolgen geführt hat (ein echter Wandel ist ausgeblieben und erneut Delinquenz eingetreten). Welche von beiden Varianten vorliegt, ist diagnostisch nicht erfassbar (vgl. BVerfG, B.v. 16.3.1994, a.a.O., juris Rn. 60) und für die Frage der Gefahrenprognose auch nicht erheblich. Wie sich aus lit. b ergibt, ist der Antragsteller im Jahr 2008 - aus fast viermonatiger Untersuchungshaft entlassen und unter Bewährung stehend - in der Lage gewesen, einen mehrmonatigen Lehrgang zu absolvieren und dabei den Hauptschulabschluss zu erreichen. Die nach diesem Schulabschluss begonnene Ausbildung ist jedoch daran gescheitert, dass der Antragsteller inhaftiert worden ist, weil er während dieses Lehrgangs eine neue Straftat begangen hatte (den Diebstahl vom 28.4.2008). Der Entscheidung vom 22. September 2009, durch die (nach Teilverbüßung) der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt worden ist, liegt ein Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 24. August 2009 zu Grunde, der angesichts der aufgezeigten positiven und negativen Aspekte als durchschnittlich bezeichnet werden kann, jedoch darauf hinweist, dass der Antragsteller Schwierigkeiten mit Kritik hat (Nr. 4.3) und angepasstes Verhalten nur dann zeigt, wenn er sich beobachtet fühlt (Nr. 1), sowie den Eindruck wiedergibt, der Antragsteller lasse sich bei den Gesprächen im Rahmen sozialpädagogischer Behandlungsmaßnahmen nur oberflächlich auf die Themen ein (Nr. 4.1). Nach der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ist (dem Bewährungsbericht vom 5.5.2010 zufolge) dem Bewährungshelfer vom Kläger der Eindruck vermittelt worden, er bemühe sich, sei kooperativ, halte Termine zuverlässig ein und nehme die Konfrontation mit seinem Problemverhalten an; im selben Sinn ist der Bewährungsbericht vom 27. Dezember 2010 verfasst. Tatsächlich hat der Antragsteller, der nach der Haftentlassung im November 2009 mit intensivem Suchtmittelkonsum begonnen hatte, zu dieser Zeit bereits Betäubungsmittel gewohnheitsmäßig konsumiert und ist auf dem Weg in die Sucht gewesen. Im Bewährungsbericht vom 9. August 2011 wird zwar die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Marihuana erwähnt, jedoch erneut ein zuverlässiges, kooperatives und gesprächsbereites Auftreten des Klägers beschrieben. Tatsächlich hat der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Monaten die aufwändige Cannabiszucht betrieben, die später zu seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (ohne Strafaussetzung zur Bewährung) geführt hat. Die fehlende Selbstkritik des Antragstellers, die schon im Führungsbericht der JVA vom 24. August 2009 aufscheint, ergibt sich auch aus der bagatellisierenden Art und Weise, in der der Antragsteller seine früheren Delikte im Rahmen der Anamnese vor dem psychiatrischen Gutachten vom 6. September 2012 (S. 16) dargestellt hat. Der Umstand, dass der Antragsteller trotz der mehr als einjährigen Haft, die er wegen dieser Delikte verbüßt hat (Anfang Oktober 2008 bis Ende Oktober 2009), zu der erforderlichen Tataufarbeitung und selbstkritischen Haltung nicht gefunden hat, deutet darauf hin, dass er durch Haft nicht hinreichend beeindruckbar ist. Sowohl während der Cannabis-Zucht als auch nach seiner Verurteilung deswegen hat der Antragsteller versucht, Drogentests zu manipulieren.

Zu der weiteren Inhaftierung in der Zeit vom 22. April 2014 bis zum 31. März 2015 ist es gekommen, weil die positive Entwicklung, die der Antragsteller im Anschluss an seine Suchtentwicklung und seine erneute Verurteilung vom 7. Mai 2012 anfänglich genommen hat (die Vollstreckung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ist wegen seiner Therapiebemühungen zunächst zurückgestellt worden), nach etwa zehn Monaten geendet hat. Der deshalb erlassene Widerrufsbeschluss vom 24. Juni 2013 stellt eine erhebliche Gefahr erneuter Straftaten fest. Dem Beschluss vom 3. März 2014 zufolge, durch den die Beschwerde gegen die Ablehnung einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zurückgewiesen worden ist, ist wegen der Erfolglosigkeit der bisher verhängten Weisungen „nicht zu erwarten, dass durch neuerliche Auflagen oder Weisungen der Zweck der Bewährung erreicht werden könnte“. Der JVA-Führungsbericht vom 19. Februar 2015, auf den hin die Vollstreckungszurückstellung nach § 35 BtMG vom 18. März 2015 erfolgt ist, ist zwar uneingeschränkt positiv. Er befasst sich jedoch nicht mit der Frage, welche Haltung der Antragsteller nunmehr gegenüber den Delikten einnimmt, derentwegen er bestraft worden ist. Ihm ist auch nicht zu entnehmen, dass die Verfasserin des Führungsberichts die Möglichkeit eines angepassten Verhaltens ohne innere Öffnung erwogen hat. Zu solchen Erwägungen hätte Anlass bestanden, weil der Antragsteller während der gesamten Strafhaft ab dem 22. April 2014 psychisch betäubungsmittelabhängig war, bereits hafterfahren war, sich während der früheren Inhaftierung angepasst verhalten und nur scheinbar geöffnet hatte, nach der Strafrestaussetzung trotz erwartungsgemäßen Verhaltens gegenüber dem Bewährungshelfer rückfällig geworden war, trotz positiven Berichts über die Therapie in G. erneut dem Drogenkonsum verfallen war und ihm in den Bewährungswiderruf-Entscheidungen vom 24. Juni 2013 und vom 3. März 2014 eine äußerst negative Prognose gestellt worden war.

Auf den Umstand, dass die Festlegung der maximal zulässigen Bewährungszeit von fünf Jahren im Strafrestaussetzungsbeschluss vom 6. Mai 2016 erhebliche Restzweifel auch des Strafgerichts an einer Resozialisierung erkennen lässt, hat der Senat bereits hingewiesen (S. 9 unten).

bb) Im Rahmen der ausweisungsrechtlichen Prognose ist weiter zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass nach den Unterlagen von einer Drogenabstinenz des Antragstellers seit der Drogentherapie zum Jahreswechsel 2015/2016 auszugehen ist. Auch dieser Umstand hat jedoch nur wenig Gewicht, weil er nicht ohne weiteres auf ein drogenfreies Leben des Antragstellers nach dem Ablauf der Bewährungszeit und des Ausweisungsverfahrens schließen lässt und mehrere Indizien gegen einen längerfristigen Erfolg der im Frühjahr 2016 abgeschlossenen Therapie sprechen.

Den vorliegenden Untersuchungen zufolge sind die Erfolgschancen einer Therapie, die im allgemeinen bereits deutlich unter 50% liegen (vgl. S. 13/14), umso geringer, je mehr erfolglose Therapien vorhergegangen sind (Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V., Nr. 4.6 der Auswertung der Katamnesedaten zum Entlassungsjahrgang 2011 - Drogeneinrichtungen - Stand: August 2013; als Grund für diese Chancenveränderung wird eine Chronifizierung des Sucht angenommen; vgl. auch Klos/Görgen, Rückfallprophylaxe bei Drogenabhängigkeit, 2009, S. 26 ff.). Vorliegend hat der Antragsteller zwischen dem 18. Juli 2012 und dem 16. Januar 2013 bereits eine Therapie absolviert, der nach nur wenigen Monaten ein Rückfall gefolgt ist. Demzufolge ist der Antragsteller auch während der nachfolgende Inhaftierung zwischen dem 22. April 2014 und dem 31. März 2015 betäubungsmittelsüchtig gewesen (vgl. insoweit auch den JVA-Bericht vom 19.2.2015, die Ausführung im Bericht der S.-Klinik vom 24.8.2015, die Therapieziele hätten nicht erreicht werden können und weiterer Behandlungsbedarf bestehe dringend, den im Therapiebericht vom April 2016 mitgeteilten Betäubungsmittelkonsum bis zum letzten Tag vor dem Beginn der Behandlung sowie Patzak, a.a.O., § 35 BtMG Rn. 62). Aus der stationären Suchtherapie, derentwegen die weitere Strafvollstreckung ab dem 31. März 2015 nach § 35 BtMG zurückgestellt worden ist, ist er am 1. Juni 2015 disziplinarisch entlassen worden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Antragsteller annähernd sechs Jahre lang (Ende 2009 bis Ende 2015) betäubungsmittelabhängig gewesen ist, wobei er nicht nur Cannabis, sondern gelegentlich auch Amphetamin, Methamphetamin und Ecstasy konsumiert hat.

Die Erfolgschance ist darüber hinaus auch deshalb gering, weil - worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist - die Therapie ab dem 17. Dezember 2015 nur etwa dreieinhalb Monate gedauert hat. Die Therapie in G. ist gescheitert, obwohl sie eine Dauer von sechs Monaten gehabt hat (18.7.2012 bis 16.1.2013; zur erhöhten Erfolgswahrscheinlichkeit längerer Drogentherapien vgl. Klos/Görgen, a.a.O., S. 27).

Weiterhin ist zweifelhaft, ob vor der Therapie ab dem 17. Dezember 2015 die ausreichende Vorbereitung stattgefunden hat, die (die Patzak zufolge, a.a.O., § 35 Rn. 239 ff., insbesondere 243) für den Erfolg einer Therapie von wesentlicher Bedeutung ist. Je mehr Therapien bereits gescheitert sind, desto intensiver muss die Therapievorbereitung sein (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 30,217,220). Insoweit ist lediglich belegt, dass der Antragsteller Gespräche bei der Stadtmission N. geführt hat, nicht aber deren Gegenstand und Verlauf. Jedenfalls hat der Antragsteller bis zum 7. Dezember 2015 THC (Cannabis-Wirkstoff) konsumiert (S. 1 der Therapiebescheinigung vom April). Nachdem der Drogentherapie zur Behebung der psychischen Abhängigkeit eine Entgiftungsbehandlung in der Zeit vom 8. Dezember 2015 bis zum 17. Dezember 2015 zur Behebung der physischen Abhängigkeit vorhergegangen ist (zu diesen beiden Suchterscheinungen vgl. Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 57 bis 62), bedeutet dies, dass der Antragsteller bis zum letzten Tag vor dem Behandlungsbeginn Drogen konsumiert hat. Den Strafvollstreckungsakten ist nichts dafür zu entnehmen, dass im Rahmen der Strafvollstreckungszurückstellung vom 22. Dezember 2015 (Abhilfeentscheidung betreffend die Beschwerde gegen den Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung) die Frage der Therapievorbereitung in den Blick genommen worden ist.

Schließlich ist für den Erfolg einer Therapie echte Therapiebereitschaft unabdingbar. Auch für die Zurückstellung der Strafvollstreckung zwecks Durchführung einer Drogentherapie nach § 35 BtMG ist sie deshalb erforderlich (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 204 ff.). Vorliegend bestehen Zweifel daran, dass bei dem Antragsteller echte Therapiebereitschaft vorhanden gewesen ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Möglichkeit, durch die Teilnahme an einer Drogentherapie und durch ein anschließendes sucht- und straffreies Leben der Strafhaft ganz oder zu einem erheblichen Teil zu entgehen, die Bereitschaft zur Therapie und - nach deren Abschluss - die erforderlichen Selbstkontrollanstrengungen verstärken oder sogar auslösen kann. Die Bestimmungen in den §§ 35, 36 BtMG ermöglichen es daher (als spezielle Variante des Legalbewährungsdrucks, der mit drohender Haft verbunden ist), für den Fall der Teilnahme an einer Drogentherapie die Strafvollstreckung zunächst zurückzustellen, anschließend die Therapiedauer auf die Strafe anzurechnen sowie den Rest der Freiheitsstrafe (aus § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BtMG ergibt sich, dass der Gesetzgeber mindestens ein Drittel der Strafe für erforderlich hält, um auch nach der Therapie den Abstinenz- und Legal-Bewährungsdrucks aufrechtzuerhalten) zur Bewährung auszusetzen. Die Möglichkeit, durch Abstinenz und Legalbewährung einen günstigen Verlauf des Ausweisungsverfahrens herbeizuführen, kann ebenfalls (und mindestens mit derselben Wahrscheinlichkeit, vgl. lit. bb) solche Selbstkontrollanstrengungen begründen. Es ist jedoch keineswegs gewährleistet, dass eine Strafandrohung, Inhaftierung oder bevorstehende Ausweisung im konkreten Fall die Therapiemotivation initiiert oder hinreichend verstärkt. Die Tatsache, dass die freiwillige Mitwirkung des Probanden die Erfolgschancen eines Therapievorhabens erheblich verbessert, macht die beschränkten Erfolgschancen erzwungener Therapien deutlich. Der Gesetzgeber kennt das Problem der scheinbaren Motivation zur Therapie, also eines dem staatlichen Druck angepassten Verhaltens bei nur vordergründiger Therapiebereitschaft (vgl. Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 31,32,215 ff.; in Rn. 242 warnt Patzak davor, vor dem Strafvollzug in die Therapie zu flüchten). Er hat im Rahmen des Zurückstellungsverfahrens nach § 35 BtMG die Überprüfung der Therapiebereitschaft (die Bereitschaft zum Antritt und zum Durchstehen der Therapie) vorgesehen, um missbräuchliche Antragstellungen vorzubeugen und die begrenzte Anzahl kostspieliger Therapieplätze ernsthaft therapiewilligen Drogenabhängigen vorzubehalten (Patzak, a.a.O, § 35 Rn. 204, 242).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller die Therapie im Therapiezentrum D. am 17. Dezember 2015 angetreten hat, während der Widerruf der Strafvollstreckungszurückstellung bereits ausgesprochen, seine Beschwerde hiergegen bereits anhängig und auch die Klage gegen den Ausweisungsbescheid vom 6. Mai 2015 bereits anhängig gewesen ist. Der Kläger hat mehrfach Anhaltspunkte dafür geliefert, dass bei ihm ein angepasstes Verhalten unter einem „Damoklesschwert“ keine Gewähr bietet für die unabdingbare Therapiebereitschaft. Jedoch ist den Strafvollstreckungsakten nicht zu entnehmen, dass einer dieser Anhaltspunkte bei der Entscheidung vom 22. Dezember 2015, durch die dem Antragsteller die Teilnahme an der Therapie im Therapiezentrum D. ermöglicht worden ist, Berücksichtigung gefunden hätte. Die gesamte Zeit nach der (erstmaligen) Verbüßung von Strafhaft bis Anfang November 2009 ist - abgesehen von den mehr als 20 Monaten, die der Antragsteller erneut in Haft oder in Therapieeinrichtungen verbracht hat - von Bemühungen des Antragstellers geprägt gewesen, die ihm wegen Bewährungsverstößen drohende Strafvollstreckung abzuwenden. Im Therapiebericht vom 15. Januar 2013 über den Verlauf der Therapie in G., durch die der Antragsteller die Zurückstellung der Strafvollstreckung aus dem Urteil vom 7. Mai 2012 erreicht hat, werden für den Anfangszeitraum Anpassungsschwierigkeiten, eine mangelnde Frustrationstoleranz, eine leichte Ablenkbarkeit, eine eher unpünktliche und vermeidende Haltung gegenüber sport- und arbeitstherapeutischen Angeboten und eine abwartende Haltung im psychotherapeutischen Gruppensetting beschrieben. Für den weiteren Verlauf der Therapie ist dann von bedeutenden Besserungen (nach eindringlichen Aufforderungen) die Rede und von dezidierten Absichten des Antragstellers betreffend ein geordnetes Leben (u.a. einen Zuzug nach W., wo er sich vom Vater und Verwandten unterstützt fühle). Die Tatsache, dass der Antragsteller noch im November 2012 (4 Monate nach Therapiebeginn) bei einer Heimfahrt Alkohol getrunken hat, wird in dem Bericht erwähnt, jedoch nicht für maßgeblich erachtet. Kurz nach dem Abschluss der Therapie ist der Antragsteller zum Betäubungsmittelkonsum zurückgekehrt und hat den beim Vater genommenen Wohnsitz wieder aufgegeben (W. sei ihm zu klein). Sodann hat der Antragsteller am 10. Juni 2013 und am 21 Juni 2013 durch Darlegung von Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit den Widerruf der Strafrestaussetzungen aus den Jahren 2009 und 2012 zu verhindern versucht. Auf den Widerruf vom 24. Juni 2013 der Strafrestaussetzung aus dem Jahr 2009 hin hat er Beschwerde erhoben, die am 15. Juli 2013 verworfen worden ist. Auf den Widerruf vom 14. Oktober 2013 der Strafrestaussetzung aus dem Jahr 2012 hin hat er die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG beantragt. Dieser Antrag ist erstinstanzlich am 24. Februar 2014 und zweitinstanzlich am 3. März 2014 abgelehnt worden. Ab dem 22 April 2014 hat der Antragsteller fast ein weiteres Jahr seiner Freiheitsstrafen verbüßt. Aus der weiteren Therapie (ab dem 31.3.2015 in der S.-Klinik), die dem Antragsteller durch eine Vollstreckungszurückstellung nach § 35 BtMG ermöglicht worden ist, ist er nach zwei Monaten wegen eines offensichtlichen Regelverstoßes disziplinarisch entlassen worden. Ein solcher „leichtfertiger Umgang“ mit der Therapiechance ist ebenfalls ein Indiz für fehlende Therapiebereitschaft (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 216). Der Bericht der S.-Klinik vom 24. August 2015 über den zweimonatigen stationären Aufenthalt des Antragstellers enthält eine ungünstige Prognose hinsichtlich Abstinenz und Delinquenzrisiko und stellt - wie bereits erwähnt - einen dringenden weiteren Behandlungsbedarf fest. Nach dieser disziplinarischen Entlassung hat der Antragsteller die Inhaftierung zunächst durch den Nachweis vermieden, dass ihm für die Zeit ab dem 19. August 2015 erneut ein Thherapieplatz in der S.-Klinik angeboten worden ist. Er hat die Therapie jedoch nicht angetreten. Auch dieses Verhalten deutet auf einen fehlenden Therapiewillen hin (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 214). Ab August 2015 hat der Antragsteller die Inhaftierung dadurch vermieden, dass er immer wieder angekündigt hat, eine Begründung für die Beschwerde vorzulegen, die er gegen den schließlich ausgesprochenen Widerruf der Strafvollstreckungs-Zurückstellung erhoben hat. Drei Monate nach Beschwerdeeinlegung hat sich die Vorlage einer Begründung erübrigt, weil der Antragsteller nun vom Therapiezentrum D. eine Therapieplatz-Zusage für die Zeit ab dem 17. Dezember 2015 erhalten hatte und deshalb seiner Beschwerde abgeholfen worden ist. Die bereits erwähnten Anhaltspunkte für ein fehlendes Engagement des Antragstellers bei der Vorbereitung der Therapie in D. sprechen ebenfalls gegen eine echte Therapiebereitschaft.

cc) Im Rahmen der ausweisungsrechtlichen Prognose ist zu berücksichtigen, dass der Abschlussbericht vom April 2016 (die dem Antragsteller ausgehändigte Therapiebericht-Fassung vom 7.4.2016 ist nicht vollkommen identisch mit der am 25.4.2016 der Staatsanwaltschaft übersandten Fassung) dem Antragsteller eine günstige Prognose stellt. Diesem somit günstigen Prognoseindiz (entgegen den Ausführungen auf S. 10 des BVerfG-B. hat der Senat auch die Therapiebescheinigung nicht „eher negativ“ bewertet) kann jedoch aus mehreren Gründen kein wesentliches Gewicht zugemessen werden.

Bei der Würdigung des Therapieberichts ist zu berücksichtigen, dass ein Therapiebericht - entgegen der Darstellung in der Verfassungsbeschwerde des Antragstellers (S. 50) - keine objektive Bewertung oder gar Begutachtung darstellt. Zu einer effektiven Drogenberatung ist ein enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Drogenabhängigen und dem Berater erforderlich. Der Berater ist kein verlängerter Arm des Staates (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 436). Eine Mitteilungspflicht gegenüber staatlichen Stellen besteht aufgrund der Vorschrift des § 35 Abs. 4 BtMG nur bei einem Therapieabbruch. Ansonsten gilt der Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 418 ff.). Um einen Bericht über den Therapieverlauf zu erhalten, muss die Strafvollstreckungsbehörde den Verurteilten zur Einholung bei der Therapieeinrichtung und zur Vorlage (bzw. zur Schweigepflichtentbindung) verpflichten. Weil Drogenberater Interessenvertreter ihrer Klienten (und nicht des Staates) sind (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 253) und deshalb in der Regel nicht die Mitwirkung verweigern, wenn sie beispielsweise erkennen, dass der Klient nicht die Überwindung der Sucht anstrebt, sondern die Therapie lediglich deshalb beantragt, weil er der Strafhaft entkommen möchte (vgl. Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 253,254; in Rn. 254 weist Patzak überdies darauf hin, dass Therapieeinrichtungen Wirtschaftsunternehmen sind, die wie Reiseunternehmen und Hotels darauf achten müssen, dass ihre Therapieplätze und Betten regelmäßig belegt sind), sind die Therapiestellungnahmen nicht als objektive Gutachten, sondern als einseitige Stellungnahmen zu bewerten (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 253). Gegen unzureichende Stellungnahmen von Therapieeinrichtungen gibt es keine effektive Handhabe (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 413 ff.). Im Wesentlichen aus diesen Gründen und weil bei einer Bewertung von Therapieerfolgen die Patienten ihre Lebensprobleme nicht offen, sondern nur angepasst angehen würden, hat der Gesetzgeber bei der Anrechnung der Therapie auf die Strafe nach § 36 BtMG nicht auf erfolgreiche Therapiezeiten, sondern auf die Aufenthaltszeiten in der Therapie an sich abgestellt (Patzak, a.a.O., § 35 Rn. 16 ff.). Aus all dem ergibt sich, dass die Ausführungen in Therapieberichten keine objektive Einschätzung darstellen und die Einrichtung regelmäßig dann eine günstige Prognose abgibt, wenn sie nicht vom Klienten durch einen erheblichen Verstoß gegen ihre Regeln zu einem disziplinarischen Therapieabbruch genötigt worden ist.

Der Therapiebericht vom April 2016 legt - nicht anders als der Therapiebericht vom 15. Januar 2013 - einen schwierigen Beginn dar (zum Beispiel einen unangemessen aggressiven Vortrag von Anliegen) sowie bedeutende Besserungen im Laufe der Therapie und dezidierte Absichten des Antragstellers betreffend ein geordnetes und ausgeglichenes Leben. Hinsichtlich der früheren Therapieerfolglosigkeit teilt der Bericht (a.E.) lediglich pauschal mit, der Antragsteller habe die Bedingungen seiner Rückfälligkeit reflektiert. Der Bericht bezieht sich hier inhaltlich auf seine vorherige Feststellung, der Antragsteller besitze eine gut ausgebildete Selbstreflexionsfähigkeit. Dies lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Scheitern der bisherigen Therapiebemühungen (zur Bedeutung einer solchen Aufarbeitung vgl. Patzak, § 35 Rn. 218) - bereits zwei angetretene Therapien haben keinen Erfolg gehabt - nicht erkennen.

Dem Abschlussbericht des Therapiezentrums D. vom April 2016 zufolge hat der Antragsteller einen intensiven Kontakt zu seinem Vater aufgenommen und geplant, in Zukunft vorerst bei seinem Vater zu leben und sich „wieder an den Werten zu orientieren, die ihm in der Kindheit vermittelt wurden“. Er sei dankbar, dass ihn sein Vater nicht fallen lasse, obwohl er ihn durch das jahrelange Führen eines Doppellebens so tief enttäuscht habe. Nach Therapieende ist der Antragsteller jedoch nicht nach W., sondern erneut nach N. in seine vorherige Wohnung gezogen. In N. hat der Antragsteller seine Straftaten begangen und seine Sucht entwickelt. Der Umstand, dass der Antragsteller nicht einmal versuchsweise bei seinem Vater eingezogen ist, deutet darauf hin, dass der Antragsteller mit der im Therapiebericht wiedergegebenen Absichtsbekundung den Erwartungen seiner Therapeutin entgegengekommen ist, eine Übersiedlung nach W. (das er in der richterlichen Anhörung vom 10.6.2013 als „zu klein“ bezeichnet hatte) aber nicht geplant hat. Nunmehr hat der Antragsteller seine eigene Wohnung aufgegeben und ist zu seiner Stiefmutter (ebenfalls in N.) gezogen. Das Verhältnis zu seiner Stiefmutter hat der Antragsteller dem Strafurteil vom 18. Juni 2007 zufolge als „zeitweilig sehr schwierig“ beschrieben; im Frühjahr 2013 ist er einen Monat nach dem Einzug von ihr wieder hinausgeworfen worden. Dem Therapiebericht vom April 2016 zufolge hat sich der Antragsteller u. a. das Ziel einer geregelten beruflichen Existenz gesetzt. Ob dem Antragsteller nunmehr eine nachhaltige Erwerbstätigkeit (vgl. die diesbezügliche Aufforderung in Nr. 4 des Strafrestaussetzungsbeschlusses vom 6.5.2016) gelingen wird, ist offen, da eine Arbeitsaufnahme in dem seit dem Therapieabschluss vergangenen Jahr bislang nicht dargelegt worden ist. Dem Vorbringen des Antragstellers in den Verfahren 19 AE 17.102 und AN 5 E 17.212 (mit B d. VG A. 14.3.2017) ist die Behauptung zu entnehmen, ihm seien Arbeitsplatzangebote gemacht worden, die er aber wegen Fehlens der begehrten Fiktionsbescheinigung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht habe nutzen können. Der Antragsteller hat jedoch weder ein schriftliches Arbeitsplatzangebot vorgelegt noch eine Arbeitgebererklärung, der zufolge der Wortlaut des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht genügt und ohne eine diesbezügliche Fiktionsbescheinigung eine Anstellung nicht erfolgen kann. Schließlich ist dem Therapiebericht zu entnehmen, die Schwierigkeiten des Antragstellers, seine Impulse zu kontrollieren und persönliche Diskrepanzen sozialkompetent zu lösen, seien im sokratischen Dialog bewältigt worden: „Aufgrund seiner gut ausgebildeten Selbstreflexionsfähigkeit gelang es, mit ihm jeweils kritische Situationen ad hoc als solche zu erkennen, zu besprechen und alternatives Verhalten zu entwickeln. Dies setzt er inzwischen gut um.“ Den polizeilichen Ermittlungen betreffend einen Vorfall in der Silvesternacht 2016/2017 ist jedoch zu entnehmen, dass die im Gutachten vom 6. September 2012 festgestellten „kränkbaren, impulsiven, aber auch antisozialen Anteile der Primärpersönlichkeit“ des Antragstellers nach wie vor vorhanden sind und eine wirksame Aufarbeitung der früheren Straftaten noch immer nicht stattgefunden hat. Nach den Aussagen von Zeugen dieses Vorfalls (der Antragsteller hat sich gegenüber der Polizei nicht zur Sache eingelassen) hat der Antragsteller als Gast einer Silvesterfeier in F. das Pavillon-Zelt einer benachbarten Feier aufgesucht. Nach einer verbalen Auseinandersetzung aufgefordert, zur Feier seines eigenen Gastgebers zurückzukehren, hat er einen Party-Teilnehmer angegriffen und zu Boden geworfen. Durch diese Tat, die zu schweren gesundheitlichen Schäden hätte führen können, ist der Geschädigte im Gesicht verletzt worden. Der Geschädigte hat auf die Stellung eines Strafantrags verzichtet, nachdem sich der Antragsteller entschuldigt hatte. Der Umstand, dass der Antragsteller nur zwei Monate nach dem Erhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2016 trotz der laufenden Bewährungszeit (deren erstes Jahr ist noch nicht vollendet gewesen) nicht in der Lage oder nicht willens gewesen ist, seine delinquenzgeneigten Persönlichkeitsanteile zu kontrollieren, lässt Schlussfolgerungen auf sein Verhalten in der Zeit zu, in der keinerlei besonderer Legalbewährungsdruck mehr besteht und auf die es für die Frage einer nachhaltigen Resozialisierung ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem er seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung der Ausweisungsverfügung und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter verfolgt, ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch ist die geltend gemachte Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

1.1. Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Ausweisung des Klägers, der eine Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, an Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 AufenthG zu messen sei und der Kläger demzufolge nur ausgewiesen werden könne, wenn sein persönliches Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der Kläger sei mehrfach und erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten und wiederholt wegen Gewaltdelikten bestraft worden. Gerade die zuletzt mit Strafurteil vom 8. September 2011 abgeurteilte Tat vom 6. November 2010, bei der der Kläger zusammen mit zwei Mittätern ohne ersichtlichen Grund brutale Gewalt gegen eine ihm unbekannte Person angewandt habe, stelle unter Berücksichtigung des hohen Ranges des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einen hinreichend schweren Ausweisungsanlass dar, der ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Beim Kläger sei trotz Verbüßens seiner Haftstrafe seit Mai 2013, seiner Teilnahme an einer Therapie im Jahr 2012 und seiner veränderten beruflichen und familiären Situation noch von einer gegenwärtigen tatsächlichen Gefährdung für ein Grundinteresse der Gesellschaft auszugehen. Die (Gewalt-)Taten des Klägers beruhten nicht allein auf seiner Neigung zum Konsum von Alkohol und Drogen, sondern insbesondere auch auf seiner Aggressivität. Die vom Kläger bei seinen Taten gezeigte Aggression sei bisher nicht ausreichend therapiert worden. Das diesbezügliche Gruppentraining, an dem der Kläger derzeit teilnehme, sei noch nicht abgeschlossen. Zudem bestünden aus Sicht des Gerichts erhebliche Zweifel, ob dieses Training vom Umfang und der Zielsetzung eine (erforderliche) Therapie ersetzen könne. Bei der im Jahr 2012 absolvierten stationären Therapie habe es sich um eine Drogenentwöhnungstherapie gehandelt, bei der dem Kläger im Hinblick auf den Drogen- und Alkoholkonsum und die Behandlung seiner Aggressivität zwar Fortschritte bescheinigt worden seien, aber gleichzeitig eine ambulante Weiterbehandlung für unerlässlich erklärt worden sei. Bei der Gefahrenprognose sei zu berücksichtigen, dass den bei einem erneuten Rückfall des Klägers bedrohten Rechtsgütern Leben und körperliche Unversehrtheit nach der Wertordnung des Grundgesetzes ein besonders hohes Gewicht zukomme.

Der Kläger macht dagegen geltend, bei ihm bestehe aktuell keine konkrete Wiederholungsgefahr mehr. Seine letzte Straftat habe sich am 6. November 2010 und damit vor über vier Jahren ereignet. Er habe durch die Verbüßung der Haftstrafe eine Reifung erfahren und sich ausweislich der letzten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 17. September 2014 gut geführt und an zehn Einheiten einer Gruppenveranstaltung zum Themenkomplex „Alkohol, Drogen, Gewalt und ich“ teilgenommen. Er verfüge nach Haftende über einen sozial festen Empfangsraum und könne seine bereits begonnene Ausbildung zum Hotelfachmann weiterführen. Auch habe er bereits eine stationäre Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und intensiv an sich gearbeitet.

Durch dieses Vorbringen werden aber die Gefahrenprognose und die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. Der Kläger ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, ab 2005 innerhalb relativ kurzer Zeit mehrfach insbesondere wegen gravierender Gewaltdelikte wie Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, (schwere) räuberische Erpressung, (schwerer) Raub und wegen Betäubungsmitteldelikten geahndet und auch zu Jugendstrafen verurteilt worden. Die zuletzt mit Urteil des Amtsgerichts München vom 8. September 2011 nach Erwachsenenstrafrecht abgeurteilte Straftat, bei der der Kläger in gemeinschaftlicher Tatbegehung mit zwei Mittätern ohne jeden Grund nachts in einer Bahnunterführung auf den dort zufällig angetroffenen Geschädigten eingeschlagen und, nachdem dieser zu Boden gegangen war, weiter mit den Füßen auf diesen und insbesondere auch gegen dessen Kopf in einer das Leben gefährdenden Weise eingetreten hatte, stellt ein besonders massives und ein - wie im Strafurteil zutreffend festgestellt - besonderes Maß an Menschenverachtung zeigendes Gewaltdelikt dar. Weitere gegen den Kläger wegen Betäubungsmittel- und Körperverletzungsdelikten geführte Ermittlungs- und Strafverfahren wurden daneben nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Kläger sind durch die Strafgerichte zu Recht ein erhebliches Gewaltpotential und eine Neigung zu Aggressivität, charakterliche Mängel und dissoziale Persönlichkeitsanteile sowie die Geringachtung vor allem auch der körperlichen Integrität anderer, eine permanente Rückfälligkeit und krasses Bewährungsversagen bescheinigt worden. Auch die im Rahmen des letzten Strafverfahrens eingeholten testpsychologischen und psychiatrischen Gutachten stellen beim Kläger eine dissoziale Entwicklung und hohe Aggressionsbereitschaft und Gewalttätigkeit sowie mangelnde Empathie, geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives und auch gewalttätiges Verhalten fest. Der Kläger ist wegen seiner massiven Straffälligkeit mehrfach durch die Ausländerbehörde verwarnt und zu einer möglichen Aufenthaltsbeendigung angehört worden, ohne dass (auch) dies bei ihm irgendeine Wirkung gezeigt hätte.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht weiter festgestellt, dass der Kläger wegen seines nach eigenen Angaben bereits ab dem 11. Lebensjahr begonnenen Missbrauchs von Alkohol und Drogen zwar wiederholt und durch Rückfälle begleitete (auch stationäre) Drogentherapien durchgeführt und sich zuletzt von Juni bis Ende September 2012 in einer nach einem erneuten Rückfall aber regulär beendeten stationären Langzeitbehandlung befunden hat, eine ausreichende Therapie aber gerade der Aggressions- und Gewaltproblematik beim Kläger jedoch noch nicht erfolgt ist. Demzufolge ist das Erstgericht bei seiner Gefahrenprognose auch zutreffend davon ausgegangen, dass die konkrete Gefahr der Wiederholung gleichartiger Gewaltstraftaten bei der noch nicht erfolgreich bewältigten Aggressionsproblematik nach wie vor besteht. Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung des Senats, dass in Fällen, in denen die (Mit-)Ursache der Straftaten in einer Suchtmittelabhängigkeit oder einer Persönlichkeitsstörung liegt, die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr ist (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 26.11.2013 - 10 ZB 13.1873 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Dagegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, seit Begehung seiner letzten Straftat am 6. November 2010 sei ein so langer Zeitraum vergangen und er sei inzwischen durch die Verbüßung der Haftstrafe persönlich so gereift, dass die konkrete Gefahr einer hinreichend schweren Gefährdung nicht mehr bestehe. Denn bezüglich des seit dieser Tat verstrichenen Zeitraums ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger von Juni bis Ende September 2012 in einer stationären Therapie und ab 20. Mai 2013 wieder in Haft befand. Nicht durchgreifend ist auch die nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers im Zulassungsverfahren, er sei durch die Verbüßung der Haftstrafe gereift und habe seit vier Jahren „intensiv an sich gearbeitet“, so dass es ihm mittlerweile gelungen sei, eine für ihn günstige Prognose zu schaffen. Ein entscheidender Anhaltspunkt dafür, dass vom Kläger künftig keine Wiederholung gleichartiger Gewaltstraftaten mehr zu erwarten sei, ist schließlich auch nicht darin zu sehen, dass das Landgericht A. - auswärtige Strafvollstreckungskammer beim Amtsgericht N. - mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 die Vollstreckung des Strafrests der gegen den Kläger mit Urteilen des Amtsgerichts M. vom 18. Oktober 2010 und 8. September 2011 verhängten Jugend- und Freiheitsstrafe ab dem 4. Januar 2015 zur Bewährung (mit einer Bewährungszeit von 4 Jahren) ausgesetzt hat. Zwar sind Entscheidungen der Strafgerichte, die eine Prognose erfordern, ob von einem Verurteilten erneut Straftaten zu erwarten sind, von tatsächlichem Gewicht. Die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben aber eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen, sind an die Feststellungen der Strafgerichte nicht gebunden und können aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage, aufgrund eines längerfristigen Prognosezeitraums und einer anderen, eigenständigen Würdigung der Gesamtumstände wie hier zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen (BayVGH, B.v. 6.3.2014 - 10 ZB 11.2854 - juris Rn. 10 m.w. Rspr-nachweisen). Unabhängig davon ist auch die Strafvollstreckungskammer in dem genannten Beschluss lediglich zu der Bewertung gelangt, dass es „nach Auffassung des Gerichts unter Beachtung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit bereits ab dem im Tenor genannten Zeitpunkt verantwortet werden“ könne, „zu erproben, ob sich der Verurteilte (Kläger) künftig straffrei führen wird“. Die verwaltungsgerichtliche Prognose über die Wiederholungsgefahr beim Kläger wird dadurch jedenfalls nicht ernstlich erschüttert. Schließlich führen auch die vom Kläger noch angeführten Umstände eines sozial gefestigten Empfangsraums nach seiner Haft und die Möglichkeit der Fortführung seiner Ausbildung zum Hotelfachmann vor allem angesichts der unbewältigten Gewalt- und Aggressionsproblematik nicht dazu, die Wiederholungsgefahr nunmehr anders als das Erstgericht zu beurteilen. Auch hat das Verwaltungsgericht bei seiner Prognose zu Recht darauf abgestellt, dass bei bedrohten Rechtsgütern mit hervorgehobener Bedeutung wie insbesondere dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) geringere Anforderungen an die zu fordernde Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schadenseintritts gelten (BayVGH, B.v. 6.3.2014 - 10 ZB 11.2854 - juris Rn. 14 m. w. N.).

1.2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit der Kläger seine Ausweisung mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK für unverhältnismäßig hält. Er macht geltend, er habe inzwischen seine Verlobte, Frau J., in der Justizvollzugsanstalt geheiratet, so dass ihm auch der Schutz der Ehe zugutekomme und die angefochtene Entscheidung schon deswegen ernstlichen Zweifeln unterliege. Das am 17. Februar 2013 geborene gemeinsame Kind, mit dem er die ersten drei Lebensmonate (zusammen mit der Mutter) in einer gemeinsamen Wohnung gelebt und zu dem er auch über regelmäßige Besuche (von Mutter und Kind) in der Justizvollzugsanstalt den Kontakt und die Bindung aufrechterhalten habe, besitze die deutsche Staatsangehörigkeit, weshalb ihm ein Umzug in die Türkei nicht zumutbar sei. Das Verwaltungsgericht habe sich weder damit auseinandergesetzt, dass die Geburt eines Kindes eine Zäsur in der Lebensführung des Betroffenen darstelle, die in Anbetracht aller Umstände erwarten lasse, dass dieser bei einem legalisierten Aufenthalt keine Straftaten mehr begehen werde, noch habe es das Wohl des Kindes und die gravierenden Folgen auch einer vorübergehenden Trennung vom Kläger hinreichend beachtet. Überdies habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits entschieden, dass das den Staaten im Rahmen von Art. 8 EMRK zustehende Ermessen überschritten werde, wenn die Behörden einen Ausländer wegen lediglich eines schweren Delikts und trotz seither einwandfreien Verhaltens und tatsächlich familiärer Bindungen im Inland ausweisen würden.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK eine Ausweisung eines Ausländers generell ausschließen; vielmehr gebieten diese Bestimmungen lediglich, dass anhand einer einzelfallbezogenen Würdigung die für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und die gegenläufigen Interessen des Ausländers gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerwG, B.v. 7.12.2011 - 1 B 6.11 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 22.1.2013 - 10 B 12.2008 - juris Rn. 48). Auch gewichtige familiäre Belange setzen sich dabei nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 23). Davon ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Bezüglich des vom Kläger nunmehr geltend gemachten grundrechtlichen Schutzes seiner Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) ist bei der danach gebotenen Abwägung zu berücksichtigen, dass die während seiner Haft geschlossene Ehe zu einem Zeitpunkt eingegangen worden ist, zu dem der Ehefrau des Klägers die der Ausweisung zugrunde liegende Straftat und die Ausweisung selbst bereits bekannt waren, und dass dem Recht auf Privatleben und dem Schutz der Ehe in solchen Fällen ein vermindertes Gewicht beizumessen sein kann (vgl. EGMR, U.v. 28.6.2011 - Nunez, Nr. 55597/09 - HUDOC Rn. 70; U.v. 4.12.2012 - Butt, Nr. 47017/09 - HUDOC Rn. 79; BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 82).

Das Verwaltungsgericht hat sowohl die verfassungsrechtlichen Maßgaben für die Berücksichtigung der familiären Bindungen des Klägers an seinen im Februar 2013 geborenen Sohn mit deutscher Staatsangehörigkeit (vgl. z. B. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 14) als auch insbesondere das hohe, gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechende Gewicht der Folgen einer (auch nur) vorübergehenden räumlichen Trennung des Klägers von seinem noch sehr kleinen Sohn zutreffend erkannt. Die mit der Ausweisung verbundene Beeinträchtigung des Rechts auf Familienleben (Art. 8 Abs. 1 EMRK), des Rechts auf Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und auf Pflege und Erziehung seines Sohnes (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) wiegt danach zweifellos schwer. Dem Interesse des Sohnes des Klägers an dessen Verbleib im Bundesgebiet hat aber auch die Beklagte bei ihrer Abwägung und Würdigung der gegensätzlichen Interessen besonderes Gewicht beigemessen (vgl. zuletzt Antragserwiderung vom 28.1.2015, S. 3). Dass die Geburt seines Kindes, wie der Kläger im Zulassungsantrag behauptet, tatsächlich eine "Zäsur" in seiner Lebensführung darstellt, die in Anbetracht aller Umstände erwarten lässt, dass er bei legalisiertem Aufenthalt keine Straftaten mehr begehen wird (vgl. dazu BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 23), ist durch nichts belegt oder glaubhaft gemacht und angesichts der oben bei der Gefahrenprognose festgestellten Umstände und angestellten Erwägungen nach Auffassung des Senats unwahrscheinlich. Insofern kommt entgegen der Auffassung des Klägers bei der Abwägung durchaus ein Vorrang der gegen einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Gründe in Betracht (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 23).

Im Hinblick auf die ganz erhebliche Anzahl an Straftaten des Klägers, die von ihm mehrfach begangenen gravierenden Gewaltdelikte und die besondere Schwere insbesondere der (letzten) Anlasstat sowie das beim Kläger festgestellte erhebliche Gewaltpotential und seine therapeutisch nicht bewältigte Neigung zu Aggressivität hat das Verwaltungsgericht letztlich zu Recht festgestellt, dass der Kläger auch den mit der Ausweisung verbundenen gravierenden Eingriff in seine familiären Beziehungen zu seinem Sohn (und auch seiner Ehefrau) hinnehmen muss. Dabei sind insbesondere die sich aus den Taten des Klägers ergebenden erheblichen Gefahren für das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und damit besonders hochrangige Schutzgüter Dritter zu berücksichtigen. Auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger bereits einmal verurteilt worden sei, weil er Gewalt gegenüber einer ihm nahestehenden Person angewandt habe, ist zutreffend. Denn mit Urteil des Jugendschöffengerichts beim Amtsgericht M. vom 12. Februar 2008 ist der Kläger unter anderem wegen fahrlässiger Körperverletzung gegenüber seiner damaligen Freundin zu einer Jugendstrafe verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hat der Kläger im Verlauf einer zunächst verbalen Auseinandersetzung mit der Geschädigten diese in den Schwitzkasten genommen, sodann ein Butterfly-Messer gezogen und damit vor ihr herumgefuchtelt, um ihr Angst einzujagen. Dabei hat er die Geschädigte an der Hand getroffen und dieser eine tiefe Schnittverletzung zugefügt. Von der Verfolgung einer (weiteren) Körperverletzung zulasten einer ehemaligen Freundin, der Geschädigten H., wurde vom Jugendschöffengericht des Amtsgerichts M. in der Hauptverhandlung am 18. Oktober 2010 auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO abgesehen. Durch diesen Hinweis des Verwaltungsgerichts wird dem Kläger zwar nicht, wie er meint, unterstellt, „er würde nach seiner Haftentlassung Gewalt gegen sein Kind ausüben“. Jedoch belegen die angeführten Vorfälle, dass der Kläger seine Neigung zu Aggressivität in der Vergangenheit selbst bei ihm nahestehenden Personen nicht zu kontrollieren vermochte.

Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass das Erstgericht bei der von ihm in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochenen Verpflichtung zur Verkürzung der Wiedereinreisesperre von 5 Jahren auf 2 Jahre 6 Monate das Wohl des Kindes des Klägers und dessen Interesse an einer Anwesenheit auch des Vaters im Bundesgebiet angemessen berücksichtigt hat. Darüber hinaus hat die Beklagte in ihrer Antragserwiderung vom 28. Januar 2015 nochmals ihre Bereitschaft erklärt, gerade im Hinblick auf das Wohl des Kindes des Klägers diesem bei weiterer Bewährung gegebenenfalls großzügig Betretenserlaubnisse zu erteilen.

Die Ausweisung des Klägers stellt nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung durch das Verwaltungsgericht schließlich auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK und damit das Recht des Klägers auf Achtung seines dadurch geschützten Privat- und Familienlebens dar. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers und insbesondere sein Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dessen Urteil vom 16. April 2013 (Nr. 12020/09, Udeh - InfAuslR 2014, 179) greifen hier letztlich nicht durch. Denn der Kläger ist - wie oben eingehend dargelegt - entgegen seinem Zulassungsvorbringen gerade kein Ausländer, der von der Behörde wegen lediglich eines schweren Delikts (und trotz seither einwandfreien Verhaltens und tatsächlicher familiärer Bindungen im Inland) ausgewiesen worden ist. Vielmehr hat der Kläger über einen langen Zeitraum hinweg mehrfach gravierende Gewaltdelikte begangen. Auch lässt sich bei ihm jedenfalls derzeit eine positive Entwicklung für die Zukunft noch nicht annehmen. Die im Zulassungsverfahren erhobene Rüge, die Beklagte habe das ihr im Rahmen von Art. 8 EMRK zustehende „gewisse Ermessen“ (auch) in seinem Fall überschritten, ist daher nicht berechtigt.

1.3. (Weitere) Einwendungen gegen die Richtigkeit der Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der erfolgten Ausweisung als unbegründet abgewiesen hat, sind im Zulassungsverfahren nicht erhoben worden.

2. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen der vom Kläger noch geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils „von Entscheidungen anderer Obergerichte“ kommt ebenfalls nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Divergenzgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Darzulegen wäre vom Kläger insoweit, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Rechtssätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird. Dagegen genügt es nicht, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung derartiger Rechtssätze aufzuzeigen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2014 - 10 ZB 11.2156 - juris Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen des Klägers jedoch nicht.

Im Übrigen wird bezüglich der vom Kläger im Rahmen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel zitierten Rechtsprechung auf die obigen Ausführungen verwiesen. Danach liegt aber die damit etwa auch behauptete Divergenz nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.

2

1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.

3

2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.

4

3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.

5

4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

7

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.

8

7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

10

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

13

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

14

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).

15

b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.

16

c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.

III.

17

Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

IV.

18

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren durch Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7. Mai 2014 – 6 K 262/14 – wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7.5.2014 – 6 K 262/14 - erfolgte Versagung der Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren hat keinen Erfolg. Der Rechtsbehelf des Klägers bietet keine hinreichenden Erfolgsaussichten (§§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO).

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.2.2014, mit dem der Kläger ausgewiesen und sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurde, unterliegt nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen durchgreifenden Bedenken; vorab kann auf dessen Begründung Bezug genommen werden.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Aufenthaltsgesetz auf den Kläger, dessen Staatsangehörigkeit „ungeklärt“ ist, keine Anwendung finden könnte (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Ausweisungsverfügung ist voraussichtlich rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz liegen vor, da der Kläger unstreitig wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von 5 Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mindestens 3 Jahren rechtskräftig verurteilt wurde. Der Kläger hat auch selbst nichts vorgetragen, was die Richtigkeit der Ausweisungsverfügung begründet in Frage stellen könnte. Zwar beruft er sich in der Klagebegründung darauf, dass er seine – zahlreichen – Straftaten ausschließlich als Jugendlicher begangen habe, als er sich noch im Stadium der Entwicklung seiner Persönlichkeit befunden habe. Soweit er damit darlegen will, dass entgegen der Annahme des Beklagten von ihm künftig keine Straftaten mehr zu erwarten seien, ist dem indes entgegenzuhalten, dass er nach Aktenlage etwa seine letzte Straftat nicht als Jugendlicher, sondern am 4.10.2011 im Alter von fast 21 Jahren verübt hat. Es ist auch ansonsten weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass der Kläger, den seine Verurteilungen in der Vergangenheit offensichtlich nicht beeindruckt haben und der sogar in der Bewährungszeit straffällig wurde, sich nunmehr zu einem Leben ohne Straftaten entschlossen hätte und eine solche Absicht auch durch entsprechende Schritte umgesetzt hätte. Da insbesondere nichts dafür spricht, dass er sich darum bemüht hätte, wirtschaftlich Fuß zu fassen, durch Arbeit von staatlichen Leistungen unabhängig zu werden und seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln - legal - zu sichern, liegt die konkrete Gefahr, dass er auch weiterhin in erheblichen Maße Straftaten und insbesondere Einbruchsdiebstähle begeht, auf der Hand; die vom Beklagten erstellte Gefahrenprognose beruht daher offensichtlich auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage.

Der Kläger kann sich ferner nicht auf besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG berufen, da er zwar im Bundesgebiet geboren wurde und sich hier auch mindestens 5 Jahre rechtmäßig aufgehalten hat, er jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung über seine Ausweisung nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war; einem Aufenthaltstitel steht die ihm auf seinen Verlängerungsantrag erteilte Fiktionsbescheinigung im Sinne von § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AufenthG nicht gleich,(streitig, ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 13.3.2006 – 24 ZB 05. 3191 –, juris; vgl. auch Hailbronner, AuslR, § 56 RN 10 m.w.N.; a.A. Hess. VGH, Entscheidung vom 28.12.2006 – 12 TG 2396/06 – , juris) zumal er auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis – wie noch auszuführen ist – nicht erfüllt. Letztlich kommt es aber auf die Frage, ob der Kläger zwingend oder in Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 4 AufenthG nur „in der Regel“ auszuweisen ist, nicht an, nachdem der Beklagte im Widerspruchsbescheid über die Ausweisung sogar „eine hilfsweise Entscheidung unter Ermessensgesichtspunkten, die weitergeht als ein im Falle des Eintretens des besonderen Ausweisungsschutzes zu treffende Regelentscheidung“, ohne Ermessensfehler mit demselben Ergebnis getroffen hat; hierauf kann verwiesen werden.

Da seit der Behördenentscheidung keine neuen Aspekte bekannt geworden sind, die gegen die Ausweisung des Klägers sprechen könnten, ist diese voraussichtlich auch unter Verhältnismäßigkeitsaspekten nicht zu beanstanden. Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger volljährig ist, mit seinen Eltern und Geschwistern nicht zusammenlebt und außerdem weder er auf deren Hilfe noch seine Familie auf seine Unterstützung angewiesen ist; Gleiches gilt mit Blick auf das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familienleben. Die Ausweisung stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in sein von dieser Vorschrift ebenfalls geschütztes Privatleben dar. Zwar ist der 23jährige Kläger in Deutschland geboren worden und lebt er seither – davon insgesamt ca. 13 Jahre rechtmäßig - im Bundesgebiet. Hier leben auch sein im Jahre 2000 eingebürgerter Vater und seine Mutter und Geschwister, deren Staatsangehörigkeit – wie beim Kläger selbst - ungeklärt ist. Er spricht nach seinen Angaben nur Deutsch, wobei die Richtigkeit dieser Darstellung vor dem Hintergrund, dass seine Eltern – beide Roma-Angehörige – in Paris (Vater) bzw. in Amsterdam (Mutter) geboren wurden, die Mutter erst kurz vor seiner Geburt zu seinem Vater ins Bundesgebiet eingereist war und sich daher Romani als gemeinsame Sprache aufdrängt, die Roma-Angehörige in vielen Ländern sprechen und ihren Kindern in der Familie vermitteln, sehr fraglich ist, letztlich aber vorliegend unterstellt werden kann. Trotz seines Aufenthalts in Deutschland seit seiner Geburt, seiner guten Kenntnisse der deutschen Sprache und eines eingebürgerten, somit mutmaßlich in Deutschland verwurzelten Vaters ist es dem Kläger ersichtlich jedoch nicht gelungen, sich im Bundesgebiet zu integrieren. Er ist von seinen Eltern erst im Alter von 11 Jahren eingeschult worden und hat die Schule nach Aktenlage eher unregelmäßig besucht. Den Hauptschulabschluss(vom 6.7.2009,  Bl. 116 Ausländerakte) erreichte der Kläger, der schon als nicht strafmündiges Kind strafrechtlich in Erscheinung getreten war(Bl. 62 Ausländerakte), nach seiner Verurteilung vom 22.8.2008 zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren(Amtsgericht Saarbrücken, Urteil vom 22.8.2008, Bl. 67 Ausländerakte) erst im Rahmen der Strafvollstreckung. Nach dem Abschluss dieser Strafvollstreckung am 25.10.2009 hat er indes nicht seine durch den Schulabschluss verbesserten Möglichkeiten zum Eintritt ins Arbeitsleben genutzt, sondern ist bereits am 22.1.2010 wieder straffällig geworden und in der Folge am 16.11.2010zu einer auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von 6 Monaten verurteilt worden(Amtsgericht Saarbrücken, Urteil vom 16.11.2010, Bl. 97 Ausländerakte). Dem folgte ein besonders schwerer Diebstahl am 4.10.2011, der seine Verurteilung zu 10 Monaten Freiheitsstrafe nach sich zog. Die Vielzahl seiner kriminellen Tätigkeiten und Verurteilungen insgesamt, die seine fehlende Bereitschaft zur Achtung der Rechtsordnung dokumentieren, hat der Beklagte eindrucksvoll dargestellt. Dass der Kläger schon einmal einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre, ist nicht ersichtlich. Eine „Verwurzelung“ des Klägers in Deutschland ist daher weder in sozialer noch wirtschaftlicher Hinsicht erkennbar. Ein „faktischer Inländer“ ist er offensichtlich nicht.

Der Ausweisung steht auch nicht entgegen, dass derzeit – mangels Mitwirkung des Klägers, der an der Klärung seiner Staatsangehörigkeit offensichtlich nicht interessiert ist – noch nicht absehbar ist, welches sein „Herkunftsland“ ist bzw. ob er überhaupt Staatsangehöriger eines Landes ist und ob er abgeschoben werden könnte. Denn der der Bundesrepublik drohenden Beeinträchtigung ihrer Interessen durch fortwährende Straftaten des Klägers wird durch die Ausweisung jedenfalls insoweit entgegengewirkt, als die Verschlechterung des Aufenthaltsstatus bzw. bei freiwilliger Ausreise die der Rückkehr entgegenstehende Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG als Warnung dient und dem Kläger vor Augen führt, dass Verstöße gegen die Rechtsordnung aufenthaltsrechtlich nicht folgenlos bleiben.(GK AufenthG, II Vor §§ 53 ff. RN 429) Vor diesem Hintergrund unterliegt auch die festgesetzte Befristung der Wirkung der Ausweisung keinen durchgreifenden Bedenken.

Ein Anspruch auf Verlängerung seiner am 28.10.2009 erteilten und bis 27.10.2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis („§ 33 AufenthG“) steht dem Antragsteller - unabhängig von der erfolgten Ausweisung - offensichtlich nicht zu. Insofern ist festzustellen, dass die vorausgegangene, dem Kläger - als Kind im Sinne des § 33 AufenthG erteilte – und am 2.10.2006 gemäß § 34 Abs. 1 AufenthG verlängerte Aufenthaltserlaubnis bis 2.10.2008 gültig war. Einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis hat der Kläger, der am 19.10.2008 volljährig wurde, ausweislich der Akten nicht gestellt. Mit Eintritt der Volljährigkeit verwandelt sich die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis aber nur dann zu einem eigenständigen, vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht im Sinne des § 34 Abs. 2 AufenthG und lässt eine Verlängerung im Ermessensweg nach § 34 Abs. 3 AufenthG zu, wenn der Verlängerungsantrag rechtzeitig gestellt ist.(Vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 34 RN 18 f.) Da der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis erst am 24.9.2009 – also fast ein Jahr nach Ablauf des Aufenthaltstitels als Volljähriger - beantragt hat, waren die Voraussetzungen für die Verlängerung nach § 34 Abs. 3 AufenthG nicht mehr gegeben. Diese können auch nicht durch die ihm erteilte „Verlängerung“ „wiederaufleben“.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Nach allgemeinen Vorschriften kann, da kein Familiennachzug angestrebt wird, allenfalls die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden kann, in Betracht gezogen werden, nachdem der Kläger durch die Ablehnung seines Antrags vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist. Nach dieser Vorschrift muss die Ausreise des Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sein (Satz 1). Eine Aufenthaltserlaubnis darf jedoch nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Satz 3), wobei ein Verschulden insbesondere dann vorliegt, wenn er u.a. zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (Satz 4). Eine Ausreise des Klägers erscheint derzeit mit Blick darauf, dass seine Staatsangehörigkeit ungeklärt und damit ungewiss ist, in welches Land er zurückkehren müsste bzw. könnte, aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Allerdings ist der Kläger gemäß § 82 AufenthG zur Mitwirkung verpflichtet, insbesondere was die unverzügliche Beibringung der erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse anbelangt. Es ist dem Kläger zumutbar, Informationen von seiner in Deutschland lebenden Familie und ihnen bekannten Verwandten im Ausland über die Herkunft seiner direkten Vorfahren und deren Status im Herkunftsland zu beschaffen und dem Beklagten mitzuteilen. Da nach Aktenlage nicht ersichtlich ist, dass der Kläger sich bislang um die Aufklärung seiner Staatsangehörigkeit bemüht hätte, muss davon ausgegangen werden, dass er nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2,166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung im Beschwerdeverfahren bedarf es im Hinblick auf die einschlägige, eine Festgebühr ausweisende Kostenstelle Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz nicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.