Strafprozeßordnung - StPO | § 362 Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,

1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;
4.
wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird;
5.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.

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Historisches Urteil: Bundesverfassungsgericht kippt Gesetzesgrundlage für Wiederaufnahme von Strafverfahren gegen Freigesprochene

09.11.2023

Urteil des Bundesverfassungsgerichts: § 362 Nr. 5 StPO für nichtig erklärt Mit dem heute verkündeten Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO) mit dem Mehrfachverfolgungsverbot des Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und dem Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar und nichtig ist. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, im Jahr 1981 eine Schülerin vergewaltigt und getötet zu haben. Das Strafverfahren endete 1983 mit einem Freispruch. Im Februar 2022 wurde es wegen neuer Beweismittel wiederaufgenommen, gestützt auf den am 30. Dezember 2021 in Kraft getretenen § 362 Nr. 5 StPO. Das Gericht erklärt die Wiederaufnahme des Strafverfahrens als verfassungswidrig. Die Rechtsgrundlage, § 362 Nr. 5 StPO, verstößt gegen Art. 103 Abs. 3 GG und das Rückwirkungsverbot. Die Entscheidung erging einstimmig, mit einer Abweichung zur Frage der Abwägungsfestigkeit. Art. 103 Abs. 3 GG und Grundrechtschutz: Der Grundsatz ne bis in idem gewährt Freigesprochenen einen grundrechtsgleichen Schutz vor erneuter Strafverfolgung. Das Mehrfachverfolgungsverbot hat Vorrang vor materieller Gerechtigkeit. Art. 103 Abs. 3 GG ist abwägungsfest und schützt vor erneuter Strafverfolgung aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel. Die Regelung des § 362 Nr. 5 StPO verletzt dieses Verbot. Die Anwendung von § 362 Nr. 5 StPO auf rechtskräftige Freisprüche vor Inkrafttreten verstößt gegen das Rückwirkungsverbot. Dirk Streifler - Streifler&Kollegen   

Referenzen - Gesetze |

zitiert oder wird zitiert von 7 §§.

wird zitiert von 1 §§ in anderen Gesetzen.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 85 Wiederaufnahme des Verfahrens


(1) Für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftige Bußgeldentscheidung abgeschlossenen Verfahrens gelten die §§ 359 bis 373a der Strafprozeßordnung entsprechend, soweit die nachstehenden Vorschriften nichts anderes bestimmen. (2) Die Wiederauf
wird zitiert von 2 anderen §§ im .

Strafprozeßordnung - StPO | § 370 Entscheidung über die Begründetheit


(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des §

Strafprozeßordnung - StPO | § 390 Rechtsmittel des Privatklägers


(1) Dem Privatkläger stehen die Rechtsmittel zu, die in dem Verfahren auf erhobene öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft zustehen. Dasselbe gilt von dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in den Fällen des § 362. Die Vorschrift des § 301 ist
zitiert 4 andere §§ aus dem .

Strafprozeßordnung - StPO | § 7 Gerichtsstand des Tatortes


(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist. (2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz

Strafprozeßordnung - StPO | § 211 Wiederaufnahme nach Ablehnungsbeschluss


Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 8 Gerichtsstand des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes


(1) Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat. (2) Hat der Angeschuldigte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, so wird der Geric

Strafprozeßordnung - StPO | § 6 Prüfung der sachlichen Zuständigkeit


Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Referenzen - Urteile |

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Bundesverfassungsgericht Urteil, 31. Okt. 2023 - 2 BvR 900/22

bei uns veröffentlicht am 02.11.2023

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besagt, dass der neu eingeführte § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO) mit dem Mehrfachverfolgungsverbot und dem Rückwirkungsverbot des Grundgesetzes unvereinbar und daher nichtig ist. Di

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 07. Okt. 2014 - L 5 R 571/14

bei uns veröffentlicht am 07.10.2014

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Mai 2014 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen. II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorenthalte

Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 10. Aug. 2016 - 2 OLG 8 Ss 289/15

bei uns veröffentlicht am 10.08.2016

Tenor I. Die Revision der Angeklagten M. R. gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 03.07.2015 wird als unbegründet verworfen. II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dadurch den N

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 24. Jan. 2017 - 2 B 75/16

bei uns veröffentlicht am 24.01.2017

Gründe 1 Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist.

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 07. Mai 2009 - 1 Ws 100/09

bei uns veröffentlicht am 07.05.2009

Der Antrag wird als unzulässig verworfen. Gründe I. 1 Am 26. Dezember 2007, gegen 6:27 Uhr, kam es in einer ... Tankstelle in ... zu einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen, bei der Gegenstände in der Tankstelle beschädigt un

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Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.
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(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist. (2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz 1 zuständige...
(1) Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat. (2) Hat der Angeschuldigte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, so wird der Gerichtsstand auch...