Verkehrsstrafrecht: Aufhebung der Entziehung der Fahrerlaubnis
Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 20.11.2008 wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 07.11.2008 - 7 Gs 2291/08 - aufgehoben.
Der Führerschein sowie der Führerschein zur Fahrgastbeförderung sind an den Beschuldigten herauszugeben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Landeskasse.
Gründe:
Die Beschwerde ist gem. §§ 304, 305 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Derzeit sind entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und der Staatsanwaltschaft dringende Gründe für die Annahme, dem Beschuldigten werde gem. § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden, nicht vorhanden. Denn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis besteht kein dringender Verdacht der Gefährdung des Straßenverkehrs durch Fahruntüchtigkeit infolge körperlicher Mängel.
Voraussetzungen hierfür wären sowohl die Nachweisbarkeit der dem Beschuldigten angelasteten, auf Übermüdung beruhenden Fahruntüchtigkeit als auch deren Kausalität für die festgestellten Fahrfehler und die konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 c StGB.
Bereits der Nachweis der Übermüdung lässt sich vorliegend nicht mit ausreichender Sicherheit führen. Der bloße Rückschluss von Fahrfehlern auf eine Fahruntüchtigkeit ist nicht zulässig. Insoweit besteht immer die Möglichkeit, dass die Fahrfehler auf einer momentanen Unachtsamkeit, auf Ablenkung durch Nebenbeschäftigungen oder aber auf der bewussten Missachtung von Verkehrsvorschriften beruhen, etwa um schneller ans Ziel zu gelangen. Im letzteren Fall wäre ggf. der Katalog des § 315 c I Nr. 2 StGB zu prüfen, der bei den dem Beschuldigten hier angelasteten Verstößen jedoch nicht einschlägig ist.
Den möglichen weiteren Ursachen für Fahrfehler muss vorliegend umso mehr Bedeutung beigemessen werden, als der Beschuldigte selbst sein teilweises Fehlverhalten einräumte und damit begründete, dass er im Außenspiegel zu erkennen versucht habe, von was für einem Fahrzeug er „verfolgt“ werde. Diese Angabe wird schließlich auch durch die Aussagen der Zeugen H., Qu. und G. gestützt, die bestätigen, dass der Beschuldigte während der Fahrt gefragt habe, ob das wohl die Polizei sei, die hinter ihm herfahre. Entgegen den Ausführungen der Beschwerde ist auch nicht davon auszugehen, dass die Zeugen aufgrund ihrer Alkoholisierung in ihrer Wahrnehmung erheblich beeinträchtigt waren, da sie ausweislich ihrer insoweit übereinstimmenden Angaben wenig bis gar keinen Alkohol getrunken hatten.
Entgegen dieser alternativen Ursachen für Fahrfehler müsste demnach vorliegend der positive Nachweis erbracht werden, dass Übermüdung vorlag und für die Fahrfehler ursächlich war. Anhaltspunkte für eine Übermüdung und Fahruntüchtigkeit des Beschuldigten können nach der Aktenlage ausschließlich die Arbeitszeit des Beschuldigten sowie dessen gerötete Augen sein. Insbesondere kann anhand der durchgeführten Tests die hinzukommende Wirkung von Drogen oder Alkohol ausgeschlossen werden.
Hinsichtlich der Arbeitszeit lässt sich den Akten lediglich entnehmen, dass der Beschuldigte um 16.00 Uhr seinen Dienst antrat, zunächst sein Fahrzeug reinigte, um 18.30 Uhr seine erste Fahrt hatte und um 04.20 Uhr des nächsten Morgens angehalten wurde. Wie sich die Zeit zwischen 18.30 Uhr und 04.20 Uhr gestaltete, bleibt unklar und muss ggf. im Rahmen einer Hauptverhandlung aufgeklärt werden. Anhand der Auflistung der Fahrten, Bl. 59 d. A., die keine Uhrzeiten und teilweise nicht einmal Ortsangaben enthält, kann jedenfalls nicht die Einlassung des Beschuldigten widerlegt werden, er habe erhebliche Leerzeiten gehabt, in denen er sich habe ausruhen können. Ebenso unwiderlegt bleibt bislang die Angabe des Beschuldigten, er habe vor Dienstantritt bis etwa 15.30 Uhr geschlafen. Unter diesen Umständen (Etwa 10 Stunden Fahrdienst mit etlichen Pausen und ausreichend Schlaf im Vorfeld) kann von der Arbeitszeit nicht sicher genug auf eine zur Fahruntüchtigkeit führende Übermüdung geschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund vermag die Rötung der Augen allein keinen dringenden Verdacht einer Übermüdung zu begründen.
Da mithin bereits die Nachweisbarkeit der Fahruntüchtigkeit nicht gegeben ist, erübrigt sich die weitere Prüfung dahingehend, ob eine konkrete Gefährdung vorlag und auch auf einer Fahruntüchtigkeit beruhte.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 StPO.
Gesetze
Gesetze
Anwälte der Kanzlei die zu passenden Rechtsgebieten beraten
Artikel zu passenden Rechtsgebieten
(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.
(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.
(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche
- 1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen, - 2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen, - 3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen, - 4.
die Akteneinsicht betreffen oder - 5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.
Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.