Strafrecht: Keine Untreue ohne besondere Pflicht zur Vermögensbetreuung (§ 266 Abs. 1 StGB)



Der Angeklagte wurde vom Landgericht Kassel wegen Untreue in mehreren Fällen verurteilt, weil er für eine verbindliche Bestellung eines Wohnmobilkäufers bei seiner Gesellschaft Anzahlungen forderte bzw. entgegennahm und diese Anzahlungen nicht von anderen Firmengelder getrennt hielt. Die Gesellschaft war dadurch zum Teil nicht dazu in der Lage die Anzahlungen bei Scheitern des Kaufvertrags zurückzuzahlen.
Untreue braucht mehr als Kaufvertrag
Der BGH entschied jedoch: die Untreue gem. § 266 I StGB wird nur dann verwirklicht, wenn eine besonders herausgehobene und nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen des Geschädigten bestand. Diese Pflicht muss über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgehen.
Eine allgemeine schuldrechtliche Verpflichtung wie zum Beispiel aus einem Kaufvertrag mit Anzahlungsverpflichtung ist nicht ausreichend. Denkbar wäre eine Vermögensbetreuungspflicht seitens des Täters jedoch, wenn sich aus einer besonderen Vertragsgestaltung heraus Elemente der Geschäftsbesorgung ergeben.
Beispiel für besondere Vermögensbetreuungspflicht:
Ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, macht sich der Untreue strafbar, weil hier die Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto aus dem Anwaltsvertrag und der damit einhergehenden Pflicht die Vermögensinteressen des Mandanten wahrzunehmen, hergeleitet wird.
Keine hinreichende Grundlage für eine Vermögensbetreuungspflicht stellen demnach dar:
- allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen
- Kaufverträge ohne Elemente der Geschäftsbesorgung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 04.12.2018 entschieden:
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 4. Mai 2018 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II.10, II.12 und II.15 der Urteilsgründe wegen Untreue in drei Fällen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Betrugs in 18 Fällen, Untreue in fünf Fällen und veruntreuender Unterschlagung verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels, die durch den Adhäsionsantrag entstandenen besonderen Kosten sowie die dem Adhäsionskläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 18 Fällen, Untreue in acht Fällen und veruntreuender Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate dieser Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Angeklagten aus verfahrensökonomischen Gründen eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II.10, II.12 und II.15 der Urteilsgründe wegen Untreue in drei Fällen verurteilt worden ist. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen Untreue nicht. Das Landgericht hat die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht in allen drei Fällen aus der Forderung bzw. der Entgegennahme einer Anzahlung für eine verbindliche Bestellung eines Wohnmobilkäufers bei der Gesellschaft des Angeklagten und dessen unterlassener Trennung dieser Anzahlung von anderen Firmengeldern angenommen, da die vom Angeklagten vertretene Gesellschaft nicht jederzeit willens und in der Lage gewesen sei, die Anzahlung an die Besteller bei nicht Zustandekommen des Kaufvertrages zurückzuzahlen.
Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter gegenüber dem Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn sich hieraus Rücksicht- oder Sorgfaltspflichten ergeben . Kaufverträge begründen, wenn sie nicht aufgrund einer - hier nicht festgestellten - besonderen Vertragsgestaltung zugleich Elemente der Geschäftsbesorgung enthalten, keine Treuepflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.
Die Rechtsprechung, nach der sich ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, der Untreue strafbar macht , ist, da dort die Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto aus dem Anwaltsvertrag und der damit einhergehenden Pflicht die Vermögensinteressen des Mandanten wahrzunehmen hergeleitet wird , mit dem hier festgestellten Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages mit Anzahlungsverpflichtung nicht vergleichbar.
2. Im Übrigen hat die umfassende materiellrechtliche Prüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Gesamtstrafenausspruch bleibt vom Wegfall der Einzelstrafen für die Taten II.10, II.12 und II.15 der Urteilsgründe unberührt. Der Senat kann im Hinblick auf die verbleibenden 24 Einzelfreiheitsstrafen ausschließen, dass das Landgericht ohne die in den drei eingestellten Fällen verhängten Einzelstrafen eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte.
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(BM/ts)



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(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.