Verkehrsunfall – Was tun, wenn´s gekracht hat?

bei uns veröffentlicht am08.11.2017

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Autoren

Rechtsanwalt

Bernd Alexander

Verkehrsrecht
Zusammenfassung des Autors
Die Schadenregulierung nach einem Unfall ist zwischenzeitlich ein schwieriges Geschäft.

Um von Anfang an alles richtig zu machen, sollten Sie daher in Ihrem Fahrzeug ein Unfallbericht-Formular mitführen, indem alle wichtigen Unfalldaten festgehalten und von beiden Unfallbeteiligten unterzeichnet werden. Die Polizei sollte hinzugezogen werden, wenn größere Sachschäden und vor allem wenn Verletzte zu beklagen sind, auch wenn die Haftung klar erscheint.

Als Erstes sollten Sie sich professionelle Hilfe sichern: Der Sachverständige stellt Ihren Fahrzeugschaden fest; der Verkehrsanwalt reguliert Ihren Schaden mit der gegnerischen Versicherung. Die meisten Versicherungen werden Ihnen eine schnelle und problemlose Regulierung Ihres Schadens versprechen und sich als „Partner des Geschädigten“ darstellen. Aber Vorsicht: Damit will die Versicherung (in erster Linie) verhindern, dass Sie einen Anwalt und/oder einen Sachverständigen beauftragen, der das Beste für Sie herausholen will. Auch die Wahl der Reparaturwerkstatt möchte die Versicherung vorgeben. Vergessen Sie nie, dass die Versicherung nur ein Ziel hat: möglichst wenig zu zahlen!

Die Probleme rund um die Schadenregulierung sind mittlerweile umfangreich und kompliziert: Muss das Fahrzeug repariert werden, um Geld zu bekommen? Kann ohne Reparatur nach Gutachten abgerechnet werden? Darf die Versicherung Abzüge von den Reparaturkosten vornehmen? Was steht mir bei einem Totalschaden zu? Wie hoch dürfen die Kosten eines Mietwagens sein? Wann steht dem Verletzten Schmerzensgeld zu und in welcher Höhe? Steht dem Verletzten ein Anspruch aus Verdienstausfall und/oder Haushaltsführungsschaden zu?

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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.02.2015 - 9 O 108/14 - wird

zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagten leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers wegen angeblicher anwaltlicher Pflichtverletzung im Rahmen eines Beratungsvertrages zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Beklagten Ziff. 1 (im Folgenden: die Beklagte).
1. Der Kläger war im Jahr 2010 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg (im Folgenden: Land). Im November 2010 ließ der Kläger über den Deutschlandchef der ...-Bank M... S..., den mit ihm befreundeten Dr. N..., bei der Beklagten nachfragen, ob diese bereit sei, das Land bei einer Transaktion „mit E.../E... auf der anderen Seite“ zu beraten. Hintergrund war die seinerzeit vom Kläger geprüfte Übernahme von 45,01 % Aktien am börsennotierten Energieunternehmen E... B...-W... (E...) vom Stromkonzern É... d... F... S.A. (E...), die dieser über seine Tochtergesellschaft E... I... S. A. hielt. Der Beklagte Ziff. 2 (im Folgenden: der Beklagte) erklärte als verantwortlicher Partner der Beklagten am 25.11.2010 gegenüber Dr. N..., dass die Beklagte das Mandat übernehmen werde. Am 02.12.2010 wurden dann schriftliche Mandats- und Vergütungsvereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Land sowie der Ne... GmbH (im Folgenden: Ne...) geschlossen (vgl. Anl. K 3, Bl. 64 d. A. sowie die Anlage zum Protokoll vom 17.11.2016). Die Ne..., die das Land zu diesem Zweck übernommen hatte und deren Alleingesellschafterin das Land damals war und heute noch ist, sollte Erwerberin der Aktien sein. Als Geschäftsführer wurde der damalige Staatsminister R... bestimmt.
Bei einer Telefonkonferenz am 26.11.2010, an der der Kläger, der Beklagte, Dr. N... und der Chief Executive Officer (CEO entspricht dem Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft) H... P... der E... teilnahmen, wurde vereinbart, dass der Kläger der E... am 06.12.2012, 9.00 Uhr, ein Angebot für die Übernahme ihrer Aktien an der E... machen, welches nur unter dem Vorbehalt der Kabinettszustimmung stehen und im Übrigen unbedingt sein sollte. Eine bis 1 ½ Stunden später sollte er vom CEO P... die Annahme des Angebots erhalten, die sodann vom Kabinett des Landes bestätigt werden würde. Es war beabsichtigt, dass das Kabinett und das Board der E... parallel tagen.
Im Folgenden wurde die Beklagte wiederholt mit der Frage befasst, ob der Aktienkauf ohne vorherige Befassung des Landtages von Baden-Württemberg möglich sei. So hat etwa der Partner Prof. Dr. W... der Beklagten am 29.11.2010 zu dieser Frage ein „Memo“ (kurzes Gutachten) verfasst, in dem er darauf hingewiesen hat, dass nach Art. 81 der Landesverfassung (im Folgenden: LV) nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses der Finanzminister die Zustimmung bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben erteilen dürfe, wobei die Genehmigung des Landtags nachträglich einzuholen sei (vgl. Anl. CC 22, n. Bl. 259 d. A.; Kurzgutachten II.). Wegen vorhandener Bedenken, dass in der Zeit bis zur Zustimmung des Landtags für das Aktienpaket ein besseres Angebot eines Dritten eingehen und deshalb das ganze Vorhaben scheitern könnte, suchten die Beklagten noch am 29.11.2010 nach alternativen Lösungen (vgl. Anl. CC 29, 30, 32, 33, 34, 35).
Im Staatsministerium wurde von Haushaltsreferent Dr. W... am 30.11.2010 für den Kläger unter der ihm vorgegebenen Prämisse eines fiktiven Erwerbes von Anteilen an der D... AG durch das Land eine Stellungnahme zu den rechtlichen Voraussetzungen hierfür erstellt (sog. „W...“- oder „D...“-Vermerk vgl. Anl. CC 68, Bl. 489 d. A.). Dr. N... leitete den Vermerk an die Beklagte mit dem Hinweis „Wir haben die Lösung“ weiter und fragte an, ob sie eine „Legal Opinion“ erstellen könne (Anl. CC 36, Bl. 273 d. A.). Wegen des weiteren Austausches von Informationen unter den Beteiligten per E-Mail zuvor und nachfolgend wird auf den unstreitigen Tatbestand des Urteils des Landgerichts, dort S. 3 - 6, verwiesen.
Am 05.12.2010 zwischen 23 und 24 Uhr wurde der seinerzeitige Finanzminister S... des Landes vom geplanten Kauf der Anteile an der E... im Beisein des Beklagten in Kenntnis gesetzt. Ersterer unterzeichnete unter dem Datum 6.12.2010 die Zustimmungserklärung gemäß Art. 81 LV. Am 06.12.2010 informierte der Kläger zunächst den Fraktionsvorsitzenden der FDP Dr. R... und Wirtschaftsminister P... sowie um 9.00 Uhr auch das Kabinett, jeweils im Beisein des Beklagten. Das Kabinett stimmte sodann dem Erwerb der Anteile zu. Der Aktienkaufvertrag zwischen der E... bzw. deren Tochtergesellschaft E... I...l S. A. und der Ne... wurde am selben Tag unterzeichnet (vgl. Anl. K 7, Bl. 78 d. A.). Das Land übernahm eine Garantie für die Verpflichtungen aus diesem Kaufvertrag. Nach Genehmigung durch die Kartellbehörde wurde der Kauf der Anteile vollzogen.
Auf Betreiben der seinerzeit oppositionellen Fraktionen B... 9x/D... G... und S... im Landtag von Baden-Württemberg wurde im Jahr 2011 ein Organstreitverfahren gegen den Finanzminister und die Landesregierung vor dem Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg durchgeführt. Dieser stellte durch Urteil vom 06.10.2011 (Anl. K 4, Bl. 65 d. A.) unter anderem fest, dass die Landesregierung das Recht des Landtags aus Art. 79 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 LV (Budgetrecht des Landtags) verletzt hat, indem sie es unterlassen hat, für die im Aktienkaufvertrag zwischen E... und Ne... vom 06.12.2010 enthaltene Garantieübernahme des Landes die vorherige Ermächtigung des Landtages einzuholen. Auf das Notbewilligungsrecht gemäß Art. 81 LV habe sich die Regierung nicht stützen können, da es jedenfalls an der zeitlichen Dringlichkeitskomponente der Unabweisbarkeit, die von der LV zwingend gefordert werde, fehle (Seite 18 des Urteils unter 2.).
Am 03.07.2012 wurde durch die Staatsanwaltschaft S... ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen den Kläger eingeleitet (Anl. K 10, Bl. 71 d. A.), das am 29.10.2014 gemäß nach § 170 Abs. 2 StPO (Ermittlungen bieten keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage) wieder eingestellt wurde (vgl. Einstellungsverfügung BK 1, Bl. 642 d. A.). Des Weiteren befasste sich ein Ermittlungsausschuss des Landtages mit den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Erwerb der E...-Aktien.
Nach Verlust des Amtes des Ministerpräsidenten (Mai 2011) und der Niederlegung seines Landtagsmandates (August 2011) war der Kläger für das Pharmaunternehmen M... KGaA, D..., tätig. Das Dienstverhältnis wurde im November 2011 wieder beendet, wobei streitig ist, inwiefern insbesondere das Urteil des Staatsgerichtshofs hierfür ausschlaggebend war.
10 
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, er sei von den Beklagten, insbesondere dem Beklagten, falsch beraten worden. Letzterer habe nicht hinreichend über die Risiken im Zusammenhang mit dem Weg über das Notbewilligungsrecht gemäß Art. 81 LV belehrt. Er habe insbesondere auch gegenüber Finanzminister S... am Abend des 05.12.2010 und gegenüber dem Kabinett am Morgen des 06.12.2010 wahrheitswidrig behauptet, dass rechtliche Risiken nicht bestünden. Die Beklagten hätten auch die Frage, ob eine Gefahr durch weitere Bieter bestanden habe, die letztlich zur Annahme einer Dringlichkeit des Kaufes geführt habe, aufklären müssen. Des Weiteren hätten sie einen Hinweis auf die §§ 7, 65 LHO (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans bzw. Voraussetzungen für die Beteiligung an privat-rechtlichen Unternehmen) erteilen und die Wertermittlung prüfen müssen. Auch hätten sie nicht berücksichtigt, dass ein an die E... gezahlter überhöhter Kaufpreis europarechtlich eine verbotene Beihilfe darstellen könnte.
11 
Durch die falsche Beratung sei ihm ein Schaden entstanden, der sich noch in der Entwicklung befinde, weshalb eine Feststellungsklage zulässig sei. Insbesondere seien Prozesskosten für die Verteidigung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entstanden und es sei auch zu Vermögenseinbußen durch die Beendigung des Dienstverhältnisses bei der M... KGaA gekommen.
12 
Die Beklagten hafteten nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Das Merkmal der Leistungsnähe liege vor. Er sei mit der Leistung der Beklagten aus dem mit dem Land geschlossenen Anwalts- und Beratungsvertrag bestimmungsgemäß in Berührung gekommen und sei der Gefahr von Pflichtverletzungen in gleicher Weise ausgesetzt gewesen wie das Land. Eine mangelhafte Beratung sei nicht nur geeignet gewesen, die Vermögensinteressen des Landes zu beeinträchtigen, sondern als Reflex zugleich und direkt auch seine eigenen.
13 
Ein Einbeziehungsinteresse des Landes ergebe sich aus dessen Fürsorgepflicht, welche sich aus dem Amtsverhältnis nach § 1 Ministergesetz Baden-Württemberg (im Folgenden: MinG) ableite. Darüber hinaus bestünde Drittschutz, weil sich nach Auslegung des Vertrages ergebe, dass er aufgrund eines besonderen Interesses in den vertraglichen Schutz einbezogen werden sollte. Er sei vom Rechtsrat des Beklagten abhängig gewesen. Es sei um eine umfassende Rückendeckung für den politisch und damit auch rechtlich verantwortlichen Ministerpräsidenten gegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stünden selbst gegenläufige Interessen zwischen Drittem und Gläubiger einem Drittschutz nicht entgegen. Gerade in Gutachterfällen habe die Rechtsprechung eine Erstreckung des Drittschutzes angenommen. Ferner sei der Drittschutz auch erkennbarer Vertragszweck gewesen. Ein Rechtsberatervertrag könne Schutzwirkung zu anderen Personen mit enger Beziehung zum Mandanten entfalten. Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse seien für die Beklagten auch erkennbar gewesen. Den Beklagten sei durchgehend gegenwärtig gewesen, dass letztlich der Ministerpräsident selbst in seinen Rechten bis hin zur persönlichen Haftung berührt werde, wenn sie anwaltliche Pflichten verletzten. Den Beklagten würden durch seine Einbeziehung in den Schutzbereich des geschlossenen Anwaltsvertrages auch keine Pflichten aufgebürdet, die über das hinausgingen, was sie von vornherein hätten überschauen können. Schließlich sei er auch schutzbedürftig. Er habe einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch weder gegen die Beklagte noch gegen einen anderen Gläubiger.
14 
Hätten die Beklagten sowohl ihn als auch Finanzminister S... oder das Kabinett hinreichend über die Risiken des Aktienkaufes ohne vorherige Zustimmung des Landtages nach Art. 81 LV belehrt, hätten diese dem Vorgehen nicht zugestimmt.
15 
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:
16 
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle Schäden zu ersetzen, die der Kläger durch die Verletzung des Beratungsvertrages zwischen der Beklagten zu 1 und dem Land Baden-Württemberg betreffend den Erwerb des E...-Aktien-Pakets vom Unternehmen É... dx F... SA (E...) erlitten hat und zwar insbesondere durch die mangelhafte Beratung in der Frage der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer vorherigen Beteiligung des Landtages von Baden-Württemberg sowie in der Frage der rechtlichen Anforderungen an die pflichtgemäße Prüfung und Bewertung des Kaufgegenstandes.
17 
Die Beklagten haben in erster Instanz beantragt:
18 
Klagabweisung.
19 
Die Beklagten haben in erster Instanz vorgetragen,
die Feststellungsklage sei unzulässig, da der Kläger nicht substantiiert vorgetragen habe, einen Schaden erlitten zu haben.
20 
Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien nicht anzuwenden. Das Merkmal der Leistungsnähe liege nicht vor. Der Kläger sei den Gefahren der Pflichtverletzung nicht in gleichem Maße ausgesetzt gewesen wie das Land als Gläubiger und sei nicht bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung gekommen. Der Kläger sei nur mittelbar betroffen, was für eine Einbeziehung nicht ausreiche. Das Merkmal der Gläubigernähe liege ebenfalls nicht vor. Ein Anwaltsvertrag könne wegen drohender Interessenkollision nur im Ausnahmefall drittschützend sein. So habe ein Gutachtervertrag einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einer Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Schutzwirkung für den Antragsteller als Dritten, wenn das Gutachten nicht Grundlage für Vermögensdispositionen des Antragstellers, sondern allein für das behördliche Vorgehen sein solle.
21 
Für sie sei eine Leistungsnähe des Klägers wie ein Interesse des Landes an seiner Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages nicht erkennbar gewesen. Zudem ergebe sich aus Ziff. 4.1. der Mandats- und Vergütungsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Ne... (Anl. K 3, Bl. 64 d. A.), wonach schriftliche Stellungnahmen und Gutachten ausschließlich für die Mandantin bestimmt seien, dass die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von den Parteien ausgeschlossen werden sollte. Eine Beratung über die Problematik der Parlamentsbeteiligung hinaus sei nicht in Auftrag gegeben worden und nicht geschuldet gewesen. Soweit Dr. N... von der Beklagten beraten worden sei, habe sich der Kläger dessen Wissen nach den Grundsätzen des „Wissensvertreters“ zurechnen zu lassen. Ein Auftrag, den Finanzminister oder das Kabinett über die Risiken des Weges über das Notbewilligungsrecht nach Art. 81 LV zu belehren, sei nie erteilt worden. Der Beklagte habe nur den Auftrag erhalten, dem Finanzminister und dem Kabinett den Weg über die Notbewilligung zu erläutern, soweit erforderlich.
22 
Am 30.11.2010 habe der Beklagte in einem Telefongespräch von Dr. N... einen neuen Prüfauftrag erhalten. Zu prüfen sei nunmehr gewesen, ob die Notbewilligung wenigstens irgendwie vertretbar sei. Der Kläger sei nach Mitteilung von Dr. N... eher bereit gewesen, verfassungsrechtliche Risiken zu übernehmen, als den Deal scheitern zu lassen. Um 11.00 Uhr habe der Beklagte den Staatsminister R... getroffen, welcher erklärt habe, es werde der Weg über die Notbewilligung gewählt, wenn dieser rechtlich vertretbar wäre. Der Beklagte habe dem Staatsminister R... mitgeteilt, dass die Beklagte beauftragt worden sei, noch einen Weg ohne Parlamentsbeteiligung zu prüfen. Die Entscheidung über den Kauf der E...-Anteile und das weitere Vorgehen sei bereits am 30.11.2010 getroffen worden. Das Verfahren über Art. 81 LV wäre auch bei einer Beratung, die die vom Kläger gerügten Punkte beinhaltete, gewählt worden. Das Kabinett und der Finanzminister hätten keine andere Entscheidung getroffen.
23 
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts sowie die im ersten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
24 
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Sie sei zwar zulässig, da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die behauptete Verletzungshandlung der Beklagten zurückzuführenden Schadenseintritts vorgetragen worden sei. Selbst wenn Beratungs- und Aufklärungspflichten aus dem zwischen dem Land und der Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrag verletzt worden sein sollten, führe dies nicht zu einer Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Es fehle bereits am ersten Merkmal, der sog. Leistungsnähe. Die Beratungstätigkeit der Beklagten für das Land sollte nach dem Inhalt des Rechtsanwaltsvertrages nicht dem Interesse des Klägers dienen. Er sei mit der Hauptleistung der Beklagten nicht bestimmungsgemäß in hinreichendem Maß in Berührung gekommen. Es fehle an einem spezifischen Risikozusammenhang zwischen der vertraglichen Tätigkeit der Beklagten und der Gefährdung seiner Interessen. Es sei darauf abzustellen, welchen Risiken er bei Vertragsschluss aus ex ante Sicht durch die vertragliche Leistung der Beklagten ausgesetzt gewesen sei. So drohe dem Kläger im Falle einer Falschberatung keine persönliche Haftung. Sowohl eine Anklage nach Art. 57 LV durch den Landtag als auch eine persönliche Haftung des Klägers nach § 48 Beamtenstatusgesetz (im Folgenden: BeamtStG) setze Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sich aus rechtlicher Sicht gegenüber dem Land auf die Richtigkeit einer rechtsanwaltlichen Beratung verlassen dürfe, die im Auftrag des Landes erfolge. Auch der Umstand, dass gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eröffnet worden sei, begründe keine Leistungsnähe, da diese Gefahr nicht unmittelbar und hinreichend eng mit der Beratungsleistung der Beklagten verknüpft sei. Schließlich führe auch das Interesse des Klägers, politische Risiken zu vermeiden, nicht zu seiner Einbeziehung in den Vertrag.
25 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts verwiesen.
26 
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 02.03.2015 (n. Bl. 570 d. A.) zugestellte Urteil am 24.03.2015 (Bl. 600 d. A.) beim Oberlandesgericht Stuttgart Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02.06.2015 (Bl. 615 d. A.) - am 02.06.2015 dort eingegangen (Bl. 616 d. A.).
27 
3. Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor,
das Landgericht habe im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter das Merkmal der Leistungsnähe zu Unrecht verneint.
28 
Mit den Beratungsleistungen der Beklagten komme niemand intensiver in Kontakt als er. Er sei in gleicher Weise wie das Land den Gefahren von Pflichtverletzungen ausgesetzt. Dies sei für die Beklagten auch erkennbar gewesen. Im Übrigen hafte er für einen zu hohen Kaufpreis für die Aktien möglicherweise auf Schadensersatz. Eine Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setze nicht voraus, dass die Schäden der Beteiligten identisch seien. Es gehe vorliegend nicht um Leistungs-, sondern um Schutzpflichten. Für das Merkmal der Leistungsnähe sei auch nicht erforderlich, dass die Rechtslage durch die Beratungsleistung für ihn mitgestaltet werden sollte. Zudem liege eine Mitgestaltung wegen der Folgen seines Handelns auch für ihn vor. Sein rechtlich geschütztes Interesse liege darin, rechtmäßig zu handeln. Auch er sei den Gefahren einer Schutzpflichtverletzung ausgesetzt im Falle einer Inanspruchnahme durch das Land. Des Weiteren habe auch die Gefahr eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn bei einer falschen Beratung bestanden.
29 
Schließlich habe das Landgericht seinem Urteil Feststellungen zu Grunde gelegt, die im Sachvortrag der Parteien keine Grundlage hätten. So werde im Urteil auf S. 21 die Leistungsnähe mit dem Argument verneint, dass er und seine Vermögensinteressen mit den vertraglichen Pflichten der Beklagten nicht bestimmungsgemäß in Berührung gekommen seien, weil der Anwaltsvertrag zwischen dem Land und der Beklagten nach dem hypothetischen und tatsächlichen Willen der Vertragsparteien nicht auch seinem Schutz habe dienen sollen. Feststellungen zum tatsächlichen Willen der Vertragsparteien bei Abschluss des Beratungsvertrages habe das Erstgericht indes nicht getroffen. Hierzu habe auch keine der beiden Parteien vorgetragen, weshalb die Tatsachen auch nicht dem Urteil zu Grunde gelegt werden dürften. Dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sei gerade das Fehlen eines tatsächlichen Willens hinsichtlich der Frage der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich inhärent.
30 
Der Kläger beantragt:
31 
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2015, Az.: 9 O 108/14, wird aufgehoben.
32 
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle Schäden zu ersetzen, die der Kläger durch die Verletzung des Beratungsvertrages zwischen der Beklagten zu 1 und dem Land Baden-Württemberg betreffend den Erwerb des E...-Aktien-Pakets vom Unternehmen É... dx F... SA (E...) erlitten hat, und zwar insbesondere durch die mangelhafte Beratung in der Frage der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer vorherigen Beteiligung des Landtags von Baden-Württemberg sowie in der Frage der rechtlichen Anforderungen an die pflichtgemäße Prüfung und Bewertung des Kaufgegenstandes.
33 
Die Beklagten beantragen,
34 
die Berufung zurückzuweisen.
35 
Die Beklagten tragen vor,
das Urteil des Landgerichts sei richtig. Aus der Mandatsvereinbarung mit dem Land und der Ne... sollten nur den Vertragspartnern Leistungen zugutekommen. Im Übrigen fehle es nicht nur am Merkmal der sog. Leistungsnähe, sondern auch an den weiteren Merkmalen der Gläubigernähe, der Schutzbedürftigkeit des Klägers und der Erkennbarkeit derselben. Es gehe vorliegend auch nicht um die Verletzung von Schutzpflichten, wie der Kläger meine, sondern um die Verletzung von Hauptpflichten. Der Sachverhalt sei daher nicht mit dem sog. „Bananenfall“ vergleichbar, bei dem das die Mutter bei einem beabsichtigten Einkauf begleitende Kind durch einen Sturz zu Schaden komme. Es fehle vorliegend bereits an der Leistungsnähe, da der behauptete Schaden nicht unmittelbar durch die Beratung bedingt sei. Es habe sich nicht das Risiko verwirklicht, das sich typischerweise als Ergebnis der Rechtsberatung ergebe. Es liege auch keine Fallkonstellation mit personen- oder gesellschaftsrechtlichem Einschlag vor, auch kein mit der Prospekthaftung oder der Erstellung von Gutachten und Testaten vergleichbarer Fall. Die Rechtsprechung, die zu Steuerberaterfällen ergangen sei, könne ebenfalls nicht auf den hiesigen Fall übertragen werden, in dem es um ein Mandat zwischen einem Rechtsanwalt und einem Mandanten gehe. Der Rechtsanwaltsvertrag begründe ein umfassendes Vertrauensverhältnis. Im Steuerberatervertrag gehe es nur um die Vermögensbetreuung. Des Weiteren sei auch das Merkmal der Gläubigernähe, also der Erkennbarkeit des Einbeziehungsinteresses nicht gegeben. Das Land habe kein Interesse an der Einbeziehung des Klägers gehabt. Ein solches sei jedenfalls nach Inhalt und Zweck des Vertrages nicht erkennbar gewesen. Das Land habe ebenso auch kein Interesse am Schutz der politischen Karriere des Klägers gehabt. Es könne auch nicht der Kreis der geschützten Personen, zu dem neben dem Kläger dann auch das Kabinett gehört hätte, ausgeweitet werden. Schließlich müsse nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch das Haftungsrisiko für den Schuldner kalkulierbar sein. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass den Parteien kein Wille unterstellt werden könne, bei vorsätzlichen Dienstvergehen oder sogar Straftaten den Ministerpräsidenten in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen. Die Auslegung des Klägers würde bedeuten, dass die Parteien bereit gewesen wären, einen Vertrag zu schließen, in dem sich das Land einen Vorteil zugunsten seines Ministerpräsidenten und anderer Kabinettsmitglieder zusichern lasse, worin eine unzulässige Vorteilsannahme bzw. eine Vorteilsgewährung zu sehen sei. Eine Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse sei jedenfalls nicht festzustellen. Der Anwaltsvertrag begründe auch nur ausnahmsweise eine drittschützende Wirkung. Die Vermögensinteressen des Dritten müssten für den Anwalt erkennbar tangiert werden, etwa dass der Dritte Vermögensdispositionen treffen werde. Wenn dem Kläger Schäden als Privatperson vorliegend drohen würden, hinge dies von vielen Faktoren ab, die für sie nicht erkennbar gewesen seien. Im Übrigen habe der Kläger keine Vermögensdispositionen im Vertrauen auf die Rechtsberatung getroffen. Schließlich sei er auch nicht schutzwürdig, da ihm nach § 98 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg ein Anspruch auf die Erstattung von Rechtsverteidigungskosten zustehen dürfte. Hinzu komme ein nach § 24 Untersuchungsausschussgesetz Baden-Württemberg gesetzlich normierter Erstattungsanspruch bezüglich der Rechtsanwaltskosten in Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss. Selbst wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorlägen, würde ein Anspruch an den allgemeinen Voraussetzungen der Anwaltshaftung scheitern. Es fehle an einer Pflichtverletzung sowie an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Insbesondere greife auch nicht der Anscheinsbeweis beratungsgerechten Verhaltens zugunsten des Klägers, da er ohnehin den Weg über das Notbewilligungsrecht nach Art. 81 LV gegangen wäre. Sie hätten diesen Weg nicht empfohlen, sondern im Gegenteil auf das Erfordernis einer Zustimmung des Parlaments hingewiesen. Ihnen sei der Sachverhalt vorgespiegelt worden, dass mit einem dritten Käufer („Russe kommt“) zu rechnen sei. Der Kläger hätte selbst genug Problembewusstsein hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen gehabt, wie insbesondere der sog. „W...-Vermerk“ zeige. Nicht ihre Beratung, sondern der mangelnde Rückhalt in seiner Partei habe seine Karriere beendet. Im Übrigen hätte die Beklagte keinen weitergehenden Prüfungsauftrag innerhalb des Mandats bezüglich haushaltsrechtlicher Beratungen gehabt. Hinsichtlich des Kaufpreises hätte die M...-S...-Bank eine Prüfung durchführen müssen. Schließlich sei auch kein Verfahrensfehler des Landgerichts bei der Feststellung des Sachverhaltes zu erkennen. Gerade weil ein tatsächlicher Wille nicht artikuliert worden sei, sonst bestünde kein Problem bei der Bestimmung der Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, habe das Landgericht diese Voraussetzungen rechtlich geprüft. Im Übrigen sei bereits im Vertrag mit dem Land und der Ne... eindeutig formuliert worden, dass die anwaltliche Leistung ausschließlich für die Mandantin bestimmt sei.
36 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
37 
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts ist richtig.
38 
A. Zulässigkeit der Feststellungsklage
39 
Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zulässig. Dies wird im Berufungsverfahren auch nicht mehr infrage gestellt.
40 
B. Begründetheit der Klage
41 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagten haften nicht nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
42 
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte gemäß §§ 675, 611, 280, 31 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gem. § 328 BGB analog zu.
43 
a. Vertrag zwischen Land und Beklagter
44 
Zwischen Land und Beklagter - auf eine Einbeziehung in den Vertrag zwischen Ne...i und der Beklagten hat der Kläger in seiner Klage nicht abgehoben - wurde unstreitig ein Beratungsvertrag hinsichtlich des geplanten und später umgesetzten Kaufes von 45,01 % E...-Aktien aus dem Bestand der E... geschlossen. Ein solcher Vertrag stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter gemäß §§ 675, 611 BGB dar. Die Beklagte als Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung ist gemäß § 7 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 124 HGB ein selbständiges Rechtssubjekt und Träger des Partnerschaftsvermögens. Sie stellt eine rechts- und parteifähige Gesamthandsgemeinschaft dar (vgl. Seibert/Kilian, PartGG, 1. Aufl., § 7 PartGG Rn. 4). Die Vertretung der Partnerschaft erfolgt entsprechend dem Recht der OHG (§ 7 Abs. 3 PartGG). Hiernach sind die Partner grundsätzlich einzelvertretungsberechtigt (§ 125 Abs. 1 HGB). Diese Befugnis erstreckt sich gemäß § 126 Abs. 1 HGB auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen (vgl. Seibert/Kilian, a.a.O., § 7 PartGG Rn. 5). Die Vertretungsmacht des Klägers für das Land folgt aus Art. 50 LV; dieser hat den damaligen Staatsminister zum Vertragsschluss ermächtigt.
45 
Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 BGB). In entsprechender Anwendung von § 31 BGB haftet die Partnerschaft für das Handeln ihrer Partner.
46 
Nachdem der Anwaltsvertrag zwischen Land und Beklagter geschlossen wurde, kann regelmäßig auch nur in diesem Verhältnis ein vertraglicher Schadensersatzanspruch infrage kommen. Nur ausnahmsweise wird ein Dritter in den Schutzbereich des Vertrages aufgenommen. Ein solche Ausnahme ist hier nicht gegeben.
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b. Einbeziehung des Klägers/Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
48 
a.a. Voraussetzungen: ergänzende, trotzdem restriktive Vertragsauslegung
49 
(1) Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB), bei dem ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herausgebildet, bei dem der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die Sorgfalts- und Obhutspflichten sowohl im vorvertraglichen Stadium wie auch bezüglich vertraglicher Schutz- oder Hauptleistungspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann (vgl. nur BGH NJW 2012, 3165 Rn. 13 m.w.N.).
50 
Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte waren Fallgestaltungen, in denen einem Vertragspartner gegenüber Dritten eine gesteigerte Fürsorgepflicht oblag, ihm gleichsam deren „Wohl und Wehe“ anvertraut war. Schon das Reichsgericht hat in solchen Fällen bspw. Familienangehörigen und Hausangestellten des Mieters, die durch ein Verschulden eines vom Vermieter mit einer Reparatur am Haus beauftragten Handwerkers Schaden erlitten hatten, im Rahmen dieses Werkvertrages einen vertraglichen Schadensersatzanspruch zuerkannt. Der Kreis der in den Schutzbereich des Vertrages einbezogenen Dritten wird nach dieser Rechtsprechung danach bestimmt, ob sich vertragliche Schutzpflichten des Schuldners nach Inhalt und Zweck des Vertrages nicht nur auf den Vertragspartner beschränken, sondern, für den Schuldner erkennbar, ebenso solche Dritte einschließen, denen der Gläubiger seinerseits Schutz und Fürsorge schuldet. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen Gläubiger und Drittem eine Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag - ein familienrechtliches, arbeitsrechtliches oder mietvertragliches Verhältnis - besteht (vgl. nur BGH NJW 2014, 2345 Rn. 10 u. BGH NJW 2001, 3115 juris-Rn. 16). Dieses Innenverhältnis zwischen Gläubiger und Dritten führt zur Einbeziehung in die Schutzwirkung des Vertrages, nicht das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Voraussetzung ist allerdings ferner, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der vom Schuldner zu erbringenden Leistung in Berührung kommt und ihn Verletzungen von Schutzpflichten durch den Schuldner ebenso treffen können wie den Gläubiger selbst (BGH NJW 2001, 3115 juris-Rn. 16 m.w.N.). In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung sind in die Schutzwirkung eines Vertrages im Wege ergänzender Vertragsauslegung auch Dritte einbezogen worden, wenn der Gläubiger an deren Schutz ein besonderes Interesse hat und wenn Inhalt und Zweck des Vertrages erkennen lassen, dass diesem Interesse Rechnung getragen werden soll, und die Parteien den Willen hatten, zugunsten dieser Dritten eine Schutzpflicht des Schuldners zu begründen (BGH NJW 2001, 3115 juris-Rn. 17, BGH NJW 2006, 830 Rn. 52 u. BGH NJW 2014, 2345 Rn. 11 m.w.N.). Der Kreis der in den Vertrag einbezogenen Dritten ist unter Beachtung einer sachgerechten Abwägung der Interessen der Beteiligten dahin zu begrenzen, dass der Dritte mit der Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (vgl. nur BGH NJW 2008, 2245 Rn. 27, BGH WM 2011, 2335 Rn. 6 und BGH WM 2013, 802 Rn. 25 je m.w.N.).
51 
Das durch die Rechtsprechung entwickelte Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB; vgl. BGH NJW 2004, 3035 juris-Rn. 12 u. BGH NJW 2014, 2345 Rn. 9). Ob insoweit ein rechtsgeschäftlicher Wille zur Einbeziehung besteht, hat der Tatrichter nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln (BGH NJW 2014, 2345 Rn. 9 m.w.N.).
52 
(2) Gerade der Anwaltsvertrag erlaubt von seinem Wesen und seiner Struktur her aber nur in seltenen Fällen eine unmittelbar schadensersatzauslösende Einbeziehung Dritter in die aus dem Vertrag entstehenden Pflichten (BGH NJW 1977, 2073, juris-Rn. 17), denn er ist auf dem Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt aufgebaut und daher vom Inhalt her streng zweiseitig ohne Außenwirkung angelegt. Interessen Dritter am Ergebnis der anwaltlichen Tätigkeit können daher im Allgemeinen nicht zu einer Haftungserweiterung des Rechtsanwalts führen, selbst wenn diese Personen dem Rechtsanwalt benannt oder gar bekannt sind (BGH NJW 1977, 2073, juris-Rn. 17). Es darf also nur in Ausnahmefällen die Haftung des Vertragsschuldners gegenüber dem Vertragsgläubiger um eine Haftung gegenüber einem Dritten erweitert werden (vgl. auch G. Fischer in: G.Fischer/Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 10 Rn. 11; im Folgenden: Fischer/Bearbeiter). Ist die Wahrung eines Drittinteresses von den Vertragspartnern nicht zum Gegenstand des Vertrages gemacht worden, sind Nachteile eines Dritten, die durch den Vertragsschuldner in Zusammenhang mit seiner Vertragsleistung ausgelöst werden, grundsätzlich „reine Reflexwirkung“, die keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch begründen (BGH NJW 1977, 2073 juris-Rn. 17, 2074; Fischer/D. Fischer, a.a.O., Rn. 6). Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte darf nämlich nicht die Grenzen zwischen Vertrags- und Deliktshaftung aufheben und zu einer uferlosen deliktischen Generalklausel werden (vgl. BGH NJW 2004, 3630 juris-Rn. 20 u. Fischer/D. Fischer, a.a.O., § 10 Rn. 6 m.w.N.). Bei Vermögensschäden ist eine Beschränkung auf eng begrenzte Fälle geboten (BGH NJW 2008, 2245 Rn. 27 m.w.N.).
53 
b.b. Keine ausreichende „Leistungsnähe“ des Klägers
54 
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer ausreichenden „Leistungsnähe“ des Klägers.
55 
Es ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob der zwischen Land und Beklagter geschlossene Anwaltsvertrag einen solch „seltenen Fall“ darstellt (BGH NJW 1977, 2073 juris-Rn. 17), in dem dem Kläger ein unmittelbarer Schadenersatzanspruch - im Wesentlichen wegen der Verletzung von Hauptleistungspflichten - zustehen kann. Der Kläger wirft der Beklagten in der Sache die Verletzung derartiger Hauptleistungspflichten vor. Er sei insbesondere „in der Frage der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer vorherigen Beteiligung des Landtages von Baden-Württemberg sowie in der Frage der rechtlichen Anforderungen an die pflichtgemäße Prüfung und Bewertung des Kaufgegenstandes“ mangelhaft beraten worden (Klagantrag Ziff. 2). Seinen Anspruch sieht er allerdings wegen der Verletzung von Schutzpflichten als begründet an (vgl. zuletzt etwa Schriftsatz vom 17.11.2015, S. 12).
56 
(1) Ob ein rechtsgeschäftlicher Wille zur Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages besteht, hat - wie bereits oben ausgeführt - der Tatrichter nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln (vgl. nur BGH NJW 2004, 3035 juris-Rn. 13 u. BGH NJW 2014, 2345 juris-Rn. 9 je m.w.N.). So kann eine abschließende vertragliche Regelung bereits der Annahme einer Vertragslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden soll, entgegenstehen. Insbesondere können die Parteien wirksam vereinbaren, dass ein Dritter in den Schutzbereich aufgenommen oder - selbst wenn einer von ihnen der Schutz eines Dritten anvertraut ist - gerade nicht eingeschlossen sein soll (vgl. BGH NJW 2012, 3165 Rn. 15 u. 16 u. Fischer/D. Fischer, a.a.O., § 10 Rn. 66 m.w.N.).
57 
Die Auslegung richtet sich nach den §§ 133, 157 BGB.
58 
Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Die §§ 133, 157 BGB gelten sowohl für die Auslegung von Verträgen als auch für die von einseitigen Rechtsgeschäften und einzelnen Willenserklärungen. Der Anwendungsbereich beider Vorschriften deckt sich. Sie sind bei der Auslegung nebeneinander heranzuziehen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 157 BGB Rn. 1 m.w.N.).
59 
Dabei sind sowohl der Wortlaut der Erklärung als auch die Begleitumstände, vor allem die Entstehungsgeschichte, die Äußerungen der Parteien und deren Interessenlagen zu berücksichtigen sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck. Geboten ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung; im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Parteien gerecht werdenden Ereignis führt, das mit den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs im Einklang steht (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 133 BGB Rn. 14-20 m.w.N.).
60 
Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nur möglich, wenn eine Regelungslücke, das heißt eine planwidrige Unvollständigkeit gegeben ist. Sie ist gegeben, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 BGB Rn. 3 m.w.N.). Die ergänzende Vertragsauslegung hat dann den Zweck, Lücken der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 BGB Rn. 2 m.w.N.). Sie knüpft an den im Vertrag enthaltenen Regelungsplan der Parteien an und versteht diesen als eine Rechtsquelle, aus der unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte Regelungen für offen gebliebene Punkte abgeleitet werden können (vgl. BGHZ 9, 273 juris-Rn. 6 u. 7 sowie Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 BGB Rn. 2 m.w.N.). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist § 157 BGB heranzuziehen (BGHZ 9, 273 juris-Rn. 7).
61 
(2) Vorliegend wurde keine ausdrückliche Vereinbarung über die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrages getroffen.
62 
Die Parteien behaupten nicht, dass eine mündliche Absprache über die Einbeziehung des Klägers erfolgt ist. Der schriftliche Vertrag zwischen Land und Beklagter wurde im Termin vom 17.11.2015 vorgelegt (vgl. Anlage zum Protokoll vom 17.11.2015). Der Einwand der Beklagten, dass sich hieraus - dieser Vertrag ist praktisch identisch mit dem zwischen Ne... und Beklagter, auf den die Beklagten stets abheben - ergebe, dass eine Einbeziehung des Klägers ausgeschlossen sei, ist unzutreffend.
63 
Die angesprochene Klausel lautet:
64 
„4. Weitergabe der Arbeitsergebnisse
65 
4. Die anwaltlichen Leistungen von G... L..., insbesondere schriftliche Stellungnahmen und Gutachten, sind ausschließlich für die Mandantin bestimmt und dürfen nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung durch G... L... an Dritte weitergegeben werden.
66 
4.2 Im Falle der Weitergabe der Arbeitsergebnisse von G... L... an Dritte ist die Mandantin darüber hinaus verpflichtet, mit den jeweiligen Dritten zu vereinbaren, dass die in Ziff. 3 (Haftung) festgelegten Regelungen auch den Dritten gegenüber gelten und dass die dort festgesetzten Haftungshöchstbeträge als Gesamtmaximalsumme für alle von der Haftungsbeschränkung erfassten Ansprüche von der Mandantin und Dritten gelten.
67 
4.3 Sollte die Mandantin die Arbeitsergebnisse von G... L... ohne deren Zustimmung an Dritte weitergegeben haben, wird die Mandantin die Partner, Rechtsanwälte und Mitarbeiter von G... L... von allen Ansprüchen Dritter freistellen, die auf einer unberechtigten Weitergabe der Arbeitsergebnisse von G... L... beruhen.“
68 
Nach systematischer Stellung im Vertragstext, Wortlaut und Zweck bezieht sich die Vertragsklausel Ziff. 4 (4.1 - 4.3) auf die Weitergabe von Arbeitsergebnissen durch die Mandantin an Dritte und die damit verbundenen haftungsrechtlichen Folgen im Fall der unberechtigten Weitergabe. Hierum geht es vorliegend allerdings nicht. Die schriftlich und mündlich erteilten Auskünfte und Ratschläge wurden bestimmungsgemäß dem Kläger oder ggf. vereinbarten dritten Personen (Kabinett) zur Kenntnis gebracht. Es liegt keine unberechtigte Weitergabe an Dritte vor. Der hier zu beurteilende Fall, ob die Beklagte dem Kläger als vormaligem Organ und Vertreter des Landes nach außen (Art. 50 LV) gegenüber persönlich haftet bzw. dieser in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Land und ihr einbezogen ist, wird von der Vertragsklausel nicht geregelt.
69 
Diese Bestimmung kann deshalb nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger ausdrücklich nicht in den Schutz des Vertrages einbezogen werden soll. Somit enthält der Vertrag bezüglich der hier zu klärenden Frage seiner Einbeziehung in den Schutzbereich eine Regelungslücke, die nach den oben genannten Grundsätzen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu schließen ist.
70 
Andererseits geht auch die Rüge des Klägers fehl, das Landgericht habe ohne entsprechende Feststellungen unterstellt, dass der tatsächliche Wille der Vertragsparteien gefehlt habe, den Kläger in den Schutzbereich des Vertrags einzubeziehen. Aus dem Vertrag ergibt sich ein solcher Wille nicht und der Kläger selbst behauptet einen solchen tatsächlichen Willen nicht und trägt insbesondere keinen Sachverhalt vor, aus dem sich ein solcher ergeben könnte.
71 
(3) Auch bei ergänzender Vertragsauslegung kommt die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich nicht in Betracht.
72 
Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung kann nicht festgestellt werden, dass die Vertragsparteien den Willen hatten, den Kläger in den Schutzbereich einzubeziehen. Es fehlt bereits - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - an der sog. Leistungsnähe.
73 
Wie sich das Merkmal der Leistungsnähe genau definiert, ist der Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Es ist allerdings zu ersehen, dass es bei der Bestimmung des Merkmals der Leistungsnähe letztlich um das Risiko des Dritten in Bezug auf typische Begleiterscheinungen der Leistungspflicht und damit auf einen spezifischen Risikozusammenhang zwischen der vertraglich geschuldeten Leistung und seinen Interessen geht (vgl. Staudinger/Klumpp, BGB, Neubearb. 2015, § 328 BGB Rn. 111 u. BGH MDR 2011, 1471 Rn. 7 u. 9). Es ist erforderlich, dass die Rechtsgüter des Dritten durch die Vertragsleistung des Schuldners mit Rücksicht auf den Vertragszweck bestimmungsgemäß, typischerweise beeinträchtigt werden können (vgl. Fischer/D. Fischer, a.a.O., Rn. 8 m.w.N.). Eine lediglich mittelbare Betroffenheit reicht nicht aus (vgl. BGH NJW 2006, 830 Rn. 53: Kein Schutz zugunsten des Alleingesellschafters und Geschäftsführers bei einer Darlehensgewährung zugunsten der Gesellschaft). Es darf sich nicht um eine „reine Reflexwirkung“ handeln (BGH NJW 1977, 2073 juris-Rn. 17, 2074; Fischer/D. Fischer, a.a.O., Rn. 6). Der Bundesgerichtshof hat im zitierten Fall BGH WM 2011, 2713 (Steuerberaterhaftung) die Leistungsnähe des GmbH-Geschäftsführers bezüglich von Angaben und Erklärungen gegenüber den Steuerbehörden daraus abgeleitet, dass dieser nach den §§ 34, 69 Abgabenordnung (im Folgenden: AO) persönlich hafte, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der GmbH infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Dieses Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers sei eine typische Begleiterscheinung pflichtwidrig verursachter Steuerfestsetzungen gegen eine zahlungsschwache GmbH, wenn ihr zur Begleichung der Steuerschuld später die Mittel fehlen (BGH, a.a.O., Rn. 9).
74 
Bei Beachtung der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch der abzuwägenden Interessen der Vertragsparteien, fehlt es an der Leistungsnähe des Klägers:
75 
Nach § 1 des Ministergesetzes Baden-Württemberg (im Folgenden: MinG) stehen die Mitglieder der Regierung nach Maßgabe dieses Gesetzes zum Land in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Dass sich hieraus eine Fürsorgepflicht des Landes dahingehend ergibt, dass der Ministerpräsident gegen die Folgen einer unzutreffenden Rechtsberatung gegenüber dem Land durch beauftragte Rechtsanwälte zivilrechtlich abzusichern wäre, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar. Die allgemeinen Formulierungen, das Land schulde ihm „Schutz und Fürsorge („Wohl und Wehe“)“ und müsse „zur Vermeidung ansonsten notwendiger weiterer Beratungskosten“ seine Einbeziehung in den Vertrag wünschen (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2015, S. 13), führen allein nicht weiter.
76 
Der Kläger haftete dem Land insbesondere nicht nach § 48 Beamtenstatusgesetz (im Folgenden: BeamtStG). Hiernach haben Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, zwar den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Norm ist allerdings auf beamtenähnliche öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse nicht anwendbar (vgl. v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 18. Update 7/15, § 48 BeamtStG Rn. 23). Nach § 1 MinG stehen die Mitglieder der Regierung gerade in einem solchen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Der Ministerpräsident ist somit kein Beamter i.S.v. § 48 BeamtStG.
77 
- Dem Kläger drohte im Fall einer Falschberatung des Landes durch die Beklagte auch nicht, dass durch eine Anklage nach Art. 57 Abs. 1 LV Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend gemacht werden.
78 
Nach Art. 45 Abs. 1 LV übt die Regierung die vollziehende Gewalt aus. Diese besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern (Art. 45 Abs. 2 LV). Der Ministerpräsident vertritt das Land nach außen (Art. 50 LV). Nach Art. 57 Abs. 1 LV können Mitglieder der Regierung wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Verfassung oder eines anderen Gesetzes auf Beschluss des Landtags vor dem Staatsgerichtshof angeklagt werden. Nach § 36 Abs. 2 Staatsgerichtshofgesetz Baden-Württemberg kann eine Verurteilung nur lauten auf die Einstellung des Verfahrens, die Freisprechung oder die Feststellung, dass der Angeklagte sich einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Verfassung oder eines anderen Gesetzes schuldig gemacht hat. Mit der Feststellung kann die Aberkennung des Amtes oder die ganze oder die teilweise Entziehung der Versorgungsansprüche verbunden werden (vgl. zu diesen Folgen auch Art. 57 Abs. 3 LV). Es geht bei der Ministeranklage also nicht um die Feststellung von Schadensersatzansprüchen gegen ein Regierungsmitglied.
79 
Es kann damit keine Rede davon sein, dass die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Ministerpräsidenten eine typische Begleiterscheinung einer unzutreffenden rechtlichen Beratung des Landes darstellt (vgl. zu diesem Kriterium: BGH WM 2011, 2334 juris-Rn. 9 u. Staudinger/Klumpp, a.a.O., § 328 BGB Rn. 111 m.w.N.). Die vermögensrechtlichen Folgen rechtswidrigen Handelns des Ministerpräsidenten aufgrund etwaiger fehlerhafter anwaltlicher Beratung treffen regelmäßig das Land und nicht ihn selbst.
80 
- Der Umstand, dass Kosten für die Rechtsverteidigung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anfallen oder die Karriere bzw. das berufliche Fortkommen beeinträchtigt werden, stellen lediglich mittelbare Folgen dar, die nicht zur Einbeziehung in den Schutz des Vertrages zwischen Land und Beklagter führen.
81 
Es besteht regelmäßig für jeden Bürger (und auch jeden Beamten, Richter etc.) die allgemeine Gefahr, im Falle eines Verdachtes auf ein strafrechtlich relevantes Handeln sich in einem Ermittlungsverfahren verteidigen zu müssen. Es liegt im Interesse des Landes, dem Verdacht auf die Begehung einer Straftat nachzugehen und die Ermittlungen der eigenen Staatsanwaltschaft, deren Aufgabe es ist, auch entlastende Umstände zugunsten des Beschuldigten zu ermitteln (§ 160 Abs. 2 StPO), nicht im Wege zu stehen, sondern vielmehr diese zu fördern. Es fehlt daher bereits an einem Interesse des Landes als Vertragspartei, den Kläger diesbezüglich besonders zu schützen.
82 
Das Gleiche gilt für ein etwaiges Verfahren der Ministeranklage und das Verfahren des Untersuchungsausschusses des Landtags von Baden-Württemberg.
83 
- Auch der Umstand, dass der Kläger ein Interesse daran hat, „rechtmäßig“ zu handeln, stellt kein Kriterium dar, das seine Einbeziehung in den Schutzbereich begründen könnte. Vermögensrechtliche Folgen pflichtwidrigen Handelns treffen - wie oben ausgeführt - regelmäßig das Land und gegebenenfalls nur mittelbar (wenn etwa eine vorsätzliche Tat vorliegt) den Kläger.
84 
Diese Erwägungen gelten jedenfalls bezüglich der Vorwürfe, die sich auf Probleme bei der Wertermittlung der Aktien und angeblich der Käuferin ungünstiger Vertragsklauseln beziehen. Diese Punkte betreffen zunächst die wirtschaftlichen Risiken der Ne... und erst über die vereinbarte Garantie auch das Land. Rechtsgüter des Klägers sind hierdurch nicht typischerweise gefährdet.
85 
Etwas anderes kann unter Umständen bezüglich der behaupteten unzureichenden Belehrung bezüglich Art. 81 LV gelten, allerdings nicht bezogen auf den Kläger, sondern allein auf den Finanzminister. Letzterer musste eigenverantwortlich die Entscheidung treffen, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. Da dies auch für die Beklagten erkennbar war und es nicht fern liegt, dass die rechtliche Beurteilung der Beklagten gerade auch der Entscheidungsfindung des Finanzministers dienen sollte, könnte hier eine Leistungsnähe eher in Erwägung gezogen werden, obwohl die Feststellung einer solchen letztlich an der fehlenden persönlichen Haftung des Finanzministers scheitern würde. Insoweit gilt das Gleiche wie bezüglich des Klägers.
86 
Dieser Aspekt gilt aber nicht gleichermaßen für den Kläger. Diesem oblag gerade nicht die spezifische Pflicht, die Entscheidung nach Art. 81 LV zu treffen, sondern nur die allgemeine, sich gesetzestreu zu verhalten.
87 
Eines Hinweises der Beklagten auf § 65 LHO bedurfte es nicht, da durch die Übersendung des vom Kläger beauftragten „W...-Vermerkes“ bekannt war, dass der Kläger hiervon Kenntnis hatte.
88 
Eines Hinweises auf § 7 LHO bedurfte es nicht, da die Beklagte davon ausgehen durfte, dass dem Ministerpräsidenten eines Landes, der dazuhin zuvor jahrelang Minister und Landtagsabgeordneter war, selbstverständlich bekannt ist, dass für jegliche Ausgaben des Landes die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit zu beachten sind. Geht man entgegen dieser Auffassung davon aus, dass im Hinblick auf diese Punkte doch eine Pflichtverletzung der Beklagten zu bejahen ist, dann gelten insoweit die obigen Ausführungen, wonach der Kläger nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist.
89 
Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die Leistungsnähe oder die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrags aus anderer höchstrichterlicher Rechtsprechung, die zu bestimmten Fallgruppen im Rahmen des Anwaltshaftungsrechts ergangen ist, ergibt:
90 
- Es geht vorliegend nicht um eine Schutzwirkung für Angehörige des Auftraggebers (vgl. zu dieser Fallgruppe: Fischer/D. Fischer, a.a.O., § 10 Rn. 17 m.w.N.).
91 
- Des Weiteren kann auch keine Parallele zu Verträgen mit Schutzwirkung für GmbH-Geschäftsführer oder Gesellschafter, etwa den gerade erörterten Fall, ob ein Vertrag mit einer GmbH Schutzwirkung für deren Geschäftsführer entfaltet, gezogen werden (vgl. zu weiteren Einzelfällen: Fischer/D. Fischer, a.a.O., § 10 Rn. 22 u. 23 m.w.N.). Die Stellung des Ministerpräsidenten ist mit derjenigen eines Geschäftsführers - insbesondere auch haftungsrechtlich, wie oben dargestellt, - nicht auf eine Stufe zu stellen.
92 
Selbst bei einem GmbH-Geschäftsführer reicht das allgemeine Haftungsrisiko nach § 43 GmbHG nicht aus, stets bei Beratungsverträgen der GmbH in deren Schutzbereich einbezogen zu werden. Es bedarf hierfür vielmehr besonderer Konstellationen, beispielsweise des erkennbaren Risikos einer Haftung gegenüber Dritten, sei es nach §§ 34, 69 AO (vgl. BGH WM 2011, 2334), sei es aufgrund verspäteter Insolvenzantragstellung (vgl. BGH NJW 2012, 3165).
93 
Ein relevantes Haftungsrisiko gegenüber der GmbH selbst besteht typischerweise nicht, da der Geschäftsführer, der sich auf den eingeholten Rechtsrat verlässt, regelmäßig nicht schuldhaft handelt.
94 
Dies gilt verstärkt in Bezug auf den Kläger, da es für diesen im Verhältnis zum Land bereits an einer Anspruchsgrundlage für eine Haftung fehlt. Anhaltspunkte für eine mögliche Haftung gegenüber Dritten sind weder erkennbar, noch werden solche dargelegt.
95 
- Schließlich ist auch kein Vergleich zu ziehen zu den Fallgruppen, bei denen Dritte im Falle der Erstellung eines Gutachtens, der Erteilung einer Auskunft, der Prüfung einer Bilanz oder eines Jahresabschlusses, eines Testats etc. in den Schutzbereich mit einbezogen werden (vgl. Fischer/D. Fischer, a.a.O., § 10 Rn. 24 ff.).
96 
Diesen Fälle ist gemein, dass eine von Sachkunde geprägte Stellungnahme oder Begutachtung zu dem Zweck, das Vertrauen eines Dritten zu erwecken - für den Sachkundigen hinreichend erkennbar - erstellt und bestimmungsgemäß Grundlage für dessen Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen für ihn persönlich wird. Das Gutachten oder Testat ist in diesen Fällen erkennbar zum Gebrauch gegenüber Dritten bestimmt und deshalb nach dem Willen des Bestellers mit einer entsprechenden Beweiskraft ausgestattet (vgl. etwa BGH NJW 214, 2345 Rn. 14 u. NJW 2004, 3035 Rn. 13). Vorliegend wurde die Beklagte nicht gutachterlich (bzw. beratend) tätig, um den Kläger zu bestimmten Entscheidungen von wirtschaftlicher Tragweite für ihn persönlich zu veranlassen. Der Kläger hat die Leistungen nicht als Dritter, sondern als Mitglied der Regierung und Vertreter des Landes nach außen (Art. 45 u. 50 LV) entgegengenommen, um für das Land Entscheidungen zu treffen, die dieses und nicht ihn persönlich direkt wirtschaftlich treffen.
97 
Im Ergebnis ist dem Kläger zwar zuzugestehen, dass er mit der Leistung der Beklagten unmittelbar in Kontakt gekommen ist, doch genügt dies nicht für die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte Leistungsnähe. Das Risiko des Eintritts wirtschaftlicher Nachteile, das sich für den Kläger realisiert haben mag, stellt nicht die typische Begleiterscheinung einer falschen anwaltlichen Beratung des Landes dar. Es lässt sich bereits hiernach nicht feststellen, dass die Vertragsparteien den Kläger in den Schutzbereich einbeziehen wollten. Der Vertrag kann daher nicht in diesem Sinne zugunsten des Klägers ausgelegt werden.
98 
Ob die weiteren Voraussetzungen, die die Rechtsprechung für das Vorliegen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter postuliert, vorgelegen haben, kann dahinstehen.
99 
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten gemäß §§ 675, 611, 280, 31 BGB i.V.m. 8 Abs. 2 PartGG und den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gem. § 328 BGB analog zu.
100 
Zwar kommt in der vorliegenden Konstellation, in der es um angebliche Pflichtverletzungen aus dem Jahr 2010 geht, eine persönliche Haftung des Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 PartGG in Betracht. § 8 Abs. 4 PartGG, der die Möglichkeit einer Beschränkung der Haftung wegen fehlerhafter Berufsausübung auf das Gesellschaftsvermögen gewährt, ist erst mit Wirkung vom 19.07.2013 in Kraft getreten (BGBl. 2013 I, 2386). Nachdem aber bereits kein Anspruch gegen die beklagte Partnerschaft besteht, kann erst recht kein Anspruch gegen den Beklagten bestehen.
101 
3. Anhaltspunkte für eine deliktische Haftung wurden nicht dargelegt.
102 
§ 823 Abs. 1 BGB erfasst nicht die hier allein geltend gemachten Vermögensschäden. Ein Schutzgesetz, das zu einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB führen könnte, wird nicht aufgezeigt und ist nicht erkennbar. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB kommt mangels jeglichen Sachvortrags des Klägers hierzu nicht in Betracht.
III.
103 
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
104 
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
105 
3. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.
106 
Die Fortbildung des Rechts durch eine Revisionsentscheidung ist erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. nur BGH NJW 2002, 3029 und Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 543 ZPO Rn. 12 m.w.N.).
107 
Der vorliegende Fall gibt Anlass, die Kriterien für die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, insbesondere das der sog. Leistungsnähe im Fall von behaupteten Vermögensschäden, genauer zu bestimmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR16/14
vom
30. Juni 2015
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter
Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter
Dr. Schoppmeyer
am 30. Juni 2015

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2013 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Poli- cenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Dezember 2010 erklärte er die Kündigung des Versicherungsvertrages, woraufhin der Versicherer den Rückkaufswert auszahlte. Mit Schreiben vom Februar 2012 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen , eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
2
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
3
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
4
II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
6
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte , es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.
8
a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung sei erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist (IV ZR 105/13). Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung war das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, auch der Ansicht, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt.

9
b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien bis er im Jahr 2010 die Kündigung erklärte. Er ließ dann nochmals über ein Jahr verstreichen bis zur Erklärung des Widerspruchs. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

10
2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller Dr. Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 15.07.2013- 26 O 252/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 20 U 144/13 -

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR16/14
vom
30. Juni 2015
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter
Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter
Dr. Schoppmeyer
am 30. Juni 2015

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2013 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Poli- cenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Dezember 2010 erklärte er die Kündigung des Versicherungsvertrages, woraufhin der Versicherer den Rückkaufswert auszahlte. Mit Schreiben vom Februar 2012 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen , eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
2
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
3
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
4
II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
6
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte , es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.
8
a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung sei erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist (IV ZR 105/13). Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung war das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, auch der Ansicht, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt.

9
b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien bis er im Jahr 2010 die Kündigung erklärte. Er ließ dann nochmals über ein Jahr verstreichen bis zur Erklärung des Widerspruchs. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

10
2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller Dr. Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 15.07.2013- 26 O 252/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 20 U 144/13 -

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz in Anspruch.

2

Er beantragte am 14. August 1998 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger im August 1998 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630).

3

Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut:

"(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. …"

4

Aufgrund eines Änderungsantrages des Klägers wurde im Januar 2004 ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Kläger nach den - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt.

5

Der Kläger zahlte von September 1998 bis März 2004 Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus.

6

Mit Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".

7

Mit der Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen gezahlten Prämien und ausgekehrtem Rückkaufswert sowie Nutzungsersatz in Höhe einer 7%-igen Verzinsung der Prämien. Er meint, der Lebensversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil das in § 5a VVG a.F. geregelte Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

10

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stünden keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämien nebst Zinsen zu. Er habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells gemäß § 5a VVG a.F. verstoße nicht gegen die Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Klägers sei 14 Tage nach dem Zugang der Police nebst ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erloschen. Dasselbe gelte hinsichtlich der 2004 durchgeführten Vertragsänderung, so dass offen bleiben könne, ob dem Kläger insoweit ein Recht zum Widerspruch zugestanden habe.

11

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

12

Der Kläger kann nicht gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet (dazu unter 1.). Im Übrigen ist ihm nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt (dazu unter 2.).

13

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.

14

a) Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Es betraf Fälle, in denen der Versicherer - wie hier die Beklagte - dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 15; vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10 m.w.N.). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (Senatsurteil vom 24. November 2010 aaO m.w.N.).

15

Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Vertrages nach dem Policenmodell sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein im August 1998 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der Kläger den Widerspruch nicht.

16

b) Der so geschlossene Versicherungsvertrag unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln. Dabei ist der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 14 ff.) der Fall war - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Zum einen (dazu sogleich unter c) steht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das Policenmodell außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entfällt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430 und ständig; BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27 f.; WM 2014, 647 Rn. 26 ff.). Zum anderen scheidet eine Vorlage aus, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist (dazu unter 2.; vgl. BVerfG aaO).

17

c) Das Policenmodell steht nach Auffassung des Senats eindeutig in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. L 345 S. 1).

18

aa) Zwar hat ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des Policenmodells geäußert (BK/Schwintowski, § 5a VVG Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, PK-VersR/Ebers, § 8 Rn. 9 f.; Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Döhmer, zfs 1997, 281, 283; Dörner in Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform 2009 S. 137, 145 f.; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven 2005 S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I 2002, S. 139, 164 f.; Meyer in Basedow/Meyer/Schwintowski, Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb 1996 S. 157, 201 f.; Micklitz/Ebers in Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen, Altersvorsorgeverträge, VVG-Reform 2003 S. 43, 82 f.; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem 2003 S. 109 ff.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).

19

Diese Zweifel werden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt (so etwa von weiteren aktuellen, zur revisionsrechtlichen Überprüfung stehenden Berufungsurteilen: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14, S. 7 ff. nicht veröffentlicht; OLG München, Urteil vom 8. Mai 2014 - 14 U 5100/13 S. 4 ff., nicht veröffentlicht; aus der neueren veröffentlichten Rechtsprechung u.a.: OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/12, juris Rn. 36 f.; VersR 2013, 1025, 1026; VersR 2012, 1545 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 14. Februar 2013 - 4 U 63/12, juris Rn. 41 f.; vom 17. Januar 2013 - 4 U 35/12, juris Rn. 37 ff.; OLG Köln VersR 2013, 443, 445; Urteile vom 2. März 2012 - 20 U 178/11, juris Rn. 25; vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11, juris Rn. 47 ff.; vom 25. November 2011 - 20 U 126/11, juris Rn. 21 ff.; VersR 2011, 248; vom 9. Juli 2010 - 20 U 51/10, juris Rn. 4 ff.; vom 5. Februar 2010 - 20 U 150/09, juris Rn. 5 ff.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2013, 440, 441 f.; OLG Stuttgart VersR 2012, 1373, 1374 f.; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 10 ff.; VersR 2012, 745, 746; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; LG Dessau-Roßlau NJW-RR 2014, 606, 608 f.; LG Köln, Urteil vom 4. März 2013 - 26 O 301/12, juris Rn. 40; r+s 2011, 243, 244; Urteil vom 7. Juli 2010 - 26 O 609/09, juris Rn. 24; LG Münster, Urteil vom 30. August 2011 - 115 O 53/11, juris Rn. 52 ff.; LG Bielefeld, Urteil vom 31. März 2011 - 7 O 329/10, juris Rn. 18; LG Aachen, Urteil vom 5. März 2010 - 9 O 560/09, juris Rn. 36 ff.; LG Kassel r+s 2010, 339; Bruck/Möller/Herrmann, VVG 9. Aufl. § 7 Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 5a VVG Rn. 8; Römer/Langheid/Römer, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 3; Hofmann, Schutzbriefversicherung (Assistance) 1996 Einf. Rn. 11; Lorenz, VersR 1997, 773, 780 f.; ders. VersR 1995, 616, 625 f.; Reiff, VersR 1997, 267, 271 f.; Römer, Festschrift 50 Jahre BGH S. 375, 389 f.; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1056; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 1995 S. 32 f., anders nur bezüglich § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.).

20

bb) Der Senat sieht ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Richtlinien dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.

21

(1) Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 18 f., 22). Wie der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG erwähnte und für die rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers maßgebliche "Abschluss" des Versicherungsvertrages auszugestalten ist, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommenen Anhang. In den Materialien zu Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird zu dem Passus "vor Abschluss des Vertrages" ausgeführt, die Mitgliedstaaten könnten selbst darüber bestimmen, "wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die … vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen" (Ratsprotokoll Nr. 2 zu Art. 31, Dok. 7307/92, abgedruckt bei Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auf dem Prüfstand, Münsteraner Reihe Bd. 18 S. 13). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Rahmen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens 2005/5046 ausdrücklich festgehalten, die Frage, wann ein Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten solle, sei "in der Tat eine Sache des nationalen Rechts".

22

Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG verfolgen zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sollten insbesondere Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die insoweit angestrebte Harmonisierung sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG zu "einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme" führen. Diese Zielsetzung nahm die spätere Richtlinie 2002/83/EG auf; sie wurde in Erwägungsgrund 2 dergestalt umschrieben, dass "zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung … gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen" sind, "wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss". Daraus ergibt sich, dass neben dem Verbraucherschutz auch die Tätigkeit der Lebensversicherer in den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. Hingegen sollte die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts "keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor" sein. Dies betont Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EG und führt weiter aus, die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stelle deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar (ebenso Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2002/83/EG). Demnach haben die Richtlinien die Regelung des Vertragsschlusses dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 22 m.w.N.).

23

Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der genannten Richtlinien neben der aufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 10a VAG a.F. die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des § 5a VVG a.F. eingeführt (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 24 f. unter Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7595 S. 102 m.w.N.). Mit § 5a VVG a.F. bezweckte er nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Richtlinie 92/96/EWG aufsichtsrechtlich keine praktische Wirksamkeit verschafft wurde (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Die Aufsichtsbehörde brauchte bei Vertragsabschlüssen nach dem Policenmodell nicht einzuschreiten, wenn die Versicherer - wie im Streitfall geschehen - ihrer Informationspflicht nach § 10a VAG a.F. nachkamen und den Versicherungsnehmern mit den Policen die erforderlichen Informationen zukommen ließen. Die Überwachungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 VAG wurde aber nicht obsolet. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung der Verbraucherinformation waren auch in Bezug auf das Policenmodell zu ahnden.

24

(2) Ausgehend von dem sich nach nationalem Recht bestimmenden Zustandekommen des Vertrages entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Sinn und Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG normierten Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG rechtfertigen nach der - vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten - Ansicht des Senats die Auslegung, dass ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 23; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 24 f.). Das Interesse des Versicherungsnehmers wurde im Erwägungsgrund 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dergestalt umschrieben, "daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen zu können". Daran anknüpfend wurde der Zweck der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Erwägungsgrund 23 so formuliert: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Im Hinblick auf diesen Informationszweck sah Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit deren Anhang II A Nr. a.13 vor, dass dem Versicherungsnehmer "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitgeteilt werden mussten, und zwar "vor Abschluss des Vertrages". Sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ging demnach eindeutig hervor, dass mit ihr sichergestellt werden sollte, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).

25

Diesen Anforderungen genügte § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., indem er anordnete, dass der Vertrag erst als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der maßgeblichen Unterlagen - Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung - widersprach. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrages gewährleistete, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sein musste, bevor der Vertrag wirksam werden konnte. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten (vgl. OLG Köln VersR 2013, 443, 445). Auf diese Weise war eine Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.

26

(3) Die für das Policenmodell charakteristische schwebende Unwirksamkeit des Vertrages wurde in dem genannten Vertragsverletzungsverfahren zunächst nicht hinreichend beachtet. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sah in ihrem an das deutsche Bundesministerium der Justiz gerichteten Aufforderungsschreiben vom 4. April 2006 (S. 4 f.) "die praktische Folge der deutschen Regelung in § 5a VVG bezüglich des Vertragsschlusses (sog. Policenmodell)" darin, "dass ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gilt, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts keine vollständigen Verbraucherinformationen vorlagen". Daraus zog die Kommission den Schluss, der Versicherungsnehmer werde "an seine Antragstellung auch in den Fällen gebunden, in denen ihm vor Abschluss des Vertrages nicht die von den Richtlinien vorgesehenen Informationen vorlagen". Daran hielt sie nicht mehr fest, nachdem die Bundesregierung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass nach dem Policenmodell ein bindender Abschluss erst dann erfolge, wenn der Versicherungsnehmer die vorgeschriebene Verbraucherinformation erhalten habe, über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei und den Widerspruch innerhalb der gesetzlich gewährten Frist von 14 Tagen unterlassen habe. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 stellte die Kommission dann ihre - ebenfalls bereits in dem Aufforderungsschreiben enthaltene - Argumentation, dass "zu dieser Zeit die Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts längst getroffen" sei, in den Mittelpunkt. Daher könne nach dem deutschen Recht ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelten, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer selbst aktiv werde, um der endgültigen Wirksamkeit des Vertrages zu entgehen. Dem Versicherungsnehmer werde damit eine Widerrufslast aufgebürdet. Darüber hinaus müsse der Versicherungsnehmer eine Auswahlentscheidung treffen, ohne zuvor entsprechend unterrichtet worden zu sein. Der eigentliche Zweck der Richtlinienbestimmungen, nach denen der Versicherungsnehmer vor einem Vertragsabschluss über alle notwendigen Informationen verfügen soll, werde vereitelt.

27

Das rechtfertigt ersichtlich keine abweichende Beurteilung. Da die Richtlinien - wie dargelegt - dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss aaO § 5a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625; Römer aaO; Reiff, VersR 1997, 267, 269; Wandt aaO S. 32). Die dem Versicherer in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer aaO S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt aaO S. 32).

28

(4) Das in den Richtlinien vorgesehene Informationsmodell lief durch § 5a VVG a.F. nicht etwa deshalb leer, weil innerhalb der auf 14 Tage beschränkten Widerspruchsfrist hinreichende Informationsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmer nicht bestanden (so aber Berg, VuR 1999, 335, 339 ff.; Lenzing aaO S. 165; Meyer aaO S. 202). Während des Fristenlaufs konnte der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen ohne weiteres eingehend durchsehen und dabei insbesondere erkennen, dass ihm die Möglichkeit zu einem Widerspruch zustand. Die Fristdauer von 14 Tagen - und von 30 Tagen für Lebensversicherungsverträge ab dem 8. Dezember 2004 - war angemessen; sie bewegte sich in dem von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG für den Rücktritt vorgegebenen Rahmen von 14 bis 30 Tagen.

29

Die hinsichtlich der Widerspruchsfrist von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2012 erhobenen Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Policenmodells führen zu keiner anderen Beurteilung. Unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 23 sieht sie den Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung verankerten Mitteilungspflicht darin, den künftigen Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und ihm "klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte …" zur Verfügung zu stellen (Schlussanträge Nr. 59). Der in Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vorgesehene Rücktritt sei von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten, nicht möglich (Schlussanträge Nr. 60). Daraus folgert die Generalanwältin, dem (künftigen) Versicherungsnehmer müssten bestimmte Angaben vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden und nach Mitteilung des Vertragsschlusses müsse ihm eine Rücktrittsfrist von 14 bis 30 Tagen zur Verfügung stehen (Schlussanträge Nr. 61). Der Zweck der Belehrungspflicht wäre nach Auffassung der Generalanwältin verfehlt worden, wenn die Informationen erst nach Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und somit nach seiner Wahl eines Versicherers und eines Vertrages vorgelegt worden wären (Schlussanträge Nr. 62).

30

Auch daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der in jener Sache ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (aaO) aber kein Anhaltspunkt für eine Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, die Mitgliedstaaten hätten zwar in der Tat dafür zu sorgen gehabt, dass die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet war (aaO Rn. 23). Er hat aber weiter betont, dass Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Hinblick auf den dort angeführten Informationszweck eine Mitteilung der Informationen "vor" Abschluss des Vertrages vorsehe (aaO Rn. 25). Dem Zweck der Informationspflicht ist danach genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Informationen erhält, bevor er - wie nach nationalem Recht in § 5a VVG a.F. geregelt - vertraglich gebunden ist (so auch OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 S. 10, nicht veröffentlicht). Dies ist zugleich mit Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Rücktrittsfrist, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, "dass der Vertrag geschlossen ist". Diese Kenntnis konnte dem Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell durch die mit dem Versicherungsschein zu erteilende Widerspruchsbelehrung vermittelt werden. Daraus konnte er entnehmen, dass ein - zunächst noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen würde und er sich davon bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ohne Weiteres lösen, ein Zustandekommen des Vertrages also verhindern konnte.

31

(5) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlegte und ihn damit zu einem Handeln verpflichtete, wollte er nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformation das Zustandekommen des Vertrages in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. verhindern (so aber Micklitz/Ebers aaO S. 83; Rehberg aaO S. 98, 112 ff.; vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Eine Ausgestaltung in Form einer Hinderung des Wirksamwerdens des Vertrages durch Widerspruch oder Widerruf genügt auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben bzw. beruht sogar auf solchen (vergleiche nur § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Insoweit überzeugt auch der Einwand nicht, dass der künftige Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell gegenüber mehreren Versicherern Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen stellen musste, um mit den Versicherungspolicen die Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten (so Meyer S. 201 f.; vgl. BVerfG aaO). Dass ein Interessent gleichzeitig Anträge bei mehreren Versicherern stellt, um dann die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend zu vergleichen, erscheint in der Tat lebensfremd (vgl. Meyer aaO S. 202 f.; BVerfG aaO m.w.N.). Ihm wurde aber nicht angesonnen, mehrere auf Abschluss verschiedener Versicherungsverträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine fristgerecht zu widerrufen. Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander vergleichen wollte, war er nicht gezwungen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr konnte er mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden. Im Übrigen stand dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem so genannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung. Wenn er zunächst verschiedene Angebote bei mehreren Versicherern eingeholt hatte, musste er, nachdem er eines angenommen hatte, dann aber noch ein besseres erhielt, durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung tätig werden.

32

2. Die von der der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet im Übrigen auch bereits deshalb aus (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27; WM 2014, 647 Rn. 24), weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG unvereinbar ist, hier ohnedies nicht entscheidungserheblich ankommt. Offenbleiben kann daher auch, ob in diesem Fall - wie die Revision meint - alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der genannten unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

33

a) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; jeweils m.w.N.; vgl. Brand, VersR 2014, 269, 276).

34

b) So liegt der Fall hier. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

35

aa) Das Verhalten des Klägers war objektiv widersprüchlich. Die - ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte - Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und sogar im Zuge der Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen. Bis zur Kündigung des Vertrages im März 2004 zahlte er vielmehr regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund sieben weitere Jahre vergehen, bis er sich entschied, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, 335 f.).

36

bb) Der Kläger war (anders als etwa der Kläger im Verfahren IV ZR 76/11) von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können seine jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck seines Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8 m.w.N.).

37

cc) Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2008 aaO Rn. 41; vom 20. März 1968 - VIII ZR 127/67, WM 1968, 876 unter 3 c; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. § 242 Rn. 288 m.w.N.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2009] § 242 Rn. 293 m.w.N.). Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (MünchKomm-BGB/Roth/Schubert aaO Rn. 288; Staudinger/Looschelders/Olzen aaO Rn. 292 m.w.N.).

38

Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Dieses Vertrauen wurde durch den Änderungsantrag des Klägers, der das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis nochmals verdeutlichte, sogar noch verstärkt. Das Verhalten des Klägers sprach aus Sicht der Beklagten dafür, dass er selbst den Vertrag durchführen, ihn als wirksam behandeln und erfüllen wolle, und begründete das Vertrauen der Beklagten, der Kläger halte am Bestehen des Vertrages - auch für die Vergangenheit - fest.

39

Die Beklagte hatte durch die Wahl des Policenmodells zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt. Ihr Vertrauen ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde. Das Policenmodell entsprach dem damals geltenden nationalen Recht; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit stand nicht fest und konnte der Beklagten nicht positiv bekannt sein. Von einer überlegenen Rechtskenntnis auf ihrer Seite kann insoweit jedenfalls keine Rede sein.

40

Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute, nachdem er trotz Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, jahrelang die Prämien gezahlt hat, ohne die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen.

41

c) Der - von Amts wegen zu berücksichtigende, im Revisionsverfahren von der Beklagten auch geltend gemachte - Einwand von Treu und Glauben greift auch im Falle einer - zugunsten des Klägers unterstellten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH GRUR 2014, 368 Rn. 42, 49; Slg. 2010, I-635 Rn. 31, 33; jeweils m.w.N.) unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Diese vom Gerichtshof anerkannten Verfahrensgrundsätze gebieten, dass die verfahrensrechtlichen Vorgaben des nationalen Rechts nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Grundsätze finden auch bei materiellen Ausschlussgründen nach nationalem Recht - wie dem Grundsatz von Treu und Glauben - Anwendung (König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 2011 S. 114 m.w.N.) und sind hier gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben versagt ist, wird nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages.

42

Auch zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Revision eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht (EuGH Slg. 2000, I-1705 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (EuGH ZfZ 2014, 100 Rn. 29 m.w.N.; Slg. 2000 aaO Rn. 33; Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 m.w.N.; Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 m.w.N.). Dies hat der Gerichtshof - ähnlich wie die Anwendung nationaler Fristenregelungen (vgl. EuGH Slg. 1996, I-5223 Rn. 9, 35) - nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt war. Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34; Slg. 1996 aaO Rn. 25). Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34 m.w.N.; Slg. 1998 aaO Rn. 22; Slg. 1996, I-1347 Rn. 68). Es obliegt dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar ist (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 35). Hier beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (aaO Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird.

Mayen                              Felsch                                 Harsdorf-Gebhardt

             Dr. Karczewski                    Dr. Brockmöller