Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 05. Mai 2011 - 2 S 2591/10

bei uns veröffentlicht am05.05.2011

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2010 - 11 K 1674/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen.
Die Kläger sind Eigentümer des gewerblich genutzten Grundstücks Flst. Nr. ... auf der Gemarkung der Beklagten, das nach Südosten an die ...-...-...-... grenzt. Die Beklagte ließ auf der Grundlage einer Planung zur Erschließung des auf der gegenüberliegenden Seite der Straße befindlichen Konversionsgeländes „Am Froschbächle“ aus dem Jahre 2000 den nördlichen Teil der ...-...-... - einschließlich zweier von der Straße abzweigender Stichstraßen, die ebenfalls an das Grundstück der Kläger angrenzen und Gegenstand eigenständiger, hier nicht angegriffener Beitragsbescheide sind - als Erschließungsanlage herstellen. Die Schlussrechnung für die Herstellung der Erschließungsanlagen ging bei der Beklagten im Jahre 2003 ein.
Mit Bescheid vom 19.11.2007 zog die Beklagte die Kläger für ihr Grundstück zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 43.881,39 EUR für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage ...-...-... ... heran. Nach Abzug der bereits geleisteten Vorauszahlung von 8.610,90 EUR verblieb danach eine Restschuld von 35.270,49 EUR. Dagegen erhoben die Kläger am 03.12.2007 Widerspruch.
Mit Schreiben vom 23.06.2008 teilte die Beklagte den Klägern unter Bezugnahme auf ihren Widerspruch mit, sie habe eine Neuberechnung des Erschließungsbeitrags vorgenommen; im Bescheid heißt es weiter wörtlich: „Wir nehmen deshalb hiermit unsere Beitragsbescheide vom 09.11.2007 zurück und überlassen ihnen beiliegend drei neue Bescheide unter Berücksichtigung des Eckgrundstücksfaktors von jeweils 25 %. Ihr Widerspruch vom 03.12.2007 ist damit erledigt“. Ebenfalls unter dem 23.06.2008 erließ die Beklagte für die ...-...-... ... und die beiden Stichstraßen neue Beitragsbescheide. Der Erschließungsbeitrag für die hier streitgegenständliche Anlage beträgt danach 34.523,56 EUR und die von den Klägern im Hinblick auf die Vorausleistung zu zahlende Restschuld 25.912,66 EUR. Das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2008 und der Beitragsbescheid vom gleichen Tag wurden den Klägern jeweils in einem Briefumschlag übersandt.
Den von den Klägern gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 23.06.2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 als unbegründet zurück.
Am 22.07.2009 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Erschließungsanlage sei nach 1960 und damit unter Geltung des Bundesbaugesetzes erstmalig endgültig hergestellt worden und deshalb nicht mehr abrechnungsfähig.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat wie folgt erwidert: Zwar hätten im Jahre 1969 im streitgegenständlichen Straßenbereich schon Ausbaumaßnahmen stattgefunden. Diese könnten jedoch nicht als endgültige Herstellung angesehen werden. In der Straße habe sich keine Kanalisation befunden, auch habe es weder einen Gehweg noch Straßenbeleuchtung oder Straßenentwässerung gegeben. Die Straße habe auch weder von der Breite noch der Tragfähigkeit her dem Standard einer Erschließungsstraße in einem Gewerbegebiet entsprochen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 08.06.2010 abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die streitgegenständliche Beitragsschuld sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die sachliche Erschließungsbeitragspflicht entstanden sei. Diese entstehe wiederum mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage grundsätzlich in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem die letzte Unternehmerrechnung für die Herstellungsmaßnahmen eingehe. Danach habe die vierjährige Verjährungsfrist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO) mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2003 zu laufen begonnen. Die Verjährungsfrist habe gleichwohl noch nicht mit dem Ablauf des Jahres 2007 geendet, weil bereits am 19.11.2007 ein Erschließungsbeitragsbescheid gegenüber den Klägern ergangen sei und ihr Widerspruch gegen diesen Bescheid zu einer Ablaufhemmung geführt habe. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m.  § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO laufe die Festsetzungsfrist im Falle der Anfechtung des Beitragsbescheids mit Widerspruch oder Klage so lange noch nicht ab, wie über die Rechtsbehelfe nicht unanfechtbar entschieden sei. Mit dem Schreiben vom 23.06.2008, in dem die Rücknahme des Beitragsbescheids vom 19.11.2007 erklärt und mit dem zugleich der neue Bescheid übermittelt worden sei, sei ein das Widerspruchsverfahren erledigendes Ereignis herbeigeführt worden. Bei Erlass des neuen Bescheids vom 23.06.2008 sei unter diesen Umständen über den Widerspruch gegen den ursprünglichen Bescheid vom 19.11.2007 noch nicht unanfechtbar entschieden gewesen. Denn die gleichzeitig mit dem Erlass des Beitragsbescheids vom 23.06.2008 erklärte Rücknahme könne nicht als Rücknahme mit Rückwirkung verstanden werden. Das Schreiben vom 23.06.2008 in Verbindung mit dem neuen Bescheid sei vielmehr einer reinen Abänderung des alten Bescheids nahegekommen oder könne sogar als eine Abänderung ohne Rücknahme im rechtstechnischen Sinne verstanden werden.
Die abgerechnete Baumaßnahme stelle auch die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage ...-...-... ... dar. Die früheren Baumaßnahmen - insbesondere auch die des Jahres 1969 - könnten nicht als endgültige Herstellung angesehen werden, weil im hier streitigen nördlichen Teil der Straße jedenfalls eine Straßenentwässerung nicht vorhanden gewesen sei.
10 
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 11.11.2010 zugelassenen Berufung machen die Kläger geltend: Der Beitragsanspruch der Beklagten sei verjährt. Zwar sei der ursprüngliche Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.2007 noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist erlassen worden. Die Beklagte habe den Bescheid aber unter dem 23.06.2008 wieder aufgehoben. Das Widerspruchsverfahren sei damit beendet gewesen. Der Erlass des hier streitgegenständlichen Zweitbescheids vom 23.06.2008 sei danach erst erfolgt, als der Anspruch bereits verjährt gewesen sei. Die Behörde habe hier einen Fehler gemacht, indem sie den ursprünglichen Verwaltungsakt zurückgenommen habe, anstatt eine Abhilfeentscheidung zu treffen und den Erschließungsbeitrag im Rahmen dieser Abhilfeentscheidung zu reduzieren.
11 
Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht auch das Merkmal der endgültigen Herstellung beim Ausbau im Jahre 1969 im Hinblick auf die fehlende Straßenentwässerung verneint. Das Froschbächle habe sowohl der Entwässerung der damaligen französischen Kasernen an der ...-...-... als auch der Entwässerung der Straße gedient.
12 
Die Kläger beantragen,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2010    - 11 K 1674/09 - zu ändern und den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 aufzuheben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie trägt im Wesentlichen vor: Verjährung sei nicht eingetreten. Die Aufhebung und der Neuerlass des Erschließungsbeitragsbescheids am 23.06.2008 datierten nicht nur vom selben Tag, sondern seien den Klägern auch jeweils zusammen in einem Briefumschlag übersandt worden. Dementsprechend sei das Verwaltungsverfahren nicht beendet gewesen, weshalb die Verjährungsfrist weiterhin gehemmt sei.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 zu Recht abgewiesen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
1. Im vorliegenden Fall finden noch die Vorschriften des Baugesetzbuches - und nicht die §§ 33 ff. KAG - Anwendung, weil die Beitragsschuld für das hier zu beurteilende Grundstück vor dem 01.10.2005 entstanden ist und der Erschließungsbeitrag - wie ausgeführt wird - noch erhoben werden kann (vgl. § 49 Abs. 7 KAG). Rechtsgrundlage des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids sind deshalb die §§ 127 ff. BauGB in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 06.10.1999. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung drängen sich dem Senat nicht auf, auch die Kläger haben insoweit keine Einwendungen erhoben.
20 
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass die hier zu beurteilende Anbaustraße bereits auf Grundlage des im Jahre 1969 vorgenommenen Ausbaus erschließungsbeitragsrechtlich erstmalig endgültig hergestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - DVBl. 1996, 379) ist eine Anbaustraße erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie (von der Berechenbarkeit des Aufwands abgesehen) erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und wenn diese dem satzungsmäßigen technischen Ausbauprogramm entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der von der Beklagten zugestandene Ausbau der Straße nicht zu deren endgültiger Herstellung geführt habe, da zum einen die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 14.06.1961 in ihrem § 7 Abs. 1 als Merkmal der endgültigen Herstellung u.a. eine Straßenentwässerung vorgesehen und zum anderen die in der Satzung vorgesehene Straßenentwässerung in der Erschließungsanlage ...-...-... ... (bis zum hier zu beurteilenden Ausbau im Jahre 2002) gefehlt habe. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
21 
Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die ...-...-... im Rahmen des Ausbaus im Jahre 1969 mit einer gewissen Neigung in östlicher Richtung hergestellt worden sei, damit das auf der Straße anfallende Wasser in den daneben liegenden Froschgraben „natürlich“ hätte abfließen können. Ob die Straße tatsächlich mit einem Gefälle ausgebaut wurde, lässt sich den dem Senat vorliegenden Lichtbildern nicht mit Sicherheit entnehmen; die Frage bedarf aber jedenfalls deshalb keiner endgültigen Beantwortung, weil ein solches Straßengefälle nicht geeignet ist, das Vorhandensein der Teileinrichtung Entwässerung zu begründen. Für eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung i.S. der Satzung der Beklagten genügt es nicht, wenn die Erschließungsanlage keine eigenen oder nur unzureichende Entwässerungseinrichtungen aufweist, so dass das anfallende Straßenoberflächenwasser dem Gefälle folgend in das freie Gelände abfließt bzw. in einen Entwässerungsgraben gelangt (so bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1982 - 2 S 1254/81 - VBlBW 1983, 274; OVG NRW, Urteil vom 12.02.1998 - 3 A 176/93 - Juris; vgl. auch Reif, Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem BauGB, Rn. 4.7.3.1.3).
22 
2. Die Beitragsforderung der Beklagten ist hiervon ausgehend nicht verjährt. Die Forderungsverjährung, d.h. die Verjährung des Anspruchs der Beklagten auf Geltendmachung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitrags für das gewerblich genutzte Grundstück Flst. Nr. ... der Kläger tritt gemäß den über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO nach Ablauf von vier Jahren seit Ende des Kalenderjahres ein, in dem die Beitragsforderung entstanden ist. Die Frist begann unstreitig mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2003 zu laufen und wäre deshalb bei normalem Verlauf am 31.12.2007 abgelaufen gewesen. Der Ablauf dieser Frist ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens gehemmt.
23 
Wird ein Beitragsbescheid mit einem Widerspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Anfechtungsantrag unanfechtbar entscheiden worden, d.h. der Widerspruchsbescheid bestandskräftig geworden ist (§ 171 Abs. 3 a Satz 1 1. Hs. AO). Der den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmende Bescheid muss allerdings nicht nur rechtzeitig ergangen sein, d.h. er muss gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 AO (spätestens) vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen Behörde verlassen haben. Darüber hinaus muss der Bescheid wirksam werden und bis zur Fristwahrung auch wirksam bleiben. Wird er (vorher) mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, kann er nicht mehr auf die Festsetzungsverjährung einwirken. Der Erlass eines neuen Bescheids ist von diesem Zeitpunkt an ausgeschlossen. Ihm steht die Verjährung aber dann nicht entgegen, wenn gleichzeitig mit dem Erlass die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Hebt also die Behörde während eines Widerspruchs- oder eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Bescheid - unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheids wegen des betreffenden Anspruchs - mit Wirkung für die Zukunft auf, so steht dem ein etwaiger Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht entgegen. Denn der neue Bescheid ist noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (so im Ergebnis zutreffend Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., RdNr. 33 a; a.A. wohl BFH, Beschluss vom 10.05.2002 - VII B 244/01 - BFH/NV 2002, 1125).
24 
Danach hat der vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassene ursprüngliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 19.11.2007 und der (nahtlos) daran anknüpfende Beitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 zur Ablaufhemmung geführt. Im Einzelnen:
25 
a) Der Senat hat zunächst erwogen, das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2008, mit dem unter anderem die ursprüngliche Beitragserhebung vom 19.11.2007 in Höhe von 43.881,39 EUR zurückgenommen wurde, und die Neufestsetzung des Beitrags vom gleichen Tag in Höhe von 34.523,56 EUR als bloße Abänderung des ursprünglichen Beitragsbescheids und damit als im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgte Teilabhilfe zu bewerten. Bei einer solchen Reduzierung des - innerhalb der Festsetzungsfrist ergangenen - ursprünglichen Beitragsbescheids wäre dieser weiterhin wirksam und würde  - unproblematisch - den Ablauf der Verjährungsfrist hemmen. Eine entsprechende Auslegung der behördlichen Schreiben vom 23.06.2008 als Teilabhilfe ist hier jedoch nicht möglich.
26 
Abhilfe ist die (teilweise) Aufhebung des Verwaltungsakts als Antwort auf den Widerspruch. Rücknahme eines Verwaltungsakts erfolgt hingegen außerhalb des Vorverfahrens, führt aber zu dessen Erledigung. Vor diesem Hintergrund steht der Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 - NJW 2009, 2968) ein Wahlrecht zu. Dieses Wahlrecht hat die Beklagte ohne jeden vernünftigen Zweifel dahingehend ausgeübt, dass sie den ursprünglichen Beitragsbescheid zurückgenommen und einen neuen Bescheid über einen verminderten Erschließungsbeitrag erlassen hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Schreibens vom 23.06.2008 und zum anderen aus der Gestaltung des Beitragsbescheids vom gleichen Tag; dieser Bescheid knüpft mit keinem Wort an den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid an, vielmehr entspricht er in vollem Umfang einem Bescheid, mit dem erstmals für das betreffende Grundstück der Erschließungsbeitrag festgesetzt wird.
27 
b) Hat die Beklagte danach den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.2007 in vollem Umfang zurückgenommen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 130 AO), kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft erfolgt ist. Nach § 130 Abs. 1 AO kann der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc-Wirkung) oder die Zukunft (ex-nunc-Wirkung) zurückgenommen werden. Damit stellt die Vorschrift die Bestimmung der Rücknahme in zeitlicher Hinsicht in das Ermessen der Behörde. Denkbar ist auch eine Kombination dahingehend, dass Teile eines Bescheids mit Rückwirkung und Teile nur für die Zukunft aufgehoben werden. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
28 
Die Beklagte hat auf Grundlage ihres Schreibens vom 23.06.2008 der  Sache nach den festgesetzten Erschließungsbeitrag - im Hinblick auf eine Eckgrundstücksermäßigung einer nach ihrer Ansicht zusätzlich zu berücksichtigenden Erschließungsanlage - reduziert. Der ursprüngliche Erschließungsbeitrag betrug 43.881,39 EUR, im neuen Bescheid vom 23.06.2008 wurden 34.523,56 EUR und damit ein um 9.357,83 EUR reduzierter Beitrag festgesetzt. Bezüglich dieser Summe hat die Beklagte den ursprünglichen Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, weil sie bei der ursprünglichen Beitragsfestsetzung nach ihrer Auffassung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen war und deshalb die entsprechende (erhöhte) Beitragsfestsetzung von Anfang an rechtswidrig war. Soweit die Beklagte darüber hinaus im Schreiben vom 23.06.2008 den ursprünglichen Beitragsbescheid auch hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.523,56 EUR aufgehoben und unter gleichem Datum den Beitrag neu auf diesen Betrag festgesetzt hat, erfolgte die Rücknahme dagegen nur mit Wirkung für die Zukunft. Da die Rücknahme und die Neufestsetzung den Klägern - in einem Briefumschlag - gleichzeitig bekannt gemacht wurden, besteht die Wirkung der Ablaufhemmung durchgängig unverändert fort, d.h. die Festsetzungsfrist ist bislang nicht abgelaufen.
29 
aa) Maßgebend hierfür sind die folgenden Überlegungen: Bei der Auslegung der Erklärungen vom 23.06.2008 kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihnen gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt der Erklärungen verstehen würde. Die Erklärungen sind vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (hier: der Bescheide) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris sowie BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 141/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - IX R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010, aaO).
30 
bb) Die Kläger konnten unter Anlegung dieses Maßstabs nicht davon ausgehen, dass die Aufhebung des gesamten Beitragsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt und deshalb Verjährung der Beitragsforderung eingetreten ist. Zwar lässt sich dem Wortlaut der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 insoweit keine eindeutige Aussage entnehmen. Darin hat die Beklagte lediglich die Rücknahme ausgesprochen, ohne dies in zeitlicher Hinsicht näher zu erläutern. Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung spricht jedoch ganz entscheidend für eine teilweise Rücknahme der ursprünglichen Beitragsfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 29.03.2000 - II X ZR 297/98 - WM 2000, 1290). Im Zweifel ist deshalb gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327). Nur auf der Grundlage der getroffenen Auslegung hat der von der Beklagten unter dem 23.06.2008 neu erlassene Beitragsbescheid überhaupt einen rechtserheblichen Inhalt. Denn bei einer Rücknahme des ursprünglichen Beitragsbescheids vom 19.11.2007 mit Wirkung für die Vergangenheit in vollem Umfang wäre dieser unanfechtbar i.S.d. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO geworden. Damit hätte dieser mit seiner vollständigen Aufhebung seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme verloren. Bei Erlass des neuen Beitragsbescheids am 23.06.2008 wäre die in ihrem Ablauf als nicht gehemmt anzusehende Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, so dass der Bescheid von vornherein rechtswidrig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher der behördlichen Erklärung bzw. dem behördlichen Bescheid eine rechtliche Bedeutung zukommt, wenn diese(r) sich ansonsten als sinnlos erweisen würde (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen: BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2619).
31 
In diesem Sinne mussten auch die Kläger die behördliche Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen. Weder nach der Vorgeschichte noch den Begleitumständen bei der Bekanntgabe der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 konnten die Kläger davon ausgehen, sie würden wegen der Beitragsschuld überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das Rücknahmeschreiben und der neue Beitragsbescheid datierten vom gleichen Tag und wurden den Klägern im gleichen Briefumschlag bekannt gemacht. Bei einer Gesamtschau der behördlichen Erklärungen stand im Zeitpunkt des Zugangs außer Frage, dass die Beklagte im Hinblick auf den Widerspruch der Kläger die Festsetzung des Erschließungsbeitrags nicht vollständig aufheben, sondern den Beitrag lediglich reduzieren wollte. Dementsprechend konnten auch die Kläger nicht von der rechtlichen Sinnlosigkeit der behördlichen Erklärungen ausgehen.
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 5. Mai 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.523,56 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 zu Recht abgewiesen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
1. Im vorliegenden Fall finden noch die Vorschriften des Baugesetzbuches - und nicht die §§ 33 ff. KAG - Anwendung, weil die Beitragsschuld für das hier zu beurteilende Grundstück vor dem 01.10.2005 entstanden ist und der Erschließungsbeitrag - wie ausgeführt wird - noch erhoben werden kann (vgl. § 49 Abs. 7 KAG). Rechtsgrundlage des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids sind deshalb die §§ 127 ff. BauGB in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 06.10.1999. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung drängen sich dem Senat nicht auf, auch die Kläger haben insoweit keine Einwendungen erhoben.
20 
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass die hier zu beurteilende Anbaustraße bereits auf Grundlage des im Jahre 1969 vorgenommenen Ausbaus erschließungsbeitragsrechtlich erstmalig endgültig hergestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - DVBl. 1996, 379) ist eine Anbaustraße erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie (von der Berechenbarkeit des Aufwands abgesehen) erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und wenn diese dem satzungsmäßigen technischen Ausbauprogramm entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der von der Beklagten zugestandene Ausbau der Straße nicht zu deren endgültiger Herstellung geführt habe, da zum einen die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 14.06.1961 in ihrem § 7 Abs. 1 als Merkmal der endgültigen Herstellung u.a. eine Straßenentwässerung vorgesehen und zum anderen die in der Satzung vorgesehene Straßenentwässerung in der Erschließungsanlage ...-...-... ... (bis zum hier zu beurteilenden Ausbau im Jahre 2002) gefehlt habe. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
21 
Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die ...-...-... im Rahmen des Ausbaus im Jahre 1969 mit einer gewissen Neigung in östlicher Richtung hergestellt worden sei, damit das auf der Straße anfallende Wasser in den daneben liegenden Froschgraben „natürlich“ hätte abfließen können. Ob die Straße tatsächlich mit einem Gefälle ausgebaut wurde, lässt sich den dem Senat vorliegenden Lichtbildern nicht mit Sicherheit entnehmen; die Frage bedarf aber jedenfalls deshalb keiner endgültigen Beantwortung, weil ein solches Straßengefälle nicht geeignet ist, das Vorhandensein der Teileinrichtung Entwässerung zu begründen. Für eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung i.S. der Satzung der Beklagten genügt es nicht, wenn die Erschließungsanlage keine eigenen oder nur unzureichende Entwässerungseinrichtungen aufweist, so dass das anfallende Straßenoberflächenwasser dem Gefälle folgend in das freie Gelände abfließt bzw. in einen Entwässerungsgraben gelangt (so bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1982 - 2 S 1254/81 - VBlBW 1983, 274; OVG NRW, Urteil vom 12.02.1998 - 3 A 176/93 - Juris; vgl. auch Reif, Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem BauGB, Rn. 4.7.3.1.3).
22 
2. Die Beitragsforderung der Beklagten ist hiervon ausgehend nicht verjährt. Die Forderungsverjährung, d.h. die Verjährung des Anspruchs der Beklagten auf Geltendmachung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitrags für das gewerblich genutzte Grundstück Flst. Nr. ... der Kläger tritt gemäß den über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO nach Ablauf von vier Jahren seit Ende des Kalenderjahres ein, in dem die Beitragsforderung entstanden ist. Die Frist begann unstreitig mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2003 zu laufen und wäre deshalb bei normalem Verlauf am 31.12.2007 abgelaufen gewesen. Der Ablauf dieser Frist ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens gehemmt.
23 
Wird ein Beitragsbescheid mit einem Widerspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Anfechtungsantrag unanfechtbar entscheiden worden, d.h. der Widerspruchsbescheid bestandskräftig geworden ist (§ 171 Abs. 3 a Satz 1 1. Hs. AO). Der den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmende Bescheid muss allerdings nicht nur rechtzeitig ergangen sein, d.h. er muss gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 AO (spätestens) vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen Behörde verlassen haben. Darüber hinaus muss der Bescheid wirksam werden und bis zur Fristwahrung auch wirksam bleiben. Wird er (vorher) mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, kann er nicht mehr auf die Festsetzungsverjährung einwirken. Der Erlass eines neuen Bescheids ist von diesem Zeitpunkt an ausgeschlossen. Ihm steht die Verjährung aber dann nicht entgegen, wenn gleichzeitig mit dem Erlass die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Hebt also die Behörde während eines Widerspruchs- oder eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Bescheid - unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheids wegen des betreffenden Anspruchs - mit Wirkung für die Zukunft auf, so steht dem ein etwaiger Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht entgegen. Denn der neue Bescheid ist noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (so im Ergebnis zutreffend Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., RdNr. 33 a; a.A. wohl BFH, Beschluss vom 10.05.2002 - VII B 244/01 - BFH/NV 2002, 1125).
24 
Danach hat der vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassene ursprüngliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 19.11.2007 und der (nahtlos) daran anknüpfende Beitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 zur Ablaufhemmung geführt. Im Einzelnen:
25 
a) Der Senat hat zunächst erwogen, das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2008, mit dem unter anderem die ursprüngliche Beitragserhebung vom 19.11.2007 in Höhe von 43.881,39 EUR zurückgenommen wurde, und die Neufestsetzung des Beitrags vom gleichen Tag in Höhe von 34.523,56 EUR als bloße Abänderung des ursprünglichen Beitragsbescheids und damit als im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgte Teilabhilfe zu bewerten. Bei einer solchen Reduzierung des - innerhalb der Festsetzungsfrist ergangenen - ursprünglichen Beitragsbescheids wäre dieser weiterhin wirksam und würde  - unproblematisch - den Ablauf der Verjährungsfrist hemmen. Eine entsprechende Auslegung der behördlichen Schreiben vom 23.06.2008 als Teilabhilfe ist hier jedoch nicht möglich.
26 
Abhilfe ist die (teilweise) Aufhebung des Verwaltungsakts als Antwort auf den Widerspruch. Rücknahme eines Verwaltungsakts erfolgt hingegen außerhalb des Vorverfahrens, führt aber zu dessen Erledigung. Vor diesem Hintergrund steht der Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 - NJW 2009, 2968) ein Wahlrecht zu. Dieses Wahlrecht hat die Beklagte ohne jeden vernünftigen Zweifel dahingehend ausgeübt, dass sie den ursprünglichen Beitragsbescheid zurückgenommen und einen neuen Bescheid über einen verminderten Erschließungsbeitrag erlassen hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Schreibens vom 23.06.2008 und zum anderen aus der Gestaltung des Beitragsbescheids vom gleichen Tag; dieser Bescheid knüpft mit keinem Wort an den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid an, vielmehr entspricht er in vollem Umfang einem Bescheid, mit dem erstmals für das betreffende Grundstück der Erschließungsbeitrag festgesetzt wird.
27 
b) Hat die Beklagte danach den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.2007 in vollem Umfang zurückgenommen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 130 AO), kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft erfolgt ist. Nach § 130 Abs. 1 AO kann der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc-Wirkung) oder die Zukunft (ex-nunc-Wirkung) zurückgenommen werden. Damit stellt die Vorschrift die Bestimmung der Rücknahme in zeitlicher Hinsicht in das Ermessen der Behörde. Denkbar ist auch eine Kombination dahingehend, dass Teile eines Bescheids mit Rückwirkung und Teile nur für die Zukunft aufgehoben werden. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
28 
Die Beklagte hat auf Grundlage ihres Schreibens vom 23.06.2008 der  Sache nach den festgesetzten Erschließungsbeitrag - im Hinblick auf eine Eckgrundstücksermäßigung einer nach ihrer Ansicht zusätzlich zu berücksichtigenden Erschließungsanlage - reduziert. Der ursprüngliche Erschließungsbeitrag betrug 43.881,39 EUR, im neuen Bescheid vom 23.06.2008 wurden 34.523,56 EUR und damit ein um 9.357,83 EUR reduzierter Beitrag festgesetzt. Bezüglich dieser Summe hat die Beklagte den ursprünglichen Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, weil sie bei der ursprünglichen Beitragsfestsetzung nach ihrer Auffassung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen war und deshalb die entsprechende (erhöhte) Beitragsfestsetzung von Anfang an rechtswidrig war. Soweit die Beklagte darüber hinaus im Schreiben vom 23.06.2008 den ursprünglichen Beitragsbescheid auch hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.523,56 EUR aufgehoben und unter gleichem Datum den Beitrag neu auf diesen Betrag festgesetzt hat, erfolgte die Rücknahme dagegen nur mit Wirkung für die Zukunft. Da die Rücknahme und die Neufestsetzung den Klägern - in einem Briefumschlag - gleichzeitig bekannt gemacht wurden, besteht die Wirkung der Ablaufhemmung durchgängig unverändert fort, d.h. die Festsetzungsfrist ist bislang nicht abgelaufen.
29 
aa) Maßgebend hierfür sind die folgenden Überlegungen: Bei der Auslegung der Erklärungen vom 23.06.2008 kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihnen gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt der Erklärungen verstehen würde. Die Erklärungen sind vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (hier: der Bescheide) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris sowie BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 141/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - IX R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010, aaO).
30 
bb) Die Kläger konnten unter Anlegung dieses Maßstabs nicht davon ausgehen, dass die Aufhebung des gesamten Beitragsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt und deshalb Verjährung der Beitragsforderung eingetreten ist. Zwar lässt sich dem Wortlaut der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 insoweit keine eindeutige Aussage entnehmen. Darin hat die Beklagte lediglich die Rücknahme ausgesprochen, ohne dies in zeitlicher Hinsicht näher zu erläutern. Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung spricht jedoch ganz entscheidend für eine teilweise Rücknahme der ursprünglichen Beitragsfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 29.03.2000 - II X ZR 297/98 - WM 2000, 1290). Im Zweifel ist deshalb gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327). Nur auf der Grundlage der getroffenen Auslegung hat der von der Beklagten unter dem 23.06.2008 neu erlassene Beitragsbescheid überhaupt einen rechtserheblichen Inhalt. Denn bei einer Rücknahme des ursprünglichen Beitragsbescheids vom 19.11.2007 mit Wirkung für die Vergangenheit in vollem Umfang wäre dieser unanfechtbar i.S.d. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO geworden. Damit hätte dieser mit seiner vollständigen Aufhebung seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme verloren. Bei Erlass des neuen Beitragsbescheids am 23.06.2008 wäre die in ihrem Ablauf als nicht gehemmt anzusehende Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, so dass der Bescheid von vornherein rechtswidrig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher der behördlichen Erklärung bzw. dem behördlichen Bescheid eine rechtliche Bedeutung zukommt, wenn diese(r) sich ansonsten als sinnlos erweisen würde (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen: BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2619).
31 
In diesem Sinne mussten auch die Kläger die behördliche Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen. Weder nach der Vorgeschichte noch den Begleitumständen bei der Bekanntgabe der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 konnten die Kläger davon ausgehen, sie würden wegen der Beitragsschuld überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das Rücknahmeschreiben und der neue Beitragsbescheid datierten vom gleichen Tag und wurden den Klägern im gleichen Briefumschlag bekannt gemacht. Bei einer Gesamtschau der behördlichen Erklärungen stand im Zeitpunkt des Zugangs außer Frage, dass die Beklagte im Hinblick auf den Widerspruch der Kläger die Festsetzung des Erschließungsbeitrags nicht vollständig aufheben, sondern den Beitrag lediglich reduzieren wollte. Dementsprechend konnten auch die Kläger nicht von der rechtlichen Sinnlosigkeit der behördlichen Erklärungen ausgehen.
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 5. Mai 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.523,56 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 05. Mai 2011 - 2 S 2591/10 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 130 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. (2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich er

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 194/03 Verkündet am: 7. März 2005 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 - 5 K 2759/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtsz
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Feb. 2016 - 9 A 288/14

bei uns veröffentlicht am 29.02.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Feb. 2016 - 9 A 289/14

bei uns veröffentlicht am 29.02.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %

Referenzen

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 - 5 K 2759/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen.
Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken im Gebiet der Beklagten, auf denen sie u.a. ein Kalkwerk betreibt. Sie ist Rechtsnachfolgerin der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, die bis zum 27.12.2001 Eigentümerin dieser Grundstücke war.
Geschäftszweck der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ war die Herstellung und der Vertrieb von Baustoffen auf Kalkbasis, von Düngeprodukten sowie der Vertrieb, die Vermietung und Verleihung von technischen Geräten, insbesondere für die Bauwirtschaft. Die Gesellschaft wurde im Jahre 1970 als „... Fertigputz GmbH“ mit Sitz in ... gegründet. Sie übernahm das bereits seit einiger Zeit betriebene Kalkwerk, das am ..., einem Teil des ..., südwestlich der Ortslage von ... liegt.
Im Jahre 1993 wurde die „... Holding Verwaltungs-GmbH“ ebenfalls mit Sitz in ... gegründet. Ihre Firma wurde im Jahre 2000 auf „Heidelberger ... GmbH“ geändert. Diese hielt die Gesellschaftsanteile an der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“. Aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 28.08.2001 wurde die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ - gemeinsam mit weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe - auf die „Heidelberger ... GmbH“ verschmolzen. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister erfolgte am 27.12.2001. Die übernehmende Gesellschaft firmierte zunächst unverändert unter „Heidelberger ... GmbH“. Im Dezember 2002 wurde die Firma in „... Deutschland GmbH“ geändert. Die „... Deutschland GmbH“ wurde während des gerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrags vom 16.06.2009 schließlich auf die Klägerin als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. Die Eintragung erfolgte am 20.07.2009.
Die Beklagte leitete im Jahre 1997 ein Bebauungsplanverfahren für die Flächen des Kalkwerks ein. Der Bebauungsplan „...“ vom 13.11.2001 setzt für den Bereich des Kalkwerks ein Industriegebiet fest.
Die maßgeblichen Vorschriften der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (im Folgenden: AbwS) vom 13.11.2001 lauten wie folgt:
§3
Berechtigung und Verpflichtung zum Anschluss und zur Benutzung
        
(1) Die Eigentümer von Grundstücken, auf denen Abwasser anfällt, sind nach näherer Bestimmung dieser Satzung berechtigt und verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentlichen Abwasseranlagen anzuschließen, diese zu benutzen und das gesamte auf den Grundstücken anfallende Abwasser der Gemeinde im Rahmen des § 45 b Abs. 1 WG zu überlassen. …
§ 23
Gegenstand der Beitragspflicht
        
(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen.
(2) Wird ein Grundstück an die öffentlichen Abwasseranlagen tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind,
§ 24
Beitragsschuldner
        
(1) Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. …                                             
10 
§ 33
Entstehung der Beitragsschuld
        
(1) Die Beitragsschuld entsteht:
1. In den Fällen des § 23 Abs. 1, sobald das Grundstück an den öffentlichen Kanal angeschlossen werden kann.                                                    
2. In den Fällen des § 23 Abs. 2 mit dem Anschluss, frühesten jedoch mit dessen Genehmigung.
3. …
11 
Unter dem 14.12.2001 erließ die Beklagte für die anzuschließenden Grundstücke im Bebauungsplangebiet „...“ einen Vorausleistungsbescheid auf den Abwasserbeitrag in Höhe von 240.000,-- EUR, der an die damalige Eigentümerin, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, gerichtet war. Mit Schreiben vom 28.08.2002 teilte die Beklagte der Firma „Heidelberger ... GmbH“, die zu diesem Zeitpunkt Eigentümerin der Grundstücke im Bereich des Kalkwerks war, mit, nach Abschluss der Bauarbeiten sei der Anschluss ihrer Grundstücke an den öffentlichen Schmutzwasserkanal nun technisch möglich und es bestehe deshalb die Verpflichtung, die Grundstücke anzuschließen. Im Schreiben hieß es ferner: „Über die zu entrichtenden Beiträge werden Ihnen noch gesonderte Bescheide zugehen.“
12 
Mit zwei Bescheiden vom 27.12.2006 setzte die Beklagte für im Einzelnen aufgeführte Grundstücke des Kalkwerks Abwasserbeiträge in Höhe von insgesamt 1.004.000,45 EUR fest (931.801,05 EUR für „Flurstück-Nr. 3579 u.a.“ und 72.199,40 EUR für „Flurstück-Nr. 3671 u.a.“). Adressiert waren die Beitragsbescheide an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“. Die den Bescheiden jeweils als Anlage beigefügten Aufstellungen der einzelnen Grundstücke und der dazu gehörenden Bemessungsgrundlagen sind überschrieben mit „Flächen der ... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“.
13 
Gegen die Beitragsbescheide vom 27.12.2006 erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Firma „... Deutschland GmbH“, jeweils am 16.01.2007 mit der Begründung Widerspruch, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ sei im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr Grundstückseigentümerin gewesen und die Bescheide seien deshalb nicht an den richtigen Beitragsschuldner gerichtet. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007 wies das Landratsamt ...-... die Widersprüche mit der Begründung zurück, die Rechtsvorgängerin der Klägerin dürfe sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass die Bescheide fehlerhaft adressiert seien.
14 
Auf die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 19.12.2007 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 29.04.2009 die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 27.12.2006 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-... vom 23.11.2007 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide seien nicht an den richtigen Beitragsschuldner - nämlich den Eigentümer - gerichtet und daher rechtswidrig. Die an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ adressierten Beitragsbescheide könnten nicht dahin ausgelegt werden, dass die Rechtsnachfolgerin - die „... Deutschland GmbH“ - als Eigentümerin der Grundstücke Adressat der Bescheide sei. Die Bescheide seien nicht auslegungsfähig. Eine Auslegung komme nur dann in Betracht, wenn eine Regelung nicht eindeutig sei. Die Bescheide seien hier aber eindeutig an die Rechtsvorgängerin der „... Deutschland GmbH“ gerichtet. Dies sei geschehen, obwohl der Beklagten habe klar sein müssen, dass die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide nicht mehr existent gewesen sei. Diese Beurteilung werde durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gestützt. Danach seien Verwaltungsakte, die an einen durch Umwandlung erloschenen Rechtsträger ergangen seien, rechtswidrig, selbst wenn sie in den Machtbereich des Rechtsnachfolgers gelangt seien, von diesem zur Kenntnis genommen und als für diesen bestimmt behandelt worden seien. Insbesondere vor dem Hintergrund der Formstrenge im Abgabenrecht könnten Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid auch nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen habe. Vielmehr sei nach Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge der Abgabenbescheid an den Rechtsnachfolger zu richten. Die Beklagte könne dem nicht entgegenhalten, die „... Deutschland GmbH“ habe durch ihr Verhalten gegen Treu und Glauben verstoßen und sei deshalb als Adressat der Bescheide anzusehen. Es verstoße insbesondere nicht gegen Treu und Glauben, dass die „... Deutschland GmbH“ das Grundbuch nicht habe berichtigen lassen; der außerhalb des Grundbuchs vollzogene Eigentumswechsel sei nämlich im Handelsregister hinreichend dokumentiert.
15 
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 22.10.2009 zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Es dürfe nicht von der Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Beitragsbescheids ausgegangen werden, wenn sich im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der den Betroffenen bekannten Umstände ergebe, wer Adressat des Bescheids sei. Danach sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, die angefochtenen Bescheide seien nicht auslegungsfähig. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Bescheid auslegungsfähig sei, dürfe nicht lediglich das Adressfeld, sondern müsse der Bescheid in der Gesamtheit seines objektiven Erklärungsgehaltes betrachtet werden. Danach verwiesen aber die Bescheide gerade nicht mit Eindeutigkeit auf die Beitragsschuldnerschaft der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, sondern auch auf die „beitragspflichtigen Grundstücke“. Die deshalb vorzunehmende Auslegung ergebe, dass die Bescheide an die „... Deutschland GmbH“ gerichtet gewesen seien. Ihr sei als Rechtsnachfolgerin positiv bekannt gewesen, dass die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ zum Zeitpunkt des Erlasses der Beitragsbescheide am 27.12.2006 nicht mehr existiert habe. Ihr sei damit positiv bekannt gewesen, dass die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ nicht habe Beitragsschuldnerin sein können. Aufgrund des an die „Heidelberger ... GmbH“ gerichteten Schreibens vom 28.08.2002, in dem auf gesonderte Bescheide betreffend die zu entrichtenden Beiträge für die Grundstücke hingewiesen worden sei, sei dieser bekannt gewesen, dass sie als Grundstückseigentümerin Beitragsschuldnerin sei. Im Bescheid werde zudem auf eine Beitragsfestsetzung für konkrete Grundstücke verwiesen. Auch unter diesem Aspekt sei ihr bekannt gewesen, dass sie als Grundstückseigentümerin Beitragsschuldnerin sei. Da eine Auslegung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorzunehmen sei, sei schließlich zu berücksichtigen, dass die „... Deutschland GmbH“ auch Jahre nach der Verschmelzung das Grundbuch noch nicht habe ändern lassen.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 - 5 K 2759/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
18 
Die Klägerin beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend führt sie aus: Die angefochtenen Bescheide seien aufgrund ihres objektiven Erklärungsgehalts an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet. Diese Adressierung lasse keinerlei Raum für eine Auslegung, da jede Auslegung Unklarheit voraussetze. Die Bescheide vom 27.12.2006 seien aber nicht unklar, sondern falsch gewesen. Diese inhaltliche Unrichtigkeit könne nicht durch Auslegung berichtigt werden.
21 
Eine Auslegung sei auch deshalb nicht möglich, weil die Beklagte in der früheren Korrespondenz sehr genau und stets richtig zwischen den verschiedenen Gesellschaften zu unterscheiden gewusst habe, die in ihrer Firma den Firmenbestandteil „...“ geführt hätten. So sei das Schreiben vom 28.08.2002, mit dem die Beklagte die „Heidelberger ... GmbH“ zum Anschluss ihrer Grundstücke an den öffentlichen Schmutzwasserkanal aufgefordert habe, im Unterschied zu den angefochtenen Bescheiden zutreffend an den damaligen Grundstückseigentümer adressiert gewesen. Auch der - zuvor ergangene - Vorausleistungsbescheid vom 14.12.2001 sei eindeutig und der damaligen Eigentumslage entsprechend an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet worden. Angesichts dieser klaren Abfolge eines eindeutigen und zutreffend adressierten Vorausleistungsbescheids und eines ebenso eindeutigen und zutreffend adressierten Aufforderungsschreibens gebe es keinen Anlass, vom Wortlaut der Bescheide vom 27.12.2006 abzuweichen.
22 
Die Auslegung der angefochtenen Bescheide verbiete sich auch deshalb, weil die Beklagte die Bescheide bewusst und gewollt an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ und nicht an die „... Deutschland GmbH“ gerichtet habe. Denn sie sei der Auffassung gewesen, dass die Bescheide an den im Grundbuch als Grundstückseigentümer Eingetragenen zu richten seien. Damit entspreche auch der subjektive Erklärungswille exakt dem Erklärten. Im Übrigen habe es der Beklagten im Hinblick auf die „... Deutschland GmbH“ am Bekanntmachungswillen gefehlt. Die Beklagte habe die Bescheide gerade nicht der „... Deutschland GmbH“ bekannt geben wollen, sondern deren Rechtsvorgängerin.
23 
Dem Senat liegt die einschlägigen Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Anfechtungsklage abweisen müssen, denn die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 27.12.2006 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-... vom 23.11.2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.
25 
1. Die angegriffenen Abwasserbeitragsbescheide sind inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG). Aus den Bescheiden ergibt sich insbesondere eindeutig, gegen wen sie sich richten; danach schuldet die „... Deutschland GmbH“ die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren Rechtsvorgängerin, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“.
26 
a) Ein inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist grundsätzlich nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 125 AO nichtig. Eine inhaltliche Unbestimmtheit liegt jedoch nur dann vor, wenn sich etwaige dem Bescheid anhaftende Unklarheiten auch durch Auslegung nicht beheben lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt des Bescheides verstehen würde. Der Bescheid ist vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (des Bescheids) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (allgemeine Auffassung der Bundesgerichte, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; Urteil vom 25.02.1994 - 8 C 2.92 - KStZ 1995, 73; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 151/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids.
27 
Die Vorschrift des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG konkretisiert die Anforderungen, die § 119 Abs. 1 AO an die Bestimmtheit eines Abgabenbescheids stellt. Der Bescheid muss danach u.a. erkennen lassen, wer die Abgabe schuldet, und zwar mit solcher Deutlichkeit, dass Verwechslungen hinsichtlich des Abgabenschuldners ausgeschlossen sind. Auch im Hinblick auf den Abgabenschuldner gelten aber die dargestellten allgemeinen Regeln der Auslegung von Verwaltungsakten (BVerwG, Urteil vom 25.02.1994, aaO; BGH, Urteil vom 09.02.2006, aaO; BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005 - 4 ZKO 360/04 - ZKF 2005, 281). Es genügt deshalb, wenn sich der Adressat bei nicht richtiger Eintragung im Anschriftenfeld aus dem Bescheidinhalt insgesamt oder beigefügten Anlagen entnehmen lässt. Auch vorangegangene Bescheide und Schreiben zwischen den Beteiligten sowie die sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände sind bei der Auslegung heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 18.04.1997, aaO; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005, aaO). Für eine hinreichend bestimmte Bezeichnung des Inhaltsadressaten ist damit - auch bei fehlerhafter Eintragung im Anschriftenfeld - dessen sichere Identifizierung erforderlich und ausreichend; Formalismus ist nicht angebracht.
28 
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe musste sich die „... Deutschland GmbH“ (die Rechtsvorgängerin der Klägerin) als Inhaltsadressatin und damit als Schuldnerin ansehen. Die Beitragsbescheide führen zwar im Adressfeld die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ auf, die lediglich bis zum 27.12.2001 Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks war. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide konnte die „... Deutschland GmbH“ bzw. deren Organe die Bescheide entsprechend ihrem objektiven Verständnishorizont auf Grundlage der für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben aber nur so verstehen, dass nicht die schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtsträger nicht mehr existente „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, sondern sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte.
29 
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wusste, dass sie Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks ist und dass sie für diese nach der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (im Folgen: AbwS) vom 13.11.2001 beitragspflichtig geworden war, nachdem sie ihre Grundstücke - nach Anschluss der ... Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes „... ...“ - an den öffentlichen Abwasserkanal angeschlossen und ihre eigene Hauskläranlage stillgelegt hatte. Schließlich musste sie auch wissen, dass sich ihre grundsätzlich bestehende Beitragspflicht so verdichtet hatte, dass ihr gegenüber jederzeit die Beitragsbescheide erlassen werden konnten. Bereits aus dem noch an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als damalige Eigentümerin der Grundstücke gerichteten Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 14.12.2001 ergibt sich unzweifelhaft die Beitragspflicht der anzuschließenden Grundstücke des Kalkwerks. Aufgrund des Schreiben vom 28.08.2002, das die Beklagte nach erfolgter Verschmelzung und dem Erlöschen der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ in Übereinstimmung mit der Rechtslage an die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ gerichtet hatte, war für diese ferner offensichtlich, dass - nach der Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mit der „Heidelberger ... GmbH“ und dem daraus folgenden Erlöschen der Erstgenannten - nunmehr sie selbst für die Grundstücke des Kalkwerks beitragspflichtig geworden war und sie deshalb zukünftig zu den gesetzlichen Abwasserbeiträgen veranlagt würde; insoweit heißt es im Schreiben vom 28.08.2002 ausdrücklich, „über die zu entrichtenden Beiträge werden ihnen (d.h. der Rechtsvorgängerin der Klägerin) noch gesonderte Bescheide zugehen“.
30 
Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte und insbesondere der ihr seitens der Beklagten mitgeteilten Informationen musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin bei Erhalt der Bescheide vom 27.12.2006 „auf den ersten Blick“ von einer versehentlich fehlerhaften Adressierung der Bescheide durch die Beklagte ausgehen. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten die Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mitgeteilt hatte und sie auf der Grundlage des behördlichen Schreibens vom 28.08.2002 - das die Beklagte nach der Verschmelzung bereits an die neue Eigentümerin gerichtet hatte - auch von der Kenntnis der Beklagten über die neue Rechtslage und damit den richtigen Beitragsschuldner ausgehen musste, stellte sich aus ihrer Sicht die Sache als Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - dar. War es - mit anderen Worten - aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin so, dass die Beklagte schon seit Jahren Kenntnis vom Eigentum der „... Deutschland GmbH“ an den Grundstücken des Kalkwerks hatte und diese deshalb auch als beitragspflichtig ansah, so hatte die Behörde hier - zugespitzt formuliert - die richtige Person falsch, nicht aber die falsche Person richtig bezeichnet.
31 
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in dem Umstand, dass die im Adressfeld fehlerhaft angeführte „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ im Zeitpunkt der Beitragserhebung schon seit Jahren nicht mehr existent war und dies - wie oben dargelegt - nach objektivem Verständnishorizont auch der Beklagten bewusst gewesen sein musste. Mit Verschmelzungsvertrag vom 28.08.2001 und entsprechenden Gesellschafterversammlungsbeschlüssen vom selben Tag wurde die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ - gemeinsam mit weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe - auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ verschmolzen. Eine solche Verschmelzung von Gesellschaften im Sinne der §§ 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 4 ff UmwG führt dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Übernehmer übergeht. Eine gesonderte Einzelübertragung bestimmter Vermögensgegenstände ist danach grundsätzlich nicht erforderlich. Daher bedarf es z.B. für eine Grundstücksübertragung keiner Auflassung, das Eigentum geht vielmehr kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger über. Der übertragende Rechtsträger erlischt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ohne dass es einer besonderen Löschung oder einer speziellen Eintragung des Erlöschens bedarf. Der übertragende Rechtsträger ist damit als Rechtssubjekt nicht mehr existent (vgl. zum Ganzen: Simon in Dauner-Lieb/Simon, Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, § 2 Rdnrn. 30, 32, 36, 38; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl. § 20 Rdnr. 31). Aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin war demnach offensichtlich, dass im Dezember 2006 die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ nicht mehr beitragspflichtig sein konnte und deshalb ihre denkbare Inanspruchnahme ins Leere gehen würde. Aus ihrer Sicht waren diese Umstände der Behörde auch allesamt bekannt.
32 
In diesem Sinne hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25.02.1994 (aaO) einen fehlerhaft an eine Wohnungseigentümergemeinschaft - anstatt an die einzelnen Wohnungseigentümer - adressierten Abgabenbescheid als auslegungsfähig und damit als hinreichend bestimmt angesehen. Einer Auslegung stand nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, dass nach damaliger Rechtsauffassung die „Gemeinschaft“ der Wohnungseigentümer nicht rechtsfähig war und dementsprechend der Bescheid an eine nicht existente Rechtspersönlichkeit adressiert war (die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde erst mit Beschluss des BGH vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 - NJW 2005, 2061 - anerkannt); die fehlende Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sah das Bundesverwaltungsgericht vielmehr als ein Indiz dafür an, dass tatsächlich die einzelnen Wohnungseigentümer zur Abgabe herangezogen werden sollten.
33 
c) Keiner Beantwortung bedarf die Frage, ob eine Auslegung im genannten Sinne auch dann in Betracht gekommen wäre, wenn aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte - etwa aufgrund einer rechtlich fehlerhaften Beurteilung im Vorfeld der Beitragserhebung - bewusst und gewollt die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als Inhaltsadressaten bezeichnet hätte. Nach den Angaben des Sachbearbeiters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat dieser zwar die Bescheide bewusst deshalb an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet, weil diese nach Auskunft des Grundbuchamtes im Grundbuch noch als Eigentümerin der veranlagten Grundstücke eingetragen war; ein Versehen hinsichtlich des Inhaltsadressaten in Form eines Tipp- oder Computerfehlers lag damit tatsächlich nicht vor. Für die Auslegung kommt es jedoch gerade nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung tatsächlich gewollt hat. Entscheidend ist hier allein, dass aus der maßgeblichen Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Hinblick auf das behördliche Schreiben vom 28.08.2002, aus dem sich die Kenntnis der Beklagten über die geänderten Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken ergab, ein behördliches Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - vorliegen musste. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang weiter, dass die Beklagte bereits im Januar 2007 der Rechtsvorgängerin der Klägerin die näheren Umstände der „Falschadressierung“ offenlegte und erläuterte. Aus Umständen, die erst nach der Bekanntgabe oder Zustellung der auszulegenden Erklärung zutage treten, kann nichts für deren Verständnis hergeleitet werden.
34 
d) Auch der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Beitragsbescheide seien nicht auslegungsfähig, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht meint, die Adressierung - ... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH - sei eindeutig, und schließt daraus, dass eine Auslegung der Bescheide nicht in Betracht komme. Diese Auffassung verstößt gegen das sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot einer sich ausschließlich am Wortlaut orientierenden Interpretation. Mit seiner ausschließlich auf den Wortlaut abstellenden Sichtweise verkennt das Verwaltungsgericht, dass die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen lässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19.12.2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260; Urteil vom 08.12.1982 - IVa ZR 94/81 - NJW 1983, 672). Danach sind die Beitragsbescheide trotz der unrichtigen Eintragung im Adressfeld - wie oben bereits dargelegt - erkennbar an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichtet.
35 
e) Eine abweichende Einschätzung rechtfertigt auch nicht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam ist, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Hiervon ist der Bundesfinanzhof u.a. für den Fall ausgegangen, dass der Adressat des Verwaltungsakts eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Verwaltungsakts durch Umwandlung erloschen war und daher in diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte (vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110). Daran ist richtig, dass ein Abgabenbescheid dann nichtig ist, wenn sich bei der vorzunehmenden Auslegung nach objektivem Verständnishorizont die Inanspruchnahme einer durch Umwandlung erloschenen Gesellschaft und damit eines nicht mehr existierenden Abgabensubjekts ergibt. Eine solche Feststellung kann aber erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes und damit einer etwaigen fehlerhaften Bezeichnung des Adressaten getroffen werden.
36 
Gegen die vorgenommene Auslegung spricht ferner nicht der Umstand, dass die streitgegenständlichen Beitragsbescheide mit ihrer „unrichtigen“ Eintragung im Adressfeld die Grundlage für eine mögliche Zwangsvollstreckung der Beiträge gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin bilden. In Fällen, in denen - wie hier - der richtige Adressat eindeutig identifizierbar, aber falsch bezeichnet ist, besteht die Befugnis seitens der Behörde, die falsche Bezeichnung zu berichtigen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 14.10.1992 - II R 3/89 - BFH/NV 1993, 218; Urteil vom 26.06.1974 - II R 199/72 - BFHE 113, 90). Dies bedeutet keinen Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach die Bezeichnung der falschen Person als Abgabenschuldner im Abgabenbescheid im weiteren Verfahren nicht geheilt werden kann (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 15.12.1989 - 23 B 87.03459 - NVwZ-RR 1990, 393). Denn diese Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen als Abgabeschuldnern die falsche Person richtig, nicht aber Fälle, in denen - wie hier - die richtige Person falsch bezeichnet worden ist.
37 
f) Die Auslegung des Senats findet schließlich eine weitere Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Schuldtiteln und Pfändungsbeschlüssen (Urteil vom 21.12.1966 - VIII ZR 195/64 - NJW 1967, 821) und zur Umdeutung der Bezeichnung der Parteien in der Klageschrift (Urteile vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453 und vom 16.05.1983 - VIII ZR 34/82 - NJW 1983, 2448). Danach ist trotz unrichtiger oder ungenauer Parteibezeichnung grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden soll. Soweit der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang annimmt, diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht ohne weiteres auf einen Steuerbescheid übertragbar, in dem der Steuerschuldner unrichtig bezeichnet sei, verkennt er, dass der Rechtsprechung allgemein anerkannte Auslegungsregeln zugrunde liegen, die in allen Rechtsgebieten im Rechtsverkehr bei Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen (entsprechend § 133 BGB) gelten und die auch der Bundesfinanzhof bei der Auslegung von Verwaltungsakten für sich in Anspruch nimmt (Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985, aaO). Auch das Argument des Bundesfinanzhofs, dass an einen Steuerbescheid, was die Bezeichnung des Steuerschuldners anbelange, strengere Anforderungen zu stellen seien als an eine Klageschrift, weil der Bescheid einen unmittelbaren Eingriff der Staatsgewalt in die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Steuerschuldners darstelle, überzeugt nicht. Sowohl bei der Bezeichnung des Abgabenschuldners als auch bei der Bezeichnung der Parteien im Zivilprozess hat die Auslegung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten und Beachtung rechtsstaatlicher Bestimmtheitsanforderungen nach allgemeinen Regeln zu erfolgen, zumal Eingriffe in rechtlich geschützte Positionen im Zivilrecht gleichermaßen wie im Steuer- bzw. Abgabenrecht in Betracht kommen. Auch ein zivilgerichtliches Urteil, das verbindlich eine Rechtsfolge zugunsten der einen Partei und damit zu Lasten der anderen setzt und damit etwa einen Bürger rechtskräftig zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme verurteilt, stellt für den Betroffenen einen staatlichen Eingriff dar.
38 
2. Die Abwasserbeitragsbescheide sind der Rechtsvorgängerin der Klägerin ferner wirksam bekannt gegeben worden. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG verweist auch hierzu auf die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der vom ihm betroffen wird. Für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist, muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden. Es gelten dabei die gleichen Grundsätze, die auch für die Frage der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Verwaltungsakt (§ 119 Abs. 1 AO) und für die Frage, wer die Abgabe schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) heranzuziehen sind (Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 122 Rdnr. 4). Danach ist hier die Bekanntgabe an die „... Deutschland GmbH“ erfolgt.
39 
3. Einwendungen inhaltlicher Art gegen die Beitragsbescheide sind von der Klägerin nicht erhoben worden. Gegen die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen auch aus der Sicht des Senats keine Bedenken.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für ein Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.004.000,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Anfechtungsklage abweisen müssen, denn die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 27.12.2006 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-... vom 23.11.2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.
25 
1. Die angegriffenen Abwasserbeitragsbescheide sind inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG). Aus den Bescheiden ergibt sich insbesondere eindeutig, gegen wen sie sich richten; danach schuldet die „... Deutschland GmbH“ die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren Rechtsvorgängerin, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“.
26 
a) Ein inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist grundsätzlich nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 125 AO nichtig. Eine inhaltliche Unbestimmtheit liegt jedoch nur dann vor, wenn sich etwaige dem Bescheid anhaftende Unklarheiten auch durch Auslegung nicht beheben lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt des Bescheides verstehen würde. Der Bescheid ist vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (des Bescheids) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (allgemeine Auffassung der Bundesgerichte, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; Urteil vom 25.02.1994 - 8 C 2.92 - KStZ 1995, 73; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 151/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids.
27 
Die Vorschrift des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG konkretisiert die Anforderungen, die § 119 Abs. 1 AO an die Bestimmtheit eines Abgabenbescheids stellt. Der Bescheid muss danach u.a. erkennen lassen, wer die Abgabe schuldet, und zwar mit solcher Deutlichkeit, dass Verwechslungen hinsichtlich des Abgabenschuldners ausgeschlossen sind. Auch im Hinblick auf den Abgabenschuldner gelten aber die dargestellten allgemeinen Regeln der Auslegung von Verwaltungsakten (BVerwG, Urteil vom 25.02.1994, aaO; BGH, Urteil vom 09.02.2006, aaO; BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005 - 4 ZKO 360/04 - ZKF 2005, 281). Es genügt deshalb, wenn sich der Adressat bei nicht richtiger Eintragung im Anschriftenfeld aus dem Bescheidinhalt insgesamt oder beigefügten Anlagen entnehmen lässt. Auch vorangegangene Bescheide und Schreiben zwischen den Beteiligten sowie die sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände sind bei der Auslegung heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 18.04.1997, aaO; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005, aaO). Für eine hinreichend bestimmte Bezeichnung des Inhaltsadressaten ist damit - auch bei fehlerhafter Eintragung im Anschriftenfeld - dessen sichere Identifizierung erforderlich und ausreichend; Formalismus ist nicht angebracht.
28 
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe musste sich die „... Deutschland GmbH“ (die Rechtsvorgängerin der Klägerin) als Inhaltsadressatin und damit als Schuldnerin ansehen. Die Beitragsbescheide führen zwar im Adressfeld die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ auf, die lediglich bis zum 27.12.2001 Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks war. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide konnte die „... Deutschland GmbH“ bzw. deren Organe die Bescheide entsprechend ihrem objektiven Verständnishorizont auf Grundlage der für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben aber nur so verstehen, dass nicht die schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtsträger nicht mehr existente „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, sondern sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte.
29 
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wusste, dass sie Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks ist und dass sie für diese nach der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (im Folgen: AbwS) vom 13.11.2001 beitragspflichtig geworden war, nachdem sie ihre Grundstücke - nach Anschluss der ... Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes „... ...“ - an den öffentlichen Abwasserkanal angeschlossen und ihre eigene Hauskläranlage stillgelegt hatte. Schließlich musste sie auch wissen, dass sich ihre grundsätzlich bestehende Beitragspflicht so verdichtet hatte, dass ihr gegenüber jederzeit die Beitragsbescheide erlassen werden konnten. Bereits aus dem noch an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als damalige Eigentümerin der Grundstücke gerichteten Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 14.12.2001 ergibt sich unzweifelhaft die Beitragspflicht der anzuschließenden Grundstücke des Kalkwerks. Aufgrund des Schreiben vom 28.08.2002, das die Beklagte nach erfolgter Verschmelzung und dem Erlöschen der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ in Übereinstimmung mit der Rechtslage an die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ gerichtet hatte, war für diese ferner offensichtlich, dass - nach der Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mit der „Heidelberger ... GmbH“ und dem daraus folgenden Erlöschen der Erstgenannten - nunmehr sie selbst für die Grundstücke des Kalkwerks beitragspflichtig geworden war und sie deshalb zukünftig zu den gesetzlichen Abwasserbeiträgen veranlagt würde; insoweit heißt es im Schreiben vom 28.08.2002 ausdrücklich, „über die zu entrichtenden Beiträge werden ihnen (d.h. der Rechtsvorgängerin der Klägerin) noch gesonderte Bescheide zugehen“.
30 
Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte und insbesondere der ihr seitens der Beklagten mitgeteilten Informationen musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin bei Erhalt der Bescheide vom 27.12.2006 „auf den ersten Blick“ von einer versehentlich fehlerhaften Adressierung der Bescheide durch die Beklagte ausgehen. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten die Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mitgeteilt hatte und sie auf der Grundlage des behördlichen Schreibens vom 28.08.2002 - das die Beklagte nach der Verschmelzung bereits an die neue Eigentümerin gerichtet hatte - auch von der Kenntnis der Beklagten über die neue Rechtslage und damit den richtigen Beitragsschuldner ausgehen musste, stellte sich aus ihrer Sicht die Sache als Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - dar. War es - mit anderen Worten - aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin so, dass die Beklagte schon seit Jahren Kenntnis vom Eigentum der „... Deutschland GmbH“ an den Grundstücken des Kalkwerks hatte und diese deshalb auch als beitragspflichtig ansah, so hatte die Behörde hier - zugespitzt formuliert - die richtige Person falsch, nicht aber die falsche Person richtig bezeichnet.
31 
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in dem Umstand, dass die im Adressfeld fehlerhaft angeführte „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ im Zeitpunkt der Beitragserhebung schon seit Jahren nicht mehr existent war und dies - wie oben dargelegt - nach objektivem Verständnishorizont auch der Beklagten bewusst gewesen sein musste. Mit Verschmelzungsvertrag vom 28.08.2001 und entsprechenden Gesellschafterversammlungsbeschlüssen vom selben Tag wurde die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ - gemeinsam mit weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe - auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ verschmolzen. Eine solche Verschmelzung von Gesellschaften im Sinne der §§ 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 4 ff UmwG führt dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Übernehmer übergeht. Eine gesonderte Einzelübertragung bestimmter Vermögensgegenstände ist danach grundsätzlich nicht erforderlich. Daher bedarf es z.B. für eine Grundstücksübertragung keiner Auflassung, das Eigentum geht vielmehr kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger über. Der übertragende Rechtsträger erlischt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ohne dass es einer besonderen Löschung oder einer speziellen Eintragung des Erlöschens bedarf. Der übertragende Rechtsträger ist damit als Rechtssubjekt nicht mehr existent (vgl. zum Ganzen: Simon in Dauner-Lieb/Simon, Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, § 2 Rdnrn. 30, 32, 36, 38; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl. § 20 Rdnr. 31). Aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin war demnach offensichtlich, dass im Dezember 2006 die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ nicht mehr beitragspflichtig sein konnte und deshalb ihre denkbare Inanspruchnahme ins Leere gehen würde. Aus ihrer Sicht waren diese Umstände der Behörde auch allesamt bekannt.
32 
In diesem Sinne hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25.02.1994 (aaO) einen fehlerhaft an eine Wohnungseigentümergemeinschaft - anstatt an die einzelnen Wohnungseigentümer - adressierten Abgabenbescheid als auslegungsfähig und damit als hinreichend bestimmt angesehen. Einer Auslegung stand nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, dass nach damaliger Rechtsauffassung die „Gemeinschaft“ der Wohnungseigentümer nicht rechtsfähig war und dementsprechend der Bescheid an eine nicht existente Rechtspersönlichkeit adressiert war (die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde erst mit Beschluss des BGH vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 - NJW 2005, 2061 - anerkannt); die fehlende Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sah das Bundesverwaltungsgericht vielmehr als ein Indiz dafür an, dass tatsächlich die einzelnen Wohnungseigentümer zur Abgabe herangezogen werden sollten.
33 
c) Keiner Beantwortung bedarf die Frage, ob eine Auslegung im genannten Sinne auch dann in Betracht gekommen wäre, wenn aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte - etwa aufgrund einer rechtlich fehlerhaften Beurteilung im Vorfeld der Beitragserhebung - bewusst und gewollt die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als Inhaltsadressaten bezeichnet hätte. Nach den Angaben des Sachbearbeiters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat dieser zwar die Bescheide bewusst deshalb an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet, weil diese nach Auskunft des Grundbuchamtes im Grundbuch noch als Eigentümerin der veranlagten Grundstücke eingetragen war; ein Versehen hinsichtlich des Inhaltsadressaten in Form eines Tipp- oder Computerfehlers lag damit tatsächlich nicht vor. Für die Auslegung kommt es jedoch gerade nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung tatsächlich gewollt hat. Entscheidend ist hier allein, dass aus der maßgeblichen Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Hinblick auf das behördliche Schreiben vom 28.08.2002, aus dem sich die Kenntnis der Beklagten über die geänderten Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken ergab, ein behördliches Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - vorliegen musste. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang weiter, dass die Beklagte bereits im Januar 2007 der Rechtsvorgängerin der Klägerin die näheren Umstände der „Falschadressierung“ offenlegte und erläuterte. Aus Umständen, die erst nach der Bekanntgabe oder Zustellung der auszulegenden Erklärung zutage treten, kann nichts für deren Verständnis hergeleitet werden.
34 
d) Auch der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Beitragsbescheide seien nicht auslegungsfähig, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht meint, die Adressierung - ... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH - sei eindeutig, und schließt daraus, dass eine Auslegung der Bescheide nicht in Betracht komme. Diese Auffassung verstößt gegen das sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot einer sich ausschließlich am Wortlaut orientierenden Interpretation. Mit seiner ausschließlich auf den Wortlaut abstellenden Sichtweise verkennt das Verwaltungsgericht, dass die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen lässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19.12.2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260; Urteil vom 08.12.1982 - IVa ZR 94/81 - NJW 1983, 672). Danach sind die Beitragsbescheide trotz der unrichtigen Eintragung im Adressfeld - wie oben bereits dargelegt - erkennbar an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichtet.
35 
e) Eine abweichende Einschätzung rechtfertigt auch nicht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam ist, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Hiervon ist der Bundesfinanzhof u.a. für den Fall ausgegangen, dass der Adressat des Verwaltungsakts eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Verwaltungsakts durch Umwandlung erloschen war und daher in diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte (vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110). Daran ist richtig, dass ein Abgabenbescheid dann nichtig ist, wenn sich bei der vorzunehmenden Auslegung nach objektivem Verständnishorizont die Inanspruchnahme einer durch Umwandlung erloschenen Gesellschaft und damit eines nicht mehr existierenden Abgabensubjekts ergibt. Eine solche Feststellung kann aber erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes und damit einer etwaigen fehlerhaften Bezeichnung des Adressaten getroffen werden.
36 
Gegen die vorgenommene Auslegung spricht ferner nicht der Umstand, dass die streitgegenständlichen Beitragsbescheide mit ihrer „unrichtigen“ Eintragung im Adressfeld die Grundlage für eine mögliche Zwangsvollstreckung der Beiträge gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin bilden. In Fällen, in denen - wie hier - der richtige Adressat eindeutig identifizierbar, aber falsch bezeichnet ist, besteht die Befugnis seitens der Behörde, die falsche Bezeichnung zu berichtigen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 14.10.1992 - II R 3/89 - BFH/NV 1993, 218; Urteil vom 26.06.1974 - II R 199/72 - BFHE 113, 90). Dies bedeutet keinen Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach die Bezeichnung der falschen Person als Abgabenschuldner im Abgabenbescheid im weiteren Verfahren nicht geheilt werden kann (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 15.12.1989 - 23 B 87.03459 - NVwZ-RR 1990, 393). Denn diese Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen als Abgabeschuldnern die falsche Person richtig, nicht aber Fälle, in denen - wie hier - die richtige Person falsch bezeichnet worden ist.
37 
f) Die Auslegung des Senats findet schließlich eine weitere Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Schuldtiteln und Pfändungsbeschlüssen (Urteil vom 21.12.1966 - VIII ZR 195/64 - NJW 1967, 821) und zur Umdeutung der Bezeichnung der Parteien in der Klageschrift (Urteile vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453 und vom 16.05.1983 - VIII ZR 34/82 - NJW 1983, 2448). Danach ist trotz unrichtiger oder ungenauer Parteibezeichnung grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden soll. Soweit der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang annimmt, diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht ohne weiteres auf einen Steuerbescheid übertragbar, in dem der Steuerschuldner unrichtig bezeichnet sei, verkennt er, dass der Rechtsprechung allgemein anerkannte Auslegungsregeln zugrunde liegen, die in allen Rechtsgebieten im Rechtsverkehr bei Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen (entsprechend § 133 BGB) gelten und die auch der Bundesfinanzhof bei der Auslegung von Verwaltungsakten für sich in Anspruch nimmt (Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985, aaO). Auch das Argument des Bundesfinanzhofs, dass an einen Steuerbescheid, was die Bezeichnung des Steuerschuldners anbelange, strengere Anforderungen zu stellen seien als an eine Klageschrift, weil der Bescheid einen unmittelbaren Eingriff der Staatsgewalt in die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Steuerschuldners darstelle, überzeugt nicht. Sowohl bei der Bezeichnung des Abgabenschuldners als auch bei der Bezeichnung der Parteien im Zivilprozess hat die Auslegung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten und Beachtung rechtsstaatlicher Bestimmtheitsanforderungen nach allgemeinen Regeln zu erfolgen, zumal Eingriffe in rechtlich geschützte Positionen im Zivilrecht gleichermaßen wie im Steuer- bzw. Abgabenrecht in Betracht kommen. Auch ein zivilgerichtliches Urteil, das verbindlich eine Rechtsfolge zugunsten der einen Partei und damit zu Lasten der anderen setzt und damit etwa einen Bürger rechtskräftig zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme verurteilt, stellt für den Betroffenen einen staatlichen Eingriff dar.
38 
2. Die Abwasserbeitragsbescheide sind der Rechtsvorgängerin der Klägerin ferner wirksam bekannt gegeben worden. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG verweist auch hierzu auf die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der vom ihm betroffen wird. Für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist, muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden. Es gelten dabei die gleichen Grundsätze, die auch für die Frage der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Verwaltungsakt (§ 119 Abs. 1 AO) und für die Frage, wer die Abgabe schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) heranzuziehen sind (Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 122 Rdnr. 4). Danach ist hier die Bekanntgabe an die „... Deutschland GmbH“ erfolgt.
39 
3. Einwendungen inhaltlicher Art gegen die Beitragsbescheide sind von der Klägerin nicht erhoben worden. Gegen die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen auch aus der Sicht des Senats keine Bedenken.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für ein Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.004.000,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 358/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Preuß,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Ist bei einer Bürgschaft zugunsten Dritter von den in Betracht kommenden Gläubigern
einer bestimmt, während die anderen unbestimmt sind, kann die zugunsten
des bestimmten Gläubigers übernommene Bürgschaft wirksam sein (Ergänzung
von BGH, Urt. v. 31. Mai 1978 - VIII ZR 109/77, WM 1978, 1065).
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 358/00 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. Juni 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war Geschäftsführer derP. GmbH (i.f.: Schuldnerin ), die einen Baustoffhandel betrieb. Die Schuldnerin wurde von der W. AG & Co laufend mit Holz beliefert. Gegen Ausfälle an Forderungen aus den Lieferungen an die Schuldnerin war W. bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin (i.f. nur: Klägerin), einem Warenkreditversicherer, versichert.
Am 24. Juli 1995 reduzierte die Klägerin den für die Forderungen der W. gegen die Schuldnerin gewährten Versicherungsschutz von bisher 600.000 DM auf 300.000 DM.W. ermäßigte daraufhin das der Schuldnerin eingeräumte Warenkreditlimit auf 400.000 DM. Im Zuge von Verhandlungen
über eine Erhöhung des Limits unterzeichnete der Beklagte am 10. August 1995 eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Diese hat folgenden Wortlaut:
"Die ... (Klägerin) deckt im Rahmen von Kreditversicherungsverträgen mit verschiedenen Unternehmen (Versicherungsnehmern) Forderungen ... , welche letzteren gegen die Firma ... (Schuldnerin ) aufgrund von Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen unmittelbar oder durch Forderungsübergang zustehen. Ich, der Unterzeichnende ... (Beklagter) übernehme hiermit für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung aller Verbindlichkeiten, die der Schuldnerin gegenüber den bei der ... (Klägerin) versicherten Unternehmen aus den vorbezeichneten Geschäftsverbindungen im Rahmen der von der ... (Klägerin) gezeichneten Versicherungssummen obliegen und zukünftig obliegen werden, durch Erklärung der ... (Klägerin) gegenüber die selbstschuldnerische Bürgschaft ... Die Bürgschaft ist betragsmäßig befristet auf 500.000 DM."
Daraufhin erhöhte W. das Kreditlimit auf zunächst 500.000 DM, später auf 800.000 DM.
Nachdem die Klägerin im Rahmen einer Neuordnung ihrer Gesellschaftsstruktur im Jahre 1996 aufgelöst und neu gegründet worden war, unterzeichnete der Beklagte am 7. März 1997 eine neue Bürgschaftsurkunde, welche - mit dem gleichen Wortlaut - die vom 10. August 1995 ersetzte.
Am 1. März 1998 wurde über das Vermögen der Schuldnerin die Gesamtvollstreckung eröffnet. Zur Tabelle wurden Forderungen von W. in Höhe von 715.047,42 DM festgestellt.
Die Klägerin leistete an W. und nimmt nunmehr den Beklagten aus der Bürgschaft in Höhe eines Teilbetrages von 100.000 DM in Anspruch. Das Landgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Gläubiger der Hauptforderung (W. ) und der Bürgschaftsgläubiger (Klägerin) nicht identisch seien. Vor dem Oberlandesgericht hatte die Klägerin Erfolg. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Grundsatz der Gläubigeridentität stehe der Wirksamkeit der von dem Beklagten übernommenen Bürgschaft nicht entgegen. Diese sei eine solche zugunsten Dritter - nämlich der Versicherungsnehmer der Klägerin. Auch die Schriftform des § 766 BGB sei eingehalten. Die den Hauptinhalt der Bürgschaftsverpflichtung bildenden Bestandteile - insbesondere die Bezeichnung des Gläubigers - seien in der Bürgschaftsurkunde hinlänglich klar umrissen. Zwar ergebe sich daraus nicht unmittelbar, daß W. Gläubigerin sei. Es sei jedoch angegeben, daß der Gläubiger Versicherungsnehmer der Klägerin sein
müsse. Der Kreis der Versicherungsnehmer sei bestimmbar. Dazu gehöre auch W. .

II.


Das hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei eine solche zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin , wird von der Revision erfolglos angegriffen.

a) Bei der Bürgschaft müssen der Bürgschaftsgläubiger und der Gläubiger der gesicherten Forderung ein und dieselbe Person sein (BGHZ 115, 177, 183; BGH, Urt. v. 20. Oktober 1988 - IX ZR 47/87, WM 1988, 1883, 1885). Ist der Empfänger des Bürgschaftsversprechens nicht der Gläubiger der Hauptforderung , ist der Grundsatz der Gläubigeridentität nur gewahrt, wenn der Bürgschaftsvertrag zugunsten dieses Gläubigers abgeschlossen wird. Die rechtliche Möglichkeit eines Bürgschaftsvertrages zugunsten Dritter ist anerkannt (BGHZ 115, 177, 183; BGH, Urt. v. 11. Mai 1966 - VIII ZR 102/65, WM 1966, 859, 861; v. 3. Mai 1984 - IX ZR 37/83, WM 1984, 768, 769; v. 20. Oktober 1988 - IX ZR 47/87, aaO S. 1886).

b) Ob - wie die Revisionserwiderung meint - auch eine Auslegung des Bürgschaftsvertrages dahingehend möglich gewesen wäre, daß die Forderungen der Versicherungsnehmer erst nach Leistung der Versicherungssumme durch die Klägerin und Forderungsübergang auf diese (vgl. §§ 398, 401, 412 BGB; § 67 VVG) verbürgt sein sollten (§ 765 Abs. 2 BGB), kann offenbleiben. Denn die Auslegung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Bürgschaft
zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin übernommen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
aa) Das Berufungsgericht ist mit den Parteien davon ausgegangen, daß die Bürgschaft formularmäßig übernommen worden ist. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Da die Klägerin ersichtlich bundesweit tätig wird - sie hat ihren Sitz in Rheinland-Pfalz, die W. domiziliert in Baden-Württemberg und der Beklagte wohnt in Brandenburg -, ist davon auszugehen, daß das Bürgschaftsformular typische, in der Warenkreditversicherungsbranche weithin gebräuchliche Formulierungen enthält, die nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts verwendet werden. Demzufolge ist der Formularvertrag vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (vgl. BGHZ 121, 173, 178; BGH, Urt. v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, NJW 1999, 1105, 1106). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem Wortlaut und, falls dieser nicht eindeutig ist, nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urt. v. 17. Februar 1993 - VIII ZR 37/92, NJW 1993, 1381, 1382; v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, aaO).
bb) Der Wortlaut der Urkunde spricht eher für eine Bürgschaft zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin, steht einer derartigen Auslegung zumindest nicht entgegen. Daß die Erklärung "der ... (Klägerin) gegenüber" abgegeben wurde, besagt nicht zwingend, daß diese auch Bürgschaftsgläubigerin sein sollte. Gegebenenfalls hätte die Formulierung nahegelegen: "... übernehme der Klägerin gegenüber die selbstschuldnerische Bürgschaft". Wenn es statt dessen heißt: "... übernehme durch Erklärung der ... (Klägerin)
gegenüber ...", so kann dies darauf hindeuten, daß die Bürgschaftserklärung zwar gegenüber der Klägerin abzugeben war, diese also Vertragsschließende des Bürgschaftsvertrages sein sollte, daß daraus aber "die versicherten Unternehmen" berechtigt sein sollten.
cc) Für diese Auslegung läßt sich auch der Grundsatz anführen, daß im Zweifel gewollt ist, was vernünftig ist und der wohl verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243; Urt. v. 10. März 1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537, 1538). Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, Warenlieferanten, die ihren Kunden einen Warenkredit einräumten, der über eine Kreditversicherung abgesichert sei, hätten kein eigenes Interesse an einer zusätzlichen Absicherung durch eine Bürgschaft; an einer solchen Sicherheit interessiert sei vielmehr der Kreditversicherer , der ohne die Bürgschaft das Risiko tragen müsse, falls die Kunden nicht zahlten. Diese Erwägungen greifen zu kurz; mit ihnen allein läßt sich schwerlich begründen, daß im vorliegenden Fall die Bürgschaft gerade nicht zugunsten des Kreditversicherers, sondern zugunsten der Warenlieferanten übernommen worden ist. Nimmt man jedoch hinzu, was das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang angesprochen - letztlich aber offen gelassen - hat, daß der Kreditversicherer gemäß § 67 VVG, §§ 401, 412 BGB die Forderung des Warenlieferanten mitsamt einer dafür bestellten Bürgschaft erwirbt, wenn er diesen befriedigt, macht der Hinweis auf das Sicherungsinteresse des Kreditversicherers durchaus Sinn.
dd) Im übrigen enthalten die von der Klägerin vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung die folgende Bestimmung (§ 8 Ziff. 4):

"Um das Ausfallrisiko zu vermindern, ist der Versicherer berechtigt , aber nicht verpflichtet, im Namen des Versicherungsnehmers mit einzelnen seiner Kunden Vereinbarungen zur Absicherung der Forderungen zu treffen."
Die Klägerin hätte danach als Vertreterin ihres Versicherungsnehmers mit dessen Kunden eine Bürgschaft vereinbaren können. Dasselbe wirtschaftliche Ergebnis konnte sie erreichen, indem sie im eigenen Namen, aber zugunsten des Versicherungsnehmers die Bürgschaft vereinbarte.
2. Indes weist die Bürgschaftsurkunde den Bürgschaftsgläubiger nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit aus.

a) Die Bürgschaftsurkunde muß - neben der Erklärung, für fremde Schuld einzustehen, der Bezeichnung der verbürgten Hauptschuld und der Angabe des Hauptschuldners - auch den Gläubiger erkennen lassen (§§ 765, 766 BGB). Allerdings brauchen sich die genannten Bestandteile nicht schon aus dem Wortlaut der Urkunde zweifelsfrei zu ergeben. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung schadet nicht, sofern sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen. Dazu können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, falls sie in ihr einen zureichenden Anhalt haben (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448, 1449; v. 21. Januar 1993 - IX ZR 90/92, WM 1993, 544, 545; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, WM 1995, 900, 901; v. 17. Februar 2000 - IX ZR 32/99, WM 2000, 886, 887).

b) Weder ergibt sich die Gesamtheit der "versicherten Unternehmen", für welche die Klägerin die Bürgschaft vereinbart hat, aus der Bürgschaftsurkunde noch hat die Klägerin Umstände vorgetragen, aus denen im Wege der Auslegung mit der erforderlichen Sicherheit auf sämtliche Gläubiger geschlossen werden könnte. Sie hat geltend gemacht:
"Bei der Bürgschaft handelt es sich um eine Höchstbetragsbürgschaft , welche sich auf Forderungen der Versicherungsnehmer der Klägerin aus Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen gegen die ... (Schuldnerin) bezieht. Einer Auflistung der Versicherungsnehmer der Klägerin, welche in Geschäftsbeziehungen mit der ... (Schuldnerin) standen, bedurfte es deshalb nicht, weil der Beklagte als Geschäftsführer und damit Organvertreter der ... (Schuldnerin) selbst wissen konnte und wissen mußte, gegenüber welchen Vertragspartnern Verbindlichkeiten der ... (Schuldnerin) aus Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen bestanden bzw. noch begründet worden sind".
Aufgrund welcher Umstände der Beklagte wissen konnte, welche Lieferanten der Schuldnerin Versicherungsnehmer der Klägerin waren, ist nicht dargelegt. In die Versicherungsverhältnisse der Klägerin mit Baustoffhändlern hatte er keinen Einblick. Als Sicherheit für "W. und andere - unbekannte - Gläubiger" ist die Bürgschaft unbestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 1978 - VIII ZR 109/77, WM 1978, 1065, 1066; zustimmend Schmitz, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 91 Rn. 13; Lambsdorff/Skora, Handbuch des Bürgschaftsrechts 1994 Rn. 157).
Allerdings hat der Senat eine Bürgschaft "für alle nur irgendwie denkbaren Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ohne sachliche Begrenzung" nicht am Bestimmtheitserfordernis scheitern lassen (BGHZ 130, 19, 22). Mit einer derartigen "Globalbürgschaft" ist die hier in Rede stehende jedoch nicht ver-
gleichbar. Gesichert werden sollten hier nicht alle Gläubiger, sondern nur ein der näheren Bestimmung bedürftiger (aber - wie dargelegt - nicht bestimmter) Teil. Auch hat der Senat eine Bürgschaft, die von den Gesellschaftern einer Baubetreuungsgesellschaft gegenüber den noch zu werbenden, zunächst treuhänderisch vertretenen Mitgliedern einer Bauherrengemeinschaft für bestimmte Verpflichtungen der Gesellschaft aus den abzuschließenden Betreuungsverträgen übernommen worden war, für ausreichend bestimmt gehalten (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, aaO S. 1448 f.). Jener Fall war aber ebenfalls in entscheidenden Punkten anders gelagert: Dort war klar, daß Gläubiger alle sein sollten, die der Bauherrengemeinschaft entweder schon beigetreten waren oder noch beitreten würden. Ihre Anzahl war durch die Menge der im Rahmen des Bauvorhabens zu erstellenden Eigentums-Teileinheiten (31) begrenzt. Die äußerste zeitliche Schranke, bis zu der mögliche Bürgschaftsgläubiger der Bauherrengemeinschaft noch beitreten konnten, war deren Auflösung drei Monate nach Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens. Für die noch zu werbenden Mitglieder trat ein Treuhänder auf.
3. Im Streitfall war aus den Umständen, die zur Bürgschaftsübernahme führten, klar zu entnehmen, daß jedenfalls W. z u den bei der Klägerin versicherten Unternehmen gehörte und durch die Bürgschaft abgesichert sein sollte. In diesem Umfang ist die Bürgschaft hinreichend bestimmt (§ 765 Abs. 1 BGB) und der Formvorschrift des § 766 BGB genügt. Soweit sie sich allein auf W. bezieht, kann die Bürgschaft aufrechterhalten bleiben.

a) Anlaß für die Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten war eine Kürzung des Warenkredits seitens W. , die ihrerseits wiederum darauf zurückzuführen war, daß die Klägerin die Kreditversicherung für eben diesen
Warenkredit gekürzt hatte. Wie sich insbesondere aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Beklagten vom 11. August 1995 ergibt, sollte seine Bürgschaft zweierlei bewirken: zum einen sollte die Klägerin veranlaßt werden, den Versicherungsschutz der W. für deren Forderungen gegen die Hauptschuldnerin wieder auszudehnen, und zum anderen sollte die dadurch abgesicherte W. den der Hauptschuldnerin eingeräumten Warenkredit wieder erhöhen.

b) Ist von den mehreren Gläubigern einer bekannt, so kann die Bürgschaft zugunsten dieses Gläubigers - dessen Absicherung den Anlaß für die Verbürgung gegeben hat - wirksam sein.
aa) Freilich kann die Rechtsprechung zum "Anlaßkredit" auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Der Bundesgerichtshof hat im Wege der Klauselkontrolle (§ 9 AGBG) und einer Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung formularmäßige Globalbürgschaften - bei denen durch eine "weite Zweckerklärung" alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners gesichert werden sollten - in der Weise beschränkt, daß lediglich die Hauptschuld verbürgt wird, die den Anlaß für die Übernahme der Bürgschaft bildete (vgl. BGHZ 130, 19, 34 ff; 137, 153, 157 ff; 143, 95, 99). Im Streitfall geht es nicht um eine Klauselkontrolle (vgl. BGHZ 130, 19, 22). Ist der Kreis der zu sichernden Gläubiger teilweise unbestimmt, wird der Bürge dadurch , daß die Bürgschaft insoweit unwirksam ist, nicht unangemessen benachteiligt.
bb) Ist von den in Betracht kommenden Gläubigern einer bestimmt, während die anderen unbestimmt sind, kann die zugunsten des bestimmten Gläu-
bigers übernommene Bürgschaft nach § 139 BGB wirksam sein. Danach ist die Teilung eines einheitlichen Rechtsgeschäfts und dessen teilweise Aufrechterhaltung insbesondere dann möglich, wenn auf der einen Seite mehrere Personen beteiligt sind, der Nichtigkeitsgrund aber nur im Verhältnis zu einzelnen Personen vorliegt und der mutmaßliche Parteiwille darauf gerichtet ist, das Geschäft in bezug auf die anderen bestehen zu lassen (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 139 Rn. 11). Das ist namentlich für den Fall der Bürgschaftsübernahme durch Mitbürgen entschieden worden (RGZ 138, 270, 271 f.). Für die Verbürgung zugunsten mehrerer Gläubiger kann nichts anderes gelten. Der Bürge wird dadurch nicht benachteiligt, weil er an die Gläubiger, hinsichtlich deren die Bürgschaft aufrechterhalten bleibt, nicht mehr bezahlen muß als an alle in Betracht kommenden Gläubiger zusammen. Der Vertragspartner ist an der Teilwirksamkeit der Bürgschaft interessiert, weil so das Ziel des Vertragsschlusses wenigstens teilweise erreicht wird (vgl. auch Ganter WM 1998, 2081, 2088 zur Sicherungsübereignung einer Mehrheit von Sachen, von denen nur einzelne identifiziert werden können).
Kreft Richter am Bundesgerichtshof Richter am Bundesgerichtshof Stodolkowitz ist wegen urlaubs- Dr. Zugehör ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit ver- bedingter Ortsabwesenheit verhindert , seine Unterschrift beizu- hindert, seine Unterschrift beizufügen fügen Kreft Kreft Ganter Raebel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 194/03 Verkündet am:
7. März 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 C, Gh, 705, 730 ff.

a) Bei nach dem Wortlaut (scheinbar) widersprüchlichen Bestimmungen eines
Gesellschaftsvertrages (hier: Übernahmerecht, Abfindungs- und Mandantenschutzklausel
in einem Steuerberatungs-Sozietäts-Vertrag) ist einer Auslegung
der Vorzug zu geben, bei welcher jeder Vertragsnorm eine tatsächliche
Bedeutung zukommt, wenn sich die Regelungen ansonsten als ganz oder
teilweise sinnlos erweisen würden.

b) Erfüllt ein Gesellschafter nach seinem Ausscheiden eine vorher entstandene
Schuld der Gesellschaft (hier: Steuerschuld) ist der Erstattungsanspruch als
unselbständiger Rechnungsposten in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen.
BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 194/03 - OLG Hamm
LG Arnsberg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 7. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. April 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage des Beklagten abgewiesen worden ist.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Dem Rechtsstreit liegt eine Auseinandersetzung der Parteien über wechselseitige Ansprüche aus der Beendigung einer zwischen ihnen bestehenden Steuerberaterpraxis zugrunde.
Die Parteien haben sich mit Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zu dem gemeinsamen Betrieb einer Steuerberaterpraxis zusammengeschlossen
mit zuletzt hälftiger Gewinnbeteiligung. Im Februar/März 2001 warf der Beklagte der Klägerin eine Untreuehandlung vor. Im Hinblick auf diesen von der Klägerin bestrittenen Vorwurf hat der Beklagte der Klägerin am 13. Juli 2001 ein Schreiben übergeben, mit dem er für den 31. Juli 2001 eine Gesellschafterversammlung einberief mit dem Tagesordnungspunkt "Ausschließung der Gesellschafterin M.-H.". Dem angedrohten Ausschluß kam die Klägerin zuvor , indem sie mit Schreiben vom 27. Juli 2001 das Gesellschaftsverhältnis fristlos kündigte. Seit dem 31. Juli 2001 betreibt sie eine eigene Steuerberaterpraxis. Ebenfalls am 27. Juli 2001 schrieb sie die Mandanten der Gesellschaft an, wies auf die fristlose Kündigung und ihre neue Praxisanschrift hin und bot unter Beifügung einer Vollmacht an, weiterhin in steuerlichen Angelegenheiten zur Verfügung zu stehen.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage vom Beklagten die Erstattung von Zahlungen, die sie nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft auf deren Steuerschulden erbracht hat. Der Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Klägerin für Schäden, die ihm durch die seiner Ansicht nach unberechtigte fristlose Kündigung der Klägerin sowie die Mandantenmitnahme entstanden sind.
Das Landgericht hat der Klage und - in eingeschränktem Umfang - der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen und der Klage nur in Form der Feststellung, daß die gezahlten Beträge in die zu erstellende Auseinandersetzungsbilanz einzustellen seien, stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Widerklagebegehren weiter. Mit der Anschlußrevision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des ihrem Zahlungsantrag stattgebenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlußrevision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin nach ihrem Ausscheiden geleisteten Zahlungen unterlägen im Hinblick auf die zwischen den Parteien durchzuführende Auseinandersetzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Beziehungen einer Durchsetzungssperre. Die Leistungsklage sei in ein Feststellungsbegehren, die Forderung als unselbständigen Posten in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen, umzudeuten und in diesem Umfang begründet.
Die Widerklage sei unbegründet, da das Wettbewerbsverbot in § 7 des Sozietätsvertrages vom 27. Dezember 1991 im Hinblick auf die Regelung in § 20 Abs. 2 (d) des Vertrages unwirksam sei.
II. Zur Revision des Beklagten:
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abweisung der Widerklage halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den - in der Berufungsinstanz unstreitigen - Vortrag der Parteien, ihrem Vertragsverhältnis sei der Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zugrunde zu legen und nicht der irrtümlich vom Landgericht herangezogene Vertragsentwurf, unberücksichtigt lassen müssen.
Da unstreitiger neuer Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 18. November 2004 - XI ZR 229/03, NJW 2005, 291, 292 f. m.w.Nachw.), war das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gehalten, seiner Entscheidung den unstreitig das vertragliche Verhältnis der Parteien regelnden Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zugrunde zu legen.
2. Das Berufungsgericht durfte jedoch die Frage, ob der Beklagte die Übernahme der Gesellschaft erklärt hat, eine Möglichkeit, die ihm in § 16 Abs. 3 (d) des Sozietätsvertrages für den Fall der Kündigung einer zweigliedrigen Gesellschaft eröffnet ist, nicht unentschieden lassen. Denn nur im Fall der Übernahme kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Wettbewerbsverbots aus § 7 des Vertrages in Betracht. Liegt keine Übernahme vor, richtet sich die Auseinandersetzung der Parteien, bezogen auf die ehemals gemeinsamen Mandatsverhältnisse, nach § 21 des Sozietätsvertrages. Diese Regelung enthält kein Wettbewerbsverbot, sondern sieht in § 21 Abs. 3 vor, daß die Mandanten durch Rundschreiben aufzufordern sind mitzuteilen, mit welchem der Gesellschafter sie das Beratungsverhältnis fortzusetzen wünschen.

a) Hat der Beklagte die Übernahme erklärt, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verstoßes der Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot in § 7 des Vertrages grundsätzlich in Betracht. § 7 des Vertrages, der ein Wettbewerbsverbot in Form einer Mandantenschutzklausel enthält, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht wegen Widersprüchlichkeit zu § 20 Abs. 2 (d) des Vertrages unwirksam. § 7 enthält ein wirksames, nämlich ein in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreitendes (s. allg. zu diesen Anforderungen Sen.Urt. v. 8. Mai 2000 - II ZR 308/98, ZIP 2000,
1337, 1338 f.) vertragliches Wettbewerbsverbot. Deshalb kann ein auf die Verletzung von § 7 des Vertrages gestützter Schadensersatzanspruch nicht mit der vom Berufungsgericht herangezogenen Begründung abgelehnt werden.
aa) Zwar ist die Auslegung eines Vertrages grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st.Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 83). Gemessen hieran ist die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, da sie gegen wesentliche Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) verstößt.
bb) Da neuer Sachvortrag nicht zu erwarten ist und weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Vertragsbestimmungen selbst auslegen.
§ 7 des Vertrages trägt die Überschrift "Wettbewerbsverbot, Mandantenschutz" und lautet wie folgt:
"1. (a) Den Gesellschaftern ist es untersagt, sich außerhalb der Gesellschaft in deren Tätigkeitsbereich selbständig, unselbständig oder beratend zu betätigen, auch nicht gelegentlich oder mittelbar. ... (b) Das Wettbewerbsverbot endet zwei Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters. Es ist beschränkt auf den OFD-Bezirk und die Mandanten, die von der Gesellschaft laufend betreut werden oder in den letzten zwei Jahren vor dem Ausscheiden beraten wurden. ..."
§ 20 trägt die Überschrift "Abfindung" und lautet in Abs. 2 (d) wie folgt:
"Übernimmt der ausscheidende Gesellschafter Mandate der Gesellschaft - sei es aufgrund einverständlicher Regelung, sei es daß die Mandanten eine Fortsetzung des Mandats mit der Gesellschaft ablehnen und den Ausscheidenden zu beauftragen beabsichtigen - wird der nach Buchstabe c zu ermittelnde Wert der Mandate auf das Abfindungsguthaben angerechnet. ..." Bei seiner Auslegung hat das Berufungsgericht die gesetzlichen Regeln, wonach der objektive Sinn der Bestimmungen zu ermitteln ist, nur scheinbar beachtet. Es hat nicht genügend berücksichtigt, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, eine vertragliche Bestimmung solle nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt haben. Deshalb ist einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (Sen.Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, WM 1998, 1535, 1536). Ein sinnvolles Nebeneinander der beiden Regelungen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne weiteres möglich. Sieht - wie hier - § 20 die Zulässigkeit von Mandatsmitnahmen unter bestimmten Voraussetzungen vor, folgt daraus bei objektiver, beiderseits interessengerechter Auslegung zugleich, daß in diesen Fällen kein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 7 des Vertrages vorliegt. Erfüllt hingegen die Mandantenmitnahme die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 (d) nicht, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor. Warum eine derart sinnerhaltende Auslegung dem Parteiwillen nicht entsprechen sollte, ist nicht ersichtlich.

b) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält die Regelung in § 7 keine gemäß § 723 Abs. 3 BGB unzulässige Kündigungsbeschränkung. Es
handelt sich dabei nicht um eine Regelung, die dem fristlos Kündigenden vermögensrechtliche Verpflichtungen auferlegt, die im Ergebnis dazu führen, daß er nicht mehr frei entscheiden kann, ob er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht oder nicht (siehe hierzu BGHZ 126, 226, 230 f.). Mit der Regelung sind auch im Falle der fristlosen Kündigung keine unzumutbaren vermögensrechtlichen Verpflichtungen verbunden. Der Kündigende wird ausreichend geschützt einerseits durch den Abfindungsanspruch, in dessen Ermittlung der Wert der bei der Gesellschaft verbleibenden Mandate einfließt (§ 20 Abs. 2 (c) des Vertrages), andererseits dadurch, daß er einen darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen kann, wenn das Verhalten des oder der Mitgesellschafter ursächlich für seine fristlose Kündigung war (Sen.Urt. v. 16. Februar 1967 - II ZR 171/65, WM 1967, 419; MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 723 Rdn. 52 m.w.Nachw.).
bb) Angesichts der Wirksamkeit der Regelung in § 7 stünde dem auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots gestützten Schadensersatzanspruch des Beklagten der Einwand des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens entgegen, wenn er, wie die Klägerin behauptet, ihre Kündigung durch ein gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten verstoßendes Verhalten veranlaßt ("provoziert" ) hätte. Diese Möglichkeit ist, wie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit seinen Hilfserwägungen angedeutet hat, nicht ausgeschlossen. Hierzu sind weitere Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlich.
cc) Sollte nach ergänzender Sachaufklärung eine Übernahme der Gesellschaft durch den Beklagten nicht festgestellt werden können, kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen § 7 nicht in Betracht, da für diesen Fall in § 21 Abs. 3 des Vertrages eine Sonderregelung ohne Wettbewerbsverbot oder Mandantenschutzklausel zwischen den Parteien getroffen worden ist.
dd) Das Berufungsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter fristloser Kündigung seitens der Klägerin zusteht, da der Beklagte, wie die Revision zu Recht rügt, sein Schadensersatzbegehren auch auf diesen Gesichtspunkt der vertraglichen Treuepflichtverletzung gestützt hat. Bei dieser Prüfung wird es ebenfalls das vorausgegangene, die Kündigung der Klägerin auslösende Verhalten des Beklagten zu würdigen haben.
III. Zur Anschlußrevision der Klägerin:
Die Anschlußrevision ist zulässig aber unbegründet. Das Berufungsgericht ist zu Recht von dem Bestehen einer Durchsetzungssperre hinsichtlich der Erstattungsansprüche der Klägerin ausgegangen. Hiergegen wendet sich die Anschlußrevision ohne Erfolg.
1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 - II ZR 249/96, ZIP 1997, 2120) - was auch die Anschlußrevision nicht verkennt - davon aus, daß beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Durchsetzung einzelner Forderungen grundsätzlich ausgeschlossen ist, diese vielmehr lediglich unselbständige Posten in der zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz darstellen. Zwar gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos (siehe zu möglichen Ausnahmen Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 aaO S. 2121 m.w.Nachw.). Ein Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Anschlußrevision nicht vor. Diese will die Durchbrechung der Durchsetzungssperre damit begründen, daß die Auseinandersetzungsbilanz auf den - hier revisionsrechtlich mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Klägerin zu unterstellenden - Tag des Ausscheidens der Klägerin, den 31. Juli 2001, zu erstellen sei, die Zah-
lungen von der Klägerin jedoch erst Ende 2001 erbracht worden seien und daher in die Auseinandersetzungsbilanz nicht einzustellen seien.
2. Dem kann nicht gefolgt werden. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Leistung der Klägerin an, sondern darauf, daß die Klägerin mit der Zahlung eine Steuerschuld der Gesellschaft aus der Zeit vor ihrem Ausscheiden beglichen hat, für die sie ebenso wie der Beklagte haftet und die daher als aus dem Gesellschaftsvermögen zu berichtigende Schuld in der Auseinandersetzungsbilanz zu berücksichtigen ist. Ein Ausgleich der Zahlung außerhalb der Auseinandersetzungsbilanz würde möglicherweise - wenn z.B. das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden nicht ausreicht - dazu führen , daß die Klägerin zur Rückzahlung in Form des Verlustausgleichs verpflichtet wäre. Genau dieses Hin- und Herzahlen soll durch das Einstellen in die Bilanz vermieden werden.
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 - 5 K 2759/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen.
Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken im Gebiet der Beklagten, auf denen sie u.a. ein Kalkwerk betreibt. Sie ist Rechtsnachfolgerin der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, die bis zum 27.12.2001 Eigentümerin dieser Grundstücke war.
Geschäftszweck der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ war die Herstellung und der Vertrieb von Baustoffen auf Kalkbasis, von Düngeprodukten sowie der Vertrieb, die Vermietung und Verleihung von technischen Geräten, insbesondere für die Bauwirtschaft. Die Gesellschaft wurde im Jahre 1970 als „... Fertigputz GmbH“ mit Sitz in ... gegründet. Sie übernahm das bereits seit einiger Zeit betriebene Kalkwerk, das am ..., einem Teil des ..., südwestlich der Ortslage von ... liegt.
Im Jahre 1993 wurde die „... Holding Verwaltungs-GmbH“ ebenfalls mit Sitz in ... gegründet. Ihre Firma wurde im Jahre 2000 auf „Heidelberger ... GmbH“ geändert. Diese hielt die Gesellschaftsanteile an der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“. Aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 28.08.2001 wurde die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ - gemeinsam mit weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe - auf die „Heidelberger ... GmbH“ verschmolzen. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister erfolgte am 27.12.2001. Die übernehmende Gesellschaft firmierte zunächst unverändert unter „Heidelberger ... GmbH“. Im Dezember 2002 wurde die Firma in „... Deutschland GmbH“ geändert. Die „... Deutschland GmbH“ wurde während des gerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrags vom 16.06.2009 schließlich auf die Klägerin als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. Die Eintragung erfolgte am 20.07.2009.
Die Beklagte leitete im Jahre 1997 ein Bebauungsplanverfahren für die Flächen des Kalkwerks ein. Der Bebauungsplan „...“ vom 13.11.2001 setzt für den Bereich des Kalkwerks ein Industriegebiet fest.
Die maßgeblichen Vorschriften der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (im Folgenden: AbwS) vom 13.11.2001 lauten wie folgt:
§3
Berechtigung und Verpflichtung zum Anschluss und zur Benutzung
        
(1) Die Eigentümer von Grundstücken, auf denen Abwasser anfällt, sind nach näherer Bestimmung dieser Satzung berechtigt und verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentlichen Abwasseranlagen anzuschließen, diese zu benutzen und das gesamte auf den Grundstücken anfallende Abwasser der Gemeinde im Rahmen des § 45 b Abs. 1 WG zu überlassen. …
§ 23
Gegenstand der Beitragspflicht
        
(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen.
(2) Wird ein Grundstück an die öffentlichen Abwasseranlagen tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind,
§ 24
Beitragsschuldner
        
(1) Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. …                                             
10 
§ 33
Entstehung der Beitragsschuld
        
(1) Die Beitragsschuld entsteht:
1. In den Fällen des § 23 Abs. 1, sobald das Grundstück an den öffentlichen Kanal angeschlossen werden kann.                                                    
2. In den Fällen des § 23 Abs. 2 mit dem Anschluss, frühesten jedoch mit dessen Genehmigung.
3. …
11 
Unter dem 14.12.2001 erließ die Beklagte für die anzuschließenden Grundstücke im Bebauungsplangebiet „...“ einen Vorausleistungsbescheid auf den Abwasserbeitrag in Höhe von 240.000,-- EUR, der an die damalige Eigentümerin, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, gerichtet war. Mit Schreiben vom 28.08.2002 teilte die Beklagte der Firma „Heidelberger ... GmbH“, die zu diesem Zeitpunkt Eigentümerin der Grundstücke im Bereich des Kalkwerks war, mit, nach Abschluss der Bauarbeiten sei der Anschluss ihrer Grundstücke an den öffentlichen Schmutzwasserkanal nun technisch möglich und es bestehe deshalb die Verpflichtung, die Grundstücke anzuschließen. Im Schreiben hieß es ferner: „Über die zu entrichtenden Beiträge werden Ihnen noch gesonderte Bescheide zugehen.“
12 
Mit zwei Bescheiden vom 27.12.2006 setzte die Beklagte für im Einzelnen aufgeführte Grundstücke des Kalkwerks Abwasserbeiträge in Höhe von insgesamt 1.004.000,45 EUR fest (931.801,05 EUR für „Flurstück-Nr. 3579 u.a.“ und 72.199,40 EUR für „Flurstück-Nr. 3671 u.a.“). Adressiert waren die Beitragsbescheide an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“. Die den Bescheiden jeweils als Anlage beigefügten Aufstellungen der einzelnen Grundstücke und der dazu gehörenden Bemessungsgrundlagen sind überschrieben mit „Flächen der ... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“.
13 
Gegen die Beitragsbescheide vom 27.12.2006 erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Firma „... Deutschland GmbH“, jeweils am 16.01.2007 mit der Begründung Widerspruch, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ sei im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr Grundstückseigentümerin gewesen und die Bescheide seien deshalb nicht an den richtigen Beitragsschuldner gerichtet. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007 wies das Landratsamt ...-... die Widersprüche mit der Begründung zurück, die Rechtsvorgängerin der Klägerin dürfe sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass die Bescheide fehlerhaft adressiert seien.
14 
Auf die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 19.12.2007 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 29.04.2009 die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 27.12.2006 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-... vom 23.11.2007 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide seien nicht an den richtigen Beitragsschuldner - nämlich den Eigentümer - gerichtet und daher rechtswidrig. Die an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ adressierten Beitragsbescheide könnten nicht dahin ausgelegt werden, dass die Rechtsnachfolgerin - die „... Deutschland GmbH“ - als Eigentümerin der Grundstücke Adressat der Bescheide sei. Die Bescheide seien nicht auslegungsfähig. Eine Auslegung komme nur dann in Betracht, wenn eine Regelung nicht eindeutig sei. Die Bescheide seien hier aber eindeutig an die Rechtsvorgängerin der „... Deutschland GmbH“ gerichtet. Dies sei geschehen, obwohl der Beklagten habe klar sein müssen, dass die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide nicht mehr existent gewesen sei. Diese Beurteilung werde durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gestützt. Danach seien Verwaltungsakte, die an einen durch Umwandlung erloschenen Rechtsträger ergangen seien, rechtswidrig, selbst wenn sie in den Machtbereich des Rechtsnachfolgers gelangt seien, von diesem zur Kenntnis genommen und als für diesen bestimmt behandelt worden seien. Insbesondere vor dem Hintergrund der Formstrenge im Abgabenrecht könnten Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid auch nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen habe. Vielmehr sei nach Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge der Abgabenbescheid an den Rechtsnachfolger zu richten. Die Beklagte könne dem nicht entgegenhalten, die „... Deutschland GmbH“ habe durch ihr Verhalten gegen Treu und Glauben verstoßen und sei deshalb als Adressat der Bescheide anzusehen. Es verstoße insbesondere nicht gegen Treu und Glauben, dass die „... Deutschland GmbH“ das Grundbuch nicht habe berichtigen lassen; der außerhalb des Grundbuchs vollzogene Eigentumswechsel sei nämlich im Handelsregister hinreichend dokumentiert.
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Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 22.10.2009 zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Es dürfe nicht von der Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Beitragsbescheids ausgegangen werden, wenn sich im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der den Betroffenen bekannten Umstände ergebe, wer Adressat des Bescheids sei. Danach sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, die angefochtenen Bescheide seien nicht auslegungsfähig. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Bescheid auslegungsfähig sei, dürfe nicht lediglich das Adressfeld, sondern müsse der Bescheid in der Gesamtheit seines objektiven Erklärungsgehaltes betrachtet werden. Danach verwiesen aber die Bescheide gerade nicht mit Eindeutigkeit auf die Beitragsschuldnerschaft der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, sondern auch auf die „beitragspflichtigen Grundstücke“. Die deshalb vorzunehmende Auslegung ergebe, dass die Bescheide an die „... Deutschland GmbH“ gerichtet gewesen seien. Ihr sei als Rechtsnachfolgerin positiv bekannt gewesen, dass die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ zum Zeitpunkt des Erlasses der Beitragsbescheide am 27.12.2006 nicht mehr existiert habe. Ihr sei damit positiv bekannt gewesen, dass die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ nicht habe Beitragsschuldnerin sein können. Aufgrund des an die „Heidelberger ... GmbH“ gerichteten Schreibens vom 28.08.2002, in dem auf gesonderte Bescheide betreffend die zu entrichtenden Beiträge für die Grundstücke hingewiesen worden sei, sei dieser bekannt gewesen, dass sie als Grundstückseigentümerin Beitragsschuldnerin sei. Im Bescheid werde zudem auf eine Beitragsfestsetzung für konkrete Grundstücke verwiesen. Auch unter diesem Aspekt sei ihr bekannt gewesen, dass sie als Grundstückseigentümerin Beitragsschuldnerin sei. Da eine Auslegung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorzunehmen sei, sei schließlich zu berücksichtigen, dass die „... Deutschland GmbH“ auch Jahre nach der Verschmelzung das Grundbuch noch nicht habe ändern lassen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 - 5 K 2759/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend führt sie aus: Die angefochtenen Bescheide seien aufgrund ihres objektiven Erklärungsgehalts an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet. Diese Adressierung lasse keinerlei Raum für eine Auslegung, da jede Auslegung Unklarheit voraussetze. Die Bescheide vom 27.12.2006 seien aber nicht unklar, sondern falsch gewesen. Diese inhaltliche Unrichtigkeit könne nicht durch Auslegung berichtigt werden.
21 
Eine Auslegung sei auch deshalb nicht möglich, weil die Beklagte in der früheren Korrespondenz sehr genau und stets richtig zwischen den verschiedenen Gesellschaften zu unterscheiden gewusst habe, die in ihrer Firma den Firmenbestandteil „...“ geführt hätten. So sei das Schreiben vom 28.08.2002, mit dem die Beklagte die „Heidelberger ... GmbH“ zum Anschluss ihrer Grundstücke an den öffentlichen Schmutzwasserkanal aufgefordert habe, im Unterschied zu den angefochtenen Bescheiden zutreffend an den damaligen Grundstückseigentümer adressiert gewesen. Auch der - zuvor ergangene - Vorausleistungsbescheid vom 14.12.2001 sei eindeutig und der damaligen Eigentumslage entsprechend an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet worden. Angesichts dieser klaren Abfolge eines eindeutigen und zutreffend adressierten Vorausleistungsbescheids und eines ebenso eindeutigen und zutreffend adressierten Aufforderungsschreibens gebe es keinen Anlass, vom Wortlaut der Bescheide vom 27.12.2006 abzuweichen.
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Die Auslegung der angefochtenen Bescheide verbiete sich auch deshalb, weil die Beklagte die Bescheide bewusst und gewollt an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ und nicht an die „... Deutschland GmbH“ gerichtet habe. Denn sie sei der Auffassung gewesen, dass die Bescheide an den im Grundbuch als Grundstückseigentümer Eingetragenen zu richten seien. Damit entspreche auch der subjektive Erklärungswille exakt dem Erklärten. Im Übrigen habe es der Beklagten im Hinblick auf die „... Deutschland GmbH“ am Bekanntmachungswillen gefehlt. Die Beklagte habe die Bescheide gerade nicht der „... Deutschland GmbH“ bekannt geben wollen, sondern deren Rechtsvorgängerin.
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Dem Senat liegt die einschlägigen Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Anfechtungsklage abweisen müssen, denn die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 27.12.2006 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-... vom 23.11.2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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1. Die angegriffenen Abwasserbeitragsbescheide sind inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG). Aus den Bescheiden ergibt sich insbesondere eindeutig, gegen wen sie sich richten; danach schuldet die „... Deutschland GmbH“ die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren Rechtsvorgängerin, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“.
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a) Ein inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist grundsätzlich nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 125 AO nichtig. Eine inhaltliche Unbestimmtheit liegt jedoch nur dann vor, wenn sich etwaige dem Bescheid anhaftende Unklarheiten auch durch Auslegung nicht beheben lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt des Bescheides verstehen würde. Der Bescheid ist vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (des Bescheids) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (allgemeine Auffassung der Bundesgerichte, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; Urteil vom 25.02.1994 - 8 C 2.92 - KStZ 1995, 73; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 151/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids.
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Die Vorschrift des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG konkretisiert die Anforderungen, die § 119 Abs. 1 AO an die Bestimmtheit eines Abgabenbescheids stellt. Der Bescheid muss danach u.a. erkennen lassen, wer die Abgabe schuldet, und zwar mit solcher Deutlichkeit, dass Verwechslungen hinsichtlich des Abgabenschuldners ausgeschlossen sind. Auch im Hinblick auf den Abgabenschuldner gelten aber die dargestellten allgemeinen Regeln der Auslegung von Verwaltungsakten (BVerwG, Urteil vom 25.02.1994, aaO; BGH, Urteil vom 09.02.2006, aaO; BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005 - 4 ZKO 360/04 - ZKF 2005, 281). Es genügt deshalb, wenn sich der Adressat bei nicht richtiger Eintragung im Anschriftenfeld aus dem Bescheidinhalt insgesamt oder beigefügten Anlagen entnehmen lässt. Auch vorangegangene Bescheide und Schreiben zwischen den Beteiligten sowie die sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände sind bei der Auslegung heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 18.04.1997, aaO; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005, aaO). Für eine hinreichend bestimmte Bezeichnung des Inhaltsadressaten ist damit - auch bei fehlerhafter Eintragung im Anschriftenfeld - dessen sichere Identifizierung erforderlich und ausreichend; Formalismus ist nicht angebracht.
28 
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe musste sich die „... Deutschland GmbH“ (die Rechtsvorgängerin der Klägerin) als Inhaltsadressatin und damit als Schuldnerin ansehen. Die Beitragsbescheide führen zwar im Adressfeld die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ auf, die lediglich bis zum 27.12.2001 Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks war. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide konnte die „... Deutschland GmbH“ bzw. deren Organe die Bescheide entsprechend ihrem objektiven Verständnishorizont auf Grundlage der für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben aber nur so verstehen, dass nicht die schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtsträger nicht mehr existente „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, sondern sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte.
29 
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wusste, dass sie Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks ist und dass sie für diese nach der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (im Folgen: AbwS) vom 13.11.2001 beitragspflichtig geworden war, nachdem sie ihre Grundstücke - nach Anschluss der ... Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes „... ...“ - an den öffentlichen Abwasserkanal angeschlossen und ihre eigene Hauskläranlage stillgelegt hatte. Schließlich musste sie auch wissen, dass sich ihre grundsätzlich bestehende Beitragspflicht so verdichtet hatte, dass ihr gegenüber jederzeit die Beitragsbescheide erlassen werden konnten. Bereits aus dem noch an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als damalige Eigentümerin der Grundstücke gerichteten Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 14.12.2001 ergibt sich unzweifelhaft die Beitragspflicht der anzuschließenden Grundstücke des Kalkwerks. Aufgrund des Schreiben vom 28.08.2002, das die Beklagte nach erfolgter Verschmelzung und dem Erlöschen der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ in Übereinstimmung mit der Rechtslage an die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ gerichtet hatte, war für diese ferner offensichtlich, dass - nach der Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mit der „Heidelberger ... GmbH“ und dem daraus folgenden Erlöschen der Erstgenannten - nunmehr sie selbst für die Grundstücke des Kalkwerks beitragspflichtig geworden war und sie deshalb zukünftig zu den gesetzlichen Abwasserbeiträgen veranlagt würde; insoweit heißt es im Schreiben vom 28.08.2002 ausdrücklich, „über die zu entrichtenden Beiträge werden ihnen (d.h. der Rechtsvorgängerin der Klägerin) noch gesonderte Bescheide zugehen“.
30 
Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte und insbesondere der ihr seitens der Beklagten mitgeteilten Informationen musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin bei Erhalt der Bescheide vom 27.12.2006 „auf den ersten Blick“ von einer versehentlich fehlerhaften Adressierung der Bescheide durch die Beklagte ausgehen. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten die Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mitgeteilt hatte und sie auf der Grundlage des behördlichen Schreibens vom 28.08.2002 - das die Beklagte nach der Verschmelzung bereits an die neue Eigentümerin gerichtet hatte - auch von der Kenntnis der Beklagten über die neue Rechtslage und damit den richtigen Beitragsschuldner ausgehen musste, stellte sich aus ihrer Sicht die Sache als Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - dar. War es - mit anderen Worten - aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin so, dass die Beklagte schon seit Jahren Kenntnis vom Eigentum der „... Deutschland GmbH“ an den Grundstücken des Kalkwerks hatte und diese deshalb auch als beitragspflichtig ansah, so hatte die Behörde hier - zugespitzt formuliert - die richtige Person falsch, nicht aber die falsche Person richtig bezeichnet.
31 
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in dem Umstand, dass die im Adressfeld fehlerhaft angeführte „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ im Zeitpunkt der Beitragserhebung schon seit Jahren nicht mehr existent war und dies - wie oben dargelegt - nach objektivem Verständnishorizont auch der Beklagten bewusst gewesen sein musste. Mit Verschmelzungsvertrag vom 28.08.2001 und entsprechenden Gesellschafterversammlungsbeschlüssen vom selben Tag wurde die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ - gemeinsam mit weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe - auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ verschmolzen. Eine solche Verschmelzung von Gesellschaften im Sinne der §§ 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 4 ff UmwG führt dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Übernehmer übergeht. Eine gesonderte Einzelübertragung bestimmter Vermögensgegenstände ist danach grundsätzlich nicht erforderlich. Daher bedarf es z.B. für eine Grundstücksübertragung keiner Auflassung, das Eigentum geht vielmehr kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger über. Der übertragende Rechtsträger erlischt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ohne dass es einer besonderen Löschung oder einer speziellen Eintragung des Erlöschens bedarf. Der übertragende Rechtsträger ist damit als Rechtssubjekt nicht mehr existent (vgl. zum Ganzen: Simon in Dauner-Lieb/Simon, Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, § 2 Rdnrn. 30, 32, 36, 38; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl. § 20 Rdnr. 31). Aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin war demnach offensichtlich, dass im Dezember 2006 die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ nicht mehr beitragspflichtig sein konnte und deshalb ihre denkbare Inanspruchnahme ins Leere gehen würde. Aus ihrer Sicht waren diese Umstände der Behörde auch allesamt bekannt.
32 
In diesem Sinne hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25.02.1994 (aaO) einen fehlerhaft an eine Wohnungseigentümergemeinschaft - anstatt an die einzelnen Wohnungseigentümer - adressierten Abgabenbescheid als auslegungsfähig und damit als hinreichend bestimmt angesehen. Einer Auslegung stand nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, dass nach damaliger Rechtsauffassung die „Gemeinschaft“ der Wohnungseigentümer nicht rechtsfähig war und dementsprechend der Bescheid an eine nicht existente Rechtspersönlichkeit adressiert war (die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde erst mit Beschluss des BGH vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 - NJW 2005, 2061 - anerkannt); die fehlende Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sah das Bundesverwaltungsgericht vielmehr als ein Indiz dafür an, dass tatsächlich die einzelnen Wohnungseigentümer zur Abgabe herangezogen werden sollten.
33 
c) Keiner Beantwortung bedarf die Frage, ob eine Auslegung im genannten Sinne auch dann in Betracht gekommen wäre, wenn aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte - etwa aufgrund einer rechtlich fehlerhaften Beurteilung im Vorfeld der Beitragserhebung - bewusst und gewollt die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als Inhaltsadressaten bezeichnet hätte. Nach den Angaben des Sachbearbeiters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat dieser zwar die Bescheide bewusst deshalb an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet, weil diese nach Auskunft des Grundbuchamtes im Grundbuch noch als Eigentümerin der veranlagten Grundstücke eingetragen war; ein Versehen hinsichtlich des Inhaltsadressaten in Form eines Tipp- oder Computerfehlers lag damit tatsächlich nicht vor. Für die Auslegung kommt es jedoch gerade nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung tatsächlich gewollt hat. Entscheidend ist hier allein, dass aus der maßgeblichen Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Hinblick auf das behördliche Schreiben vom 28.08.2002, aus dem sich die Kenntnis der Beklagten über die geänderten Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken ergab, ein behördliches Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - vorliegen musste. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang weiter, dass die Beklagte bereits im Januar 2007 der Rechtsvorgängerin der Klägerin die näheren Umstände der „Falschadressierung“ offenlegte und erläuterte. Aus Umständen, die erst nach der Bekanntgabe oder Zustellung der auszulegenden Erklärung zutage treten, kann nichts für deren Verständnis hergeleitet werden.
34 
d) Auch der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Beitragsbescheide seien nicht auslegungsfähig, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht meint, die Adressierung - ... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH - sei eindeutig, und schließt daraus, dass eine Auslegung der Bescheide nicht in Betracht komme. Diese Auffassung verstößt gegen das sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot einer sich ausschließlich am Wortlaut orientierenden Interpretation. Mit seiner ausschließlich auf den Wortlaut abstellenden Sichtweise verkennt das Verwaltungsgericht, dass die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen lässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19.12.2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260; Urteil vom 08.12.1982 - IVa ZR 94/81 - NJW 1983, 672). Danach sind die Beitragsbescheide trotz der unrichtigen Eintragung im Adressfeld - wie oben bereits dargelegt - erkennbar an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichtet.
35 
e) Eine abweichende Einschätzung rechtfertigt auch nicht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam ist, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Hiervon ist der Bundesfinanzhof u.a. für den Fall ausgegangen, dass der Adressat des Verwaltungsakts eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Verwaltungsakts durch Umwandlung erloschen war und daher in diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte (vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110). Daran ist richtig, dass ein Abgabenbescheid dann nichtig ist, wenn sich bei der vorzunehmenden Auslegung nach objektivem Verständnishorizont die Inanspruchnahme einer durch Umwandlung erloschenen Gesellschaft und damit eines nicht mehr existierenden Abgabensubjekts ergibt. Eine solche Feststellung kann aber erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes und damit einer etwaigen fehlerhaften Bezeichnung des Adressaten getroffen werden.
36 
Gegen die vorgenommene Auslegung spricht ferner nicht der Umstand, dass die streitgegenständlichen Beitragsbescheide mit ihrer „unrichtigen“ Eintragung im Adressfeld die Grundlage für eine mögliche Zwangsvollstreckung der Beiträge gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin bilden. In Fällen, in denen - wie hier - der richtige Adressat eindeutig identifizierbar, aber falsch bezeichnet ist, besteht die Befugnis seitens der Behörde, die falsche Bezeichnung zu berichtigen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 14.10.1992 - II R 3/89 - BFH/NV 1993, 218; Urteil vom 26.06.1974 - II R 199/72 - BFHE 113, 90). Dies bedeutet keinen Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach die Bezeichnung der falschen Person als Abgabenschuldner im Abgabenbescheid im weiteren Verfahren nicht geheilt werden kann (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 15.12.1989 - 23 B 87.03459 - NVwZ-RR 1990, 393). Denn diese Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen als Abgabeschuldnern die falsche Person richtig, nicht aber Fälle, in denen - wie hier - die richtige Person falsch bezeichnet worden ist.
37 
f) Die Auslegung des Senats findet schließlich eine weitere Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Schuldtiteln und Pfändungsbeschlüssen (Urteil vom 21.12.1966 - VIII ZR 195/64 - NJW 1967, 821) und zur Umdeutung der Bezeichnung der Parteien in der Klageschrift (Urteile vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453 und vom 16.05.1983 - VIII ZR 34/82 - NJW 1983, 2448). Danach ist trotz unrichtiger oder ungenauer Parteibezeichnung grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden soll. Soweit der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang annimmt, diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht ohne weiteres auf einen Steuerbescheid übertragbar, in dem der Steuerschuldner unrichtig bezeichnet sei, verkennt er, dass der Rechtsprechung allgemein anerkannte Auslegungsregeln zugrunde liegen, die in allen Rechtsgebieten im Rechtsverkehr bei Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen (entsprechend § 133 BGB) gelten und die auch der Bundesfinanzhof bei der Auslegung von Verwaltungsakten für sich in Anspruch nimmt (Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985, aaO). Auch das Argument des Bundesfinanzhofs, dass an einen Steuerbescheid, was die Bezeichnung des Steuerschuldners anbelange, strengere Anforderungen zu stellen seien als an eine Klageschrift, weil der Bescheid einen unmittelbaren Eingriff der Staatsgewalt in die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Steuerschuldners darstelle, überzeugt nicht. Sowohl bei der Bezeichnung des Abgabenschuldners als auch bei der Bezeichnung der Parteien im Zivilprozess hat die Auslegung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten und Beachtung rechtsstaatlicher Bestimmtheitsanforderungen nach allgemeinen Regeln zu erfolgen, zumal Eingriffe in rechtlich geschützte Positionen im Zivilrecht gleichermaßen wie im Steuer- bzw. Abgabenrecht in Betracht kommen. Auch ein zivilgerichtliches Urteil, das verbindlich eine Rechtsfolge zugunsten der einen Partei und damit zu Lasten der anderen setzt und damit etwa einen Bürger rechtskräftig zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme verurteilt, stellt für den Betroffenen einen staatlichen Eingriff dar.
38 
2. Die Abwasserbeitragsbescheide sind der Rechtsvorgängerin der Klägerin ferner wirksam bekannt gegeben worden. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG verweist auch hierzu auf die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der vom ihm betroffen wird. Für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist, muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden. Es gelten dabei die gleichen Grundsätze, die auch für die Frage der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Verwaltungsakt (§ 119 Abs. 1 AO) und für die Frage, wer die Abgabe schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) heranzuziehen sind (Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 122 Rdnr. 4). Danach ist hier die Bekanntgabe an die „... Deutschland GmbH“ erfolgt.
39 
3. Einwendungen inhaltlicher Art gegen die Beitragsbescheide sind von der Klägerin nicht erhoben worden. Gegen die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen auch aus der Sicht des Senats keine Bedenken.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für ein Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.004.000,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Anfechtungsklage abweisen müssen, denn die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 27.12.2006 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-... vom 23.11.2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.
25 
1. Die angegriffenen Abwasserbeitragsbescheide sind inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG). Aus den Bescheiden ergibt sich insbesondere eindeutig, gegen wen sie sich richten; danach schuldet die „... Deutschland GmbH“ die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren Rechtsvorgängerin, die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“.
26 
a) Ein inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist grundsätzlich nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 125 AO nichtig. Eine inhaltliche Unbestimmtheit liegt jedoch nur dann vor, wenn sich etwaige dem Bescheid anhaftende Unklarheiten auch durch Auslegung nicht beheben lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt des Bescheides verstehen würde. Der Bescheid ist vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (des Bescheids) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (allgemeine Auffassung der Bundesgerichte, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; Urteil vom 25.02.1994 - 8 C 2.92 - KStZ 1995, 73; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 151/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids.
27 
Die Vorschrift des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG konkretisiert die Anforderungen, die § 119 Abs. 1 AO an die Bestimmtheit eines Abgabenbescheids stellt. Der Bescheid muss danach u.a. erkennen lassen, wer die Abgabe schuldet, und zwar mit solcher Deutlichkeit, dass Verwechslungen hinsichtlich des Abgabenschuldners ausgeschlossen sind. Auch im Hinblick auf den Abgabenschuldner gelten aber die dargestellten allgemeinen Regeln der Auslegung von Verwaltungsakten (BVerwG, Urteil vom 25.02.1994, aaO; BGH, Urteil vom 09.02.2006, aaO; BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005 - 4 ZKO 360/04 - ZKF 2005, 281). Es genügt deshalb, wenn sich der Adressat bei nicht richtiger Eintragung im Anschriftenfeld aus dem Bescheidinhalt insgesamt oder beigefügten Anlagen entnehmen lässt. Auch vorangegangene Bescheide und Schreiben zwischen den Beteiligten sowie die sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände sind bei der Auslegung heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 18.04.1997, aaO; Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2005, aaO). Für eine hinreichend bestimmte Bezeichnung des Inhaltsadressaten ist damit - auch bei fehlerhafter Eintragung im Anschriftenfeld - dessen sichere Identifizierung erforderlich und ausreichend; Formalismus ist nicht angebracht.
28 
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe musste sich die „... Deutschland GmbH“ (die Rechtsvorgängerin der Klägerin) als Inhaltsadressatin und damit als Schuldnerin ansehen. Die Beitragsbescheide führen zwar im Adressfeld die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ auf, die lediglich bis zum 27.12.2001 Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks war. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide konnte die „... Deutschland GmbH“ bzw. deren Organe die Bescheide entsprechend ihrem objektiven Verständnishorizont auf Grundlage der für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben aber nur so verstehen, dass nicht die schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtsträger nicht mehr existente „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“, sondern sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte.
29 
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wusste, dass sie Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks ist und dass sie für diese nach der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (im Folgen: AbwS) vom 13.11.2001 beitragspflichtig geworden war, nachdem sie ihre Grundstücke - nach Anschluss der ... Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes „... ...“ - an den öffentlichen Abwasserkanal angeschlossen und ihre eigene Hauskläranlage stillgelegt hatte. Schließlich musste sie auch wissen, dass sich ihre grundsätzlich bestehende Beitragspflicht so verdichtet hatte, dass ihr gegenüber jederzeit die Beitragsbescheide erlassen werden konnten. Bereits aus dem noch an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als damalige Eigentümerin der Grundstücke gerichteten Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 14.12.2001 ergibt sich unzweifelhaft die Beitragspflicht der anzuschließenden Grundstücke des Kalkwerks. Aufgrund des Schreiben vom 28.08.2002, das die Beklagte nach erfolgter Verschmelzung und dem Erlöschen der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ in Übereinstimmung mit der Rechtslage an die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ gerichtet hatte, war für diese ferner offensichtlich, dass - nach der Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mit der „Heidelberger ... GmbH“ und dem daraus folgenden Erlöschen der Erstgenannten - nunmehr sie selbst für die Grundstücke des Kalkwerks beitragspflichtig geworden war und sie deshalb zukünftig zu den gesetzlichen Abwasserbeiträgen veranlagt würde; insoweit heißt es im Schreiben vom 28.08.2002 ausdrücklich, „über die zu entrichtenden Beiträge werden ihnen (d.h. der Rechtsvorgängerin der Klägerin) noch gesonderte Bescheide zugehen“.
30 
Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte und insbesondere der ihr seitens der Beklagten mitgeteilten Informationen musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin bei Erhalt der Bescheide vom 27.12.2006 „auf den ersten Blick“ von einer versehentlich fehlerhaften Adressierung der Bescheide durch die Beklagte ausgehen. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten die Verschmelzung der „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ mitgeteilt hatte und sie auf der Grundlage des behördlichen Schreibens vom 28.08.2002 - das die Beklagte nach der Verschmelzung bereits an die neue Eigentümerin gerichtet hatte - auch von der Kenntnis der Beklagten über die neue Rechtslage und damit den richtigen Beitragsschuldner ausgehen musste, stellte sich aus ihrer Sicht die Sache als Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - dar. War es - mit anderen Worten - aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin so, dass die Beklagte schon seit Jahren Kenntnis vom Eigentum der „... Deutschland GmbH“ an den Grundstücken des Kalkwerks hatte und diese deshalb auch als beitragspflichtig ansah, so hatte die Behörde hier - zugespitzt formuliert - die richtige Person falsch, nicht aber die falsche Person richtig bezeichnet.
31 
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in dem Umstand, dass die im Adressfeld fehlerhaft angeführte „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ im Zeitpunkt der Beitragserhebung schon seit Jahren nicht mehr existent war und dies - wie oben dargelegt - nach objektivem Verständnishorizont auch der Beklagten bewusst gewesen sein musste. Mit Verschmelzungsvertrag vom 28.08.2001 und entsprechenden Gesellschafterversammlungsbeschlüssen vom selben Tag wurde die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ - gemeinsam mit weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe - auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter ihrer damaligen Firmierung „Heidelberger ... GmbH“ verschmolzen. Eine solche Verschmelzung von Gesellschaften im Sinne der §§ 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 4 ff UmwG führt dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Übernehmer übergeht. Eine gesonderte Einzelübertragung bestimmter Vermögensgegenstände ist danach grundsätzlich nicht erforderlich. Daher bedarf es z.B. für eine Grundstücksübertragung keiner Auflassung, das Eigentum geht vielmehr kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger über. Der übertragende Rechtsträger erlischt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ohne dass es einer besonderen Löschung oder einer speziellen Eintragung des Erlöschens bedarf. Der übertragende Rechtsträger ist damit als Rechtssubjekt nicht mehr existent (vgl. zum Ganzen: Simon in Dauner-Lieb/Simon, Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, § 2 Rdnrn. 30, 32, 36, 38; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl. § 20 Rdnr. 31). Aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin war demnach offensichtlich, dass im Dezember 2006 die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ nicht mehr beitragspflichtig sein konnte und deshalb ihre denkbare Inanspruchnahme ins Leere gehen würde. Aus ihrer Sicht waren diese Umstände der Behörde auch allesamt bekannt.
32 
In diesem Sinne hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25.02.1994 (aaO) einen fehlerhaft an eine Wohnungseigentümergemeinschaft - anstatt an die einzelnen Wohnungseigentümer - adressierten Abgabenbescheid als auslegungsfähig und damit als hinreichend bestimmt angesehen. Einer Auslegung stand nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, dass nach damaliger Rechtsauffassung die „Gemeinschaft“ der Wohnungseigentümer nicht rechtsfähig war und dementsprechend der Bescheid an eine nicht existente Rechtspersönlichkeit adressiert war (die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde erst mit Beschluss des BGH vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 - NJW 2005, 2061 - anerkannt); die fehlende Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sah das Bundesverwaltungsgericht vielmehr als ein Indiz dafür an, dass tatsächlich die einzelnen Wohnungseigentümer zur Abgabe herangezogen werden sollten.
33 
c) Keiner Beantwortung bedarf die Frage, ob eine Auslegung im genannten Sinne auch dann in Betracht gekommen wäre, wenn aus der Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte - etwa aufgrund einer rechtlich fehlerhaften Beurteilung im Vorfeld der Beitragserhebung - bewusst und gewollt die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ als Inhaltsadressaten bezeichnet hätte. Nach den Angaben des Sachbearbeiters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat dieser zwar die Bescheide bewusst deshalb an die „... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH“ gerichtet, weil diese nach Auskunft des Grundbuchamtes im Grundbuch noch als Eigentümerin der veranlagten Grundstücke eingetragen war; ein Versehen hinsichtlich des Inhaltsadressaten in Form eines Tipp- oder Computerfehlers lag damit tatsächlich nicht vor. Für die Auslegung kommt es jedoch gerade nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung tatsächlich gewollt hat. Entscheidend ist hier allein, dass aus der maßgeblichen Sicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Hinblick auf das behördliche Schreiben vom 28.08.2002, aus dem sich die Kenntnis der Beklagten über die geänderten Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken ergab, ein behördliches Versehen - vergleichbar einem Tipp- oder Computerfehler - vorliegen musste. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang weiter, dass die Beklagte bereits im Januar 2007 der Rechtsvorgängerin der Klägerin die näheren Umstände der „Falschadressierung“ offenlegte und erläuterte. Aus Umständen, die erst nach der Bekanntgabe oder Zustellung der auszulegenden Erklärung zutage treten, kann nichts für deren Verständnis hergeleitet werden.
34 
d) Auch der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Beitragsbescheide seien nicht auslegungsfähig, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht meint, die Adressierung - ... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH - sei eindeutig, und schließt daraus, dass eine Auslegung der Bescheide nicht in Betracht komme. Diese Auffassung verstößt gegen das sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot einer sich ausschließlich am Wortlaut orientierenden Interpretation. Mit seiner ausschließlich auf den Wortlaut abstellenden Sichtweise verkennt das Verwaltungsgericht, dass die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen lässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19.12.2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260; Urteil vom 08.12.1982 - IVa ZR 94/81 - NJW 1983, 672). Danach sind die Beitragsbescheide trotz der unrichtigen Eintragung im Adressfeld - wie oben bereits dargelegt - erkennbar an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichtet.
35 
e) Eine abweichende Einschätzung rechtfertigt auch nicht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam ist, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Hiervon ist der Bundesfinanzhof u.a. für den Fall ausgegangen, dass der Adressat des Verwaltungsakts eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Verwaltungsakts durch Umwandlung erloschen war und daher in diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte (vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - BFH/NV 2006, 1243; Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110). Daran ist richtig, dass ein Abgabenbescheid dann nichtig ist, wenn sich bei der vorzunehmenden Auslegung nach objektivem Verständnishorizont die Inanspruchnahme einer durch Umwandlung erloschenen Gesellschaft und damit eines nicht mehr existierenden Abgabensubjekts ergibt. Eine solche Feststellung kann aber erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes und damit einer etwaigen fehlerhaften Bezeichnung des Adressaten getroffen werden.
36 
Gegen die vorgenommene Auslegung spricht ferner nicht der Umstand, dass die streitgegenständlichen Beitragsbescheide mit ihrer „unrichtigen“ Eintragung im Adressfeld die Grundlage für eine mögliche Zwangsvollstreckung der Beiträge gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin bilden. In Fällen, in denen - wie hier - der richtige Adressat eindeutig identifizierbar, aber falsch bezeichnet ist, besteht die Befugnis seitens der Behörde, die falsche Bezeichnung zu berichtigen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 14.10.1992 - II R 3/89 - BFH/NV 1993, 218; Urteil vom 26.06.1974 - II R 199/72 - BFHE 113, 90). Dies bedeutet keinen Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach die Bezeichnung der falschen Person als Abgabenschuldner im Abgabenbescheid im weiteren Verfahren nicht geheilt werden kann (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 15.12.1989 - 23 B 87.03459 - NVwZ-RR 1990, 393). Denn diese Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen als Abgabeschuldnern die falsche Person richtig, nicht aber Fälle, in denen - wie hier - die richtige Person falsch bezeichnet worden ist.
37 
f) Die Auslegung des Senats findet schließlich eine weitere Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Schuldtiteln und Pfändungsbeschlüssen (Urteil vom 21.12.1966 - VIII ZR 195/64 - NJW 1967, 821) und zur Umdeutung der Bezeichnung der Parteien in der Klageschrift (Urteile vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453 und vom 16.05.1983 - VIII ZR 34/82 - NJW 1983, 2448). Danach ist trotz unrichtiger oder ungenauer Parteibezeichnung grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden soll. Soweit der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang annimmt, diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht ohne weiteres auf einen Steuerbescheid übertragbar, in dem der Steuerschuldner unrichtig bezeichnet sei, verkennt er, dass der Rechtsprechung allgemein anerkannte Auslegungsregeln zugrunde liegen, die in allen Rechtsgebieten im Rechtsverkehr bei Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen (entsprechend § 133 BGB) gelten und die auch der Bundesfinanzhof bei der Auslegung von Verwaltungsakten für sich in Anspruch nimmt (Beschluss des Großen Senats vom 21.10.1985, aaO). Auch das Argument des Bundesfinanzhofs, dass an einen Steuerbescheid, was die Bezeichnung des Steuerschuldners anbelange, strengere Anforderungen zu stellen seien als an eine Klageschrift, weil der Bescheid einen unmittelbaren Eingriff der Staatsgewalt in die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Steuerschuldners darstelle, überzeugt nicht. Sowohl bei der Bezeichnung des Abgabenschuldners als auch bei der Bezeichnung der Parteien im Zivilprozess hat die Auslegung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten und Beachtung rechtsstaatlicher Bestimmtheitsanforderungen nach allgemeinen Regeln zu erfolgen, zumal Eingriffe in rechtlich geschützte Positionen im Zivilrecht gleichermaßen wie im Steuer- bzw. Abgabenrecht in Betracht kommen. Auch ein zivilgerichtliches Urteil, das verbindlich eine Rechtsfolge zugunsten der einen Partei und damit zu Lasten der anderen setzt und damit etwa einen Bürger rechtskräftig zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme verurteilt, stellt für den Betroffenen einen staatlichen Eingriff dar.
38 
2. Die Abwasserbeitragsbescheide sind der Rechtsvorgängerin der Klägerin ferner wirksam bekannt gegeben worden. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG verweist auch hierzu auf die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der vom ihm betroffen wird. Für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist, muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden. Es gelten dabei die gleichen Grundsätze, die auch für die Frage der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Verwaltungsakt (§ 119 Abs. 1 AO) und für die Frage, wer die Abgabe schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) heranzuziehen sind (Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 122 Rdnr. 4). Danach ist hier die Bekanntgabe an die „... Deutschland GmbH“ erfolgt.
39 
3. Einwendungen inhaltlicher Art gegen die Beitragsbescheide sind von der Klägerin nicht erhoben worden. Gegen die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen auch aus der Sicht des Senats keine Bedenken.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für ein Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.004.000,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 358/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Preuß,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Ist bei einer Bürgschaft zugunsten Dritter von den in Betracht kommenden Gläubigern
einer bestimmt, während die anderen unbestimmt sind, kann die zugunsten
des bestimmten Gläubigers übernommene Bürgschaft wirksam sein (Ergänzung
von BGH, Urt. v. 31. Mai 1978 - VIII ZR 109/77, WM 1978, 1065).
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 358/00 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. Juni 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war Geschäftsführer derP. GmbH (i.f.: Schuldnerin ), die einen Baustoffhandel betrieb. Die Schuldnerin wurde von der W. AG & Co laufend mit Holz beliefert. Gegen Ausfälle an Forderungen aus den Lieferungen an die Schuldnerin war W. bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin (i.f. nur: Klägerin), einem Warenkreditversicherer, versichert.
Am 24. Juli 1995 reduzierte die Klägerin den für die Forderungen der W. gegen die Schuldnerin gewährten Versicherungsschutz von bisher 600.000 DM auf 300.000 DM.W. ermäßigte daraufhin das der Schuldnerin eingeräumte Warenkreditlimit auf 400.000 DM. Im Zuge von Verhandlungen
über eine Erhöhung des Limits unterzeichnete der Beklagte am 10. August 1995 eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Diese hat folgenden Wortlaut:
"Die ... (Klägerin) deckt im Rahmen von Kreditversicherungsverträgen mit verschiedenen Unternehmen (Versicherungsnehmern) Forderungen ... , welche letzteren gegen die Firma ... (Schuldnerin ) aufgrund von Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen unmittelbar oder durch Forderungsübergang zustehen. Ich, der Unterzeichnende ... (Beklagter) übernehme hiermit für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung aller Verbindlichkeiten, die der Schuldnerin gegenüber den bei der ... (Klägerin) versicherten Unternehmen aus den vorbezeichneten Geschäftsverbindungen im Rahmen der von der ... (Klägerin) gezeichneten Versicherungssummen obliegen und zukünftig obliegen werden, durch Erklärung der ... (Klägerin) gegenüber die selbstschuldnerische Bürgschaft ... Die Bürgschaft ist betragsmäßig befristet auf 500.000 DM."
Daraufhin erhöhte W. das Kreditlimit auf zunächst 500.000 DM, später auf 800.000 DM.
Nachdem die Klägerin im Rahmen einer Neuordnung ihrer Gesellschaftsstruktur im Jahre 1996 aufgelöst und neu gegründet worden war, unterzeichnete der Beklagte am 7. März 1997 eine neue Bürgschaftsurkunde, welche - mit dem gleichen Wortlaut - die vom 10. August 1995 ersetzte.
Am 1. März 1998 wurde über das Vermögen der Schuldnerin die Gesamtvollstreckung eröffnet. Zur Tabelle wurden Forderungen von W. in Höhe von 715.047,42 DM festgestellt.
Die Klägerin leistete an W. und nimmt nunmehr den Beklagten aus der Bürgschaft in Höhe eines Teilbetrages von 100.000 DM in Anspruch. Das Landgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Gläubiger der Hauptforderung (W. ) und der Bürgschaftsgläubiger (Klägerin) nicht identisch seien. Vor dem Oberlandesgericht hatte die Klägerin Erfolg. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Grundsatz der Gläubigeridentität stehe der Wirksamkeit der von dem Beklagten übernommenen Bürgschaft nicht entgegen. Diese sei eine solche zugunsten Dritter - nämlich der Versicherungsnehmer der Klägerin. Auch die Schriftform des § 766 BGB sei eingehalten. Die den Hauptinhalt der Bürgschaftsverpflichtung bildenden Bestandteile - insbesondere die Bezeichnung des Gläubigers - seien in der Bürgschaftsurkunde hinlänglich klar umrissen. Zwar ergebe sich daraus nicht unmittelbar, daß W. Gläubigerin sei. Es sei jedoch angegeben, daß der Gläubiger Versicherungsnehmer der Klägerin sein
müsse. Der Kreis der Versicherungsnehmer sei bestimmbar. Dazu gehöre auch W. .

II.


Das hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei eine solche zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin , wird von der Revision erfolglos angegriffen.

a) Bei der Bürgschaft müssen der Bürgschaftsgläubiger und der Gläubiger der gesicherten Forderung ein und dieselbe Person sein (BGHZ 115, 177, 183; BGH, Urt. v. 20. Oktober 1988 - IX ZR 47/87, WM 1988, 1883, 1885). Ist der Empfänger des Bürgschaftsversprechens nicht der Gläubiger der Hauptforderung , ist der Grundsatz der Gläubigeridentität nur gewahrt, wenn der Bürgschaftsvertrag zugunsten dieses Gläubigers abgeschlossen wird. Die rechtliche Möglichkeit eines Bürgschaftsvertrages zugunsten Dritter ist anerkannt (BGHZ 115, 177, 183; BGH, Urt. v. 11. Mai 1966 - VIII ZR 102/65, WM 1966, 859, 861; v. 3. Mai 1984 - IX ZR 37/83, WM 1984, 768, 769; v. 20. Oktober 1988 - IX ZR 47/87, aaO S. 1886).

b) Ob - wie die Revisionserwiderung meint - auch eine Auslegung des Bürgschaftsvertrages dahingehend möglich gewesen wäre, daß die Forderungen der Versicherungsnehmer erst nach Leistung der Versicherungssumme durch die Klägerin und Forderungsübergang auf diese (vgl. §§ 398, 401, 412 BGB; § 67 VVG) verbürgt sein sollten (§ 765 Abs. 2 BGB), kann offenbleiben. Denn die Auslegung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Bürgschaft
zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin übernommen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
aa) Das Berufungsgericht ist mit den Parteien davon ausgegangen, daß die Bürgschaft formularmäßig übernommen worden ist. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Da die Klägerin ersichtlich bundesweit tätig wird - sie hat ihren Sitz in Rheinland-Pfalz, die W. domiziliert in Baden-Württemberg und der Beklagte wohnt in Brandenburg -, ist davon auszugehen, daß das Bürgschaftsformular typische, in der Warenkreditversicherungsbranche weithin gebräuchliche Formulierungen enthält, die nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts verwendet werden. Demzufolge ist der Formularvertrag vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (vgl. BGHZ 121, 173, 178; BGH, Urt. v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, NJW 1999, 1105, 1106). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem Wortlaut und, falls dieser nicht eindeutig ist, nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urt. v. 17. Februar 1993 - VIII ZR 37/92, NJW 1993, 1381, 1382; v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, aaO).
bb) Der Wortlaut der Urkunde spricht eher für eine Bürgschaft zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin, steht einer derartigen Auslegung zumindest nicht entgegen. Daß die Erklärung "der ... (Klägerin) gegenüber" abgegeben wurde, besagt nicht zwingend, daß diese auch Bürgschaftsgläubigerin sein sollte. Gegebenenfalls hätte die Formulierung nahegelegen: "... übernehme der Klägerin gegenüber die selbstschuldnerische Bürgschaft". Wenn es statt dessen heißt: "... übernehme durch Erklärung der ... (Klägerin)
gegenüber ...", so kann dies darauf hindeuten, daß die Bürgschaftserklärung zwar gegenüber der Klägerin abzugeben war, diese also Vertragsschließende des Bürgschaftsvertrages sein sollte, daß daraus aber "die versicherten Unternehmen" berechtigt sein sollten.
cc) Für diese Auslegung läßt sich auch der Grundsatz anführen, daß im Zweifel gewollt ist, was vernünftig ist und der wohl verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243; Urt. v. 10. März 1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537, 1538). Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, Warenlieferanten, die ihren Kunden einen Warenkredit einräumten, der über eine Kreditversicherung abgesichert sei, hätten kein eigenes Interesse an einer zusätzlichen Absicherung durch eine Bürgschaft; an einer solchen Sicherheit interessiert sei vielmehr der Kreditversicherer , der ohne die Bürgschaft das Risiko tragen müsse, falls die Kunden nicht zahlten. Diese Erwägungen greifen zu kurz; mit ihnen allein läßt sich schwerlich begründen, daß im vorliegenden Fall die Bürgschaft gerade nicht zugunsten des Kreditversicherers, sondern zugunsten der Warenlieferanten übernommen worden ist. Nimmt man jedoch hinzu, was das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang angesprochen - letztlich aber offen gelassen - hat, daß der Kreditversicherer gemäß § 67 VVG, §§ 401, 412 BGB die Forderung des Warenlieferanten mitsamt einer dafür bestellten Bürgschaft erwirbt, wenn er diesen befriedigt, macht der Hinweis auf das Sicherungsinteresse des Kreditversicherers durchaus Sinn.
dd) Im übrigen enthalten die von der Klägerin vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung die folgende Bestimmung (§ 8 Ziff. 4):

"Um das Ausfallrisiko zu vermindern, ist der Versicherer berechtigt , aber nicht verpflichtet, im Namen des Versicherungsnehmers mit einzelnen seiner Kunden Vereinbarungen zur Absicherung der Forderungen zu treffen."
Die Klägerin hätte danach als Vertreterin ihres Versicherungsnehmers mit dessen Kunden eine Bürgschaft vereinbaren können. Dasselbe wirtschaftliche Ergebnis konnte sie erreichen, indem sie im eigenen Namen, aber zugunsten des Versicherungsnehmers die Bürgschaft vereinbarte.
2. Indes weist die Bürgschaftsurkunde den Bürgschaftsgläubiger nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit aus.

a) Die Bürgschaftsurkunde muß - neben der Erklärung, für fremde Schuld einzustehen, der Bezeichnung der verbürgten Hauptschuld und der Angabe des Hauptschuldners - auch den Gläubiger erkennen lassen (§§ 765, 766 BGB). Allerdings brauchen sich die genannten Bestandteile nicht schon aus dem Wortlaut der Urkunde zweifelsfrei zu ergeben. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung schadet nicht, sofern sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen. Dazu können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, falls sie in ihr einen zureichenden Anhalt haben (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448, 1449; v. 21. Januar 1993 - IX ZR 90/92, WM 1993, 544, 545; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, WM 1995, 900, 901; v. 17. Februar 2000 - IX ZR 32/99, WM 2000, 886, 887).

b) Weder ergibt sich die Gesamtheit der "versicherten Unternehmen", für welche die Klägerin die Bürgschaft vereinbart hat, aus der Bürgschaftsurkunde noch hat die Klägerin Umstände vorgetragen, aus denen im Wege der Auslegung mit der erforderlichen Sicherheit auf sämtliche Gläubiger geschlossen werden könnte. Sie hat geltend gemacht:
"Bei der Bürgschaft handelt es sich um eine Höchstbetragsbürgschaft , welche sich auf Forderungen der Versicherungsnehmer der Klägerin aus Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen gegen die ... (Schuldnerin) bezieht. Einer Auflistung der Versicherungsnehmer der Klägerin, welche in Geschäftsbeziehungen mit der ... (Schuldnerin) standen, bedurfte es deshalb nicht, weil der Beklagte als Geschäftsführer und damit Organvertreter der ... (Schuldnerin) selbst wissen konnte und wissen mußte, gegenüber welchen Vertragspartnern Verbindlichkeiten der ... (Schuldnerin) aus Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen bestanden bzw. noch begründet worden sind".
Aufgrund welcher Umstände der Beklagte wissen konnte, welche Lieferanten der Schuldnerin Versicherungsnehmer der Klägerin waren, ist nicht dargelegt. In die Versicherungsverhältnisse der Klägerin mit Baustoffhändlern hatte er keinen Einblick. Als Sicherheit für "W. und andere - unbekannte - Gläubiger" ist die Bürgschaft unbestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 1978 - VIII ZR 109/77, WM 1978, 1065, 1066; zustimmend Schmitz, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 91 Rn. 13; Lambsdorff/Skora, Handbuch des Bürgschaftsrechts 1994 Rn. 157).
Allerdings hat der Senat eine Bürgschaft "für alle nur irgendwie denkbaren Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ohne sachliche Begrenzung" nicht am Bestimmtheitserfordernis scheitern lassen (BGHZ 130, 19, 22). Mit einer derartigen "Globalbürgschaft" ist die hier in Rede stehende jedoch nicht ver-
gleichbar. Gesichert werden sollten hier nicht alle Gläubiger, sondern nur ein der näheren Bestimmung bedürftiger (aber - wie dargelegt - nicht bestimmter) Teil. Auch hat der Senat eine Bürgschaft, die von den Gesellschaftern einer Baubetreuungsgesellschaft gegenüber den noch zu werbenden, zunächst treuhänderisch vertretenen Mitgliedern einer Bauherrengemeinschaft für bestimmte Verpflichtungen der Gesellschaft aus den abzuschließenden Betreuungsverträgen übernommen worden war, für ausreichend bestimmt gehalten (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, aaO S. 1448 f.). Jener Fall war aber ebenfalls in entscheidenden Punkten anders gelagert: Dort war klar, daß Gläubiger alle sein sollten, die der Bauherrengemeinschaft entweder schon beigetreten waren oder noch beitreten würden. Ihre Anzahl war durch die Menge der im Rahmen des Bauvorhabens zu erstellenden Eigentums-Teileinheiten (31) begrenzt. Die äußerste zeitliche Schranke, bis zu der mögliche Bürgschaftsgläubiger der Bauherrengemeinschaft noch beitreten konnten, war deren Auflösung drei Monate nach Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens. Für die noch zu werbenden Mitglieder trat ein Treuhänder auf.
3. Im Streitfall war aus den Umständen, die zur Bürgschaftsübernahme führten, klar zu entnehmen, daß jedenfalls W. z u den bei der Klägerin versicherten Unternehmen gehörte und durch die Bürgschaft abgesichert sein sollte. In diesem Umfang ist die Bürgschaft hinreichend bestimmt (§ 765 Abs. 1 BGB) und der Formvorschrift des § 766 BGB genügt. Soweit sie sich allein auf W. bezieht, kann die Bürgschaft aufrechterhalten bleiben.

a) Anlaß für die Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten war eine Kürzung des Warenkredits seitens W. , die ihrerseits wiederum darauf zurückzuführen war, daß die Klägerin die Kreditversicherung für eben diesen
Warenkredit gekürzt hatte. Wie sich insbesondere aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Beklagten vom 11. August 1995 ergibt, sollte seine Bürgschaft zweierlei bewirken: zum einen sollte die Klägerin veranlaßt werden, den Versicherungsschutz der W. für deren Forderungen gegen die Hauptschuldnerin wieder auszudehnen, und zum anderen sollte die dadurch abgesicherte W. den der Hauptschuldnerin eingeräumten Warenkredit wieder erhöhen.

b) Ist von den mehreren Gläubigern einer bekannt, so kann die Bürgschaft zugunsten dieses Gläubigers - dessen Absicherung den Anlaß für die Verbürgung gegeben hat - wirksam sein.
aa) Freilich kann die Rechtsprechung zum "Anlaßkredit" auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Der Bundesgerichtshof hat im Wege der Klauselkontrolle (§ 9 AGBG) und einer Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung formularmäßige Globalbürgschaften - bei denen durch eine "weite Zweckerklärung" alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners gesichert werden sollten - in der Weise beschränkt, daß lediglich die Hauptschuld verbürgt wird, die den Anlaß für die Übernahme der Bürgschaft bildete (vgl. BGHZ 130, 19, 34 ff; 137, 153, 157 ff; 143, 95, 99). Im Streitfall geht es nicht um eine Klauselkontrolle (vgl. BGHZ 130, 19, 22). Ist der Kreis der zu sichernden Gläubiger teilweise unbestimmt, wird der Bürge dadurch , daß die Bürgschaft insoweit unwirksam ist, nicht unangemessen benachteiligt.
bb) Ist von den in Betracht kommenden Gläubigern einer bestimmt, während die anderen unbestimmt sind, kann die zugunsten des bestimmten Gläu-
bigers übernommene Bürgschaft nach § 139 BGB wirksam sein. Danach ist die Teilung eines einheitlichen Rechtsgeschäfts und dessen teilweise Aufrechterhaltung insbesondere dann möglich, wenn auf der einen Seite mehrere Personen beteiligt sind, der Nichtigkeitsgrund aber nur im Verhältnis zu einzelnen Personen vorliegt und der mutmaßliche Parteiwille darauf gerichtet ist, das Geschäft in bezug auf die anderen bestehen zu lassen (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 139 Rn. 11). Das ist namentlich für den Fall der Bürgschaftsübernahme durch Mitbürgen entschieden worden (RGZ 138, 270, 271 f.). Für die Verbürgung zugunsten mehrerer Gläubiger kann nichts anderes gelten. Der Bürge wird dadurch nicht benachteiligt, weil er an die Gläubiger, hinsichtlich deren die Bürgschaft aufrechterhalten bleibt, nicht mehr bezahlen muß als an alle in Betracht kommenden Gläubiger zusammen. Der Vertragspartner ist an der Teilwirksamkeit der Bürgschaft interessiert, weil so das Ziel des Vertragsschlusses wenigstens teilweise erreicht wird (vgl. auch Ganter WM 1998, 2081, 2088 zur Sicherungsübereignung einer Mehrheit von Sachen, von denen nur einzelne identifiziert werden können).
Kreft Richter am Bundesgerichtshof Richter am Bundesgerichtshof Stodolkowitz ist wegen urlaubs- Dr. Zugehör ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit ver- bedingter Ortsabwesenheit verhindert , seine Unterschrift beizu- hindert, seine Unterschrift beizufügen fügen Kreft Kreft Ganter Raebel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 194/03 Verkündet am:
7. März 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 C, Gh, 705, 730 ff.

a) Bei nach dem Wortlaut (scheinbar) widersprüchlichen Bestimmungen eines
Gesellschaftsvertrages (hier: Übernahmerecht, Abfindungs- und Mandantenschutzklausel
in einem Steuerberatungs-Sozietäts-Vertrag) ist einer Auslegung
der Vorzug zu geben, bei welcher jeder Vertragsnorm eine tatsächliche
Bedeutung zukommt, wenn sich die Regelungen ansonsten als ganz oder
teilweise sinnlos erweisen würden.

b) Erfüllt ein Gesellschafter nach seinem Ausscheiden eine vorher entstandene
Schuld der Gesellschaft (hier: Steuerschuld) ist der Erstattungsanspruch als
unselbständiger Rechnungsposten in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen.
BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 194/03 - OLG Hamm
LG Arnsberg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 7. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. April 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage des Beklagten abgewiesen worden ist.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Dem Rechtsstreit liegt eine Auseinandersetzung der Parteien über wechselseitige Ansprüche aus der Beendigung einer zwischen ihnen bestehenden Steuerberaterpraxis zugrunde.
Die Parteien haben sich mit Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zu dem gemeinsamen Betrieb einer Steuerberaterpraxis zusammengeschlossen
mit zuletzt hälftiger Gewinnbeteiligung. Im Februar/März 2001 warf der Beklagte der Klägerin eine Untreuehandlung vor. Im Hinblick auf diesen von der Klägerin bestrittenen Vorwurf hat der Beklagte der Klägerin am 13. Juli 2001 ein Schreiben übergeben, mit dem er für den 31. Juli 2001 eine Gesellschafterversammlung einberief mit dem Tagesordnungspunkt "Ausschließung der Gesellschafterin M.-H.". Dem angedrohten Ausschluß kam die Klägerin zuvor , indem sie mit Schreiben vom 27. Juli 2001 das Gesellschaftsverhältnis fristlos kündigte. Seit dem 31. Juli 2001 betreibt sie eine eigene Steuerberaterpraxis. Ebenfalls am 27. Juli 2001 schrieb sie die Mandanten der Gesellschaft an, wies auf die fristlose Kündigung und ihre neue Praxisanschrift hin und bot unter Beifügung einer Vollmacht an, weiterhin in steuerlichen Angelegenheiten zur Verfügung zu stehen.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage vom Beklagten die Erstattung von Zahlungen, die sie nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft auf deren Steuerschulden erbracht hat. Der Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Klägerin für Schäden, die ihm durch die seiner Ansicht nach unberechtigte fristlose Kündigung der Klägerin sowie die Mandantenmitnahme entstanden sind.
Das Landgericht hat der Klage und - in eingeschränktem Umfang - der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen und der Klage nur in Form der Feststellung, daß die gezahlten Beträge in die zu erstellende Auseinandersetzungsbilanz einzustellen seien, stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Widerklagebegehren weiter. Mit der Anschlußrevision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des ihrem Zahlungsantrag stattgebenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlußrevision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin nach ihrem Ausscheiden geleisteten Zahlungen unterlägen im Hinblick auf die zwischen den Parteien durchzuführende Auseinandersetzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Beziehungen einer Durchsetzungssperre. Die Leistungsklage sei in ein Feststellungsbegehren, die Forderung als unselbständigen Posten in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen, umzudeuten und in diesem Umfang begründet.
Die Widerklage sei unbegründet, da das Wettbewerbsverbot in § 7 des Sozietätsvertrages vom 27. Dezember 1991 im Hinblick auf die Regelung in § 20 Abs. 2 (d) des Vertrages unwirksam sei.
II. Zur Revision des Beklagten:
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abweisung der Widerklage halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den - in der Berufungsinstanz unstreitigen - Vortrag der Parteien, ihrem Vertragsverhältnis sei der Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zugrunde zu legen und nicht der irrtümlich vom Landgericht herangezogene Vertragsentwurf, unberücksichtigt lassen müssen.
Da unstreitiger neuer Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 18. November 2004 - XI ZR 229/03, NJW 2005, 291, 292 f. m.w.Nachw.), war das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gehalten, seiner Entscheidung den unstreitig das vertragliche Verhältnis der Parteien regelnden Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zugrunde zu legen.
2. Das Berufungsgericht durfte jedoch die Frage, ob der Beklagte die Übernahme der Gesellschaft erklärt hat, eine Möglichkeit, die ihm in § 16 Abs. 3 (d) des Sozietätsvertrages für den Fall der Kündigung einer zweigliedrigen Gesellschaft eröffnet ist, nicht unentschieden lassen. Denn nur im Fall der Übernahme kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Wettbewerbsverbots aus § 7 des Vertrages in Betracht. Liegt keine Übernahme vor, richtet sich die Auseinandersetzung der Parteien, bezogen auf die ehemals gemeinsamen Mandatsverhältnisse, nach § 21 des Sozietätsvertrages. Diese Regelung enthält kein Wettbewerbsverbot, sondern sieht in § 21 Abs. 3 vor, daß die Mandanten durch Rundschreiben aufzufordern sind mitzuteilen, mit welchem der Gesellschafter sie das Beratungsverhältnis fortzusetzen wünschen.

a) Hat der Beklagte die Übernahme erklärt, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verstoßes der Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot in § 7 des Vertrages grundsätzlich in Betracht. § 7 des Vertrages, der ein Wettbewerbsverbot in Form einer Mandantenschutzklausel enthält, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht wegen Widersprüchlichkeit zu § 20 Abs. 2 (d) des Vertrages unwirksam. § 7 enthält ein wirksames, nämlich ein in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreitendes (s. allg. zu diesen Anforderungen Sen.Urt. v. 8. Mai 2000 - II ZR 308/98, ZIP 2000,
1337, 1338 f.) vertragliches Wettbewerbsverbot. Deshalb kann ein auf die Verletzung von § 7 des Vertrages gestützter Schadensersatzanspruch nicht mit der vom Berufungsgericht herangezogenen Begründung abgelehnt werden.
aa) Zwar ist die Auslegung eines Vertrages grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st.Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 83). Gemessen hieran ist die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, da sie gegen wesentliche Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) verstößt.
bb) Da neuer Sachvortrag nicht zu erwarten ist und weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Vertragsbestimmungen selbst auslegen.
§ 7 des Vertrages trägt die Überschrift "Wettbewerbsverbot, Mandantenschutz" und lautet wie folgt:
"1. (a) Den Gesellschaftern ist es untersagt, sich außerhalb der Gesellschaft in deren Tätigkeitsbereich selbständig, unselbständig oder beratend zu betätigen, auch nicht gelegentlich oder mittelbar. ... (b) Das Wettbewerbsverbot endet zwei Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters. Es ist beschränkt auf den OFD-Bezirk und die Mandanten, die von der Gesellschaft laufend betreut werden oder in den letzten zwei Jahren vor dem Ausscheiden beraten wurden. ..."
§ 20 trägt die Überschrift "Abfindung" und lautet in Abs. 2 (d) wie folgt:
"Übernimmt der ausscheidende Gesellschafter Mandate der Gesellschaft - sei es aufgrund einverständlicher Regelung, sei es daß die Mandanten eine Fortsetzung des Mandats mit der Gesellschaft ablehnen und den Ausscheidenden zu beauftragen beabsichtigen - wird der nach Buchstabe c zu ermittelnde Wert der Mandate auf das Abfindungsguthaben angerechnet. ..." Bei seiner Auslegung hat das Berufungsgericht die gesetzlichen Regeln, wonach der objektive Sinn der Bestimmungen zu ermitteln ist, nur scheinbar beachtet. Es hat nicht genügend berücksichtigt, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, eine vertragliche Bestimmung solle nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt haben. Deshalb ist einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (Sen.Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, WM 1998, 1535, 1536). Ein sinnvolles Nebeneinander der beiden Regelungen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne weiteres möglich. Sieht - wie hier - § 20 die Zulässigkeit von Mandatsmitnahmen unter bestimmten Voraussetzungen vor, folgt daraus bei objektiver, beiderseits interessengerechter Auslegung zugleich, daß in diesen Fällen kein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 7 des Vertrages vorliegt. Erfüllt hingegen die Mandantenmitnahme die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 (d) nicht, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor. Warum eine derart sinnerhaltende Auslegung dem Parteiwillen nicht entsprechen sollte, ist nicht ersichtlich.

b) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält die Regelung in § 7 keine gemäß § 723 Abs. 3 BGB unzulässige Kündigungsbeschränkung. Es
handelt sich dabei nicht um eine Regelung, die dem fristlos Kündigenden vermögensrechtliche Verpflichtungen auferlegt, die im Ergebnis dazu führen, daß er nicht mehr frei entscheiden kann, ob er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht oder nicht (siehe hierzu BGHZ 126, 226, 230 f.). Mit der Regelung sind auch im Falle der fristlosen Kündigung keine unzumutbaren vermögensrechtlichen Verpflichtungen verbunden. Der Kündigende wird ausreichend geschützt einerseits durch den Abfindungsanspruch, in dessen Ermittlung der Wert der bei der Gesellschaft verbleibenden Mandate einfließt (§ 20 Abs. 2 (c) des Vertrages), andererseits dadurch, daß er einen darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen kann, wenn das Verhalten des oder der Mitgesellschafter ursächlich für seine fristlose Kündigung war (Sen.Urt. v. 16. Februar 1967 - II ZR 171/65, WM 1967, 419; MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 723 Rdn. 52 m.w.Nachw.).
bb) Angesichts der Wirksamkeit der Regelung in § 7 stünde dem auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots gestützten Schadensersatzanspruch des Beklagten der Einwand des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens entgegen, wenn er, wie die Klägerin behauptet, ihre Kündigung durch ein gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten verstoßendes Verhalten veranlaßt ("provoziert" ) hätte. Diese Möglichkeit ist, wie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit seinen Hilfserwägungen angedeutet hat, nicht ausgeschlossen. Hierzu sind weitere Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlich.
cc) Sollte nach ergänzender Sachaufklärung eine Übernahme der Gesellschaft durch den Beklagten nicht festgestellt werden können, kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen § 7 nicht in Betracht, da für diesen Fall in § 21 Abs. 3 des Vertrages eine Sonderregelung ohne Wettbewerbsverbot oder Mandantenschutzklausel zwischen den Parteien getroffen worden ist.
dd) Das Berufungsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter fristloser Kündigung seitens der Klägerin zusteht, da der Beklagte, wie die Revision zu Recht rügt, sein Schadensersatzbegehren auch auf diesen Gesichtspunkt der vertraglichen Treuepflichtverletzung gestützt hat. Bei dieser Prüfung wird es ebenfalls das vorausgegangene, die Kündigung der Klägerin auslösende Verhalten des Beklagten zu würdigen haben.
III. Zur Anschlußrevision der Klägerin:
Die Anschlußrevision ist zulässig aber unbegründet. Das Berufungsgericht ist zu Recht von dem Bestehen einer Durchsetzungssperre hinsichtlich der Erstattungsansprüche der Klägerin ausgegangen. Hiergegen wendet sich die Anschlußrevision ohne Erfolg.
1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 - II ZR 249/96, ZIP 1997, 2120) - was auch die Anschlußrevision nicht verkennt - davon aus, daß beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Durchsetzung einzelner Forderungen grundsätzlich ausgeschlossen ist, diese vielmehr lediglich unselbständige Posten in der zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz darstellen. Zwar gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos (siehe zu möglichen Ausnahmen Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 aaO S. 2121 m.w.Nachw.). Ein Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Anschlußrevision nicht vor. Diese will die Durchbrechung der Durchsetzungssperre damit begründen, daß die Auseinandersetzungsbilanz auf den - hier revisionsrechtlich mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Klägerin zu unterstellenden - Tag des Ausscheidens der Klägerin, den 31. Juli 2001, zu erstellen sei, die Zah-
lungen von der Klägerin jedoch erst Ende 2001 erbracht worden seien und daher in die Auseinandersetzungsbilanz nicht einzustellen seien.
2. Dem kann nicht gefolgt werden. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Leistung der Klägerin an, sondern darauf, daß die Klägerin mit der Zahlung eine Steuerschuld der Gesellschaft aus der Zeit vor ihrem Ausscheiden beglichen hat, für die sie ebenso wie der Beklagte haftet und die daher als aus dem Gesellschaftsvermögen zu berichtigende Schuld in der Auseinandersetzungsbilanz zu berücksichtigen ist. Ein Ausgleich der Zahlung außerhalb der Auseinandersetzungsbilanz würde möglicherweise - wenn z.B. das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden nicht ausreicht - dazu führen , daß die Klägerin zur Rückzahlung in Form des Verlustausgleichs verpflichtet wäre. Genau dieses Hin- und Herzahlen soll durch das Einstellen in die Bilanz vermieden werden.
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.