Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Feb. 2016 - 9 A 288/14

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0229.9A288.14.0A
bei uns veröffentlicht am29.02.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Prozesszinsen in Höhe von 1.312,50 € auf einen von ihm gezahlten und durch die Beklagte aufgehobenen Ausbaubeitrag in Höhe von 17.748,71 €.

2

Der Kläger ist Alleineigentümer des Buchgrundstückes Flurstücks X, Flur X, Gemarkung A-Stadt (Grundbuchblatt …, lfd. Nr. 2) mit einer Größe von 265 m2 und des Buchgrundstückes Flurstück X, Flur X, Gemarkung A-Stadt (Grundbuchblatt …, lfd. Nr. 3) mit einer Größe von 470 m2. Beide Grundstücke haben die postalische Bezeichnung „A-Straße".

3

Das Flurstück X liegt an der A-Straße an, nicht jedoch an der B-Straße. Es ist auf der gesamten Grundstücksbreite bebaut. Es befinden sich dort zwei Spielhallen und darüber die vom Kläger selbst bewohnte Wohnung. Auf dem dahinter liegenden Flurstück X, welches weder an der K…straße noch an der B-Straße direkt anliegt, befinden sich in Fortsetzung zur vorhandenen Bebauung des Flurstücks X Lagerhallen und vom Kläger privat genutzte Pkw-Stellplätze. Für beide Grundstücke besteht zu Lasten des an die Lange Reihe anliegenden Grundstücks Flurstück X (Lange Reihe X), welches nicht im Eigentum des Klägers steht, eine Baulast (Baulastenverzeichnis Blatt 439, lfd. Nr. 1).

4

Die Beklagte beschloss nach Durchführung einer Bürgerbeteiligung am 19.08.2008 ein Bauprogramm mit dem Inhalt der Grundsanierung der B-Straße aufgrund des schlechten Zustandes. Neben der notwendigen Erneuerung der vollkommen verschlissenen Fahrbahnen und Gehwege sollte der bislang weitgehend fehlende Regenwasserkanal hergestellt und die vorhandenen Kanäle saniert werden.

5

Am 27.10.2009 erfolgte die Schlussabnahme.

6

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 16.01.2012 und 13.03.2012 zur Erhebung eines Ausbaubeitrages für den Ausbau der B-Straße an.

7

Am 23.04.2012 erließ die Beklagte sodann gegenüber dem Kläger einen Ausbaubeitragsbescheid in Höhe von 17.748,71 € für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehweges und des Regenwasserkanals aufgrund des schlechten Zustandes, diverser Schäden und Höhenunterschiede in der Straße, wobei die klägerischen Grundstücke als ein Grundstück „A- Straße" betrachtet wurden.

8

Hiergegen legte der Kläger am 23.05.2012 Widerspruch ein und zahlte am 01.06.2012 den festgesetzten Beitrag.

9

Mit Bescheid vom 27.02.2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

10

Der anwaltlich vertretene Kläger erhob am 27.03.2013 Klage (9 A 66/13), mit der er die Aufhebung des Bescheides vom 23.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2013 sowie die Verpflichtung der Beklagten, den Betrag von 17.748,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen, begehrte.

11

Aufgrund einer prozessleidenden Verfügung des Einzelrichters dazu, dass es sich bei den beiden Flurstücken um getrennt zu betrachtende Buchgrundstücke handeln und damit dem angefochtenen Bescheid vom 23.04.2012 die notwendige Bestimmtheit fehlen dürfte, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 03.07.2014 den Bescheid vom 23.04.2012 zurück und setzte gleichzeitig für das Grundstück Flurstück X einen Ausbaubeitrag in Höhe von 11.349,51 € und für das Grundstück Flurstück X einen Ausbaubeitrag in Höhe von 6.399,19 € fest. Die Rücknahme stützte die Beklagte auf § 116 Abs. 1 LVwG. Im Übrigen wiederholte sie hinsichtlich der Neufestsetzung ihre Begründung aus dem Bescheid vom 23.04.2012 unter jeweiliger Einzelbetrachtung der beiden Buchgrundstücke. Weiterhin führte sie darin aus, dass der Gesamtbetrag von 17.748,71 € bereits aufgrund des Bescheides vom 23.04.2012 geleistet worden sei, so dass keine erneute Zahlungspflicht bestehe.

12

Der Bescheid vom 03.07.2014 wurde dem Kläger per Einschreiben am 08.07.2014 zugestellt.

13

Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, so dass das Klagverfahren mit Beschluss vom 26.08.2014 beendet wurde.

14

Gegen den Bescheid vom 03.07.2014 legte der Kläger Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2014 zurückgewiesen wurde. Diese sind Gegenstand des Parallelverfahrens 9 A 289/14, welches der Kläger am 16.12.2014 angestrengt hat.

15

Bereits zuvor, nämlich mit Schreiben vom 09.10.2014 forderte der Kläger die Beklagte auf, die seinerzeit im Klageantrag zum Verfahren 9 A 66/13 beantragten Zinsen als öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf den Betrag von 17.748,71 € zu zahlen.

16

Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 21.10.2014, das ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nicht bestehe. Für Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge käme die Vorschrift § 11 KAG i. V. m. § 236 AO zur Anwendung. Mangels rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung, aufgrund derer der festgesetzte Beitrag herabgesetzt oder eine Beitragsvergütung gewährt worden sei, vielmehr zeitgleich mit der Aufhebung des Bescheides eine Neufestsetzung über den gleichen Betrag erfolgt sei, stehe der Beklagten der Ausbaubeitrag gleicher Höhe zu, so dass damit kein Zinsanspruch bestehe.

17

Mit weiterem Schreiben vom 28.10.2014 begehrte der Kläger weiterhin die geltend gemachten Prozesszinsen, da aufgrund der Rücknahme durch Bescheid vom 03.07.2014 es von vornherein an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die Zahlung des Beitrages auf den Bescheid vom 23.04.2012 gefehlt habe. Zwar setze die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs im Sinne des § 37 Abs. 2 AO grundsätzlich voraus, dass darüber durch einen vorherigen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 S. 2 AO entschieden worden sei. Es sei jedoch die Abgabenordnung vorliegend nur über § 11 KAG als Landesrecht anwendbar. Demgegenüber habe die bundesrechtliche Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO Vorrang. Danach sei es zulässig, einen Folgenbeseitigungsantrag zusammen mit der Anfechtungsklage zu kombinieren, ohne dass insoweit ein Verwaltungsverfahren stattgefunden haben müsse. Es handele sich um einen bundesrechtlich geregelten Fall der Stufenklage, die leerlaufen würde, wenn die Rückerstattung von gezahlten Beiträgen von einem vorherigen Verwaltungsverfahren abhängig gemacht würde. Der Kläger habe mit seiner Klage 9 A 66/13 nicht nur den Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, sondern auch den Beklagten zur Rückzahlung der 17.748,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu verpflichten. Damit habe er einen Antrag nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO (Leistungsantrag) gestellt. Der Rückzahlungsantrag sei somit mit dem 27.03.2013 (Klageerhebung 9 A 66/13) rechtshängig geworden. Der Zinsanspruch sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass gleichzeitig mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 23.04.2012 ein neuer Bescheid über die gleiche Summe erlassen worden sei. Mit der Rücknahme jenes Bescheides sei dieser „von vornherein aus der Welt geschafft worden" mit der Rechtsfolge, dass die Zahlung des Ausbaubeitrages im Jahre 2012 ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die erneute Heranziehung zum Ausbaubeitrag sei hingegen ein völlig neues Verfahren, das mit dem Heranziehungsbescheid vom 03.07.2014 neu begonnen habe.

18

Mit Bescheid vom 18.11.2014 lehnte die Beklagte die Zahlung von Prozesszinsen gemäß § 236 AO ab. Eine Herabsetzung des festgesetzten Beitrages im gerichtlichen Verfahren, wie die Vorschrift voraussetze, sei vorliegend nicht erfolgt.

19

Der Kläger hat am 09.12.2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er seine Argumente aus dem bisherigen Schriftverkehr vertieft. Ergänzend führt er an, dass für den Fall, dass er mit seiner Klage gegen die Festsetzung des Ausbaubeitrages (9 A 289/14) Erfolg habe, er neben der Rückzahlung des Betrages Zinsen erst ab dem Datum der Zahlung verlangen könne. Dieses Datum sei aber der 03.07.2014, da durch den hier erfolgten neuen Festsetzungsbescheid die Aufrechnung mit dem bereits am 01.06.2012 gezahlten Betrag erfolgt sei. Für den gesamten Zeitraum dazwischen hätte die Beklagte auf Kosten des Klägers mit seinem Geld rechtsgrundlos gearbeitet. So etwas sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Zudem sei für den Anspruch auf Prozesszinsen nicht maßgebend, dass eine Steuer herabgesetzt worden sei. Ein solcher bestehe nämlich selbst dann nach § 236 Abs. 1 S. 1 AO, wenn eine unwirksame Steuerfestsetzung aufgehoben werde.

20

Im Übrigen würde die Versagung von Prozesszinsen gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn dem Kläger, der im Vertrauen auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung disponiert habe, ein Zinsanspruch versagt bliebe, jedoch der Verwaltung im Falle des gerichtlichen Obsiegens nach der Aussetzung der Vollstreckung eines angefochtenen Verwaltungsakts Aussetzungszinsen gewährt würden.

21

Der Kläger beantragt,

22

1. den Bescheid vom 18.11.2014 aufzuheben,

23

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.312,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen und

24

3. die Berufung zuzulassen.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Zur Begründung führt sie an, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom „19.11.2014" keinen Widerspruch erhoben habe. Im Übrigen vertieft sie ihre bisherigen Ausführungen und führt ergänzend an, dass die Zahlung auf den Ursprungsbescheid nicht ohne Rechtsgrund vorgenommen worden sei, denn der Bescheid vom 23.04.2012 sei allenfalls rechtswidrig gewesen, mithin aber Rechtsgrundlage für das Behalten dürfen. Da durch den in die Zukunft gerichteten Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 03.07.2014 diese Rechtsgrundlage auch nicht (rückwirkend) beseitigt worden sei und zugleich eine Neufestsetzung erfolgt sei, habe zu keinem Zeitpunkt „abschließend" festgestanden, dass der Kläger für irgendeinen Zeitraum zu hohe Abgaben oder auch nur rechtsgrundlos Abgaben bezahlt hätte, zu dessen Leistung er im Ergebnis nicht verpflichtet gewesen sei.

28

Mit Beschluss vom 12.01.2016 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - auch zu den Verfahren 9 A 66/13 und 9 A 289/14 - und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die Klage ist bereits unzulässig.

31

Es fehlt vorliegend an der Sachurteilsvoraussetzung des durchzuführenden Vorverfahren gem. § 68 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist vor Erhebung der Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen; für die Verpflichtungsklage gilt dieses entsprechend (§ 68 Abs. 2 VwGO).

32

Die Beklagte hat mit ablehnendem Bescheid vom 18.11.2014 über die vom Kläger begehrte Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 1.312,50 € negativ entschieden. Damit hat sie ein förmliches Verwaltungsverfahren eingeleitet, welches den Anforderungen der §§ 68 ff. VwGO unterfällt. Gegen diesen Ablehnungsbescheid hat der Kläger am 09.12.2014 direkt Klage erhoben, ohne zunächst dagegen Widerspruch gem. § 68 VwGO einzulegen und einen (zurückweisenden) Widerspruchsbescheid abzuwarten.

33

Ein Fall der gesetzlichen Entbehrlichkeit des Vorverfahrens gem. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO ist nicht gegeben, da der Verwaltungsakt weder von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erlassen wurde (Nr. 1) noch es sich um einen Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid mit einer erstmaligen Beschwer (Nr. 2) handelt. Auch ein sonstiger Fall der darüber hinaus ausnahmsweise anzuerkennenden Entbehrlichkeit des Vorverfahrens (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 68, Rn. 22 ff.) ist nicht gegeben. Insbesondere hat sich die Beklagte nicht vorbehaltlos auf die Klage eingelassen, sondern ihre Unzulässigkeit aufgrund des fehlenden Vorverfahrens in ihrer Klagerwiderung gerügt.

34

Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich vorliegend auch nicht um den Fall einer Stufenklage i. S. v. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, welcher ein Verwaltungsverfahren entbehrlich macht. Der Kläger bezieht sich insoweit auf das Klagverfahren 9 A 66/13, in dem er neben der Anfechtung des belastenden Beitragsbescheids vom 23.04.2012 zugleich den Antrag auf Rückzahlung des Beitrages sowie auf Zahlung von Prozesszinsen gestellt hat.

35

Nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht im Rahmen einer Anfechtungsklage für den Fall, dass der Verwaltungsakt schon vollzogen ist, auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Die Stufenklage des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO gibt aus prozessökonomischen Gründen dem Kläger die Möglichkeit, einen Folgenbeseitigungsanspruch bzw. Erstattungsanspruch, der gemäß § 167 Abs. 2 VwGO an sich erst nach Rechtskraft des Aufhebungsurteils geltend gemacht werden könnte, schon im Anfechtungsprozess zusammen mit der Anfechtungsklage gegen den in Frage stehenden Verwaltungsakt geltend zu machen, ohne dass es insoweit der gesonderten Durchführung eines Vorverfahrens bedarf. Die Vorschrift normiert insoweit eine besondere Form der Stufenklage, bei der der Betroffene nicht nur im Interesse der Prozessökonomie, sondern auch aus Gründen der Rechtsschutzeffektivität nicht darauf verwiesen wird, bis zur Rechtskraft des Aufhebungsurteils zu warten und dann erst seinen Anspruch auf Folgenbeseitigung geltend zu machen. Vielmehr wird ihm die Möglichkeit zur prozessualen Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs eingeräumt, schon ehe dieser (unbedingt) entstanden ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113, Rn. 84 m.w.N.).

36

Dieses Argument des Klägers kann bereits deshalb nicht verfangen, weil das Klagverfah- ren 9 A 66/13 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet wurde (vgl. Beschluss vom 26.08.2014). Eine Entscheidung über seinen Annexantrag auf Rückzahlung nach § 37 Abs. 2 AO und Prozesszinsen gem. § 236 AO erging somit nicht. Vielmehr hat der Kläger gegenüber der Beklagten den Zinsanspruch nach § 236 AO nach Beendigung des Klagverfahrens - also außerhalb dessen - selbstständig geltend gemacht. Dessen Ablehnung durch Bescheid vom 18.11.2014 ist alleiniger Streitgegenstand des vorliegenden Klagverfahrens und nicht „lediglich" ein Folgenbeseitigungsanspruch im Rahmen einer anderweitigen Anfechtungsklage.

37

Darüber hinaus ist die Klage aber auch unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 1.312,50 € für den Zeitraum vom 27.03.2013 bis zum 08.07.2014 (15 Monate) auf den Beitrag in Höhe von 17.748,71 €.

38

Anspruchsgrundlage ist vorliegend § 11 KAG i. V. m. § 236 AO, und nicht, wie der Kläger meint, § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei letzterer Vorschrift nicht um eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage sondern allein um eine dem Prozessrecht zuzuordnende Regelung zur Verfahrensbeschleunigung und Vereinfachung. Selbst ein im Rahmen einer solchen Stufenklage geltend gemachter öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch findet seine Anspruchsgrundlage nicht dort, sondern im materiellen Recht (§ 812 BGB analog). Auch begründet § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht etwa den Folgenbeseitigungsanspruch, sondern setzt ihn vielmehr voraus. Es handelt sich um ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes, von Rechtsprechung und Literatur entwickeltes Rechtsinstitut (vgl. BVerwGE 90, 100 (103)).

39

§ 236 Abs. 1 S. 1 AO sieht einen Anspruch auf Prozesszinsen für den Abgabenpflichtigen nur dann vor, wenn aufgrund eines rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Urteils endgültig und abschließend feststeht, dass der Abgabenpflichtige für einen bestimmten Zeitraum bzw. für einen bestimmten Vorgang zu hohe Abgaben bezahlt hat, zu dessen Leistung er im Ergebnis nicht verpflichtet war. Der Zinsanspruch richtet sich auf den Zeitraum von der Rechtshängigkeit der Klage bis zum Auszahlungstag als Gegenleistung dafür, dass der Steuerpflichtige dem Steuerfiskus Kapital überlassen hat, das diesem für den zu beurteilenden Zeitraum in der Sache nicht zusteht. Dagegen besteht ein Zinsanspruch des Abgabenpflichtigen in den Fällen nicht, in denen er die Abgabe „verfrüht" geleistet hat, dem Abgabengläubiger der Anspruch in der Sache jedoch zusteht (vgl. VGH BW, U. v. 14.6.2013 - 2 S 421/13 -, juris).

40

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Hier existiert bereits kein rechtskräftiges verwaltungsgerichtliches Urteil, in dem abschließend festgestellt wurde, dass der Kläger einen zu hohen Ausbaubeitrag gezahlt hat. Das hier allein in Betracht zu ziehende Klagverfahren 9 A 66/13 ist schon nicht durch rechtskräftiges Urteil beendet worden, sondern durch übereinstimmende Erledigungserklärungen, weshalb dort auch keine Entscheidung darüber, dass der Kläger „zu hohe Abgaben bezahlt" hat, getroffen wurde. Mit anderen Worten: es fand keine Herabsetzung des Ausbaubeitrages durch rechtskräftiges Urteil statt. Über den „neuen" Beitragsbescheid vom 03.07.2014 ist in dem parallelen Klagverfahren 9 A 289/14 ebenfalls noch nicht rechtskräftig entschieden. Darüber hinaus wurde die Klage dort abgewiesen, so dass auch inhaltlich keine Beitragsüberzahlung des Klägers ausgeurteilt wurde.

41

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prozesszinsen durch eine entsprechende Anwendung des § 236 Abs. 1 AO gem. § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO. Danach ist Abs. 1 entsprechend anzuwenden, wenn sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt. Wie dargestellt, hat sich der Rechtsstreit 9 A 66/13 zwar durch übereinstimmende Erklärungen aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes vom 23.04.2012 durch Bescheid vom 03.07.2014 erledigt. Der Kläger hat aber im Sinne des Absatzes 1 „nichts zu viel bezahlt". Denn die Neufestsetzung gemäß des zweiten Beitragsbescheides vom 03.07.2014 fand in derselben Höhe statt: der Gesamtzahlbetrag belief sich wie zuvor auf unveränderte 17.748,71 €, der in zwei Beiträgen für die beiden differenziert zu betrachtenden Grundstücke in Höhe von 11.349,51 € und 6.399,19 € festgesetzt wurde.

42

Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, wie der Kläger meint, dass die Beklagte den Ursprungsbeitragsbescheid vom 23.04.2012 rückwirkend aufgehoben und es zumindest in der Zeit zwischen der Klagerhebung am 27.03.2013 (9 A 66/13) und der Bekanntgabe des zweiten Festsetzungsbescheides vom 03.07.2014 am 08.07.2014 damit an einem Rechtsgrund für die Beklagten für das Behalten dürfen des Geldes gefehlt habe.

43

Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Der Beklagten stand über den gesamten Zeitraum ein Rechtsgrund für das Behalten dürfen des Betrages von 17.748,71 € zu. Denn die Beklagte hat ohne zeitliche Zäsur gleichzeitig den Ursprungsbescheid vom 23.04.2012 zurückgenommen und zwei Beiträge für die beiden Grundstücke des Klägers neu festgesetzt. In der Addition handelt es sich um einen identischen Ausbaubeitrag in Höhe von 17.748,71 €. Die Aufhebung und Neufestsetzung erfolgten in einem gemeinsamen Bescheid vom 03.07.2014, der mithin zwei Regelungen, d. h. zwei Verwaltungsakte enthielt. Diese wurden dem Kläger als Betroffenem gleichzeitig durch Zustellung am 08.07.2014 bekannt gegeben.

44

Zwar liegt der Rücknahmezeitpunkt (für die Vergangenheit oder die Zukunft) nach § 116 Abs. 1 S. 1 VwGO im Ermessen der Beklagten. Diese hat vorliegend in dem Ausspruch zur Rücknahme in dem Bescheid vom 03.07.2014 jedoch keine genaue Angabe hierzu gemacht, so dass es diesbezüglich der Auslegung bedarf. Diese hat sich in entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers zu orientieren. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und des Grundsatzes der interessengerechten Auslegung verstehen musste (vgl. (vgl. VGH BW 5.5.2011 U. v. 05.05.2011 - 2 S 2591/10 -, juris m.w.N.). Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung spricht hier ganz entscheidend für eine Rücknahme der ursprünglichen Beitragsfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. bspw. BGH, U. v. 29.03.2000 - II X ZR 297/98 - WM 2000, 1290). Im Zweifel ist deshalb gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, U. v. 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327).

45

Vor diesem Hintergrund ist es bei Erlass eines in der Höhe identischen Abgabenbescheides unter Vermeidung eines bisherigen formellen Fehlers unter gleichzeitiger Aufhebung des alten Bescheides allein interessengerecht, von einer zeitlich lückenlosen Beitragsfestsetzung auszugehen, so dass damit dauerhaft ein Rechtsgrund für die Leistung des Klägers bestanden hat. Auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist, solange er nicht nichtig oder aufgehoben ist, wirksam gem. § 112 Abs. 2, 3 LVwG und bleibt damit Rechtsgrund einer Leistung.

46

Hierfür spricht auch der eindeutige Wortlaut des Bescheides vom 03.07.2014, der neben der Rücknahme von einer „gleichzeitigen" Heranziehung zu einem Ausbaubeitrag spricht. Insbesondere deshalb musste auch der Kläger die beiden behördlichen Regelungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben in diesem Sinne verstehen. Weder nach der Vorgeschichte noch den Begleitumständen bei der Bekanntgabe der behördlichen Erklärungen konnte er davon ausgehen, er würde wegen der Beitragsschuld über einen bestimmten Zeitraum nicht in Anspruch genommen werden. Die Rücknahmeregelung und die neu festgesetzten Beiträge wurden in einem einheitlichen Schreiben ausgesprochen, datierten vom selben Tag und wurden dem Kläger einheitlich bekannt gegeben. Bei einer Gesamtschau der behördlichen Erklärungen stand im Zeitpunkt des Zugangs außer Frage, dass die Beklagte zeitgleich den ersten Bescheid aufheben und den Beitrag zudem neu festsetzt. Den Erklärungen ist hingegen weder nach dem Wortlaut noch der Gesamtschau zu entnehmen, dass die Beklagte den Ursprungsbescheid vom 23.04.2012 zwar rückwirkend aufheben, die neuen Beiträge gemäß Bescheid vom 03.07.2014 aber erst mit Wirkung ex nunc geltend machen wollte. Bei mehreren an sich möglichen Auslegungen ist derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher der behördlichen Erklärung bzw. dem behördlichen Bescheid eine rechtliche Bedeutung zukommt, wenn diese(r) sich ansonsten als sinnlos erweisen würde (vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2619).

47

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die Versagung von Prozesszinsen gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn ihm, der im Vertrauen auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung disponiert habe, ein Zinsanspruch versagt bliebe, jedoch der Verwaltung im Falle des gerichtlichen Obsiegens nach der Aussetzung der Vollstreckung eines angefochtenen Verwaltungsakts Aussetzungszinsen gewährt würden, kann er daraus ebenfalls keinen Anspruch auf Prozesszinsen stützen.

48

Ein etwaiger Aussetzungszinsanspruch eines Beklagten im Fall des Obsiegens Hauptsache nach Aussetzung Vollziehung ergibt sich aus der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 237 AO, in dem eigenständige Voraussetzungen vom Gesetzgeber normiert wurden. Es handelt sich um zwei von einander zu unterscheidende Sachverhalte beruhend auf zwei unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen. Dieser Ausgleich zwischen Zinsvorteil des Abgabenschuldners und Zinsnachteil des Abgabengläubigers ist vom Gesetzgeber so gewollt und findet seinen Ausdruck auch in der von Gesetzes wegen fehlenden aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen die Anforderungen von öffentlichen Abgaben und Kosten (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 VwGO).

49

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war abzulehnen, da hierfür kein Grund i. S. v. § 124 Abs. 2 VwGO gegeben ist, insbesondere keine Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts durch dieses Urteil, die der Kläger im Übrigen auch nicht benennen konnte.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Feb. 2016 - 9 A 288/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Feb. 2016 - 9 A 288/14 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2001 - IX ZR 358/00

bei uns veröffentlicht am 12.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 358/00 Verkündet am: 12. Juli 2001 Preuß, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB §§ 765, 7

Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2005 - II ZR 194/03

bei uns veröffentlicht am 07.03.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 194/03 Verkündet am: 7. März 2005 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 29. Feb. 2016 - 9 A 289/14

bei uns veröffentlicht am 29.02.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 421/13

bei uns veröffentlicht am 14.06.2013

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Februar 2013 - 1 K 2331/11 - wird zurückgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Die Kl

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 05. Mai 2011 - 2 S 2591/10

bei uns veröffentlicht am 05.05.2011

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2010 - 11 K 1674/09 - wird zurückgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbes

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(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von insgesamt 17.748,71 € für den Ausbau der Straße L-Straße in der Stadt B....

2

Der Kläger ist Alleineigentümer des Buchgrundstückes Flurstücks X, Flur X, Gemarkung A-Stadt (Grundbuchblatt X, lfd. Nr. X) mit einer Größe von 265 m2 und des Buchgrundstückes Flurstück X, Flur X, Gemarkung A-Stadt (Grundbuchblatt X, lfd. Nr. X) mit einer Größe von 470 m2. Beide Grundstücke haben die postalische Bezeichnung „A-Straße". Sie liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 38, der dort eine zweigeschossige Bebauung festsetzt. Das Gebiet ist als Mischgebiet ausgewiesen. Bis auf wenige weitere Grundstücke des Abrechnungsgebietes, die ebenfalls im Bereich des Bebauungsplanes liegen (Flurstücke X, X, X, X und X), befinden sich alle übrigen Grundstücke an der Straße L-Straße im unbeplanten Innenbereich.

3

Das Flurstück X liegt an der A-Straße an, nicht jedoch an der L-Straße. Es ist auf der gesamten Grundstücksbreite bebaut. Es befinden sich dort zwei Spielhallen und darüber die vom Kläger selbst bewohnte Wohnung. Auf dem dahinter liegenden Flurstück X, welches weder an der K-Straße noch an der L-Straße direkt anliegt, befinden sich in Fortsetzung zur vorhandenen Bebauung des Flurstücks X Lagerhallen und vom Kläger privat genutzte Pkw-Stellplätze. Für beide Grundstücke besteht zu Lasten des an die L-Straße anliegenden Grundstücks Flurstück X (L-Straße 2), welches nicht im Eigentum des Klägers steht, eine Baulast (Baulastenverzeichnis Blatt 439, lfd. Nr. 1).

4

Die Beklagte beschloss nach Durchführung einer Bürgerbeteiligung am 19.08.2008 ein Bauprogramm mit dem Inhalt der Grundsanierung der L-Straße aufgrund des schlechten Zustandes. Neben der notwendigen Erneuerung der vollkommen verschlissenen Fahrbahnen und Gehwege sollte der bislang weitgehend fehlende Regenwasserkanal hergestellt und die vorhandenen Kanäle saniert werden. Im Bereich L-Straße und St-Straße mit beidseitiger Bebauung sollte eine 3,25 m breite Fahrbahn in Asphaltsbauweise mit durch Hochborden abgetrennt jeweils 1,50 m breiten Gehwegen in Betonrechteckpflaster erfolgen; im Bereich L-Straße am Braakeufer eine 4,10 m bis 5,00 m breite Fahrbahn in Asphaltbauweise mit durch Hochbord abgetrenntem Gehweg von 1,50 m Breite in Betonrechteckpflaster auf der bebauten Seite. Auf der Seite zur Brake sollte ein Hochbord als bauliche Abgrenzung der Straße zum Ufer erfolgen. Zur Reduzierung des Lasteintrages im Bereich der Uferböschung sollten unterhalb der Fahrbahnen Geozellen eingebaut werden. Die Maßnahme wurde mit insgesamt 300.000 € in den Haushalt eingestellt.

5

Am 27.10.2009 erfolgte die Schlussabnahme.

6

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 16.01.2012 und 13.03.2012 zur Erhebung eines Ausbaubeitrages für den Ausbau der L-Straße an.

7

Am 23.04.2012 erließ die Beklagte sodann gegenüber dem Kläger einen Ausbaubeitragsbescheid in Höhe von 17.748,71 € für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehweges und des Regenwasserkanals aufgrund des schlechten Zustandes, diverser Schäden und Höhenunterschiede in der Straße. Gestützt wurde die Erhebung auf § 8 KAG i.V.m. der Satzung der Stadt B... über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 23.06.2004 in der Fassung der I. Nachtragssatzung vom 06.06.2006 (SBS). Danach wurden die klägerischen Grundstücke als ein Grundstück „A-Straße" betrachtet. Der beitragsfähige Aufwand belaufe sich auf 246.085,15 €. Dieser sei nach Abzug des Gemeindeanteils von 25 % aufgrund der Einstufung der Straße als Anliegerstraße als umlagefähiger Aufwand in Höhe von 184.563,86 € auf die erschlossenen Grundstücke des Abrechnungsgebietes nach den Grundstücksflächen verteilt worden. Danach ergebe sich bei einer gewichteten Grundstücksfläche von insgesamt 12.916,75 m2 ein Straßenbaubeitrag pro m2 von 14,2887 €/m2. Das Grundstück des Klägers falle in das Abrechnungsgebiet, auch wenn es grundsätzlich durch die K-Straße erschlossen sei. Durch die eingetragene Baulast über das Grundstück L-Straße 2 (Flurstück X der Flur X) werde ihm eine gesicherte Zugangs- bzw. Anfahrtsmöglichkeit seines Grundstückes von der Straße L-Straße verschafft. Auf das Grundstück des Klägers mit einer Größe von 735 m2 würde unter Berücksichtigung zweier Vollgeschosse (1,3) und des Artzuschlages (30%) eine gewichtete Fläche von 1.242,15 m2 entfallen; multipliziert mit dem Beitragssatz von 14,2887 m2 würde dies den Ausbaubeitrag in Höhe von 17.748,71 € ergeben.

8

Hiergegen legte der Kläger am 23.05.2012 Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurückgewiesen wurde.

9

Der anwaltlich vertretene Kläger erhob am 27.03.2013 Klage (9 A 66/13), mit der er die Aufhebung des Bescheides vom 23.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2013 sowie die Verpflichtung der Beklagten, den Betrag von 17.748,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen, begehrte.

10

Aufgrund einer prozessleidenden Verfügung des Einzelrichters dazu, dass es sich bei den beiden Flurstücken um getrennt zu betrachtende Buchgrundstücke handeln und damit dem angefochtenen Bescheid vom 23.04.2012 die notwendige Bestimmtheit fehlen dürfte, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 03.07.2014 den Bescheid vom 23.04.2012 zurück und setzte gleichzeitig für das Grundstück Flurstück X einen Ausbaubeitrag in Höhe von 11.349,51 € und für das Grundstück Flurstück X einen Ausbaubeitrag in Höhe von 6.399,19 € fest. Die Rücknahme stützte die Beklagte auf § 116 Abs. 1 LVwG. Im Übrigen wiederholte sie hinsichtlich der Neufestsetzung ihre Begründung aus dem Bescheid vom 23.04.2012 unter jeweiliger Einzelbetrachtung der beiden Buchgrundstücke. Weiterhin führte sie darin aus, dass der Gesamtbetrag von 17.748,71 € bereits aufgrund des Bescheides vom 23.04.2012 geleistet worden sei, so dass keine erneute Zahlungspflicht bestehe.

11

Der Bescheid vom 03.07.2014 wurde dem Kläger per Einschreiben am 08.07.2014 zugestellt.

12

Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, so dass das Klagverfahren mit Beschluss vom 26.08.2014 beendet wurde.

13

Am 17.07.2014 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass zum Zeitpunkt der erneuten Veranlagung am 03.07.2014 die Beitragsschuld des Widerspruchsführers verjährt sei. Nach den maßgeblichen Vorschriften des KAG in Verbindung mit der Abgabenordnung (AO) habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2010 begonnen und sei mit dem 31.12.2013 abgelaufen. Eine Berufung auf die Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung gemäß § 171 Abs. 3a AO sei nicht möglich, da diese nur für den Fall der gerichtlichen Aufhebung eines Bescheides zur Anwendung komme, nicht aber dann, wenn die Behörde ihren Bescheid aufhebe, auch dann nicht, wenn sie gleichzeitig einen neuen Heranziehungsbescheid erlasse. Eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 3a S. 3 AO werde aufgrund seines eindeutigen Wortlautes von der Rechtsprechung abgelehnt.

14

Der Bescheid sei auch aus materiell-rechtlichen Gründen als rechtswidrig aufzuheben:

15

Er sei vor Beginn der Ausbaumaßnahme nicht angehört worden und habe somit keinen Einfluss auf die Maßnahme nehmen können.

16

Auch der erneute Bescheid vom 03.07.2014 erfülle die Bestimmtheitsanforderungen an einen Verwaltungsakt nicht. Auch wenn es sich um zwei eigenständige Grundstücke des Klägers handele, seien sie, was ihre Beitragspflicht anbelange, unterschiedlich zu bewerten. So sei das Flurstück X keiner gewerblichen Nutzung unterworfen. Der Artzuschlag sei dort fälschlich berücksichtigt worden.

17

Eine Baulast würde keinen auf Dauer gesicherten Zugang des Grundstücks A-Straße zur L-Straße ausreichen lassen. Das Grundstück A-Straße gehöre bauplanungsrechtlich und dem Namen entsprechend zur K-Straße und nicht zur L-Straße.

18

Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausbaubeitragssatzung in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 06.06.2006. Zweifelhaft sei der ordnungsgemäße Erlass der Satzung. Zudem dürfte die Satzung aufgrund ihres Alters nicht mehr der Rechtslage und der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte entsprechen.

19

Die Höhe der Kosten werde gerügt. Die Beklagte habe in den letzten 35 Jahren nahezu keine Instandhaltung und Ufersicherungsmaßnahmen durchgeführt. Einzig und allein auf dieses Versäumnis sei der schlechte Zustand der Straße zurückzuführen. Im Übrigen habe keine Notwendigkeit für eine komplette Sanierung der Straße und des Gehweges bestanden. Der jetzige Zustand habe keineswegs Vorteile für die Anwohner der Straße gebracht.

20

Eine Inanspruchnahme der Anlieger für die Kosten der Wasser- und Regenwasserleitung scheide aus, da ein Ausgleich durch die Anlieger über die Zahlung von Gebühren an den Abwasserverband erfolge.

21

Die nachträgliche und rückwirkende Umwidmung der Straße L-Straße für den Anliegerverkehr sei fraglich. Sie werde vielfach als Durchgangs- und Stadtstraße genutzt. Es gebe keinerlei nachvollziehbare und nachhaltige Verkehrszählung. Es seien keine Erkenntnisse der Stadt bekannt, die die Einstufung begründen würde.

22

Die Eigentümer der Braake seien unzutreffend nicht zum Ausbaubeitrag herangezogen worden. Gleiches gelte für die gewerblichen Nutzer der Braake (Angelverein, Deich- und Sielverband, Abwasserentsorgung A-Stadt GmbH).

23

Die Beleuchtungskosten, die Kosten für die Böschungsbepflanzung und die Kosten für die Geozellen seien bei der Anteilsberechnung der Anlieger mit eingerechnet worden. Dies sei keinesfalls nachvollziehbar, da der Nutzen dieser Kosten ganz anderen als den Anliegern zu Gute komme.

24

Die Beklagte erließ am 18.11.2014 einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid. Zur Begründung führte sie aus, dass vorliegend die Ablaufhemmung gemäß § 11 KG i. V. m. § 171 Abs. 3a S. 1 AO zur Anwendung komme, welche bewirke, dass die Festsetzungsfrist nicht ablaufen könne, bevor nicht über den Rechtsbehelf des Klägers unanfechtbar entschieden worden sei. Eine unanfechtbare Entscheidung habe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides jedoch noch nicht vorgelegen. Die Erledigungserklärung sei erst nach der erneuten Festsetzung der Ausbaubeiträge erfolgt.

25

Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig:

26

Gründe die zur Unbestimmtheit des Bescheides führen könnten, seien nicht gegeben. Hinsichtlich der Aussage, dass die Flurstücke unterschiedlich zu bewerten seien, sei auszuführen, dass die beiden Flurstücke einheitlich genutzt würden. Beide Flurstücke stellten sich dem Betrachter als ein Grundstück dar. Die Grundstücksgrenze sei überbaut und sie werde wie ein Wohngrundstück mit Hof- bzw. Gartenfläche genutzt. Beide Flurstücke hätten über die eingetragene Baulast an die Straße L-Straße eine Zugangsmöglichkeit erhalten. Mit dieser Baulast werde somit nicht nur die Erreichbarkeit des Flurstücks X sichergestellt, sondern auch die des Flurstückes X. Ohne eine solche Baulast wäre die Sicherstellung der Erschließung der Obergeschosswohnungen des Flurstücks X nicht gegeben. Einen gesonderten Eingang von der K-Straße aus gebe es für die Wohnungen oberhalb der Spielhallen nicht. Die Nutzung wäre somit unzulässig.

27

Der Kläger sei mit Schreiben vom 16.01.2012 vor Erlass des ersten Beitragsbescheides gemäß § 91 AO bzw. § 87 LVwG angehört worden. Eine Anhörung der Anlieger vor Durchführung der Baumaßnahme sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Im jetzigen aktuellen Verfahren sei lediglich auf Hinweis des Gerichtes eine „Heilung" des Verwaltungsaktes erfolgt, so dass keine erneute Anhörung erforderlich sei.

28

Die Aussage, dass das Grundstück A-Straße bauplanungsrechtlich nicht zur L-Straße gehöre, sei für die Heranziehung des Grundstücks zu Ausbaubeiträgen für den Ausbau der L-Straße nicht entscheiden. An den Kosten eines Ausbaus einer Straße müssten sich gemäß § 8 KAG und des gemeindlichen Satzungsrechts die Grundstückseigentümer der Grundstücke beteiligen, deren Grundstücken durch die ausgebaute Straße eine Zugangs- oder Anfahrmöglichkeit verschafft werde. Dazu gehörten auch mehrfacherschlossene Grundstücke, wie Eckgrundstück und Grundstücke, die im rückwärtigen Bereich an die ausgebaute Einrichtung grenzten, sog. Hinterliegergrundstücke. Soweit angeführt werde, dass der Kläger nicht über eine gesicherte Rechtsposition verfüge, die eine Überwegung des Grundstückes L-Straße rechtlich dauerhaft absichere, sei anzumerken, dass Hinterliegergrundstücke grundsätzlich zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehörten, soweit Zugang zur Einrichtung über ein Anliegergrundstück in rechtlich zulässiger Weise und auf Dauer genommen werden könne. Entsprechend des Kommentars zu § 8 KAG reiche hierfür die Eintragung einer Grunddienstbarkeit aus, eine Eintragung einer Baulast sei nicht erforderlich. Mit der Eintragung einer Baulast in das Baulastenverzeichnis, welches durch die Baubehörde geführt werde, erhalte der Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks generell eine stärkere Rechtsposition, da diese Baulast als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhe und nicht durch privatrechtliche Regelungen, wie bei einer Grundschuld, aufgehoben werden könne. Folglich verfüge der Kläger über eine rechtlich dauerhaft abgesicherte Rechtsposition. Zumal ohne diese Baulast die derzeitige Nutzung der Flurstücke so nicht zulässig gewesen wäre. Grundsätzlich sei dagegen auch nicht Voraussetzung, dass tatsächlich eine Zufahrt oder ein Zugang über das fremde Grundstück bestehe. Die Inanspruchnahmemöglichkeit reiche aus. Darüber hinaus sei auch nicht die Gewährleistung erforderlich, dass die vorhandene, auf eine Dauerhaftigkeit angelegte rechtliche Sicherung auch immer fortbestehen werde. Unschädlich sei daher, wenn später einmal die Sicherungsformen wie Baulast oder Grunddienstbarkeit aufgegeben würden. Der Beitragsanspruch beurteile sich allein nach den Verhältnissen im Zeitpunkt seines Entstehens und setze nicht zusätzlich voraus, dass diese Verhältnisse tatsächlich auf Dauer bestünden.

29

Hinsichtlich der Erneuerungsbedürftigkeit ergebe sich Folgendes: sowohl die Fahrbahn als auch der Gehweg der L-Straße hätten sich in einem schlechten Zustand befunden. Die Straße habe diverse Schäden in der Asphaltoberfläche und in der Wasserführung aufgewiesen. In der Decke seien Ausbrüche und Risse zu verzeichnen gewesen und die Rinnen und Borde hätten Höhenunterschiede von bis zu 20 cm aufgewiesen. Darüber hinaus sei die Erneuerung der Wasser-und Regenwasserleitung erforderlich gewesen. Da zudem der Unterbau nicht mehr den heutigen Anforderungen des Straßenverkehrs entspreche, sei die weitere Durchführung von Reparaturmaßnahmen wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen und es sei nur die Erneuerung in Betracht gekommen. Die Straßenentwässerung sei dabei eine selbständige Teileinrichtung, sodass die tatsächlichen Kosten für die Entwässerung der Straßen zum beitragsfähigen Aufwand gehörten. Folglich hätten auch im Rahmen der Erneuerung die Schwächen in der Wasserführung ausgeglichen werden können. Nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer der Fahrbahn und der Gehwege sowie deren Abgängigkeit könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Gemeinde die erforderlichen Instandsetzung und Unterhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit durchgeführt habe. Selbst wenn es nicht zutreffen sollte, sei das im Falle des Ablaufs der üblichen Nutzungsdauer belanglos. Der letzte Ausbau der Straße L-Straße habe 1964 stattgefunden. Folglich sei mit einer Lebensdauer von über 40 Jahren die Nutzungsdauer abgelaufen, sodass die Notwendigkeit einer Erneuerungsmaßnahme gerichtlich anerkannt werde, selbst wenn keine Unterhaltungsarbeiten durchgeführt worden wären. In der L-Straße seien jedoch laufend Instandsetzungsarbeiten durchgeführt worden.

30

Die Kosten für die Verlegung der neuen Wasserleitung durch den Wasserverband werde von diesem getragen und nicht über die Ausbaubeitragsmaßnahme mit den Anliegern abgerechnet. Die Kosten für die Erneuerung des Regenwasserhauptkanals würden dagegen auf die Straßen- und Grundstücksentwässerung aufgeteilt, da die Erneuerung des Regenwasserkanals sowohl der Straßen- als auch der Grundstücksentwässerung zu Gute komme. Das bedeute, dass die Kosten der gemeinsamen Oberflächenentwässerung je zur Hälfte auf die Straßenentwässerung und die Grundstücksentwässerung aufzuteilen seien. Das heiße folglich, dass die Aufwendungen für die Straßenentwässerung über die Ausbaubeitragsmaßnahme abgerechnet würde und nur Kosten der Grundstücksentwässerung über die Abwassergebühr finanziert werde. Eine doppelte Finanzierung durch die Anlieger sei dadurch ausgeschlossen.

31

Die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten in der Fassung der I. Nachtragssatzung sei nach den entsprechenden Beschlussfassungen durch den Hauptausschuss und der Ratsversammlung durch den Bürgermeister ausgefertigt und anschließend in der Zeitung bekannt gemacht worden. Es handele sich um eine Satzung, die den Vorgaben des § 4 GO SH und §§ 1, 2, KAG entspreche. Auch aufgrund des angesprochenen Alters der Ausbaubeitragssatzung sei keine Rechtswidrigkeit gegeben. Eine Satzung verliere gemäß § 2 Abs. 1 KAG, sofern sie nicht für eine kürzere Geltungsdauer erlassen sei, 20 Jahre nach Inkrafttreten ihre Gültigkeit.

32

Maßgeblich für die Zuordnung einer Straße zu einem bestimmten Straßentyp seien jeweils die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Die Zuordnung von Straßen habe sich an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und für sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen auszurichten. Dabei sei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen, wie sie durch Lage, die Art der Ausgestaltung und die Verkehrsbelastung ihre Ausprägung gefunden habe. Anliegerstraßen seien hauptsächlich für den Zugang oder die Zufahrt zu den angelegenen Grundstücken bestimmt. Dabei besitze jede Straße im Gemeindegebiet, von Sackgassen abgesehen, neben der reinen Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke eine mehr oder weniger bedeutsame Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete. Die Funktion einer dem innerörtlichen Verkehr dienenden Straße weise eine Straße erst auf, wenn diese Ortsteile verbinde, den Verkehr zu einem Ortsbereich sammle oder aufgrund sonstiger Umstände eine Verkehrsbedeutung habe, die die Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke stark zurücktreten lasse. Lasse der Ausbauzustand einer Straße wegen geringer Fahrbahnbreite einen Begegnungsverkehr auf der asphaltierten Fläche nicht zu, könne sie nicht als überwiegend der Verbindung von Ortsteilen und anderen Verkehrswegen innerhalb des Gemeindegebietes dienend angesehen und den Haupterschließung-/Innerortsstraßen gleichgesetzt werden, auch wenn sie von zahlreichen Verkehrsteilnehmern als Abkürzungs- und Verbindungsweg (Schleichweg) genutzt werde. Auch die absolute Verkehrsbelastung, d. h. das Gesamtverkehrsaufkommen in einer Straße könne für sich genommen kaum Aufschluss geben, welcher Straßenkategorie sie zuzuordnen sei. Vor diesem Hintergrund sei eine Verkehrszählung für die Zuordnung einer Straße weder ausschlaggebend noch erforderlich. Bei der Straße L-Straße handele sich um eine sehr schmale Straße, die aufgrund des zur Verfügung stehenden Straßenraumes und die mit der gemäß der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) geforderten Mindestbreite für die Gehwege von 1,50 m nur noch eine Fahrbahnbreite von 3,25 m zulasse. Im ersten Teil der Straße sei kein Begegnungsverkehr möglich, so dass dort eine Einbahnstraße habe eingerichtet werden müssen. Die Funktion einer Verbindungsstraße zu anderen Ortsteilen sei allein schon aufgrund dieses Ausbauzustandes aber auch aufgrund ihrer Lage im Verkehrsnetz der Stadt nicht gegeben. Auch die durchgeführten Verkehrszählungen, die einmal vor und einmal nach dem Ausbau erfolgt seien, zeigten ein nur sehr geringes Verkehrsaufkommen. So seien 2008 durchschnittlich 5,8 Autos und 2011 7,8 Autos die Stunde gezählt worden.

33

Das Grundstück der Braake (Flurstück X) sei zutreffend nicht in das Abrechnungsgebiet einbezogen worden. Die Braake diene als Vorfluter (Sammlung und Ableitung von Oberflächenwasser) und werde durch ein Sperrwerk in die Elbe entwässert. Die Braake nehme im B...er Stadtgebiet weitere Entwässerungssysteme auf. Die Braake unterliege als oberirisches Gewässer den Bestimmungen des Wasserrechts, welches wiederum ein Teilgebiet des öffentlichen Rechts sei. Im Ausbaubeitragsrecht blieben die Grundflächen anderer Erschließungsanlagen bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes unberücksichtigt. Aufgrund der genannten öffentlichen Zweckbestimmung werde eine Privatnutzung, die vom Ausbau der Straße bevorteilt sein könnte, ausgeschlossen. Dies entspreche der Rechtsprechung. Hinzu komme, dass das Flurstück der Braake keinen wirtschaftlichen Vorteil durch den Ausbau der Straße erfahre.

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Bei den Kosten für die Beleuchtung, für die Böschungsbepflanzung und für die Geozellen handele es sich um beitragsfähigen Aufwand. Im Rahmen der Baumaßnahme sei das Straßenbeleuchtungskabel, welches nach den Unterlagen der Stadt im Zuge des letzten Ausbaus der Straße im Jahre 1964 eingebaut worden sei und nicht mehr den heutigen Anforderungen entspreche, erneuert worden. Bei der Böschungsbepflanzung handele es sich um Straßenbegleitgrün, welches zudem durch seine Wurzeln zusätzlich zur Sicherung der Böschung gegen Erosion beitrage. Weiterhin hätte für den Straßenbau ein Teil der vorhandenen Begrünung entfernt und entsprechend zum Abschluss der Baumaßnahme wieder ersetzt werden müssen. Die Geozellen dienten der Stabilisierung der Straße und verhinderten ein Absacken des Fahrbahnrandes zur Böschung, da diese zusätzlich zum verbesserten Straßenaufbau eine bessere Ableitung der Lasten in den Untergrund bewirke.

35

Der Kläger hat am 16.12.2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich vollumfänglich auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren bezieht. Ergänzend führt er an, dass die Ablaufhemmung vorliegend auch deshalb nicht greife, weil die Beklagte den Ursprungsbescheid von sich aus aufgehoben habe und dieser damit von Anfang an als nicht bestehend zu betrachten sei. Mit der Rücknahme des Heranziehungsbescheides vom 23.04.2012 im erledigten Klagverfahren sei dieser von vornherein unanfechtbar im Sinne des § 171 Abs. 3a S. 1 AO geworden. Mit der Neufestsetzung im Bescheid vom 03.07.2014 sei ein völlig neuer Verwaltungsvorgang in Gang gesetzt worden. Dies werde auch dadurch deutlich, dass dieser Bescheid weder in dem Klagverfahren 9 A 66/13 dem Gericht gegenüber bekannt gegeben noch dem dortigen Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt worden sei, sondern dem Kläger persönlich außerhalb des anhängigen Verfahrens. Zudem sei eine ausdrückliche Erledigungserklärung von Seiten der Beklagten dem Prozessvertreter des Klägers nie zugegangen.

36

Im Übrigen habe keine Ausschreibung der Ausbaumaßnahme stattgefunden. Zudem vertritt er weiterhin die Ansicht, dass eine Baulast für die rechtlich dauerhafte Absicherung eines Zugangs zum Hinterliegergrundstück nicht ausreichend sei. Aus der Kommentarmeinung, dass hierfür eine Grunddienstbarkeit ausreichend sei, es einer Baulast nicht bedürfe, sei nicht notwendigerweise der Umkehrschluss zu ziehen, dass eine Baulast ausreichend sei. Vielmehr verfolgten die Baulast und eine Grunddienstbarkeit unterschiedliche Zwecke. Zudem müsse die Baulast formgültig sein, was vorliegend nicht gegeben sei, da die verpflichteten Grundstückseigentümer und der berechtigte Kläger nicht zeitgleich die Baulast unterschrieben hätten.

37

Der Kläger beantragt,

38

1. den Bescheid vom 03.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2014 aufzuheben,

39

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 17.748,71 € nebst Zinsen in Höhe von einhalb Prozent für jeden Monat seit Klagzustel- lung zu zahlen und

40

3. die Hinzuziehung des Unterzeichneten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

41

Die Beklagte beantragt,

42

die Klage abzuweisen.

43

Zur Begründung vertieft sie ihre bisherigen Ausführungen und führt ergänzend an, dass die von dem Kläger zitierte Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit der Ablaufhemmung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da in jenen Verfahren - anders als vorliegend - die Neubescheidung erst nach der mündlichen Verhandlung und der Erledigungserklärung erlassen worden sei. In einem Fall wie der vorliegenden Konstellation, dass der an- gefochtene Bescheid während des gerichtlichen Verfahrens gleichzeitig mit dem Erlass eines neuen Bescheides aufgehoben werde, werde hingegen von der Rechtsprechung das Eingreifen der Ablaufhemmung bejaht.

44

Der Vortrag des Klägers zu einem „völlig neuen Verwaltungsvorgang“ durch Erlass des Aufhebungs- und Neuveranlagungsbescheides vom 03.07.2014 sei rechtlich unbeachtlich. Der Kläger persönlich habe mit Unterschrift auf dem Rückschein vom 08.07.2014 den Erhalt des Aufhebungs- und Neuveranlagungsbescheides vom 03.07.2014 bestätigt. Mit Schreiben vom 16.07.2014 sei auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers über den Bescheid informiert gewesen. Die Zustellung des Bescheides sei bereits wirksam mit Aushändigung an den Kläger am 08.07.2014 erfolgt. Für die Wirkung der Ablaufhemmung sei es rechtsunbeachtlich, wenn die Beklagte am 24.06.2014 gegenüber dem Verwaltungsgericht in dem dortigen Rechtsstreit 9A 66/13 auf den Hinweis und das Drängen des Gerichts erklärt habe, dass sie beabsichtige, den Bescheid aufzuheben. Die bloße Ankündigung einer solchen Aufhebung stelle keine Erledigung des Rechtsstreits dar, das erledigende Ereignis sei vielmehr erst durch die Zustellung des Aufhebungs- und Neuveranlagungsbescheides vom 03.07.2014 bei dem Kläger am 08.07.2014 eingetreten. Ferner habe die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 25.06.2014 ebenfalls mitgeteilt, dass gleichzeitig eine „Heilung" des Beitragsbescheides erfolgen solle, so dass vom Kläger nicht habe erwartet werden können, dass dieser sofort erlassen werde. Entsprechend seien die Abgaben der prozessualen Erledigungserklärungen durch den Kläger auch erst mit Schriftsätzen vom 16.07.2014 bzw. 25.08.2014 und durch die Beklagten erst am 14.08.2014 erfolgt.

45

Mit Beschluss vom 12.01.2016 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - auch zu den Verfahren 9 A 66/13 und 9 A 288/14 - und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

47

Die zulässige Klage ist unbegründet.

48

Der angefochtene Bescheid vom 03.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

49

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründen in dem Widerspruchsbescheid vom 18.11.2014 verwiesen, denen das Gericht gem. § 117 Abs. 5 VwGO folgt. Darin hat die Beklagte alle von dem Kläger aufgeworfenen Gesichtspunkte, die seiner Auffassung nach zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung für seine beiden Grundstücke führen, auch unter Berücksichtigung seines Vortrages zu dem aufgehobenen Beitragsbescheid vom 23.04.2012 - auch in dem Klagverfahren 9 A 66/13 - ausführlich behandelt. Dies betrifft insbesondere die gerügten Punkte der Festsetzungsverjährung, der fehlenden Bestimmtheit des Bescheides im Hinblick auf die unterschiedliche Bewertung/Nutzung beider Grundstücke (Gewerbe), der fehlenden Anhörung/Beteiligung vor Beginn der Maßnahme, des veralteten und unrechtmäßig erlassenen Satzungsrechts, der fehlerhaften Berücksichtigung seiner Hinterliegergrundstücke aufgrund der Baulast, des Umfangs der Baumaßnahme und der Höhe der Kosten (Beleuchtung, Geozellen, Bepflanzung), der fehlenden Vorteilssituation, der fraglichen Umwidmung der Straße zum „Anliegerverkehr“, der fehlerhaften Nichtberücksichtigung des Eigentümers der Braake und die doppelte Inanspruchnahme durch Abwassergebühren.

50

Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

51

Entgegen der Ansicht des Klägers ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten; vielmehr ist der angefochtene Beitragsbescheid vom 03.07.2014 noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen.

52

Zwar wäre die Festsetzungsverjährung gemäß § 11 Abs. 1 S. 2, § 15 KAG i. V. m. §§ 169 ff. AO grundsätzlich bei Erlass des streitigen Bescheides am 03.07.2014 bereits eingetreten gewesen, da die vier Jahre ab Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragspflicht (hier am 27.10.2009) entstanden ist, am 31.12.2013 endeten.

53

Vorliegend greift jedoch die Ablaufhemmung gem. § 11 Abs. 1 S. 2 KAG i. V. m. § 171 Abs. 3a S. 1 1. HS AO. Nach dieser Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten wird, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist für den Fall, dass die Finanzbehörde während eines finanzgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Haftungsbescheid unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Haftungsbescheides aufhebt, der neue Haftungsbescheid noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3a S. 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen. Die Aufhebung des 1. Bescheides führe nicht dazu, dass der 2. Bescheid nicht mehr hätte ergehen dürfen. Denn im Streitfall sei der besondere Umstand zu berücksichtigen, dass die Beklagte den ursprünglichen Bescheid aufgehoben und mit demselben Verwaltungsakt zugleich einen neuen Haftungsbescheid erlassen habe. Rücknahme und Neuerlass des Bescheides erfolgten zeitgleich, so das von einem Ablauf der Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Erlasses des zweiten Bescheides nicht ausgegangen werden könne. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob im Falle einer Rücknahme eines Haftungsbescheides während eines finanzgerichtlichen Verfahrens die Ablaufhemmung bereits im Zeitpunkt der Aufhebung des Verwaltungsaktes oder erst mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien ende (BFH, U. v. 05.10.2004 - VII R 18/03 -; vgl. auch OVG NRW, B. v. 19.03.2012 - 14 A 435/12 -; VGH BW, U. v. 05.05.2011 - 2 S 2591/10 -; OVG Thür., B. v. 09.11.2011 - 4 EO 39/11 -, jeweils zitiert nach juris).

54

Eine identische Fallkonstellation ist vorliegend gegeben. Der Kläger erhob gegen den Ursprungsbescheid vom 23.04.2012 - welcher noch während der Festsetzungsverjährung erlassen wurde -, am 27.03.2013 Klage (9 A 66/13). Während des laufenden Klagverfahrens nahm die Beklagten nach vorheriger Ankündigung mit Bescheid vom 03.07.2014 diesen Ursprungsbescheid zurück und setzte in demselben Bescheid gleichzeitig neue Ausbaubeiträge für beide Grundstücke fest. Hinsichtlich der Wirkung der Rücknahmeverfügung ex nunc wird auf die hierzu getroffenen Ausführungen in dem Urteil vom selben Tag in dem Parallelverfahren 9 A 288/14 verwiesen. Dieser Bescheid wurde dem Kläger persönlich am 08.07.2014 durch Zustellung bekannt gegeben. Daraufhin erklärten die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.08.2014 durch Stellung eines Kostenantrages und der Kläger mit Schriftsatz vom 25.08.2014 übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, worauf hin das Klagverfahren 9 A 66/13 endete. Der entsprechende Kostenbeschluss erging am 26.08.2014.

55

Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass der Bescheid dem Kläger persönlich zugestellt wurde und nicht seinem Prozessbevollmächtigten oder dem Gericht gegenüber in dem Klagverfahren 9 A 66/13 bekannt gemacht wurde. Richtiger Adressat des Rücknahme- und Neufestsetzungsbescheides ist der Kläger als von ihm Betroffener (vgl. § 112 Abs. 1 LVwG). Selbst unter der Annahme, dass sein Prozessbevollmächtigter für dieses Verwaltungsverfahren, welches unmittelbar mit dem Klagverfahren in Zusammenhang stand, bevollmächtigt war und die Zustellung an den Kläger daher wegen der Zustellungsvorschrift § 152 Abs. 1 LVwG an einem Zustellungsmangel gelitten haben sollte, wäre dieser mit der nachweislich tatsächlichen Zustellung an den Kläger am 08.07.2014 gem. § 153 LVwG geheilt gewesen.

56

Hingegen behandelt die vom Kläger zitierte Rechtsprechung (u. a. BFH, U. v. 05.10.2004 - VII R 77/03 -, juris) eine andere Fallkonstellation, die sich gerade dadurch von dem vorliegenden Fall und jenen in der oben zitierten Rechtsprechung unterscheidet, dass dort die Ankündigung der Aufhebung des Steuerbescheides im laufenden Klagverfahren durch den Beklagten erklärt wurde, sodann der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde und erst einige Zeit später durch den Beklagten - also nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens - neben der Aufhebung des ersten Bescheides ein neuer Steuerbescheid erlassen wurde. In diesem Zusammenhang wurde ausgeführt, dass § 171 Abs. 3a AO den Ablauf der Festsetzungsfrist nur im Falle der gerichtlichen Kassation eines angefochtenen Bescheides hemme.

57

Die Ausbaubeiträge sind auch materiell rechtmäßig von der Beklagten erhoben worden.

58

Das erkennende Gericht hat entsprechend seiner Ausführungen in der mündlichen Verhandlung keine Zweifel daran, dass es sich vorliegend bei der Straße L-Straße zwischen K-Straße und Unter dem Deiche um eine selbständige öffentliche Einrichtung handelt, welche zwar nicht gem. § 6 StrWG gewidmet ist, aber aufgrund des Vortrages der Beklagten und des eingereichten Kartenmaterials von 1911 bereits bei Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes vom 01.10.1962 gem. § 57 Abs. 3 StrWG neben ihrer Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke einem nicht unerheblichen öffentlichen Verkehr gedient hat. Hiergegen hat der Kläger keine Bedenken erhoben.

59

Das Gericht hat auch nach den vorliegenden Lichtbildern über den Zustand vor der Maßnahme und den unbestrittenen zeitlichen Angaben - letzte Ausbaumaßnahme 1964 - keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Maßnahme um eine objektiv vorteilhafte Ausbaumaßnahme an den abgängigen und die übliche Lebensdauer überschrittenen Teileinrichtungen Fahrbahn und Gehweg (einschließlich der Begleitmaßnahme Beleuchtung) sowie Straßenentwässerung handelt. Insofern ist es auch ohne Relevanz, falls die Beklagte entsprechend der Vermutung des Klägers zwischenzeitlich keine Instandsetzungsarbeiten durchgeführt haben sollte. Ist die Anlage verschlissen und zumindest die übliche Nutzungsdauer abgelaufen, die unter Berücksichtigung u. a. auch der Qualität des früheren Ausbaus zu ermitteln ist, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Gemeinde die erforderlichen Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit durchgeführt hat. Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, ist das im Falle des Ablaufs der üblichen Nutzungszeit belanglos; eine unterlassene ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung hat bei zweifellos erfolgtem Ablauf der üblichen Nutzungszeit und tatsächlich eingetretener Abgenutztheit keine eigenständige Bedeutung (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 32, Rn. 22).

60

Die Einstufung als Anliegerstraße zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht am 27.10.2009 (Schlußabnahme) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken aufgrund der geringen Straßenbreite (3,25 bis 5 m) und des deshalb teilweise nicht möglichen Begegnungsverkehrs. Entsprechend wurde in dem nördlichen Teil der Straße L-Straße bis zur Abzweigung der St-Straße eine Einbahnstraßenregelung getroffen. Lässt der Ausbauzustand einer Straße wegen geringer Fahrbahnbreite einen Begegnungsverkehr auf der asphaltierten Fahrbahn nicht zu, kann sie nicht als überwiegend der Verbindung von Ortsteilen und anderen Verkehrswegen innerhalb des Gemeindegebietes dienend angesehen und den Haupterschließungsstraßen/Innerortsstraßen gleichgestellt werden, auch wenn sie von zahlreichen Verkehrsteilnehmern als Abkürzungs- und Verbindungsweg (Schleichweg) genutzt wird (OVG Schleswig, B. v. 14.11.2008 - 2 MB 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 451).

61

Ebenso hat die Beklagte zutreffend beide klägerischen Grundstücke in das Abrechnungsgebiet einbezogen. Beide Grundstücke stellen sich aus Sicht der Straße L-Straße als Hinterliegergrundstücke dar. Das Flurstück X ist von dieser Straße aus ein sog. gefangenes - echtes - Hinterliegergrundstück, weil es an keiner Anbaustraße direkt anliegt, sondern ausschließlich über das vorgelagerte Anliegergrundstück eine Verbindung zum gemeindlichen Verkehrsnetz hat. Hier ist entscheidend, „ob dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks durch den Straßenausbau ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil... geboten wird, weil er vom Hinterliegergrundstück aus eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitzt“. Wird ein gefangenes Hinterliegergrundstück von der abzurechnen Anbaustraße durch ein im fremden Eigentum stehendes Anliegergrundstück getrennt (Fall der Eigentümerverschiedenheit, wie vorliegend zum Anliegergrundstück L-Straße X (Flurstück X)), ist das Merkmal „vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit“ jedenfalls in allen den Fällen erfüllt, in denen das Merkmal „erschlossen“ im Sinne des § 131 Abs. 1 S. 1 BauGB erfüllt ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 35, Rn. 19 f.). Dies ist dann der Fall, wenn eine Baulast zu Lasten des Anliegergrundstücks bestellt ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 17, Rn. 91). So liegt der Fall hier. Zu Lasten des Anliegergrundstücks wurde zu Gunsten beider klägerischen Grundstücke am 26.11.1996 eine Baulast mit Folgendem Inhalt eingetragen (vgl. Baulastverzeichnis Blatt 429, lfd. Nr. 1):

62

„Der Eigentümer der Flurstücke X und X der Flur X (A-Straße) ist berechtigt, das Flurstück X der Flur X (L-Straße X) in einer Breite von 3,70 m im Einfahrtsbereich der Straße L-Straße und in der Breite von 3,20 m im Einfahrtsbereich zu den Flurstücken X und X zu Fuß oder mit Kraftfahrzeugen jeder Art sowie mit dem Fahrrad zu überwegen. Der Berechtigte hat die Zuwegung in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Die Eigentümer des Grundstückes L-Straße X verpflichten sich, die Zufahrt dauerhaft freizuhalten und nicht durch Pfähle oder andere Hindernisse einzuschränken.“

63

Soweit der Kläger geltend macht, die Baulast sei formell fehlerhaft im Baulastenverzeichnis eingetragen worden, kann er damit nicht durchdringen. Ist eine Eintragung im Baulastenverzeichnis unrichtig, muss der hiervon Betroffene, auch wenn das Baulastenverzeichnis keinen öffentlichen Glauben genießt, grundsätzlich zunächst einen Antrag auf Berichtigung bzw. Änderung stellen. Erst mit der Eintragung der Berichtigung bzw. Änderung wird die Baulast in ihrer berichtigten bzw. geänderten Form wirksam (vgl. VG Aachen, U. v. 19.06.2012 - 3 K 1072/10 -, juris).

64

Auch blieb die weitere Recherche der Einzelrichterin auf die Behauptung des Klägers hin, es gäbe eine „neue Rechtsprechung“, die eine Baulast nicht als ausreichend für die dauerhafte Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Hinterliegergrundstücks bei Eigentümerverschiedenheit ausreichen lässt, erfolglos. Der Kläger konnte eine entsprechende Fundstelle auch nicht benennen.

65

Das Flurstück X liegt hingegen an der K-Straße direkt an, stellt sich zur L-Straße mithin als anderes - unechtes - Hinterliegergrundstück dar. Bei den anderen Hinterliegergrundstücken, d.h. den Hinterliegergrundstücken, deren - aus Sicht der betreffenden Anliegergrundstücke - rückwärtige Teilflächen ihrerseits an eine Gemeindestraße angrenzen, reicht ausnahmsweise allein die Erkenntnis, deren Eigentümer hätten über die Anliegergrundstücke eine (hinreichend gesicherte) Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Einrichtung, nicht für deren Teilnahme an der Verteilung des umlagefähigen Auslands aus. Vielmehr ist bei diesen Hinterliegergrundstück mit Blick auf die Tatsache, dass sie anders als die gefangenen Hinterliegergrundstücke an eine sozusagen eigene Einrichtung angrenzen, zusätzlich eine Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit geboten. Ihnen wächst durch diese Inanspruchnahmemöglichkeit ein eine Beitragserhebung rechtfertigender Sondervorteil nur zu, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht mit einer (noch) relevanten Wahrscheinlichkeit typischerweise angenommen werden kann, von ihnen aus werde - ungeachtet der „eigenen“ Einrichtung - über die Anliegergrundstücke die ausgebaute Einrichtung in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen werden. Das ist grundsätzlich nur der Fall, wenn in diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte wie z. B. das Vorhandensein einer Zufahrt über ein Anliegergrundstück gegeben sind, die einen Schluss auf eine derartige Inanspruchnahme erlauben (vgl. Driehaus, a.a.O., § 35, Rn. 24). So liegt der Fall hier. Das Grundstück Flurstück X hat - gesichert über die o. g. Baulast - eine tatsächlich vorhandene Zufahrt, vermittelt über das im eigenen Eigentum stehende Flurstück X. Beide Grundstücke werden einheitlich genutzt. Die Grundstücksgrenze ist überbaut mit einer Lagerhalle, welche mit dem Baukörper direkt an das Gebäude mit zwei Spielhallen und Wohnung des Klägers auf dem Flurstück X anschließt. Der gemeinsame Innenhof erstreckt sich über die Grundstücksgrenze; dort befinden sich zudem von dem Kläger privat genutzten Pkw-Stellplätze.

66

Aus Vorstehendem ergibt sich zugleich, dass die Beklagte zutreffend bei beiden Grundstücken den Artzuschlag gem. § 6 Abs. 4 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Fassung der I. Nachtragssatzung vom 06.06.2006 angewendet hat, da die Grundstücke Flurstück X mit zwei Spielhallen, das Flurstück X mit einer Lagerhalle und damit (überwiegend) gewerblich genutzt werden.

67

Soweit der Kläger anführt, dass keine Ausschreibung der Ausbaumaßnahme erfolgt sei, so ist dies - wie der Beklagte versichert hat - unzutreffend, da eine solche tatsächlich stattgefunden hat, woran das Gericht aufgrund des veranschlagten Auftragsvolumens von 300.000,00 € keinen Zweifel hat. Die Stadtvertretung hat am 19.08.2008 die Durchführung des entsprechenden Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens beschlossen. Darüber hinaus würde eine fehlende Ausschreibung nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides führen, sondern hat möglicherweise lediglich Auswirkungen auf die Anerkennung des Aufwandes als notwendig (vgl. Habermann, in: Praxis der Kommunalverwaltung, KAG, Stand: 11.2014, § 8, Rn. 303a).

68

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Februar 2013 - 1 K 2331/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Prozesszinsen im Hinblick auf eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung.
Die Klägerin ist Eigentümerin des auf dem Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks xxx xx. Mit Bescheid vom 31.01.2001 setzte die Beklagte für dieses Grundstück für den Zeitraum vom 17.12.1999 bis zum 31.12.1999 sowie für das Jahr 2000 Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 1.714,95 DM (= 876,84 EUR) fest. Der Betrag wurde von der Klägerin an die Beklagte entrichtet. Den gegen den Bescheid vom 31.01.2001 von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis zurück.
Auf die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 25.03.2009 (1 K 963/06) den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 31.01.2001 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid mit der Begründung auf, der in der Abwassersatzung verwendete einheitliche Frischwassermaßstab stelle keine gültige Maßstabsregelung dar. Mit Beschluss vom 20.09.2010 (2 S 1427/09) wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurück und führte zur Begründung ergänzend aus: Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutzwasser als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Nach dem den Beteiligten bekannten Urteil des Senats vom 11.03.2010 - 2 S 2938/08 - (BWGZ 2010, 469), mit dem er seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) geändert habe, verstoße dieser Maßstab angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Auch die Absicht der Beklagten, die insoweit nichtige Satzung durch eine neue wirksame Satzung zu ändern, ändere nichts an der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Maßgeblich für die Entscheidung eines Gerichts seien die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimäßen. Ob der angefochtene Gebührenbescheid rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt sei, bestimme sich deshalb nach der Abwassersatzung der Beklagten vom 25.08.1992 i.d.F. vom 07.11.2000.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21.06.2011 (9 B 10.10) zurück.
Mit Schreiben vom 22.07.2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die von ihr gezahlte Abwassergebühr in Höhe von 876,84 EUR zuzüglich Prozesszinsen zu erstatten, da das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 nunmehr rechtskräftig sei.
Am 06.10.2010 hatte die Beklagte bereits eine neue Abwassersatzung, mit der sie rückwirkend zum 01.01.1994 eine nach Schmutz- und Niederschlagswasser gesplittete Abwassergebühr einführte, beschlossen. Die Satzung wurde am 14.10.2010 bekannt gemacht.
Mit Bescheid vom 11.10.2011 setzte die Beklagte für das Grundstück der Klägerin auf der Grundlage der neuen Abwassersatzung für das Jahr 2000 Abwassergebühren in Höhe von 711,-- EUR fest und verrechnete damit den von der Klägerin für dieses Jahr bereits gezahlten Betrag in Höhe von 876,84 EUR. Den für dieses Jahr zu viel entrichteten Betrag in Höhe von 165,84 EUR erstattete die Beklagte der Klägerin am 20.10.2011. Den gegen den Bescheid vom 11.10.2011 von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 zurück. Am 16.04.2012 hat die Klägerin dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben (1 K 715/12), über die bisher noch nicht entschieden worden ist.
Am 28.11.2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Freiburg wegen der geltend gemachten Prozesszinsen Klage erhoben. Die Beklagte hat nach Klageerhebung Prozesszinsen aus dem abgerundeten Erstattungsbetrag in Höhe von 150,-- EUR für 64 Monate zu 0,5 % monatlich anerkannt. Dementsprechend hat sie der Klägerin 48,-- EUR überwiesen (150,-- EUR x 64 Monate x 0,5 %). Daraufhin haben die Beteiligten insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zuletzt weitere Prozesszinsen aus einem Erstattungsbetrag von noch 700,-- EUR geltend gemacht. Der Abwassergebührenbescheid vom 31.01.2001, mit dem die Beklagte Abwassergebühren in Höhe von 876,84 EUR festgesetzt habe, sei durch das seit dem 21.06.2011 rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 aufgehoben worden. Damit sei das Leistungsgebot auf 0,00 EUR herabgesetzt worden. Deshalb sei die durch das rechtskräftige Urteil herabgesetzte Gebühr von 876,84 EUR und nicht lediglich der Erstattungsbetrag von 165,64 EUR zu verzinsen. Daraus errechne sich auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) KAG i.V.m. § 236 AO ein Gesamtzinsanspruch in Höhe von 272,-- EUR und nicht lediglich - wie von der Beklagten anerkannt - ein Betrag von 48,-- EUR.
10 
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 06.02.2013 die auf weitergehende Prozesszinsen in Höhe von 224,-- EUR gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Da die Beklagte über den Antrag der Klägerin auf Zinsfestsetzung ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden habe, sei die Verpflichtungsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO abweichend von § 68 VwGO zulässig. Die aufrecht erhaltene Klage sei aber nicht begründet. Die Klägerin könne nicht beanspruchen, dass die Beklagte zu ihren Gunsten weitere Prozesszinsen über den anerkannten Betrag von 48,-- EUR hinaus festsetze.
11 
Als gesetzliche Grundlage des geltend gemachten Zinsanspruchs komme hier nur § 236 Abs. 1 AO in Betracht. Werde durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer (Kommunalabgabe) herabgesetzt, so sei nach dieser Bestimmung der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Hinsichtlich des weiteren Zinsanspruchs der Klägerin lägen diese Voraussetzungen nicht vor. Zwar habe das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 25.03.2009 den Abwassergebührenbescheid vom 31.01.2009 aufgehoben, durch den die Beklagte Abwassergebühren in Höhe von 876,84 EUR festgesetzt habe. Die Klägerin habe diesen Betrag nach Erlass des Bescheids auch entrichtet. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe dieses entrichteten Betrags sei durch Erlass des Urteils aber nicht entstanden. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der sich aus der Aufhebung des Abwassergebührenbescheids ergebe, entstehe vielmehr erst nach Rechtskraft dieses stattgebenden Urteils, das gemäß § 167 Abs. 2 VwGO nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden könne. Im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft dieses Urteils sei aber die abstrakte Abwassergebührenschuld für den Veranlagungszeitraum bereits wieder entstanden gewesen. Denn der Gemeinderat der Beklagten habe am 06.10.2010 mit Rückwirkung zum 01.01.1994 eine neue Abwassersatzung beschlossen, mit der der ungültige einheitliche Frischwassermaßstab durch den nach der neuen Rechtsprechung gebotenen gesplitteten Maßstab ersetzt worden sei. Die seit Erlass dieser neuen Satzung bestehende abstrakte Abwassergebührenschuld für den streitigen Zeitraum habe die Beklagte durch den neuen Bescheid vom 11.10.2011 konkretisiert und für diesen Zeitraum Abwassergebühren in Höhe von 711,-- EUR festgesetzt. Erst aufgrund dieses neuen Abwassergebührenbescheids, den die Klägerin im Verfahren - 1 K 715/12 - anfechte, ergebe sich, dass der Klägerin ein Betrag von 165,84 EUR zu erstatten sei.
12 
Gegen das Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung macht sie geltend, die Höhe des zu erstattenden Betrags ergebe sich aus dem seit dem 21.06.2011 rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009. Seit diesem Zeitpunkt habe die Beklagte einen Betrag in Höhe von 876,84 EUR ohne Rechtsgrund bei sich behalten. Im Urteil sei es auch nicht zu einer Reduzierung einer festgesetzten Abgabenschuld gekommen. Denn der ursprüngliche Festsetzungsbescheid sei rechtskräftig vollständig aufgehoben worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es auch nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der abstrakten Gebührenschuld an, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung der persönlichen konkreten Gebührenschuld. Da eine wirksame Festsetzung der Abwassergebühren erst wieder durch den Bescheid vom 11.10.2011 erfolgt sei, habe die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt den Gesamtbetrag zu Unrecht vereinnahmt und müsse dementsprechend den Gesamtbetrag verzinsen.
13 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Februar 2013 - 1 K 2331/11 - zu ändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verpflichten, weitere Prozesszinsen in Höhe von 224,-- EUR festzusetzen.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Eine „Erstattung“ im Sinne von § 236 Abs. 1 AO setze nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck voraus, dass für einen bestimmten Zeitraum etwas „zu viel bezahlt worden sei“. Für das Jahr 2000 seien von der Klägerin aber nur 165,84 EUR und nicht 876,84 EUR zu viel bezahlt worden. Bei natürlicher Betrachtungsweise sei danach nur der zu viel bezahlte Betrag zu verzinsen. In diesem Zusammenhang komme es maßgeblich darauf an, dass sowohl die ursprüngliche Festsetzung der Abwassergebühren in Höhe von 876,84 EUR als auch die reduzierte Festsetzung in Höhe von 711,-- EUR, die mit Bescheid vom 11.10.2011 erfolgt sei, das gleiche Jahr 2000 beträfen.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Untätigkeitsklage, mit der die Klägerin weitere Prozesszinsen in Höhe von 224,-- EUR beansprucht, zu Recht abgewiesen.
21 
I. Ansprüche aus einem Abgabenschuldverhältnis werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) KAG i.V.m. § 233 Satz 1 AO). Als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten weiteren Zinsanspruch kommt danach § 236 Abs. 1 AO in Betracht, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) KAG auf Kommunalabgaben wie die hier zu beurteilenden Abwassergebühren sinngemäß anzuwenden ist.
22 
Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt, so ist der zu erstattende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 der Vorschrift, der hier unstreitig nicht einschlägig ist, vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen (§ 236 Abs. 1 Satz 1 AO). Durch gerichtliche Entscheidung wird die Steuer herabgesetzt, wenn etwa das Finanzgericht sie nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO selbst niedriger festsetzt, aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, wenn das Finanzgericht den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt und das Finanzamt die Steuer nach § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO weisungsgemäß niedriger festsetzt, weil die Ermittlung der festzusetzenden Steuer einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (vgl. dazu Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Stand Juli 2011, § 236 RdNr. 12). Die Regelung ist damit auf finanzgerichtliche Verfahren zugeschnitten, in denen mit dem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts bzw. auf Grundlage dieses Urteils feststeht, dass der Steuerpflichtige für einen bestimmten zu besteuernden Vorgang bzw. für einen zu besteuernden Zeitraum zu hohe Steuern bezahlt und deshalb dem Staat Kapital zugeführt hat. Der Steuerpflichtige erhält danach Erstattungszinsen als Gegenleistung, weil er dem Steuerfiskus das Kapital überlassen hat, zu dessen Leistung er im Ergebnis nicht verpflichtet war (vgl. etwa Heuermann in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Komm. zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Stand April 2013, § 236 AO RdNr. 5). Der Regelungsgehalt des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO erfasst damit die Konstellation, in der mit dem rechtskräftigen Urteil der zu beurteilende Sachverhalt endgültig und abschließend geklärt ist bzw. geregelt wird.
23 
II. Die Klägerin hat bei Übertragung dieser Grundsätze auf die hier zu beurteilende Abwassergebühr für das Jahr 2000 keinen Anspruch auf weitere Prozesszinsen. Sie hat allein Anspruch auf Prozesszinsen für den von ihr zu viel entrichteten Betrag in Höhe von 165,84 EUR, den die Beklagte am 20.10.2011 erstattet hat. Für die Berechnung der Zinsen ist zunächst der zu verzinsende Betrag auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abzurunden (§ 238 Abs. 2 AO), und die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen; dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin zu Recht Zinsen in Höhe von 48,-- EUR überwiesen (150,-- EUR x 64 Monate x 0,5 %). Die rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 (1 K 963/06) war hinsichtlich des von der Klägerin zu viel bezahlten Betrags in Höhe von 165,84 EUR und damit für die Herabsetzung  der Abwassergebühr in dieser Höhe ursächlich (vgl. dazu BFH, Urteil vom 15.10.2003 - X R 48/01 - BFHE 204, 1).
24 
Dagegen besteht für den von der Klägerin bezahlten weiteren Betrag in Höhe von 711,-- EUR zum jetzigen Zeitpunkt kein Erstattungsanspruch und damit auch kein Zinsanspruch, da die Beklagte insoweit die Abwassergebühr für das Jahr 2000 mit Bescheid vom 11.10.2011 neu festgesetzt hat. Insoweit ergibt sich auch auf Grundlage des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 kein Erstattungsanspruch.
25 
1. Für das hier zu beurteilende Abgabenschuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht die Besonderheit, dass das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg den maßgeblichen Sachverhalt - Abwassergebühren für das Jahr 2000 für das Grundstück xxx xx - nicht abschließend und endgültig regelt. Denn die Beklagte war auch durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts nicht gehindert, ihre im  Gebührenmaßstab rechtsunwirksame Abwassersatzung vom 25.08.1992 i.d.F. vom 07.11.2000 durch eine neue Satzung (hier: Abwassersatzung vom 06.10.2010) mit geändertem Maßstab rückwirkend zu ersetzen und auf dieser neuen Grundlage Abwassergebühren für das Jahr 2000 festzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Abgabenrecht der Rückwirkung von Rechtssätzen das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht entgegensteht, wenn der Erhebung der Abgabe ein gleichartiger Regelungsversuch vorangegangen ist und sich deshalb ein Vertrauen der Betroffenen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von der Abgabenpflicht überhaupt verschont zu bleiben, nicht bilden konnte (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 31.03.2008 - 9 B 30.07 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 191 zu einer Spielgeräte-Steuersatzung; Beschluss vom 07.02.1996 - 8 B 13.96 - Buchholz 401.9, Beiträge Nr. 36 zu einem Kanalbeitrag; Urteil vom 09.03.1984 - 8 C 45.92 - NVwZ 1984, 435 zu einem Erschließungsbeitrag; Urteil vom 15.04.1993 - 8 C 170.81 - BVerwGE 67, 129 zu einem Kanalbeitrag; Urteil ebenfalls vom 15.04.1993 - 8 C 167.81 - KStZ 1983, 207 zu Kanalbenutzungsgebühren und Beschluss vom 25.02.1972 - VII B 92.70 -KStZ 1972, 111 zu Abwassergebühren). Bei Benutzungsgebühren wie der hier zu beurteilenden Abwassergebühr kann der betroffene Bürger, auch wenn er die Nichtigkeit der Ausgangssatzung im Hinblick auf Mängel des Gebührenmaßstabs rügt, nicht ernsthaft erwarten, dass eine nach ihrem Wesen gebührenpflichtige Leistung ohne jede Bezahlung gewährt wird.
26 
Der rückwirkende Erlass einer neuen Abwassersatzung durch die Beklagte und der darauf gestützte Gebührenbescheid vom 11.10.2011 führen danach dazu, dass die Beklagte mit Rückwirkung für das Jahr 2000 einen Rechtsgrund geschaffen hat, um die vereinnahmten Abwassergebühren (in Höhe von 711,-- EUR) behalten zu dürfen. Dementsprechend steht der Klägerin zum Zeitpunkt dieser Entscheidung, dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt, kein Anspruch auf Erstattung dieses Betrags und konsequenterweise auch nicht auf Erstattungszinsen zu. Denn auch im Hinblick auf den Ausspruch im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 steht bislang nicht fest, dass in Höhe des hier streitigen Betrags von 711,-- EUR zu hohe Abwassergebühren bezahlt wurden. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe dieses Betrags und daraus resultierend ein Anspruch auf weitere Prozesszinsen besteht erst dann, wenn auch bezüglich der unter dem 11.10.2011 festgesetzten Abwassergebühr eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu Gunsten der Klägerin vorliegt. Daran fehlt es hier, da die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2011 zwar Klage (1 K 715/12) erhoben hat, eine Entscheidung hierüber jedoch noch nicht erfolgt ist.
27 
2. Auf Grundlage der dargestellten Auslegung sieht § 236 Abs. 1 AO einen Zinsanspruch des Abgabenpflichtigen nur dann vor, wenn er dem Abgabengläubiger (hier der beklagten Gemeinde) Kapital überlassen hat, das diesem für den zu beurteilenden Zeitraum bzw. Vorgang in der Sache nicht zusteht. Dagegen besteht ein Zinsanspruch des Abgabenpflichtigen in den Fällen nicht, in denen er die Abgabe „verfrüht“ geleistet hat, dem Abgabengläubiger der Anspruch in der Sache jedoch zusteht, weil er etwa - wie hier - nachträglich (mit Rückwirkung) eine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Abgabe geschaffen hat.
28 
Für diese Sichtweise spricht insbesondere, dass ein Zinsanspruch auch dann nicht bestanden hätte, wenn die Beklagte noch während des verwaltungsgerichtlichen (Erst-)Verfahrens eine rechtswirksame Gebührensatzung (etwa durch Einführung eines Gebührenmaßstabs, der eine gesplittete Abwassergebühr vorsieht) als Grundlage für den von der Klägerin angefochtenen Abgabenbescheid „nachgeschoben“ hätte und dementsprechend der „verfrüht“ ergangene ursprüngliche Abwassergebührenbescheid vom 31.01.2001 „geheilt“ worden wäre (vgl. dazu u.a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2425/09 - VBlBW 2010, 321; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2013, § 2 RdNr. 107). Im Falle einer solchen bereits während des ersten Rechtsstreits eintretenden Rechtsänderung wären die Interessen der Klägerin dadurch gewahrt gewesen, dass - erstens - die Rechtsänderung nicht zu ihren Lasten hätte verwertet werden dürfen, ohne ihr eine angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, und sie - zweitens - die Kostenlast hätte abwenden können, indem sie die Hauptsache für erledigt erklärt. In diesem Fall wäre - soweit die „nachgeschobene“ Satzung der Höhe nach die angefochtene Abgabe abdeckt - kein Raum für einen Zinsanspruch der Klägerin gewesen. Sie hätte zwar den Rechtsstreit für erledigt erklären und damit die Kostenlast abwenden können, ein Erstattungsanspruch im Sinne des § 236 Abs. 1 AO, aus dem sich ein Zinsanspruch ableiten ließe, wäre aber von vornherein nicht entstanden. Der bei dieser Konstellation gegebene Umstand, dass der Abgabenschuldner „verfrüht“ geleistet hat, löste mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ebenfalls keinen Zinsanspruch aus.
29 
Ob bei einem „verfrüht“ ergangenen Abgabenbescheid noch während des laufenden gerichtlichen Verfahrens oder - wie hier - erst im unmittelbaren Anschluss an das gerichtliche Verfahren rückwirkend eine wirksame Satzung „nachgeschoben“ und daraus folgend nachträglich ein Rechtsgrund für die Abgabe geschaffen wird, macht keinen rechtlich relevanten Unterschied; wenn im ersten Fall ein Zinsanspruch nicht gerechtfertigt ist, dann gilt dies in gleicher Weise auch für die hier zu beurteilende Konstellation, in der auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens der Gemeinde die Möglichkeit eröffnet ist, die Abgabe ausnahmsweise für einen rückwirkenden Zeitraum festzusetzen und das vom Abgabenschuldner verauslagte Kapital behalten zu dürfen. Für die beiden dargestellten Konstellationen ist - mit anderen Worten - gleichermaßen kennzeichnend, dass der zu beurteilende „Abgabenfall“ nicht endgültig abgeschlossen war bzw. ist und dem Abgabenschuldner letztendlich in der Sache kein Rückerstattungsanspruch zusteht.
30 
Für den Fall, dass der Klage der Klägerin gegen den neuen Abwassergebührenbescheid vom 11.10.2011 in Höhe von 711,-- EUR endgültig Erfolg beschieden sein sollte, entstünde ein zu verzinsender Erstattungsanspruch erst mit Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg in diesem Verfahren. Stünde danach rechtskräftig und endgültig fest, dass die Klägerin für das streitgegenständliche Jahr 2000 Abwassergebühren in geringerem Umfang bzw. überhaupt keine Abwassergebühren zu bezahlen hätte, wäre der entsprechende Erstattungsanspruch der Klägerin bei sinnorientierter Auslegung des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO vom Tag der Rechtshängigkeit des Erstverfahrens (1 K 963/06) an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Denn in diesem Fall stünde rechtskräftig fest, dass die Klägerin zu Unrecht Steuern bezahlt bzw. zu hohe Steuern bezahlt und damit der Beklagten für den gesamten Zeitraum zu verzinsendes Kapital zugeführt hat.
31 
3. Der Umstand, dass die Klägerin die Abwassergebühren für das Jahr 2000 bereits lange vor Erlass des Bescheids vom 11.10.2011 und damit „zu früh“ bezahlt hat, begründet für sich genommen keinen Zinsanspruch. § 236 AO bestimmt für Abgaben abschließend die Voraussetzungen für das Entstehen eines Zinsanspruchs dem Grunde nach. Auf allgemeine Rechtsgrundsätze kann insoweit nicht mehr zurückgegriffen werden. Deshalb können Prozesszinsen, wenn die Voraussetzungen des § 236 AO - wie hier - nicht vorliegen, mangels eines öffentlich-rechtlichen Verzinsungstatbestands nicht beansprucht werden (vgl. etwa BFH, Urteil vom 15.10.2003, aaO; Urteil vom 29.04.1997 - VII R 91/96 - BFHE 182, 253).
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss
vom 14. Juni 2013
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 224,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Untätigkeitsklage, mit der die Klägerin weitere Prozesszinsen in Höhe von 224,-- EUR beansprucht, zu Recht abgewiesen.
21 
I. Ansprüche aus einem Abgabenschuldverhältnis werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) KAG i.V.m. § 233 Satz 1 AO). Als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten weiteren Zinsanspruch kommt danach § 236 Abs. 1 AO in Betracht, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) KAG auf Kommunalabgaben wie die hier zu beurteilenden Abwassergebühren sinngemäß anzuwenden ist.
22 
Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt, so ist der zu erstattende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 der Vorschrift, der hier unstreitig nicht einschlägig ist, vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen (§ 236 Abs. 1 Satz 1 AO). Durch gerichtliche Entscheidung wird die Steuer herabgesetzt, wenn etwa das Finanzgericht sie nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO selbst niedriger festsetzt, aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, wenn das Finanzgericht den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt und das Finanzamt die Steuer nach § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO weisungsgemäß niedriger festsetzt, weil die Ermittlung der festzusetzenden Steuer einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (vgl. dazu Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Stand Juli 2011, § 236 RdNr. 12). Die Regelung ist damit auf finanzgerichtliche Verfahren zugeschnitten, in denen mit dem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts bzw. auf Grundlage dieses Urteils feststeht, dass der Steuerpflichtige für einen bestimmten zu besteuernden Vorgang bzw. für einen zu besteuernden Zeitraum zu hohe Steuern bezahlt und deshalb dem Staat Kapital zugeführt hat. Der Steuerpflichtige erhält danach Erstattungszinsen als Gegenleistung, weil er dem Steuerfiskus das Kapital überlassen hat, zu dessen Leistung er im Ergebnis nicht verpflichtet war (vgl. etwa Heuermann in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Komm. zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Stand April 2013, § 236 AO RdNr. 5). Der Regelungsgehalt des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO erfasst damit die Konstellation, in der mit dem rechtskräftigen Urteil der zu beurteilende Sachverhalt endgültig und abschließend geklärt ist bzw. geregelt wird.
23 
II. Die Klägerin hat bei Übertragung dieser Grundsätze auf die hier zu beurteilende Abwassergebühr für das Jahr 2000 keinen Anspruch auf weitere Prozesszinsen. Sie hat allein Anspruch auf Prozesszinsen für den von ihr zu viel entrichteten Betrag in Höhe von 165,84 EUR, den die Beklagte am 20.10.2011 erstattet hat. Für die Berechnung der Zinsen ist zunächst der zu verzinsende Betrag auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abzurunden (§ 238 Abs. 2 AO), und die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen; dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin zu Recht Zinsen in Höhe von 48,-- EUR überwiesen (150,-- EUR x 64 Monate x 0,5 %). Die rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 (1 K 963/06) war hinsichtlich des von der Klägerin zu viel bezahlten Betrags in Höhe von 165,84 EUR und damit für die Herabsetzung  der Abwassergebühr in dieser Höhe ursächlich (vgl. dazu BFH, Urteil vom 15.10.2003 - X R 48/01 - BFHE 204, 1).
24 
Dagegen besteht für den von der Klägerin bezahlten weiteren Betrag in Höhe von 711,-- EUR zum jetzigen Zeitpunkt kein Erstattungsanspruch und damit auch kein Zinsanspruch, da die Beklagte insoweit die Abwassergebühr für das Jahr 2000 mit Bescheid vom 11.10.2011 neu festgesetzt hat. Insoweit ergibt sich auch auf Grundlage des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 kein Erstattungsanspruch.
25 
1. Für das hier zu beurteilende Abgabenschuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht die Besonderheit, dass das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg den maßgeblichen Sachverhalt - Abwassergebühren für das Jahr 2000 für das Grundstück xxx xx - nicht abschließend und endgültig regelt. Denn die Beklagte war auch durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts nicht gehindert, ihre im  Gebührenmaßstab rechtsunwirksame Abwassersatzung vom 25.08.1992 i.d.F. vom 07.11.2000 durch eine neue Satzung (hier: Abwassersatzung vom 06.10.2010) mit geändertem Maßstab rückwirkend zu ersetzen und auf dieser neuen Grundlage Abwassergebühren für das Jahr 2000 festzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Abgabenrecht der Rückwirkung von Rechtssätzen das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht entgegensteht, wenn der Erhebung der Abgabe ein gleichartiger Regelungsversuch vorangegangen ist und sich deshalb ein Vertrauen der Betroffenen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von der Abgabenpflicht überhaupt verschont zu bleiben, nicht bilden konnte (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 31.03.2008 - 9 B 30.07 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 191 zu einer Spielgeräte-Steuersatzung; Beschluss vom 07.02.1996 - 8 B 13.96 - Buchholz 401.9, Beiträge Nr. 36 zu einem Kanalbeitrag; Urteil vom 09.03.1984 - 8 C 45.92 - NVwZ 1984, 435 zu einem Erschließungsbeitrag; Urteil vom 15.04.1993 - 8 C 170.81 - BVerwGE 67, 129 zu einem Kanalbeitrag; Urteil ebenfalls vom 15.04.1993 - 8 C 167.81 - KStZ 1983, 207 zu Kanalbenutzungsgebühren und Beschluss vom 25.02.1972 - VII B 92.70 -KStZ 1972, 111 zu Abwassergebühren). Bei Benutzungsgebühren wie der hier zu beurteilenden Abwassergebühr kann der betroffene Bürger, auch wenn er die Nichtigkeit der Ausgangssatzung im Hinblick auf Mängel des Gebührenmaßstabs rügt, nicht ernsthaft erwarten, dass eine nach ihrem Wesen gebührenpflichtige Leistung ohne jede Bezahlung gewährt wird.
26 
Der rückwirkende Erlass einer neuen Abwassersatzung durch die Beklagte und der darauf gestützte Gebührenbescheid vom 11.10.2011 führen danach dazu, dass die Beklagte mit Rückwirkung für das Jahr 2000 einen Rechtsgrund geschaffen hat, um die vereinnahmten Abwassergebühren (in Höhe von 711,-- EUR) behalten zu dürfen. Dementsprechend steht der Klägerin zum Zeitpunkt dieser Entscheidung, dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt, kein Anspruch auf Erstattung dieses Betrags und konsequenterweise auch nicht auf Erstattungszinsen zu. Denn auch im Hinblick auf den Ausspruch im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 steht bislang nicht fest, dass in Höhe des hier streitigen Betrags von 711,-- EUR zu hohe Abwassergebühren bezahlt wurden. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe dieses Betrags und daraus resultierend ein Anspruch auf weitere Prozesszinsen besteht erst dann, wenn auch bezüglich der unter dem 11.10.2011 festgesetzten Abwassergebühr eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu Gunsten der Klägerin vorliegt. Daran fehlt es hier, da die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2011 zwar Klage (1 K 715/12) erhoben hat, eine Entscheidung hierüber jedoch noch nicht erfolgt ist.
27 
2. Auf Grundlage der dargestellten Auslegung sieht § 236 Abs. 1 AO einen Zinsanspruch des Abgabenpflichtigen nur dann vor, wenn er dem Abgabengläubiger (hier der beklagten Gemeinde) Kapital überlassen hat, das diesem für den zu beurteilenden Zeitraum bzw. Vorgang in der Sache nicht zusteht. Dagegen besteht ein Zinsanspruch des Abgabenpflichtigen in den Fällen nicht, in denen er die Abgabe „verfrüht“ geleistet hat, dem Abgabengläubiger der Anspruch in der Sache jedoch zusteht, weil er etwa - wie hier - nachträglich (mit Rückwirkung) eine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Abgabe geschaffen hat.
28 
Für diese Sichtweise spricht insbesondere, dass ein Zinsanspruch auch dann nicht bestanden hätte, wenn die Beklagte noch während des verwaltungsgerichtlichen (Erst-)Verfahrens eine rechtswirksame Gebührensatzung (etwa durch Einführung eines Gebührenmaßstabs, der eine gesplittete Abwassergebühr vorsieht) als Grundlage für den von der Klägerin angefochtenen Abgabenbescheid „nachgeschoben“ hätte und dementsprechend der „verfrüht“ ergangene ursprüngliche Abwassergebührenbescheid vom 31.01.2001 „geheilt“ worden wäre (vgl. dazu u.a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2425/09 - VBlBW 2010, 321; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2013, § 2 RdNr. 107). Im Falle einer solchen bereits während des ersten Rechtsstreits eintretenden Rechtsänderung wären die Interessen der Klägerin dadurch gewahrt gewesen, dass - erstens - die Rechtsänderung nicht zu ihren Lasten hätte verwertet werden dürfen, ohne ihr eine angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, und sie - zweitens - die Kostenlast hätte abwenden können, indem sie die Hauptsache für erledigt erklärt. In diesem Fall wäre - soweit die „nachgeschobene“ Satzung der Höhe nach die angefochtene Abgabe abdeckt - kein Raum für einen Zinsanspruch der Klägerin gewesen. Sie hätte zwar den Rechtsstreit für erledigt erklären und damit die Kostenlast abwenden können, ein Erstattungsanspruch im Sinne des § 236 Abs. 1 AO, aus dem sich ein Zinsanspruch ableiten ließe, wäre aber von vornherein nicht entstanden. Der bei dieser Konstellation gegebene Umstand, dass der Abgabenschuldner „verfrüht“ geleistet hat, löste mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ebenfalls keinen Zinsanspruch aus.
29 
Ob bei einem „verfrüht“ ergangenen Abgabenbescheid noch während des laufenden gerichtlichen Verfahrens oder - wie hier - erst im unmittelbaren Anschluss an das gerichtliche Verfahren rückwirkend eine wirksame Satzung „nachgeschoben“ und daraus folgend nachträglich ein Rechtsgrund für die Abgabe geschaffen wird, macht keinen rechtlich relevanten Unterschied; wenn im ersten Fall ein Zinsanspruch nicht gerechtfertigt ist, dann gilt dies in gleicher Weise auch für die hier zu beurteilende Konstellation, in der auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens der Gemeinde die Möglichkeit eröffnet ist, die Abgabe ausnahmsweise für einen rückwirkenden Zeitraum festzusetzen und das vom Abgabenschuldner verauslagte Kapital behalten zu dürfen. Für die beiden dargestellten Konstellationen ist - mit anderen Worten - gleichermaßen kennzeichnend, dass der zu beurteilende „Abgabenfall“ nicht endgültig abgeschlossen war bzw. ist und dem Abgabenschuldner letztendlich in der Sache kein Rückerstattungsanspruch zusteht.
30 
Für den Fall, dass der Klage der Klägerin gegen den neuen Abwassergebührenbescheid vom 11.10.2011 in Höhe von 711,-- EUR endgültig Erfolg beschieden sein sollte, entstünde ein zu verzinsender Erstattungsanspruch erst mit Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg in diesem Verfahren. Stünde danach rechtskräftig und endgültig fest, dass die Klägerin für das streitgegenständliche Jahr 2000 Abwassergebühren in geringerem Umfang bzw. überhaupt keine Abwassergebühren zu bezahlen hätte, wäre der entsprechende Erstattungsanspruch der Klägerin bei sinnorientierter Auslegung des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO vom Tag der Rechtshängigkeit des Erstverfahrens (1 K 963/06) an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Denn in diesem Fall stünde rechtskräftig fest, dass die Klägerin zu Unrecht Steuern bezahlt bzw. zu hohe Steuern bezahlt und damit der Beklagten für den gesamten Zeitraum zu verzinsendes Kapital zugeführt hat.
31 
3. Der Umstand, dass die Klägerin die Abwassergebühren für das Jahr 2000 bereits lange vor Erlass des Bescheids vom 11.10.2011 und damit „zu früh“ bezahlt hat, begründet für sich genommen keinen Zinsanspruch. § 236 AO bestimmt für Abgaben abschließend die Voraussetzungen für das Entstehen eines Zinsanspruchs dem Grunde nach. Auf allgemeine Rechtsgrundsätze kann insoweit nicht mehr zurückgegriffen werden. Deshalb können Prozesszinsen, wenn die Voraussetzungen des § 236 AO - wie hier - nicht vorliegen, mangels eines öffentlich-rechtlichen Verzinsungstatbestands nicht beansprucht werden (vgl. etwa BFH, Urteil vom 15.10.2003, aaO; Urteil vom 29.04.1997 - VII R 91/96 - BFHE 182, 253).
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss
vom 14. Juni 2013
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 224,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.

(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2010 - 11 K 1674/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen.
Die Kläger sind Eigentümer des gewerblich genutzten Grundstücks Flst. Nr. ... auf der Gemarkung der Beklagten, das nach Südosten an die ...-...-...-... grenzt. Die Beklagte ließ auf der Grundlage einer Planung zur Erschließung des auf der gegenüberliegenden Seite der Straße befindlichen Konversionsgeländes „Am Froschbächle“ aus dem Jahre 2000 den nördlichen Teil der ...-...-... - einschließlich zweier von der Straße abzweigender Stichstraßen, die ebenfalls an das Grundstück der Kläger angrenzen und Gegenstand eigenständiger, hier nicht angegriffener Beitragsbescheide sind - als Erschließungsanlage herstellen. Die Schlussrechnung für die Herstellung der Erschließungsanlagen ging bei der Beklagten im Jahre 2003 ein.
Mit Bescheid vom 19.11.2007 zog die Beklagte die Kläger für ihr Grundstück zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 43.881,39 EUR für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage ...-...-... ... heran. Nach Abzug der bereits geleisteten Vorauszahlung von 8.610,90 EUR verblieb danach eine Restschuld von 35.270,49 EUR. Dagegen erhoben die Kläger am 03.12.2007 Widerspruch.
Mit Schreiben vom 23.06.2008 teilte die Beklagte den Klägern unter Bezugnahme auf ihren Widerspruch mit, sie habe eine Neuberechnung des Erschließungsbeitrags vorgenommen; im Bescheid heißt es weiter wörtlich: „Wir nehmen deshalb hiermit unsere Beitragsbescheide vom 09.11.2007 zurück und überlassen ihnen beiliegend drei neue Bescheide unter Berücksichtigung des Eckgrundstücksfaktors von jeweils 25 %. Ihr Widerspruch vom 03.12.2007 ist damit erledigt“. Ebenfalls unter dem 23.06.2008 erließ die Beklagte für die ...-...-... ... und die beiden Stichstraßen neue Beitragsbescheide. Der Erschließungsbeitrag für die hier streitgegenständliche Anlage beträgt danach 34.523,56 EUR und die von den Klägern im Hinblick auf die Vorausleistung zu zahlende Restschuld 25.912,66 EUR. Das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2008 und der Beitragsbescheid vom gleichen Tag wurden den Klägern jeweils in einem Briefumschlag übersandt.
Den von den Klägern gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 23.06.2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 als unbegründet zurück.
Am 22.07.2009 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Erschließungsanlage sei nach 1960 und damit unter Geltung des Bundesbaugesetzes erstmalig endgültig hergestellt worden und deshalb nicht mehr abrechnungsfähig.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat wie folgt erwidert: Zwar hätten im Jahre 1969 im streitgegenständlichen Straßenbereich schon Ausbaumaßnahmen stattgefunden. Diese könnten jedoch nicht als endgültige Herstellung angesehen werden. In der Straße habe sich keine Kanalisation befunden, auch habe es weder einen Gehweg noch Straßenbeleuchtung oder Straßenentwässerung gegeben. Die Straße habe auch weder von der Breite noch der Tragfähigkeit her dem Standard einer Erschließungsstraße in einem Gewerbegebiet entsprochen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 08.06.2010 abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die streitgegenständliche Beitragsschuld sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die sachliche Erschließungsbeitragspflicht entstanden sei. Diese entstehe wiederum mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage grundsätzlich in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem die letzte Unternehmerrechnung für die Herstellungsmaßnahmen eingehe. Danach habe die vierjährige Verjährungsfrist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO) mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2003 zu laufen begonnen. Die Verjährungsfrist habe gleichwohl noch nicht mit dem Ablauf des Jahres 2007 geendet, weil bereits am 19.11.2007 ein Erschließungsbeitragsbescheid gegenüber den Klägern ergangen sei und ihr Widerspruch gegen diesen Bescheid zu einer Ablaufhemmung geführt habe. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m.  § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO laufe die Festsetzungsfrist im Falle der Anfechtung des Beitragsbescheids mit Widerspruch oder Klage so lange noch nicht ab, wie über die Rechtsbehelfe nicht unanfechtbar entschieden sei. Mit dem Schreiben vom 23.06.2008, in dem die Rücknahme des Beitragsbescheids vom 19.11.2007 erklärt und mit dem zugleich der neue Bescheid übermittelt worden sei, sei ein das Widerspruchsverfahren erledigendes Ereignis herbeigeführt worden. Bei Erlass des neuen Bescheids vom 23.06.2008 sei unter diesen Umständen über den Widerspruch gegen den ursprünglichen Bescheid vom 19.11.2007 noch nicht unanfechtbar entschieden gewesen. Denn die gleichzeitig mit dem Erlass des Beitragsbescheids vom 23.06.2008 erklärte Rücknahme könne nicht als Rücknahme mit Rückwirkung verstanden werden. Das Schreiben vom 23.06.2008 in Verbindung mit dem neuen Bescheid sei vielmehr einer reinen Abänderung des alten Bescheids nahegekommen oder könne sogar als eine Abänderung ohne Rücknahme im rechtstechnischen Sinne verstanden werden.
Die abgerechnete Baumaßnahme stelle auch die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage ...-...-... ... dar. Die früheren Baumaßnahmen - insbesondere auch die des Jahres 1969 - könnten nicht als endgültige Herstellung angesehen werden, weil im hier streitigen nördlichen Teil der Straße jedenfalls eine Straßenentwässerung nicht vorhanden gewesen sei.
10 
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 11.11.2010 zugelassenen Berufung machen die Kläger geltend: Der Beitragsanspruch der Beklagten sei verjährt. Zwar sei der ursprüngliche Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.2007 noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist erlassen worden. Die Beklagte habe den Bescheid aber unter dem 23.06.2008 wieder aufgehoben. Das Widerspruchsverfahren sei damit beendet gewesen. Der Erlass des hier streitgegenständlichen Zweitbescheids vom 23.06.2008 sei danach erst erfolgt, als der Anspruch bereits verjährt gewesen sei. Die Behörde habe hier einen Fehler gemacht, indem sie den ursprünglichen Verwaltungsakt zurückgenommen habe, anstatt eine Abhilfeentscheidung zu treffen und den Erschließungsbeitrag im Rahmen dieser Abhilfeentscheidung zu reduzieren.
11 
Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht auch das Merkmal der endgültigen Herstellung beim Ausbau im Jahre 1969 im Hinblick auf die fehlende Straßenentwässerung verneint. Das Froschbächle habe sowohl der Entwässerung der damaligen französischen Kasernen an der ...-...-... als auch der Entwässerung der Straße gedient.
12 
Die Kläger beantragen,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2010    - 11 K 1674/09 - zu ändern und den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 aufzuheben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie trägt im Wesentlichen vor: Verjährung sei nicht eingetreten. Die Aufhebung und der Neuerlass des Erschließungsbeitragsbescheids am 23.06.2008 datierten nicht nur vom selben Tag, sondern seien den Klägern auch jeweils zusammen in einem Briefumschlag übersandt worden. Dementsprechend sei das Verwaltungsverfahren nicht beendet gewesen, weshalb die Verjährungsfrist weiterhin gehemmt sei.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 zu Recht abgewiesen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
1. Im vorliegenden Fall finden noch die Vorschriften des Baugesetzbuches - und nicht die §§ 33 ff. KAG - Anwendung, weil die Beitragsschuld für das hier zu beurteilende Grundstück vor dem 01.10.2005 entstanden ist und der Erschließungsbeitrag - wie ausgeführt wird - noch erhoben werden kann (vgl. § 49 Abs. 7 KAG). Rechtsgrundlage des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids sind deshalb die §§ 127 ff. BauGB in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 06.10.1999. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung drängen sich dem Senat nicht auf, auch die Kläger haben insoweit keine Einwendungen erhoben.
20 
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass die hier zu beurteilende Anbaustraße bereits auf Grundlage des im Jahre 1969 vorgenommenen Ausbaus erschließungsbeitragsrechtlich erstmalig endgültig hergestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - DVBl. 1996, 379) ist eine Anbaustraße erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie (von der Berechenbarkeit des Aufwands abgesehen) erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und wenn diese dem satzungsmäßigen technischen Ausbauprogramm entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der von der Beklagten zugestandene Ausbau der Straße nicht zu deren endgültiger Herstellung geführt habe, da zum einen die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 14.06.1961 in ihrem § 7 Abs. 1 als Merkmal der endgültigen Herstellung u.a. eine Straßenentwässerung vorgesehen und zum anderen die in der Satzung vorgesehene Straßenentwässerung in der Erschließungsanlage ...-...-... ... (bis zum hier zu beurteilenden Ausbau im Jahre 2002) gefehlt habe. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
21 
Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die ...-...-... im Rahmen des Ausbaus im Jahre 1969 mit einer gewissen Neigung in östlicher Richtung hergestellt worden sei, damit das auf der Straße anfallende Wasser in den daneben liegenden Froschgraben „natürlich“ hätte abfließen können. Ob die Straße tatsächlich mit einem Gefälle ausgebaut wurde, lässt sich den dem Senat vorliegenden Lichtbildern nicht mit Sicherheit entnehmen; die Frage bedarf aber jedenfalls deshalb keiner endgültigen Beantwortung, weil ein solches Straßengefälle nicht geeignet ist, das Vorhandensein der Teileinrichtung Entwässerung zu begründen. Für eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung i.S. der Satzung der Beklagten genügt es nicht, wenn die Erschließungsanlage keine eigenen oder nur unzureichende Entwässerungseinrichtungen aufweist, so dass das anfallende Straßenoberflächenwasser dem Gefälle folgend in das freie Gelände abfließt bzw. in einen Entwässerungsgraben gelangt (so bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1982 - 2 S 1254/81 - VBlBW 1983, 274; OVG NRW, Urteil vom 12.02.1998 - 3 A 176/93 - Juris; vgl. auch Reif, Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem BauGB, Rn. 4.7.3.1.3).
22 
2. Die Beitragsforderung der Beklagten ist hiervon ausgehend nicht verjährt. Die Forderungsverjährung, d.h. die Verjährung des Anspruchs der Beklagten auf Geltendmachung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitrags für das gewerblich genutzte Grundstück Flst. Nr. ... der Kläger tritt gemäß den über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO nach Ablauf von vier Jahren seit Ende des Kalenderjahres ein, in dem die Beitragsforderung entstanden ist. Die Frist begann unstreitig mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2003 zu laufen und wäre deshalb bei normalem Verlauf am 31.12.2007 abgelaufen gewesen. Der Ablauf dieser Frist ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens gehemmt.
23 
Wird ein Beitragsbescheid mit einem Widerspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Anfechtungsantrag unanfechtbar entscheiden worden, d.h. der Widerspruchsbescheid bestandskräftig geworden ist (§ 171 Abs. 3 a Satz 1 1. Hs. AO). Der den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmende Bescheid muss allerdings nicht nur rechtzeitig ergangen sein, d.h. er muss gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 AO (spätestens) vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen Behörde verlassen haben. Darüber hinaus muss der Bescheid wirksam werden und bis zur Fristwahrung auch wirksam bleiben. Wird er (vorher) mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, kann er nicht mehr auf die Festsetzungsverjährung einwirken. Der Erlass eines neuen Bescheids ist von diesem Zeitpunkt an ausgeschlossen. Ihm steht die Verjährung aber dann nicht entgegen, wenn gleichzeitig mit dem Erlass die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Hebt also die Behörde während eines Widerspruchs- oder eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Bescheid - unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheids wegen des betreffenden Anspruchs - mit Wirkung für die Zukunft auf, so steht dem ein etwaiger Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht entgegen. Denn der neue Bescheid ist noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (so im Ergebnis zutreffend Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., RdNr. 33 a; a.A. wohl BFH, Beschluss vom 10.05.2002 - VII B 244/01 - BFH/NV 2002, 1125).
24 
Danach hat der vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassene ursprüngliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 19.11.2007 und der (nahtlos) daran anknüpfende Beitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 zur Ablaufhemmung geführt. Im Einzelnen:
25 
a) Der Senat hat zunächst erwogen, das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2008, mit dem unter anderem die ursprüngliche Beitragserhebung vom 19.11.2007 in Höhe von 43.881,39 EUR zurückgenommen wurde, und die Neufestsetzung des Beitrags vom gleichen Tag in Höhe von 34.523,56 EUR als bloße Abänderung des ursprünglichen Beitragsbescheids und damit als im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgte Teilabhilfe zu bewerten. Bei einer solchen Reduzierung des - innerhalb der Festsetzungsfrist ergangenen - ursprünglichen Beitragsbescheids wäre dieser weiterhin wirksam und würde  - unproblematisch - den Ablauf der Verjährungsfrist hemmen. Eine entsprechende Auslegung der behördlichen Schreiben vom 23.06.2008 als Teilabhilfe ist hier jedoch nicht möglich.
26 
Abhilfe ist die (teilweise) Aufhebung des Verwaltungsakts als Antwort auf den Widerspruch. Rücknahme eines Verwaltungsakts erfolgt hingegen außerhalb des Vorverfahrens, führt aber zu dessen Erledigung. Vor diesem Hintergrund steht der Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 - NJW 2009, 2968) ein Wahlrecht zu. Dieses Wahlrecht hat die Beklagte ohne jeden vernünftigen Zweifel dahingehend ausgeübt, dass sie den ursprünglichen Beitragsbescheid zurückgenommen und einen neuen Bescheid über einen verminderten Erschließungsbeitrag erlassen hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Schreibens vom 23.06.2008 und zum anderen aus der Gestaltung des Beitragsbescheids vom gleichen Tag; dieser Bescheid knüpft mit keinem Wort an den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid an, vielmehr entspricht er in vollem Umfang einem Bescheid, mit dem erstmals für das betreffende Grundstück der Erschließungsbeitrag festgesetzt wird.
27 
b) Hat die Beklagte danach den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.2007 in vollem Umfang zurückgenommen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 130 AO), kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft erfolgt ist. Nach § 130 Abs. 1 AO kann der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc-Wirkung) oder die Zukunft (ex-nunc-Wirkung) zurückgenommen werden. Damit stellt die Vorschrift die Bestimmung der Rücknahme in zeitlicher Hinsicht in das Ermessen der Behörde. Denkbar ist auch eine Kombination dahingehend, dass Teile eines Bescheids mit Rückwirkung und Teile nur für die Zukunft aufgehoben werden. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
28 
Die Beklagte hat auf Grundlage ihres Schreibens vom 23.06.2008 der  Sache nach den festgesetzten Erschließungsbeitrag - im Hinblick auf eine Eckgrundstücksermäßigung einer nach ihrer Ansicht zusätzlich zu berücksichtigenden Erschließungsanlage - reduziert. Der ursprüngliche Erschließungsbeitrag betrug 43.881,39 EUR, im neuen Bescheid vom 23.06.2008 wurden 34.523,56 EUR und damit ein um 9.357,83 EUR reduzierter Beitrag festgesetzt. Bezüglich dieser Summe hat die Beklagte den ursprünglichen Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, weil sie bei der ursprünglichen Beitragsfestsetzung nach ihrer Auffassung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen war und deshalb die entsprechende (erhöhte) Beitragsfestsetzung von Anfang an rechtswidrig war. Soweit die Beklagte darüber hinaus im Schreiben vom 23.06.2008 den ursprünglichen Beitragsbescheid auch hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.523,56 EUR aufgehoben und unter gleichem Datum den Beitrag neu auf diesen Betrag festgesetzt hat, erfolgte die Rücknahme dagegen nur mit Wirkung für die Zukunft. Da die Rücknahme und die Neufestsetzung den Klägern - in einem Briefumschlag - gleichzeitig bekannt gemacht wurden, besteht die Wirkung der Ablaufhemmung durchgängig unverändert fort, d.h. die Festsetzungsfrist ist bislang nicht abgelaufen.
29 
aa) Maßgebend hierfür sind die folgenden Überlegungen: Bei der Auslegung der Erklärungen vom 23.06.2008 kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihnen gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt der Erklärungen verstehen würde. Die Erklärungen sind vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (hier: der Bescheide) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris sowie BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 141/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - IX R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010, aaO).
30 
bb) Die Kläger konnten unter Anlegung dieses Maßstabs nicht davon ausgehen, dass die Aufhebung des gesamten Beitragsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt und deshalb Verjährung der Beitragsforderung eingetreten ist. Zwar lässt sich dem Wortlaut der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 insoweit keine eindeutige Aussage entnehmen. Darin hat die Beklagte lediglich die Rücknahme ausgesprochen, ohne dies in zeitlicher Hinsicht näher zu erläutern. Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung spricht jedoch ganz entscheidend für eine teilweise Rücknahme der ursprünglichen Beitragsfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 29.03.2000 - II X ZR 297/98 - WM 2000, 1290). Im Zweifel ist deshalb gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327). Nur auf der Grundlage der getroffenen Auslegung hat der von der Beklagten unter dem 23.06.2008 neu erlassene Beitragsbescheid überhaupt einen rechtserheblichen Inhalt. Denn bei einer Rücknahme des ursprünglichen Beitragsbescheids vom 19.11.2007 mit Wirkung für die Vergangenheit in vollem Umfang wäre dieser unanfechtbar i.S.d. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO geworden. Damit hätte dieser mit seiner vollständigen Aufhebung seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme verloren. Bei Erlass des neuen Beitragsbescheids am 23.06.2008 wäre die in ihrem Ablauf als nicht gehemmt anzusehende Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, so dass der Bescheid von vornherein rechtswidrig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher der behördlichen Erklärung bzw. dem behördlichen Bescheid eine rechtliche Bedeutung zukommt, wenn diese(r) sich ansonsten als sinnlos erweisen würde (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen: BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2619).
31 
In diesem Sinne mussten auch die Kläger die behördliche Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen. Weder nach der Vorgeschichte noch den Begleitumständen bei der Bekanntgabe der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 konnten die Kläger davon ausgehen, sie würden wegen der Beitragsschuld überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das Rücknahmeschreiben und der neue Beitragsbescheid datierten vom gleichen Tag und wurden den Klägern im gleichen Briefumschlag bekannt gemacht. Bei einer Gesamtschau der behördlichen Erklärungen stand im Zeitpunkt des Zugangs außer Frage, dass die Beklagte im Hinblick auf den Widerspruch der Kläger die Festsetzung des Erschließungsbeitrags nicht vollständig aufheben, sondern den Beitrag lediglich reduzieren wollte. Dementsprechend konnten auch die Kläger nicht von der rechtlichen Sinnlosigkeit der behördlichen Erklärungen ausgehen.
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 5. Mai 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.523,56 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 zu Recht abgewiesen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
1. Im vorliegenden Fall finden noch die Vorschriften des Baugesetzbuches - und nicht die §§ 33 ff. KAG - Anwendung, weil die Beitragsschuld für das hier zu beurteilende Grundstück vor dem 01.10.2005 entstanden ist und der Erschließungsbeitrag - wie ausgeführt wird - noch erhoben werden kann (vgl. § 49 Abs. 7 KAG). Rechtsgrundlage des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids sind deshalb die §§ 127 ff. BauGB in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 06.10.1999. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung drängen sich dem Senat nicht auf, auch die Kläger haben insoweit keine Einwendungen erhoben.
20 
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass die hier zu beurteilende Anbaustraße bereits auf Grundlage des im Jahre 1969 vorgenommenen Ausbaus erschließungsbeitragsrechtlich erstmalig endgültig hergestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - DVBl. 1996, 379) ist eine Anbaustraße erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie (von der Berechenbarkeit des Aufwands abgesehen) erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und wenn diese dem satzungsmäßigen technischen Ausbauprogramm entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der von der Beklagten zugestandene Ausbau der Straße nicht zu deren endgültiger Herstellung geführt habe, da zum einen die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 14.06.1961 in ihrem § 7 Abs. 1 als Merkmal der endgültigen Herstellung u.a. eine Straßenentwässerung vorgesehen und zum anderen die in der Satzung vorgesehene Straßenentwässerung in der Erschließungsanlage ...-...-... ... (bis zum hier zu beurteilenden Ausbau im Jahre 2002) gefehlt habe. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
21 
Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die ...-...-... im Rahmen des Ausbaus im Jahre 1969 mit einer gewissen Neigung in östlicher Richtung hergestellt worden sei, damit das auf der Straße anfallende Wasser in den daneben liegenden Froschgraben „natürlich“ hätte abfließen können. Ob die Straße tatsächlich mit einem Gefälle ausgebaut wurde, lässt sich den dem Senat vorliegenden Lichtbildern nicht mit Sicherheit entnehmen; die Frage bedarf aber jedenfalls deshalb keiner endgültigen Beantwortung, weil ein solches Straßengefälle nicht geeignet ist, das Vorhandensein der Teileinrichtung Entwässerung zu begründen. Für eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung i.S. der Satzung der Beklagten genügt es nicht, wenn die Erschließungsanlage keine eigenen oder nur unzureichende Entwässerungseinrichtungen aufweist, so dass das anfallende Straßenoberflächenwasser dem Gefälle folgend in das freie Gelände abfließt bzw. in einen Entwässerungsgraben gelangt (so bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1982 - 2 S 1254/81 - VBlBW 1983, 274; OVG NRW, Urteil vom 12.02.1998 - 3 A 176/93 - Juris; vgl. auch Reif, Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem BauGB, Rn. 4.7.3.1.3).
22 
2. Die Beitragsforderung der Beklagten ist hiervon ausgehend nicht verjährt. Die Forderungsverjährung, d.h. die Verjährung des Anspruchs der Beklagten auf Geltendmachung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitrags für das gewerblich genutzte Grundstück Flst. Nr. ... der Kläger tritt gemäß den über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO nach Ablauf von vier Jahren seit Ende des Kalenderjahres ein, in dem die Beitragsforderung entstanden ist. Die Frist begann unstreitig mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2003 zu laufen und wäre deshalb bei normalem Verlauf am 31.12.2007 abgelaufen gewesen. Der Ablauf dieser Frist ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens gehemmt.
23 
Wird ein Beitragsbescheid mit einem Widerspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Anfechtungsantrag unanfechtbar entscheiden worden, d.h. der Widerspruchsbescheid bestandskräftig geworden ist (§ 171 Abs. 3 a Satz 1 1. Hs. AO). Der den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmende Bescheid muss allerdings nicht nur rechtzeitig ergangen sein, d.h. er muss gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 AO (spätestens) vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen Behörde verlassen haben. Darüber hinaus muss der Bescheid wirksam werden und bis zur Fristwahrung auch wirksam bleiben. Wird er (vorher) mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, kann er nicht mehr auf die Festsetzungsverjährung einwirken. Der Erlass eines neuen Bescheids ist von diesem Zeitpunkt an ausgeschlossen. Ihm steht die Verjährung aber dann nicht entgegen, wenn gleichzeitig mit dem Erlass die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Hebt also die Behörde während eines Widerspruchs- oder eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Bescheid - unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheids wegen des betreffenden Anspruchs - mit Wirkung für die Zukunft auf, so steht dem ein etwaiger Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht entgegen. Denn der neue Bescheid ist noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (so im Ergebnis zutreffend Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., RdNr. 33 a; a.A. wohl BFH, Beschluss vom 10.05.2002 - VII B 244/01 - BFH/NV 2002, 1125).
24 
Danach hat der vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassene ursprüngliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 19.11.2007 und der (nahtlos) daran anknüpfende Beitragsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 zur Ablaufhemmung geführt. Im Einzelnen:
25 
a) Der Senat hat zunächst erwogen, das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2008, mit dem unter anderem die ursprüngliche Beitragserhebung vom 19.11.2007 in Höhe von 43.881,39 EUR zurückgenommen wurde, und die Neufestsetzung des Beitrags vom gleichen Tag in Höhe von 34.523,56 EUR als bloße Abänderung des ursprünglichen Beitragsbescheids und damit als im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgte Teilabhilfe zu bewerten. Bei einer solchen Reduzierung des - innerhalb der Festsetzungsfrist ergangenen - ursprünglichen Beitragsbescheids wäre dieser weiterhin wirksam und würde  - unproblematisch - den Ablauf der Verjährungsfrist hemmen. Eine entsprechende Auslegung der behördlichen Schreiben vom 23.06.2008 als Teilabhilfe ist hier jedoch nicht möglich.
26 
Abhilfe ist die (teilweise) Aufhebung des Verwaltungsakts als Antwort auf den Widerspruch. Rücknahme eines Verwaltungsakts erfolgt hingegen außerhalb des Vorverfahrens, führt aber zu dessen Erledigung. Vor diesem Hintergrund steht der Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 - NJW 2009, 2968) ein Wahlrecht zu. Dieses Wahlrecht hat die Beklagte ohne jeden vernünftigen Zweifel dahingehend ausgeübt, dass sie den ursprünglichen Beitragsbescheid zurückgenommen und einen neuen Bescheid über einen verminderten Erschließungsbeitrag erlassen hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Schreibens vom 23.06.2008 und zum anderen aus der Gestaltung des Beitragsbescheids vom gleichen Tag; dieser Bescheid knüpft mit keinem Wort an den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid an, vielmehr entspricht er in vollem Umfang einem Bescheid, mit dem erstmals für das betreffende Grundstück der Erschließungsbeitrag festgesetzt wird.
27 
b) Hat die Beklagte danach den ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.2007 in vollem Umfang zurückgenommen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 130 AO), kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft erfolgt ist. Nach § 130 Abs. 1 AO kann der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc-Wirkung) oder die Zukunft (ex-nunc-Wirkung) zurückgenommen werden. Damit stellt die Vorschrift die Bestimmung der Rücknahme in zeitlicher Hinsicht in das Ermessen der Behörde. Denkbar ist auch eine Kombination dahingehend, dass Teile eines Bescheids mit Rückwirkung und Teile nur für die Zukunft aufgehoben werden. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
28 
Die Beklagte hat auf Grundlage ihres Schreibens vom 23.06.2008 der  Sache nach den festgesetzten Erschließungsbeitrag - im Hinblick auf eine Eckgrundstücksermäßigung einer nach ihrer Ansicht zusätzlich zu berücksichtigenden Erschließungsanlage - reduziert. Der ursprüngliche Erschließungsbeitrag betrug 43.881,39 EUR, im neuen Bescheid vom 23.06.2008 wurden 34.523,56 EUR und damit ein um 9.357,83 EUR reduzierter Beitrag festgesetzt. Bezüglich dieser Summe hat die Beklagte den ursprünglichen Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, weil sie bei der ursprünglichen Beitragsfestsetzung nach ihrer Auffassung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen war und deshalb die entsprechende (erhöhte) Beitragsfestsetzung von Anfang an rechtswidrig war. Soweit die Beklagte darüber hinaus im Schreiben vom 23.06.2008 den ursprünglichen Beitragsbescheid auch hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.523,56 EUR aufgehoben und unter gleichem Datum den Beitrag neu auf diesen Betrag festgesetzt hat, erfolgte die Rücknahme dagegen nur mit Wirkung für die Zukunft. Da die Rücknahme und die Neufestsetzung den Klägern - in einem Briefumschlag - gleichzeitig bekannt gemacht wurden, besteht die Wirkung der Ablaufhemmung durchgängig unverändert fort, d.h. die Festsetzungsfrist ist bislang nicht abgelaufen.
29 
aa) Maßgebend hierfür sind die folgenden Überlegungen: Bei der Auslegung der Erklärungen vom 23.06.2008 kommt es nicht darauf an, was die Behörde mit ihnen gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt der Erklärungen verstehen würde. Die Erklärungen sind vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung (hier: der Bescheide) unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris sowie BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - IX ZR 141/04 - NJW-RR 2006, 1096; BFH, Urteil vom 27.11.1996 - IX R 20/95 - BFHE 183, 348). Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang des Bescheids (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.04.2010, aaO).
30 
bb) Die Kläger konnten unter Anlegung dieses Maßstabs nicht davon ausgehen, dass die Aufhebung des gesamten Beitragsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt und deshalb Verjährung der Beitragsforderung eingetreten ist. Zwar lässt sich dem Wortlaut der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 insoweit keine eindeutige Aussage entnehmen. Darin hat die Beklagte lediglich die Rücknahme ausgesprochen, ohne dies in zeitlicher Hinsicht näher zu erläutern. Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung spricht jedoch ganz entscheidend für eine teilweise Rücknahme der ursprünglichen Beitragsfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 29.03.2000 - II X ZR 297/98 - WM 2000, 1290). Im Zweifel ist deshalb gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327). Nur auf der Grundlage der getroffenen Auslegung hat der von der Beklagten unter dem 23.06.2008 neu erlassene Beitragsbescheid überhaupt einen rechtserheblichen Inhalt. Denn bei einer Rücknahme des ursprünglichen Beitragsbescheids vom 19.11.2007 mit Wirkung für die Vergangenheit in vollem Umfang wäre dieser unanfechtbar i.S.d. § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO geworden. Damit hätte dieser mit seiner vollständigen Aufhebung seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme verloren. Bei Erlass des neuen Beitragsbescheids am 23.06.2008 wäre die in ihrem Ablauf als nicht gehemmt anzusehende Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, so dass der Bescheid von vornherein rechtswidrig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher der behördlichen Erklärung bzw. dem behördlichen Bescheid eine rechtliche Bedeutung zukommt, wenn diese(r) sich ansonsten als sinnlos erweisen würde (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen: BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2619).
31 
In diesem Sinne mussten auch die Kläger die behördliche Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen. Weder nach der Vorgeschichte noch den Begleitumständen bei der Bekanntgabe der behördlichen Erklärungen vom 23.06.2008 konnten die Kläger davon ausgehen, sie würden wegen der Beitragsschuld überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das Rücknahmeschreiben und der neue Beitragsbescheid datierten vom gleichen Tag und wurden den Klägern im gleichen Briefumschlag bekannt gemacht. Bei einer Gesamtschau der behördlichen Erklärungen stand im Zeitpunkt des Zugangs außer Frage, dass die Beklagte im Hinblick auf den Widerspruch der Kläger die Festsetzung des Erschließungsbeitrags nicht vollständig aufheben, sondern den Beitrag lediglich reduzieren wollte. Dementsprechend konnten auch die Kläger nicht von der rechtlichen Sinnlosigkeit der behördlichen Erklärungen ausgehen.
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 5. Mai 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.523,56 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 358/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Preuß,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Ist bei einer Bürgschaft zugunsten Dritter von den in Betracht kommenden Gläubigern
einer bestimmt, während die anderen unbestimmt sind, kann die zugunsten
des bestimmten Gläubigers übernommene Bürgschaft wirksam sein (Ergänzung
von BGH, Urt. v. 31. Mai 1978 - VIII ZR 109/77, WM 1978, 1065).
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 358/00 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. Juni 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war Geschäftsführer derP. GmbH (i.f.: Schuldnerin ), die einen Baustoffhandel betrieb. Die Schuldnerin wurde von der W. AG & Co laufend mit Holz beliefert. Gegen Ausfälle an Forderungen aus den Lieferungen an die Schuldnerin war W. bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin (i.f. nur: Klägerin), einem Warenkreditversicherer, versichert.
Am 24. Juli 1995 reduzierte die Klägerin den für die Forderungen der W. gegen die Schuldnerin gewährten Versicherungsschutz von bisher 600.000 DM auf 300.000 DM.W. ermäßigte daraufhin das der Schuldnerin eingeräumte Warenkreditlimit auf 400.000 DM. Im Zuge von Verhandlungen
über eine Erhöhung des Limits unterzeichnete der Beklagte am 10. August 1995 eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Diese hat folgenden Wortlaut:
"Die ... (Klägerin) deckt im Rahmen von Kreditversicherungsverträgen mit verschiedenen Unternehmen (Versicherungsnehmern) Forderungen ... , welche letzteren gegen die Firma ... (Schuldnerin ) aufgrund von Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen unmittelbar oder durch Forderungsübergang zustehen. Ich, der Unterzeichnende ... (Beklagter) übernehme hiermit für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung aller Verbindlichkeiten, die der Schuldnerin gegenüber den bei der ... (Klägerin) versicherten Unternehmen aus den vorbezeichneten Geschäftsverbindungen im Rahmen der von der ... (Klägerin) gezeichneten Versicherungssummen obliegen und zukünftig obliegen werden, durch Erklärung der ... (Klägerin) gegenüber die selbstschuldnerische Bürgschaft ... Die Bürgschaft ist betragsmäßig befristet auf 500.000 DM."
Daraufhin erhöhte W. das Kreditlimit auf zunächst 500.000 DM, später auf 800.000 DM.
Nachdem die Klägerin im Rahmen einer Neuordnung ihrer Gesellschaftsstruktur im Jahre 1996 aufgelöst und neu gegründet worden war, unterzeichnete der Beklagte am 7. März 1997 eine neue Bürgschaftsurkunde, welche - mit dem gleichen Wortlaut - die vom 10. August 1995 ersetzte.
Am 1. März 1998 wurde über das Vermögen der Schuldnerin die Gesamtvollstreckung eröffnet. Zur Tabelle wurden Forderungen von W. in Höhe von 715.047,42 DM festgestellt.
Die Klägerin leistete an W. und nimmt nunmehr den Beklagten aus der Bürgschaft in Höhe eines Teilbetrages von 100.000 DM in Anspruch. Das Landgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Gläubiger der Hauptforderung (W. ) und der Bürgschaftsgläubiger (Klägerin) nicht identisch seien. Vor dem Oberlandesgericht hatte die Klägerin Erfolg. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Grundsatz der Gläubigeridentität stehe der Wirksamkeit der von dem Beklagten übernommenen Bürgschaft nicht entgegen. Diese sei eine solche zugunsten Dritter - nämlich der Versicherungsnehmer der Klägerin. Auch die Schriftform des § 766 BGB sei eingehalten. Die den Hauptinhalt der Bürgschaftsverpflichtung bildenden Bestandteile - insbesondere die Bezeichnung des Gläubigers - seien in der Bürgschaftsurkunde hinlänglich klar umrissen. Zwar ergebe sich daraus nicht unmittelbar, daß W. Gläubigerin sei. Es sei jedoch angegeben, daß der Gläubiger Versicherungsnehmer der Klägerin sein
müsse. Der Kreis der Versicherungsnehmer sei bestimmbar. Dazu gehöre auch W. .

II.


Das hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei eine solche zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin , wird von der Revision erfolglos angegriffen.

a) Bei der Bürgschaft müssen der Bürgschaftsgläubiger und der Gläubiger der gesicherten Forderung ein und dieselbe Person sein (BGHZ 115, 177, 183; BGH, Urt. v. 20. Oktober 1988 - IX ZR 47/87, WM 1988, 1883, 1885). Ist der Empfänger des Bürgschaftsversprechens nicht der Gläubiger der Hauptforderung , ist der Grundsatz der Gläubigeridentität nur gewahrt, wenn der Bürgschaftsvertrag zugunsten dieses Gläubigers abgeschlossen wird. Die rechtliche Möglichkeit eines Bürgschaftsvertrages zugunsten Dritter ist anerkannt (BGHZ 115, 177, 183; BGH, Urt. v. 11. Mai 1966 - VIII ZR 102/65, WM 1966, 859, 861; v. 3. Mai 1984 - IX ZR 37/83, WM 1984, 768, 769; v. 20. Oktober 1988 - IX ZR 47/87, aaO S. 1886).

b) Ob - wie die Revisionserwiderung meint - auch eine Auslegung des Bürgschaftsvertrages dahingehend möglich gewesen wäre, daß die Forderungen der Versicherungsnehmer erst nach Leistung der Versicherungssumme durch die Klägerin und Forderungsübergang auf diese (vgl. §§ 398, 401, 412 BGB; § 67 VVG) verbürgt sein sollten (§ 765 Abs. 2 BGB), kann offenbleiben. Denn die Auslegung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Bürgschaft
zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin übernommen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
aa) Das Berufungsgericht ist mit den Parteien davon ausgegangen, daß die Bürgschaft formularmäßig übernommen worden ist. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Da die Klägerin ersichtlich bundesweit tätig wird - sie hat ihren Sitz in Rheinland-Pfalz, die W. domiziliert in Baden-Württemberg und der Beklagte wohnt in Brandenburg -, ist davon auszugehen, daß das Bürgschaftsformular typische, in der Warenkreditversicherungsbranche weithin gebräuchliche Formulierungen enthält, die nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts verwendet werden. Demzufolge ist der Formularvertrag vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (vgl. BGHZ 121, 173, 178; BGH, Urt. v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, NJW 1999, 1105, 1106). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem Wortlaut und, falls dieser nicht eindeutig ist, nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urt. v. 17. Februar 1993 - VIII ZR 37/92, NJW 1993, 1381, 1382; v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, aaO).
bb) Der Wortlaut der Urkunde spricht eher für eine Bürgschaft zugunsten der Versicherungsnehmer der Klägerin, steht einer derartigen Auslegung zumindest nicht entgegen. Daß die Erklärung "der ... (Klägerin) gegenüber" abgegeben wurde, besagt nicht zwingend, daß diese auch Bürgschaftsgläubigerin sein sollte. Gegebenenfalls hätte die Formulierung nahegelegen: "... übernehme der Klägerin gegenüber die selbstschuldnerische Bürgschaft". Wenn es statt dessen heißt: "... übernehme durch Erklärung der ... (Klägerin)
gegenüber ...", so kann dies darauf hindeuten, daß die Bürgschaftserklärung zwar gegenüber der Klägerin abzugeben war, diese also Vertragsschließende des Bürgschaftsvertrages sein sollte, daß daraus aber "die versicherten Unternehmen" berechtigt sein sollten.
cc) Für diese Auslegung läßt sich auch der Grundsatz anführen, daß im Zweifel gewollt ist, was vernünftig ist und der wohl verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243; Urt. v. 10. März 1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537, 1538). Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, Warenlieferanten, die ihren Kunden einen Warenkredit einräumten, der über eine Kreditversicherung abgesichert sei, hätten kein eigenes Interesse an einer zusätzlichen Absicherung durch eine Bürgschaft; an einer solchen Sicherheit interessiert sei vielmehr der Kreditversicherer , der ohne die Bürgschaft das Risiko tragen müsse, falls die Kunden nicht zahlten. Diese Erwägungen greifen zu kurz; mit ihnen allein läßt sich schwerlich begründen, daß im vorliegenden Fall die Bürgschaft gerade nicht zugunsten des Kreditversicherers, sondern zugunsten der Warenlieferanten übernommen worden ist. Nimmt man jedoch hinzu, was das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang angesprochen - letztlich aber offen gelassen - hat, daß der Kreditversicherer gemäß § 67 VVG, §§ 401, 412 BGB die Forderung des Warenlieferanten mitsamt einer dafür bestellten Bürgschaft erwirbt, wenn er diesen befriedigt, macht der Hinweis auf das Sicherungsinteresse des Kreditversicherers durchaus Sinn.
dd) Im übrigen enthalten die von der Klägerin vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung die folgende Bestimmung (§ 8 Ziff. 4):

"Um das Ausfallrisiko zu vermindern, ist der Versicherer berechtigt , aber nicht verpflichtet, im Namen des Versicherungsnehmers mit einzelnen seiner Kunden Vereinbarungen zur Absicherung der Forderungen zu treffen."
Die Klägerin hätte danach als Vertreterin ihres Versicherungsnehmers mit dessen Kunden eine Bürgschaft vereinbaren können. Dasselbe wirtschaftliche Ergebnis konnte sie erreichen, indem sie im eigenen Namen, aber zugunsten des Versicherungsnehmers die Bürgschaft vereinbarte.
2. Indes weist die Bürgschaftsurkunde den Bürgschaftsgläubiger nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit aus.

a) Die Bürgschaftsurkunde muß - neben der Erklärung, für fremde Schuld einzustehen, der Bezeichnung der verbürgten Hauptschuld und der Angabe des Hauptschuldners - auch den Gläubiger erkennen lassen (§§ 765, 766 BGB). Allerdings brauchen sich die genannten Bestandteile nicht schon aus dem Wortlaut der Urkunde zweifelsfrei zu ergeben. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung schadet nicht, sofern sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen. Dazu können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, falls sie in ihr einen zureichenden Anhalt haben (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448, 1449; v. 21. Januar 1993 - IX ZR 90/92, WM 1993, 544, 545; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, WM 1995, 900, 901; v. 17. Februar 2000 - IX ZR 32/99, WM 2000, 886, 887).

b) Weder ergibt sich die Gesamtheit der "versicherten Unternehmen", für welche die Klägerin die Bürgschaft vereinbart hat, aus der Bürgschaftsurkunde noch hat die Klägerin Umstände vorgetragen, aus denen im Wege der Auslegung mit der erforderlichen Sicherheit auf sämtliche Gläubiger geschlossen werden könnte. Sie hat geltend gemacht:
"Bei der Bürgschaft handelt es sich um eine Höchstbetragsbürgschaft , welche sich auf Forderungen der Versicherungsnehmer der Klägerin aus Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen gegen die ... (Schuldnerin) bezieht. Einer Auflistung der Versicherungsnehmer der Klägerin, welche in Geschäftsbeziehungen mit der ... (Schuldnerin) standen, bedurfte es deshalb nicht, weil der Beklagte als Geschäftsführer und damit Organvertreter der ... (Schuldnerin) selbst wissen konnte und wissen mußte, gegenüber welchen Vertragspartnern Verbindlichkeiten der ... (Schuldnerin) aus Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen bestanden bzw. noch begründet worden sind".
Aufgrund welcher Umstände der Beklagte wissen konnte, welche Lieferanten der Schuldnerin Versicherungsnehmer der Klägerin waren, ist nicht dargelegt. In die Versicherungsverhältnisse der Klägerin mit Baustoffhändlern hatte er keinen Einblick. Als Sicherheit für "W. und andere - unbekannte - Gläubiger" ist die Bürgschaft unbestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 1978 - VIII ZR 109/77, WM 1978, 1065, 1066; zustimmend Schmitz, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 91 Rn. 13; Lambsdorff/Skora, Handbuch des Bürgschaftsrechts 1994 Rn. 157).
Allerdings hat der Senat eine Bürgschaft "für alle nur irgendwie denkbaren Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ohne sachliche Begrenzung" nicht am Bestimmtheitserfordernis scheitern lassen (BGHZ 130, 19, 22). Mit einer derartigen "Globalbürgschaft" ist die hier in Rede stehende jedoch nicht ver-
gleichbar. Gesichert werden sollten hier nicht alle Gläubiger, sondern nur ein der näheren Bestimmung bedürftiger (aber - wie dargelegt - nicht bestimmter) Teil. Auch hat der Senat eine Bürgschaft, die von den Gesellschaftern einer Baubetreuungsgesellschaft gegenüber den noch zu werbenden, zunächst treuhänderisch vertretenen Mitgliedern einer Bauherrengemeinschaft für bestimmte Verpflichtungen der Gesellschaft aus den abzuschließenden Betreuungsverträgen übernommen worden war, für ausreichend bestimmt gehalten (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, aaO S. 1448 f.). Jener Fall war aber ebenfalls in entscheidenden Punkten anders gelagert: Dort war klar, daß Gläubiger alle sein sollten, die der Bauherrengemeinschaft entweder schon beigetreten waren oder noch beitreten würden. Ihre Anzahl war durch die Menge der im Rahmen des Bauvorhabens zu erstellenden Eigentums-Teileinheiten (31) begrenzt. Die äußerste zeitliche Schranke, bis zu der mögliche Bürgschaftsgläubiger der Bauherrengemeinschaft noch beitreten konnten, war deren Auflösung drei Monate nach Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens. Für die noch zu werbenden Mitglieder trat ein Treuhänder auf.
3. Im Streitfall war aus den Umständen, die zur Bürgschaftsübernahme führten, klar zu entnehmen, daß jedenfalls W. z u den bei der Klägerin versicherten Unternehmen gehörte und durch die Bürgschaft abgesichert sein sollte. In diesem Umfang ist die Bürgschaft hinreichend bestimmt (§ 765 Abs. 1 BGB) und der Formvorschrift des § 766 BGB genügt. Soweit sie sich allein auf W. bezieht, kann die Bürgschaft aufrechterhalten bleiben.

a) Anlaß für die Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten war eine Kürzung des Warenkredits seitens W. , die ihrerseits wiederum darauf zurückzuführen war, daß die Klägerin die Kreditversicherung für eben diesen
Warenkredit gekürzt hatte. Wie sich insbesondere aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Beklagten vom 11. August 1995 ergibt, sollte seine Bürgschaft zweierlei bewirken: zum einen sollte die Klägerin veranlaßt werden, den Versicherungsschutz der W. für deren Forderungen gegen die Hauptschuldnerin wieder auszudehnen, und zum anderen sollte die dadurch abgesicherte W. den der Hauptschuldnerin eingeräumten Warenkredit wieder erhöhen.

b) Ist von den mehreren Gläubigern einer bekannt, so kann die Bürgschaft zugunsten dieses Gläubigers - dessen Absicherung den Anlaß für die Verbürgung gegeben hat - wirksam sein.
aa) Freilich kann die Rechtsprechung zum "Anlaßkredit" auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Der Bundesgerichtshof hat im Wege der Klauselkontrolle (§ 9 AGBG) und einer Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung formularmäßige Globalbürgschaften - bei denen durch eine "weite Zweckerklärung" alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners gesichert werden sollten - in der Weise beschränkt, daß lediglich die Hauptschuld verbürgt wird, die den Anlaß für die Übernahme der Bürgschaft bildete (vgl. BGHZ 130, 19, 34 ff; 137, 153, 157 ff; 143, 95, 99). Im Streitfall geht es nicht um eine Klauselkontrolle (vgl. BGHZ 130, 19, 22). Ist der Kreis der zu sichernden Gläubiger teilweise unbestimmt, wird der Bürge dadurch , daß die Bürgschaft insoweit unwirksam ist, nicht unangemessen benachteiligt.
bb) Ist von den in Betracht kommenden Gläubigern einer bestimmt, während die anderen unbestimmt sind, kann die zugunsten des bestimmten Gläu-
bigers übernommene Bürgschaft nach § 139 BGB wirksam sein. Danach ist die Teilung eines einheitlichen Rechtsgeschäfts und dessen teilweise Aufrechterhaltung insbesondere dann möglich, wenn auf der einen Seite mehrere Personen beteiligt sind, der Nichtigkeitsgrund aber nur im Verhältnis zu einzelnen Personen vorliegt und der mutmaßliche Parteiwille darauf gerichtet ist, das Geschäft in bezug auf die anderen bestehen zu lassen (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 139 Rn. 11). Das ist namentlich für den Fall der Bürgschaftsübernahme durch Mitbürgen entschieden worden (RGZ 138, 270, 271 f.). Für die Verbürgung zugunsten mehrerer Gläubiger kann nichts anderes gelten. Der Bürge wird dadurch nicht benachteiligt, weil er an die Gläubiger, hinsichtlich deren die Bürgschaft aufrechterhalten bleibt, nicht mehr bezahlen muß als an alle in Betracht kommenden Gläubiger zusammen. Der Vertragspartner ist an der Teilwirksamkeit der Bürgschaft interessiert, weil so das Ziel des Vertragsschlusses wenigstens teilweise erreicht wird (vgl. auch Ganter WM 1998, 2081, 2088 zur Sicherungsübereignung einer Mehrheit von Sachen, von denen nur einzelne identifiziert werden können).
Kreft Richter am Bundesgerichtshof Richter am Bundesgerichtshof Stodolkowitz ist wegen urlaubs- Dr. Zugehör ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit ver- bedingter Ortsabwesenheit verhindert , seine Unterschrift beizu- hindert, seine Unterschrift beizufügen fügen Kreft Kreft Ganter Raebel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 194/03 Verkündet am:
7. März 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 C, Gh, 705, 730 ff.

a) Bei nach dem Wortlaut (scheinbar) widersprüchlichen Bestimmungen eines
Gesellschaftsvertrages (hier: Übernahmerecht, Abfindungs- und Mandantenschutzklausel
in einem Steuerberatungs-Sozietäts-Vertrag) ist einer Auslegung
der Vorzug zu geben, bei welcher jeder Vertragsnorm eine tatsächliche
Bedeutung zukommt, wenn sich die Regelungen ansonsten als ganz oder
teilweise sinnlos erweisen würden.

b) Erfüllt ein Gesellschafter nach seinem Ausscheiden eine vorher entstandene
Schuld der Gesellschaft (hier: Steuerschuld) ist der Erstattungsanspruch als
unselbständiger Rechnungsposten in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen.
BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 194/03 - OLG Hamm
LG Arnsberg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 7. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. April 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage des Beklagten abgewiesen worden ist.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Dem Rechtsstreit liegt eine Auseinandersetzung der Parteien über wechselseitige Ansprüche aus der Beendigung einer zwischen ihnen bestehenden Steuerberaterpraxis zugrunde.
Die Parteien haben sich mit Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zu dem gemeinsamen Betrieb einer Steuerberaterpraxis zusammengeschlossen
mit zuletzt hälftiger Gewinnbeteiligung. Im Februar/März 2001 warf der Beklagte der Klägerin eine Untreuehandlung vor. Im Hinblick auf diesen von der Klägerin bestrittenen Vorwurf hat der Beklagte der Klägerin am 13. Juli 2001 ein Schreiben übergeben, mit dem er für den 31. Juli 2001 eine Gesellschafterversammlung einberief mit dem Tagesordnungspunkt "Ausschließung der Gesellschafterin M.-H.". Dem angedrohten Ausschluß kam die Klägerin zuvor , indem sie mit Schreiben vom 27. Juli 2001 das Gesellschaftsverhältnis fristlos kündigte. Seit dem 31. Juli 2001 betreibt sie eine eigene Steuerberaterpraxis. Ebenfalls am 27. Juli 2001 schrieb sie die Mandanten der Gesellschaft an, wies auf die fristlose Kündigung und ihre neue Praxisanschrift hin und bot unter Beifügung einer Vollmacht an, weiterhin in steuerlichen Angelegenheiten zur Verfügung zu stehen.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage vom Beklagten die Erstattung von Zahlungen, die sie nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft auf deren Steuerschulden erbracht hat. Der Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Klägerin für Schäden, die ihm durch die seiner Ansicht nach unberechtigte fristlose Kündigung der Klägerin sowie die Mandantenmitnahme entstanden sind.
Das Landgericht hat der Klage und - in eingeschränktem Umfang - der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen und der Klage nur in Form der Feststellung, daß die gezahlten Beträge in die zu erstellende Auseinandersetzungsbilanz einzustellen seien, stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Widerklagebegehren weiter. Mit der Anschlußrevision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des ihrem Zahlungsantrag stattgebenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlußrevision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin nach ihrem Ausscheiden geleisteten Zahlungen unterlägen im Hinblick auf die zwischen den Parteien durchzuführende Auseinandersetzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Beziehungen einer Durchsetzungssperre. Die Leistungsklage sei in ein Feststellungsbegehren, die Forderung als unselbständigen Posten in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen, umzudeuten und in diesem Umfang begründet.
Die Widerklage sei unbegründet, da das Wettbewerbsverbot in § 7 des Sozietätsvertrages vom 27. Dezember 1991 im Hinblick auf die Regelung in § 20 Abs. 2 (d) des Vertrages unwirksam sei.
II. Zur Revision des Beklagten:
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abweisung der Widerklage halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den - in der Berufungsinstanz unstreitigen - Vortrag der Parteien, ihrem Vertragsverhältnis sei der Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zugrunde zu legen und nicht der irrtümlich vom Landgericht herangezogene Vertragsentwurf, unberücksichtigt lassen müssen.
Da unstreitiger neuer Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 18. November 2004 - XI ZR 229/03, NJW 2005, 291, 292 f. m.w.Nachw.), war das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gehalten, seiner Entscheidung den unstreitig das vertragliche Verhältnis der Parteien regelnden Sozietätsvertrag vom 27. Dezember 1991 zugrunde zu legen.
2. Das Berufungsgericht durfte jedoch die Frage, ob der Beklagte die Übernahme der Gesellschaft erklärt hat, eine Möglichkeit, die ihm in § 16 Abs. 3 (d) des Sozietätsvertrages für den Fall der Kündigung einer zweigliedrigen Gesellschaft eröffnet ist, nicht unentschieden lassen. Denn nur im Fall der Übernahme kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Wettbewerbsverbots aus § 7 des Vertrages in Betracht. Liegt keine Übernahme vor, richtet sich die Auseinandersetzung der Parteien, bezogen auf die ehemals gemeinsamen Mandatsverhältnisse, nach § 21 des Sozietätsvertrages. Diese Regelung enthält kein Wettbewerbsverbot, sondern sieht in § 21 Abs. 3 vor, daß die Mandanten durch Rundschreiben aufzufordern sind mitzuteilen, mit welchem der Gesellschafter sie das Beratungsverhältnis fortzusetzen wünschen.

a) Hat der Beklagte die Übernahme erklärt, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verstoßes der Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot in § 7 des Vertrages grundsätzlich in Betracht. § 7 des Vertrages, der ein Wettbewerbsverbot in Form einer Mandantenschutzklausel enthält, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht wegen Widersprüchlichkeit zu § 20 Abs. 2 (d) des Vertrages unwirksam. § 7 enthält ein wirksames, nämlich ein in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreitendes (s. allg. zu diesen Anforderungen Sen.Urt. v. 8. Mai 2000 - II ZR 308/98, ZIP 2000,
1337, 1338 f.) vertragliches Wettbewerbsverbot. Deshalb kann ein auf die Verletzung von § 7 des Vertrages gestützter Schadensersatzanspruch nicht mit der vom Berufungsgericht herangezogenen Begründung abgelehnt werden.
aa) Zwar ist die Auslegung eines Vertrages grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st.Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 83). Gemessen hieran ist die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, da sie gegen wesentliche Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) verstößt.
bb) Da neuer Sachvortrag nicht zu erwarten ist und weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Vertragsbestimmungen selbst auslegen.
§ 7 des Vertrages trägt die Überschrift "Wettbewerbsverbot, Mandantenschutz" und lautet wie folgt:
"1. (a) Den Gesellschaftern ist es untersagt, sich außerhalb der Gesellschaft in deren Tätigkeitsbereich selbständig, unselbständig oder beratend zu betätigen, auch nicht gelegentlich oder mittelbar. ... (b) Das Wettbewerbsverbot endet zwei Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters. Es ist beschränkt auf den OFD-Bezirk und die Mandanten, die von der Gesellschaft laufend betreut werden oder in den letzten zwei Jahren vor dem Ausscheiden beraten wurden. ..."
§ 20 trägt die Überschrift "Abfindung" und lautet in Abs. 2 (d) wie folgt:
"Übernimmt der ausscheidende Gesellschafter Mandate der Gesellschaft - sei es aufgrund einverständlicher Regelung, sei es daß die Mandanten eine Fortsetzung des Mandats mit der Gesellschaft ablehnen und den Ausscheidenden zu beauftragen beabsichtigen - wird der nach Buchstabe c zu ermittelnde Wert der Mandate auf das Abfindungsguthaben angerechnet. ..." Bei seiner Auslegung hat das Berufungsgericht die gesetzlichen Regeln, wonach der objektive Sinn der Bestimmungen zu ermitteln ist, nur scheinbar beachtet. Es hat nicht genügend berücksichtigt, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, eine vertragliche Bestimmung solle nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt haben. Deshalb ist einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (Sen.Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, WM 1998, 1535, 1536). Ein sinnvolles Nebeneinander der beiden Regelungen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne weiteres möglich. Sieht - wie hier - § 20 die Zulässigkeit von Mandatsmitnahmen unter bestimmten Voraussetzungen vor, folgt daraus bei objektiver, beiderseits interessengerechter Auslegung zugleich, daß in diesen Fällen kein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 7 des Vertrages vorliegt. Erfüllt hingegen die Mandantenmitnahme die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 (d) nicht, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor. Warum eine derart sinnerhaltende Auslegung dem Parteiwillen nicht entsprechen sollte, ist nicht ersichtlich.

b) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält die Regelung in § 7 keine gemäß § 723 Abs. 3 BGB unzulässige Kündigungsbeschränkung. Es
handelt sich dabei nicht um eine Regelung, die dem fristlos Kündigenden vermögensrechtliche Verpflichtungen auferlegt, die im Ergebnis dazu führen, daß er nicht mehr frei entscheiden kann, ob er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht oder nicht (siehe hierzu BGHZ 126, 226, 230 f.). Mit der Regelung sind auch im Falle der fristlosen Kündigung keine unzumutbaren vermögensrechtlichen Verpflichtungen verbunden. Der Kündigende wird ausreichend geschützt einerseits durch den Abfindungsanspruch, in dessen Ermittlung der Wert der bei der Gesellschaft verbleibenden Mandate einfließt (§ 20 Abs. 2 (c) des Vertrages), andererseits dadurch, daß er einen darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen kann, wenn das Verhalten des oder der Mitgesellschafter ursächlich für seine fristlose Kündigung war (Sen.Urt. v. 16. Februar 1967 - II ZR 171/65, WM 1967, 419; MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 723 Rdn. 52 m.w.Nachw.).
bb) Angesichts der Wirksamkeit der Regelung in § 7 stünde dem auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots gestützten Schadensersatzanspruch des Beklagten der Einwand des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens entgegen, wenn er, wie die Klägerin behauptet, ihre Kündigung durch ein gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten verstoßendes Verhalten veranlaßt ("provoziert" ) hätte. Diese Möglichkeit ist, wie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit seinen Hilfserwägungen angedeutet hat, nicht ausgeschlossen. Hierzu sind weitere Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlich.
cc) Sollte nach ergänzender Sachaufklärung eine Übernahme der Gesellschaft durch den Beklagten nicht festgestellt werden können, kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen § 7 nicht in Betracht, da für diesen Fall in § 21 Abs. 3 des Vertrages eine Sonderregelung ohne Wettbewerbsverbot oder Mandantenschutzklausel zwischen den Parteien getroffen worden ist.
dd) Das Berufungsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter fristloser Kündigung seitens der Klägerin zusteht, da der Beklagte, wie die Revision zu Recht rügt, sein Schadensersatzbegehren auch auf diesen Gesichtspunkt der vertraglichen Treuepflichtverletzung gestützt hat. Bei dieser Prüfung wird es ebenfalls das vorausgegangene, die Kündigung der Klägerin auslösende Verhalten des Beklagten zu würdigen haben.
III. Zur Anschlußrevision der Klägerin:
Die Anschlußrevision ist zulässig aber unbegründet. Das Berufungsgericht ist zu Recht von dem Bestehen einer Durchsetzungssperre hinsichtlich der Erstattungsansprüche der Klägerin ausgegangen. Hiergegen wendet sich die Anschlußrevision ohne Erfolg.
1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 - II ZR 249/96, ZIP 1997, 2120) - was auch die Anschlußrevision nicht verkennt - davon aus, daß beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Durchsetzung einzelner Forderungen grundsätzlich ausgeschlossen ist, diese vielmehr lediglich unselbständige Posten in der zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz darstellen. Zwar gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos (siehe zu möglichen Ausnahmen Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 aaO S. 2121 m.w.Nachw.). Ein Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Anschlußrevision nicht vor. Diese will die Durchbrechung der Durchsetzungssperre damit begründen, daß die Auseinandersetzungsbilanz auf den - hier revisionsrechtlich mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Klägerin zu unterstellenden - Tag des Ausscheidens der Klägerin, den 31. Juli 2001, zu erstellen sei, die Zah-
lungen von der Klägerin jedoch erst Ende 2001 erbracht worden seien und daher in die Auseinandersetzungsbilanz nicht einzustellen seien.
2. Dem kann nicht gefolgt werden. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Leistung der Klägerin an, sondern darauf, daß die Klägerin mit der Zahlung eine Steuerschuld der Gesellschaft aus der Zeit vor ihrem Ausscheiden beglichen hat, für die sie ebenso wie der Beklagte haftet und die daher als aus dem Gesellschaftsvermögen zu berichtigende Schuld in der Auseinandersetzungsbilanz zu berücksichtigen ist. Ein Ausgleich der Zahlung außerhalb der Auseinandersetzungsbilanz würde möglicherweise - wenn z.B. das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden nicht ausreicht - dazu führen , daß die Klägerin zur Rückzahlung in Form des Verlustausgleichs verpflichtet wäre. Genau dieses Hin- und Herzahlen soll durch das Einstellen in die Bilanz vermieden werden.
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe

(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.

(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.

(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.

(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.