Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 28. Feb. 2018 - 7 A 550/17 SN

bei uns veröffentlicht am28.02.2018

Tenor

Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 12. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2017 wird aufgehoben, soweit insgesamt Verwaltungskosten von mehr als 53,15 Euro erhoben werden.

Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu einem Viertel, der Beklagte zu drei Vierteln.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die jeweilige Gegenseite in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Verwaltungsgebühren für die Anwendung unmittelbaren Zwangs bei der polizeilichen Auflösung einer Sitzblockade.

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Der Vorgang spielte sich am Mittwoch, dem 11. Mai 2016, morgens an der südöstlichen Zufahrt zum Flughafen L-Stadt, der zum zivilen Flughafenteil führenden F-Straße, am Tor der Flughafenumzäunung ab. Vom Flughafen aus sollten im Rahmen einer mehrtägigen Aktion des Landesamts für innere Verwaltung vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer aus mehreren Bundesländern mit einem Charterflugzeug gesammelt in ihre Herkunftsstaaten im westlichen Balkangebiet transportiert werden.

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Die Klägerin und andere Personen hatten sich, nach Anfahrt u. a. mit Fahrrädern, in einer ca. 25köpfigen Gruppe von M-Dorf aus zu Fuß von 7.05 Uhr bis 7.15 Uhr der Flughafenzufahrt genähert und verweilten dort direkt hinter dem Tor vor der Linkskurve der F-Straße. Eine Versammlung war nicht angemeldet worden. Die Personengruppe verfügte nicht über Lautsprecher oder Transparente; einige Personen trugen T-Shirts mit Flüchtlingshilfe-Bezug. Nach Einsatzberichten und den Videodokumentationen zweier Mitarbeiter des in der Nähe des Flughafentors mit Dienst-Kfz zur Absicherung eingesetzten 3. Einsatzzugs der X. Bereitschaftspolizeihundertschaft setzten sich, als gegen 7.23 Uhr ein mit abzuschiebenden Ausländern besetzter Reisebus (für ca. 50 Personen) das Tor durchquerte, vor ihm 21 Personen aus der Gruppe auf die Fahrbahn und hinderten ihn an der Weiterfahrt. Polizeivollzugsbeamte umstellten die Personengruppe. Der Einsatzleiter wandte sich an sie über den Außenlautsprecher eines Dienstfahrzeugs. Zunächst forderte er mehrfach und ohne Ergebnis einen etwaigen Versammlungsleiter auf, als Ansprechpartner Kontakt zur Polizei aufzunehmen. Dann teilte er der Personengruppe mit, sie würde als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes – VersG – gewertet. Der Versammlung erteilte er die Auflage, sich an einen anderen Versammlungsort, nämlich auf eine wenige Meter entfernte asphaltierte Fläche in Fahrtrichtung rechts direkt neben der Fahrbahn der F-Straße und ebenfalls innerhalb des Flughafentors, zu begeben; sollte dies nicht geschehen, müsse die Auflage mittels einfacher körperlicher Gewalt in der Form des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden. Die Aufforderung blieb erfolglos. Eine größere Zahl von Pkw wurde über den Bürgersteig am Ort des Geschehens vorbeigeleitet. Um 7.30 Uhr wurden die Auflage und die Androhung unmittelbaren Zwangs per Megaphon/Kfz-Lautsprecher wiederholt, verbunden mit der Androhung einer Auflösung der Versammlung nebst Durchsetzung des Gebots zum unverzüglichen Verlassen des Versammlungsorts. Auch dies blieb fruchtlos. Um 7.36 Uhr wurde die Versammlung für aufgelöst erklärt und wurden die Teilnehmer aufgefordert, sich von der Straße zu erheben und sie zu räumen, ferner die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht nebst anschließender Personalienfeststellung und Verfolgung einer versammlungsrechtlichen Ordnungswidrigkeit. Um ca. 7.40 Uhr umringten Polizeivollzugsbeamte die auf der Straße Sitzenden; diese rückten, bis auf zwei Personen, die sich sogleich entfernten, näher zusammen, verschränkten ihre Beine zum „Schneidersitz“ und verhakten ihre Arme ineinander. Die Blockadeteilnehmer riefen bisweilen im Chor kurze Losungen, etwa „Niemand ist illegal“, „Nazis fordern’s, der Staat schiebt ab — das ist das gleiche Rassistenpack“ und einige fremdsprachige Aussagen zur Obsoleszenz von Grenzen und Staaten. Sie wurden durch die Polizei über die Strafbarkeit von Widerstandshandlungen belehrt. Sodann wurden die Sitzenden jeweils einzeln von zwei Polizeivollzugsbeamten aufgefordert, sich zu entfernen. Dem leisteten einige weitere Blockadeteilnehmer Folge. Die übrigen Personen, darunter die Klägerin, wurden nach Fruchtlosigkeit der persönlichen Ansprache mit Androhung des Wegtragens jeweils von zwei Polizeibeamten unter den Schultern angehoben und, weil sie sich nicht mehr an ihre Nachbarn klammerten, widerstandslos zu der Asphaltfläche getragen und dort abgesetzt, was jeweils wenige Sekunden dauerte. Der Bus konnte zum Flughafen passieren. Die zur Asphaltfläche verbrachten Blockierer legten nach Belehrung ihre Personalpapiere vor, die in einem Dienst-Kfz erfasst wurden; anschließend erhielten sie nach Rückgabe der Personalpapiere gegen 8.13 Uhr Platzverweise, und ihnen wurde für den Fall einer erneuten Blockade die Ingewahrsamnahme angedroht. Die gesamte Gruppe verließ das Flughafengelände geschlossen durch das Tor.

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Die Polizeiinspektion N-Stadt fertigte eine Kostenmitteilung über die gebührenpflichtige Anwendung unmittelbaren Zwangs bei der Klägerin in der Gestalt einfacher körperlicher Gewalt und ohne Gewahrsam, wonach ein Polizeivollzugsbeamter des früheren gehobenen Dienstes („g. D.“) und ein Polizeivollzugsbeamter des mittleren Dienstes („m. D.“) für ca. eine Minute zum Einsatz gekommen sei, ferner über weiteren Verwaltungsaufwand.

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Mit Leistungsbescheid vom 12. August 2016 erhob der Beklagte von der Klägerin 124 € an Verwaltungsgebühren nach der Verwaltungsvollzugskostenverordnung – VwVKVO M-V –, und zwar nach deren § 1 Abs. 1 Nr. 6 (Anwendung unmittelbaren Zwangs) für einen Mitarbeitereinsatz nach Tarifstelle 1.1 in Verbindung mit 7.1 für eine angefangene Stunde 36 €, für einen Mitarbeitereinsatz nach Tarifstelle 1.2 in Verbindung mit 7.1 für eine angefangene Stunde 46 € und schließlich 42 € nach Tarifstelle 7.4 für die Vor- und Nachbereitung der Maßnahme.

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Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 zurück, wobei er zusätzlich, gestützt auf § 15 Abs. 3 und § 10 des Landesverwaltungskostengesetzes – VwKostG M-V –, 65 € an Widerspruchsgebühren und 4,65 € an Auslagen, zusammen weitere 69,65 €, erhob.

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Die Klage vom 3. Februar 2017 verfolgt das klägerische Anfechtungsbegehren weiter. Wie in Parallelverfahren, wird im Wesentlichen geltend gemacht: Die Versammlung sei zu frühzeitig beendet worden. Es sei keine ordnungsgemäße Versammlungsauflösung und Zwangsmittelandrohung erfolgt bzw. hörbar gewesen. Der Versammlungsort sei für Fahrzeuge, auch den Bus, passierbar gewesen, und der Verkehr hätte auch die anderen Zufahrten zum Flughafen benutzen können. Die Erhebung von Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei nicht angekündigt worden und erstmals bei einem solchen Polizeieinsatz erfolgt; sie beeinträchtige faktisch die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit. Die Verwaltungsgebühren seien überhöht angesichts der Kürze der Einsätze, zumal die Polizeivollzugsbeamten sowieso im Einsatz gewesen seien. Die allgemeinen Kosten der Polizei seien von den unmittelbaren Kosten des Einsatzes gegen die Klägerin zu scheiden. Die Klägerin beantragt,

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den Leistungsbescheid vom 12. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt

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Klageabweisung

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und verteidigt seine Bescheide.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und auf die von ihm im Verfahren 7 A 625/17 SN vorgelegte Videodokumentation (drei CD-ROM) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

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Soweit der Beklagte im Leistungsbescheid vom 12. August 2016 und im Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 von der Klägerin insgesamt mehr als 53,15 € an Verwaltungskosten erhob, sind die Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weshalb sie nach § 113 Abs. 1 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – teilweise aufzuheben sind.

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Dies ist allerdings nicht mit der klägerseits vorgetragenen versammlungsrechtlichen Argumentation zu begründen. Dem Beklagten ist nämlich im Ergebnis darin zuzustimmen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die gebührenpflichtige Amtshandlung „Anwendung unmittelbaren Zwangs“ im Zeitpunkt ihrer Vornahme vorlagen, was nach dem in § 14 Abs. 2 Satz 1 und § 21 Abs. 1 VwKostG M-V aufscheinenden Rechtsgedanken und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (s. das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – VGH B-W – vom 20. März 1986 – 1 S 2654/85 –, Die Justiz 1987, S. 35 [37]) Voraussetzung einer rechtmäßigen Kostenerhebung hierfür ist.

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Denn mit dem in § 90 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – SOG M-V – vorgesehenen Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs wurde — angesichts der erkennbaren Unzweckmäßigkeit der Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld — die Pflicht u. a. der Klägerin zur Vornahme einer ihr höchstpersönlich obliegenden Handlung, nämlich zum Verlassen der Fahrbahn der F-Straße, durchgesetzt.

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Zutreffend war allerdings die gemeinsame Aktion der am Flughafentor versammelten Personengruppe von Seiten der anwesenden Polizeivollzugsbeamten und deren Einsatzleitung als zwar nicht bei der Versammlungsbehörde angemeldete, aber wegen des kurzfristigen Bekanntwerdens ihres Anlasses, der Abschiebemaßnahme, ausnahmsweise auch ohne Anmeldung den Grundrechtsschutz gemäß Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes und den Schutz des VersG genießende (politische) Versammlung, eine sog. spontane Versammlung, bewertet worden.

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Rechtmäßig war aber diese Versammlung auch von den Polizeivollzugskräften aufgelöst worden. Denn die bei deren Eintreffen begonnene Durchführung der Versammlung führte zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG, der zunächst durch eine an die Versammlungsteilnehmer gerichtete Auflage und angesichts von deren Nichtbefolgung schließlich gemäß § 15 Abs. 3 VersG durch die polizeiliche Auflösung der Versammlung entgegengetreten worden war.

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Nach der ausführlichen Gewährung rechtlichen Gehörs etwa über das mehrfach verlautbarte Angebot, mit einem etwaigen Leiter der Versammlung koordinierend gefahrenvermeidende Absprachen zu treffen, hatte der polizeiliche Einsatzleiter zunächst die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbare Auflage verfügt, dass der Ort der Versammlung geringfügig, nämlich von der Straßenfahrbahn auf die angrenzende asphaltierte Fläche, verlegt wurde.

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Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V war neben dem sonst gemäß §§ 2 und 3 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz als Kreisordnungsbehörde zuständigen, aber, auch wegen der Spontaneität der Versammlung, vor Ort nicht vertretenen Landrat des L. für diese unaufschiebbaren Maßnahmen die Polizei zuständig (zweifelnd das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht – S-H OVG – im Urteil vom 3. September 2015 – 4 LB 13/14 –, juris Rdnr. 32). Die Auflage konnte auch noch nach Beginn der Versammlung als (die Vermeidung von deren Auflösung bezweckende) sog. Minusmaßnahme entweder auf die Ermächtigung in § 15 Abs. 3 in Verbindung mit 1 VersG (so mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233, 341/81 –, amtliche Entscheidungssammlung BVerfGE Bd. 69, S. 315 [353 f.], etwa Kingreen/Poscher, in: Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, § 20 Rdnr. 15 m. w. Nachw.) oder auf §§ 13 und 16 SOG M-V (die Anwendbarkeit — durch die erhöhten tatbestandlichen Anforderungen des § 15 Abs. 1 VersG modifizierter — landesrechtlicher polizeilicher Ermächtigungen im Rahmen eines Versammlungsgeschehens bejahte etwa das Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – im Urteil vom 8. September 1981 – 1 C 88.77 –, amtliche Entscheidungssammlung BVerwGE Bd. 64, S. 55 [57 f.]) gestützt werden.

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Auch materiell lagen die Voraussetzungen für ein beschränkendes Vorgehen gegen die Versammlung vor, soweit sie mit einer Blockade der Flughafenzufahrt verbunden war. Denn aus erkennbaren Umständen ergab sich, dass diese eine unmittelbare, d. h. leicht absehbare, und zudem in zunehmendem Maße gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellte.

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Wie nämlich auf den Videoaufnahmen klar erkennbar ist, war offensichtlich, dass neben dem Reisebus auch eine zunehmende Zahl weiterer Fahrzeuge an der Durchquerung der Flughafenzufahrt gehindert wurde, weil der Fahrer des große Teile der Fahrbahnbreite einnehmenden Reisebusses, um schwerwiegende Gefährdungen der direkt vor ihm auf der Straße sitzenden Versammlungsteilnehmer zu vermeiden, seine Fahrt nicht fortsetzte. Die weiteren von beiden Seiten der Blockade eintreffenden Fahrzeuge, soweit ersichtlich hauptsächlich Pkw, mussten von Polizeivollzugsbeamten schließlich vorsichtig über den Bürgersteig an der Westseite der Flughafenzufahrt geleitet werden, um ihnen die Passage zu ermöglichen, was wiederum Behinderungen oder gar Gefährdungen des Fußgängerverkehrs bewirken konnte. Nur so konnten der An- und Abreise- oder Hol- und Bringeverkehr von oder für Flugpassagiere(n) sowie das Eintreffen oder die Heimfahrt von Flughafenmitarbeitern oder Lieferanten notdürftig mit Verzögerungen und unter Verstoß gegen Straßenverkehrsregelungen sowie gegen Widmungszweck und Integrität des Bürgersteigs abgesichert werden. Da die Versammlungsteilnehmer sich einer Kommunikation mit den Polizeivollzugskräften verweigerten, war auch die Dauer des Zustands nicht absehbar; dies hätte ohne eine Beendigung der Blockade letztlich sogar zu einer Vereitelung der Rückführungsmaßnahme führen können, es sei denn, man hätte den für den Lufttransport vorgesehenen ausreisepflichtigen Ausländern erlauben und zumuten können, den Reisebus zu verlassen und die Entfernung zur Abflughalle, ggf. mit ihrem Gepäck, zu Fuß zurückzulegen.

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Entgegen dem Vorbringen der Klägerin und in Parallelverfahren stand nämlich weder für den Reisebus noch für sonstigen Zielverkehr zum und vom Flughafen eine weitere Zufahrt zur Verfügung — wäre es anders, wäre wohl auch, wie den Versammlungsteilnehmern bewusst gewesen sein dürfte, der Sinn der Blockadeaktion von vornherein Zweifeln ausgesetzt gewesen. Der Flughafen besteht nämlich aus einem militärischen Teil im Norden und einem zivilen Teil im Süden, die, wie aus dem im Termin erläuterten Luftbild ersichtlich ist, gemeinsam, z. T. mehrfach, eingezäunt und deren Verkehrssysteme auch voneinander durch Zäune und Gebäude getrennt sind. Für den zivilen Luftverkehr, dessen sich die Rückführungsaktion des Landesamts für innere Verwaltung bediente, stand und steht nur die Zufahrt über die F-Straße zur Verfügung. Weder die Anfahrt des Reisebusses noch die Umleitung des Zielverkehrs der zivilen Flughafengebäude über die mit Toren verschlossenen Feldweg-Zufahrten insbesondere des militärischen Flughafenteils im nördlichen Bereich oder über die, selbst rundum abgezäunte, Liegenschaft des Solarparks im Südwesten, gar durch die engen Durchlässe zwischen den Sonnenkollektoren, kam ernstlich in Betracht.

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Die grundrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit beinhaltet zwar grundsätzlich auch das Recht, über Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu entscheiden, wobei eine Versammlung, die den mit den Betroffenen solidarischen Protest gegen Abschiebungsmaßnahmen zum Inhalt hat, eine besondere Nähe zu deren Zeitpunkt und Ort als wesentlich beanspruchen darf. Indessen ist dieses Selbstbestimmungsrecht auch beschränkt, soweit seine Ausübung zur Kollision mit Rechtsgütern anderer führt. In diesem Fall kann praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz auch dadurch hergestellt werden, dass die Modalitäten der Versammlungsdurchführung durch Auflagen verändert werden; denn das Grundrecht schützt ein Selbstbestimmungsrecht über die Art der kommunikativen Äußerung nicht, soweit durch sie Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden. Andererseits sind im öffentlichen Straßenraum Behinderungen durch Versammlungen in gewissem Maße als sozialadäquat hinzunehmen, selbst und gerade auch dann, wenn die Umsetzung ihres kommunikativen Anliegens in Blockadeaktionen besteht, die zudem hierauf aufmerksam machen, um auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken; denn ebenso wie das — auch selbst vielfach nicht behinderungsfreie — Verkehrsgeschehen gehört das kommunikative Versammlungsgeschehen zum Gemeingebrauch, und es haben sich beide den hierfür vorhandenen Raum zu teilen. Einer Entscheidung über Eingriffe zugunsten des Rechtsgüterschutzes Dritter gegenüber der Versammlung hat eine Abwägung voranzugehen, die u. a. die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch den Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand berücksichtigt; soweit das Versammlungsthema auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen anspricht, kann die Beeinträchtigung auch von deren Freiheitsrechten eher sozial erträglich und damit in größerem Maße hinzunehmen sein als andernfalls (vgl. das Urteil des BVerfG vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83, 921, 1190/84 und 333, 248, 306, 497/85 –, BVerfGE Bd. 73 S. 206 [249 f.], und dessen Beschlüsse etwa vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90, 2173/93, 433/96 –, BVerfGE Bd. 104, S. 92 [111 f.], sowie vom 2. Dezember 2005 – 1 BvQ 35/05 – und vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2006, S. 303 [304 f.], bzw. 2011, S. 405 [407 f.]).

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Vorliegend war die durchaus gewaltfrei und ohne strafwürdige Nötigungshandlungen ablaufende, der Versammlung keinen unfriedlichen Charakter verleihende Blockadeaktion dennoch mit zunehmender Dauer mehr, als was nach der beschriebenen Abwägung von Gewicht der Versammlung und Handlungsfreiheit der Blockadebetroffenen über längere Zeit hinzunehmen war; denn die demonstrative Blockade drohte (auch mangels Information über ihre geplante Dauer) über kurz oder lang in eine Verhinderungsblockade umzuschlagen und gefährdete zudem bereits aktuell den Verkehr auf dem Bürgersteig. Nach den Angaben der Klägerseite war eine Kommunikation der (phasenweise allerdings weitgehend „stummen“) Blockadeteilnehmer mit den Adressaten im Reisebus, die sich auf dem Mittelkorridor bis zum vorderen Einstiegsbereich und zur Frontscheibe begeben hatten, und damit auch der gewünschte Ausdruck der Solidarität ihnen gegenüber sowie des Protests gegen die Abschiebemaßnahme erfolgt. Es stellte danach keinen übermäßigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit mehr dar, wenn den Teilnehmern nun kurzfristig die Fortsetzung der Versammlung ohne Blockade und eine Äußerung ihres Protests allein von der direkt neben der Straße gelegenen asphaltierten Fläche aus auferlegt wurde. Auf den von der Klägerin im Verfahren 7 A 657/17 SN gestellten Beweisantrag, betreffend eine Vernehmung des Mitarbeiters des Landesamts für innere Verwaltung Z., der (übrigens ohne erkennbare tatsächliche Anknüpfung und „ins Blaue hinein“) erweisen sollte, dass die Abschiebeaktion durch eine fortgesetzte Blockade nicht dauerhaft verhindert worden wäre, ist es daher nicht angekommen; er ist, da eine unmittelbare Gefahr bereits eingetreten war, als (vom in der Rechtsbehauptung enthaltenen Tatsachenkern her) unerheblich abzulehnen gewesen. Im Ergebnis warteten die Polizeivollzugskräfte nach mehrfachen deutlichen Aufforderungen und Ankündigungen weiterer Schritte sowie jeweiligem geduldigem Abwarten von Reaktionen der Versammlungsteilnehmer etwa eine Viertelstunde ab, bis mit der Durchsetzung der schließlich erfolgten Auflösung der Versammlung tatsächlich begonnen wurde. Dass diese rechtlichen Schritte in der Versammlung aus akustischen Gründen nicht wahrgenommen worden sein sollen, ist für die Kammer angesichts der Tonaufzeichnungen in den Videodokumentationen nicht nachvollziehbar.

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Die für den Fall der Nichtbefolgung der Auflage angekündigte Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG begegnet, wie auch die Entscheidung zum schließlich erfolgten Einsatz des unmittelbaren Zwangs, um die — noch im Wege von Einzelweisungen konkretisierte — Verlassenspflicht aus § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 VersG durchzusetzen, ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Beide Maßnahmen waren jeweils in hinreichender, den Adressaten zu Reaktionen und zu ihrer Vermeidung Gelegenheit gebender Weise angekündigt worden; auch wurde zu Beginn der Anwendung unmittelbaren Zwangs in deeskalierend-„fürsorglicher“ Weise über die Strafbarkeit von Widerstandshandlungen belehrt — was die verbliebenen Teilnehmer der Blockade zur Aufgabe ihrer anfänglichen gegenseitigen Umklammerung veranlasste. Soweit Blockadeteilnehmer in der verbliebenen Handlungsalternative zwischen eigenständigem Verlassen des Blockadeorts und Hinnahme der polizeilichen Durchsetzung der Verlassenspflicht sich für letzteres entschieden, war die Vornahme der Amtshandlung zulässig und geboten, die bezogen auf ihre Kostenpflichtigkeit streitgegenständlich ist. Denn — und dies ist ein die Rechtmäßigkeit einer kostenpflichtigen Durchsetzung der Verlassenspflicht gegenüber der Klägerin selbständig tragendes weiteres Argument — die Versammlungsteilnehmer haben eine Versammlungsauflösung unabhängig von deren Rechtmäßigkeit hinzunehmen und die hieraus entstehenden gesetzlichen Pflichten und Anordnungen zu ihrer Umsetzung zu befolgen (s. den Beschluss des BVerfG vom 1. Dezember 1992 – 1 BvR 88, 576/91 –, BVerfGE Bd. 87, S. 399 [409 f.], der die verwaltungsrechtliche Durchsetzbarkeit der Pflicht von der Ahndung ihrer Nichtbefolgung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat unterscheidet; zust. etwa das S-H OVG im genannten Urteil, juris Rdnr. 34).

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Hiernach waren u. a. zu Lasten der Klägerin als Pflichtiger im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 1 SOG M-V für die von Seiten der Blockadeteilnehmer veranlasste Amtshandlung der Anwendung unmittelbaren Zwangs nach § 114 Abs. 3 sowie Abs. 1 SOG M-V und nach Maßgabe der VwVKVO M-V kraft Gesetzes Kosten entstanden, die auch von der Klägerin zu erheben waren. Ob solches bisher in vergleichbaren Fällen bei anderen Sitzblockaden — die sich im Lande vielfach im Rahmen einer tumultuarischen Konfrontation von Demonstrationen gegensätzlicher politischer Ausrichtung ereignen — geschehen war, ist entgegen der klägerischen Auffassung für die Entstehung des Kostenanspruchs unerheblich, ebenso wie die Gründe für eine in anderen Fällen möglicherweise unterbliebene Kostenerhebung. Entgegen klägerischer Auffassung setzte jene auch nicht voraus, dass die Pflichtigen vor Vornahme der Amtshandlung über deren Kostenpflichtigkeit, gar in der Form eines „Kostenvoranschlags“, belehrt worden wären. Zu Unrecht meinen die Klägerin und ihre Mitstreiter außerdem, dass der demokratische Rechtsstaat die Blockade als Akt „zivilen Ungehorsams“ (zur Geschichte des Begriffs vgl. etwa das genannte Urteil des BVerfG vom 11. November 1986, a. a. O. S. 250 ff.) von derartigen „Sanktionen“ grundsätzlich freizustellen habe. Nach polizeilicher Duldung der Blockade für einen angemessenen Zeitraum und, wie gesagt, rechtmäßiger und durchsetzbarer Auflösung der Versammlung, deren Teilnehmer sich zuvor erkennbar gegen ihre Fortsetzung in einer auflagegemäßen Form entschieden hatten, war der Zeitraum, in dem mit dem Blockieren der Fahrbahn die grundrechtsgeschützte Versammlungsfreiheit betätigt wurde, erkennbar verstrichen. Daher ist gegen die Notwendigkeit einer Zahlung als Kompensation für den Aufwand, dass ein Versammlungsteilnehmer zulässigerweise vom (ursprünglichen) Demonstrationsort weggetragen wird, weil er sich nicht pflichtgemäß selbst entfernt, nichts zu erinnern (so auch, im Übrigen allerdings kritisch, etwa v. Brünneck, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ – 1984, S. 273 [276], ferner Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, Rdnr. 702 m. w. Nachw.). Schließlich handelte es sich bei der Kostenerhebung für die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch nicht um eine solche für Maßnahmen der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die besonderen Kostenregelungen unterliegen, sondern allein für die polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahme „Räumung der blockierten Straße“ (zur Abgrenzung s. etwa die Beschlüsse des VGH B-W vom 26. März 1984 – 14 S 2640/83 –, und, gegensätzlich, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Januar 1986 – 21 B 85 A.390 –, NVwZ 1985, S. 202 [203 f.], bzw. 1986, S. 655); im Streitfall leitete nämlich erst die — kostenfreie — anschließende Personalienfeststellung (neben der hier angegriffenen Kostenerhebung auch) Ordnungswidrigkeiten-Verfahren ein (die laut einer Pressemitteilung des A-Stadt hilft e. V. vom 25. August 2017 später das Amtsgericht N-Stadt wegen Verjährung einstellte).

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Der nach § 11 Abs. 1 VwKostG M-V in Verbindung mit § 114 Abs. 2 Satz 2 SOG M-V maßgebliche, weil bei Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung geltende Gebührentarif war der VwVKVO M-V in der Fassung der ersten Verordnung zu ihrer Änderung vom 16. August 2012 zu entnehmen. Die im Leistungsbescheid und/bzw. im Widerspruchsbescheid aufgeführten Tarifstellen 7.1 und 7.4, auf die § 1 Abs. 2 VwVKVO M-V u. a. wegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 der Vorschrift angeordneten Gebührenpflichtigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs verweist, legen jeweils eine Gebührenerhebung nach der Dauer der jeweiligen (Teil-)Amtshandlung, eine Zeitgebühr im Sinne von § 4 Var. 3 VwKostG M-V, fest. Hiermit war der finanzielle Aufwand, der für einen Personaleinsatz der öffentlichen Hand anfällt und der im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 VwKostG M-V der durch einen Pflichtigen gegebenen Veranlassung zuzurechnen ist, auf der Grundlage von Gebührenerlassen, die die Landesfinanzverwaltung zu dem in § 2 Abs. 3 VwKostG M-V bezeichneten Zweck der Verordnunggebung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VwKostG M-V vorgegeben hatte und die „Eckwert-Berechnungen“ zu Jahreseinkommen enthalten, bezogen auf Einsatzstunden pauschal geregelt; es war gleichzeitig vorgegeben, dass der abstrakt-generell auf eine Einsatzstunde entfallende Betrag vom Pflichtigen als Gebühr zu refinanzieren ist, sobald jeweils eine Einsatzstunde angebrochen ist. Diese mit Pauschalsätzen arbeitende gebührenrechtliche Kostenabwicklung unterscheidet sich damit grundlegend von den Sachlagen in den klägerseits, auch in den Parallelfällen, (bestimmbar) zitierten Gerichtsentscheidungen. In den Urteilen des S-H OVG vom 5. März und vom 3. September 2015 – 4 LB 10/14 und 4 LB 13/14 – (jeweils juris) ging es nämlich um Vorschriften des (Bundes-)Polizeirechts, nach denen ohne nähere Spezifizierung die Verantwortlichen (Störer) zum Ersatz von „Kosten“ verpflichtet waren, die durch die unmittelbare Ausführung einer polizeilichen Maßnahme entstanden; die hiernach gesetzlich vorgegebene Prüfung der „Kostenentstehung“ offenbarte Zurechnungs- und Abgrenzungsprobleme in Bezug auf im Laufe des Polizeieinsatzes angefallene allgemeine Personalkosten und sonstige sog. Fix- oder Sowiesokosten (s. zu ähnlichen Abgrenzungsproblemen in älteren landesrechtlichen Regelungen auch Majer, Verwaltungs-Archiv Bd. 73 [1982], S. 167 [176]), was die hier anzuwendenden Gebührentarife jedoch vermeiden. In ähnlicher Weise wie Mecklenburg-Vorpommern, dabei in Details jedoch durchaus unterschiedlich, schreiben andere Bundesländer die Erhebung von Gebühren für die Anwendung unmittelbaren Zwangs als typisierend-pauschalierenden Kostenausgleich für diese die Einsatzkräfte typischerweise besonders beanspruchende Zwangsmaßnahme vor, wobei Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht jeweils nicht ersichtlich sind. So wird in unterschiedlicher Weise auf die Zahl der eingesetzten Bediensteten abgestellt: In Baden-Württemberg beträgt nach § 7 Abs. 2 der Vollstreckungskostenordnung – LVwVGKO – vom 29. Juli 2004 die Gebühr 45 € für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde; wird gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt, so werden nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO die Gebühren „auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt“. In Sachsen schreibt das Neunte Sächsische Kostenverzeichnis vom 21. September 2011 in Lfd. Nr. 75, Tarifstelle 8 Abs. 6 und 8.2 für den Einsatz von Polizeikräften bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung eines Verwaltungsakts eine Gebühr von 24 € je angefangene halbe Stunde und je eingesetzten Bediensteten vor; nach einer Anmerkung werden allerdings für unmittelbaren Zwang, der lediglich einfache körperliche Gewalt beinhaltet und keinen bedeutsamen polizeilichen Mehraufwand verursacht, keine Kosten erhoben. In Sachsen-Anhalt legt § 11 der Vollstreckungskostenordnung vom 13. Februar 2014 für die Anwendung unmittelbaren Zwangs eine Gebühr von 39 € je angefangene Stunde für jeden einzelnen Bediensteten fest; § 12 Abs. 1 schreibt — gegensätzlich zu Baden-Württemberg — vor, dass bei einer Vollstreckung gegen mehrere Personen die Gebühren von jeder Person zu erheben sind, auch wenn der Vollstreckungsbeamte bei derselben Gelegenheit mehrere Vollstreckungshandlungen vornimmt. In Thüringen legt die Tarifstelle 1.2.5 der Verwaltungskostenordnung zum Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – ThürVwZVGKostO – vom 29. November 2013 für die Anwendung unmittelbaren Zwangs die Erhebung einer Zeitgebühr fest, wobei nach der gemäß § 1 Abs. 5 ergänzend anzuwendenden Thüringer Allgemeinen Verwaltungskostenordnung vom 3. Dezember 2001, Tarifstelle 1.4, je angefangene Viertelstunde des Einsatzes eines Beschäftigten, der nicht zum gehobenen oder höheren Dienst gehört, 12,50 € und bei Beamten des gehobenen Dienstes 15,50 € anfallen. § 3 Abs. 4 Nr. 2 ThürVwZVGKostO schreibt — wieder — eine angemessene Verteilung der Gebühren auf die beteiligten Vollstreckungsschuldner vor. In Schleswig-Holstein schließlich beträgt gemäß § 4 Satz 1, § 5 Satz 1 bzw. § 6 Satz 1 der Vollzugs- und Vollstreckungskostenverordnung vom 18. September 2017 die Gebühr für die Wegnahme oder Vorführung einer Person, für die Sicherstellung einer Sache oder die Zwangsräumung bzw. für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen und Tiere jeweils 63 € für den Einsatz eines Mitarbeiters je angefangene Stunde. Andere Bundesländer rechnen, mit unterschiedlicher Flexibilität, „fallweise“ ab: In Hessen legt die Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Sport vom 7. Juni 2013 für die Anwendung unmittelbaren Zwangs nach § 52 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Tarifstelle 545/5451 bei bis zu einstündiger Dauer fallbezogen eine Pauschalgebühr von 66 € fest (erst bei längerer Dauer gilt eine Zeitgebühr) und schränkt zudem die Gebührenfreiheit von Bagatellfällen (Tarifstelle 5453 Nr. 2) auf solche Fälle ein, in denen esnicht um das Wegtragen von Personen geht. Mit im Einzelfall ermessensgerecht und adäquat zu bestimmenden Rahmengebühren arbeiten Bayern (§ 1 Nr. 6 und 7 der Polizeikostenverordnung vom 13. November 2000 legt eine Rahmengebühr von 25 bis 1.250 € fest; unklar ist bei einer Mehrheit Betroffener die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1, 2. Halbsatz, des Kostengesetzes vom 20. Februar 1998 in Verbindung mit Art. 58 Abs. 3 Satz 2 des Polizeiaufgabengesetzes), Rheinland-Pfalz (§ 8 Abs. 4 der Kostenordnung zum Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz vom 11. Dezember 2001 schreibt eine Rahmengebühr von 10 bis 1.530 € vor, die nach § 8 Abs. 6 Satz 2 auf mehrere beteiligte Vollstreckungsschuldner „angemessen zu verteilen“ ist), das Saarland (§ 1 Nr. 7 der Polizeikostenverordnung vom 10. Oktober 2006 legt eine Rahmengebühr von 15 bis 1.023 € fest) und Sachsen (das Neunte Sächsische Kostenverzeichnis vom 21. September 2011 eröffnet in Tarifstelle 8.6 im allgemeinen Verwaltungsvollstreckungsverfahren ohne Einsatz von Polizeivollzugsbeamten einen Gebührenrahmen von 25 bis 1.000 €). Auch vor diesem Hintergrund begegnet die hiesige Regelung, die relativ geringfügige Stundensätze vorsieht (angesichts der Kaufkraftentwicklung entsprechen sie etwa den vom VGH B-W in den zitierten Entscheidungen vom 26. März 1984 und vom 20. März 1986 für 1983 bzw. 1982 überlieferten Gebührensätzen von 38 DM pro eingesetztem Bediensteten und angefangener Stunde), welche im Interesse der Praktikabilität der Gebührenerhebung nicht in kürzere Zeiträume zu „stückeln“ sind, und die ferner von einer (von Möglichkeiten zum Billigkeits-Erlass wie § 1 Abs. 3 VwVKVO M-V zu unterscheidenden) bereits tariflichen Bagatellregelung absieht, keinen Bedenken etwa im Hinblick auf das in § 3 Abs. 1 VwKostG M-V kodifizierte Äquivalenzprinzip. Ebenfalls hindert die Wirksamkeit des hier anzuwendenden Gebührentarifs der Umstand nicht, dass keine Aufteilung der angefallenen Gebühren unter mehrere Personen vorgesehen ist (zu den Schwierigkeiten bei der Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO vgl. das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2015 – 5 K 5066/14 –, Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg 2016, S. 155 [158], und die Anmerkung hierzu von Ropertz, a. a. O. S. 158 ff.), sondern ohne „Mengenrabatt“ pro Pflichtigem gesondert abgerechnet wird. Eine Bereicherung der Landespolizei durch Gebührenerhebung ist auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen mehrere parallele oder kurzzeitig aufeinander folgende Personaleinsätze mit dem Ziel der Durchsetzung ähnlicher Verhaltenspflichten jeweils nach Stundensätzen zu vergüten sind, nicht zu befürchten, so dass aus der Sicht der durch die Tarifvorschrift begünstigten Seite keine Bedenken hiergegen bestehen (vgl. im Übrigen zur Unterscheidung von Äquivalenz- und — hier nicht vorgegebenem — Kostendeckungsprinzip etwa das Urteil des BVerwG vom 24. März 1961 – VII C 109.60 –, BVerwGE Bd. 12, S. 162 [169]); und weil es nicht um die Durchsetzung einer einheitlichen oder einer gemeinschaftlich zu befolgenden Handlungspflicht, sondern jeweils um die einer höchstpersönlichen Pflicht zum Verlassen des vormaligen Versammlungsorts geht, kann es auch aus der Sicht der gebührenpflichtigen Person nicht maßgeblich darauf ankommen, ob nur gegen sie selbst oder daneben auch gegen weitere Personen (wegen „deren“ gleichartiger Verlassenspflichten) zum Zwangsmittel der Anwendung unmittelbaren Zwangs gegriffen werden musste (s. auch, bei der Prüfung einer Gesamtschuldnerschaft von Störern in Bezug auf einheitliche Gesamtkosten eines Einsatzes, Seibert, Die öffentliche Verwaltung 1983, S. 964 [969 f.]).

29

Nur an diesem Tarif der VwVKVO M-V gemessen, erfolgte die Gebührenerhebung im (durch den Widerspruchsbescheid bestätigten) Ausgangsbescheid vom 12. August 2016 allerdings in beträchtlichem Maße zu Unrecht, was zum Teilerfolg der Klage führt:

30

So kann nicht festgestellt werden, dass der nach dem Leistungsbescheid und dem Widerspruchsbescheid angewandte Gebührentatbestand der Tarifstelle 1.1 (in Verbindung mit Tarifstelle 7.1) der VwVKVO M-V erfüllt wurde, nach dem von der Klägerin 36 € erhoben wurden. Gemäß der Vorschrift sind für die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch einen Beamten Gebühren nach dem Zeitaufwand zu erheben, wobei je angefangene Stunde „für einen Beamten der Laufbahngruppe 1 oberhalb des zweiten Einstiegsamts“ 36 € zu erheben sind; eine Anmerkung des Gebührenverzeichnisses stellt dabei klar, dass für den genannten Zeitraum nur Personalkosten in dieser Höhe zu erheben sind und die Erhebung von Sachkosten in Höhe von 6 € unterbleibt. Unter den oben dargestellten Voraussetzungen der jeweils persönlichen Gebührenabrechnung für die Anwendung unmittelbaren Zwangs muss es sich bei dem Beamten um einen der beiden Polizeivollzugsbeamten handeln, die die Klägerin, nach einer an sie persönlich gerichteten erneuten fruchtlosen Aufforderung, die Fahrbahn zu verlassen, aus dem Bereich der Sitzblockade forttrugen. Diese haben jedoch nicht identifiziert werden können.

31

Bei den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, auch der Parallelverfahren, befindet sich jeweils ein am 19. Mai 2015 im Landesbereitschaftspolizeiamt erstellter Tätigkeitsbericht, unterfertigt von Herrn Polizeikommissar O. bzw. in einem Fall, dem der Klägerin, von Herrn Polizeimeister P.; dieser enthält neben einer allgemeinen Verlaufsschilderung die Aktenzeichen der Ordnungswidrigkeiten- und Kostenvorgänge, ferner in allen Fällen außer dem der Klägerin eine Benennung des Gesamt-Einsatzleiters, Herrn Polizeihauptkommissars Q., sowie der zehn männlichen und weiblichen Polizeivollzugsbeamten der „Besatzung“. In den später gefertigten (insgesamt 19) Ordnungswidrigkeitenanzeigen wurden durchweg als Anzeigender und teilweise auch als Zeuge Herr Polizeihauptkommissar Q. und als (ggf. weitere) Zeugen Herr Polizeioberkommissar R. und Herr Polizeikommissar O. aufgeführt; bei den Letzteren handelte es sich nach der dem Gericht am Verhandlungstag vorgelegten Kräftegliederung der eingesetzten Gruppe um deren Führer und dessen Stellvertreter. Die Ordnungswidrigkeitenanzeigen sind jeweils von Herrn Q. und einem weiteren Mitarbeiter oder einer weiteren Mitarbeiterin, der oder die sie fertigte, unterzeichnet. Eine Zuordnung der genannten Beamten zu einzelnen Wegtrage-Vorgängen ist nach diesen Unterlagen nicht möglich; es mag sein, dass die namentlich aufgeführten Beamten die Vorgänge beobachteten und federführend bei der anschließenden Personalienerfassung tätig waren, was aber vorliegend nicht weiterhilft. Dies gilt auch für den Aktenvermerk vom 1. November 2016, betreffend die Äußerungen der Polizeivollzugsbeamten bei der Versammlungsbeauflagung und -auflösung sowie deren Durchsetzung. Auf der im Verhandlungstermin eingesehenen polizeilichen Videoaufzeichnung, CD-ROM 1, Datei 00000.mts, ist ab Minute 23:00 gut erkennbar, wie ein bärtiger Polizeivollzugsbeamter und eine blonde Polizeivollzugsbeamtin mit Pferdeschwanz-Frisur die Klägerin anhoben und zu der Asphaltfläche verbrachten, nachdem der Polizeivollzugsbeamte die Klägerin angesprochen hatte. Beide Polizeivollzugsbeamten waren einheitlich marineblau uniformiert, wobei die Uniform, wie bei der großen Mehrzahl der eingesetzten Beamten, außer dem Landeswappen am linken Oberarm und der weißen Beschriftung „POLIZEI“ bzw. „POLIZEI M-V ...“ auf Brust-bzw. Rückenseite der Jacke sowie dem Polizeistern vorn und der Beschriftung „POLIZEI“ vorn und hinten auf der Kopfbedeckung keine Kennzeichen aufwies, die auf ihre Person schließen lassen könnte. Die nach einer Terminsunterbrechung von Beklagtenseite als Zeugen gestellten Polizeivollzugsbeamten der in Gerichtsnähe eingesetzten Kräfte (vielleicht) der Y. Bereitschaftspolizeihundertschaft haben die Beteiligten der auf der Videoaufzeichnung dokumentierten Einsätze im Fall der Klägerin nicht identifizieren können.

32

Die persönliche Identifikation ist bei der Anwendung des genannten Gebührentatbestands jedoch notwendig. Denn die Kostenmitteilung der Polizeiinspektion N-Stadt vom 9. August 2016 enthält zu den berechneten Gebühren, was die Maßnahme (gemäß Ankreuztext) „Unmittelbarer Zwang - ohne Gewahrsam (§ 90 SOG M-V)“ betrifft, hinsichtlich der eingesetzten Polizeivollzugsbeamten in der Spalte „Amtsbezeichnung“ nur die Angaben „1× PVB g. D.“ und „1× PVB m. D.“, was, wie auch der Beklagte bestätigt, zwanglos den historischen Laufbahngruppen des gehobenen Dienstes bzw. des mittleren Dienstes zuzuordnen ist und auch den im Termin vorgetragenen Einsatzgrundsätzen entspricht, dass jeweils ein höher- und ein niederrangiger Polizeivollzugsbeamter in einer Tragegruppe eingesetzt wurden, um in deren Verbund die Einsatzführung klarzustellen.

33

Wenn hiernach aufgrund der Kostenmitteilung als amtlicher Urkunde im Zusammenhang mit den genannten Begleitumständen festgestellt werden kann, dass, wie auch im Leistungsbescheid angegeben, der Gebührentatbestand nach der Tarifstelle 1.2 (in Verbindung mit Tarifstelle 7.1) der VwVKVO M-V erfüllt wurde, wonach eine Gebühr für den Einsatz eines Beamten der Laufbahngruppe 2 unterhalb des zweiten Einstiegsamts, die dem früheren gehobenen Dienst entspricht, zu erheben war — hierfür kamen von der eingesetzten zehnköpfigen Gruppe sechs Personen, vier männlichen und zwei weiblichen Geschlechts, mit den Diensträngen Polizeioberkommissar oder Polizeikommissar/-in in Betracht —, so genügt die Angabe in der Kostenmitteilung für die Gebührenpflicht eines Personaleinsatzes im Bereich des früheren mittleren Dienstes nicht. Dies liegt am eindeutigen Wortlaut der Gebührentarifsvorschrift in Tarifstelle 1.1. Diese trat zwar erkennbar an die Stelle der mit Erlass der VwVKVO M-V im Jahr 2012 aufgehobenen Vorschrift in § 6 Abs. 1 der Verwaltungsvollzugskostenverordnung vom 9. Oktober 2002, wonach für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten des (damaligen) mittleren Dienstes (einheitlich) eine Gebühr von 30 € erhoben wurde. Indessen waren vor Erlass der VwVKVO M-V durch das neue Landesbeamtengesetz vom 17. Dezember 2009 in dessen § 13 zwei neue Laufbahngruppen an Stelle der bisherigen vier Laufbahngruppen eingerichtet worden, und § 48 in Verbindung mit der Anlage 3 zur Allgemeinen Laufbahnverordnung vom 29. September 2010 hatte in der Fachrichtung des Polizeidienstes die bisherige Laufbahngruppe des mittleren Polizeivollzugsdienstes in die neue Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt, übergeleitet. Nach § 2 Abs. 2 der Polizeilaufbahnverordnung vom 15. Februar 2011 in Verbindung mit der Anlage hierzu beginnt die Laufbahngruppe 1 mit dem (in einer Fußnote ausdrücklich als solches hervorgehobenen) zweiten Einstiegsamt mit der Dienstbezeichnung Polizei-/Kriminalmeisterin oder Polizei-/Kriminalmeister in der Besoldungsgruppe A 7; ein erstes Einstiegsamt wie nach der Allgemeinen Laufbahnverordnung, nach der das zweite Einstiegsamt auch schon in der Besoldungsgruppe A 6 eingerichtet wurde, existiert nicht. Der Wechsel von einem niedriger besoldeten in ein höher besoldetes Amt wird durchweg als „Aufstieg“ bezeichnet, auch wenn die tabellarischen Darstellungen der Laufbahnen jeweils die Einstiegsämter oberhalb der Aufstiegsämter aufführen. Nach diesem im selben ministeriellen Geschäftsbereich in der Verordnunggebung eingeführten Sprachgebrauch kann die Vorschrift der kurz nachfolgend, ersichtlich zur Anpassung an die Umstrukturierung der Laufbahnen (und zur Erfassung der nicht beamteten Vollzugskräfte) erlassenen VwVKVO M-V nur dahingehend verstanden werden, dass in der Laufbahngruppe 1 der Einsatz von Bediensteten im zweiten Eingangsamt nicht gebührenpflichtig ist, da der gebührenpflichtige Einsatz nur von Bediensteten „oberhalb“ dieses Einstiegsamts geleistet werden kann. Ein abweichender Wille des Verordnunggebers hätte etwa durch den Gebrauch der Worte „ab“ oder „beginnend mit dem zweiten Einstiegsamt“ oder „nicht unterhalb des zweiten Einstiegsamts“ eindeutig bekundet werden können. Das Auslegungsergebnis, das bezogen auf den vorliegend zu untersuchenden, tatsächlich geregelten Gebührentarif von dessen Wortlaut in seiner historisch-systematischen Einordnung in die Umstrukturierung der Beamtenlaufbahnen vorgegeben ist, kann angesichts der rechtsstaatlichen Anforderungen an eine klar umsetzbare Formulierung von Abgabentatbeständen durch etwaige weitere historische (früherer mittlerer Dienst) und teleologische (Vermeidung von Wertungswidersprüchen bei der Personalkosten-Refinanzierung) Gesichtspunkte nicht durchgreifend in Frage gestellt werden, zumal die Gebührentarife nur grob schematisch an die beamtenrechtlichen Besoldungsgruppen anknüpfen.

34

Da nicht festgestellt werden kann, dass die der Laufbahngruppe 1 angehörende Polizeivollzugskraft, die an dem Einsatz gegen die Klägerin beteiligt war, nicht in deren zweitem Eingangsamt beschäftigt war — hierfür kamen eine Polizeimeisterin und ein oder zwei Polizeimeister in Betracht —, kann die Erfüllung des Gebührentatbestands nicht festgestellt werden und hat der Beklagte die sich ergebenden Folgen in Gestalt der Teilaufhebung des Leistungsbescheids zu tragen. Denn für die Kammer sind im Ergebnis der mündlichen Verhandlung weitere Ermittlungsansätze nicht erkennbar; insbesondere drängt sich nicht auf, von Amts wegen zu ermitteln, ob etwa die namentlich benannten Polizeivollzugskräfte in der Lage wären, auch gegenwärtig noch nach ihrer Erinnerung oder aber in Konfrontation mit dem Videomaterial die tragenden Beamten bzw. Beamtinnen zu identifizieren. Der Beklagte hat auf den Anruf des Berichterstatters am 26. Februar 2018 hin, in dem auf die Notwendigkeit der Identifizierung der beteiligten Beamten im Hinblick auf die Einhaltung des Gebührentarifs hingewiesen worden ist, lediglich das Telefax vom 28. Februar 2018 mit allgemeinen Darstellungen und dem Hinweis auf eine beigefügte sowie die sich aus den Tätigkeitsberichten ergebende Aufstellung der eingesetzten Beamten beigesteuert.

35

Es ist ferner nicht erkennbar, dass die der Klägerin berechnete Gebühr gemäß Tarifstelle 7.4 in Verbindung mit Tarifstelle 1.1 in Höhe von 42 € angefallen wäre. Hiermit soll nach dem Gebührentarif die „Vor- und Nachbereitung des unmittelbaren Zwangs“ vergütet werden, und zwar wiederum nach einem angefangene Stunden berechnenden Zeittarif, der diesmal auch Sachkosten umfasst. Nach der Berechnung wurde ein Beamter oder eine Beamtin der Laufbahngruppe 1 eingesetzt — was nach Vorstehendem nicht zur Gewissheit über die Gebührenpflichtigkeit des Einsatzes führt. Dem Kostenblatt ist nur die Formularvorgabe „Verwaltungsaufwand gemäß“ mit der angekreuzten Tarifstellenangabe „7.4“ zu entnehmen. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, der Kammer zu vermitteln, dass im Zusammenhang mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen die Klägerin eine gebührenpflichtige Maßnahme vollzogen wurde, die unter die Vorschrift subsumiert werden könnte; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die eben erwähnte Telefax-Nachricht vom 28. Februar 2018 nimmt Bezug auf einen beigefügten Vermerk vom 4. Juni 2012, wonach der Aufwand nach der Tarifstelle 7.4 „die Ausfertigung von Tätigkeitsberichten und Formblättern, Kostenvermerken und -mitteilungen und die Geltendmachung der Kosten mittels Bescheid sowie ggf. erforderliche Reinigungsleistungen von Kleidung, Fahrzeugen etc., soweit sie das gewöhnliche Maß nicht übersteigen“, erfassen und hierfür nach der Tarifstelle 1.1 ein „Mindestsatz“ von 42 € berechnet werden soll. Dem kann die Kammer nicht folgen. Die Erforderlichkeit von Reinigungsleistungen ist im Streitfall nicht ersichtlich. Dass für den Fall der Anwendung unmittelbaren Zwangs die VwVKVO M-V — wie nach dem Vermerk auch für die Ersatzvornahme, Tarifstelle 5.3, und bei der unmittelbaren Ausführung, Tarifstelle 5.3 in Verbindung mit 6 — eine „Kostenpflichtigkeit der Kostenerhebung“ vorsehen soll, ist, gerade auch im Abgleich mit den Tarifstellen 2, 3, 4 und 9 sowie angesichts der „grob getakteten“ Zeitgebühr für die Amtshandlung selbst, zu verneinen. Dies gilt auch für das polizeiinterne Berichtswesen und die Vorbereitung einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ahndung; wie in allen sonstigen Zusammenhängen der polizeilichen Einsatztätigkeit haben solche Tätigkeiten kostenfrei zu erfolgen. Die Kammer kann sich vorstellen, dass bei psychischen oder körperlichen Verletzungen des zur Ausübung unmittelbaren Zwangs in gewaltgeprägten Situationen eingesetzten Personals oder bei umfangreicheren Verschmutzungen oder Beschädigungen der eingesetzten Sachmittel der eigentlichen Amtshandlung nachfolgende Tätigkeiten bei der psychologischen oder medizinischen Behandlung, bei Reparaturen oder Reinigungen und bei deren Organisation nach dem Tarif zu vergüten sein mögen, ebenso wie vorbereitende Einsatzplanungen und -besprechungen vor komplexeren oder gefährlicheren Einsätzen, gar von Kräften aus verschiedenen Polizeiverbänden. Dergleichen ist jedoch bei der streitgegenständlichen, routiniert-friedlichen Anwendung unmittelbaren Zwangs in Gestalt des Wegtragens zur Durchsetzung der Verlassenspflicht nach Auflösung einer kleinen Versammlung durch die hierzu „spontan“ eingesetzte Gruppe des 3. Einsatzzugs der X. Bereitschaftspolizeihundertschaft nicht entfernt erkennbar.

36

In einem weiteren Punkt hat die Klage einen Teilerfolg, was nämlich die Berechnung von Kosten im Widerspruchsverfahren betrifft. Die Kostenfestsetzung in Tenorpunkt 3. des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2017 in Höhe von 69,65 €, die gemäß § 22 Abs. 1, 2. Halbsatz, VwKostG M-V ebenfalls Gegenstand des von der belasteten Widerspruchsführerin betriebenen vorliegenden Klageverfahrens ist (vgl. etwa den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 14. Oktober 1997 – 1 A 482/96 –, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1998, S. 29), ist weit überwiegend rechtswidrig. Denn sie berücksichtigte nicht, dass bei der Gebührenerhebung für die Zurückweisung des Widerspruchs § 15 Abs. 3 VwKostG M-V, auf dessen erste beide Sätze der Beklagte seine Festsetzung stützte, mit der Maßgabe nach § 15 Abs. 4 VwKostG M-V anzuwenden war.

37

Im Sinne der letztgenannten Vorschrift richtete sich nämlich der klägerische Widerspruch in einer kostenpflichtigen Angelegenheit (der Anwendung unmittelbaren Zwangs) ausschließlich gegen die Kostenentscheidung (den Leistungsbescheid vom 12. August 2016). Die gebührenpflichtige Amtshandlung der Anwendung unmittelbaren Zwangs war als sog. Realakt der Anfechtung im Widerspruchsverfahren überhaupt nicht zugänglich und zudem mit ihrem Vollzug erledigt. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der hierzu ergangenen Kostenentscheidung auf einen Rechtsbehelf hin erfolgt zwar auch, wie ebenfalls im vorliegenden Urteil oben geschehen, eine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung. Dies ändert nichts daran, dass Gegenstand des Widerspruchs allein der die Klägerin beschwerende Verwaltungsakt, der die Kostenentscheidung darstellte, war; Weiteres hätte nicht auf den Widerspruch hin zwecks Beseitigung der klägerischen Beschwer im Wege der Abhilfe „aufgehoben“ werden können. Die Kammer folgt, indem sie die mit dem Rechtsbehelf angegriffene Beschwer im verfahrensrechtlichen Sinne für die Anwendung von § 15 Abs. 4 VwKostG M-V für maßgeblich hält, nicht den vielleicht einen weiteren Gegenstand des Rechtsbehelfs im kostenrechtlichen Sinne nahelegenden Auffassungen, wie sie das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein in seinem Beschluss vom 3. April 2017 – LVerfG 2/16 – (Schleswig-Holsteinische Anzeigen 2017, S. 221 ff., zit. nach juris, dort Rdnr. 44 ff.) angeführt hat.

38

Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 VwKostG M-V sind von dem Widerspruchsführer für den Erlass des Widerspruchsbescheids im Umfang der Zurückweisung Verwaltungsgebühren und Auslagen zu erheben, wenn — wie vorliegend — wegen der Vornahme einer kostenpflichtigen Amtshandlung Widerspruch erhoben wurde und der Widerspruch zurückgewiesen wurde. Nach der Spezialvorschrift in § 15 Abs. 4 Satz 1 VwKostG M-V gilt dies zwar auch, wenn — wie nach Vorstehendem gleichfalls vorliegend — der Widerspruch sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung richtete; die Vorschrift ordnet jedoch die „Maßgabe“ an, dass die Verwaltungsgebühr für den Widerspruchsbescheid (nur) bis zu einem Zehntel „des angefochtenen Betrags“, mindestens aber 2,50 € beträgt. Bei dieser Regelung handelt es sich (ebenso wie bei § 15 Abs. 3 Satz 2 VwKostG M-V) um die Festlegung eines Rahmensatzes im Sinne von § 4 Var. 4 VwKostG M-V für die Gebührenerhebung.

39

In solchen Fällen hat gemäß § 9 Abs. 1 VwKostG M-V nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der in den Nummern 1 und 2 aufgeführten Gesichtspunkte die Bestimmung der Gebührenhöhe im Einzelfall zu erfolgen. Daran fehlt es im Streitfall, weshalb die Gebührenerhebung weitgehend rechtswidrig und aufzuheben ist. Denn eine ermessensfehlerfreie Gebührenfestsetzung ist von vornherein nicht möglich, wenn die Behörde einen fehlerhaften Gebührenrahmen zugrunde legt, da dieser den Ermessensspielraum maßgeblich prägt (s. den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 2018 – 3 L 15/17 –, juris Rdnr. 7 f. m. w. Nachw.). So geschah es vorliegend ausweislich des Normzitats und der festgesetzten Gebühr von 65 €, die den Gebührenrahmen von 2,50 € bis 12,40 € (letzteres ist ein Zehntel der im Leistungsbescheid erhobenen 124 €) ersichtlich nicht einhielt, sondern offenbar von dem Gebührenrahmen des § 15 Abs. 3 Satz 2 VwKostG M-V ausging, der bis zur (vollen) Gebühr „für die angefochtene Amtshandlung“ offensteht. Auch nachdem dieser Fehler im Verhandlungstermin aufgezeigt wurde, erfolgte von Beklagtenseite keine erkennbare berichtigende Ergänzung der Ermessensbetätigung im Sinne von § 9 VwKostG M-V. Da diese trotz der im Vergleich zum Verwaltungsaufwand verhältnismäßig geringen Gebührenhöhe nicht nach Grundsätzen des intendierten Ermessens angenommen werden kann (wie es in solchen Fällen der Praxis des Berichterstatters entsprach, vgl. etwa das Urteil vom 14. September 2016 – 7 A 31/16 SN –, juris Rdnr. 30) und es auch die Ordnungsfunktion einer Rahmengebühr verfehlen würde, wenn die Obergrenze eines Gebührenrahmens schlicht als Kappungsgrenze angesehen würde (vgl. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 – OVG 12 B 11.16 –, juris Rdnr. 17), sieht sich die Kammer vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, eine höhere Gebühr als den unteren Rahmenbetrag von 2,50 €, der im Sinne einer Mindestgebühr zwingend zu erheben war, als rechtmäßig erhoben anzusehen.

40

(Auch) im Übrigen erfolgte die Kostenerhebung rechtmäßig, so dass die Klage insoweit abzuweisen ist. Hiernach durften und mussten von der Klägerin für den bis zu einstündigen Einsatz eines Polizeivollzugsbeamten im Sinne der Tarifstelle 1.2 in Verbindung mit Tarifstelle 7.1 der VwVKVO M-V nach deren § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 2 Gebühren in Höhe von 46 €, für die Zurückweisung des Widerspruchs, wie gesagt, weitere Gebühren in Höhe von 2,50 € nach § 15 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 VwKostG M-V und für die Zustellung des Widerspruchsbescheids nach § 15 Abs. 3 Satz 1 VwKostG M-V an Auslagen 4,65 € erhoben werden, zusammen 53,15 €. Insbesondere ist nämlich nicht ersichtlich, dass der Beklagte hätte von der Kostenerhebung insgesamt absehen müssen, etwa aufgrund einer Reduktion seines durch § 1 Abs. 3 VwVKVO M-V eröffneten Ermessens auf einen Kostenerlass aus Billigkeitsgründen. Hierfür sind schon angesichts der Geringfügigkeit der Beträge keine Anhaltspunkte erkennbar. Auch der Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der polizeilichen Kostenerhebung kann hierfür nicht angeführt werden, wenn auch, soweit ersichtlich, im Lande derartige Kostenerhebungen für Einsätze im Anschluss an ein Versammlungsgeschehen erstmals vor Gericht zu beurteilen gewesen sind; denn es ist nicht erkennbar, dass die Polizeiverwaltung sonst in gleich gelagerten Fällen von einer Gebührenerhebung trotz einer Möglichkeit hierzu grundsätzlich absähe, sondern es dürfte häufig aus praktischen Gründen des Einsatzgeschehens oder der fehlenden Dokumentation der Verwirklichung der Gebührentatbestände an einem Vollzug der VwVKVO M-V fehlen.

41

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und setzt bezogen auf eine Kostenerhebung von insgesamt 193,65 € die Anteile des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten zueinander in ein ungefähres Verhältnis.

42

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

43

Beschluss

44

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 39 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes aufbis zu 500 Euro festgesetzt.

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(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Streitwert richten, beträgt bei einem Streitwert bis 500 Euro die Gebühr 38 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem Streitwert bis … Eurofür jeden angefangenen Betrag von weiteren … Euroum … Euro 2 0005002010 0001 0

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. Sept. 2016 - 7 A 31/16 SN

bei uns veröffentlicht am 14.09.2016

Tenor Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 18. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 wird aufgehoben, soweit im Leistungsbescheid ein Betrag von mehr als 190,70 Euro erhoben und im Widerspruchsbescheid eine Wid

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 03. Sept. 2015 - 4 LB 13/14

bei uns veröffentlicht am 03.09.2015

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin - vom 17. Dezember 2013 geändert: Der Bescheid vom 8. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2012 wird aufgehoben, so

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 21. Juli 2015 - 5 K 5066/14

bei uns veröffentlicht am 21.07.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger wendet sich gegen Polizeikosten in Höhe von 180,00 EUR sowie gegen eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR. 2 Am 12./13.12.2013 fand

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin - vom 17. Dezember 2013 geändert:

Der Bescheid vom 8. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2012 wird aufgehoben, soweit der Kläger zu einer Kostenerstattung über den Betrag von 365,74 Euro hinaus herangezogen worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten eines Einsatzes der Bundespolizei.

2

Am 16. Dezember 2010 wurde ein „Castor-Transport“ von Cardarache (Frankreich) per Bahn nach Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) durchgeführt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte Unterstützungskräfte der Polizei aus verschiedenen Ländern, u.a. aus Nordrhein-Westfalen, angefordert. Auch Einheiten der Bundespolizei waren im Einsatz. Gegen 13:00 Uhr stellten Beamte der Bundespolizei südlich von Friedrichshagen (zwischen Greifswald und Lubmin) acht Personen im Gleisbereich fest. Es handelte sich dabei um Aktivisten der Organisation Robin Wood. Zwei von ihnen, der Kläger sowie die Klägerin des Verfahrens 4 LB 14/14, lagen auf den Gleisen und waren daran festgekettet. Der Transportzug wurde deshalb um 13:46 Uhr zum Nothalt gebracht. Um 13:50 Uhr erging durch einen Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen der Einsatzgruppe Jupiter 11/10 eine erste Auflösungsverfügung inklusive Rechtsbehelfsbelehrung an die Versammlung mit der Aufforderung, sich aus dem Gleisbereich zu entfernen. Eine zweite Auflösungsverfügung und Aufforderung sich zu entfernen, erfolgte um 13:52 Uhr. Diese wurde ein letztes Mal um 13:54 Uhr wiederholt. Vier der Versammlungsteilnehmer verließen den Gleiskörper. Zwei verblieben beim Kläger und bei der Klägerin des Verfahrens 4 LB 14/14. Auf polizeiliche Nachfrage gab der Kläger an, sich nicht eigenständig lösen und keine Aussagen über die Art der Ankettung machen zu können. Erst nachdem der Kläger und die Klägerin des Verfahrens 4 LB 14/14 durch Kräfte der Bundespolizei aus der Verankerung befreit worden waren und nach Instandsetzung der Gleise konnte der Zug um 21:15 Uhr weiterfahren.

3

Mit Leistungsbescheid vom 8. Februar 2011 machte die Beklagte gegenüber dem Kläger als Gesamtschuldner mit der Klägerin des Verfahrens 4 LB 14/14 Kosten für die Befreiung aus der Ankettung im Gleisbett anlässlich des Castor-Transports am 16. Dezember 2010 in Höhe von 8.429,06 Euro gemäß § 19 Abs. 2 Bundespolizeigesetz (BPolG) geltend. Diese Kosten unterteilten sich in Personalkosten in Höhe von 7.880,16 Euro, Gerätekosten in Höhe von 183,16 Euro und Verbrauchsmaterial in Höhe von 365,74 Euro. Im Rahmen der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass beide Personen die Maßnahmen der Bundespolizei zielgerichtet herbeigeführt hätten, um hohe Kosten des Staates bei der gefahrenabwehrenden Begleitung des Castor-Transportes entstehen zu lassen.

4

Dagegen legte der Kläger am 7. März 2011 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Kostenbescheides nicht vorlägen, weil die Versammlung mangels Zuständigkeit der Beamten der Landespolizei Nordrhein-Westfalen  nicht ordnungsgemäß aufgelöst worden sei. Außerdem sei die Heranziehung zu den Kosten ermessenfehlerhaft, weil die Protestaktion einen Beitrag zum Gemeinwohl darstelle; schließlich seien es Aktionen wie die vorliegende gewesen, die den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie vorbereitet hätten.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012, zugestellt am 13. November 2012, wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die Voraussetzungen der Auflösung einer Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersammlG vorgelegen hätten, weil eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vom Kläger und dessen Begleiterin durch die Nichteinhaltung von Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) herbeigeführt worden sei. Die Versammlung sei auch durch die zuständige Behörde aufgelöst worden, weil die Landespolizei im institutionellen Sinne zuständig sei. Die Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen hätten für das Land Mecklenburg-Vorpommern gehandelt. Die Geltendmachung der Kosten für die Lösung der Ankettung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Umstände, die ein Absehen von der Inanspruchnahme rechtfertigten, seien nicht gegeben. Die Aktion der Ankettung im Gleisbett habe dem Aufhalten eines behördlich genehmigten und damit rechtmäßigen Nuklear-Transports gedient. Die Missachtung der Vorschriften der EBO sei vorsätzlich geschehen. Dem Kläger sei die Möglichkeit der Ratenzahlung oder Stundung der Forderung bei Nachweis der finanziellen Verhältnisse eingeräumt worden.

6

Am 13. Dezember 2012 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er angeführt, § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG rechtfertige allenfalls die Erhebung der Kosten für Verbrauchsmaterial in Höhe von 365,74 Euro. Die übrigen Kosten seien nicht durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstanden. Es könnten nur solche Mehrkosten verlangt werden, die bei „normalem Dienstbetrieb“ nicht ohnehin angefallen wären.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2012 aufzuheben.

9

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat ihre in den Bescheiden geäußerte Rechtsauffassung verteidigt. Darüber hinaus hat sie geltend gemacht, auch die Personalkosten für das zur Befreiung eingesetzte Personal dürften vom Kläger verlangt werden, weil diese Kosten nicht in entstanden wären, wenn die Störaktion nicht stattgefunden hätte. Das Personal wäre entsprechend früher aus dem Einsatz entlassen worden.

12

Mit Urteil der Einzelrichterin vom 17. Dezember 2013 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Bescheide vom 8. Februar 2011 und 8. November 2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zugrundeliegende Maßnahme zur Gefahrenabwehr durch die Bundespolizei sei zulässig gewesen; denn die Versammlung sei vor Befreiung des Klägers durch Polizeikräfte des Landes Nordrhein-Westfalen  wirksam aufgelöst worden. Die Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen  seien vom Land Mecklenburg-Vorpommern anlässlich des Castor-Transportes angefordert worden, weshalb sie gemäß § 9 Abs. 1 SOG-MV die gleichen Befugnisse wie Landesbedienstete hätten. Selbst wenn die Auflösung rechtswidrig gewesen sein sollte, wäre der Kläger an die Anordnung gebunden gewesen und hätte der Aufforderung, sich von der aufgelösten Versammlung zu entfernen, nachkommen müssen. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Versammlungsauflösung lägen nicht vor.

13

§19 Abs. 2 Satz 1 BPolG stelle jedoch keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass der streitgegenständlichen Bescheide dar. Es liege schon keine unmittelbare Ausführung einer Maßnahme im Sinne der Vorschrift, sondern eine Ersatzvornahme vor, weil der Kläger als Adressat der Verfügung „Entfernung von den Gleisen“ erreichbar gewesen sei. Entscheidend sei aber, dass die in § 19 Abs. 2 BPolG getroffene pauschale Regelung der „Verpflichtung zum Ersatz von Kosten“ keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung von entstandenen Kosten sei. Der Erlass eines Gebührenbescheides setze eine gesetzliche Rechtsgrundlage für den Erlass einer Kostenordnung in dem jeweiligen Fachgesetz voraus. Die Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes des Bundes enthielten nur allgemeine Regeln über die Erhebung von Kosten; es fehle an einer Regelung von Gebührentatbeständen, unter die die in Rechnung zu stellenden Maßnahmen zu subsumieren seien.

14

Auf den Zulassungsantrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 24. März 2014 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

15

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht auf die Legaldefinition des Begriffs „Kosten“ in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungskostengesetzes - (seit dem 1. August 2013 ersetzt durch das Bundesgebührengesetz) - zurückgegriffen und verlangt, es bedürfe einer - hier fehlenden - gesetzlichen Grundlage im jeweiligen Fachgesetz zum Erlass einer Kostenordnung. Vielmehr spreche der Umstand, dass das BPolG keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Gebührenordnung enthalte, dagegen, zur Definition des Kostenbegriffs des § 19 Abs. 2 BPolG auf das Verwaltungskostengesetz zurückzugreifen. Der Bundesgesetzgeber habe bei der Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes die Gebühren und Auslagen der Bundespolizei vom Anwendungsbereich des Bundesgebührengesetzes ausgenommen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 Bundesgebührengesetz). Dies trage den besonderen Bindungen des Gesetzgebers in Bezug auf die staatliche Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr Rechnung. Es sei deshalb - unabhängig von den Vorgaben des Bundesgebührengesetzes - in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang individuell zurechenbare öffentliche Sicherheitsleistungen durch die von der Allgemeinheit zu tragenden Steuern zu finanzieren oder durch Gebühren und Auslagen zu refinanzieren seien. Deshalb dürfe bei Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang „Kosten", die nach §19 Abs. 2 Satz 1 BPolG gegen Personen geltend gemacht werden könnten, nicht allein auf die Möglichkeit der Gebührenerhebung abgestellt werden. Vielmehr sei auch eine andere Variante der Störerhaftung in Gestalt der Abwälzung von der Polizei entstandenen Selbstkosten einer gefahrabwehrenden Maßnahme in Erwägung zu ziehen. § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG ermögliche, die Kosten für eine unmittelbare Ausführung zugunsten des Gefahrenverantwortlichen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu berechnen und vom Verantwortlichen in Höhe der Selbstkosten zu verlangen. Unter Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne verstehe man den Wert verbrauchter Güter und in Anspruch genommener Dienstleistungen zur Erstellung von Leistungen; das Kostendeckungsprinzip sei zu beachten. Auch im Falle einer Selbstkostenberechnung der tätig gewordenen Behörde - wie hier - sei „Tendenz und Ausmaß" der Kostenerhebung bestimmt, sodass der mögliche Inhalt eines Kostenbescheides entgegen dem erstinstanzlichen Urteil voraussehbar sei.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3 A 269/12 – vom 17. Dezember 2013 abzuweisen.

18

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er ist der Auffassung, gemäß dem Urteil des Senats vom 5. März 2015 - 4 LB 10/14 - scheide § 19 Abs. 2 BPolG als Grundlage für die Geltendmachung von allgemein kalkulierten Personalkosten und Gerätekosten von vornherein aus. Bei der hier in Rede stehenden polizeilichen Maßnahme habe es sich um polizeiliche Aufgabenerfüllung im Sinne des BPolG gehandelt, sodass die Beklagte nicht argumentieren könne, er - der Kläger - habe die Bundespolizei von ihrer „eigentlichen Aufgabe“ abgehalten. Entgegen dem Wortlaut von § 19 Abs. 2 BPolG versuche die Beklagte das, was sie den begünstigten Verkehrsunternehmen (DB Netz-AG, Nuclear Cargo-Service GmbH) als auszugleichenden Aufwand für die Castor-Transporte nicht einmal anteilig berechne, als „Kosten“ anteilig gegenüber ihm - dem Kläger - geltend zu machen. § 19 Abs. 2 BPolG scheide zudem als Rechtsgrundlage der Forderung aus, weil das Freimachen der Bahnstrecke keine „unmittelbare Ausführung“, sondern eine Ersatzvornahme darstelle. Unzutreffend seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die sich auf die Auflösung der Versammlung bezögen. Voraussetzung einer Kostentragungspflicht sei die Rechtmäßigkeit einer Versammlungsauflösung, nicht deren Vollstreckbarkeit. Die versammlungsrechtlichen Befugnisse seien nicht wirksam auf die Polizeieinheit „Jupiter A-Stadt“ übertragen worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage nur insoweit zu Recht stattgegeben, als ein über 365,74 Euro hinausgehender Betrag vom Kläger als Kosten der unmittelbaren Ausführung verlangt wird. Der angefochtene Leistungsbescheid vom 8. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2012 ist rechtmäßig, soweit gegenüber dem Kläger Kosten in Höhe von 365,74 Euro für Verbrauchsmaterial geltend gemacht werden; im Übrigen ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

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Der Kläger ist im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung zur Erstattung der für seine Befreiung von den Bahnschienen am 16. Dezember 2010 anlässlich eines Castor- Transports auf der Gleisstrecke Greifswald-Lubmin entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 8.429,06 Euro herangezogen worden. Ein solcher Leistungsbescheid bedarf der gesetzlichen Grundlage. Die Beklagte hat den Bescheid auf § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG gestützt. Eine andere Rechtsgrundlage ist für den Senat auch nicht ersichtlich. Nach § 19 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 17 oder 18 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Entstehen der Bundespolizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die nach den §§17 oder 18 Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet. Mehrere Verantwortliche haften als Gesamtschuldner (§ 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 BPolG).

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Voraussetzung für eine rechtmäßige Heranziehung zu Kosten einer unmittelbaren Ausführung ist zunächst ein zugrundeliegendes rechtmäßiges Verwaltungshandeln (vgl. Urteil des Senats vom 5. März 2015 - 4 LB 10/14 -, zitiert nach Juris Rn. 27). Hier hat die Bundespolizei rechtmäßig gehandelt. Ihre Zuständigkeit für die Befreiung des Klägers aus der Ankettung von den Gleisen war gegeben. Der Bundespolizei obliegen u.a. die Aufgaben, die ihr durch das Bundespolizeigesetz übertragen werden (§ 1 Abs. 2 BPolG). Gemäß § 3 Abs. 1 BPolG hat die Bundespolizei die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die

26
1. den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder
27
2. beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen.
28

Als Beamte der Bundespolizei den Kläger von den Bahngleisen befreit haben, sind die Beamten begrenzt auf das Gebiet der Bahnanlagen tätig geworden. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EBO sind Bahnanlagen alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind. Dazu zählen die Gleise, auf denen der Castor-Transport befördert werden sollte.

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Die Bundespolizei handelte auch zur Gefahrenabwehr; denn es lag eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BPolG vor. Darunter fallen Gefahren, die durch den Betrieb der Bahn entstehen und innerhalb oder außerhalb des Betriebes als Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung anzusehen sind; erfasst sind darüber hinaus alle sonstigen Gefahren, die von den Bahnanlagen ausgehen (vgl. Martens in Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 3 Rn. 31 mit Beispielsfällen). Aufgrund der festen Verbindung des Klägers mit den Gleisen stellte dieser eine von den Bahnanlagen ausgehende Gefahr dar; denn zum einen wurde seinetwegen der genehmigte Castor-Transport verzögert und zum anderen drohte dem Kläger selbst eine Gesundheitsbeeinträchtigung, wenn er auf den Gleisen hätte verbleiben müssen.

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Die Bundespolizei ist auf Grundlage der Generalklausel des § 14 BPolG im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr tätig geworden. Das Versammlungsgesetz war nicht mehr anwendbar; denn die Sperrwirkung endet nicht nur im Vorfeld einer Versammlung sondern auch nach deren Auflösung, so dass dann die Regelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts anstelle des Versammlungsgesetzes einschlägig sind (vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 5. Aufl. 2008, §20 Rn. 14).

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Zwar stellte die Aktion der acht Robin Wood Aktivisten eine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG dar (vgl. zum insoweit vergleichbaren Fall: Urteil des Senats vom 14. Februar 2006 - 4 LB 10/05 - zitiert nach Juris Rn. 38 - 47). Die Versammlung wurde aber - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt - durch mündliche Verfügung von Polizeikräften des Landes Nordrhein-Westfalen (Jupiter 11/10) aufgelöst, bevor die Bundespolizei tätig geworden ist. Die Auflösung war auch wirksam. Gemäß § 15 Abs. 1, Abs. 3 VersammlG kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel u.a. auflösen, wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind. Nach § 15 Abs. 1 VersammlG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hier lagen die Voraussetzungen für eine Versammlungsauflösung vor, weil schon aus vorstehenden Gründen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die auf den Schienen festgeketteten Personen zu bejahen ist. Mit dem unbefugten Aufenthalt auf den Gleisen haben die Aktivisten darüber hinaus gegen die EBO verstoßen und eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 64b Abs. 2 Nr. 2 EBO verwirklicht.

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Ob mit Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen die zuständige Behörde gehandelt hat, ist fraglich. In Mecklenburg-Vorpommern ist für Entscheidungen nach § 15 Abs. 3 VersammlG gemäß § 2 und § 3 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz vom 21. Juli 1994 (GVOBl. M-V S. 804) die Kreisordnungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Versammlung stattfindet, sachlich und örtlich zuständig (vgl. dazu auch Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl. 2011, § 15 Rn. 219 a.E.). Den Verwaltungsvorgängen lässt sich nicht entnehmen, dass Mitarbeiter der Kreisordnungsbehörde anwesend waren. Für den Senat ist nicht ersichtlich, ob in Mecklenburg-Vorpommern eine Regelung existiert, wonach in unaufschiebbaren Fällen die Polizei nach Versammlungsrecht sachlich zuständig ist, an Stelle der zuständigen Behörde Maßnahmen zu treffen (so in Schleswig-Holstein gemäß § 27 Abs. 5 Versammlungsfreiheitsgesetz vom 18. Juni 2015, GVOBl. S-H S. 135). Eine Zuständigkeit der Polizei ergibt sich aufgrund der sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts und der Existenz spezialgesetzlicher versammlungsrechtlicher Zuständigkeitsregelungen wohl nicht aus § 7 Abs. 1 Nr. 3 SOG-MV, wonach die Polizei im Einzelfall zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung selbstständig diejenigen Maßnahmen zu treffen hat, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für unaufschiebbar hält. Auf die weitergehende Frage, ob Polizeikräfte aus Nordrhein-Westfalen gemäß § 9 Abs. 2 SOG-MV die gleichen Befugnisse wie Polizeibeamte des Landes Mecklenburg-Vorpommern haben, kommt es danach nicht an.

33

Die Frage der Zuständigkeit der Polizei kann aber dahinstehen, weil auch bei deren Unzuständigkeit die Auflösung wirksam gewesen ist; denn die Versammlungsauflösung durch die Polizei als unzuständige Behörde ist nicht nichtig. Gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG MV ist ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam. Nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG MV ist jedoch ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer - in hier nicht einschlägigen - Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Rechtsverhältnis beziehen. Dementsprechend kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften u.a. über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist (§ 46 VwVfG MV). Die Verletzung der sachlichen Zuständigkeit einer Behörde führt nur dann zur Nichtigkeit, wenn die mit dem Verwaltungsakt geregelte Angelegenheit unter keinem sachlichen Gesichtspunkt Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde hat und dies auch offenkundig ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 44 Rn. 15). Hier ist jedoch ein Bezug zum sachlichen Aufgabenbereich der zuständigen Behörde zu bejahen, weil die Polizei - ebenso wie die Kreisordnungsbehörde - im Bereich der Gefahrenabwehr tätig ist.

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Die wirksame Auflösung der Versammlung begründete für den Kläger gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG die Pflicht, sich zu entfernen. Diese Pflicht gilt unabhängig davon, ob die Auflösung rechtmäßig war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 1992 - 1 BvR 88/91 -, 1 BvR 51 BvR 576/91 -, zitiert nach Juris Rn. 53). Für den Fall, dass sich Versammlungsteilnehmer dann einer polizeilichen Anordnung wiedersetzen, wäre sogar der Einsatz staatlicher Zwangsmittel (Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) grundsätzlich zulässig (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die verwaltungsrechtliche Durchsetzung der Auflösungsverfügung ist insoweit von der Ahndung der Widersetzlichkeit nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zu unterscheiden. Der Grund dafür, dass es bei einer Auflösungsverfügung nicht auf deren Rechtmäßigkeit ankommt, liegt in der Situationsgebundenheit der Entscheidung, deren Vollzug nicht bis zur verbindlichen oder auch nur vorläufigen Klärung der Rechtsfrage aufgeschoben werden kann. Anderes gilt nur bei der Anordnung einer Sanktion für die Nichtbefolgung; denn eine Ahndung erfolgt immer erst nach dem Ereignis und erlaubt daher eine verbindliche Klärung der Rechtmäßigkeit (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 1992, a.a.O., Juris Rn. 54). Aus der vollstreckbaren Verpflichtung sich zu entfernen folgt mithin, dass die Kosten für die verwaltungsrechtliche Durchsetzung grundsätzlich erhoben werden können. Dabei handelt es sich nicht um eine Sanktion im Sinne des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts.

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Der Kläger ist dem Grunde nach gemäß § 19 Abs. 2 BPolG zum Ersatz der Kosten verpflichtet; denn die Voraussetzungen des § 14 BPolG haben vorgelegen und die Bundespolizei hat auch ermessenfehlerfrei gehandelt, als sie den Kläger von den Gleisen befreit hat. Gemäß § 14 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt. Gefahr ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 obliegen. Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren (§ 14 Abs. 1 BPolG). Im vorliegenden Falle durfte die Bundespolizei zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der Maßnahme vom Vorliegen einer erheblichen Gefahr ausgehen. Eine erhebliche Gefahr im Sinne des Abschnitts 2 des Bundespolizeigesetzes ist eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentliche Vermögenswerte oder andere strafrechtlich geschützte Güter von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit (§ 14 Abs. 2 BPolG). Hier war zum einen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit des Klägers gegeben. Dieser gab auch auf wiederholtes Befragen an, sich nicht selbst aus der Fesselung an die Gleise befreien zu können. Aufgrund seiner Unbeweglichkeit war seine Gesundheit, möglicherweise sogar sein Leben gefährdet. Darüber hinaus verwirklichte der Kläger mit seiner Blockadeaktion schon dadurch Ordnungswidrigkeitentatbestände nach der EBO, dass er die Gleise betreten hatte. Da das Vorliegen einer Gefahr zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der Maßnahme beurteilt werden muss, kommt es nicht darauf an, dass die Unerlässlichkeit einer Maßnahme sich später - vielleicht nach eingehender Beweisaufnahme - nicht als unerlässlich beurteilt. Es genügt vielmehr, dass bei objektiver Betrachtung in diesem Zeitpunkt eine Sachlage gegeben war, die die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr rechtfertigte, auch wenn sich dies im Nachhinein nicht bestätigt (vgl. Urteil des Senats vom 5. März 2015, a.a.O., Juris Rn. 29 unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Februar 1974 -1 C 31.72 -, DÖV 1974, 637).

36

Die Beklagte durfte auch im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 19 Abs. 1 BPolG tätig werden, weil durch die Inanspruchnahme des Klägers, der als Verursacher der Gefahr verantwortlich im Sinne von § 17 Abs. 1 BPolG ist, der Zweck der Maßnahme - die Befreiung von den Gleisen - nicht erreicht werden konnte. Nach der auch für den Verursacherbegriff in § 17 Abs. 1 BPolG anzuwendenden Theorie der unmittelbaren Verursachung ist ein Verhalten dann ursächlich, wenn es für sich gesehen die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschreitet und dadurch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts begründet oder erhöht (vgl. Urteil des Senats vom 5. März 2015, a.a.O., Juris Rn. 30 m.w.N.). Der Kläger hatte die polizeirelevante Gefahrenschwelle bereits in dem Moment überschritten, als er sich durch das Festketten an den Bahnschienen wissentlich der Möglichkeit begeben hatte, die Verankerung wieder selbstständig zu lösen.

37

Die Bundespolizei hat auch im Wege der unmittelbaren Ausführung im Sinne von § 19 Abs. 1 und 2 BPolG gehandelt und nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - im Wege der Ersatzvornahme. Die unmittelbare Ausführung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet nicht die Beseitigung einer Störung oder Gefahr im Wege der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwangs, sondern die Ausführung einer Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten durch Realakt in den Fällen, in denen der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der Verantwortlichen (der Störer) nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Es handelt sich um eine Gefahrenabwehr mit eigenen Mitteln der Polizeibehörde durch Realakt (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 25 S. 441 f.). Zur Abgrenzung des Instituts der Ersatzvornahme im Wege des sofortigen Vollzugs - vgl. §§ 6, 19 VwVG - von der unmittelbaren Ausführung ist darauf abzustellen, dass Verwaltungszwang (Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang) die Überwindung eines entgegenstehenden Willens des Verpflichteten voraussetzt; ein solcher Wille muss wenigstens nach den Umständen vermutet werden können (so auch Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, D Rn. 157). Richtet sich die Maßnahme gegen Abwesende, muss auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen geschlossen werden. Insoweit muss geprüft werden, ob dieser sich gegen die Maßnahme aufgelehnt hätte, wenn er vor Ort gewesen wäre; dann wäre von einem Zwangseingriff im Zuge der Verwaltungsvollstreckung auszugehen (vgl. Martens in: Bundespolizeigesetz, Heesen/Hönle/Peilert/Martens, 5. Aufl. 2012, § 19 Rn. 2).

38

Hier sollte durch die Befreiungsaktion kein entgegenstehender Wille des Verpflichteten - des Klägers - gebrochen werden; ein solcher Wille konnte nach den Umständen auch nicht vermutet werden. Anders als etwa in dem Fall, in dem ein in Selbsttötungsabsicht Ertrinkender sich mit letzter Kraft und Entschlossenheit gegen seine Rettung wehrt, der als sofortiger Vollzug des unmittelbaren Zwangs gewertet wird (vgl. Denninger, a.a.O., D Rn. 157), richtete sich die Maßnahme im vorliegenden Fall gegen eine Person, die sich aus eigenem Antrieb nicht selbst hätte befreien können, aber bei der der Wille unterstellt werden kann, dass sie auf Befreiung durch die Polizei vertraute. Unter Berücksichtigung des Aufwands, der wegen des Konstrukts der Ankettung für eine Befreiung erforderlich war, ist davon auszugehen, dass der Kläger mit der Befreiungsaktion einverstanden gewesen ist. Die Alternative für ihn wäre gewesen, dass er auf den Gleisen verblieben wäre; dass die anderen Aktivisten in der Lage gewesen wären, den Kläger zu befreien, ist hingegen nicht anzunehmen. Dass sie über die erforderlichen Geräte verfügten, um die kompliziert verankerte Kette zu öffnen, ist nicht bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in Selbsttötungsabsicht gehandelt haben könnte, gibt es nicht. Die Aktion der Ro- bin Wood-Aktivisten ist lediglich darauf angelegt gewesen, den Vollzug des Castor- Transportes ins Zwischenlager Lubmin über einen möglichst langen Zeitraum medienwirksam zu verzögern. Mithin ist von einem Einverständnis beziehungsweise mutmaßlichen Willen des Verpflichteten bezüglich der Befreiung durch die Bundespolizei auszugehen.

39

Die Heranziehung zu den Kosten ist der Höhe nach mit einem Betrag von 365,75 Euro rechtmäßig, darüber hinausgehend jedoch rechtswidrig. § 19 Abs. 2 Satz 1 BPolG stellt - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - eine geeignete Rechtsgrundlage zum Ersatz von Kosten dar, die „durch" die unmittelbare Ausführung entstanden sind. Ersatzfähig sind aber nur solche Kosten, die in unmittelbar kausalem Zusammenhang mit der Maßnahme stehen. Der Ersatz von allgemeinen Personalkosten oder sonstigen Fix- bzw. sogenannten Sowiesokosten sieht die Vorschrift nicht vor. Sie erfasst lediglich solche Kosten, die ohne die unmittelbare Ausführung der Maßnahme nicht angefallen wären und sich rechnerisch ohne Weiteres von den allgemeinen Sach- und Personalkosten der Verwaltung deutlich abgrenzen lassen (vgl. dazu im Einzelnen: Urteil des Senats vom 5. März 2015, a.a.O., Juris Rn. 31 m.w.N.).

40

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass lediglich die Kosten für Verbrauchsmaterial, nicht aber die Personal- und Gerätekosten vom Kläger im Wege des Leistungsbescheids ersetzt verlangt werden können. Die abgerechneten Personalkosten betreffen die allgemeinen Kosten, die im Rahmen der Tätigkeit der Bundespolizei bei Begleitung des Cas- tor-Transportes ohnehin angefallen wären. Soweit die Erstattung von Gerätekosten vom Kläger verlangt wird, sind verschiedene Geräte wie z.B. 12 Handsprechfunkgeräte, Gasheizgerät, Bosch-Abbau-Hammer, Stromerzeuger, Scheinwerfer etc. aufgelistet worden. Diese Gerätschaften werden sowieso für Einsätze der Bundespolizei vorgehalten. Der Umstand, dass die Lösung aus der Ankettung weit über den normalen Aufgabenbereich der Polizei hinausgehe und der Kläger den Polizeieinsatz provoziert habe - wie vom Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht - rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung; denn § 19 BPolG differenziert insoweit nicht. Die zur Gefahrenabwehr erforderliche Polizeiarbeit richtet sich nach der jeweiligen Gefahrenlage unabhängig von deren Verursachung. Zutreffend hat die Beklagte den Aspekt der Veranlassung des Einsatzes - hier in Form einer bewusst gesetzeswidrigen Protestaktion - bei der Ermessenentscheidung über das „Ob“ einer Kostenbeteiligung berücksichtigt.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Beklagten werden die Kosten ganz auferlegt, weil der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorlag.


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen Polizeikosten in Höhe von 180,00 EUR sowie gegen eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR.
Am 12./13.12.2013 fand der Schwertransport der Tunnelvortriebsmaschine zum Bau des Fildertunnels im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 zur Baustelle im Bereich der Schelmenwasenstraße, 70567 Stuttgart, statt. In diesem Zusammenhang wurde am 11.12.2013 beim Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart eine Versammlung zum Thema „Demonstration gegen S 21“ angezeigt. Als Ort der Versammlung wurde „U-Bahn Haltestelle Schelmenwasen, am Waldrand, an Schelmenwasenstraße bei Abzweigung Zettachring“ angegeben, als Zeit wurde genannt: 12.12.2013, 21:30 Uhr bis 13.12.2013, 07:00 Uhr. Am 11.12.2013 erließ die Landeshauptstadt Stuttgart hierfür einen versammlungsrechtlichen Bescheid; als Zeitraum der Versammlung ist in dem Bescheid 12.12.2013, 21:30 Uhr bis 13.12.2013, 07:00 Uhr festgelegt. Die Art der Versammlung ist mit „Kundgebung mit Transparenten, einem Informationstisch und einem Megaphon (bei mehr als 30 Teilnehmern) auf dem Gehweg an der Kreuzung Schelmenwasenstraße/Zettachring in Stuttgart-Möhringen“ beschrieben.
Der Hauptantrieb der Tunnelvortriebsmaschine (Durchmesser 6 m, Höhe 3,6 m, Gewicht ca. 170 t) wurde zunächst auf dem Wasserweg zum Stuttgarter Hafen (Stuttgart-Wangen) transportiert. Von dort aus begann am 12.12.2013, 20:00 Uhr, der Straßentransport über die B 10 in Richtung Esslingen, weiter über Ostfildern (Scharnhausen) zur BAB 8, dann über die B 27 bis zur Ausfahrt Fasanenhof und von dort aus bis zum Baugelände des Fildertunnels im Bereich der Schelmenwasenstraße. Die angezeigte Versammlung auf dem Gehweg des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch wurde von der Versammlungsleiterin am 12.12.2013 um 21:40 Uhr für beendet erklärt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Schwertransport noch nicht auf der BAB 8. Nach dem Ende der angezeigten Versammlung bildete sich an derselben Örtlichkeit nach polizeilichen Feststellungen eine Spontandemonstration mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger. In der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Schwertransport ist zum Zeitpunkt 22:33 Uhr vermerkt: „Blockade Schelmenwasen S: Die Blockade steht - es wurde ein Farbeimer ausgeleert - Die Blockieren [richtig wohl: die Blockierer] gehen davon aus, dass sie 150 Personen sind!“ In der Dokumentation ist zum Zeitpunkt 22:57 Uhr vermerkt: „Straßentransport - Neuberechnung Zeitplan S: Nach RS mit dem Disponent des Transports ergeben sich folgende neue Zeiten: 23:30 Uhr Auffahrt BAB 8; 00:00 Uhr B 27/Ausfahrt Fasanenhof; 01:00 bis max. 02:00 Uhr, Eintreffen BE-Fläche Filderportal“.
Von 23:34 Uhr bis 23:54 Uhr erfolgten insgesamt sechs Lautsprecherdurchsagen des Einsatzleiters des Polizeipräsidiums Stuttgart im Bereich Schelmenwasenstraße/Zufahrt zur Baustelle in Richtung der vor dem Baustellentor versammelten Personen mit folgendem Inhalt:
Achtung, Achtung!
Es folgt eine wichtige Durchsage der Polizei an alle Personen, die sich auf der Straße Schelmenwasen, sowie auf der Zufahrt zur Baustelle befinden!
Der von Ihnen belegte Verkehrsraum wird für einen Schwertransport benötigt.
Aufgrund der Ausmaße des Schwertransporters besteht im Nahbereich Lebensgefahr!
Bitte verlassen Sie umgehend die Fahrbahn und halten Sie größtmöglichen Abstand zum Schwertransport.
10 
Befolgen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Anweisungen der Polizei.
11 
Die um 23:47 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 4 enthielt den Zusatz:
12 
Sofern Sie eine Versammlung durchführen möchten, begeben Sie sich zum Zettachring.
13 
Die um 23:50 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 5 sowie die um 23:54 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 6 enthielt jeweils folgenden Zusatz:
14 
Sofern Sie eine Versammlung durchführen möchten, begeben Sie sich zur Straße Schelmenwasen in auswärtiger Richtung Höhe EnBW.
15 
Danach erfolgten am 13.12.2013 drei weitere Durchsagen des Einsatzleiters (Nr. 7: 00:14 Uhr, Nr. 8: 00:20 Uhr, Nr. 9: 00:26 Uhr). Die Durchsagen Nrn. 7 und 8 erfolgten mit dem Wortlaut:
16 
Achtung, Achtung!
17 
Es folgt eine wichtige Durchsage im Namen der Stadt Stuttgart an alle Versammlungsteilnehmer, die sich auf der Straße Schelmenwasen und der Zufahrt zur Baustelle befinden!
18 
[Die Durchsage umfasst den verfügenden Teil der schriftlichen Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013, die nach telefonischer Rücksprache des Polizeivollzugsdienstes mit einem Mitarbeiter der Landeshauptstadt mündlich bekanntzugeben war.]
19 
Verfügung:
20 
An alle Personen, die sich am 12./13.12.2013 an Versammlungen gegen den Straßenschwertransport des Hauptlagers der Tunnelbohrmaschine vom Stuttgarter Hafen zur Tunnelbaustelle auf den Fildern - Baumaßnahmen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 - beteiligen: Allgemeinverfügung - Sehr geehrte Damen und Herren, es ergeht folgende Allgemeinverfügung:
21 
Die Versammlung Schelmenwasen/Zufahrt Baustelle in Stuttgart wird aufgelöst, das heißt, sie genießt nicht länger den Schutz des Versammlungsrechts.
22 
Der Versammlungsort ist unverzüglich zu verlassen.
23 
Als alternativer Versammlungsort wird Ihnen der Bereich Schelmenwasen 43 zugewiesen. Der Polizeivollzugsdienst ist angewiesen, Sie in die genaue Örtlichkeit einzuweisen.
24 
Der Polizeivollzugsdienst löst die Versammlung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs auf, wenn Sie den Versammlungsort nach entsprechender Aufforderung durch den Polizeivollzugsdienst nicht räumen.
25 
Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2 und 3 dieser Verfügung wird angeordnet.
26 
[Ende der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung; die Durchsage setzt sich wie folgt fort:]
27 
Allen Personen, die nicht bereit sind, den Bereich Schelmenwasen West/Zufahrt Baustelle zu verlassen, wird hiermit ein Platzverweis erteilt.
28 
Kommen Sie in Ihrem eigenen Interesse dieser Anordnung der Stadt Stuttgart nach.
29 
Ansonsten muß die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen.
30 
Ihre Personalien werden dabei festgestellt und Sie erhalten einen Kostenbescheid.
31 
Weitere rechtliche Maßnahmen bleiben uns vorbehalten.
32 
Wir bitten Sie, sich jetzt unverzüglich zum zugewiesenen Versammlungsort Schelmenwasen 43 zu entfernen.
33 
Die neunte, um 00:26 Uhr erfolgte letzte Durchsage lautete zu Anfang wie folgt:
34 
Achtung, Achtung!
35 
Es folgt die 3. und letzte Durchsage im Namen der Stadt Stuttgart an alle Versammlungsteilnehmer, die sich auf der Straße Schelmenwasen und der Zufahrt zur Baustelle befinden!
36 
Die neunte Durchsage endete wie folgt:
37 
Die Polizei beginnt jetzt mit der Räumung!
38 
Hierauf wurden am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00:50 Uhr außer dem Kläger acht weitere Personen von insgesamt 28 Polizeivollzugskräften durch Anwendung unmittelbaren Zwangs vom Blockadeort weggetragen. Vier dieser neun Personen, darunter der Kläger, wurden von vier Polizeivollzugskräften weggetragen, zwei Personen von drei und drei Personen von zwei Polizeivollzugskräften. Die Dauer des Wegtragens betrug zwischen einer Minute und fünf Minuten. Der Kläger wurde bis zum Parkplatz der Firma GTÜ, Vor dem Lauch 25, getragen. Er wurde durch einen Polizeibeamten nach § 163 b Abs. 1 und § 163 c StPO belehrt, verweigerte jedoch auf beiden Formularen die Unterschrift. Des Weiteren verweigerte er ein Sofortbild, weswegen sein Reisepass abfotografiert wurde. Um 01:15 Uhr wurde ihm durch einen Polizeibeamten ein Platzverweis für den Bereich Schelmenwasenstraße/Zufahrt Baufeld bis zum 13.12.2013, 04:00 Uhr, erteilt.
39 
Am 09.01.2014 fertigte das Polizeipräsidium Stuttgart gegen den Kläger eine an das Amt für öffentliche Ordnung - Bußgeldstelle - der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Ordnungswidrigkeitenanzeige an mit dem Tatvorwurf eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
40 
Mit Bescheid vom 20.01.2014 setzte das Polizeipräsidium Stuttgart gegen den Kläger wegen der am 13.12.2013, 00:34 Uhr, erfolgten Anwendung unmittelbaren Zwangs eine Gebühr in Höhe von 180,00 EUR nach § 7 der Vollstreckungskostenordnung des Landes Baden-Württemberg (LVwVGKO) fest. Zur Berechnung der Gebühr führte das Polizeipräsidium aus, es seien vier Beamte eingesetzt worden. Je angefangene Stunde und je eingesetztem Beamten betrage die Gebühr 45,00 EUR.
41 
Mit Schreiben vom 18.02.2014, beim Polizeipräsidium Stuttgart eingegangen am selben Tag, erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 20.01.2014 Widerspruch und führte zur Begründung aus, für die Auflösung der unangemeldeten Versammlung im Bereich der Baustellenzufahrt am Ende der Schelmenwasenstraße habe am 13.12.2013 um 00:26 Uhr keinerlei Veranlassung bestanden. Hierfür gebe es auch keine rechtliche Grundlage. Für die Auflösung der Versammlung habe kein öffentliches Interesse bestanden. Im genannten Zeitpunkt und lange Zeit darüber hinaus seien weder Baustellenfahrzeuge oder Bautätigkeiten behindert worden. Es habe solche Fahrzeuge und Tätigkeiten damals nicht gegeben. Da die Auflösung der Versammlung nicht rechtmäßig gewesen sei, könnten ihm auch keine Kosten in Rechnung gestellt werden. Abgesehen davon sei die Berechnung der Kosten auch nicht nachvollziehbar, da nicht - wie verlangt - die Anzahl der zur Entfernung der Demonstrationsteilnehmer insgesamt eingesetzten Beamten und die Anzahl der zwangsweise entfernten Personen angegeben seien, sondern lediglich die vier auf ihn „entfallenden“ Beamten. Der Einsatz von vier Beamten sei nicht erforderlich gewesen. Er hätte auch sitzend von zwei Beamten weggetragen werden können.
42 
Während des Widerspruchsverfahrens führte Polizeikommissar G, einer der vier Polizeikräfte, die den Kläger wegtrugen, in einer schriftlichen zeugenschaftlichen Erklärung vom 14.05.2014 im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen den Kläger aus, der Kläger habe zur Tatzeit augenscheinlich ein großes, kräftiges und adipöses Erscheinungsbild an den Tag gelegt. Deshalb habe er zwei weitere Polizeikräfte aufgefordert, zusammen mit ihm, Polizeikommissar G und Polizeimeister S, den Kläger wegzutragen. Der Kläger habe sich anstandslos wegtragen lassen und keinen Widerstand geleistet. Als sie - die vier Polizeikräfte zusammen mit dem Kläger - aus dem Blickfeld der S 21-Gegner im Bereich der Baustellenzufahrt gelangt seien, habe sich der Kläger entschlossen, von nun an selbst weiter zu gehen.
43 
Das Polizeipräsidium Stuttgart wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 zurück und setzte eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR fest. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium aus, die nicht angemeldete Versammlung sei aufgrund einer sofort vollziehbaren, bestandskräftigen Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart wirksam aufgelöst und als alternativer Versammlungsort der Bereich Schelmenwasenstraße 43 zugewiesen worden. Mit der Allgemeinverfügung sei den Teilnehmern der aufgelösten Versammlung außerdem aufgegeben worden, den Versammlungsort unverzüglich zu verlassen. Die Wahl des Versammlungsorts im Bereich der Baustellenzufahrt habe, wenn überhaupt, jedenfalls nicht vorrangig auf eine öffentliche Meinungsbildung abgezielt, sondern darauf, den Schwertransport zu blockieren bzw. zumindest erheblich zu behindern oder zu erschweren und damit in einem nicht mehr verhältnismäßigen Maß die Grundrechte Dritter, nämlich des Auftraggebers des Schwertransportes und der sonstigen am Schwertransport beteiligten Personen sowie anderer Verkehrsteilnehmer, einzuschränken. Nach Abwägung der verschiedenen Grundrechts- und Rechtspositionen habe das Versammlungsrecht in Bezug auf die Wahl des Versammlungsortes in der Schelmenwasenstraße im Bereich der Baustellenzufahrt zurückzutreten gehabt. Mit der alternativ zugewiesenen Örtlichkeit im Bereich der Schelmenwasenstraße 43 (mit Sicht und Beschallungsmöglichkeit auf die Baustellenzufahrt) hätten die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung in unmittelbarer Nähe die Möglichkeit erhalten, ihr Anliegen mit dem Ziel der öffentlichen Meinungsbildung im Rahmen einer Versammlung ohne zeitliche und inhaltliche Einschränkung weiterhin zu vertreten. Die festgesetzte Gebühr in Höhe von 180,00 EUR sei nach Grund und Höhe rechtmäßig erfolgt. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 16.10.2014 zugestellt.
44 
Am 14.11.2014 hat der Kläger gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 Klage erhoben, mit der er sich auch ausdrücklich gegen die festgesetzte Widerspruchsgebühr wendet. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, er sei 1,86 m groß und wiege 90 kg. Die angefochtenen Bescheide verstießen gegen verschiedene Grundrechte (allgemeine Handlungsfreiheit, Versammlungs- und Meinungsfreiheit). Bei der Festsetzung der Gebühr sei § 9 Abs. 2 LVwVGKO nicht beachtet worden. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR sei unverhältnismäßig und unangemessen. Sie stehe im Widerspruch zu Art. 3 GG und behindere ihn in seinem Recht, gegen Verwaltungsakte Widerspruch einzulegen. Die Möglichkeit der Erhebung von Widersprüchen dürfe faktisch nicht von der Finanzkraft des Staatsbürgers abhängen. Vor der Polizeireform 2013 habe das Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde über einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt des Polizeipräsidiums entschieden. Das jetzt angewandte Verfahren, wonach die bescheidende Stelle (Polizeipräsidium) selbst über den Widerspruch entscheide, sei rechtswidrig.
45 
Der Kläger beantragt,
46 
den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 aufzuheben.
47 
Der Beklagte beantragt,
48 
die Klage abzuweisen.
49 
Zur Begründung führt er aus, die Versammlung sei zu Recht aufgelöst worden. Hätte die Landeshauptstadt Stuttgart mit der Auflösung so lange gewartet, bis der Schwertransport unmittelbar vor Ort gewesen sei, hätte sich die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was gerade Zweck der nicht angemeldeten Versammlung gewesen sei, realisiert und zu nicht akzeptablen Be- und Verhinderungen geführt. Schon hieraus sei ersichtlich, dass die Auflösung der Versammlung frühzeitig habe erfolgen müssen. Hinzu komme, dass - zum einen - nie genau gesagt werden könne, wann ein Schwertransport an einem bestimmten Ort ankommt, was von vielen Faktoren abhänge, etwa Hindernissen auf dem Fahrweg, der Verkehrslage sowie des Wetters. Zudem nehme die zu erwartende - und später auch notwendig gewordene - Räumung der Straße von etlichen Personen einige Zeit in Anspruch. Die Auflösung der Versammlung sei daher zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Sie sei auch nicht unverhältnismäßig im weiteren Sinne und ferner nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Die Auflösung sei unumgänglich gewesen. § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO finde auf den Kläger keine Anwendung. Der Platzverweis und das hierauf erfolgte erforderliche Wegtragen habe sich allein auf den Kläger bezogen und nicht auf eine Mehrheit von Pflichtigen. Die Teilnehmer an der Blockade seien jeweils höchstpersönlich verpflichtet gewesen, dem Platzverweis Folge zu leisten. Dieser Pflicht habe der Kläger nur für sich selbst Folge leisten können, nicht für andere Blockadeteilnehmer. Die Ordnungspflichten der anderen Blockierer hätten - zur gleichen Zeit und am selben Ort - daneben bestanden. Trotz mehrerer Pflichtiger habe kein Fall der Gesamtschuldnerschaft bezüglich der Ordnungspflichten vorgelegen. Die Regelung in § 9 LVwVGKO solle gewährleisten, dass die Kosten für den Einzelnen nicht eine unverhältnismäßige Höhe erreichen und schließe daher im Rahmen einer Vollstreckung bei derselben Gelegenheit die Gesamtschuld aus. Für den Fall sogenannter Sitzblockaden sei bei der Bestimmung der Kostenlast für das Wegtragen zu berücksichtigen, dass die situativ erforderliche, individuelle Willensbeugung unterschiedlichen Aufwand erfordern könne. So könne die wegzutragende Person durch Handlungen wie Strampeln, Schlagen, Festhalten oder auch durch ihre bloße physische Konstitution (Gewicht) den notwendigen polizeilichen Aufwand erhöhen. Die Polizei müsse daher in der Regel den Aufwand der jeweiligen Zwangsanwendung durch Wegtragen konkret - Einsatzzeit und Anzahl der Beamten - und für den einzelnen Pflichtigen feststellen. Die vom Kläger intendierte Verteilung der auf seine Person bezogenen (höheren) Wegtragekosten - aufgrund des erforderlichen Einsatzes von vier Beamten - scheitere auch daran, dass diese „Mehrkosten“ nicht auf andere Teilnehmer der Blockadeaktion, für die zwei oder drei Beamte zum Wegtragen ausgereicht hätten, umgelegt werden können. Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur individuellen Willensbeugung sei anerkannt, dass ein Pflichtiger höchstens nur die durch ihn verursachten Kosten tragen müsse, nicht aber die Kosten anderer Vollstreckungsschuldner. Für § 9 LVwVGKO verbleibe bei der Anwendung des unmittelbaren Zwangs durch die Polizei nur ein beschränkter Anwendungsbereich. Lediglich dann, wenn keine Gesamtschuldnerschaft der Pflichtigen bestehe und Kosten dennoch nicht unmittelbar individuell zugerechnet werden könnten, könne eine Verteilung nur dieser Kosten auf alle Pflichtigen erfolgen. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR sei rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart sei nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO selbst Widerspruchsbehörde.
50 
Die einschlägigen Akten des Polizeipräsidiums Stuttgart sowie die versammlungsrechtlichen Akten der Landeshauptstadt Stuttgart liegen vor.

Entscheidungsgründe

 
51 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (I.), er ist formell (II.) und materiell (III.) rechtmäßig. Auch die Widerspruchsgebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (IV.).
52 
I. Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 52 Abs. 4 PolG in Verbindung mit § 31 LVwVG und § 7 LVwVGKO. Nach § 52 Abs. 4 PolG gelten für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei zusätzlich zu den Regelungen in § 52 Abs. 1 bis 3 PolG die §§ 2 bis 6, 9, 10, 12, 21, 27, 28 und § 31 Abs. 1, 2, 4 und 6 LVwVG. Für Amtshandlungen nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben (§ 31 Abs. 1 LVwVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und der Umfang der zu erstattenden Auslagen sind aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 LVwVG in der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (Vollstreckungskostenordnung - LVwVGKO) vom 29.07.2004 (GBl. S. 670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2012 (GBl. S. 572), geregelt. Diese polizeilichen Kostennormen sind hier anwendbar. Die Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger stehen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehrmaßnahme des Beklagten (Platzverweis nach § 27 a Abs. 1 PolG). Die Kostennormen sind nur dann nicht anwendbar, wenn die Polizei ausschließlich strafprozessual einschreitet (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2006, Rnrn. 921 ff.), was hier nicht zutrifft.
53 
II. Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart war für den Erlass des Bescheids zuständig (1.). Form- und Verfahrensvorschriften wurden gewahrt (2.).
54 
1. Für den Erlass des Kostenbescheids ist die Behörde zuständig, die die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat (§ 31 Abs. 6 LVwVG i.V.m. § 4 Abs. 1 LGebG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte durch Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Stuttgart (§§ 70 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 10 PolG). Daher war das Polizeipräsidium Stuttgart für den Erlass des Kostenbescheids zuständig.
55 
2. Der Kostenbescheid wurde schriftlich erlassen und erfüllt daher die Formvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vor Erlass des Bescheids wurde der Kläger indessen nicht angehört, was erforderlich gewesen wäre (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Der Kläger hatte jedoch Gelegenheit, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu äußern, weswegen die unterbliebene Anhörung unbeachtlich ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG).
56 
III. Der Kostenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahme - Anwendung unmittelbaren Zwangs - war rechtmäßig (1.); die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung wurden beachtet (2.).
57 
1. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (a)), die Vollstreckungsmaßnahme war formell (b)) und materiell (c)) rechtmäßig.
58 
a) Nach § 49 Abs. 2 PolG wendet die Polizei das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an. Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch (§ 50 Abs. 1 PolG).
59 
b) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgte formell rechtmäßig. Zuständig für diese Vollstreckungsmaßnahme sind Beamte des Polizeivollzugsdienstes (§ 51 PolG). Wie bereits ausgeführt (II. 1.) wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart und daher durch den Polizeivollzugsdienst durchgeführt.
60 
c) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor (aa)), die Vollstreckung wurde ordnungsgemäß durchgeführt (bb)) und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (cc)).
61 
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Es bestand eine vollstreckbare Grundverfügung (aaa)), die in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war (bbb)).
62 
aaa) Nach § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer Handlung, ausgenommen einer Geldleistung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt. Eine vollstreckbare Grundverfügung lag hier in Gestalt des vom Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Stuttgart am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mündlich verfügten Platzverweises (§ 27 a Abs. 1 PolG) bezüglich des Bereichs Schelmenwasenstraße West/Zufahrt Baustelle vor. Der Platzverweis wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils mündlich wiederholt. Er war nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO als Maßnahme eines Polizeivollzugsbeamten sofort vollziehbar, so dass die allgemeine Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 2 Nr. 2 LVwVG vorlag, wonach Verwaltungsakte vollstreckt werden können, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.
63 
bbb) Der mündlich verfügte Platzverweis war formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
64 
(1.). Die sachliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes lag vor. Er ist nach § 60 Abs. 3 PolG neben den Polizeibehörden (§ 61 PolG) unter anderem zuständig für eine Maßnahme nach § 27 a Abs. 1 PolG. Einer Anhörung der Adressaten des Platzverweises bedurfte es vor Erlass dieser Maßnahme nicht. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dies traf hier im Hinblick auf den alsbald an der Baustelle erwarteten Schwertransport zu. Der Platzverweis konnte in mündlicher Form erlassen werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) und bedurfte als mündlicher Verwaltungsakt von vornherein keiner Begründung. Nur ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
65 
(2.). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 a Abs. 1 PolG. Hiernach kann die Polizei (Polizeibehörden oder Polizeivollzugsdienst, vgl. § 59 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27 a Abs. 1 PolG scheiterte nicht an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Dem verfügten Platzverweis ging die am 12.12.2013 um ca. 21:40 Uhr begonnene Blockade der Baustellenzufahrt mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger, im Bereich des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch voraus. Blockaden von Baustellenzufahrten anlässlich des Projekts Stuttgart 21 zielen darauf ab, öffentlichen Protest gegen das Projekt zum Ausdruck zu bringen mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Solche demonstrativen Blockaden fallen unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Urte. der erkennenden Kammer v. 12.06.2014 - 5 K 808/11 u. 5 K 810/11 - zu einem sog. Blockadefrühstück am 25.01.2011 im Bereich des ehemaligen Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs). Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - etwa ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 VersammlG eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersammlG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde.
66 
Die demonstrative Blockade der Baustellenzufahrt wurde durch die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013 rechtsfehlerfrei aufgelöst. Die Landeshauptstadt war als Versammlungsbehörde sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - v. 25.05.1977, GBl. S. 196, i. d. F. der Verordnung v. 17.12.2008, GBl. 2009, S. 5). Die mündliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgte auf telefonische Weisung eines Mitarbeiters der Landeshauptstadt durch den Einsatzleiter. Als Ortspolizeibehörde ist die Landeshauptstadt gegenüber dem Polizeipräsidium Stuttgart weisungsbefugt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 PolG). Die zulässige mündliche Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) der Allgemeinverfügung am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mittels Lautsprecher an die Teilnehmer der Blockade erfolgte nach den der Kammer vorliegenden DVDs in akustisch wahrnehmbarer Weise.
67 
Die Auflösung der Versammlung war auch materiell rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 3 VersammlG kann eine Versammlung unter anderem aufgelöst werden, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersammlG vorliegen. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hiervon war im maßgebenden Zeitpunkt am 13.12.2013 um 00:14 Uhr auszugehen. Ausweislich der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Verlauf des Schwertransports war das Eintreffen des Transports an der Baustelle wegen dessen Größe - der Bewegungsradius des ca. 40 m langen Transports war derart eingeschränkt, dass ein Umfahren von Hindernissen oder andere Manöver, wie sie herkömmlich bei Lastkraftwagen üblich sind, nicht möglich war - und aufgrund von Unwägbarkeiten in Folge von Protesten entlang des Transportwegs nicht genau vorhersehbar. Nach der Lagemeldung Nr. 2 (Stand: 12.12.2013, 23:00 Uhr) des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde mit dem Eintreffen des Transports zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr gerechnet. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 15. Aufl. 2008, § 15 Rn. 32). Dieses Schutzgut war um 00:14 Uhr unmittelbar gefährdet. Aufgrund der größeren, in die Dutzende gehende Anzahl von Personen, die zu dieser Zeit sich noch an der Blockade beteiligt hatten, sowie wegen den zeitlichen Unwägbarkeiten, die sich aus einer etwaigen Räumung der Baustellenzufahrt ergeben konnten, kann nicht von einer verfrühten Auflösung der Versammlung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers musste mit der Auflösung nicht bis zum Eintreffen des Schwertransports an der Baustellenzufahrt zugewartet werden. Des Weiteren war auch von einer unmittelbaren Gefährdung des Baustellenbetriebs auszugehen. Durch die Blockade konnten andere Baustellenfahrzeuge daran gehindert werden, zur Baustelle zu gelangen und sie zu verlassen. Nach den Angaben von Polizeidirektor Weinstock in der mündlichen Verhandlung herrschte auch in der Nacht vom 12.12. auf den 13.12.2013 Betrieb auf der Baustelle. Die Polizei habe veranlasst, dass während der Blockade ab 21:40 Uhr keine Fahrzeuge die Baustelle verlassen. Folglich lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auflösung der Versammlung vor. Die im Wege einer Ermessensentscheidung verfügte Auflösung erging rechtsfehlerfrei. Ein im Vergleich mit der Auflösung milderes Mittel zur Abwehr der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht ersichtlich.
68 
Aufgrund der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügten Auflösung der Versammlung stand dem mündlich verfügten Platzverweis nicht die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen. Nach § 27 a Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Der Platzverweis erfolgte hier zur Beseitigung einer Störung. Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG). Ordnungswidrig handelt, wer sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersammlG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 PolG sind folglich erfüllt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
69 
bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die grundsätzlich erforderliche Androhung dieses Zwangsmittels (§ 52 Abs. 2 PolG) erfolgte durch die Lautsprecherdurchsage des Einsatzleiters um 00:14 Uhr und wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils wiederholt. Zwar enthält der Wortlaut der Durchsage nicht ausdrücklich die Bezeichnung „unmittelbarer Zwang durch Einwirkung auf Personen“. Der Sache nach wurde aber mit den bekanntgegebenen Worten „Ansonsten muss die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen“ dieses Zwangsmittel für einen nicht rechtskundigen Betroffenen ausreichend klar zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PolG in rechtmäßiger Art und Weise. Der polizeiliche Zweck - Durchsetzung des Platzverweises - erscheint nicht auf andere Weise als durch unmittelbaren Zwang erreichbar gewesen zu sein (Satz 1). Gegenüber dem im Bereich der Baustellenzufahrt auf der Straße sitzenden Kläger war der polizeiliche Zweck nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen erreichbar (Satz 2). Das angewandte Mittel muss schließlich nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Auch hiergegen hat der Beklagte nicht verstoßen. Das Wegtragen einer Person kann nur durch einfache körperliche Gewalt in Form von Festhalten von Körperteilen und Anheben des Körpers des Wegzutragenden von der Stelle, an der er steht, sitzt oder liegt, erfolgen. Der Einsatz von vier Polizeikräften gegenüber dem Kläger war entgegen seiner Ansicht unter Berücksichtigung seiner Körpergröße von 1,86 m und eines Körpergewichts von 90 kg angemessen. In Fällen des Wegtragens von Personen durch die Polizei muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich diese zur Wehr setzen und strampeln, um sich schlagen oder ihrerseits versuchen, Polizeibeamte festzuhalten. Diesen potentiellen Gefahren, denen sich die Einsatzkräfte ausgesetzt sehen können, ist zulässigerweise dadurch zu begegnen, dass im Zweifel eher ein Polizeibeamter zu viel als zu wenig eingesetzt wird. Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass es auch für die wegzutragende Person im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit generell schonender ist, wenn vier statt lediglich drei oder gar nur zwei Polizeikräfte das Wegtragen durchführen. Bei einer Gesamtschau der im Einzelnen zu berücksichtigenden Kriterien sind daher hier die gesetzlichen Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 3 PolG gewahrt worden.
70 
cc) Schließlich wurde auch das Ermessen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtsfehlerfrei ausgeübt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes effizienter Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind sowohl bezüglich des Entschließungsermessens zur Zwangsausübung als auch des Auswahlermessens im Hinblick auf das gewählte Zwangsmittel Ermessensfehler nicht ersichtlich.
71 
2. Der Kostenbescheid wahrt auch die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung. Nach § 7 Abs. 1 LVwVGKO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in den Fällen des § 52 Abs. 4 PolG eine Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt 45,00 EUR für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO). Den Vorgaben in § 31 Abs. 4 LVwVG, der Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungskostenordnung, trägt § 7 Abs. 2 LVwVGKO im Hinblick auf das Zeitmaß „je angefangene Stunde“ Rechnung. § 31 Abs. 4 Satz 2 LVwVG schreibt für die Gebühren feste Sätze oder Rahmensätze vor. Der Gebührensatz nach § 7 Abs. 2 LVwVGKO ist ein „fester Satz“ (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 -, VBlBW 1985, 385; Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299). Bezüglich des Klägers kamen vier Polizeibeamte zum Einsatz; deren Einsatzzeit betrug jeweils weniger als eine Stunde. Folglich ergibt sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ein Betrag von 4 x 45,00 EUR = 180,00 EUR. Dieser Betrag ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO zu reduzieren. Nach dieser Vorschrift werden für den Fall, dass gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird, in den Fällen der §§ 6 und 7 LVwVGKO die Gebühren auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt. Es kann offen bleiben, ob die hier am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00.50 Uhr erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen insgesamt neun Personen einschließlich dem Kläger die Tatbestandsmerkmale „mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind“ und „bei derselben Gelegenheit“ erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von zwei bis vier Polizeikräften je weggetragenem Pflichtigen sowie unter Berücksichtigung, dass jeder der insgesamt 28 eingesetzten Polizisten nur bezüglich jeweils einer weggetragenen Person eingesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine „angemessene“ Verteilung der sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ergebenden Gesamtkosten (28 x 45,00 EUR = 1.260,00 EUR) nicht vor. Die Regelungen über Umfang (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO) und angemessene Verteilung der Kosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO) sollen sicherstellen, dass die Kosten keine unverhältnismäßige Höhe erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299, 301). Diesen Vorschriften ist daher eine die Kostenhöhe begrenzende Bedeutung beizumessen. „Angemessene“ Verteilung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, die Gesamtkosten einer Vollstreckung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs bei derselben Gelegenheit durch die Anzahl der Pflichtigen zu teilen (hier: 1.260,00 EUR : 9 = 140,00 EUR). Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger statt 180,00 EUR nur 140,00 EUR zu tragen hätte, während die Personen, die lediglich von zwei Polizeikräften weggetragen wurden, statt 90,00 EUR (2 x 45,00 EUR) 50,00 EUR mehr zahlen müssten. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und daher nicht angemessen.
72 
IV. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist gleichfalls rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr ist aufgrund des Anfechtungsverbundes nach § 24 Satz 2 LGebG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens. Hiernach erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Polizeipräsidium Stuttgart die zuständige Widerspruchsbehörde. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen auch zuständige Widerspruchsbehörde, in denen die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies trifft hier zu. Das Innenministerium Baden-Württemberg führt nach § 72 PolG die Dienstaufsicht und nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PolG die Fachaufsicht über das Polizeipräsidium Stuttgart und ist folglich die nächsthöhere Behörde. Nach Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zur Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragen für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Gebührenverordnung Innenministerium - GebVO IM - v. 12.07.2011, GBl. S. 404) beträgt die Gebühr für die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs 20,00 bis 5.000,00 EUR. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR liegt deutlich im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens. Die Gebühr soll die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken (§ 7 Abs. 1 LGebG). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen (§ 7 Abs. 3 LGebG). Die festgesetzte Widerspruchsgebühr verstößt nicht gegen diese Kriterien der Gebührenbemessung. Sie liegt auch deutlich unterhalb der festgesetzten Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Höhe von 180,00 EUR und steht daher in keinem Missverhältnis zu diesem Betrag. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Widerspruchsgebühr höher wäre als der mit dem Ausgangsbescheid festgesetzte Geldbetrag. Den vom Kläger gerügten, aber nicht dargelegten Verstoß der Widerspruchsgebühr gegen Art. 3 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Erhebung von Widerspruchsgebühren behindert auch nicht von vornherein den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise.
73 
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74 
VI. Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

Gründe

 
51 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (I.), er ist formell (II.) und materiell (III.) rechtmäßig. Auch die Widerspruchsgebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (IV.).
52 
I. Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 52 Abs. 4 PolG in Verbindung mit § 31 LVwVG und § 7 LVwVGKO. Nach § 52 Abs. 4 PolG gelten für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei zusätzlich zu den Regelungen in § 52 Abs. 1 bis 3 PolG die §§ 2 bis 6, 9, 10, 12, 21, 27, 28 und § 31 Abs. 1, 2, 4 und 6 LVwVG. Für Amtshandlungen nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben (§ 31 Abs. 1 LVwVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und der Umfang der zu erstattenden Auslagen sind aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 LVwVG in der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (Vollstreckungskostenordnung - LVwVGKO) vom 29.07.2004 (GBl. S. 670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2012 (GBl. S. 572), geregelt. Diese polizeilichen Kostennormen sind hier anwendbar. Die Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger stehen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehrmaßnahme des Beklagten (Platzverweis nach § 27 a Abs. 1 PolG). Die Kostennormen sind nur dann nicht anwendbar, wenn die Polizei ausschließlich strafprozessual einschreitet (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2006, Rnrn. 921 ff.), was hier nicht zutrifft.
53 
II. Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart war für den Erlass des Bescheids zuständig (1.). Form- und Verfahrensvorschriften wurden gewahrt (2.).
54 
1. Für den Erlass des Kostenbescheids ist die Behörde zuständig, die die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat (§ 31 Abs. 6 LVwVG i.V.m. § 4 Abs. 1 LGebG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte durch Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Stuttgart (§§ 70 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 10 PolG). Daher war das Polizeipräsidium Stuttgart für den Erlass des Kostenbescheids zuständig.
55 
2. Der Kostenbescheid wurde schriftlich erlassen und erfüllt daher die Formvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vor Erlass des Bescheids wurde der Kläger indessen nicht angehört, was erforderlich gewesen wäre (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Der Kläger hatte jedoch Gelegenheit, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu äußern, weswegen die unterbliebene Anhörung unbeachtlich ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG).
56 
III. Der Kostenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahme - Anwendung unmittelbaren Zwangs - war rechtmäßig (1.); die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung wurden beachtet (2.).
57 
1. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (a)), die Vollstreckungsmaßnahme war formell (b)) und materiell (c)) rechtmäßig.
58 
a) Nach § 49 Abs. 2 PolG wendet die Polizei das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an. Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch (§ 50 Abs. 1 PolG).
59 
b) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgte formell rechtmäßig. Zuständig für diese Vollstreckungsmaßnahme sind Beamte des Polizeivollzugsdienstes (§ 51 PolG). Wie bereits ausgeführt (II. 1.) wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart und daher durch den Polizeivollzugsdienst durchgeführt.
60 
c) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor (aa)), die Vollstreckung wurde ordnungsgemäß durchgeführt (bb)) und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (cc)).
61 
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Es bestand eine vollstreckbare Grundverfügung (aaa)), die in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war (bbb)).
62 
aaa) Nach § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer Handlung, ausgenommen einer Geldleistung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt. Eine vollstreckbare Grundverfügung lag hier in Gestalt des vom Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Stuttgart am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mündlich verfügten Platzverweises (§ 27 a Abs. 1 PolG) bezüglich des Bereichs Schelmenwasenstraße West/Zufahrt Baustelle vor. Der Platzverweis wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils mündlich wiederholt. Er war nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO als Maßnahme eines Polizeivollzugsbeamten sofort vollziehbar, so dass die allgemeine Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 2 Nr. 2 LVwVG vorlag, wonach Verwaltungsakte vollstreckt werden können, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.
63 
bbb) Der mündlich verfügte Platzverweis war formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
64 
(1.). Die sachliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes lag vor. Er ist nach § 60 Abs. 3 PolG neben den Polizeibehörden (§ 61 PolG) unter anderem zuständig für eine Maßnahme nach § 27 a Abs. 1 PolG. Einer Anhörung der Adressaten des Platzverweises bedurfte es vor Erlass dieser Maßnahme nicht. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dies traf hier im Hinblick auf den alsbald an der Baustelle erwarteten Schwertransport zu. Der Platzverweis konnte in mündlicher Form erlassen werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) und bedurfte als mündlicher Verwaltungsakt von vornherein keiner Begründung. Nur ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
65 
(2.). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 a Abs. 1 PolG. Hiernach kann die Polizei (Polizeibehörden oder Polizeivollzugsdienst, vgl. § 59 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27 a Abs. 1 PolG scheiterte nicht an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Dem verfügten Platzverweis ging die am 12.12.2013 um ca. 21:40 Uhr begonnene Blockade der Baustellenzufahrt mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger, im Bereich des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch voraus. Blockaden von Baustellenzufahrten anlässlich des Projekts Stuttgart 21 zielen darauf ab, öffentlichen Protest gegen das Projekt zum Ausdruck zu bringen mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Solche demonstrativen Blockaden fallen unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Urte. der erkennenden Kammer v. 12.06.2014 - 5 K 808/11 u. 5 K 810/11 - zu einem sog. Blockadefrühstück am 25.01.2011 im Bereich des ehemaligen Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs). Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - etwa ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 VersammlG eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersammlG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde.
66 
Die demonstrative Blockade der Baustellenzufahrt wurde durch die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013 rechtsfehlerfrei aufgelöst. Die Landeshauptstadt war als Versammlungsbehörde sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - v. 25.05.1977, GBl. S. 196, i. d. F. der Verordnung v. 17.12.2008, GBl. 2009, S. 5). Die mündliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgte auf telefonische Weisung eines Mitarbeiters der Landeshauptstadt durch den Einsatzleiter. Als Ortspolizeibehörde ist die Landeshauptstadt gegenüber dem Polizeipräsidium Stuttgart weisungsbefugt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 PolG). Die zulässige mündliche Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) der Allgemeinverfügung am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mittels Lautsprecher an die Teilnehmer der Blockade erfolgte nach den der Kammer vorliegenden DVDs in akustisch wahrnehmbarer Weise.
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Die Auflösung der Versammlung war auch materiell rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 3 VersammlG kann eine Versammlung unter anderem aufgelöst werden, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersammlG vorliegen. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hiervon war im maßgebenden Zeitpunkt am 13.12.2013 um 00:14 Uhr auszugehen. Ausweislich der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Verlauf des Schwertransports war das Eintreffen des Transports an der Baustelle wegen dessen Größe - der Bewegungsradius des ca. 40 m langen Transports war derart eingeschränkt, dass ein Umfahren von Hindernissen oder andere Manöver, wie sie herkömmlich bei Lastkraftwagen üblich sind, nicht möglich war - und aufgrund von Unwägbarkeiten in Folge von Protesten entlang des Transportwegs nicht genau vorhersehbar. Nach der Lagemeldung Nr. 2 (Stand: 12.12.2013, 23:00 Uhr) des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde mit dem Eintreffen des Transports zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr gerechnet. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 15. Aufl. 2008, § 15 Rn. 32). Dieses Schutzgut war um 00:14 Uhr unmittelbar gefährdet. Aufgrund der größeren, in die Dutzende gehende Anzahl von Personen, die zu dieser Zeit sich noch an der Blockade beteiligt hatten, sowie wegen den zeitlichen Unwägbarkeiten, die sich aus einer etwaigen Räumung der Baustellenzufahrt ergeben konnten, kann nicht von einer verfrühten Auflösung der Versammlung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers musste mit der Auflösung nicht bis zum Eintreffen des Schwertransports an der Baustellenzufahrt zugewartet werden. Des Weiteren war auch von einer unmittelbaren Gefährdung des Baustellenbetriebs auszugehen. Durch die Blockade konnten andere Baustellenfahrzeuge daran gehindert werden, zur Baustelle zu gelangen und sie zu verlassen. Nach den Angaben von Polizeidirektor Weinstock in der mündlichen Verhandlung herrschte auch in der Nacht vom 12.12. auf den 13.12.2013 Betrieb auf der Baustelle. Die Polizei habe veranlasst, dass während der Blockade ab 21:40 Uhr keine Fahrzeuge die Baustelle verlassen. Folglich lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auflösung der Versammlung vor. Die im Wege einer Ermessensentscheidung verfügte Auflösung erging rechtsfehlerfrei. Ein im Vergleich mit der Auflösung milderes Mittel zur Abwehr der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht ersichtlich.
68 
Aufgrund der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügten Auflösung der Versammlung stand dem mündlich verfügten Platzverweis nicht die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen. Nach § 27 a Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Der Platzverweis erfolgte hier zur Beseitigung einer Störung. Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG). Ordnungswidrig handelt, wer sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersammlG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 PolG sind folglich erfüllt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
69 
bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die grundsätzlich erforderliche Androhung dieses Zwangsmittels (§ 52 Abs. 2 PolG) erfolgte durch die Lautsprecherdurchsage des Einsatzleiters um 00:14 Uhr und wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils wiederholt. Zwar enthält der Wortlaut der Durchsage nicht ausdrücklich die Bezeichnung „unmittelbarer Zwang durch Einwirkung auf Personen“. Der Sache nach wurde aber mit den bekanntgegebenen Worten „Ansonsten muss die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen“ dieses Zwangsmittel für einen nicht rechtskundigen Betroffenen ausreichend klar zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PolG in rechtmäßiger Art und Weise. Der polizeiliche Zweck - Durchsetzung des Platzverweises - erscheint nicht auf andere Weise als durch unmittelbaren Zwang erreichbar gewesen zu sein (Satz 1). Gegenüber dem im Bereich der Baustellenzufahrt auf der Straße sitzenden Kläger war der polizeiliche Zweck nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen erreichbar (Satz 2). Das angewandte Mittel muss schließlich nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Auch hiergegen hat der Beklagte nicht verstoßen. Das Wegtragen einer Person kann nur durch einfache körperliche Gewalt in Form von Festhalten von Körperteilen und Anheben des Körpers des Wegzutragenden von der Stelle, an der er steht, sitzt oder liegt, erfolgen. Der Einsatz von vier Polizeikräften gegenüber dem Kläger war entgegen seiner Ansicht unter Berücksichtigung seiner Körpergröße von 1,86 m und eines Körpergewichts von 90 kg angemessen. In Fällen des Wegtragens von Personen durch die Polizei muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich diese zur Wehr setzen und strampeln, um sich schlagen oder ihrerseits versuchen, Polizeibeamte festzuhalten. Diesen potentiellen Gefahren, denen sich die Einsatzkräfte ausgesetzt sehen können, ist zulässigerweise dadurch zu begegnen, dass im Zweifel eher ein Polizeibeamter zu viel als zu wenig eingesetzt wird. Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass es auch für die wegzutragende Person im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit generell schonender ist, wenn vier statt lediglich drei oder gar nur zwei Polizeikräfte das Wegtragen durchführen. Bei einer Gesamtschau der im Einzelnen zu berücksichtigenden Kriterien sind daher hier die gesetzlichen Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 3 PolG gewahrt worden.
70 
cc) Schließlich wurde auch das Ermessen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtsfehlerfrei ausgeübt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes effizienter Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind sowohl bezüglich des Entschließungsermessens zur Zwangsausübung als auch des Auswahlermessens im Hinblick auf das gewählte Zwangsmittel Ermessensfehler nicht ersichtlich.
71 
2. Der Kostenbescheid wahrt auch die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung. Nach § 7 Abs. 1 LVwVGKO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in den Fällen des § 52 Abs. 4 PolG eine Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt 45,00 EUR für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO). Den Vorgaben in § 31 Abs. 4 LVwVG, der Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungskostenordnung, trägt § 7 Abs. 2 LVwVGKO im Hinblick auf das Zeitmaß „je angefangene Stunde“ Rechnung. § 31 Abs. 4 Satz 2 LVwVG schreibt für die Gebühren feste Sätze oder Rahmensätze vor. Der Gebührensatz nach § 7 Abs. 2 LVwVGKO ist ein „fester Satz“ (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 -, VBlBW 1985, 385; Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299). Bezüglich des Klägers kamen vier Polizeibeamte zum Einsatz; deren Einsatzzeit betrug jeweils weniger als eine Stunde. Folglich ergibt sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ein Betrag von 4 x 45,00 EUR = 180,00 EUR. Dieser Betrag ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO zu reduzieren. Nach dieser Vorschrift werden für den Fall, dass gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird, in den Fällen der §§ 6 und 7 LVwVGKO die Gebühren auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt. Es kann offen bleiben, ob die hier am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00.50 Uhr erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen insgesamt neun Personen einschließlich dem Kläger die Tatbestandsmerkmale „mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind“ und „bei derselben Gelegenheit“ erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von zwei bis vier Polizeikräften je weggetragenem Pflichtigen sowie unter Berücksichtigung, dass jeder der insgesamt 28 eingesetzten Polizisten nur bezüglich jeweils einer weggetragenen Person eingesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine „angemessene“ Verteilung der sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ergebenden Gesamtkosten (28 x 45,00 EUR = 1.260,00 EUR) nicht vor. Die Regelungen über Umfang (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO) und angemessene Verteilung der Kosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO) sollen sicherstellen, dass die Kosten keine unverhältnismäßige Höhe erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299, 301). Diesen Vorschriften ist daher eine die Kostenhöhe begrenzende Bedeutung beizumessen. „Angemessene“ Verteilung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, die Gesamtkosten einer Vollstreckung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs bei derselben Gelegenheit durch die Anzahl der Pflichtigen zu teilen (hier: 1.260,00 EUR : 9 = 140,00 EUR). Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger statt 180,00 EUR nur 140,00 EUR zu tragen hätte, während die Personen, die lediglich von zwei Polizeikräften weggetragen wurden, statt 90,00 EUR (2 x 45,00 EUR) 50,00 EUR mehr zahlen müssten. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und daher nicht angemessen.
72 
IV. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist gleichfalls rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr ist aufgrund des Anfechtungsverbundes nach § 24 Satz 2 LGebG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens. Hiernach erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Polizeipräsidium Stuttgart die zuständige Widerspruchsbehörde. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen auch zuständige Widerspruchsbehörde, in denen die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies trifft hier zu. Das Innenministerium Baden-Württemberg führt nach § 72 PolG die Dienstaufsicht und nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PolG die Fachaufsicht über das Polizeipräsidium Stuttgart und ist folglich die nächsthöhere Behörde. Nach Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zur Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragen für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Gebührenverordnung Innenministerium - GebVO IM - v. 12.07.2011, GBl. S. 404) beträgt die Gebühr für die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs 20,00 bis 5.000,00 EUR. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR liegt deutlich im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens. Die Gebühr soll die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken (§ 7 Abs. 1 LGebG). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen (§ 7 Abs. 3 LGebG). Die festgesetzte Widerspruchsgebühr verstößt nicht gegen diese Kriterien der Gebührenbemessung. Sie liegt auch deutlich unterhalb der festgesetzten Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Höhe von 180,00 EUR und steht daher in keinem Missverhältnis zu diesem Betrag. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Widerspruchsgebühr höher wäre als der mit dem Ausgangsbescheid festgesetzte Geldbetrag. Den vom Kläger gerügten, aber nicht dargelegten Verstoß der Widerspruchsgebühr gegen Art. 3 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Erhebung von Widerspruchsgebühren behindert auch nicht von vornherein den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise.
73 
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74 
VI. Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

A.

1

Das Vorlageverfahren betrifft die Vereinbarkeit von § 15 Abs. 4 Satz 2 Verwaltungskostengesetz des Landes Schleswig-Holstein (VwKostG) vom 17. Januar 1974 (GVOBl S. 37), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Verwaltungskostengesetzes des Landes Schleswig-Holstein und des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein vom 17. November 2004 (GVOBl S. 412) mit Art. 2a der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung (LV) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

I.

2

Das Verwaltungskostengesetz des Landes Schleswig-Holstein regelt die Erhebung von Kosten im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren. In § 15 VwKostG, der in Abschnitt III - Allgemeine Vorschriften - verortet ist, ist die Erhebung von Verwaltungsgebühren in besonderen Fällen geregelt. § 15 VwKostG lautet wie folgt:

§ 15

3

Verwaltungsgebühren in besonderen Fällen

4

(1) Wird ein Antrag ausschließlich wegen Unzuständigkeit der Behörde abgelehnt, wird keine Verwaltungsgebühr erhoben. Dasselbe gilt bei Rücknahme eines Antrages, wenn mit der sachlichen Bearbeitung noch nicht begonnen ist.

5

(2) Die vorgesehene Verwaltungsgebühr ermäßigt sich um ein Viertel, wenn

6

1. ein Antrag zurückgenommen wird, nachdem mit der sachlichen Bearbeitung begonnen, die Amtshandlung aber noch nicht beendet ist,

7

2. ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt wird oder

8

3. eine Amtshandlung zurückgenommen oder widerrufen wird.

9

Aus Gründen der Billigkeit kann die Verwaltungsgebühr bis zu einem Viertel der vorgesehenen Verwaltungsgebühr ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden.

10

(3) Wird gegen eine kostenpflichtige Amtshandlung Widerspruch erhoben, sind für den Erlaß des Widerspruchsbescheides Verwaltungsgebühren und Auslagen zu erheben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen wird. In diesem Fall ist eine Verwaltungsgebühr von mindestens fünf Euro bis zur Höhe der Verwaltungsgebühr, die für die Amtshandlung zu zahlen ist, zu erheben; § 9 Abs. 1 ist anzuwenden. Wird ein Widerspruch zurückgenommen, nachdem mit der sachlichen Bearbeitung begonnen, der Widerspruchsbescheid aber noch nicht erlassen ist, oder erledigt sich der Widerspruch auf andere Weise, so sind 25 v.H. der nach Satz 2 festzusetzenden Verwaltungsgebühren zu erheben. Wird der Widerspruchsbescheid der nächsthöheren Behörde von einem Verwaltungsgericht ganz oder teilweise aufgehoben, sind die für den Widerspruchsbescheid bereits gezahlten Verwaltungsgebühren und Auslagen dem Träger der öffentlichen Verwaltung, der die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens zu tragen hat, auf Antrag zu erstatten.

11

(4) Richtet sich in einer kostenpflichtigen Angelegenheit der Widerspruch ausschließlich gegen die Kostenentscheidung, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Die Verwaltungsgebühr für den Widerspruchsbescheid bei Kostenentscheidungen beträgt 10 v. H. des angefochtenen Betrages, mindestens fünf Euro.

II.

12

Im Ausgangsverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht wandte sich der Kläger gegen einen Leistungsbescheid vom 12. Februar 2015 für eine Abschleppmaßnahme der Landeshauptstadt Kiel. Diese hatte vom Kläger des Ausgangsverfahrens für einen eingeleiteten, aber nicht durchgeführten Abschleppvorgang Kosten in Höhe von insgesamt 100,70 € (Kosten Abschleppunternehmer: 48,20 €, Gebühren: 49,- €, Auslagen: 3,50 €) erhoben. Eine Überwachungskraft der Landeshauptstadt Kiel hatte veranlasst, dass das Auto des Klägers am 27. November 2014 um 12:21 Uhr aus dem öffentlichen Straßenraum abgeschleppt werden sollte. Der Kläger, so die Begründung des Bescheides, habe vor einer Bordsteinabsenkung und weniger als fünf Meter vor der Einmündung geparkt und dadurch andere behindert. Aufgrund der Schwere des Verkehrsverstoßes habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen. Die Veranlassung eines Abschleppvorgangs sei das mit geringstem Aufwand erfolgversprechende Mittel gewesen, um diese Gefahr zu beseitigen. Der Kläger des Ausgangsverfahrens habe nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden können, um den PKW selbst zu entfernen. Einer Androhung der Ersatzvornahme habe es nicht bedurft. Die Kostenpflicht werde schon durch die Einleitung des Abschleppvorgangs ausgelöst.

13

Im Widerspruchsverfahren gegen den Leistungsbescheid vom 12. Februar 2015 wandte sich der Kläger des Ausgangsverfahrens gegen die Rechtmäßigkeit der Einleitung des nicht durchgeführten Abschleppvorgangs. Dies wies die Landeshauptstadt mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2015 zurück; die Abschleppmaßnahme sei zu Recht erfolgt. Für den Erlass des Widerspruchsbescheides setzte sie weitere Gebühren in Höhe von 43,- € sowie Postgebühren im Zustellungsverfahren in Höhe von 3,45 € fest und gab hierfür als Rechtsgrundlage § 73 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 15 Abs. 3 VwKostG an.

14

Hiergegen hat der Kläger des Ausgangsverfahrens am 2. Oktober 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er ergänzend zu seinem vorherigen Vorbringen vorgetragen hat, die Abschleppmaßnahme sei übereilt eingeleitet worden. Eine Behinderung anderer sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Auf Anfrage des Gerichts hat er „klarstellend“ mitgeteilt, dass die Widerspruchsgebühr gleichfalls Streitgegenstand sei.

15

Im Klageverfahren hatte die 3. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zunächst den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. Juni 2016 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen, da die Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und auch keine grundsätzliche Bedeutung habe.

16

Mit Beschluss des Einzelrichters vom 5. Oktober 2016 ist der Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen worden. Diese hat mit Beschluss aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2016 das Verfahren ausgesetzt, um die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG mit Art. 2a LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei.

III.

17

Zur Begründung der Vorlage führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass sich die Unvereinbarkeit von § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 2a LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblich aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - (BVerfGE 50, 217 ff.) ergebe.

18

In seinem Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - hatte das Bundesverfassungsgericht die Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 2 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1971 (GV S. 354; - Geb NW -) für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt. Zur Begründung hatte es angeführt, dass die Gebühren nach dieser Regelung unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt worden seien und die Regelung, bezogen auf den Zweck der Kostendeckung, nicht sachgemäß gewesen sei. Die seinerzeit zur Überprüfung gestellte Regelung des § 15 GebG NW lautete:

§ 15

19

Gebühren in besonderen Fällen

20

(1) Wird ein Antrag ausschließlich wegen Unzuständigkeit der Behörde abgelehnt, so werden weder Gebühren noch Auslagen erhoben. Dasselbe gilt bei Rücknahme eines Antrages, wenn mit der sachlichen Bearbeitung noch nicht begonnen ist.

21

(2) Wird ein Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung zurückgenommen, nachdem mit der sachlichen Bearbeitung begonnen, die Amtshandlung aber noch nicht beendet ist, oder wird ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt oder wird eine Amtshandlung zurückgenommen oder widerrufen, so ermäßigt sich die vorgesehene Gebühr um ein Viertel; sie kann bis zu einem Viertel der vorgesehenen Gebühr ermäßigt oder es kann von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

22

(3) Wird gegen eine gebührenpflichtige Sachentscheidung Widerspruch erhoben, so sind für den Erlaß des Widerspruchsbescheides Gebühren und Auslagen zu erheben, wenn und soweit der Widerspruch zurückgewiesen wird. In diesem Falle ist die gleiche Gebühr wie für die Sachentscheidung zu erheben. Richtet sich der Widerspruch nur gegen einen Teil der Entscheidung, so ermäßigt sich die Gebühr entsprechend. Wird der Widerspruchsbescheid der nächsthöheren Behörde von einem Verwaltungsgericht ganz oder teilweise aufgehoben, so sind die für den Widerspruchsbescheid bereits gezahlten Gebühren und Auslagen der Behörde, die die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens zu tragen hat, auf Antrag zu erstatten.

23

(4) Richtet sich in einer gebührenpflichtigen Angelegenheit der Widerspruch ausschließlich gegen die Kostenentscheidung, so gilt Absatz 3 Satz 1 sinngemäß. In diesem Falle beträgt die Gebühr ein Viertel der Gebühr für die Sachentscheidung. Absatz 3 Satz 3 findet Anwendung.

24

(5) Ist der Entscheidung des Beschlußausschusses ein Bescheid seines Vorsitzenden vorausgegangen, so sind nur für die Entscheidung des Beschlußausschusses Gebühren und Auslagen zu erheben.

25

Die bis heute geltende Fassung von § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG trage – so das Verwaltungsgericht weiter – diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend Rechnung. Der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber habe seinerzeit die bis dahin gleich lautende Parallelnorm noch vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geändert. Er habe sich aber darauf beschränkt, das Verhältnis zwischen Widerspruchsgebühr und festgesetzten Kosten im Ausgangsbescheid von einem Viertel auf 10 % zu reduzieren. Im Übrigen sei der vom Bundesverfassungsgericht als willkürlich beanstandete starre Gebührenmaßstab strukturell beibehalten worden. Die Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG koppele die Widerspruchsgebühr weiterhin generell und durchgängig an die im Ausgangsbescheid festgesetzten Kosten. Dieser durchgängige Gebührenmaßstab ohne jede absolute obere Begrenzung der Gebührenschuld lasse die Regelung als nicht mehr sachlich gerechtfertigt erscheinen, weil sie nicht hinreichend an den Aufwand anknüpfe, der mit dem Widerspruchsverfahren verbunden sei. Gerade bei einer Ersatzvornahme könne sich die nach § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG festzusetzende Widerspruchsgebühr im Einzelfall noch weiter vom tatsächlichen Verwaltungsaufwand entfernen. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Anknüpfung an den angefochtenen Betrag anstelle der „Gebühr für die Sachentscheidung“ der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend Rechnung getragen werde.

26

Eine verfassungskonforme Auslegung der beanstandeten Norm komme nicht in Betracht. Die Festlegung einer konkret bezifferten Obergrenze wäre, so das vorlegende Gericht, ein „Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers“. Auch den Begriff des „angefochtenen Betrages“ als „Gebührenhöhe des Ausgangsbescheides“ zu verstehen, sei nicht möglich.

27

Die beanstandete Norm sei entscheidungserheblich. Im Falle der Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Norm sei der Widerspruchsbescheid hinsichtlich der festgesetzten Gebühr mangels entsprechender Rechtsgrundlage vollständig aufzuheben. Im Falle der Gültigkeit der Norm wäre dieser nur insoweit aufzuheben, als ein Betrag von mehr als 10,07 € (10 % des angefochtenen Betrages) festgesetzt worden sei.

28

Das Ausgangsverfahren sei entscheidungsreif. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme bestünden nicht. Die Klage sei jedoch hinsichtlich der im Widerspruchsbescheid festgesetzten Widerspruchsgebühr zumindest teilweise begründet. Die Festsetzung der Gebühr für den Erlass des Widerspruchsbescheides sei durch die Beklagte des Ausgangsverfahrens fälschlich nach § 15 Abs. 3 VwKostG erfolgt. Die einschlägige Rechtsgrundlage der Verwaltungsgebühr für den Widerspruchsbescheid bei Anfechtung allein einer Kostenentscheidung in einer kostenpflichtigen Angelegenheit sei § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG. Danach betrage die Gebühr in solchen Fällen 10 vom Hundert des angefochtenen Betrages, mindestens fünf Euro. Mit dem Ausgangsbescheid sei lediglich die Kostenentscheidung für eine vorangegangene Ersatzvornahme getroffen worden. Andere Regelungen enthalte der Leistungsbescheid nicht. § 15 Abs. 3 Satz 1 und 2 VwKostG betreffe unter Berücksichtigung seines Wortlautes allein die Fälle, in denen „gegen eine kostenpflichtige Amtshandlung“ Widerspruch erhoben worden sei. In Fällen wie dem Ausgangsverfahren richte sich der Widerspruch gerade nicht mehr gegen die bereits erledigte Ersatzvornahme, sondern nur gegen den Leistungsbescheid, mit dem die angefallenen Gebühren und Auslagen geltend gemacht würden. Es handele sich insoweit um eine isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung im Sinne von § 22 Abs. 2 VwKostG.

IV.

29

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag und die Landesregierung halten den Antrag für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.

30

Das vorlegende Gericht genüge nicht seiner Darlegungspflicht nach § 44 Abs. 1 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG). Das vorlegende Gericht habe versäumt, mit einer rechtlich nachvollziehbaren Begründung die Entscheidungserheblichkeit von § 15 Abs. 4 VwKostG darzulegen. So habe es sich nicht hinreichend damit beschäftigt, ob § 15 Abs. 3 oder § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG Rechtsgrundlage für die Widerspruchsgebühr sei. Bei einem Kostenfestsetzungsbescheid für einen Abschleppvorgang könne die Rechtmäßigkeit des – gegebenenfalls fiktiven – Grundverwaltungsakts regelmäßig nicht mehr isoliert, sondern nur inzident mit der Rechtmäßigkeit der Kostenfestsetzung überprüft werden. Es würden jedoch im Allgemeinen und so auch im zu entscheidenden Fall keine kostenspezifischen Einwände erhoben, sondern nur Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des – gegebenenfalls fiktiven – Grundverwaltungsakts. Demgegenüber werde bei einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung gerade nicht die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung überprüft. Im Übrigen habe das vorlegende Gericht zu Unrecht angenommen, dass sich die Ersatzvornahme erledigt habe. Eine Ersatzvornahme erledige sich nicht deshalb, weil sie durchgeführt worden sei.

31

2. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat in ihrer Stellungnahme – wie bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht – darauf hingewiesen, dass die beanstandete Norm nicht entscheidungserheblich sei, sondern sich die Erhebung der Widerspruchsgebühr allein nach § 15 Abs. 3 VwKostG richte. Sie verweist ebenfalls darauf, dass bei Abschleppvorgängen ein isoliertes gerichtliches Vorgehen gegen die Ersatzvornahme nicht möglich sei und ihre Rechtmäßigkeit allein inzident mit dem Leistungsbescheid überprüft werden könne. Auch wenn der Leistungsbescheid nur die Kostenpflichtigkeit der Ersatzvornahme regele, handele es sich nicht um eine isolierte Kostenentscheidung im Sinne von § 22 Abs. 2 VwKostG. § 15 Abs. 4 VwKostG betreffe allein die Fälle, in denen abstrakt um Kosten gestritten werde.

32

3. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat sich der Ansicht des vorlegenden Gerichts angeschlossen.

B.

33

Die Vorlage ist unzulässig.

34

Es ist bereits zweifelhaft, ob § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist. Dies kann aber offen bleiben, da die Entscheidungserheblichkeit durch das vorlegende Gericht in dem Vorlagebeschluss jedenfalls nicht hinreichend dargelegt wurde.

35

Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle ist nur zulässig, wenn es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt (§ 44 Abs. 1 LVerfGG), diese mithin entscheidungserheblich ist. Entscheidungserheblich ist eine Norm, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren bei ihrer Ungültigkeit anders entscheiden müsste als bei ihrer Gültigkeit

36

(Beschluss vom 27. Januar 2016 - LVerfG 2/15 -, SchlHA 2016, 58 <59>, Juris Rn. 19 m.w.N.).

37

Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm für das Ausgangsverfahren ist dabei grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, es sei denn, diese ist offensichtlich unhaltbar oder in der Sache nicht nachvollziehbar

38

(vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13 -, BVerfGE 138, 1 ff., Juris Rn. 41, vom 19. Dezember 2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1 ff., Juris Rn. 35, vom 2. Mai 2012 - 1 BvL 20/09 -, BVerfGE 131, 1 ff., Juris Rn. 66, und vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. -, BVerfGE 108, 186 ff., Juris Rn. 94, jeweils m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2016 - 1 BvL 7/15 -, NVwZ 2016, 1318 <1319>, Juris Rn. 15 m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Dezember 2015 - 1 BvL 4/11 -, NZS 2016, 263 <264>, Juris Rn. 14 m.w.N., stRspr; vgl. hierzu auch: Eisele/ Hyckel, NVwZ 2016, 1298 <1299 f.>).

39

Jedoch muss das vorlegende Gericht in einem aus sich heraus verständlichen Vorlagebeschluss darlegen, dass seine Entscheidung im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Norm von dieser abhängt. Der Vorlagebeschluss muss also erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit dieser Norm zu einem anderen Ergebnis kommen würde, als im Falle der Ungültigkeit. Hierbei muss das vorlegende Gericht insbesondere die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, auf einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Landesverfassungsgerichts eingehen und sich gegebenenfalls auch mit der Entstehungsgeschichte der Norm auseinandersetzen

40

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Dezember 2013 - 1 BvL 5/12 -, Juris Rn. 5 f. m.w.N.).

41

Das vorlegende Gericht hat sich bei der Begründung der Entscheidungserheblichkeit eingehend mit der einfachrechtlichen Rechtslage anhand der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen auseinanderzusetzen und zu unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten Stellung zu nehmen, sofern diese für die Entscheidungserheblichkeit maßgeblich sein können

42

(vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 2012 - 1 BvL 20/09 -, BVerfGE 131, 1 ff., Juris Rn. 67, und vom 22. September 2009 - 2 BvL 3/02 -, BVerfGE 124, 251 ff., Juris Rn. 23, jeweils m.w.N; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2016 - 1 BvL 7/15 -, NVwZ 2016, 1318 <1319>, Juris Rn. 15 m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2014 - 2 BvL 25/09 u.a. -, Juris Rn. 27 m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Dezember 2015 - 1 BvL 4/11 -, NZS 2016, 263 <264>, Juris Rn. 14 m.w.N.).

43

Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluss nicht. Zwar hat das vorlegende Gericht den seiner Ansicht nach entscheidungserheblichen Sachverhalt im Wesentlichen wiedergegeben und näher ausgeführt, wie sich eine Nichtigkeit von § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG auf seine Entscheidung auswirken würde. Das vorlegende Gericht setzt sich jedoch im Vorlagebeschluss nicht ausreichend damit auseinander, ob Rechtsgrundlage für die Widerspruchsgebühr § 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwKostG oder § 15 Abs. 3 Satz 2 VwKostG ist.

44

§ 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwKostG wären für das Ausgangsverfahren nur dann entscheidungserheblich, wenn sich der Kläger des Ausgangsverfahrens „allein“ gegen eine Kostenentscheidung in diesem Sinne gewandt hätte

45

(vgl. Friedersen, in: Busch/ Friedersen, Praxis der Kommunalverwaltung - E 4 b SH - VwKostG SH, Stand: September 2006, § 22 Erl. 3),

46

wenn der in dem Ausgangsverfahren angefochtene Leistungsbescheid also eine reine Kostenentscheidung im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 1 VwKostG wäre und auch insoweit ausschließlich diese Entscheidung durch den Kläger des Ausgangsverfahrens angefochten worden wäre.

47

Das vorlegende Gericht hätte sich zur hinreichenden Begründung der Entscheidungserheblichkeit damit auseinander setzen müssen, ob § 15 Abs. 4 VwKostG nur die Fälle betrifft, in denen sich der Widerspruch allein gegen die festgesetzten Kosten als solche richtet, zum Beispiel gegen die Höhe der Kosten, deren Berechnung oder die richtige Anwendung von Gebührennormen. Dabei hätte sich das vorlegende Gericht zudem damit beschäftigen müssen, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens sich in der Sache erkennbar nur gegen die Kosten oder auch gegen die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme gewendet hatte.

48

Insofern ist das vorlegende Gericht trotz bestehender Notwendigkeit nicht hinreichend auf die Besonderheiten des Ausgangsverfahrens eingegangen. Dieses betrifft einen Leistungsbescheid zu einer Ersatzvornahme. Zwar werden mit dem Leistungsbescheid Auslagen der Verwaltung sowie pauschalisierte Verwaltungsgebühren erhoben. Voraussetzung für die Erhebung dieser Kosten einer Ersatzvornahme ist jedoch auch die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ersatzvornahme als Kostengrund

49

(vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1984 - 4 C 31.81 -, NJW 1984, 2591 <2592>, Juris Rn. 12; OVG Schleswig, Urteil vom 27. April 2006 - 4 LB 23/04 -, NordÖR 2006, 204 <205>, Juris Rn. 88 m.w.N.; VG Schleswig, Urteil der vorlegenden Kammer vom 17. Februar 2015 - 3 A 78/14 -, Juris Rn. 18, vgl. auch Rn. 40, wo als Rechtsgrundlage für die Widerspruchsgebühr § 15 Abs. 3 VwKostG benannt wird).

50

Bei einem angefochtenen Leistungsbescheid zu einer Ersatzvornahme ist also zwingend inzident auch deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

51

Es bleibt der betroffenen Person im Ergebnis keine andere Möglichkeit, als den Leistungsbescheid anzufechten, wenn sie die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme überprüft wissen möchte. In einem solchen Fall geht es nicht (nur) darum, die Kosten des Abschleppvorgangs nicht zu zahlen, sondern auch um die Feststellung, dass das Parkverhalten nicht rechtswidrig war, sei es aus Rehabilitationsinteresse, sei es aus Interesse an Rechtssicherheit für zukünftiges Verhalten.

52

Nicht anders verhält es sich im Ausgangsverfahren. In diesem geht es erkennbar zumindest auch um eine Anfechtung der Sachentscheidung über die Ersatzvornahme. Der Kläger hat sich sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren argumentativ allein gegen die Rechtmäßigkeit des eingeleiteten Abschleppvorgangs gewendet. Einwendungen gegen die im angefochtenen Leistungsbescheid festgesetzten Kosten als solche, also gegen deren Höhe oder deren Berechnung, hat der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht vorgebracht. Die „Klarstellung“, dass er sich auch gegen die Widerspruchsgebühr wende, ist erst nach Anfrage durch das vorlegende Gericht erfolgt.

53

Es ist fraglich, ob bei einem isolierten Widerspruch gegen die Kostenentscheidung in der Hauptsache im Sinne von § 15 Abs. 4 VwKostG die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung zu überprüfen ist. In der vom vorlegenden Gericht zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 1979 (- 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217 ff., Juris Rn. 42) hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass bei einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung nicht zu überprüfen ist. Es führt aus:

54

Die Widerspruchsbehörde hat lediglich zu prüfen, ob von der Ausgangsbehörde bei der Kostenentscheidung die Vorschriften des Gebührengesetzes oder der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung beachtet worden sind, etwa ob ein Billigkeitsfall vorliegt.

55

Soweit das vorlegende Gericht ausgeführt hat, dass die Beklagte des Ausgangsverfahrens zu Unrecht von § 15 Abs. 3 VwKostG als Rechtsgrundlage für die Widerspruchsgebühr ausgegangen sei, da aufgrund der Erledigung der Ersatzvornahme sich der Widerspruch nicht mehr gegen diese gerichtet habe, sondern allein gegen die Kostenentscheidung und somit diese isoliert im Sinne von § 22 Abs. 2 VwKostG angefochten sei, genügt dies nicht zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

56

Dies gilt umso mehr, als die Beklagte des Ausgangsverfahrens in dem Verfahren unter Auseinandersetzung mit der vom vorlegenden Gericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausführlich dargelegt hat, warum die Festsetzung der Widerspruchsgebühr aus § 15 Abs. 3 VwKostG folge, und insbesondere auch darauf hingewiesen hat, dass sich der Kläger des Ausgangsverfahren jedenfalls auch gegen die Sachentscheidung wehren will. Bereits dies hätte dem vorlegenden Gericht Anlass geben müssen, sich im Vorlagebeschluss mit dieser Frage dezidiert zu befassen. Da sich die Beklagte des Ausgangsverfahrens auf dieselbe Entscheidung bezogen hat wie das vorlegende Gericht, hätte dieses sich zudem mit der Argumentation der Beklagten anhand dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auseinander setzen müssen.

57

Mit keiner dieser Fragen befasst sich das vorlegende Gericht im Vorlagebeschluss hinreichend. Das wäre aber erforderlich gewesen, zumal diese in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft nicht geklärt sind. Von entsprechenden Darlegungen kann auch nicht deshalb abgesehen werden, weil nicht allein das vorlegende Gericht die Auffassung vertritt, dass die Anfechtung eines zur Festsetzung von Kosten einer Ersatzvornahme erlassenen Leistungsbescheides eine Anfechtung allein einer Kostenentscheidung darstellt

58

(so etwa auch: VG Schwerin, Urteil vom 14. September 2016 - 7 A 31/16 SN -, Juris Rn. 30).

59

Hinzu kommt, dass das vorlegende Gericht selbst in einer vorherigen Entscheidung noch § 15 Abs. 3 VwKostG und nicht etwa § 15 Abs. 4 VwKostG als Rechtsgrundlage für die Widerspruchsgebühr benennt

60

(VG Schleswig, Urteil der vorlegenden Kammer vom 17. Februar 2015 - 3 A 78/14 -, Juris Rn. 40).

61

Das vorlegende Gericht befasst sich damit, ob § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG in der von ihm vorausgesetzten Weise der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Norm des nordrhein-westfälischen Rechts ähnelt. § 15 Abs. 4 GebG NW hatte den Gebührenmaßstab für einen Widerspruch gegen die Kostenentscheidung an die Kosten der Sachentscheidung geknüpft. Dagegen bezieht sich § 15 Abs. 4 Satz 2 VwKostG auf den angefochtenen Betrag. Das vorlegende Gericht führt zwar aus, dass auch der angefochtene Betrag erheblich sein kann, bezieht sich dabei jedoch auf ein Beispiel, in welchem es letztlich um die Sachentscheidung geht (Beseitigung einer Ölspur). Der angefochtene Betrag muss aber gerade nicht den gesamten Kosten der Sachentscheidung entsprechen, sondern kann deutlich niedriger sein, wenn zum Beispiel nur die Angemessenheit der erhobenen Kosten für die Beseitigung der Ölspur im Streit steht. Der angefochtene Betrag steht auch in einem anderen Verhältnis zu den Kosten des Widerspruchsverfahrens als die Kosten der Sachentscheidung. Dieser Unterschied könnte entscheidungserheblich sein, wird vom vorlegenden Gericht aber ebenfalls nicht erörtert.

C.

62

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

63

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.


Gründe

1

1. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 7. Kammer - vom 29. Dezember 2016 hat keinen Erfolg.

2

Die von der Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Der wesentliche Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe einen unrichtigen tragenden Rechtssatz aufgestellt, indem es davon ausgegangen sei, dass die Beklagte ihr nach § 10 VwKostG LSA zugewiesenes Ermessen dadurch fehlerhaft ausgeübt habe, dass sie nicht die im Zeitpunkt der Amtshandlung geltende Fassung der (hier einschlägigen) Tarifstelle bei der Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Ausfüllung des Gebührenrahmens zugrunde gelegt habe und somit der Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis durchgeschlagen habe, rechtfertigt ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht.

5

Im angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2015 ist die Beklagte bei ihrer Gebührenfestsetzung in Anwendung des §§ 1, 3 Abs. 1 und 3, § 10 Abs. 1 VwKostG LSA i. V. m. der lfd. Nr. 60 Tarifstelle 1 der Anlage zu § 1 der Allgemeinen Gebührenordnung vom 10. Oktober 2012 (GVBl. LSA S. 336) in der Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 29. August 2014 (GVBl. LSA S. 408, 416) - im Folgenden: AllGO LSA 2014 - rechtsfehlerhaft von einem Gebührenrahmen von 20,00 € bis 10.000,00 € ausgegangen, obgleich nach der hier anzuwendenden lfd. Nr. 76, Tarifstelle 1 der Anlage zu § 1 der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. August 2004 (GVBl. LSA 554) in der Fassung der Verordnung vom 5. Mai 2011 (GVBl. LSA S. 572) - im Folgenden: AllGO LSA 2011 - lediglich eine Rahmengebühr von 20,00 € bis 5.000,00 € in den Ansatz zu bringen war. Denn die in Rede stehende Maßnahme/Amtshandlung der Beklagten, hinsichtlich derer der Kläger herangezogen wird, endete bereits am 14. Januar 2012, mithin vor Inkrafttreten der den Gebührenrahmen abändernden Fassung (vgl. § 4 AllGO LSA 2011).

6

Entgegen der Annahme der Beklagten stellt die Heranziehung einer nicht einschlägigen Fassung des Gebührentarifs nicht nur dann einen rechtserheblichen Mangel dar, wenn diese Obergrenze die Gewichtung und die Bestimmung der Werterelation in mathematischer Hinsicht - feststellbar - beeinflusst hat. Vielmehr genügt ist, wenn - wie hier - ein solcher Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann.

7

Eine ermessensfehlerfreie Gebührenfestsetzung ist von vornherein nicht möglich, wenn die Behörde den vorgegebenen Gebührenrahmen, innerhalb dessen das Festsetzungsermessen zu betätigen ist, fehlerhaft nicht zugrunde gelegt hat (vgl. Urteil des Senates vom 14. Mai 2014 - 3 L 354/13 -, juris). Der Fall liegt nicht anders, wenn die Behörde - wie hier - in Anwendung einer vermeintlich von 5.000,00 € auf 10.000,00 € abgeänderten Gebührenobergrenze einen unzutreffenden Gebührenrahmen ihrer Entscheidung zugrunde legt und damit der Ermessensausübung einen zu weiten Gebührenrahmen unterlegt.

8

Legt eine Behörde der verwaltungskostenbedingenden Amtshandlung einen fehlerhaften Gebührenrahmen, innerhalb dessen das Festsetzungsermessen zu betätigen ist, zugrunde, so ist eine ermessensfehlerfreie Gebührenfestsetzung, die sich an der Unter- und Obergrenze der Rahmengebühr zu orientieren hat und innerhalb dieses Rahmens anhand der Kriterien des § 10 Abs. 1 VwKostG LSA vorzunehmen ist, regelmäßig nicht möglich. Anders gewendet: Der Ermessensspielraum ergibt sich aus dem jeweils vorgegebenen Gebührenrahmen und wird maßgeblich durch diesen geprägt, so dass bei der vermeintlichen Heranziehung einer überhöhten Rahmenobergrenze von einem weiteren Rahmenermessen ausgegangen wird als es tatsächlich zur Verfügung steht. Dies indiziert Fehler beim Ausüben des Rahmenermessens. Bei der Heranziehung eines falschen Gebührenrahmens kann - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - ein Abwägungsmangel zum Nachteil des Gebührenschuldners folglich (regelmäßig) nur dann ausgeschlossen sein, wenn der heranzuziehende und der vermeintlich herangezogene Gebührenrahmen - wie hier - hinsichtlich des unteren Gebührenrahmens identisch sind und die Mindestgebühr festgesetzt wurde (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2017 - 9 B 384/17 -, juris). Die Beklagte hat zwar mit der Festsetzung der streitbefangenen Verwaltungsgebühr in Höhe von 80,00 € im unteren Bereich des fälschlich angenommenen Gebührenrahmens die Gebühr festgesetzt, gleichwohl die Mindestgebühr von 20,00 € überschritten. Weicht jedoch - wie hier - der vermeintlich zugrunde gelegte obere Gebührenrahmen - sogar um das Doppelte - von dem richtigerweise heranzuziehenden oberen Gebührenrahmen ab, ist eine abwägungsfehlerfreie Ausübung des Rahmenermessens regelmäßig nicht möglich, weil sich die Ermessensausübung an einem zu weiten Gebührenrahmen orientiert.

9

Soweit die Beklagte einwendet, für das Festsetzungsverfahren habe die Gebührenobergrenze (der Rahmengebühr) keine Funktion gehabt, weil die Beklagte die Bemessung nur nach dem Aufwand unter Vernachlässigung des Wertes des Gegenstandes der Amtshandlung vorgenommen habe, weist sie zwar richtigerweise darauf hin, dass die hier in Rede stehende Amtshandlung eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung ist, so dass bei der Bemessung des Gebührensatzes allein die Gesichtspunkte des für die Amtshandlung anfallenden Verwaltungsaufwandes und der Kostendeckung berücksichtigt werden dürfen (vgl. u. a. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2017 - 9 A 2655/13 - juris Rn. 79 [m. w. N]; Saarl. OVG, Urteil vom 13. Januar 2016 - 1 A 367/14 -, juris Rn. 40). Dementsprechend ist auf die Bemessungskriterien Wert des Gegenstandes der Amtshandlung, Nutzen und Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner (vgl. § 10 Abs. 1 VwKostG LSA) nicht abzustellen. Nicht nachvollziehbar nimmt die Beklagte jedoch an, dass der Gebührenobergrenze in diesem Zusammenhang keinerlei Funktion zukommt. Ihr ist zwar zuzugeben, dass der Verdopplung der Gebührenobergrenze aufgrund des Äquivalenzprinzips kein „Ziehharmonikaeffekt“ dergestalt zukommt, dass sich die Gebührensätze proportional erhöhen würden. Dass die Gebühr - wie die Beklagte meint - von vornherein nicht höher sein könne als die entstandenen Kosten, ist jedoch nicht der Fall. Unberücksichtigt bleibt hierbei, dass die von dem Gebührentarif erfassten Maßnahmen pauschalierend und typisierend in dem vom Verordnungsgeber vorgegebenen Gebührenrahmen einzuordnen sind, es mithin gerade nicht auf die tatsächlichen Kosten des Verwaltungshandelns ankommt. Eine Verletzung des Kostendeckungsprinzips im Verwaltungsgebührenrecht setzt ein „grobes Missverhältnis“ zwischen der Gebühr und den Kosten der Amtshandlung voraus. Diese Grenze ist in der Regel jedenfalls dann überschritten, wenn die Gebühr die Kosten der Amtshandlung um mehr als 100 % übersteigt (vgl. Saarl. OVG, Urteil vom 13. Januar 2016, a. a. O, Rn. 47; unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 6. November 2012 - 2 BvL 51/06 und 52/06 -, juris Rn. 67) Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nicht jede Überschreitung des Aufwandes eine Verletzung des Kostendeckungsprinzips nach sich zieht, mithin gleichwohl der vorgegebene Gebührenrahmen von Bedeutung ist.

10

Entgegen der Annahme der Beklagten kann im vorliegenden Fall gerade nicht (von vornherein) ausgeschlossen werden, dass die Gebühr bei Beachtung des maßgebenden Gebührenrahmens nach der lfd. Nr. 76 Tarifstelle 1 der Anlage zu § 1 AllGO LSA 2011 geringer festgesetzt worden wäre. Die Beklagte hat sich zwar grob am Verwaltungsaufwand orientiert, indem sie im erstinstanzlichen Verfahren unter Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen ausgeführt hat, dass der in Anlehnung an die Regelungen der Tarifstelle 5.1 und 5.2.2 der lfd. Nr. 60 der Anlage zu § 1 AllGO LSA 2014 ermittelte pauschalierte Verwaltungsaufwand 205,50 € betragen (zwei Beamte á 2 Einsatzstunden zzgl. Kilometerpauschale für 3 km [vgl. Klageerwiderung vom 24. August 2016]) und die Obergrenze gebildet habe. Festzustellen ist jedoch auch, dass der - in Anwendung der von der Beklagten gewählten Methodik - pauschalierte Verwaltungsaufwand in Entsprechung der maßgebenden Verordnungsfassung (vgl. Tarifstelle 5.1 und 5.2.2 der lfd. Nr. 76 der Anlage zu § 1 AllGO LSA 2011) 161,50 € und nicht 205,50 € betragen hätte. Aus welchen Erwägungen heraus die Beklagte sodann ausgehend von dem vermeintlich zugrunde gelegten Gebührenrahmen von 20,00 bis 10.000,00 € eine Gebühr von 80,00 € trotz eines mehr als doppelt so hohen pauschalierten Verwaltungsaufwandes für ermessensgerecht gehalten hat, kann insbesondere unter Berücksichtigung der ergänzenden Ermessenserwägungen in der Klageerwiderung nicht mehr nachvollzogen werden. Zwar hat die Beklagte im streitbefangenen Bescheid ausgeführt, berücksichtigt zu haben, dass der Kläger der polizeilichen Maßnahme nur zögerlich Folge geleistet hätte und es wiederholt zu einem Einsatz gekommen wäre. Wie diese Erwägungen den vorgenommenen Abschlag zu rechtfertigen in der Lage sind, ist nicht ersichtlich und wird durch die Beklagte auch nicht erklärt. Dies zugrunde gelegt kann nur vermutet werden, ob bei Beachtung der hier maßgebenden Rahmenobergrenze von 5.000,00 € und des maßgebenden pauschalierten Verwaltungsaufwandes von 161,50 € eine Einordnung in derselben Höhe erfolgt wäre. Die weitere Ermessenspraxis bei Einordnung von „kurzen Polizeieinsätzen wie im Streitfall“ legt die Beklagte dagegen nicht offen. Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass für die Bestimmung innerhalb eines - seinerseits ordnungsgemäß festgelegten - Gebührenrahmens gilt, dass dessen Mittelwert den durchschnittlich wertigen und aufwendigen Fall kennzeichnet (vgl. OVG BB, Urteil vom 29. März 2012 - 1 B 50.11 -, juris).

11

Mit ihrem Einwand, § 10 Abs. 1 VwKostG LSA eröffne kein Ermessen hinsichtlich einer beliebigen Veränderung der im Festsetzungsverfahren ermittelten Gebühr, macht die Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nicht zulassungsbegründend geltend. Weder ist das Verwaltungsgericht von einer willkürlichen Veränderbarkeit ausgegangen, noch hat die Beklagte - entgegen ihrer Behauptung - die festgesetzte Gebührenhöhe von 80,00 € abschließend an den (maßgebenden) pauschalierten Stundensätzen und Fahrtkosten orientiert. Vielmehr hat sie - ohne nachvollziehbare Begründung - einen Abschlag auf den zudem fälschlich ermittelten pauschalierten Verwaltungsaufwand vorgenommen (siehe Darstellung oben).

12

Dass für den Verordnungsgeber (vgl. § 3 Abs. 3 VwKostG LSA) alleiniger Zweck der Anhebung des oberen Gebührenrahmens der lfd. Nr. 60 Tarifstelle 1 der Anlage zu § 1 AllGO LSA 2014 gewesen sei, größere Einsätze von Polizei- und Sicherheitsbehörden liquidieren zu können, steht der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes nicht entgegen, steht doch in dem hier vorliegenden Einzelfall gerade nicht fest, dass orientiert am Verwaltungsaufwand bei Berücksichtigung der maßgebenden - niedrigeren - Gebührenobergrenze das Ermessen nicht zu Gunsten des Klägers anders ausgeübt worden wäre.

13

Soweit die Beklagte behauptet, es habe sich lediglich um ein „Fehlzitat der einschlägigen Tarifstelle“ bzw. ein „unbedachtes Wortzitat der unzutreffenden Gebührenobergrenze“ durch den Sachbearbeiter gehandelt, das weder einen Abwägungsmangel noch einen Ermessenfehler bedingt, besteht hierfür kein Anhalt. Wie im angefochtenen Bescheid hat die Beklagte auch in ihrer Klageerwiderung einzig den überhöhten Gebührenrahmen in Bezug genommen, so dass auszuschließen ist, dass es sich um einen bloßen Schreibfehler des Sachbearbeiters gehandelt hat, mithin die Beklagte tatsächlich vom anzuwendenden Gebührenrahmen ausgegangen ist. Dieses Ergebnis wird auch durch die mit der Klageerwiderung vorgetragenen (ergänzenden) Ermessenserwägungen der Beklagten bestätigt. Denn sie hat den pauschalierten Verwaltungsaufwand anhand des in der lfd. Nr. 60 Tarifstelle 5.1 der Anlage zu § 1 AllGO LSA 2014 niedergelegten höheren Gebührensatzes von 50,00 € (je Bediensteten und angefangener Stunde) ermittelt.

14

Mit dem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand, die - von ihr im Einzelnen dargestellte - Ermessensfehlerlehre kenne keinen Ermessensfehler für den Fall, dass die Behörde den Vorschriftentext (lediglich) unrichtig wiedergibt, verkennt die Beklagte, dass schon keine bloße unrichtige Wiedergabe des Normtextes vorgelegen hat, sondern eine für die in Rede stehende Maßnahme noch nicht anwendbare Verordnungsfassung - hier: AllGO LSA 2014 - herangezogen wurde, die einen deutlich weiteren Gebührenrahmen und einen höheren Stundensatz vorgibt, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Rahmenermessen anders betätigt worden wäre.

15

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

16

3. Die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 40, 47, 52 Abs. 3 GKG.

17

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 18. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 wird aufgehoben, soweit im Leistungsbescheid ein Betrag von mehr als 190,70 Euro erhoben und im Widerspruchsbescheid eine Widerspruchsgebühr von mehr als 19,07 Euro festgesetzt wird.

Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Verwaltungsgebühren und -auslagen für die Entfernung seines von ihm abgestellten Kraftfahrzeugs vom Abstellort.

2

Am 28. Oktober 2014 gegen 12 Uhr wurde das Ordnungsamt des Beklagten telefonisch durch den Fahrer eines gemieteten Lkw informiert, dass er mit diesem wegen parkender Fahrzeuge die Straßenecke D-Weg/E-Weg in A-Stadt nicht oder allenfalls unter verbotswidrigem Befahren des Bürgersteigs passieren könne. Beim Eintreffen der Außendienstmitarbeiter, u. a. der Zeugin F., war um 12.09 Uhr gerade der Lkw einer Umzugsfirma im Begriff, die Stelle mit Hilfe von Einweisern und unter Benutzung des Bürgersteigs zu durchqueren. Es handelt sich um den Übergangsbereich zwischen zwei rechtwinklig zueinander angeordneten Einbahnstraßen im Wohnviertel bei der G-Kirche nahe dem H-Park. Kraftfahrzeuge, die in das Viertel über die Einbahnstraße I-Weg eingefahren sind und es wieder verlassen wollen, fahren über die süd-nördlich verlaufende Einbahnstraße D-Weg, die an deren Ende beginnende west-östlich verlaufende Einbahnstraße E-Weg, den hiervon abzweigenden J-Weg und die K-Straße ins übergeordnete Straßensystem aus. Die Straßen sind gepflastert und seit DDR-Zeiten baulich nicht verändert worden; mit hohen Kantsteinen sind die plattenbelegten Bürgersteige von den schmalen Fahrbahnen abgegrenzt. Vor der G-Kirche wird auf deren Grundstück auf senkrecht zum D-Weg angeordneten Stellplätzen, sonst im D-Weg auf der in Fahrtrichtung rechten und im E-Weg bis zum J-Weg auf der in Fahrtrichtung linken Seite längs der Bordsteinkante geparkt. In Verlängerung der parkenden Fahrzeugreihe auf dem E-Weg waren im Übergangsbereich D-Weg/E-Weg auf der Fahrbahn am nördlichen linken Bürgersteig das klägerische Fahrzeug, ein Mittelklasse-BMW-Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen AA LL mmm, und noch westlich davon ein weiterer Pkw geparkt.

3

Die Mitarbeiter des Ordnungsamts ließen zunächst den letztgenannten Pkw abschleppen; der Fahrer des Miet-Lkw konnte die Stelle jedoch noch immer nicht passieren, auch weil sie durch einen auf der rechten Seite des D-Wegs abgestellten Pkw Ford und die Fahrzeuge auf dem Parkplatz vor der G-Kirche keine Ausweich- und Rangiermöglichkeiten bot. Nach dem vergeblichen Versuch, Möglichkeiten zur Benachrichtigung des Klägers zu finden, ließen sie auch dessen Pkw vom um 12.48 Uhr gerufenen Abschleppdienst der Fa. N. gegen 12.56 Uhr bergen und auf deren Gelände verbringen; hierüber wurde die Polizei informiert. Der Kläger holte sein Fahrzeug nach zweitägiger Verwahrung durch den Abschleppunternehmer dort ab.

4

Bei seiner Anhörung im Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen sorgfaltswidriger Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gab der Kläger gegenüber dem Beklagten an, sein Fahrzeug, sorgfältig an der betreffenden Stelle abgestellt, habe seit Tagen keinen anderen behindert; für den Abstellort gelte weder ein Halte- noch ein Parkverbot. Gegen den ergangenen Bußgeldbescheid vom 28. Januar 2015 erhob er Einspruch; das Amtsgericht stellte am 29. Juni 2015 nach seiner Aussage zur Sache das Verfahren ein, weil es eine Ahndung nicht für geboten hielt.

5

Zwischenzeitlich hatte der Beklagte den hier streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 18. März 2015 erlassen. Damit erhob er vom Kläger als Auslagen die ihm von der Fa. N. unter dem 29. Oktober 2014 berechneten Bergungs- und Transportkosten von 120 € nebst Einstellgebühr von 10 € zzgl. Umsatzsteuer, zusammen 154,70 €, ferner 42 € an Verwaltungsgebühren und damit insgesamt 196,70 €, fällig zum 22. April 2015.

6

Den unter dem 31. März 2015 eingelegten klägerischen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2015 auf Kosten des Klägers als unbegründet zurück, wobei er eine Widerspruchsgebühr von 20 € festsetzte.

7

Mit der Klage vom 6. Januar 2016 verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Er hält das Abschleppen seines Fahrzeugs für unverhältnismäßig, zumal dem Ordnungsamt die Örtlichkeit und die Probleme mit der Enge schon länger bekannt gewesen sein dürften; erst nachfolgend sei aber ein Halteverbot ausgeschildert worden. Für die Behinderung am 28. Oktober 2014, die geübte Lkw-Fahrer noch hätten meistern können, sei hauptsächlich das auf der rechten Seite des D-Wegs geparkte Fahrzeug verantwortlich gewesen. Er beantragt,

8

den Bescheid des Beklagten vom 18. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt

10

Klageabweisung

11

und verteidigt die ergangenen Bescheide. Die spätere Beschilderung der Stelle ändere nichts an der Gefährlichkeit eines behindernden Parkens dort zuvor.

12

Mit Beschluss vom 16. März 2016 ist der Rechtsstreit dem erkennenden Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung Frau F. als Zeugin über das ordnungsbehördliche Vorgehen am 28. Oktober 2014 vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und auf die beigezogenen Akten des Verfahrens ooo Js pppp/15 OWi der Staatsanwaltschaft A-Stadt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist nur in geringem Umfange begründet.

14

Im Wesentlichen unterliegen die angegriffenen Bescheide nicht der beantragten Aufhebung durch das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 und § 115 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –, denn sie sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

15

Die Voraussetzungen für die streitige Kostenerhebung liegen nämlich vor.

16

So erfolgte die kostenpflichtige Amtshandlung rechtmäßig. Es handelt sich um eine vom nach § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 2 Satz 1 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – SOG M-V – als Ordnungsbehörde zuständigen Beklagten durch einen Beauftragten ausgeführte Ersatzvornahme im Sinne von § 89 Abs. 1 SOG M-V, die als Maßnahme des Verwaltungszwangs im sofortigen Vollzug gemäß § 81 SOG M-V der Gefahren abwehrenden Durchsetzung eines Verhaltensgebots nach der Straßenverkehrs-OrdnungStVO – diente.

17

Das vom Kläger abgestellte Fahrzeug wurde aus einem Bereich der Fahrbahn entfernt, in dem es auch nach Entfernung des (westlich) hinter ihm geparkten Pkw ein Hindernis für den Straßenverkehr mit größeren und längeren Fahrzeugen darstellte; diese konnten, wie zur Überzeugung des Gerichts nach der Aussage der Zeugin F. und aufgrund der beim Einsatz gefertigten Lichtbilder sowie des vorhandenen Luftbilds aus der GAIA-M-V-Datenbank feststeht, den Bereich nicht nur nicht ohne Einweiser passieren, sondern auch im vorhandenen freien Fahrbahnteil nicht die für einen Abbiegevorgang wegen ihrer Länge und der resultierenden Gestalt der Schleppkurve notwendige Ausscherfläche finden. Dies lag entgegen klägerischer Auffassung nicht an dem im D-Weg rechts, im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 1 a. E. StVO und offenbar auch § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässig, geparkten Pkw Ford, da bei einem Rechtsabbiegevorgang mit einer 90-º-Richtungsänderung längere Fahrzeuge sowieso leicht nach links ausschwenken, um die Abbiegekurve zu verflachen und um nicht „mittschiffs“ den Straßenrand zu berühren. An einem weiteren Ausschwenken nach links, das den Lkw vielleicht noch die Durchfahrt durch die Übergangszone ohne ein Abschleppen der beiden Pkw ermöglicht hätte, waren jene aber erkennbar durch die ebenfalls zulässig auf der Parkfläche vor der Kirche abgestellten Fahrzeuge gehindert. Die zum Ausgleich hierfür notwendige Ausschwenkfläche im Norden des Übergangsbereichs war durch das klägerische Fahrzeug und bis zu dessen Entfernung durch den zuvor entfernten, hinter ihm abgestellten weiteren Pkw besetzt.

18

Durch diese Lage des vom Kläger gewählten Abstellorts für sein Fahrzeug bestand kraft verordnungsrechtlicher Regelung ein Gebot, das Fahrzeug von dort zu entfernen; diese vertretbare Handlung wurde mit der Ersatzvornahme vollzogen.

19

Der Kläger weist allerdings zutreffend darauf hin, dass seinerzeit für den Abstellort (mit Ausnahme der Einbahnstraßenregelung) keine für das Halten oder Parken relevante Regelung durch ein Verkehrszeichen im Sinne von §§ 39, 41 oder 42 StVO in Verbindung mit der Anlage 2 oder 3 hierzu galt. Sein Fahrzeug war in Fahrtrichtung links geparkt, wie es in einer Einbahnstraße am linken Fahrbahnrand nach § 12 Abs. 4 Satz 4 StVO grundsätzlich zulässig ist.

20

Auch das Halten oder Parken beschränkende Regelungen des § 12 Abs. 1 oder 3 StVO dürften auf den Abstellort nach wie vor unanwendbar sein. Bordsteinabsenkungen im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO sind im gesamten Übergangsbereich zwischen D-Weg und E-Weg ausweislich der Photographien nicht erkennbar, ebenso wenig konkurrierende Fahrbahnnutzungen im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 2 – 4 StVO. Bei diesem Übergangsbereich dürfte es sich (ungeachtet der straßenverkehrsrechtlich irrelevanten unterschiedlichen Benennung der beiden ineinander übergehenden Straßen) auch weder um eine Kreuzung oder Einmündung im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO noch um eine scharfe Kurve im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO handeln. Denn als Kurve gilt zwar „der gekrümmte Straßenverlauf bezogen auf eine einheitliche Fahrbahn“, was bei der „abknickenden Straßenführung“ D-Weg/E-Weg grundsätzlich wohl bejaht werden kann. Das Verbot des Kurvenparkens gemäß der StVO dient aber erkennbar dem Verkehrsfluss im Straßenraum und dem möglichst weitgehenden Ausschluss von Gefährdungen, die im Falle seiner Zulassung durch Brems- und Ausweichmanöver entstehen könnten. Eine Behinderung des fahrenden Verkehrs soll vermieden werden. Das Verbot trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass Kraftfahrzeuge in Kurvenbereichen nicht per se zum Fahren auf Sicht verpflichtet sind und darauf vertrauen dürfen, dort durch stehenden Verkehr unbeeinträchtigt zu bleiben. Diese Gesichtspunkte treffen jedoch auf den Übergang zweier enger, ein Wohngebiet erschließender Einbahnstraßen nicht zu, wo aufgrund der typischen Sichtverhältnisse davon auszugehen ist, dass sich der dort fahrende fließende Verkehr nur tastend voran bewegt und Pkw-Fahrer nicht damit rechnen können, ihre Fahrt ohne Rücksicht auf den stehenden Verkehr fortsetzen zu können, und wo der Ausbauzustand die Ausnutzung der üblichen innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit nicht zulässt (vgl. zum Vorstehenden in Bezug auf Wendehämmer oder -schleifen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. November 2003 – 1 Ss (OWi) 218 Z/03 –, Neue Juristische Wochenschrift 2004, S. 961 m. w. Nachw.). Auch als Einmündung oder gar Kreuzung im Sinne der zuvor genannten Vorschrift dürfte der streitgegenständliche Bereich nicht zu qualifizieren sein, schon weil die Fahrbahn sich dort nicht verzweigt. Zudem war das klägerische Fahrzeug nicht in oder nahe bei einem „inneren“ Schnittpunkt von Fahrbahnkanten abgestellt, wo es vor und hinter Kreuzungen oder Einmündungen nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO verboten ist, sondern „gegenüber“ einer Art „Halb-Einmündung“ oder „Halb-Kreuzung“; die einer Einmündung gegenüber liegende Seite wird aber von dem kodifizierten Verbot nicht erfasst, da nur auf der an der Einmündung liegenden Straßenseite die Fahrbahnkanten der einmündenden mit der durchlaufenden Straße zusammenstoßen und nur hier das Bedürfnis nach ungehindertem Einblick und ungehinderter Einfahrt besteht (s. den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. November 1988 – 2 Ss 190/88 –, juris Rdnr. 11 f. m. w. Nachw.). Schließlich handelt es auch nicht um einen klassischen Kreuzungsbereich selbst, wo das Parken immer mit einem Verstoß gegen das Gebot des Parkens am Fahrbahnrand nach § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO verbunden ist (s. den Beschluss des Kammergerichts vom 6. Dezember 1990 – 2 Ss 252/90 - 3 Ws (B) 283/90, 2 Ss 252/90, 3 Ws (B) 283/90 –, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht 1991, S. 163 [164]); einen solchen dürfte nämlich der Kläger, wie gesagt, angesteuert haben. Des Weiteren ist der Abstellort des klägerischen Fahrzeugs nicht dem in der Rechtsprechung geprägten Begriff der engen Straßenstelle im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO zuzuordnen. Denn es verblieb ausweislich der Messung der Zeugin F. selbst im vorderen Bereich des klägerischen Fahrzeugs, der am weitesten in den E-Weg hineinragte, nämlich beim Außenspiegel, ein Abstand von 3,10 m zwischen diesem und der Bordsteinkante; üblicherweise für den gefahrenfreien Durchlass erforderlich und Grenze des Begriffs der engen Straßenstelle ist aber eine Breite von 50 cm zuzüglich der allgemein höchstzulässigen Breite eines Fahrzeugs nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung von 2,55 m, zusammen 3,05 m (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Rdnr. 22 zu § 12 StVO m. w. Nachw.). Als zu eng erwies sich der streitgegenständliche Straßenbereich nur wegen der besonderen Flächenanforderungen des Lkw-Verkehrs, was für den Verbotstatbestand nicht reichen dürfte. Um eine unübersichtliche Stelle im Sinne der letztgenannten Vorschrift dürfte es sich schließlich auch nicht gehandelt haben, wie auch das erfolgreich einen Unfall vermeidende umsichtige Verhalten der Lkw-Fahrer zeigt; auch die Verwirklichung von Tatbeständen der Nr. 3 – 5 in § 12 Abs. 1 StVO kommt nicht in Betracht.

21

Wenn sich hiernach auch nicht das Eingreifen eines der in § 12 StVO detailliert und abschließend geregelten Park- und Halteverbote feststellen lässt, so war das Parken gleichwohl nach § 1 Abs. 2 StVO unzulässig. In besonders gelagerten Fällen kann nämlich nach dieser Vorschrift ein Halten oder Parken auch dann, wenn es durch keine der Einzelvorschriften des § 12 StVO verboten wird, unzulässig sein, weil es andere gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert. Um einen solchen besonders gelagerten Fall handelt es sich hier. Das Gericht ist sich bewusst, dass § 1 Abs. 2 StVO keine „Auffangvorschrift“ für Park- und Halteverbote darstellt und dass deren Herleitung aus dieser allgemeinen Regelung nur in wirklichen Ausnahmesituationen zulässig ist. Denn grundsätzlich muss der fließende Verkehr die Behinderungen hinnehmen, die von einem Halten oder Parken ausgehen, das nach der ins einzelne gehenden Regelung des § 12 Abs. 1 und 3 StVO nicht unzulässig ist; wer sein Fahrzeug dort abstellt, wo es weder durch allgemeine Verkehrsregeln noch durch das Aufstellen von Verkehrszeichen verboten ist, kann damit in der Regel davon ausgehen, dass damit von ihm geschaffene Behinderungen vom Fahrverkehr als unvermeidbar hinzunehmen sind. Etwas anderes gilt aber (und nur), wenn im Einzelfall besondere Umstände die Prüfung nahelegen, ob durch das Parken oder Halten auf der Fahrbahn der fließende Verkehr nicht in unzumutbarer Weise behindert wird (s. das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 1986 – VI ZR 198/84 –, Versicherungsrecht 1986, S. 489). So liegt es hier.

22

Denn die Situation am Abstellort des klägerischen Fahrzeugs war durch eine ungewöhnliche Häufung von „Beinahe-Park- oder -Halteverboten“ im Sinne von § 12 Abs. 1 und 3 StVO gekennzeichnet. So ähnelte die Stelle derjenigen gegenüber einer Grundstücksausfahrt bei schmaler Fahrbahn im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, weil der D-Weg, ähnlich wie eine Grundstücksausfahrt auf eine Straße, im 90-º-Winkel auf den E-Weg trifft und weil größere Fahrzeuge in der Breite des passierbaren Fahrbahnteils des D-Wegs Probleme haben konnten, ohne mehrfaches Rangieren die neue Fahrtrichtung einzuschlagen. Die zusätzliche Ähnlichkeit jeweils mit einer Kurve, einer Einmündung oder Kreuzung sowie einer Straßenengstelle ist bereits oben angesprochen, wobei der Grenzwert für die Annahme einer tatbestandsmäßigen Straßenengstelle bei bloßer Geradeausfahrt des fließenden Verkehrs schon recht knapp verfehlt wurde und die ersichtlich notwendigen Richtungsänderungen passierender Fahrzeuge zusätzliche Problematiken und Raumbedarfe bewirken konnten, was zusätzlich die Flächen der Bürgersteige einer Gefährdung aussetzen konnte.

23

Hinzu kam, dass der Abstellort zu einer Folge von Einbahnstraßen gehört, die, wenn einmal versperrt, nicht nur für größere Fahrzeuge und nachfolgenden Verkehr eine „Falle“ darstellen können, da der Ort nur in eine Fahrtrichtung verlassen werden darf.

24

Dies bewirkte, dass aus dem eine Ausformung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots darstellenden Verbot vermeidbarer Behinderungen gemäß § 1 Abs. 2 StVO vorliegend objektiv ein auf den Abstellort des klägerischen Fahrzeugs bezogenes Parkverbot sowie das Gebot des Entfernens des Fahrzeugs von diesem Ort folgte. Für einen Fahrzeugführer war bei der aus den örtlichen Gegebenheiten folgenden Prüfungspflicht die mit relevanter Wahrscheinlichkeit behindernde Wirkung des Parkens sowie dessen hieraus resultierende Unzulässigkeit erkennbar, zumal für die Straßenführung keine Begrenzung der Benutzung durch größer dimensionierte Fahrzeuge galt.

25

Die weiteren Voraussetzungen für den erfolgten Vollzug des Wegfahrgebots durch den Beklagten lagen ebenfalls vor.

26

Dies gilt insbesondere für die Anforderungen an die notwendige Gefahrenintensität für das behördliche Eingreifen sowie an dessen Verhältnismäßigkeit und sonstige Ermessensgerechtigkeit. In Gestalt der Verhinderung des Ausfahrens der Lkw und ggf. weiterer Fahrzeuge aus dem Wohngebiet bestand eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 SOG M-V; denn die Lkw konnten die Stelle nur unter Benutzung des Bürgersteigs passieren, was nicht zulässig ist, und es konnten jederzeit weitere Verkehrsteilnehmer jedenfalls durch die Lkw aufgehalten werden. Eine Aufforderung an den Kläger zur Entfernung seines Fahrzeugs oder sonstige Maßnahme ihm gegenüber konnten wegen fehlender Kontaktmöglichkeit nicht erfolgen (s. Satz 2 der Vorschrift), so dass der Verwaltungszwang ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt gegenüber dem Pflichtigen zulässig war. Der Beklagte handelte, wie gesagt, auf dem Gebiet seiner gesetzlichen Befugnisse; für ihn wäre der Erlass einer Ordnungsverfügung mit dem Inhalt eines Gebots der vollzogenen Handlung an den Kläger als Handlungs- und Zustandsstörer im Sinne von § 69 und § 70 SOG M-V im Sinne von § 81 Abs. 3 und § 83 Abs. 1 Nr. 1 SOG M-V zulässig gewesen. Als Zwangsmaßnahme kam allein die Ersatzvornahme gemäß § 89 Abs. 1 SOG M-V in Betracht; die Vornahme der gebotenen Handlung, nämlich des Entfernens des klägerischen Pkw vom Abstellort, war durch einen anderen möglich, hier etwa durch die Fa. N. als Beauftragten des Beklagten. Ein anderer Abschluss der Maßnahme als durch Verbringen des Fahrzeugs in die Verwahrung durch die Fa. N. erwies sich mangels naher geeigneter Abstellorte nicht als möglich. Mit Hilfe der Polizei wurde der Kläger im Sinne von § 81 Abs. 2 SOG M-V über die Ersatzvornahme benachrichtigt. Ob das behördliche Tätigwerden zur Gefahrenabwehr zulässig war, konnte nicht von dem — bei Veranlassung des Abschleppens auch nicht aufklärbaren — Umstand abhängen, ob dem das Fahrzeug abstellenden Fahrzeugführer die Verkehrsregelung bewusst war, die das Verbleiben des Fahrzeugs am Abstellort verbot.

27

Der Beklagte darf daher auch, wie geschehen, gemäß § 14 des Landesverwaltungskostengesetzes – VwKostG M-V – in Verbindung mit § 114 sowie § 83 Abs. 1 Nr. 1 und § 81 Abs. 3 SOG M-V für die Amtshandlung Ersatzvornahme in Gestalt der Bergung und Verbringung des klägerischen Pkw die Kosten vom Kläger als Pflichtigen einfordern. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall, wie ihn der Kläger mit Hinweis darauf geltend macht, dass ein Halteverbot im Bereich des von ihm gewählten Abstellorts erst später ausgeschildert wurde, kann das Gericht nicht feststellen. Zwar kann es unverhältnismäßig sein, einen Kraftfahrer zu den Kosten einer (rechtmäßigen) Ersatzvornahme heranzuziehen, die der Umsetzung eines verkehrsrechtlich bestimmten Wegfahrgebots dient, wenn ihm dieses nach objektiven Maßstäben und trotz Aufbringung der gesteigerten Sorgfalt, die einem Teilnehmer am ruhenden Verkehr gerade in größeren Städten abzuverlangen ist, nicht bekannt war (zur normativen Herleitung einer Einwendung gegen die Kostenforderung in einem derartigen Fall s. das Urteil des erkennenden Einzelrichters vom 4. September 2013 – 7 A 1141/12 –, juris Rdnr. 22). Von einer solchen, einen Härtefall begründenden Sachlage ist im Streitfall jedoch nicht auszugehen. Vielmehr legte die Häufung „beinahe“ erfüllter, allen Fahrzeugführern bekannter Park- und Halteverbotstatbestände nach der Regelung in § 12 StVO eine besonders gewissenhafte Prüfung etwaiger Behinderungswirkungen des Parkens an dem gewählten Abstellort nahe. Das Fahrzeug des Klägers war im Unterschied zu der Reihe der vor ihm im E-Weg stehenden Fahrzeuge nicht schlicht am linken Fahrbahnrand einer Einbahnstraße, sondern auch auf einer besonderen Übergangsfläche geparkt. Dass diese trotz ihrer Empfindlichkeit für Gefahrenzuspitzungen beim Passieren größerer Fahrzeuge nicht mit einem Halteverbot versehen war, liegt wohl an der für das vollständige Erkennen des Gefahrenpotentials notwendigen Erfahrung, die beiden Beteiligten seinerzeit fehlte (die Zeugin F. hat nicht von der vorherigen Notwendigkeit eines Abschleppens parkender Fahrzeuge an der Stelle berichten können, wohl aber von der früheren Befassung ihrer Kollegen mit Problemen dort). Wenn auch der erkennende Einzelrichter selbst nicht ausschließen kann, ohne das heutige Wissen seinerzeit die fragliche Stelle für einen geeigneten Abstellort für ein parkendes Fahrzeug gehalten zu haben, führt dies noch nicht zur Annahme eines Härtefalls, der ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen Kostenerhebung geböte. Es wurden schlicht die objektiv notwendigen Anstrengungen zur sachgerechten Einschätzung des Gefahrenpotentials des Parkvorgangs unterlassen. Aus dem Ausgang des Bußgeldverfahrens ist keine gegenteilige Erkenntnis herleitbar. Dass dieses nach § 47 Abs. 2 (Satz 2) des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eingestellt wurde, bedeutet lediglich, dass (womöglich sogar nur angesichts der hier streitigen Kostenforderung) der Strafrichter keine („zusätzliche“) Ahndung durch die verhängte Geldbuße von 20 € und Belastung durch die 28,50 € an Verfahrenskosten im Bußgeldverfahren für erforderlich hielt; dies ist angesichts des geringen Grads des erkennbaren klägerischen Verschuldens gut vertretbar, wenn auch eine gegenteilige Einschätzung des Amtsgerichts bei den beiden Ladungen zur Hauptverhandlung aktenkundig ist. Einem Freispruch kommt die Entscheidung jedenfalls nicht gleich.

28

Die Aufwendungen für das Abschleppunternehmen in — unbedenklicher — Höhe von 154,70 € waren jedenfalls, wie geschehen, gemäß § 114 Abs. 1 SOG M-V (evtl. in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 VwKostG M-V und § 114 Abs. 2 Satz 2 SOG M-V) zu erheben. Ob § 3 der Verwaltungsvollzugskostenverordnung vom 28. März 2012 – VwVKVO M-V – Anwendung finden konnte (obgleich die in der Präambel zu der Verordnung zitierte Ermächtigungsgrundlage allein zur Regelung der Auslagenerhebung nicht ermächtigte; vgl. auch Lang, § 3 Rdnr. 301 in: Schütz/Classen, Landesrecht M-V, 3. Aufl. 2014), braucht nicht entschieden zu werden. Auch die Gebührenerhebung erfolgte im Wesentlichen rechtmäßig. Zutreffend wurde sie auf § 1 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 4) und Abs. 2 in Verbindung mit dem Gebührenverzeichnis sowie § 2 (Satz 1) Nr. 3 VwVKVO M-V gestützt. Gemäß Tarifstelle 5.4 („Abgeltung eigener Aufwendungen der Vollzugsbehörde bei der Ausführung der Ersatzvornahme durch Beauftragte“) soll eine Zeitgebühr im Sinne von § 4 Var. 3 VwKostG M-V zu erheben sein („nach dem Zeitaufwand“), wobei die Tarifstelle 1 Anwendung findet. Bei der Tarifstelle 5.4 dürfte es sich ungeachtet der unklaren Bezeichnung um einen im Alternativitätsverhältnis zur Tarifstelle 5.1 („Ersatzvornahme durch Vollzugsbehörde“) stehenden selbständigen Gebührentatbestand handeln, wobei gebührenpflichtige Amtshandlung jeweils die Ersatzvornahme ist (s. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VwVKVO M-V), einmal durch die Vollzugsbehörde selbst, einmal — wie im Streitfall — auf deren Veranlassung durch einen Beauftragten vollzogen. Nach der Tarifstelle 1 (1.1) beträgt die Gebühr für die Tätigkeit eines Beamten der Laufbahngruppe 1 oberhalb [!] des zweiten Einstiegsamts oder für einen vergleichbaren Tarifbeschäftigten — wie er nach den glaubhaften Angaben des Beklagten im Streitfall tätig wurde — je angefangene Stunde „42 (36/6)“ €. Gemäß einer Anmerkung zur Tarifstelle 1 ist mit der ersten Zahl im Klammerzusatz der „Personalkostenanteil“ von 36 €, mit der zweiten der „Sachkostenanteil“ von 6 € bezeichnet. Gemäß Satz 2 dieser Anmerkung ist bei den Tarifstellen 5.1, 7.1 [„Unmittelbarer Zwang durch einen Beamten oder Tarifbeschäftigten“] und 8.1 [„Vorführung oder Wegnahme einer Person durch einen Beamten oder Tarifbeschäftigten“] nur der Personalkostenanteil zu „berücksichtigen“. Dies könnte zu der Auslegung führen, dass die Gebühr für die Amtshandlung Ersatzvornahme unterschiedlich hoch wäre, und zwar geringer (ab 36 €), wenn sie die Behörde selbst durchführte, und höher (ab 42 €), wenn sie die Behörde durch einen Beauftragten durchführte, wobei mit der Gebühr angesichts der zahlreichen Einsatzgebühren für Sachmittel (Tarifstellen 5.2 – 5.2.9) und der eigenen Position für die Vor- und Nachbereitung (Tarifstelle 5.3) im Wesentlichen lediglich die behördliche Entscheidung zu der Vollzugsmaßnahme nebst den notwendigen in- oder externen Veranlassungen abgegolten ist. Dies stellte sich als gleichheitswidrig dar, gerade wenn die höhere Gebühr bei einer „Fremdvergabe“ der Abgeltung von Sachkosten dienen sollte, während bei der Eigenvornahme diese Abgeltung nach ausdrücklicher Anordnung in der Anmerkung zu Tarifstelle 1 zu unterbleiben hat. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern ausgerechnet in dem Fall, in dem die Behörde lediglich als Auftraggeberin für die Ersatzvornahmehandlung tätig wird, ihr mehr Sachkosten als nach § 3 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwKostG M-V auszugleichender Verwaltungsaufwand sollten entstehen können als bei der eigene Mittel doch deutlich intensiver beanspruchenden Eigenvornahme. Das Gericht legt den Gebührentatbestand in Tarifstelle 5.4 daher durch Extension des Satzes 2 der Anmerkung zu Tarifstelle 1 geltungserhaltend dergestalt aus, dass auch bei der Ersatzvornahme durch einen Beauftragten lediglich eine Gebühr von 36 € pro angefangener Stunde der Tätigkeit eines der unter 1.1 bezeichneten Mitarbeiter anfällt.

29

In Höhe von 6 € ist der Kostenbescheid folglich aufzuheben und die Klage erfolgreich.

30

Auch die vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vorgenommene und gemäß § 22 Abs. 1 VwKostG M-V ebenfalls beim erkennenden Gericht angegriffene Kostenfestsetzung hat hiernach im Wesentlichen Bestand, da der Widerspruch des Klägers (weitestgehend) zu Recht als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Festlegung der dem oberen Grenzwert des Gebührenrahmens ähnelnde Gebühr ist bei der verhältnismäßig geringen Kostenhöhe und dem Aufwand, der für die Erstellung eines Widerspruchsbescheids erforderlich ist, vorliegend auch nach § 9 Abs. 1 VwKostG M-V grundsätzlich ermessensgerecht und war nicht weiter begründungsbedürftig. Allerdings war der Gebührentatbestand nicht nur § 15 Abs. 3 VwKostG M-V allein, sondern mit der Maßgabe nach § 15 Abs. 4 VwKostG M-V zu entnehmen, da es um die Anfechtung einer Kostenentscheidung — des Leistungsbescheids vom 18. März 2015 —, nicht der Amtshandlung (Ersatzvornahme) selbst ging. Mit der angesetzten Widerspruchsgebühr von 20 € wurde der Gebührenrahmen von einem Zehntel „des angefochtenen Betrags“ überschritten, da dies mehr als ein Zehntel von 190,70 € ist, dem Betrag, bezogen auf den der Widerspruch zutreffend zurückgewiesen wurde; die Festsetzung der Widerspruchsgebühr ist deshalb in der Höhe von 0,93 € aufzuheben, womit die Klage einen weiteren — geringfügigen — Teilerfolg hat. Die Zustellauslagen wurden auf der Grundlage von § 15 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 VwKostG M-V zutreffend festgesetzt.

31

Die Kostenentscheidung zu Lasten des nach allem im Wesentlichen unterlegenen Klägers ergeht — mit Blick auf die im Vergleich zum Unterliegen nur geringfügige Teilstattgabe — gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

32

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

33

Beschluss

34

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf bis zu 500 Euro festgesetzt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Streitwert richten, beträgt bei einem Streitwert bis 500 Euro die Gebühr 38 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Streitwert
bis … Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren
… Euro
um
… Euro
2 00050020
10 0001 00021
25 0003 00029
50 0005 00038
200 00015 000132
500 00030 000198
über
500 000

50 000
198


Eine Gebührentabelle für Streitwerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.