Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. März 2013 - 7 A 1430/08

bei uns veröffentlicht am14.03.2013

Tenor

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu neun Zehnteln, der Beklagte zu einem Zehntel.

Das Urteil ist wegen der Kosten der streitigen Entscheidung zugunsten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die in A-Stadt geschäftsansässige Klägerin, eine Europäische Aktiengesellschaft, wendet sich noch gegen eine Versagung der Erlaubnis zur gewerblichen Vermittlung von Lottospielen über das Internet und erstrebt in diesem Zusammenhang gerichtliche Feststellungen zu ihren gegenwärtigen und früheren Handlungsbefugnissen.

2

Sie ist entstanden durch die Mitte 2009 zusammen mit der Annahme der neuen Rechtsform beschlossene Verschmelzung der österreichischen Fa. B. AG, D-Stadt, auf die börsennotierte Aktiengesellschaft in Fa. A. AG mit Sitz in A-Stadt. 2001 war sie als diese ins Handelsregister eingetragen worden.

3

Das von der Klägerin ausgeübte Gewerbe wurde nach klägerischen Angaben 1999 aufgenommen. Zu Verfahrensbeginn bestand es in der Entgegennahme von Spielaufträgen und -einsätzen und in deren vertraglich geregelter Weiterübermittlung an staatliche Lotterieveranstalter gegen von diesen gezahlte Provisionen, insbesondere an die Lottogesellschaften von neun Bundesländern, zu denen Mecklenburg-Vorpommern nicht zählte. Die geschäftliche Kommunikation erfolgte schließlich nur noch über das Internet und von den staatlichen Vertragspartnern bereitgestellte elektronische Schnittstellen. In einer beim Beklagten eingereichten A-Städter Gewerbeanmeldung vom 16. März 2005 wurde für den Beginn der „Abwicklung staatlich lizenzierter Lotterien und Glücksspiele, u. a. über das Internet, soweit diese Tätigkeit keiner behördlichen Erlaubnis bedarf“, durch die Klägerin der 7. März 2005 angegeben. Insoweit arbeitete die Klägerin, bis Ende 2008, mit ihrer Tochtergesellschaft in Fa. G. GmbH zusammen. Spielteilnehmer und Lotterieveranstalter schlossen Spielverträge über die Klägerin. Diese wurde nicht Vertragspartei, erhob aber die für Spielteilnahme und Zahlungsverkehr notwendigen Daten bei den Spielteilnehmern und leitete diesen per E-Mail Einsatzquittungen sowie über E-Mail und SMS Gewinnbenachrichtigungen zu; die Gewinne überwies ein Treuhänder auf die Konten der Spieler. Die Kosten für die Spieler wurden denen in niedersächsischen Lottoannahmestellen angeglichen. Vermittelt wurden Spiele des Deutschen Lotto- und Totoblocks, der Norddeutschen und Süddeutschen Klassenlotterien und der ARD-Fernsehlotterie. Die Klägerin war nach ihren Angaben zu Verfahrensbeginn deutsche Marktführerin bei der Lottovermittlung über das Internet und beschäftigte rund 180 Mitarbeiter. Gegen ein von den Spielteilnehmern zu leistendes Entgelt vermittelte die Klägerin jene auch in Tippgemeinschaften. Über Tochtergesellschaften war sie auch im europäischen Ausland tätig. Bei ihr selbst waren nach ihren Angaben für die Vermittlung deutscher Lottospiele zahlreiche Personen im europäischen Ausland registriert, v. a. Deutschsprachige etwa aus Brüssel, Luxemburg und Palma de Mallorca.

4

Nach ihrem Vorbringen stellte die Klägerin bis November 2007 wegen der bevorstehenden Inkraftsetzung des Glücksspielstaatsvertrags – GlüStV – vom 30. Januar 2007 (a. F.) bei allen zuständigen Landesverwaltungen Anträge auf die nach § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. mögliche, bis ein Jahr nach Inkrafttreten des GlüStV befristete Erlaubnis der Vermittlung von Lotterien im Internet. Dies tat sie auch am 3. Dezember 2007 beim Beklagten unter Bezugnahme auf den damaligen § 18 des Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetzes vom 14. Dezember 2007 – GlüStVAG M-V – (GVOBl. M-V S. 386). Im Antragsverfahren brachte die Klägerin vor: Sie wolle ihre Internet-Vermittlungstätigkeit u. a. für 190.000 registrierte Kunden für das Übergangsjahr im bisherigen Umfange fortführen; insoweit führte sie auch neben den oben genannten die Vermittlung von Rubbellosen, KENO, ODDSET-Kombiwetten und -Topwetten an; den Vertrieb von KENO stellte sie im April 2008 ein. Einer allgemeinen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 GlüStV bedürfe sie als vor Inkrafttreten des GlüStV tätige Vermittlerin nicht. Die Vorschriften des GlüStV verletzten das Übermaßverbot. Sie trug nach § 18 Satz 2 GlüStVAG M-V zum Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen vor, wobei der Beklagte, etwa mit Schreiben vom 20. Dezember 2007, auf die fehlende Genehmigungsfähigkeit der Vermittlung „gefährlicher“ Glücksspiele hinwies und teilweise Antragsunterlagen oder Erläuterungen nachforderte.

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Am 27. Dezember 2007 bzw. 2. Januar 2008 erteilten der Klägerin die zuständigen Stellen in E-Land und A-Stadt Übergangserlaubnisse für das Jahr 2008, bezogen auf näher spezifizierte Internet-Vermittlungstätigkeit „in E-Land“ bzw. „in A-Stadt“.

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Mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 lehnte dagegen der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis für das Jahr 2008 zur gewerblichen Vermittlung der antragsgegenständlichen Glücksspielveranstaltungen nach § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. ab. Die Klägerin stelle den Ausschluss minderjähriger Spielteilnehmer nicht im Sinne von § 25 Abs. 6 Nr. 1 GlüStV a. F. sicher. Sie vermittle auch Spielaufträge an Veranstalter ohne Veranstaltungserlaubnis für Mecklenburg-Vorpommern und weise keine Vermittlung an die Fa. Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern mbH nach; daher liege der Versagungsgrund nach § 4 Abs. 2 Satz 2 und § 9 Abs. 4 Satz 1 GlüStV in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStVAG M-V vor. Zudem seien die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV nicht hinreichend sichergestellt. Die Verfassungsbeschwerde der Klägerin gegen § 4 Abs. 1, 2 und 4, § 5 Abs. 1 bis 4, § 9 Abs. 4 und § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. sowie gegen niedersächsische und Berliner Durchführungsgesetze hatte zuvor das Bundesverfassungsgericht – BVerfG – mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08 – (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ – 2008, S. 1338 ff.) nicht zur Entscheidung angenommen.

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Am 28. November 2008 hat die Klägerin, noch als A. AG, beim erkennenden Gericht Klage erhoben. Mit der Rüge der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit einer abweichenden Betrachtungsweise, die auch einseitig die staatlichen Lotterieveranstalter und deren Akquisebestrebungen begünstige, wendet sie sich in erster Linie gegen die Anwendbarkeit diverser Vorschriften des GlüStV und des GlüStVAG M-V auf ihre ursprüngliche Geschäftstätigkeit und hat die klarstellende Beseitigung des ergangenen Ablehnungsbescheids erstrebt. In der Klageschrift hat sie Anträge dahingehend angekündigt,

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1. den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2008 – Az.: II 230e-1493.6.1.1/2 – aufzuheben und

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2. festzustellen, dass die Klägerin im Land Mecklenburg-Vorpommern in der bislang von ihr ausgeübten Weise als Vermittlerin von staatlichen Lotterieprodukten im Internet tätig sein darf, insbesondere festzustellen,

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a. dass die Klägerin mit Bezug auf das Land Mecklenburg- Vorpommern berechtigt ist, auch ohne eine Erlaubnis des Beklagten gem. § 4 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 5 GlüStVAG M-V in Deutschland zugelassene Lotterien und Glücksspiele (etwa von Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks und der Klassenlotterien) zu vermitteln,

11

b. dass die Klägerin hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV auch über das Internet Lotterien vermitteln darf,

12

c. dass die Klägerin hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern berechtigt ist, entgegen § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 4 Abs. 4 GlüStV i. V. m. § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1 GlüStVAG M-V auch an Personen mit Aufenthalt außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch für Personen mit Aufenthalt im Land Mecklenburg-Vorpommern an Lotterieveranstalter anderer Länder zu vermitteln,

13

d. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 3 GlüStV für ihre Tätigkeit auch im Internet werben darf,

14

e. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV mit Werbemaßnahmen auch gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern darf,

15

f. dass die Klägern entgegen § 9 Abs. 3 GlüStVAG M-V für die Vermittlung auch finanzielle Vergünstigungen (Provisionszahlungen) seitens der Lotteriegesellschaften erhalten darf,

16

g. dass die Klägerin auch im Jahre 2008 für die Internetvermittlung im Land Mecklenburg-Vorpommern keiner Erlaubnis bedarf und

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h. dass [sie] die Beschränkungen für die übergangsweise Betätigung als gewerblicher Internet-Lottovermittler gem. § 25 Abs. 6 GlüStV für das Jahr 2008 nicht beachten muss,

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insbesondere keine Altersverifikation durch Identifizierung und Authentifizierung nach den „Richtlinien der KJM für geschlossene Benutzergruppen“ durchführen muss, auch staatlich zugelassene Lotterien mit mehr als zwei Gewinnentscheiden pro Woche vermitteln darf, keine Lokalisierung des Spielers im Internet vornehmen muss und kein Sozialkonzept entwickeln und einsetzen muss.

19

3. hilfsweise zu 2 h) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2008 zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Erlaubnis nach § 25 Abs. 6 GlüStV zu erteilen.

20

Die Klägerin beantragte ferner mit beim Beklagten am 22. September 2008 eingegangenem Schreiben vom 19. September 2008 unter Darlegung ihrer Vertriebspraktiken eine allgemeine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV zur gewerblichen Vermittlung der Lotterien Lotto 6 aus 49 mit Zusatzlotterien, Spiel77, Super6, Glücksspirale, ARD-Fernsehlotterie, Norddeutsche und Süddeutsche Klassenlotterie an die Lottogesellschaften bzw. -veranstalter der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland, ferner die Erlaubnis zur Vermittlung von ODDSET-Sportwetten, KENO und Rubbellosen, soweit von den genannten Veranstaltern angeboten, schließlich die Vermittlungserlaubnis für das geplante Euro- und Extralotto, sofern die Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern mbH dafür die Veranstaltererlaubnis erhalte. Am 29. Dezember 2008 hat sie diesen Antrag auf weitere vom letztgenannten Veranstalter angebotene Spiele erstreckt und auch beantragt, dass ein — näher erläuterter — „SMS-Vertrieb“ erlaubt werden solle, ferner für Einzelkunden ein Vertrieb per Brief, schließlich die Weiterbetreuung von bis zum Jahresende 2008 eingereichten „Dauerscheinen“; dafür sollten die Produkte ODDSET und KENO entfallen.

21

Zum 1. Januar 2009 hat sie ihre Internet-Vertriebstätigkeit, deutsche Lotterien betreffend, vorsorglich eingestellt und mit der Wahrnehmung des Geschäftsbereichs die britische Fa. A. S. Ltd., Tochter der britischen Tochterfirma H. Ltd., betraut, der auch die notwendigen Vermögensgegenstände übertragen worden seien (mit der rechtlich gesicherten Möglichkeit des Rückerwerbs). Das erfolglose Antragsverfahren der Fa. A. S. Ltd. beim Beklagten auf Genehmigung des Internetvertriebs deutscher Lotterien ist Gegenstand der noch 2009 zurückgenommenen Klage 7 A 780/09 gewesen.

22

Zuvor hat der Beklagte — nach vorheriger Anhörung der Klägerin unter dem 13. Februar 2009 und einer klägerischen Äußerung vom 12. März 2009, die auf Werbetätigkeit der staatlichen Lotterieveranstalter hinwies — mit dem angegriffenen Bescheid vom 24. März 2009 die Anträge vom 22. September/29. Dezember 2008 abgelehnt. Der Vermittlung über das Internet stehe § 4 Abs. 4 GlüStV entgegen. Der Vertrieb über das Internet werfe Fragen des Ausschlusses der Teilnahme Minderjähriger sowie der Vereinbarkeit mit den Zielen des GlüStV (§ 1) auf, die vom Fachbeirat nach § 9 Abs. 5 Satz 2 GlüStV zu klären wären; allerdings sei das von der Klägerin vorgestellte Konzept als bloß SMS-unterstützter Internetvertrieb zu qualifizieren und stelle nach deren eigener Einschätzung keinen wirtschaftlich selbständig tragfähigen Vertriebsweg dar, was die Gefahr betrügerischer Machenschaften zum Verhindern einer Insolvenz in sich berge. Die beantragte Vermittlung an Veranstalter anderer Bundesländer komme nicht in Betracht, da deren Veranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern kein erlaubtes Glücksspiel darstellten. Eine Vermittlung an die Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern mbH schließlich komme nicht in Betracht, denn es dürften keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, es fehle an der erforderlichen Zuverlässigkeit der Spielevermittlerin oder es werde den Anforderungen des Jugendschutzes oder der Werbebeschränkungen des GlüStV nicht hinreichend nachgekommen; die Klägerin habe jedoch trotz behördlichen Hinweisen kontinuierlich gegen § 5 Abs. 3 GlüStV verstoßen, der seit dem 1. Januar 2008 jegliche Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet verbiete.

23

Am 27. April 2009 hat darauf die Klägerin, noch als A. AG, die ursprünglich unter dem Aktenzeichen 7 A 670/09 anhängige weitere Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Meinung, einer Erlaubnis des Beklagten von Rechts wegen nicht zu bedürfen, weswegen zur Klarstellung die Versagung aufzuheben sei, oder dass sie hilfsweise mit den Unterstützergesellschaften der staatlichen Lotterieveranstalter gleich zu behandeln sei, zumal die vom Beklagten angeführten Versagungsgründe rechtswidrig seien, und hat in der Klageschrift angekündigt, zu beantragen,

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1. den Bescheid des Beklagten vom 24. März 2009 – Geschäftszeichen II 260-1493.6.1/5-2009 – aufzuheben und

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2. hilfsweise zu 1., den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 24. März 2009 – Geschäftszeichen II 260-1493. 6.1/5-2009 –, zu verpflichten, die beantragte Erlaubnis zu erteilen.

26

Der Beklagte ist beiden Klagen entgegengetreten.

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Nach Inkraftsetzung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags mit dem in Art. 1 neu gefassten GlüStV (n. F.) und der begleitenden Änderung des Landes-Glücksspielrechts zum 1. Juli 2012 hat die Klägerin im Hinblick auf den Zeitablauf und die veränderte Rechtslage mit am Folgetag eingegangenem Schriftsatz vom 5. März 2009, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, ihre Anträge im Verfahren 7 A 670/09 modifiziert.

28

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend (wie die Klägerin z. T. bereits schriftsätzlich am 18. August 2009 und 6. März 2013) den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt hinsichtlich der im Verfahren 7 A 1430/08 in der Klageschrift unter Punkten 1 und 3 angesprochenen Versagungsentscheidung vom 29. Oktober 2008 sowie hinsichtlich der dort unter Punkt 2 Buchst. f. und h. formulierten Antragsbegehren. Die beiden Klageverfahren sind miteinander zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden, und die Klägerin beantragt nunmehr noch,

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1. unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 24. März 2009 zum Geschäftszeichen II 260-1493.6.1/5-2009

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festzustellen, dass die Klägerin vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 und auch gegenwärtig im Land Mecklenburg-Vorpommern in der bis zum Jahr 2007 von ihr ausgeübten Weise als Vermittlerin von staatlichen Lotterieprodukten im Internet tätig sein durfte und darf, insbesondere

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a. mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern berechtigt war und ist, auch ohne eine Erlaubnis des Beklagten gem. § 4 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 5 GlüStVAG M-V oder gem. § 4 Abs. 1 GlüStV n. F. i. V. m. § 5 GlüStVAG M-V bzw. § 4 Abs. 5 GlüStV n. F. in Deutschland zugelassene Lotterien und Glücksspiele (etwa von Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks und der Klassenlotterien) zu vermitteln,

32

b. hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV und § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. auch über das Internet Lotterien vermitteln durfte und darf,

33

c. dass die Klägerin hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern berechtigt war und ist, entgegen § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 4 Abs. 4 GlüStV i. V. m. § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1 GlüStVAG M-V und § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 3 Abs. 4 GlüStV n. F. i. V. m. § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 GlüStVAG M-V auch an Personen mit Aufenthalt außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch für Personen mit Aufenthalt im Land Mecklenburg-Vorpommern an Lotterieveranstalter anderer Länder zu vermitteln,

34

d. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 3 GlüStV und § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n. F. für ihre Tätigkeit auch im Internet werben durfte und darf,

35

e. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV mit Werbemaßnahmen auch gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern durfte und darf,

36

f. dass die Klägerin auch im Jahre 2008 für die Internetvermittlung im Land Mecklenburg-Vorpommern keiner Erlaubnis bedurfte,

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hilfsweise

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den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 19. September 2008 beantragte Erlaubnis für Mecklenburg-Vorpommern zu erteilen,

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2. festzustellen, dass

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a. der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 24. März 2009 bereits bei seinem Erlass bis zum 30. Juni 2012 rechtswidrig war,

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b. dass der Beklagte bereits nach der vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage verpflichtet gewesen ist, der Klägerin die mit Schreiben vom 19. September 2008 beantragte Erlaubnis zur Lotterievermittlung zu erteilen, Letzteres hilfsweise zum Hauptantrag zu 1.

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Der Beklagte beantragt insoweit

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Klageabweisung

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und verteidigt seine Entscheidungen.

45

Ein Tochterunternehmen der Klägerin, die ursprüngliche Fa. A. D. GmbH, ist wegen der die Klägerin bedrückenden rechtlichen Unsicherheiten im Rahmen eines „Spin-Off“ zur Fa. R. AG umgewandelt worden und hat die für den Deutschland betreffenden Geschäftsbereich notwendigen Rechtspositionen übertragen erhalten. Sie ist jetzt von der Klägerin unabhängig. Nach Angaben der Klägerin wird diese nicht von der durch die Fa. R AG erwirkten „gebündelten Erlaubnis“ zur gewerblichen Spielevermittlung nach § 19 Abs. 2 GlüStV n. F. profitieren; sie, Klägerin, habe zwar in Niedersachsen ebenfalls eine solche beantragt, verfolge mit der Klage jedoch die mit dem beim Beklagten gestellten Antrag eingenommene Verfahrensposition weiter.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die in den beiden ursprünglichen Verfahren 7 A 1430/08 und 7 A 670/09 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (jeweils ein Ordner) sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten 7 A 780/09 nebst hierzu vorgelegten Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – das Verfahren einzustellen.

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Die Klage im Übrigen ist überwiegend zulässig, insoweit jedoch unbegründet und daher — ebenso wie mit einem unzulässigen Hilfsantrag — abzuweisen.

49

Der zulässigerweise angegriffene Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 24. März 2009 ist und war rechtmäßig und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht deshalb weder der (im Hauptantrag zu 1.) geltend gemachte Anspruch auf die Aufhebung des Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, noch kann dem (im Hauptantrag zu 2. Buchst. a.) formulierten (Fortsetzungs-)Feststellungsbegehren zu seiner Rechtswidrigkeit im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 stattgegeben werden. Da ferner die Klägerin die (unter Buchst. a. bis f. des Hauptantrags zu 1. bezeichnete) erstrebte Geschäftstätigkeit nicht, jedenfalls nicht ohne eine — hier zu Recht versagte — Genehmigung ausüben durfte und darf, kann das Gericht auch nicht nach § 43 Abs. 1 VwGO die auch im Verhältnis zum Beklagten zulässigerweise mit dem Hauptantrag zu 1. begehrte Feststellung aussprechen. Den beiden Hilfsanträgen zum Hauptantrag zu 1. kann ebenfalls nicht stattgegeben werden — dem zu 2. Buchst. b. formulierten Feststellungsbegehren mangels dessen Begründetheit wegen der durchweg zu Recht verfügten bzw. aufrecht erhaltenen Genehmigungsversagung, dem im Klageantrag zu 1. formulierten Hilfs-Verpflichtungsbegehren auf Genehmigungserteilung dagegen bereits wegen dessen Unzulässigkeit, denn eine Befassung der nunmehr zuständigen Genehmigungsbehörde, bei der es sich nicht um den Beklagten handelt, mit einem Genehmigungsantrag ist nicht erkennbar.

50

Entgegen klägerischer Auffassung bedurfte und bedarf die von der Klägerin beabsichtigte Geschäftstätigkeit einer zu beantragenden — und hier anfangs auch beantragten — behördlichen Genehmigung. Bereits mangels jedweder erteilter Genehmigung war und ist die Klägerin daher zur Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht befugt. Eine Genehmigung konnte und kann ihr überdies nicht unter allen, insbesondere nicht unter den hier klageweise geltend gemachten Gesichtspunkten erteilt werden. Dies gilt sowohl für das Rechtsregime des ursprünglichen GlüStV (a. F.), der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F. und Art. 1 und Art. 2 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertragsgesetzes vom 14. Dezember 2007 (GVOBl. M-V S. 378) in Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2012 wirksam war, als auch für das nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags in Verbindung mit Art. 1 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertragsgesetzes (GVOBl. M-V S. 215) folgende des neuen GlüStV (n. F.), des Artikels 1 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags.

51

Denn die Klägerin verfolgt mit der Klage das Anliegen, sich als gewerbliche Spielvermittlerin im Sinne des unverändert geltenden § 3 Abs. 6 GlüStV zu betätigen, wofür nach § 4 Abs. 1 GlüStV eine Erlaubnis der zuständigen Behörde, ursprünglich des jeweiligen Bundeslandes, erforderlich war und ist; eine Ausnahme bestand gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 GlüStV a. F. bis zum Ende des Jahres 2008 hinsichtlich einer solchen Betätigung mit Vertriebs- und Kommunikationswegen allein außerhalb des Internets, die seinerzeit nicht im klageweise weiterverfolgten klägerischen Interesse lag.

52

Die Notwendigkeit einer Genehmigung wird durch die klägerische Argumentation, dass die von ihr zuvor ohne Genehmigung ausgeübte Geschäftstätigkeit mit Inkraftsetzung des GlüStV in verfassungswidriger Weise erstmals einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen worden sei, nicht in Frage gestellt.

53

Tatsächlich wurde, soweit erkennbar, die nur der behördlichen Aufsicht nach Maßgabe von § 14 des Staatsvertrags über das Lotteriewesen (eingeführt mit Gesetz vom 24. Juni 2004 (GVOBl. M-V S. 258) unterliegende Tätigkeit des gewerblichen Spielvermittlers mit § 4 Abs. 1 GlüStV (und den ihn wiederholenden § 5 Abs. 1 Satz 1 GlüStVAG M-V) im Lande erstmals einer landesrechtlichen Genehmigungspflicht unterworfen (wovon länderübergreifend auch die vertragschließenden Parteien des GlüStV ausgingen, vgl. die Erläuterungen hierzu bei dem Regierungsentwurf des Zustimmungsgesetzes, Landtags-Drucksache – LTDrS – 5/648, S. 38); denn die Durchführungsverordnung zum DDR-Gewerbegesetz vom 8. Mai 1990 (GBl. I S. 140) galt nach dem Beitritt zum Bundesgebiet im Lande nicht fort, und die DDR-Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen vom 18. Februar 1965 (GBl. II S. 238, geändert durch Verordnung vom 23. August 1990, GBl. I S. 1261) wurde zwar mit Gesetz vom 23. April 2001 (GVOBl. M-V S. 93) als hiesiges Landesrecht bestätigt und erst durch § 15 Abs. 3 des Lotteriegesetzes vom 24. Oktober 2001 (GVOBl. M-V S. 401) und § 23 Abs. 2 GlüStVAG M-V aufgehoben, bezog sich aber gemäß ihrer Definition der „öffentlichen Lotterien“ in § 2 nicht auf die von der Klägerin zu vermittelnden Spiele.

54

Die privatunternehmerische gewerbliche Tätigkeit in der von der Klägerin betriebenen Art wurde auch nicht erst mit der Einführung einer zuvor im Lande nicht von Gesetzes wegen gegebenen Genehmigungsfähigkeit aus dem Anwendungsbereich des strafrechtlichen Verbots in § 287 des Strafgesetzbuches herausgenommen, dessen objektiven Tatbestand („Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien […] veranstaltet, namentlich den Abschluss von Spielverträgen für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder auf den Abschluss solcher Spielverträge gerichtete Angebote annimmt“/„Wer für öffentliche Lotterien oder Ausspielungen […] wirbt“) sie erfüllt haben dürfte; die Strafvorschrift bezweckte nämlich die Bekämpfung der Vermittlungs- und Werbetätigkeit allein „im Vorfeld“ illegal veranstalteter Lotterien (vgl. den Beschluss des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 9. März 1999 – KVR 20/97 –, NJW-RechtsprechungsReport 1999, S. 1266 [1267]; s. allerdings auch noch etwa die Nachweise im Beschluss des BVerfG vom 30. November 2010 – 1 BvL 3/07 –, juris Rdnr. 55, zu einer umstrittenen Strafbarkeit der ungenehmigten gewerblichen Spielevermittlung sogar im Zusammenhang mit staatlich veranstalteten Lotterien).

55

Gleichwohl verstieße die Einführung einer Genehmigungspflicht, auch im Hinblick auf den im Jahr 2007 bereits eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin, nicht gegen höherrangiges Recht. Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin seinerzeit ohnehin allenfalls in Mecklenburg-Vorpommern aufhältige Spielteilnehmer an Lotterieveranstalter in anderen Bundesländern vermittelte, da Kooperationen mit im Lande zugelassenen Veranstaltern nach klägerischen Angaben nicht bestanden.

56

Die Klägerin kann sich zunächst angesichts von § 6 Abs. 2 Satz 2 der GewerbeordnungGewO – nicht auf deren § 1, insbes. Abs. 2, berufen; der Bund überließ das Wirtschaftsverwaltungsrecht im Bereich des Glücksspielwesens nämlich weitestgehend einer landesrechtlichen Regelung und legte eine lediglich punktuelle Anwendbarkeit der GewO, etwa in deren § 14 Abs. 2, fest (s. die Urteile des BVerfG vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, amtliche Sammlung BVerfGE Bd. 115, S. 276 [304], und des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 21. Juni 2006 – 6 C 19.06 –, amtliche Sammlung BVerwGE Bd. 126, S. 149 [153 f.]; ausführlich hierzu, bezogen auf die Klägerin, auch das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – VGSaar – vom 19. Januar 2012 – 6 K 521/10 –, juris Rdnr. 63 ff.).

57

Den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erfassung auch bereits bestehender gewerblicher Unternehmen mit einer neu eingeführten Genehmigungspflicht war mit der Übergangsregelung für das Jahr 2008 noch hinreichend Genüge getan, die unter den in § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. genannten Voraussetzungen eine gewerbliche Betätigung als Glücksspielvermittler vorübergehend sogar auch noch im — sonst verbotenen — Internet ermöglichen sollte, ausdrücklich auch der Klägerin (LTDrS 5/648, S. 52). Deren verfassungsrechtliche Bedenken teilt die Kammer nicht (ebenso VGSaar, a. a. O., Rdnr. 75 ff.).

58

Denn die Einführung eines präventiven Erlaubnisvorbehalts auch für die Glücksspielvermittlung war durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt, zu deren Wahrung erforderlich und auch angemessen. Bei diesen Belangen handelt es sich um die in § 1 GlüStV a. F. aufgeführten und hinreichend klar definierten Ziele der Bekämpfung der Glücksspielsucht, um die Begrenzung und Kanalisierung des Glücksspielangebots, um die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes und um die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs einschließlich des Schutzes vor betrügerischen Machenschaften und der Abwehr der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität. Diese Belange von überragender Bedeutung rechtfertigen auch die Einführung einer vorgängigen aufsichtsbehördlichen Kontrolle der zugelassenen Marktteilnehmer, unabhängig von der Frage, ob diese die Spielverträge selbst als eigene vertreiben oder lediglich als fremde vermitteln; ein relevanter Unterschied der Gefahrenpotentiale ist insoweit nicht ersichtlich. Der von der Klägerin gerügte ausdrückliche Ausschluss eines Anspruchs auf die Erlaubnis (§ 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV) ist letztlich nicht zu beanstanden, denn das Ermessen der Erlaubnisbehörde ist vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz der Erlaubnis unter rein ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten auszuüben und die Vorschrift erforderlichenfalls im Sinne einer allein an den präventiven Zielen des Erlaubnisvorbehalts orientierten Ermessensreduktion verfassungskonform auszulegen (so Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2011 – 5 K 1328/09.WI –, juris Rdnr. 72 f., s. auch VGSaar, a. a. O., Rdnr. 88 f., und LTDrS 5/648, S. 39).

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Es ist gleichfalls bedenkenfrei, dass nach § 9 Abs. 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 4 GlüStV grundsätzlich eine Spielevermittlung nur hinsichtlich im jeweiligen Bundesland der Erlaubnis erlaubt veranstalteter Glücksspiele erlaubt werden kann, indem die staatsvertraglichen Begriffe der (jeweils erlaubnisbedürftigen) „Veranstaltung“ und der „Vermittlung“ einheitlich auf den Ort abstellen, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Spielteilnahme eröffnet wird. Denn diese Regelung des GlüStV fördert in besonderer Weise die wünschenswerte Kanalisierung und Überschaubarkeit des Glücksspielgeschehens und bildet zudem die territoriale Beschränkung der der hoheitlichen Regelung durch Behörden der einzelnen Bundesländer zugänglichen Sachverhalte ab (vgl. etwa den klägerseits in der Sache zu Unrecht kritisierten Beschluss des BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ 2008, S. 1338 [1342 f.]). Im Übrigen wurde dieses Prinzip im Lande abgemildert durch die aufgrund des ursprünglichen § 20 Satz 1 Nr. 7 GlüStVAG M-V erlassene Glücksspielanerkennungsverordnung vom 5. November 2008 (GVOBl. M-V S. 434), betreffend die Möglichkeit einer Vermittlung der seinerzeit nur außerhalb des Landes veranstalteten Süddeutschen Klassenlotterie. Die übrigen von der Klägerin vermittelten und noch antragsgegenständlichen Spiele waren und sind auch mit im Lande zugelassenen Veranstaltern vertreten. Die von der Klägerin für unzumutbar gehaltenen praktischen Schwierigkeiten bei der Beantragung und Einholung der notwendigen Erlaubnisse beruhten und beruhen im Wesentlichen auf ihrem Geschäftsmodell, das eine bundesweite Tätigkeit und die geschäftliche Kommunikation — oder jedenfalls deren Einleitung — über das Internet vorsieht; maßgeblich hieraus resultieren die Notwendigkeiten sowohl einer bundesweit auf Landesebene zu erwirkenden Zulassung als auch besonderer und aufwendiger technischer Vorkehrungen für die zulassungskonforme Abwicklung der Vermittlungsgeschäfte unter Wahrung des Regionalprinzips.

60

Dies steht einer Wirksamkeit der diesbezüglichen Bestimmungen indessen nicht entgegen. Denn die von der Klägerin beabsichtigte internetbasierte Vermittlertätigkeit widerspricht in zentralen Punkten den allgemeinen glücksspielrechtlichen Vorgaben des GlüStV, die unabhängig von rechtlichen Problematiken und etwaigen Fragwürdigkeiten des staatlichen Glücksspielmonopols (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV a. F., § 10 Abs. 2, 3 und 6 GlüStV n. F.) Bestand haben können und müssen.

61

So ist das Verbot der Vermittlung von Glücksspielen über das Internet wirksam und gilt auch für die Klägerin; beides traf auch während der gesamten Zeit zwischen der Anfechtung der Versagungsentscheidung und der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung, darüber hinaus auch seit Jahresbeginn 2008 und damit ebenso für die im (Hilfs-)antrag zu 2. Buchst. b bezeichnete Zeitspanne zu. Das Verbot ergab und ergibt sich aus dem bei seiner Erneuerung durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 unverändert gebliebenen § 4 Abs. 4 GlüStV.

62

Die Kammer hält an ihrer in Übereinstimmung mit obersten Bundesgerichten gewonnenen und im Urteil vom 10. Mai 2012 – 7 A 519/07 – (juris Rdnr. 28 ff.) niedergelegten Auffassung fest, dass die in § 4 Abs. 4 GlüStV getroffene Regelung weder gegen deutsches Verfassungsrecht noch gegen einen Anwendungsvorrang beanspruchendes europäisches Recht verstößt, und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des genannten Urteils und die dort zitierte Rechtsprechung insbesondere von BGH und BVerwG Bezug. Hervorzuheben ist, dass diese Wertung maßgeblich auch darauf beruht, dass das Internetverbot als effektive, weil strikte und spartenübergreifende Beschränkung des Glücksspielvertriebs, die unterschiedslos für alle auf dem Glücksspielmarkt Tätigen gilt, grundsätzlich keinen Bedenken unter den Gesichtspunkten des Gleichheitsgebots begegnet, insbesondere des, auch europarechtlichen, Gebots einer zielorientierten Kohärenz marktbeschränkender Maßnahmen, die im anerkennenswerten ordnungspolitischen Interesse eingeführt werden.

63

Diese Beurteilung trifft auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des klägerischen Geschäftsfelds zu. Die Gefahren der (aus dem vorgerichtlichen Erlaubnisantrag herausgenommenen) Spiele KENO und ODDSET legitimierten mit ihren suchtfördernden Anreizen die Beschränkung ohne weiteres. Nicht anders verhält es sich aber auch mit der Gewerbstätigkeit, die sonst auf die Vermittlung der Spielteilnahme an staatlichen Lotterien mit bis zu zwei wöchentlichen Ziehungen beschränkt ist. Auch insoweit hat das umfassende Internetvertriebsverbot Bestand; die klägerischen Argumente zu der im Vergleich zu Sportwetten und anderen Spielen geringeren Suchtgefährlichkeit dieser Spiele ziehen die Wirksamkeit der staatsvertraglichen Vorschrift nicht in Zweifel. Denn bei der Beurteilung dieser Frage zu prüfen ist lediglich die Frage, ob trotz seinem weiten Beurteilungsspielraum der Gesetzgeber unter Gleichheitsgesichtspunkten gehalten war, den für die Klägerin bedeutsamen Bereich der Gewerbstätigkeit aus der grundsätzlich gerechtfertigten restriktiven Vorschrift auszunehmen. Dafür müsste die Verschiedenheit der durch den Gesetzgeber gleich geregelten Fälle so bedeutsam sein, dass ihre Gleichbehandlung bei an einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise offensichtlich fehlsam erschiene. Dies trifft jedoch nicht zu, wie zur Problematik der Klägerin bereits der Beschluss des BVerfG vom 14. Oktober 2008, a. a. O. S. 1340, ausführte (insoweit bestätigt durch den zwischenzeitlich in der Europäischen Grundrechte-Zeitschrift 2013, S. 274 ff., veröffentlichten Beschluss der Fünften Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 27. November 2012 – 21252/09 –, Rdnr. 33, 35). Die Kammer schließt sich dieser für die Beurteilung des klägerischen Anliegens ausschlaggebenden Bewertung an, insbesondere vor dem Hintergrund der von der 6. Kammer des VGSaar geleisteten überzeugenden und schlüssigen Auswertung des aktuellen, auch der erkennenden Kammer vorgelegten und zugänglichen wissenschaftlichen Tatsachenmaterials. In dem genannten Urteil vom 19. Januar 2012 hat das VGSaar ausgeführt (juris Rdnr. 112 – 131):

64

„Die vorliegenden Daten zur unterschiedlichen Gefährlichkeit verschiedener Spiele zwingen […] den Gesetzgeber nicht, unter Aufgabe dieser Vorteile eine differenzierende Regelung zum Internetvertrieb zu erlassen und den Bereich der Lotterien aus dem Geltungsbereich der Norm herauszunehmen.

65

An wissenschaftlichen Daten zum Glücksspiel liegen zunächst repräsentative Umfragen in der Bevölkerung vor, deren Ziel es vornehmlich ist, den Anteil von Spielsucht in der Bevölkerung insgesamt zu erfassen. Nennen lassen sich eine Studie von Bühringer et al. 2007 (Ergebnisse zitiert bei Peren/Clement, Pathologiepotenziale von Glücksspielprodukten, Mai 2011, S.10, und bei Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, Frankfurt a.M. 2009 […], S.49), von Buth & Stöver 2008 (Ergebnisse zitiert bei Peren/Clement, S. 10; Becker, S. 49) und zwei Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Glücksspielverhalten und problematisches Glücksspielen in Deutschland, Juli 2008 […]) (Ergebnisse zitiert bei Peren/Clement, S. 10). Ferner sind die sog. PAGE-Studie (Hans-Jürgen Rumpf, Christian Meyer, Anja Kreuzer, Ulrich John, Universität Lübeck und Universität Greifswald, 2010; Zusammenfassung im Internet) und die Studie von EMNID zu nennen, zu der allerdings nur eine Pressemitteilung (Internet) vorliegt. Schließlich ist auf eine weitere Studie von Stöver (BISDRO, Lottostudie II: Nationale und internationale Befunde zu Spielproblemen von Teilnehmern des Zahlenlottos, Bremen 2007 […]) zu verweisen. Gemessen wurden sowohl der Anteil pathologischer Spieler als auch der Anteil problematischer Spieler. Beide Gruppen unterscheiden sich nach der Anzahl der auf dem jeweiligen Diagnoseinstrument angekreuzten Diagnosemerkmale. Bei dem Diagnosemanual DSM IV, das wohl das gebräuchlichste ist, führen die Bejahung von 3 bis 5 Diagnosemerkmalen zur Einstufung als problematisch, die Bejahung von 5 und mehr als pathologisch. Das zweite Diagnoseinstrument, das sog. SOGS (South Oaks Gambling Screen), weist 20 Merkmale auf. Bei einem Wert von 3 bis 4 wird von problematischem Glücksspiel, bei einem Wert von 5 und mehr wird von wahrscheinlich pathologischen Spielern gesprochen (BZgA 2008, S. 12). Laut Becker sind die Ergebnisse nach beiden Diagnosemodellen weitgehend vergleichbar (Becker, Prävalenz des pathologischen Spielverhaltens in Deutschland […], S. 5).

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Bühringer gibt bezogen auf die erwachsene deutsche Bevölkerung 0,2 % pathologische und 0,29 % problematische Spieler an. Buth & Stöver nennen 0,56 % pathologische und 0,64 % problematische Spieler. Die BZgA kam im Jahr 2008 auf einen Bevölkerungsanteil von 0,19 % pathologischen und 0,41 % problematischen Spielern und im Jahr 2010 von 0,45 % pathologischen und 0,64 % problematischen Spielern. Die PAGE-Studie kommt zu 0,35 % pathologischen und 0,31 % problematischen Spielern. Die EMNID-Studie hat 0,23 % der Spieler als pathologisch ausgewiesen, der Anteil problematischer Spieler wird in der Pressemitteilung nicht genannt. In absoluten Zahlen ergibt das bezogen auf eine Zahl von 52 Mio. erwachsener Deutscher einen Zahlenwert zwischen 100.000 (BZgA 2008) und 290.000 (Buth & Stöver) pathologischer Spieler und 149.000 (Bühringer) und 347.000 (BZgA 2010) problematischer Spieler in Deutschland.

67

Eine zweite Gruppe von Erhebungen verfolgt einen anderen Ansatz. Dort werden Betroffene befragt, die eine Hilfseinrichtung aufgesucht haben. Becker hat 2008 statt der Betroffenen selbst die Hilfspersonen (Therapeuten u.ä.) befragt. Dabei geht man davon aus, dass, den Erfahrungen bei der Alkoholsucht entsprechend, ca. 3 % – 5 % der Betroffenen sich an eine Hilfestelle wenden. Hauptziel dieser Untersuchungen ist es nicht, die Bevölkerungsprävalenz von problematischem und pathologischem Spiel zu ermitteln, sondern mehr über die Erscheinungsformen des pathologischen/problematischen Glücksspiels zu erfahren und die Höhe des Anteils der einzelnen Spiele am Problem der Spielsucht zu ermitteln. Die ermittelten Anteile des jeweiligen Glücksspiels an der Gruppe der Befragten differieren in den Studien allerdings teilweise deutlich. Dies dürfte maßgeblich darauf zurückzuführen sein, dass die Erhebungen sich in ihren Grundannahmen, ihrer wissenschaftlichen Zielsetzung und ihrer Methodik unterscheiden. So interessieren sich einige Autoren, wie etwa Becker, maßgeblich für die Spielform, die für die Betroffenen das Hauptproblem darstellt. Andere interessieren sich besonders für den Anteil, den das Lottospiel für die Genese einer Spielsucht hat, und kommen angesichts der relativ hohen Zahl von Spielern, die auch an anderen Süchten oder Persönlichkeitsproblemen leiden, in dieser Hinsicht zu keinem eindeutigen Ergebnis (vgl. Stöver, BISDRO, Lottostudie II, Bremen, Oktober 2007, S. 32/33). Meyer/Hayer (Abschlussbericht an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und an die Westdeutsche Klassenlotterie GmbH & Co KG von Mai 2005 […]) haben insgesamt die ausführlichste Studie vorgelegt, die auf der Basis einer Befragung Betroffener erstellt wurde. Diese Studie unterscheidet nicht zwischen der Mehrfach- bzw. Hauptproblembenennung eines bestimmten Spiels und hat alle Personen, die das Lottospiel, egal auf welchem Rang, als problembehaftet bezeichnet haben, gezählt. Manche Studien führen auch nur den Anteil der pathologischen Spieler auf, ohne auf problematische Spieler einzugehen.

68

In Zahlen ergibt sich dabei folgendes Bild: Die Erhebung von Meyer/Hayer 2005 führte zu einem Anteil von 6 % der Betroffenen, bei denen das Zahlenlotto als problembehaftet (pathologisch und problematisch) anzusehen war. Dieser Anteil entsprach ungefähr früheren Erhebungen von Meyer in den Jahren 1989 und 1998, die in der Studie zitiert werden (S. 151). Die grundlegende Fehlentwicklung wurde dabei meist in anderen Spielen gesehen; das Lottospiel als 'softe' Glücksspielform hatte aus Sicht der Gutachter mehrheitlich lediglich einen zusätzlichen und nur selten einen hauptsächlichen Beitrag bei der Entstehung und der Aufrechterhaltung glücksspielbezogener Probleme. Dennoch ließen sich anhand des Diagnosemodells, hier DSM IV, Suchtmerkmale auch und spezifisch für Lotto feststellen und zwar ungeachtet der eher harmlosen Veranstaltungsmerkmale. Die Gutachter bezeichnen in der Studie zudem plastisch die typischen, bei Problemspielern regelmäßig vorliegenden kognitiven Verzerrungen, die von betroffenen Spielern auch in Bezug auf Lotto ausgebildet wurden (S. 155 f.). Die Gutachter kommen ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Lottospiels an der Problematik der Glücksspielsucht angesichts der großen Beliebtheit des Spiels insgesamt als eher gering einzustufen ist, was sie auf die konservativen Spielmerkmale, insbesondere auf den langgestreckten Spielverlauf von,6 aus 49‘, zurückführen (S. 6/7). Oddset kam auf einen Anteil von 10 % und die Wette in privaten Wettbüros nochmals auf einen Anteil von 5,1 %. Auch Tilman Becker spricht in seiner Studie (Glücksspielsucht in Deutschland, Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, Frankfurt am Main 2009 […]) von der Existenz von spezifisch auf das Lottospiel ausgerichteten Suchtmerkmalen (S. XXXIX). Allerdings bezeichnet er die Anteile der Lottosüchtigen mit nur 0,5 % deutlich geringer als Meyer/Hayer. Dazu ist aber zu berücksichtigen, dass sich diese Erhebung nur auf Spieler mit dem Hauptproblem Lotto bezieht und nur pathologische Spieler aufgeführt werden. Der Anteil problematischer Spieler bleibt offen. Der Sportwettenanteil als Hauptproblem betrug für pathologische Spieler 6,8 % und zusätzlich 1,6 % für Oddset. Die PAGE-Studie bezeichnet den pathologischen Anteil des Lottospiels laut der Auswertung bei Peren/Clement (S. 14) auf 1,7 %. Der Anteil für problematisches Spielverhalten in Bezug auf Lotto ist nicht benannt. Die repräsentative Studie von Bühringer ergab für Lotterien und Lotto insgesamt 0,1 % pathologische und 0,6 % problematische Spieler, wobei dies nur Spieler betraf, die diese Spielform präferierten (Ergebnisse zitiert nach Peren/Clement, S. 13). Der Anteil pathologischen Spiels in Bezug auf Sportwetten wurde mit 1,7 % angegeben, der der problematischen Spieler mit 2,5 %. Auch die repräsentative Studie von Stöver (BISDRO, Lottostudie II, S. 33 f.) weist geringere Prozentzahlen als die Meyer/Hayer-Studie aus. Der Anteil von problematischem und pathologischem Spielverhalten wurde für,Nur-Lottospieler‘ mit insgesamt 0,39 % angegeben. Für,Auch-Lottospieler‘ wurde ein Anteil von pathologischen Spielern in Höhe von 1,8 % und für problematisches Spielverhalten in Höhe von 1,4 %, also von insgesamt 2,2 %, genannt. Sportwetten wurden mit insgesamt 8,5 % angeben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei einer Repräsentativumfrage die Fallzahl Betroffener geringer ist als bei einer Umfrage unter Betroffenen und von daher die Ergebnisgenauigkeit bezogen auf das einzelne Glücksspiel deutlich geringer sein dürfte (Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, S. 48). Die Studie von Stöver (BISDRO, Lottostudie II, S. 32) weist zudem darauf hin, dass der Anteil des Lottospiels an der Entstehung von Spielsucht wegen der häufigen „Mehrfachspieltätigkeit“ der problembehafteten Spieler nicht feststellbar ist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Erhebung des VG Halle einige Nennungen enthält, in denen es um problembehaftetes Spielen in Bezug auf Lotterien geht. Die Validität der Zahlen, die sich, soweit die Betreuungsgerichte befragt wurden, weitgehend auf die Erinnerung der sachbearbeitenden Richter stützte, weil gesonderte Statistiken nicht vorlagen, kann hier dahinstehen. Die EMNID-Studie hat ergeben, dass fast alle pathologischen Spieler an einer multiplen Spielstörung leiden, die in krankhafter Weise im Durchschnitt fünf unterschiedliche Zufallsspielarten mit Geldeinsatz spielen und ein Spiel durch ein anderes ersetzen würden, wenn ihr bevorzugtes Spiel schwerer oder nicht mehr zugänglich ist. Verschiedene Studien weisen explizit darauf hin, dass Spielprobleme häufig komorbid auftreten, also mit anderen (Sucht-)Erkrankungen bzw. Persönlichkeitsstörungen vergesellschaftet sind (Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, S. 21; PAGE-Studie unter 'Komorbidität bei pathologischen Glücksspielern'). Zudem lässt sich den Studien eindeutig entnehmen, dass das Gefährdungspotenzial eines Glücksspiels mit seiner Zugänglichkeit steigt (Meyer/Hayer, S. 35; Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, S. 38).

69

Hieraus kann zunächst geschlussfolgert werden, dass das Phänomen von problematischem und pathologischem Spielverhalten bei Lotto tatsächlich existent ist, allerdings in geringerem Ausmaß als etwa bei Sportwetten. Alle Studien besagen auch, dass Lotto selten das alleinige bzw. das Hauptproblem darstellt.

70

Was den prozentualen Anteil von Lotto an problematischem und pathologischem Spiel angeht, sind aus rechtlicher Sicht die Studien von maßgeblicher Bedeutung, die neben den pathologischen Spielern auch die problematischen Spieler ausweisen und auch Spieler erfassen, die das Lottospiel nicht als einziges oder als Hauptproblem haben. Denn anders als womöglich aus wissenschaftlicher Perspektive ist es in rechtlicher Hinsicht unerheblich, ob das Lottospiel das einzige oder das Hauptproblem des Betroffenen darstellt oder er fünf und mehr Spiele spielt, ob der Spieler schon erkrankt ist oder er „nur“ ein problematisches Verhalten aufweist und ob es Komorbiditäten insbesondere zu anderen Süchten gibt. Angesichts der Schutzrichtung des § 1 Nr. 1 GlüStV ist außer dem pathologischen Spiel auch das bloß problematische Spielverhalten einzubeziehen, weil es gerade bei diesen Spielern besonders sinnvoll sein dürfte, die Entstehung eines vollen Suchtbildes zu verhindern. Ebenso vermag die Kammer bezogen auf das Ziel des Suchtschutzes nicht zu erkennen, weshalb gerade die Personen, bei denen die Spielproblematik komorbid vorliegt und die besonders verletzlich und besonders gefährdet für Spielprobleme sind, aus dem Schutzbereich des § 1 Nr. 1 GlüStV ausscheiden sollten. Gleiches gilt für Mehrfachspieler. Der Schutz vor Spielsucht und deren Folgen umfasst auch den Schutz vor Suchtverstärkung oder Verschlimmerung der Auswirkungen der Sucht, so dass die Frage, wie viele Spieler ein ausschließliches oder ein Hauptproblem mit Lotto haben, rechtlich nicht relevant ist.

71

Die beiden dies berücksichtigenden Studien von Stöver und von Meyer/Hayer benennen einen Anteil zwischen 2,2 % (Stöver, BISDRO, Lottostudie II) und 6 % (Meyer/ Hayer) betroffener Lottospieler. Dabei sind die Zahlen von Meyer/Hayer, weil sie, anders als die von Stöver, nicht auf einer Repräsentativumfrage basieren, als valider anzusehen. Das Problem bei Sportwetten liegt nach diesen beiden Untersuchungen zwischen ungefähr 2,5- und 4-mal höher. Daneben wird im Gutachten von Meyer/Hayer das Problem der möglichen Funktion des Lottospiels als 'Einstiegsdroge' angesprochen. Für mehr als die Hälfte der problematischen/pathologischen Lottospieler, die inzwischen mehrere Spiele als problembehaftet schilderten, stellte das Zahlenlotto das Einstiegsspiel in die 'Zockerkarriere' dar (S. 94).

72

Angesichts dessen ist vorliegend ein gesetzgeberischer Spielraum eröffnet.

73

Im Bereich der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative stehen dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten, einer Gefahr zu begegnen, zu. Allein der Umstand, dass eine Regelung vergleichsweise restriktiv ist, nimmt ihr nicht die Gültigkeit, solange sie nicht offensichtlich fehlsam ist. Letzteres kann allerdings nicht angenommen werden. Die Gefahr, die von Sportwetten ausgeht, für die § 4 Abs. 4 GlüStV nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls gültig ist, ist mit dem 2,5- bzw. 4fachen nicht um so viel höher, dass es als unangemessen angesehen werden müsste, das Lottospiel dem gleichen Regelungsregime wie Sportwetten zu unterwerfen. Dies gilt zumal, wenn man berücksichtigt, dass von Spielsucht nicht nur der Spieler selbst, sondern indirekt auch Dritte, wie Familienangehörige, betroffen sind. Nach Schätzungen steht im Raum, dass jeder pathologische Spieler das Leben von 8 bis 10 Personen schädlich beeinflusst (Meyer, Glücksspiel – Zahlen und Fakten, Jahrbuch Sucht 2010, S. 135). Ferner bestehen die besonderen Gefahren des Internetvertriebs, nämlich ein hohes Maß an Bequemlichkeit, eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit und der im Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höhere Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes — und möglichen Verlustes — von Geld in den Hintergrund treten zu lassen, […] grundsätzlich auch in Bezug auf das Lottospiel. Die Umstände der Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang des Spielens bewusster zu machen, kann auch bei Lottospielern einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegenwirken, zumal viele Gutachter von einem 'Mehrfachspielverhalten' problematischer und pathologischer Spieler ausgehen und nach der EMNID-Studie sogar im Raum steht, dass eine isolierte Betrachtung einzelner Spiele wenig sinnvoll ist. Wird aber eine für eine multiple Spielstörung anfällige Spielerpersönlichkeit in den Blick genommen, kann die Erschwerung des Zugangs auch zu vergleichsweise ungefährlicheren Spielformen ein nach dieser Studie suchttypisches Ausweichen auf das anderenfalls im Internet leicht zugängliche Lottospiel verhindern. Zudem ist der mit dem Internetvertrieb verbundene Verharmlosungseffekt auch und gerade in Bezug auf das Lottospiel kritisch zu bewerten, weil dessen Eigenschaft als 'Einstiegsspiel' im Raum steht. Hinzu kommt, dass sich vorliegend auch das Problem eines möglichst lückenlosen Jugendschutzes stellt. Zwar hat die Klägerin insoweit auf durchaus beachtliche Schutzmaßnahmen verwiesen. Dennoch verbleibt es dabei, dass das Internet durch seine Anonymität es erschwert, den gerade im Spielbereich besonders wichtigen Jugendschutz sicher zu gewährleisten […].

74

Die Kammer sieht sich in ihrer Einschätzung durch den von der Klägerin in seiner Richtigkeit bestrittenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.10.2008 bestätigt.

75

Auch nach diesem Beschluss waren die Länder — trotz der in Bezug auf die vom Gericht angenommene objektive Berufszulassungsschranke — nicht gehalten, das Zahlenlotto als harmlose Art des Glücksspiels von dem Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags und der ihn ergänzenden Landesgesetze auszunehmen, weil die diese Entscheidung tragenden gesetzgeberischen Erwägungen nicht offensichtlich fehlsam waren, eine hinreichend vernünftige Stütze in den Ergebnissen der von der Universität Bremen für das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales durchgeführten Studie (Meyer/Hayer) hatten und die Landesgesetzgeber davon ausgehen konnten, dass eine Ausweitung des Glücksspielangebots negative Auswirkungen auf die Suchtgefahr hat […].

76

Dass das Bundesverfassungsgericht, wie die Klägerin meint, von einer falschen Interpretation der Datenlage ausgegangen ist, ist nicht erkennbar. Die Wertungen zur Suchtgefahr von Lotterien, die es der Studie von Meyer/Hayer entnommen hat, sind der Studie tatsächlich so zu entnehmen. Die Studie enthält, soweit ersichtlich, außerdem das umfassendste spezifisch auf das Problem des Lottospiels ausgerichtete Gutachten. Für ihre inhaltliche Richtigkeit spricht, dass sie, was die Zahlen angeht, auf der Linie früherer Erhebungen liegt und sie die Methode der Befragung von Betroffenen wählt, die in Bezug auf die Anteile einzelner Spiele am Spielsuchtproblem größere Aussagekraft als eine Repräsentativumfrage hat. Entscheidend ist, dass die Studie von keiner der späteren Studien inhaltlich in Zweifel gezogen wurde. Tilman Becker zieht die Ergebnisse von Meyer/Hayer sogar ausdrücklich zur Bestätigung der eigenen Zahlen heran (Prävalenz des pathologischen Spielverhaltens, S. 11).

77

Nach all dem durfte der Gesetzgeber ein umfassendes Internetvertriebsverbot erlassen […].

78

Um der Einheitlichkeit der Regelung willen war der Gesetzgeber dabei auch nicht gehalten, die Klassenlotterien und Fernsehlotterien auszunehmen.

79

Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich anderes auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass der Gesetzgeber selbst im Glücksspielstaatsvertrag Differenzierungen getroffen hat, die der geringeren Suchtgefährlichkeit der in Rede stehenden Lotterien Rechnung tragen. Zwar gilt für Lotterien mit nicht mehr als zwei Ziehungen wöchentlich die Regelung des § 22 Abs. 2 GlüStV nicht, wonach gesperrte Spieler (lediglich) an Lotterien, die häufiger als zweimal pro Woche veranstaltet werden, nicht teilnehmen dürfen. Allerdings zwingt dies nicht zu dem Schluss, dass die sonstigen Spielerschutzvorschriften des Glücksspielstaatsvertrags für Lotterien ihre innere Berechtigung verlören oder faktisch leerlaufen würden. Die Vorschrift des § 22 GlüStV besagt nämlich nicht, dass der Gesetzgeber Spielsüchtigen die Schutzwürdigkeit in Bezug auf Lotterien ohne besonderes Gefährdungspotential generell versagt hat. § 22 GlüStV bestimmt zunächst nur, dass das gemäß § 8 GlüStV eingerichtete übergreifende Sperrsystem nicht für die Teilnahme am Lottospiel mit nicht mehr als zwei Ziehungen in der Woche gilt. Eine Aufgabe jeglichen Spielerschutzes bedeutet dies nicht, zumal § 22 GlüStV auf den terrestrischen Vertrieb zugeschnitten ist, der gegenüber dem Internetvertrieb unbequemer und insofern unattraktiver ist und eineface-to-face-Kontrolle des Spielers jedenfalls zulässt. Anders als der terrestrische Vertrieb ist der Internetvertrieb faktisch geeignet, einen zeitlich und zahlenmäßig unbegrenzten Verkauf von Spielscheinen zu ermöglichen. Denn selbst wenn, was die Klägerin bei ihrem Angebot getan hat, eine wöchentliche Höchsteinsatzgrenze für das jeweilige Spielkonto beachtet wird, ist zu sehen, dass bei einer Öffnung des Internetlottomarktes verschiedene Anbieter im Netz tätig sein können. Bei einem Ausschöpfen der Einsatzgrenzen bei einem Anbieter kann unschwer auf das ebenso leicht zugängliche Angebot eines anderen Spielvermittlers ausgewichen werden.“

80

Angesichts dessen vermag die Klägerin die Kammer mit ihrem Hinweis auf einen rechnerisch sehr kleinen Personenkreis, der in Mecklenburg-Vorpommern von einer „Lottosucht“ befallen und damit schützenswert sein könne, nicht von der Verfehltheit und damit Unwirksamkeit des Internetverbots zu überzeugen. Soweit sich zudem die Klägerin auch in diesem Zusammenhang auf Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume bei beschränkenden Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit des europäischen Binnenmarkts bezieht, ist deren Berufungsfähigkeit für die Klägerin durchaus fraglich, weil die nach klägerischen Angaben eher geringfügige, die deutschen Außengrenzen überschreitende Vermittlungstätigkeit der Klägerin das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht berührte und nicht in erkennbarer Weise berühren soll (s. zu der Frage der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auch den Beschluss des BGH vom 14. August 2008 – KVR 54/07 –, juris Rdnr. 138 ff.).

81

Auch die von der Klägerin problematisierten, für alle Glücksspielanbieter geltenden Beschränkungen zulässiger Werbung durch § 5 GlüStV sind anwendbar. Das Werbeverbot im Internet gemäß § 5 Abs. 3 (n. F.: Satz 2) GlüStV ist, wegen der besonders unkontrollierten Möglichkeit der Einwirkung eines, ggf. suggestiv-unredlichen, Werbeangebots auf Suchtgefährdete im Internet, in gleicher Weise zu rechtfertigen wie das Verbot von Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen unter Nutzung dieses Mediums; die Verbotswürdigkeit liegt zumal auf der Hand, wenn sich die Werbung, wie mit dem Feststellungsantrag zu 1. Buchst. d. geltend gemacht, auf die erstrebte klägerische Tätigkeit, d. h. die (verbotene) Internetvermittlung von Glücksspielen, beziehen soll. Die inhaltlichen Beschränkungen des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV für zulässige Werbung, gegen die sich der Feststellungsantrag zu 1. Buchst e. — wohl bezugnehmend auf den GlüStV a. F. — richtet, sind im Sinne der mit dem Staatsvertrag verfolgten Ziele legitim und hinreichend bestimmt kodifiziert gewesen im Sinne einer nur auf die Lenkung des bereits vorhandenen Spielwillens gerichteten Information, die nicht noch nicht zur Spielteilnahme Entschlossene hierzu anreizen darf (s. hierzu das Urteil des BVerwG vom 24. November 2010 – 8 C 14.09 –, BVerwGE Bd. 138, S. 201 [212 ff.]), wenn auch die wertende Bestimmung der Grenzen von der Betrachtung der „Werbebotschaft“ durch den durchschnittlichen Empfänger im Einzelfall abhing. Der klägerische Vortrag zu zahlreichen Verletzungen dieser Grenzen seitens des staatlichen Lotterievertriebs stellt die Wirksamkeit der Norm des GlüStV selbst noch nicht in Frage, sondern zeigt allenfalls ein Vollzugsdefizit auf. Auch gegen die Neuregelung der inhaltlichen Werbegrenzen in § 5 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 und 3 GlüStV n. F. ist nichts einzuwenden, zumal die Kriterien der Grenzziehung durch die nach Absatz 4 der Vorschrift eingeführte Werberichtlinie (hier vom 21. Dezember 2012, AmtsBl. M-V 2013 S. 36) noch transparenter gestaltet worden sind; die Klägerin wendet sich hiergegen auch nicht mit einem ausdrücklichen Feststellungsbegehren.

82

Die Geltung und Durchsetzbarkeit der gezeigten, durch den GlüStV allgemein etablierten Beschränkungen wird schließlich auch nicht in Frage gestellt durch die (insbesondere für den hiesigen Markt der Klägerin allenfalls geringfügigen) Folgen der vorübergehenden Geltung des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes vom 20. Oktober 2011 (s. dessen Aufhebung durch Gesetz vom 1. Februar 2013, GVOBl. Schl.-H. S. 64) und durch die klägerseits angesprochenen Problematiken einer Notifikation der Vorschriften des GlüStV, der Vorschriften zur Fortsetzung seiner Geltung und zu seiner Änderung sowie der landesrechtlichen Vorschriften zur jeweiligen Umsetzung dieser Bestimmungen bei der Europäischen Kommission nach der Richtlinie Nr. 98/34/EG vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft. Es ist nicht ersichtlich, dass die angesprochenen Regelungen der Staatsverträge nicht rechtzeitig vor ihrer Inkraftsetzung notifiziert worden wären oder dass dies bei sie etwa verschärfendem hiesigem Landesrecht unterblieben wäre (s. Streinz/Herrmann/Kruis, Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht 2007, S. 402 [405 ff., 409]); die Interimslösung für das erste Halbjahr des Jahres 2012 nach Auslaufen der ersten vereinbarten staatsvertraglichen Regelung stellte auch keine notifizierungspflichtige Verschärfung bisher bestehender Regelungen dar (vgl. auch Dietlein, in: ders./Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Auflage, Einf. Rdnr. 24 f. m. w. Nachw.).

83

Nach Allem kann die Kammer, wie gesagt, die von der Klägerin im Antrag zu 1. hauptweise beantragten Feststellungen nicht treffen, da sie nicht zuträfen. Weil die Klägerin die in den Feststellungsanträgen bezeichneten Verhaltensweisen aber auch zum Inhalt ihres zur Genehmigung gestellten Geschäftsmodells machte, konnte ihr gleichfalls keine Erlaubnis für Mecklenburg-Vorpommern zur Vermittlung von Lotteriespielen nach § 4 Abs. 1 GlüStV erteilt werden; eine Feststellung, dass die Versagung durch den Beklagten als ursprünglich zuständige Erlaubnisbehörde rechtswidrig gewesen sei (dahingehend der Klageantrag zu 2., Buchstabe a.), träfe daher nicht zu; gleichfalls begehrt die Klägerin hiernach mit ihrem weiteren Hilfsantrag (Klageantrag zu 2. Buchst. b.) ohne Erfolg auch die Feststellung, dass die Erlaubnis zu Unrecht verweigert worden sei.

84

Der letztgenannte Hilfsantrag ist nach der klägerischen Antragstellung (wohl auch) nachrangig zu dem Hilfsantragsbegehren aus dem Klageantrag zu 1.. Dieses ist indessen schon unzulässig. Die Klägerin erstrebt damit die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der unter dem 19. September 2008 beantragte Erlaubnis, offenbar mit dem Inhalt der Antragsmodifikation und -erweiterung vom 29. Dezember 2008. Eine solche Erlaubnis soll ihr jedoch nach eigenen Aussagen und nach dem von ihr verfolgten Geschäftsmodell für jedes deutsche Bundesland erteilt werden, da sie in allen Ländern tätig werden will. Daher ist für eine Erlaubniserteilung seit Inkrafttreten des GlüStV n. F. gemäß dessen § 19 Abs. 2 Satz 1 die Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Niedersachsen zuständig, auch wenn es, soweit Mecklenburg-Vorpommern betroffen ist, nach wie vor um eine auf dieses Land bezogene Glücksspielvermittlungserlaubnis geht (vgl. jetzt auch § 19 Abs. 1 Satz 2 GlüStVAG M-V). Die klägerischen Bedenken wegen der Befassung des Glücksspielkollegiums der Länder im „gebündelten Zulassungsverfahren“ setzen die neue Zuständigkeitsregelung keinen Wirksamkeitszweifeln aus; die Klägerin trägt auch vor, sie habe selbst in Niedersachsen einen derartigen Antrag gestellt, dessen Bescheidung noch offen sei. Inwieweit die Klägerin dort zur Bescheidungsreife beigetragen hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Jedenfalls aber hat das in Niedersachsen entsprechend der neuen Rechtslage eingeleitete Antragsverfahren das in Mecklenburg-Vorpommern seit Ende 2008 betriebene überholt; der Beklagte ist für abschließende Entscheidungen insoweit nicht mehr zuständig und daher für das Verpflichtungsbegehren nicht passiv verfahrensbefugt. Entgegen klägerischer Auffassung liegt auch kein Fall der Funktionsnachfolge vor, da in Niedersachsen ein selbständiges neuartiges Antragsverfahren zu betreiben ist; daher scheidet eine Rubrumsberichtigung mit Einbeziehung der niedersächsischen Glücksspielaufsichtsbehörde aus. Die nach den klägerseits angesprochenen Grundsätzen der perpetuatio fori zu erhaltende Gerichtszuständigkeit führt insoweit zu keiner abweichenden Lösung; die nach wie vor befasste Kammer kann im Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten insoweit nur nicht mehr in der Sache entscheiden.

85

Die Kostenentscheidung ergeht hinsichtlich der erledigten Klageanträge gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, im Übrigen zum Nachteil der mit den noch streitigen Klagebegehren unterliegenden Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO.

86

Die Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat die Kammer vor dem Hintergrund getroffen, dass die für erledigt erklärten Klageanträge nach dem bisherigen Sach- und Streitstand in beträchtlichem Umfang Aussicht auf Erfolg gehabt haben.

87

Dies gilt zunächst und vor allem hinsichtlich des im (ursprünglichen) Klageantrag zu 2. f. in Gestalt einer erstrebten gerichtlichen Feststellung thematisierten § 9 Abs. 6 GlüStVAG M-V (a. F.). Das dort geregelte, bereits durch Art. 1 des Änderungsgesetzes vom 30. Mai 2009 (GVOBl. M-V S. 394) abgeschaffte Verbot u. a. für die Glücksspielveranstalter und die -durchführer, dem gewerblichen Spielevermittler für die Vermittlung eine finanzielle Vergünstigung einzuräumen, soll nicht gemäß Art. 2 des Änderungsgesetzes ab 2014 wiedereingeführt werden, wie mittlerweile die Aufhebung des letztgenannten Artikels durch Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 22. Juni 2012 (GVOBl. M-V S. 232) gezeigt hat. Die ursprünglich mit der Klage angegriffene Geltung des Verbots, dessen „Wiederaufleben“ bis vor kurzem gedroht hat, hatte aber gleich mit Einführung des GlüStV begonnen. Verfassungsrechtlichen Bedenken, denen allerdings im Hinblick auf seine Erledigung hier nicht in allen Einzelheiten nachzugehen ist, war das Verbot ausgesetzt, weil es offensichtlich die Übergangsregelung in § 25 Abs. 2 und 6 GlüStV konterkarierte, die ausdrücklich auch zugunsten der Klägerin geschaffen worden war. Diese war nämlich, wie auch dem Landesgesetzgeber bekannt gewesen sein muss, nach ihrem Geschäftsmodell betriebswirtschaftlich in erheblichem Umfang auf die Vergütungen der staatlichen Lotterieveranstalter für die Vermittlung von deren Spielangeboten angewiesen und sollte nach dem GlüStV auch bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern ein Jahr für notwendige Umstrukturierungen und ggf. eine geschäftliche Neuorientierung erhalten. Ferner war die Rechtfertigung des Verbots — auch für spätere Zeiträume — fraglich. Nach dem Regierungsentwurf des GlüStVAG M-V sollte mit der Regelung „die Unabhängigkeit der gewerblichen Spielvermittler gegenüber den Veranstaltern nach § 10 Abs. 2 [GlüStV] und ihren Annahmestellen sicher[gestellt werden]“ (LTDrS 5/977, S. 28). Die amtliche Begründung zu dem das Verbot „aufschiebenden“ Änderungsgesetz von 2009 stellte darauf ab, dass gewerbliche Spielevermittler für die rechtlich gebotene grenzüberschreitende Zugänglichkeit des Angebots der staatlichen oder staatlich gelenkten Glücksspielveranstalter erforderlich seien, da diesen ein grenzüberschreitender Vertrieb nicht gestattet sei (LTDrS 5/2251, S. 2). Die Aufhebung der geplanten Wiedereinführung des Verbots schließlich wurde überhaupt nicht begründet (s. etwa den Regierungsentwurf, LTDrS 6/553, S. 34). In der Literatur billigte man das Verbot als ein solches der „Doppelprovisionierung“, das damit ordnungsrechtlich gerechtfertigt sei (s. etwa Dietlein/Hüsken, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, a. a. O., Rdnr. 20 zu § 3 GlüStV); dies scheint ausweislich der Gesetzesänderungen aber dem tatsächlichen Bedarf an den Dienstleistungen der Klägerin nicht entsprochen zu haben und hat auch nicht unmittelbar im Sinne der Ziele des § 1 GlüStV gewirkt.

88

Wegen des ursprünglichen Klageantrags zu 2. h. misst die Kammer der Klage ebenfalls gewisse Erfolgsaussichten bei. Dass die Klägerin die Beschränkungen für die übergangsweise Betätigung als gewerblicher Internet-Lottovermittler gem. § 25 Abs. 6 GlüStV für das Jahr 2008 nicht hätte beachten müssen, trifft zwar in dieser Allgemeinheit nicht zu; die Klägerin hat jedoch etwa im Zusammenhang mit der Altersverifikation durch Identifizierung und Authentifizierung nach den Richtlinien der KJM für geschlossene Benutzergruppen und mit der Lokalisierung des Spielers im Internet sowie der Inoperabilität des mit eiligen, im Übergangsrecht angelegten Fragen zu befassenden Fachbeirats normative Defizite aufgezeigt, die, zusammen mit dem Umstand, dass der Klägerin in E-Land und A-Stadt bei ähnlichem Antragsvorbringen Übergangserlaubnisse relativ zügig erteilt wurden, auf im Ermessenswege im klägerischen Sinne zu schließende Lücken des Regelungsgefüges hindeuten.

89

Die Kammer geht bei der Quotelung der Kosten davon aus, dass, gemessen an dem nach der Verfahrensverbindung maßgeblichen Streitwert, den formell erledigten Klagebegehren ein Anteil von einem Sechstel an den Verfahrenskosten zukam, weshalb dem Beklagten nach den dargelegten überwiegenden Erfolgsaussichten der Klage aus diesem Anteil ein Zehntel der gesamten Verfahrenskosten auferlegt wird und nur der Rest von der Klägerin zu tragen ist.

90

Die Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der zugunsten des Beklagten ergangenen streitigen Entscheidung beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

91

Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der klägerseits aufgeworfenen Fragen zur Anwendbarkeit von Regelungen der Glücksspielstaatsverträge von 2007 und 2011 auf die bis zum Jahr 2007/2008 von der Klägerin ausgeübte Vermittlertätigkeit zugelassen.

92

Beschluss

93

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 40 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und unter Berücksichtigung der bei Verfahrensbeginn berichteten klägerischen Schätzungen auf

94

123.000 Euro

95

festgesetzt.

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

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Tenor Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu neun Zehnteln, der Beklagte zu einem Zehnt

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Gründe

I.

1

Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) gemäß § 13 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz - GlüG LSA) vom 22. Dezember 2004 (GVBl LSA S. 846), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2005 (GVBl LSA S. 715), ohne Übergangsregelung für bestehende private Vermittlungsaktivitäten.

2

1. Die Klägerinnen der drei verbundenen Ausgangsverfahren (im Folgenden: Klägerinnen) sind private Unternehmen, die seit den 1990er Jahren in Sachsen-Anhalt gewerblich die Teilnahme an mittelbar oder unmittelbar durch die Bundesländer veranstalteten Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) vorwiegend über das Internet vermitteln. Sie wenden sich in dem Verfahren gegen die Untersagung ihrer Tätigkeit durch den Beklagten der Ausgangsverfahren, das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (im Folgenden: Beklagter).

3

Das beklagte Landesverwaltungsamt untersagte den Klägerinnen die Vermittlung der Beteiligung an Glücksspielen in Sachsen-Anhalt, und zwar der Klägerin zu 1) im November 2006, der Klägerin zu 2) im November 2008 und der Klägerin zu 3) im Dezember 2006. Es stützte die Untersagung auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (Anlage 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004, GVBl LSA S. 328 - LottoStV) in Verbindung mit § 13 GlüG LSA, §§ 284, 287 Strafgesetzbuch (StGB) und § 18 GlüG LSA. Das beklagte Amt begründete die Untersagungen damit, die Klägerinnen hätten Glücksspiel ohne die entsprechende Erlaubnis vermittelt. Hilfsweise stützte es die Untersagung auf die Generalklausel des § 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. September 2003, in Kraft getreten am 8. Oktober 2003.

4

Die Vermittlung von Glücksspiel in Sachsen-Anhalt stelle eine nach § 13 GlüG LSA erlaubnispflichtige Tätigkeit dar. Die Ausübung der Vermittlungstätigkeit ohne die entsprechende Erlaubnis sei gemäß § 284 StGB sowie § 18 GlüG LSA strafbar. Die Untersagung betreffe das Angebot der Klägerinnen in Sachsen-Anhalt, im Auftrag von Spielinteressenten einzelne Spielverträge an im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossene Anbieter für Lotterien wie Lotto, KENO, Spiel 77, Super 6, Oddset-Sportwetten und Glücksspirale sowie andere Glücksspiele im Sinne von § 284 StGB insbesondere per Internet zu vermitteln. Zugleich untersagte das beklagte Amt ihnen die Werbung für in Sachsen-Anhalt illegale Glücksspiele, die im Gebiet des Bundeslandes über das Internet aufgerufen werden können. Die genannten Tätigkeiten seien ab Bekanntgabe des Bescheides zu unterlassen.

5

Die Klägerinnen vertreten in dem Ausgangsverfahren im Wesentlichen die Ansicht, dass für ihre Vermittlungstätigkeit keine Erlaubnispflicht bestehe. Ihre Tätigkeit sei als "Altgewerbe" geschützt, da sie bereits vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA legal Glücksspiele vermittelt hätten. Die Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA sei im Jahre 2004 eingeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie bereits legal gewerblich Spiele vermittelt und seien vorher durch die zuständigen Behörden niemals auf eine landes- oder bundesrechtliche Erlaubnispflichtigkeit oder Widerrechtlichkeit ihrer Tätigkeit hingewiesen worden. Als Gewerbetreibende, die ein Gewerbe vor dem Zeitpunkt, in dem die Gewerbeausübung erlaubnispflichtig geworden ist, bereits betrieben hätten, bedürften sie nach § 1 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) bei schlichter Fortsetzung ihrer Tätigkeit keiner Erlaubnis.

6

Keines der beiden im Jahre 2004 gemäß § 24 Abs. 1 GlüG LSA durch das GlüG LSA ersetzten Gesetze, weder das frühere Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt (Lotto-Toto-G LSA) vom 16. August 1991 (GVBl LSA S. 266), geändert durch § 14 des Gesetzes vom 15. Oktober 2004 (GVBl LSA S. 744 <746>), noch das Lotteriegesetz vom 27. April 1993 (GVBl LSA S. 200), geändert durch Artikel 3 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004 (Lotto StV-G), habe eine Erlaubnispflicht für die gewerbliche Vermittlung vorgesehen. Ihre Tätigkeit habe auch nicht gegen strafrechtliche Normen verstoßen.

7

Die Untersagungsverfügungen und die §§ 13, 18 GlüG LSA verletzten sie in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie im Vergleich zur Behandlung privater Annahmestellenbetreiber in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Fasse man die Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA und die Strafnorm des § 18 GlüG LSA so auf, dass die bereits ausgeübte Vermittlungstätigkeit hierunter falle, so müsse man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Normen verfassungswidrig seien.

8

2. In den Jahren 1992 bis 2004 war das Glücksspielwesen in Sachsen-Anhalt durch das Lotto-Toto-G LSA vom 16. August 1991, geändert durch § 14 des Gesetzes vom 15. Oktober 2004, sowie durch das Lotteriegesetz vom 27. April 1993, geändert durch Artikel 3 Lotto StV-G, geregelt.

9

§ 1 Lotto-Toto-G LSA bestimmte, dass in Sachsen-Anhalt Unternehmen zur Entgegennahme von Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) und über sportliche Wettkämpfe durch die Landesregierung zugelassen werden konnten. Gemäß § 2 Abs. 1 Lotto-Toto-G LSA durfte Träger einer Konzession nur ein Unternehmen sein, dessen sämtliche Anteile dem Land gehörten. § 14 Lotto-Toto-G LSA enthielt eine Strafbestimmung für diejenigen Personen, die für ein Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt nicht nach § 1 Lotto-Toto-G LSA zugelassen war, gewerbsmäßig Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe entgegennahmen oder vermittelten. Die Tat wurde mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, sofern sie nicht schon nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht war. Weitere Bestimmungen über die Vermittlung enthielt das Gesetz nicht.

10

Nach der allgemeinen Begründung der Landesregierung zum Lotto-Toto-G LSA (LT-LSA Drucksache 1/352 vom 17. April 1991, S. 9) entsprach der Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen dem niedersächsischen Recht (vgl. Gesetz über das Zahlenlotto in der Fassung vom 19. August 1970 , zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zahlenlotto und des Gesetzes über Sportwetten vom 16. Dezember 1983 , und Gesetz über Sportwetten in der Fassung vom 19. August 1970 , zuletzt geändert durch Artikel II des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zahlenlotto und des Gesetzes über Sportwetten vom 16. Dezember 1983). Der Begründung des Entwurfs zu § 14 Lotto-Toto-G LSA zufolge sind über §§ 284-287 StGB hinaus nur die gewerbsmäßige Entgegennahme oder Vermittlung von Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe strafbewehrt (LT-LSA Drucksache 1/352, S. 12).

11

Am 1. Juli 2004 trat der Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland in Kraft. In § 14 LottoStV wurde die gewerbliche Vermittlung von Lotterien geregelt. Gewerbliche Spielvermittlung betrieb gemäß § 14 Abs. 1 LottoStV, wer im Auftrag von Spielinteressenten einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelte (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 LottoStV) oder Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführte und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelte (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 LottoStV), sofern dies jeweils in der Absicht geschah, durch diese Tätigkeit nachhaltig Gewinn zu erzielen. Für die Tätigkeit des gewerblichen Spielvermittlers galten unbeschadet sonstiger gesetzlicher Regelungen die Anforderungen des § 14 Abs. 2 LottoStV. Gemäß Art. 3 und Art. 4 Lotto StV-G fand der Staatsvertrag ergänzend zu den bisherigen landesrechtlichen Regelungen des Lotto-Toto-G LSA und des Lotteriegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Anwendung.

12

In § 2 des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrags über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen (Anlage 2 Lotto StV-G, GVBl LSA S. 333) wurde ebenfalls die gewerbliche Spielvermittlung geregelt. Danach betrieb gewerbliche Spielvermittlung, wer im Auftrag der Spielinteressenten (1.) einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelt oder (2.) Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelt, sofern dies in der Absicht geschieht, durch diese Tätigkeit nachhaltige Gewinne zu erzielen.

13

Am 30. Dezember 2004 trat gemäß § 1 GlüG LSA in Ergänzung zum Lottostaatsvertrag das Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in Kraft. Gleichzeitig traten das Lotto-Toto-Gesetz und das Lotteriegesetz gemäß § 24 Abs. 1 GlüG LSA außer Kraft. In § 13 GlüG LSA wurde ein Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von Glücksspielen eingeführt. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA bedarf die gewerbliche Vermittlung von Glücksspielen außerhalb von Wettannahmestellen, die von Wetteinnehmern im Auftrag eines zur Veranstaltung und Durchführung von Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) und über sportliche Wettkämpfe (Sportwetten) in Sachsen-Anhalt zugelassenen Wettunternehmens betrieben werden, einer Erlaubnis. Ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Erlaubnis besteht nicht. § 21 GlüG LSA enthielt eine Übergangsvorschrift, wonach aufgrund des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt erteilte Konzessionen, Zustimmungen und Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2005 fortgalten, sofern sie nicht vorher nach dem Glücksspielgesetz ersetzt werden konnten. Eine weitere Übergangsvorschrift war in § 24 Abs. 3 GlüG LSA enthalten. Danach war die Vermittlung von Glücksspiel für eine Übergangszeit von drei Jahren erlaubnisfrei, wenn sie im Auftrag eines im Land zugelassenen Wettunternehmers erfolgte und die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet wurden (§ 13 Abs. 7 GlüG LSA). Die Vermittlung von Wetten für ein in Sachsen-Anhalt nicht zugelassenes Unternehmen wurde gemäß § 18 GlüG LSA unter Strafe gestellt. Die Vermittlung von Wetten an ein in dem Land zugelassenes Wettunternehmen ohne die Erlaubnis zur Vermittlung nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA stellte demgegenüber gemäß § 19 GlüG LSA eine Ordnungswidrigkeit dar.

14

In der allgemeinen Begründung der Gesetzesmaterialien (Drucksache des Landtages LSA 4/1863 vom 1. November 2004, S. 14) heißt es, dass mit dem neuen Glücksspielgesetz die Anpassung des Landesrechts an den Lottostaatsvertrag fortgeführt werden solle. Hierzu sei vorgesehen, die Regelungen des Lotteriegesetzes und des Lotto-Toto-Gesetzes in einem Gesetz zusammenzufassen und dabei solche Vorschriften zu streichen, die durch die Zusammenfassung in einem Gesetz oder aufgrund des Lottostaatsvertrages verzichtbar seien. Ferner würden besondere rechtliche Regelungen getroffen beziehungsweise beibehalten. Dies betreffe insbesondere den vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung.

15

Die gewerbliche Spielvermittlung ist in der Begründung des Gesetzesentwurfs an zwei Stellen ausdrücklich erwähnt. In der Begründung zu § 5 GlüG LSA heißt es, § 5 Abs. 1 GlüG LSA übernehme im Wesentlichen die Regelungen des § 4 Lotto-Toto-G und grenze die Tätigkeit der Wetteinnehmer in Wettannahmestellen von der gewerblichen Spielvermittlung nach § 14 LottoStV ab. § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüG LSA sei wortgleich mit § 4 Abs. 2 Lotto-Toto-G LSA. § 5 Abs. 2 Satz 2 GlüG LSA enthalte entsprechend dem Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung einen Zustimmungsvorbehalt. Zu § 13 Gesetzentwurf GlüG LSA heißt es, die Vorschrift regele ergänzend zu § 14 LottoStV die Vermittlung von Glücksspielen, die nicht durch Wettannahmestellen (§ 5) erfolge. § 13 Abs. 1 GlüG LSA stelle diese Vermittlung im Gegensatz zum bisherigen Recht, wonach die Vermittlung grundsätzlich verboten gewesen sei (§§ 284 ff. StGB, § 14 Lotto-Toto-G LSA), unter einen Erlaubnisvorbehalt. § 13 Abs. 7 GlüG LSA befreie die Vermittlung im Auftrage von Wettunternehmen, bei der die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet werden, von der Erlaubnispflicht. § 18 GlüG LSA übernehme § 14 Lotto-Toto-G LSA. § 19 GlüG LSA übernehme die Regelungen des § 15 Lotto-Toto-G LSA und des § 5a LottoG. Zusätzlich in den Katalog der Ordnungswidrigkeitstatbestände seien Verstöße gegen den Lottostaatsvertrag und das Glücksspielgesetz aufgenommen worden.

16

In der Ersten Beratung zum Entwurf des Glücksspielgesetzes trug der Minister des Innern des Landes Sachsen-Anhalt im Landtag vor, dass im Unterschied zum geltenden strafbewehrten Verbot ein Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von Glücksspiel vorgesehen sei (Plenarprotokoll 4/49 vom 11. November 2004, S. 3628 <3629>), während ein Abgeordneter des Landtags Klärungsbedarf anmeldete, ob eine Erlaubnis für die gewerbliche Spielvermittlung notwendig und in anderen Bundesländern eingeführt sei oder werden solle (a.a.O., S. 3631).

17

Das Glücksspielgesetz ist im Zuge des Inkrafttretens des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV, Anlage zum Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007, GVBl LSA S. 425) durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007 (GVBl LSA S. 412) neu gefasst worden. Es gilt gemäß § 1 GlüG LSA nunmehr ergänzend zu dem Glücksspielstaatsvertrag. § 13 Abs. 1 GlüG LSA regelt weiterhin die Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Glücksspielen. Auch die übrigen Bestimmungen des Gesetzes sind weitgehend gleich geblieben. Die Übergangsbestimmung in § 13 Abs. 7 GlüG LSA ist außer Kraft getreten.

18

3. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2007 gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob § 13 Abs. 1 GlüG LSA mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar ist, als die Bestimmung eine Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) einführt, ohne dass zugleich für bereits bestehende Vermittlungsaktivitäten eine Übergangsfrist bestimmt wurde.

19

4. Das Verwaltungsgericht erwähnt eingangs in seinem Beschluss das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276 "Sportwettenurteil") und das Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Februar 2007 (LVG LSA 19/05, LVerfGE 18, 521). Die vorgelegte Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit der "übergangslosen Legalentziehung" bei der Einführung der Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Glücksspielen sei nicht bereits Gegenstand der genannten Urteile gewesen.

20

Das Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt habe zwar auch die in dem Vorlagenbeschluss aufgeworfene Frage der Einführung der Erlaubnispflicht ohne Übergangsregelung zum Gegenstand gehabt. Das Verfahren habe jedoch im Unterschied zu den hier zu entscheidenden Fällen die Verfassungsbeschwerde eines privaten Vermittlers von privat veranstalteten Glücksspielen betroffen, dessen Tätigkeit auch schon vor dem Inkrafttreten des Glücksspielgesetzes verboten gewesen sei. Demgegenüber habe die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen bisher keiner besonderen Erlaubnis bedurft. Sie hätten diese im Rahmen der allgemeinen Gewerbefreiheit und des Grundrechts auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ausgeübt.

21

Die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen sei sowohl nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 GlüG LSA als auch nach der Praxis des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt nicht genehmigungsfähig. Das Verwaltungsgericht sei überzeugt davon, dass die Regelung des § 13 Abs. 1 GlüG LSA, auf die die streitbefangenen Untersagungsverfügungen zurückzuführen seien, die Klägerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletze. Das Übermaßverbot sei verletzt. Das Verwaltungsgericht sei im Übrigen davon überzeugt, dass der Gesetzgeber Übergangsfristen hätte einräumen müssen.

22

Eine verfassungskonforme Auslegung von § 13 Abs. 1 GlüG LSA dahingehend, dass die Vorschrift die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen erlaube, sei schon nach dem klaren Wortlaut nicht möglich. Außerdem sehe das Gesetz in § 13 Abs. 7 in Verbindung mit § 24 Abs. 3 GlüG LSA eigene Übergangsregelungen für den eng begrenzten Ausnahmefall vor, dass bei der von einem zugelassenen Unternehmen beauftragten Vermittlung die von den Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig an den staatlichen Glücksspielveranstalter weitergeleitet würden. Dies treffe auf die gewerbliche und gewinnorientierte Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen jedoch nicht zu. Diese Fallgruppe sei in der Ersten Beratung zum Glücksspielgesetz im Landtag auch ausdrücklich angesprochen worden, ohne dass ihre Einbeziehung in die Übergangsregelung erwogen worden sei.

23

Den Klägerinnen werde damit ohne Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist mit dem Inkrafttreten des Landesgesetzes ihre Tätigkeit in Sachsen-Anhalt untersagt. Eine solche übergangslose Entziehung einer bislang innegehabten Rechtsposition sei, wenn nicht ausschließlich aus überragenden Gründen des Gemeinwohls, dann nur unter Beachtung der Grundsätze des Übermaßverbotes zulässig. Der in § 13 Abs. 1 GlüG LSA eingeführte Erlaubnisvorbehalt erfülle die Voraussetzungen für eine übergangslose Rechtsentziehung jedoch nicht.

24

Der Landesgesetzgeber sei zu Unrecht bei Erlass des Glücksspielgesetzes davon ausgegangen, dass die gewerbliche Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen schon auf der Grundlage des früheren Rechts, insbesondere des Bundesstrafrechts (§§ 284, 287 StGB), ohne weiteres rechtswidrig und strafbar gewesen sei. Aus diesem Grund habe er die Voraussetzungen nicht geprüft, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Ad-hoc-Entziehung von Rechtspositionen ohne Einräumung von Übergangsfristen zu erfüllen seien.

25

Das Fehlen jeglicher, auf die Fallgruppe der Klägerinnen bezogener Übergangsregelung werde auch nicht dadurch kompensiert, dass der Beklagte die Vermittlungstätigkeit zunächst geduldet habe und erst nach etwa zwei Jahren eingeschritten sei. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerinnen aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG sei bereits durch den Landesgesetzgeber unmittelbar erfolgt, als dieser die Rechtsqualität der Vermittlungstätigkeit von "erlaubt" in "verboten" geändert habe.

26

Die Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs hänge im Übrigen nicht davon ab, ob und in welcher Intensität sich dieser Eingriff bereits verwirklicht habe, etwa durch eine entsprechende Praxis der Ordnungsbehörden. Nur durch eine gesetzlich geregelte und damit verlässliche Übergangsfrist könne diejenige Rechtssicherheit erreicht werden, auf die der Rechtsbetroffene im Rechtsverkehr angewiesen sei und die ihm einen von staatlichen Eingriffen möglichst freien Übergang (etwa zu einer anderen Betätigung) ermögliche. Mit einer bloß faktischen ordnungsbehördlichen Duldung eines Verhaltens, das staatlicherseits bereits als verboten und strafbar angesehen werde, werde dagegen kein Übergangsrecht erreicht, welches der bisherigen Rechtsposition des Betroffenen Rechnung trage. Denn jeder, der sich während der ihrer Dauer nach nicht bestimmten Duldungszeit auf Vermittlungsgeschäfte mit den Klägerinnen einlasse, müsse sich vor Augen führen, dass es sich um verbotene und unter Umständen auch für ihn selbst strafbare Geschäftstätigkeiten handele.

27

Das Verwaltungsgericht hat unter Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung dargelegt, dass für den Fall, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen bereits aufgrund der bundesrechtlichen Strafbestimmungen strafbar gewesen sei, die in allen übrigen fünfzehn Bundesländern stattfindende Vermittlungstätigkeit gleichfalls als verboten angesehen werden müsse. Außerdem stelle sich die Frage, wieso der Landesgesetzgeber es für erforderlich gehalten habe, mit den Regelungen der §§ 18, 19 GlüG LSA landesrechtliche Sanktionsbestimmungen in das Glücksspielgesetz aufzunehmen. Angesichts dieses Befundes lasse sich die Einschätzung im Gesetzgebungsverfahren, dass die Vermittlung staatlicher Glücksspiele vor Einführung des § 13 Abs. 1 GlüG LSA eindeutig als verboten und strafbar anzusehen gewesen sei, nicht halten.

28

Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht mit der Rückwirkungsproblematik in Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt (insbes. BVerfGE 31, 275; 36, 281; 43, 242; 58, 300; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2006 - 2 BvR 1339/06 -, juris).

29

Das Verwaltungsgericht geht auch von einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG aus. Die Entziehung der Möglichkeit, staatliche Glücksspiele zu vermitteln, stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, der die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletze. Es fehle an der notwendigen Übergangsregelung. Die völlige Entziehung einer Rechtsposition sei an strenge Anforderungen geknüpft (unter Verweis auf BVerfGE 83, 201 <211 f.>; BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076), denen § 13 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA nicht genüge.

30

Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, weil den Klägerinnen zustehende unternehmerische Handlungsspielräume (z.B. Ort der wirtschaftlichen Betätigung, Art und Weise des wirtschaftlichen Engagements etc.) entzogen würden, die nicht bereits von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt seien (Verweis auf BVerfGE 105, 252<278>; BVerfGK 3, 337).

31

Die Gültigkeit von § 13 Abs. 1 GlüG LSA sei auch entscheidungserheblich. Für den Fall der Verfassungsmäßigkeit der Norm seien beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand alle Klagen abzuweisen, weil die Tätigkeit der Klägerinnen dann als unmittelbar verboten gelte. Sei § 13 Abs. 1 GlüG LSA dagegen verfassungswidrig, stünden die Vermittlungstätigkeiten der Klägerinnen im Einklang mit dem geltenden Recht. In diesem Fall seien die Untersagungsverfügungen des Beklagten rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten aus § 1 Abs. 1 GewO, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die Verfügungen seien dann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

II.

32

Die Vorlage ist unzulässig. Es fehlt an einer hinreichenden Darlegung der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift und ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren.

33

1. Dem vorlegenden Gericht obliegt es gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, in seinem Vorlagebeschluss umfassend darzutun, weshalb es von der Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm überzeugt ist und inwiefern die Entscheidung des Gerichts von ihrer Gültigkeit abhängig ist (vgl. BVerfGE 77, 259 <261>; 97, 49 <60>; 98, 169 <199>; 105, 61 <67>; stRspr).

34

Dabei muss es die für seine Überzeugung der Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm maßgeblichen Erwägungen umfassend und nachvollziehbar ausführen, insbesondere alle hierfür maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfend und nachvollziehbar darlegen (BVerfGE 93, 121 <132>). Zugleich muss es verdeutlichen, dass die Beantwortung der gestellten Verfassungsfrage sich als unerlässlich darstellt, damit es das Ausgangsverfahren fortführen und abschließend entscheiden kann (vgl. BVerfGE 11, 330 <335>; 42, 42 <50>; 50, 108 <113>; 63, 1 <22>). Dies ist der Fall, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei deren Gültigkeit (BVerfGE 22, 175 <176>; 84, 233 <237>). Das Bundesverfassungsgericht legt in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Begründungsanforderungen an, der gewährleistet, dass der Grundsatz der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen gegenüber dem fachgerichtlichen Verfahren gewahrt wird, und der damit auch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dient (BVerfGE 65, 265 <277>).

35

Daraus folgt, dass im Vorlagebeschluss dargelegt sein muss, dass das vorlegende Gericht die Verfassungsmäßigkeit in rechtlicher Hinsicht sorgfältig geprüft und sich mit den hierzu vertretenen Auffassungen befasst und dargelegt hat, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht kommt (BVerfGE 86, 71 <78>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; BVerfGK 10, 171). Das Bundesverfassungsgericht ist nicht an die vom vorlegenden Gericht zugrunde gelegte Deutung der zu überprüfenden Norm gebunden, sondern kann seinerseits die angezweifelte Norm auslegen und über die Richtigkeit und Maßgeblichkeit der vom vorlegenden Gericht ermittelten Deutung entscheiden (BVerfGE 7, 45 <50>; 10, 340 <345>; 78, 20 <24>; 80, 54 <58 f.>). Denn nach dem Grundgedanken der Subsidiarität kann eine verfassungsgerichtliche Überprüfung dann nicht erfolgen, wenn zumindest eine verfassungskonforme Auslegung der Streitnorm in Betracht kommt (BVerfGE 86, 71 <78>).

36

2. Diesen Anforderungen wird die Vorlage in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

37

Das Verwaltungsgericht hat sich nicht hinreichend mit den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auseinandergesetzt und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 13 GlüG LSA wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht hinreichend begründet. Das vorlegende Gericht hat zudem die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Verfassungsfrage nicht hinreichend dargelegt.

38

a) Hinsichtlich einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hat das vorlegende Gericht bereits nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel um eine geschützte Eigentumsposition handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb zu den schutzfähigen Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gehört (BVerfGE 66, 116<145>; 68, 193 <222 f.>; 77, 84 <118>; 81, 208 <227 f.>; 96, 375 <397>; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1984 - III ZR 35/83 -, juris; Jarass, in: Jarass/Pieroth [Hrsg.], GG, 11. Aufl. 2011, Art. 14 Rn. 11; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 95 m.w.N.). Wird dagegen in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit eingegriffen, so wird auch nach dieser Auffassung jedoch nicht der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG als betroffen angesehen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04 -, juris). Das Verwaltungsgericht hat nicht hinreichend dargelegt, weshalb die Erlaubnispflicht gleichwohl durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sein soll.

39

b) Das Verwaltungsgericht meint ferner, § 13 Abs. 1 GlüG LSA verletze die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufsfreiheit der gewerblichen Vermittler von Glücksspielen. Seine Ausführungen reichen aber zur Darlegung einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat keine ausreichende Grundrechtsprüfung vorgenommen. Es hat zum einen nicht hinreichend dargelegt, in welcher Intensität durch die Einführung der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfolgt ist. Es hat zudem nicht hinreichend dargelegt und begründet, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt war.

40

aa) Das Verwaltungsgericht hat zwar hinreichend dargelegt, dass die Tätigkeit der Klägerinnen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist. Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfGE 105, 252 <265> m.w.N.). Das Vermitteln von Lotterien über das Internet erfüllt diese Merkmale und steht daher als berufliche Tätigkeit unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.

41

Wie das Verwaltungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, steht der Qualifizierung als Beruf nach Art. 12 Abs. 1 GG hier nicht entgegen, dass diese Tätigkeit möglicherweise nach §§ 284, 287 StGB und § 18 GlüG LSA strafbar ist beziehungsweise gemäß § 14 Lotto-Toto-G LSA strafbar war. Einer die Merkmale des Berufsbegriffs grundsätzlich erfüllenden Tätigkeit ist der Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht schon dann versagt, wenn das einfache Recht die gewerbliche Ausübung dieser Tätigkeit verbietet. Eine Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG in dem Sinne, dass dessen Gewährleistung von vornherein nur erlaubte Tätigkeiten umfasst, kommt allenfalls hinsichtlich solcher Tätigkeiten in Betracht, die schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können (BVerfGE 115, 276 <303> m.w.N.). Dies ist bei der gewerblichen Vermittlung von unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien nicht der Fall. Die Rechtsordnung kennt die gewerbliche Vermittlung von solchen Lotterien als erlaubte Betätigung. Bereits in § 14 LottoStV und § 3 Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen war der Beruf des gewerblichen Vermittlers von Lotterien als privates Gewerbe ausgestaltet.

42

bb) Ferner hat das Verwaltungsgericht überzeugend dargetan, dass die Einführung des Erlaubnisvorbehalts in § 13 Abs. 1 GlüG LSA wegen des mit ihm einhergehenden Ausschlusses der gewerblichen Vermittlung ohne entsprechende Genehmigung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt.

43

cc) Das vorlegende Gericht hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungswidrig ist.

44

(1) Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (BVerfGE 7, 377 <399 ff.>; 86, 28 <40>). Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzmäßig erlassen wurde, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 95, 193 <214>; 102, 197 <212 f.>).

45

Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden im Rahmen der Berufsfreiheit durch die sogenannte "Stufenlehre" näher konkretisiert (BVerfGE 25, 1 <11 f.>). Danach ist zu unterscheiden, auf welcher Stufe der Berufsfreiheit die Regelung ansetzt. Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden (BVerfGE 103, 1 <10>). Allerdings müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 108, 150 <160>). Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen - mit Abstufungen im Einzelnen - sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (BVerfGE 7, 377 <406 f.>; 102, 197 <214>; 123, 186 <238 f.>).

46

(2) Das Verwaltungsgericht hat zur Eingriffsintensität nicht Stellung genommen. Es hat nicht dargelegt, ob es sich bei § 13 Abs. 1 GlüG LSA um eine Maßnahme mit Auswirkungen auf die Berufswahl- oder Berufsausübung handelt und ob die Norm unter Gemeinwohlaspekten verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Eine Qualifizierung der Eingriffsintensität wäre hier jedoch notwendig gewesen, um den Rechtfertigungsmaßstab festzulegen und anhand dessen zu bestimmen, ob der vorliegende Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Auch für die Feststellung der Anforderungen, die an die Zulässigkeit der von dem vorlegenden Gericht angenommenen unechten Rückwirkung zu stellen sind, hätte es zunächst einer Qualifizierung der Eingriffsintensität bedurft.

47

(3) Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch nicht ausreichend dargelegt, dass tatbestandlich überhaupt eine unechte Rückwirkung gegeben ist. Diese würde voraussetzen, dass die Tätigkeit nach altem Recht erlaubt gewesen ist.

48

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die gewerbliche Vermittlung von Lotterien in Sachsen-Anhalt vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA erlaubnisfrei zulässig gewesen. Durch die Erlaubnispflicht werde eine gesicherte Rechtsposition der gewerblichen Vermittler übergangslos entzogen.

49

(a) Die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sind wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>). Hieraus ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen für belastende Gesetze auch in Fällen einer sogenannten unechten Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet. Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann aber je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen (BVerfGE 30, 392 <402>; 39, 128 <143 ff.>; 43, 242 <286>). Bei der Aufhebung und Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist, aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE 21, 173 <183>; 22, 275 <276>; 25, 236 <248>; 31, 275 <284>; 32, 1 <22 f.>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>). Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

50

(b) Nach Auffassung des vorlegenden Verwaltungsgerichts war die gewerbliche Vermittlung von Glücksspiel vor Einführung der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA ein zulässiges Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung. Das Verwaltungsgericht geht jedoch überhaupt nicht darauf ein, warum die streitgegenständliche Tätigkeit nicht nach § 33h GewO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgeschlossen sein soll. Dafür hätte das Verwaltungsgericht sich mit dem Verhältnis von § 33h GewO zu der gewerblichen Vermittlung von Lotterien auseinandersetzen müssen. Es hätte sich auch mit den in der verwaltungsrechtlichen Literatur existierenden Meinungen auseinandersetzen und diese in seinem Vorlagebeschluss darlegen müssen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht getan. Dabei wird die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts durchaus auch in Teilen der Literatur vertreten (vgl. Stober, Zur staatlichen Regulierung der gewerblichen Spielevermittlung, GewArch 2003, S. 305 <307>; Pieroth/Görisch, Gewerbliche Lotteriespielvermittlung als Gegenstand der konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz, NVwZ 2005, S. 1225 <1228>).

51

(c) Das Verwaltungsgericht setzt sich nicht ausreichend mit dem strafbewehrten Verbot der Vermittlung von Wetten im Lotto-Toto-Gesetz auseinander. Bei seinen Darlegungen hinsichtlich der erlaubnisfreien Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel und zur Gesetzeslage vor dem Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA stellt das vorlegende Gericht lediglich auf den Willen des Gesetzgebers des Glücksspielgesetzes für Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 ab. Dabei kommt es für die Erlaubnispflicht auf den Willen des Gesetzgebers des vor Dezember 2004 gültigen Lotto-Toto-Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1991 und des Lotteriegesetzes von Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1993 an. Hierzu hätte es insbesondere einer Auseinandersetzung mit § 14 Lotto-Toto-G LSA bedurft, der eine Strafbestimmung für diejenigen Personen enthielt, die für ein Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt nicht nach § 1 Lotto-Toto-G LSA zugelassen war, gewerbsmäßig Wetten über die Ziehung von Zahlen entgegennahmen oder vermittelten. Zu diesem Zweck hätte das Verwaltungsgericht nachvollziehbar darlegen müssen, wie es die Begründung zu § 14 Lotto-Toto-G LSA versteht, wonach nur die gewerbsmäßige Entgegennahme oder Vermittlung von Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe strafbewehrt seien.

52

Da sich aus der allgemeinen Begründung des Gesetzesentwurfs zum Lotto-Toto-G LSA (Entwurf eines Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt, LT-LSA Drucksache 1/352 vom 17. April 1991) zudem ergibt, dass dieser in wesentlichen Teilen dem in Niedersachsen geltenden Gesetz über das Zahlenlotto und dem Gesetz über Sportwetten entspricht, hätte sich das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Auslegung zur Orientierung gegebenenfalls auch mit der früheren Rechtslage in Niedersachsen auseinandersetzen können.

53

Mit der amtlichen Begründung zu § 13 GlüG LSA hat sich das Verwaltungsgericht im Gegensatz zu den Gesetzesberatungen ebenfalls nicht auseinandergesetzt. Nach dieser soll § 13 Abs. 1 GlüG LSA die Vermittlung unter einen Erlaubnisvorbehalt stellen, während nach bisherigem Recht die Vermittlung grundsätzlich verboten gewesen sei (§§ 284 ff. StGB, § 14 Lotto-Toto-G LSA).

54

(d) Die Vorlage befasst sich zudem nicht hinreichend mit der Strafbarkeit der gewerblichen Vermittlung. Soweit das Verwaltungsgericht für die erlaubnisfreie Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2006 (1 Ss 296/05, NJW 2006, S. 2422) und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. November 2006 (2 StR 55/06, juris) heranzieht, verkennt es, dass die Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung aufgrund der Gesetzeskompetenz des Landes Sachsen-Anhalt im Kontext der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen zu sehen ist. Den zitierten gerichtlichen Entscheidungen liegen jedoch keine Sachverhalte zugrunde, die sich unmittelbar auf die Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel in Sachsen-Anhalt beziehen. Aus ihnen ergibt sich daher nicht unmittelbar die von dem Verwaltungsgericht angenommene Erlaubnisfreiheit der Tätigkeit.

55

Auch aus der durch das Verwaltungsgericht zitierten Literatur (Lüderssen, Die Aufhebung der Straflosigkeit gewerblicher Spielvermittler durch den neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland?, NStZ 2007, S. 15; ders., Keine Strafdrohungen für gewerbliche Spielvermittler, 2006, S. 9 ff.; Eser/Heine  , in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 284 Rn. 12a ff. und § 287 Rn. 13b m.w.N.) ergibt sich nicht, dass die gewerbliche Vermittlung von unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien in Sachsen-Anhalt straffrei und zulässig war. Vielmehr war die Strafbarkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen umstritten (vgl. Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, a.a.O., § 284 Rn. 12a, 17a; § 287 Rn. 13b). In der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Literatur wird zudem vertreten, dass auch die behördliche Duldung einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit, wie sie möglicherweise durch die Behörden in Sachsen-Anhalt in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerinnen erfolgt war, die betroffene Handlung nicht zu legalisieren vermochte beziehungsweise dies jedenfalls umstritten war (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, a.a.O., Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 62 und Cramer/Heine, Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 20).

56

c) Eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Form der Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Art. 2 Abs. 1 GG scheidet als Maßstab bereits deshalb aus, weil die aufgeworfenen Fragen des Schutzes gewerblicher Vermittler von Glücksspielen an unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien thematisch von der sachlich speziellen Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst werden (BVerfGE 59, 128; 105, 252 <279>; BVerfGK 3, 337).

57

d) Die Vorlage ist darüber hinaus unzulässig, weil das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 BVerfGG nicht hinreichend dargelegt hat.

58

Das Verwaltungsgericht setzt sich mit der objektiven Rechtslage auseinander. Es erklärt aber nicht, inwiefern die seines Erachtens unzureichende Übergangsvorschrift in § 13 Abs. 7 GlüG LSA für seine Entscheidung erheblich sein soll. Entscheidungserheblich für den Ausgang eines Rechtsstreits ist ein formelles Gesetz nur dann, wenn es auf seine Gültigkeit für die Entscheidung ankommt (BVerfGE 104, 74 <82>) und damit ein konkretes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur abschließenden Beurteilung des Ausgangsrechtsstreits unerlässlich ist (BVerfGE 50, 108 <113>; 76, 100 <104>; 85, 337 <343>; 90, 145 <170>). Das ist dann der Fall, wenn das vorlegende Gericht bei Gültigkeit des formellen Gesetzes im Ergebnis anders entscheiden müsste als bei dessen Ungültigkeit (BVerfGE 22, 175 <176 f.>; 84, 233 <236 f.>; 91, 118 <121>; 98, 169 <199>; 105, 61 <67>).

59

Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, inwiefern die Klägerinnen auch mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung noch Vertrauensschutz genießen. § 13 Abs. 1 GlüG LSA ist im Dezember 2004 in Kraft getreten. Die Untersagungsverfügungen gegen die Klägerinnen sind mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Norm ergangen. Zwar war in § 13 Abs. 7 GlüG LSA geregelt, dass die Vermittlung von Glücksspiel für eine Übergangszeit von drei Jahren erlaubnisfrei sein sollte, wenn sie im Auftrag eines in dem Land zugelassenen Wettunternehmers erfolgte und die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet wurden. Hieraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig, dass die von dem Verwaltungsgericht als notwendig erachtete Übergangsregelung für gewerbliche Vermittler automatisch ebenso lang hätte ausfallen müssen. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276 <319>) für eine Neuregelung des Glücksspielrechts eine Übergangsfrist von etwas mehr als einem Jahr als angemessen angesehen (bis zum 31. Dezember 2007). Auch die Übergangsregelungen in § 25 GlüStV sehen lediglich eine Frist von einem Jahr für die Geltungsdauer von bereits erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnissen vor.

60

Selbst wenn man hier mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, dass § 13 Abs. 7 GlüG LSA eine mit Blick auf die gewerbliche Glücksspielvermittlung nicht ausreichende Übergangsregelung enthielt, hat das Gericht die unzumutbare Benachteiligung der Klägerinnen und damit die Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerinnen sind ihrer Tätigkeit als gewerbliche Vermittler auch nach dem Inkrafttreten der Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA nachgegangen. Für die Entscheidungserheblichkeit ist maßgeblich, ob sich das Vertrauen der Klägerinnen bei Abwägung ihrer Interessen gegenüber dem Anliegen des Gesetzgebers als vorrangig erweisen würde.

61

Bei der Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber - auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist - aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE 21, 173 <183>; 22, 275 <276>; 25, 236 <248>; 31, 275 <284>; 32, 1 <22 f.>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>). Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

62

Vorliegend sind keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, dass eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll berücksichtigende Übergangsregelung den Klägerinnen eine günstigere Position hätte einräumen müssen als sie tatsächlich innehatten (vgl. BVerfGE 43, 242 <290>).

63

Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich lediglich dargelegt, dass mit der bloß faktischen ordnungsbehördlichen Duldung eines Verhaltens, das staatlicherseits bereits als verboten und strafbar angesehen werde, kein Übergangsrecht erreicht werde, welches der bislang innegehabten Rechtsposition des Betroffenen Rechnung trage. Denn jeder, der sich während der ihrer Dauer nach nicht bestimmten Duldungszeit auf Vermittlungsgeschäfte mit den Klägerinnen einlasse, müsse sich vor Augen führen, dass es sich um verbotene und unter Umständen auch für ihn selbst strafbare Geschäftstätigkeiten handele. Diese abstrakten Ausführungen zur objektiven Rechtslage erklären jedoch nicht, warum eine mögliche Übergangsregelung auf die in der Zwischenzeit weiterhin gewerblich vermittelnd tätigen Klägerinnen auch über zwei Jahre nach Inkrafttreten der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA noch hätte angewandt werden müssen.

64

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, auf die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Berufsausübungsgesellschaften nach der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwälte und Berufsausübungsgesellschaften nach der Patentanwaltsordnung, der Notare, der in § 10 Absatz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes und § 1 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz genannten Personen, der Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, der vereidigten Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften, der Steuerberater und Berufsausübungsgesellschaften nach dem Steuerberatungsgesetz sowie der Steuerbevollmächtigten, auf den Gewerbebetrieb der Auswandererberater, das Seelotswesen und die Tätigkeit der Prostituierten. Auf das Bergwesen findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält; das gleiche gilt für die Ausübung der ärztlichen und anderen Heilberufe, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterielosen und die Viehzucht. Ferner findet dieses Gesetz mit Ausnahme des Titels XI auf den Gewerbebetrieb der Versicherungsunternehmen sowie auf Beförderungen mit Krankenkraftwagen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes keine Anwendung.

(1a) § 6c findet auf alle Gewerbetreibenden und sonstigen Dienstleistungserbringer im Sinne des Artikels 4 Nummer 2 der Richtlinie 2006/123/EG Anwendung, deren Dienstleistungen unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

(2) Die Bestimmungen des Abschnitts I des Titels VII finden auf alle Arbeitnehmer Anwendung.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 2. April 2007 vom Zeitpunkt ihres Erlasses bis zum Ablauf des 31. Dezember 2007 in allen Regelungspunkten rechtswidrig gewesen ist.

Es wird ferner festgestellt, dass die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 2. April 2007 im Zeitraum danach bis zum Erlass der Änderungsverfügung vom 21. April 2009 insoweit rechtswidrig gewesen ist, als dem Kläger unter Zwangsgeldandrohung zum einen untersagt wurde, in anderer Weise als über das Internet in Mecklenburg-Vorpommern Sportwetten anzubieten, sowie zum anderen untersagt wurde, in Mecklenburg-Vorpommern für illegale Sportwetten oder illegale Glücksspiele Werbung zu betreiben, soweit diese letztgenannte Untersagung die Geschäftstätigkeit des Klägers außerhalb des Internets zum Gegenstand gehabt hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu zwei Dritteln und der Beklagte zu einem Drittel.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von elf Zehnteln des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die zwangsgeldbewehrte Untersagung des Anbietens, Bewerbens, Abschlusses und Vermittelns von Sportwetten, die der Beklagte ihm gegenüber verfügte.

2

Er ist unter der im Rubrum angegebenen Anschrift und seit 2006 unter der dort genannten Firma gewerblich tätig; die im Handelsregister A Nr. XXX beim Amtsgericht C-Stadt eingetragene Firma lautete zuvor „…“, davor „O.“, zwischenzeitlich mit dem Klammerzusatz „(A-Stadt)“. Nach seinen Angaben hat der Kläger bei Klageerhebung 51 Mitarbeiter beschäftigt.

3

Am 11. April 1990 erteilte ihm der Rat des Kreises D-Stadt, Bezirk C-Stadt, gemäß seinem zwei Tage zuvor gestellten Antrag auf der Grundlage des Gewerbegesetzes vom 6. März 1990 (GBl. I S. 138) – GewG – die Genehmigung zur Eröffnung eines Wettbüros für Sportwetten unter der im Rubrum genannten Anschrift ab dem 1. Mai 1990. In dem Antrag hatte der damals XX-jährige, in der Region geborene Kläger angegeben, das Gewerbe unter der Bezeichnung „Sport-Wetten A-Stadt“ ausüben zu wollen. Über eine Genehmigung des Ministers des Inneren nach der Sammlungs- und Lotterieverordnung vom 18. Februar 1965 (GBl. II S. 238) – SlgLottVO – verfügte der Kläger nie.

4

Nach seinem Vorbringen übte er sein Gewerbe beanstandungsfrei aus und — unter Anpassung an zeitgenössische Anforderungen — durchgehend von dem genehmigten Unternehmenssitz aus. Das … Staatsministerium des Innern prüfte ausweislich eines Schreibens an das Landratsamt D-Stadt Anfang 1994 einen Widerruf der Genehmigung, die es für wirksam hielt, nach § 49 des dortigen Verwaltungsverfahrensgesetzes und nach § 35 der Gewerbeordnung. Hierzu kam es allerdings nicht.

5

Nach seinem Vorbringen zu Verfahrensbeginn veranstaltete der Kläger „Briefwetten mit ausländischen Kunden“ auf eigene Rechnung. Danach beschränkte sich sein Geschäftsfeld nach seinen Angaben ausschließlich auf die Vermittlung von Wetten über das Internet an seine ausländische Geschäftspartnerin. An dem klägerischen Unternehmen ist bis in das vorbereitende gerichtliche Verfahren die österreichische Fa. I AG als atypisch-stille Gesellschafterin zu 50 % beteiligt gewesen. Deren weiterem Tochterunternehmen, der im Freihafen von Gibraltar ansässigen Fa. B Ltd., hat das klägerische Unternehmen Sportwetten vermittelt. Die Fa. B Ltd. hat über eine jährlich verlängerbare Genehmigung („Gaming Licence No. XXX“) der Regierung von Gibraltar verfügt, die auf durch Kommunikationsmedien vermittelte Wett-Spiele mit festen Gewinnquoten beschränkt war („restricted to remote gambling fixed-odds bet“). Die Lizenzvereinbarung zwischen der als sog. remote gambling operator lizenzierten Fa. B Ltd. und ihren Lizenznehmern wie dem Kläger, die der Genehmigung zugrunde lag, wird in einem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Finanzministeriums von Gibraltar mit dem Passus zitiert, dass „sich die Bewerbung von und die Reklame für Glücksspielaktivitäten nur an Bürger jener Staaten richten darf, in denen die Ausübung dieser Tätigkeiten nicht gesetzwidrig ist, und dass der Lizenznehmer einer Person gegenüber keine Glücksspielleistungen erbringt, wenn die Erbringung dieser Leistungen durch den Lizenznehmer nach anwendbarem Recht gesetzwidrig wäre“. Aufgrund seiner Lizenzvereinbarung hat der Kläger den nach der internationalen „Dachmarke“ benannten Netzsitus http://www.….de, der von der Fa. DENIC e. G. der Fa. B Ltd. zugewiesen gewesen ist, genutzt, d. h. administriert und redigiert.

6

Nach einer Anhörung des Klägers unter dem 31. Juli 2006, zu der sich zwei klägerische Bevollmächtigte äußerten, erließ der Beklagte unter dem 2. April 2007 den ersten angegriffenen Bescheid. Unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Tenorpunkt 2.) untersagte er damit dem Kläger, (1.1.) in Mecklenburg-Vorpommern Sportwetten über das Internet oder auf andere Weise anzubieten, (1.2) mit Spielteilnehmern in Mecklenburg-Vorpommern Sportwetten über das Internet abzuschließen, (1.3) in sonstiger Weise Sportwetten zu veranstalten oder zu vermitteln, an denen Spieler in Mecklenburg-Vorpommern über das Internet teilnehmen können, und (1.4) in Mecklenburg-Vorpommern Werbung für illegale Sportwetten oder Glücksspielangebote zu betreiben. Ferner drohte er ihm für den Fall, dass er nicht innerhalb zweier Wochen der Verfügung nachkomme, „ein Zwangsgeld für die unter Ziff. 1.1 bis 1.4 beschriebenen Handlungen in Höhe von jeweils 50.000 EUR“ an (Punkt 3.). Die Verfügung war auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland von 2003/2004 (GVOBl. M-V 2004 S. 258, 259) – LottStV – und § 13 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – SOG M-V – gestützt und diente nach ihrer Begründung der Unterbindung von durch § 284 des StrafgesetzbuchsStGB – und den LottStV verbotenen Handlungen des Klägers.

7

Gegen die Untersagungsverfügung wendet sich der Kläger mit der Klage vom 16. April 2007. Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Wiederherstellung von deren aufschiebender Wirkung hat Erfolg gehabt (Beschlüsse der Kammer vom 14. Oktober 2008 – 7 B 196/07 – und — erkennbar hierauf bezogen — des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern – OVG M-V – vom 29. Januar 2009 – 2 M 151/08 –, juris).

8

Unter dem 21. April 2009 hat der Beklagte einen Änderungsbescheid erlassen. Damit hat er die Untersagungsverfügung vom 2. April 2007 unter deren Aufhebung im Übrigen dahingehend geändert, dass er (1.) dem Kläger untersagt hat, (a) in Mecklenburg-Vorpommern Glücksspiele, insbesondere Sportwetten, über das Internet anzubieten, (b) mit Spielteilnehmern in Mecklenburg-Vorpommern Glücksspiele, insbesondere Sportwetten, über das Internet abzuschließen und (c) in sonstiger Weise Glücksspiele, insbesondere Sportwetten, zu veranstalten oder zu vermitteln, soweit Spieler in Mecklenburg-Vorpommern an diesen über das Internet teilnehmen können, ferner (2.), „falls“ der Kläger „der Untersagungsanordnung nicht nachkomm[e]“, „ein Zwangsgeld für die unter Ziff. 1 beschriebenen Handlungen in Höhe von jeweils 50.000 EUR angedroht“ hat. In der Begründung heißt es, die Verfügung vom 2. April 2007 werde gemäß § 49 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG M-V – aufgehoben, soweit die Untersagung den „terrestrischen Vertriebsweg“, also das Anbieten von Sportwetten auf andere Weise als über das Internet, betreffe. Im Übrigen bleibe es gemäß § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags von 2007 – GlüStV – aus den in der Verfügung benannten Gründen bei dem Verbot, Sportwetten über das Internet zu vertreiben.

9

Der Kläger hat im vorbereitenden Verfahren mitgeteilt, schon seit 2006 im Hinblick auf die Neuordnung des deutschen Glücksspielrechts ein „Werbemoratorium“ eingeleitet zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat er angegeben, er habe vor etwa zwei Jahren auf den Druck anderer Bundesländer hin seinen internetgestützten Betrieb vollständig aufgeben müssen; die „Dachmarke“ werde derzeit von anderen Unternehmen genutzt. Auf dem Netzsitus der Glückspielaufsicht von Gibraltar findet sich kein Hinweis mehr auf die anfangs vom Kläger und seiner Geschäftspartnerin genutzte Lizenz.

10

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger, mit Hinweis auf sein Vorbringen im Eilverfahren, im Wesentlichen vor: Die Untersagungsverfügung sei in beiden Varianten rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Seine gewerbliche Tätigkeit sei bereits aufgrund der Genehmigung nach § 3 GewG erlaubt; diese wirke gemäß Art. 19 Abs. 1 des Einigungsvertrags – EV – kraft bundesrechtlicher Anordnung über die Grenzen Sachsens hinaus fort. Das „Sportwettenurteil“ des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – (vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –), das für den Zeitraum bis Ende 2007 äußerte, das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch Private und das Vermitteln nicht staatlich veranstalteter Wetten könne als verboten betrachtet werden, lasse außer Acht, dass nicht nur die Berufsfreiheit, sondern auch die europarechtlich begründete Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ein staatliches Monopol allenfalls dann als gerechtfertigt anerkennten, wenn es in kohärenter Weise in dem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut der Eindämmung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht dienende Maßnahmen eingebettet sei. Dies sei, nach wie vor, nicht der Fall. Auch die — ausdrücklich Tätigkeiten wie die klägerische untersagenden — Regelungen des GlüStV und deren Umsetzung hätten insoweit keine entscheidende Änderung bewirkt und müssten schon daher, wie zuvor die Regelungen aus der Zeit des LottStV, aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen hintanstehen. Der Kläger legt umfänglich dar, wie staatliche oder staatlich beherrschte Glücksspielanbieter durch Werbung der Eindämmung der Wettsucht entgegenwirkten, dass es an den notwendigen Grundlagenuntersuchungen über Wirkweise und Ausmaß der Wettsucht fehle, dass das Glücksspielgeschehen in seinen zahlreichen Formen Restriktionen oder Freigaben unterschiedlichsten Ausmaßes unterliege, was mit der Gefährlichkeit der jeweiligen Glücksspielform nicht zu begründen sei, und dass zahlreiche Indizien erkennen ließen, dass staatliche Glücksspielveranstalter im fiskalischen Interesse und aus Interessen der Wirtschafts- und Tourismusförderung eine Ausweitung des Glücksspielgeschehens anstrebten. Das Gericht möge insoweit Tatsachenaufklärung betreiben. In diesem Zusammenhang regt der Kläger die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes – EuGH – an. In seinem, des Klägers, Fall, komme hinzu, dass auch der GlüStV nicht in seine bestehende gewerberechtliche Erlaubnis eingreife; bei den Verhandlungen vor seinem Abschluss sei vielmehr klar gewesen, dass seiner und die drei Parallelfälle von DDR-Erlaubnisinhabern einer gesonderten Regelung zugeführt werden sollten. Sofern man dagegen eine Eingriffsermächtigung für den Beklagten bejahe, verletze die Untersagungsverfügung jedenfalls das Übermaßverbot; ihm, dem Kläger, sei es schon technisch nicht möglich, im Internet und gleichwohl nicht in Mecklenburg-Vorpommern tätig zu sein und dortige Spielinteressenten von seinem Angebot auszunehmen.

11

Der Kläger hat in der Klageschrift einen Anfechtungsantrag gegen den Bescheid vom 2. April 2007 formuliert und mit am 23. April 2009 eingegangenem Schriftsatz die Änderungsverfügung vom 21. April 2009 in die Anfechtungsklage einbezogen. Vor dem Hintergrund durch die Untersagungsverfügung ausgelöster finanzieller Einbußen beantragt er nunmehr,

12

die angefochtene Untersagungsverfügung vom 2. April 2007 in der Gestalt der Änderungsverfügung vom 21. April 2009 aufzuheben und darüber hinaus festzustellen, dass die angefochtenen Verfügungen von Anfang an rechtswidrig waren.

13

Der Beklagte beantragt

14

Klageabweisung
und verteidigt seine Vorgehensweise, insbesondere unter Hinweis auf § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (eine Heftung) sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verfahrens 7 B 196/07 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage hat teilweise Erfolg. Dies gilt bezogen auf die ursprüngliche Fassung der angegriffenen Untersagungsverfügung und insoweit hauptsächlich für die Zeit bis zum Inkrafttreten des GlüStV am 1. Januar 2008 (s. hierzu die Bekanntmachung vom 5. März 2008, GVOBl. M-V S. 102), danach nur in eingeschränktem Maße und bis zur Selbstkorrektur des Beklagten durch dessen Änderungsverfügung vom 21. April 2009. Für die hierauf folgende Zeit bleibt die Klage erfolglos.

17

Mit dem Aufhebungsbegehren, das nach der Antragsumstellung gegen die abgeänderte Untersagungsverfügung in ihrer gegenwärtigen Gestalt gerichtet ist und nur noch die Zeit ab der gerichtlichen Entscheidung betrifft, ist die Klage als — fristgemäß vom belasteten Adressaten erhobene — Anfechtungsklage im Sinne von § 42 und § 113 Abs. 1 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – zwar nach wie vor zulässig, aber insgesamt unbegründet.

18

Die im umgestellten Klageantrag formulierte Feststellung für den Zeitraum von der Bekanntgabe und kurzfristig folgenden ursprünglichen Anfechtung der Verfügung bis zu der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung begehrt der Kläger ebenfalls in zulässiger Weise. In Ansehung seiner beabsichtigten Schadensersatzforderung(, die auch für den Zeitraum nach der gerichtlichen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht offensichtlich unbegründet erscheint,) ist ihm insbesondere das notwendige Interesse an einer gerichtlichen Feststellung zuzubilligen, wie sie bei dem angegriffenen, sich für ablaufende Zeiträume fortlaufend erledigenden Dauerverwaltungsakt nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist (s. den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 5. Januar 2012 – 8 B 62.11 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ – 2012, S. 510 [511 f.]). Die Klage ist insoweit aber nur teilweise begründet.

19

Soweit es um die Zeit vor dem Inkrafttreten des GlüStV geht, ist die angegriffene Verfügung (in ihrer Ursprungsfassung) rechtswidrig gewesen.

20

Für ihren Erlass zuständig war allerdings der Beklagte, dem im Verwaltungsverfahren auch keine allgemeinen formellen Fehler unterliefen. Im Jahre 2007 konnte jener, wie erfolgt, seine Zuständigkeit aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LottStV herleiten, der durch das Zustimmungsgesetz vom 24. Juni 2004 Landesrecht geworden und am 1. Juli 2004 in Kraft getreten war. Die Vorschrift ermächtigte „die zuständige Behörde“, die nach Satz 1 „im öffentlichen Interesse darüber zu wachen hat[te], dass […] unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben“, zu den „erforderlichen Maßnahmen“, „insbesondere“ dazu, „die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels [zu] untersagen“. Als „zuständige Behörde“ war der Beklagte gemäß § 12 Abs. 2 und 3 des (durch § 23 Abs. 2 des Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetzes vom 14. Dezember 2007 [GVOBl. M-V S. 386] – GlüStVAG M-V – aufgehobenen) Lotteriegesetzes vom 24. Oktober 2001 (GVOBl. M-V S. 401) anzusehen; insoweit handelte es sich bei ihm um eine Landesordnungsbehörde im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V. Dass der Beklagte sich im Bescheid auf §§ 4 und 5 SOG M-V bezog, die im vorliegenden Zusammenhang nur schwer zu instrumentalisieren sind, ist ebenso unschädlich wie die Anführung von § 13 SOG M-V; diesem geht § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LottStV als Spezialvorschrift vor, die indessen vom Ermächtigungsumfang und der Ermessenseröffnung her inhaltsgleich ist.

21

Die Verfügung war jedoch rechtswidrig, da die materiellen Voraussetzungen für ihren Erlass nicht vorlagen.

22

Denn zwar veranstaltete der Kläger durch die Vermittlung von Internet-Sportwetten gemeinsam mit der Muttergesellschaft seines Unternehmens ein Glücksspiel (vgl. nur das Urteil des BVerwG vom 23. August 1994 – 1 C 18.91 –, amtliche Entscheidungssammlung BVerwGE Bd. 96, S. 293 [295 f.], sowie die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Dresden vom 16. Oktober 2006 – 14 K 1711/06 –, juris Rdnr. 21 [zu § 284 StGB], und Düsseldorf vom 24. Juni 2009 – 27 L 1131/08 –, juris Rdnr. 59 – 92), und er warb auch hierfür. Dies war ihm jedoch erlaubt, so dass der Beklagte hiergegen nicht zur Bekämpfung unerlaubten Glücksspiels vorgehen durfte. Die Kammer hält nach Überprüfung an ihrer bereits im Eilverfahren vorgenommenen, vom OVG M-V gebilligten Bewertung der Sach- und Rechtslage fest, für die die dem Kläger am 11. April 1990 vom Rat des Kreises D-Stadt erteilte Gewerbegenehmigung maßgeblich ist.

23

Diese erlaubte dem Antragsteller die Eröffnung eines „Wettbüros für Sportwetten“. Sie ist jedenfalls auch in Mecklenburg-Vorpommern, wie der Kläger zutreffend vertritt, gemäß Art. 19 Satz 1 EV wirksam und hat auch die mit der angegriffenen Untersagungsverfügung bezeichnete Geschäftstätigkeit erfasst.

24

Gründe für eine Unwirksamkeit der Gewerbegenehmigung, die weder widerrufen noch zurückgenommen wurde, sind nämlich nicht ersichtlich. Nach Inkrafttreten des GewG mit der nach dessen § 3 Abs. 2 erlassenen, gleichzeitig verkündeten (ersten) Durchführungsverordnung vom 8. März 1990 (GBl. I S. 140) war für die seinerzeit beabsichtigte Geschäftstätigkeit des Klägers eine Gewerbeerlaubnis nach § 3 GewG erforderlich; dies schrieb die Durchführungsverordnung in ihrem § 1 und durch Aufführung der Fallgruppe „Spielautomaten, Spielkasinos, Glücksspiele gegen Geld“ in ihrer Anlage vor. Die in § 3 GewG und in der Zweiten Durchführungsverordnung hierzu vom 15. März 1990 (GBl. I S. 169) geregelte Zuständigkeit und die Formalien sind eingehalten. Die Erlaubnis verstieß bei ihrer Erteilung gegen kein rechtliches Verbot und ist auch nicht aus anderen Gründen nichtig. Mit dem GewG war auch in der DDR der Grundsatz der Gewerbefreiheit wieder eingeführt worden; die Durchführungsverordnung vom 8. März 1990 zeigte ausdrücklich, dass auch „Glücksspiele gegen Geld“ nicht verboten waren, sondern lediglich einem präventiven Erlaubnisvorbehalt unterlagen. Es stellt auch keinen zur Unwirksamkeit führenden offenkundigen und schwerwiegenden Fehler der erteilten Genehmigung (vgl. zu dem anzuwendenden Maßstab das Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 11. Oktober 2001 – I ZR 172/99 –, Gewerbearchiv – GewArch – 2002, S. 162 f.) dar, dass dem Kläger keine eigenständige (weitere) Genehmigung (des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei) nach den Vorschriften der SlgLottVO erteilt wurde (so aber das Verwaltungsgericht Magdeburg im Urteil vom 9. August 2007, – 3 A 297/06 MD –, GewArch 2008, S. 77 [79]). Die SlgLottVO bestand zwar als „spezielle Rechtsvorschrift“ im Sinne von § 16 Abs. 1 GewG auch unter Geltung dieses Gesetzes fort (s. auch ihre [Klassenlotterien betreffende] Änderung durch Verordnung vom 22. August 1990 [GBl. I S. 1261], ferner noch ihre Anerkennung als hiesiges Landesrecht nach dem Beitritt, etwa hier durch Teilaufhebungen im Spielbankgesetz vom 19. Mai 1993 [GVOBl. M-V S. 510], im Sammlungsgesetz vom 17. Juni 1996 [GVOBl. M-V S. 266] und im Lotteriegesetz vom 24. Oktober 2001 [GVOBl. M-V S. 401] sowie durch das Rechtsbereinigungs- und Rechtsfortgeltungsgesetz vom 23. April 2001 [GVOBl. M-V S. 93]); Sportwetten gehören aber bereits nicht zu den „öffentlichen Lotterien“ im Sinne des § 1 Abs. 4 SlgLottVO und fielen damit nicht unter diese Verordnung. Selbst andernfalls schiede eine Anwendbarkeit der SlgLottVO nach Einführung des GewG und der dazu ergangenen Ausführungsvorschriften aus. Denn nach § 2 Buchst. h und i SlgLottVO waren „Lotterien“ nur in Form des Verkaufs von Losbriefen, nummerngesicherten Spielausweisen oder Pappröllchenlosen oder „im Zusammenhang mit einem Preisausschreiben“ zulässig und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SlgLottVO für einen befristeten Zeitraum zu genehmigen; §§ 3 und 5 SlgLottVO zeigen auf, dass Genehmigungsgegenstand nur auf die einmalige Ausspielung von Gewinnen ausgerichtete Einzelveranstaltungen kurzer Dauer sein konnten. Wenn die Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten in einem dauerhaft eingerichteten Wettbüro hiernach nie hätte genehmigt werden können, hätte dies der neueren, mit der Wiedereinführung der Gewerbefreiheit einhergehenden Gesetzgebung um das GewG widersprochen (vgl. hierzu näher auch den überzeugenden Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts – ThürOVG – vom 21. Oktober 1999 – 3 EO 939/97 –, Landes- und Kommunalverwaltung 2000, S. 309 [310 ff.], sowie ergänzend dessen Urteil vom 20. Mai 2005 – 3 KO 705/03 –, Thüringer Verwaltungsblätter 2006, S. 201 [202 ff.], ferner den Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts – SächsOVG – vom 12. Dezember 2007 – 3 BS 286/06 –, GewArch 2008, S. 118 [119]). Jedenfalls eine Nichtigkeit der erteilten Genehmigung wäre nicht damit zu begründen, dass die SlgLottVO außer Acht gelassen worden wäre (s. die Beschlüsse des ThürOVG vom 21. Oktober 1999, a. a. O., und des OVG M-V vom 29. Januar 2009, a. a. O. Rdnr. 6). Ferner schuf der DDR-Normgeber für den Bereich des Glücksspielwesens im Jahre 1990 aktuelle Spezialvorschriften zum GewG, etwa die Spielcasinoanordnung vom 10. März 1990 (GBl. I S. 203), bald ersetzt durch die Spielcasinoverordnung vom 4. Juli 1990 (GBl. I S. 952), sowie die Anordnung über das gewerbsmäßige Aufstellen von Spielgeräten, die Veranstaltung von anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeit und das Betreiben von Spielhallen vom 6. August 1990 (GBl. I S. 1397), die die Anordnung über das gewerbsmäßige Veranstalten von Spielen vom 23. November 1981 (GBl. I S. 435) ersetzte. Auch aus diesen Vorschriften resultierten keine weitergehenden Bedingungen für die Erlaubniserteilung an den Kläger für den Betrieb eines Wettbüros für Sportwetten oder das Verbot einer Gewerbeerlaubnis hierfür nach § 3 GewG: Hinsichtlich der Vorschriften über Spielkasinos liegt dies auf der Hand, die Anordnung vom 23. November 1981 war (auch schon für den Zeitraum bis zu ihrer Ersetzung) durch das GewG und die erste Durchführungsverordnung hierzu inhaltlich überholt, und die Anordnung vom 6. August 1990, sofern sie auf gewerbliche Tätigkeiten wie die des Klägers anwendbar war (s. indessen § 1 Abs. 2 Nr. 2 und § 10 Satz 1; hierzu auch der Beschluss des ThürOVG vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 311 f.), berührte Rechtmäßigkeit und Geltung der klägerischen Gewerbeerlaubnis bereits deswegen nicht, weil sie erst deutlich nach deren Erteilung erging. So wurde denn die Genehmigung auch in der nachfolgenden Verwaltungspraxis nicht als unwirksam angesehen, wie etwa die dokumentierten Überlegungen …er Behörden nach dem Beitritt zeigen.

25

Der Geltungsbereich der dem Kläger erteilten Genehmigung umfasst nach Art. 19 EV auch das gesamte Beitrittsgebiet, jedenfalls aber das heutige Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Nach Satz 1 der Vorschrift bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR nach diesem Zeitpunkt wirksam; wenn sie nicht nach Satz 2 wegen Unvereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder Regelungen des EV aufgehoben werden, bleibt ihre Bestandskraft nach Satz 3 grundsätzlich unberührt. Dies bedeutet, dass die Verwaltungsakte, hier die klägerische Genehmigung, in die bundesdeutsche Rechtsordnung ohne Änderung ihres Regelungsgehalts übergeleitet wurden. Dieser richtet sich nach ihrem Inhalt und den auf den betroffenen Lebenssachverhalt jeweils anzuwendenden Rechtsvorschriften und ist, soweit erforderlich, durch Auslegung zu ermitteln; hierfür maßgebend ist der behördlich erklärte Wille, wie ihn jeweils der Empfänger bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung der bei Zugang erkennbaren Umstände verstehen konnte (vgl. die Urteile des BVerwG vom 21. Juni 2006 – 6 C 19.06 –, BVerwGE Bd. 126, S. 149 [160], und vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, BVerwGE Bd. 140, S. 1 [19 f.]). Da zum Zeitpunkt des Erlasses einer Erlaubnis nach dem GewG die Länder des späteren Beitrittsgebiets noch nicht existierten, ist von einem vor dem Beitritt auf das gesamte damalige Staatsgebiet der damaligen, als Zentralstaat strukturierten DDR bezogenen Geltungsbereich der Erlaubnis auszugehen (vgl. das Urteil vom 21. Juni 2006, BVerwGE Bd. 126, S. 149 [161 f.], sowie die Urteile des BGH vom 28. September 2011 – I ZR 189/08, I ZRI ZR 92/09 und I ZR 30I ZR 30/10 –, juris Rdnr. 20, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – GRUR – 2012, S. 193 [195], bzw. juris Rdnr. 30). Konnten die obersten Bundesgerichte in den genannten Entscheidungen, die die Geltung einer Erlaubnis nach dem GewG im Altbundesgebiet betrafen, die Frage letztlich offenlassen, wie es sich nach dem Beitritt mit der Geltung im Beitrittsgebiet außerhalb des Territoriums des heutigen — „neuen“ — Bundeslands verhält, in dem der Sitz der seinerzeitigen DDR-Genehmigungsbehörde liegt, so kommt die Kammer in Anwendung der genannten Auslegungskriterien sowie von Art. 19 EV zu dem Ergebnis, dass jedenfalls für Mecklenburg-Vorpommern, das insgesamt im Beitrittsgebiet liegt, eine Geltung der Genehmigung im streitgegenständlichen Zeitraum nach wie vor zu bejahen ist. Denn Art. 19 EV trug dem Gedanken des Vertrauensschutzes bei begünstigenden Verwaltungsakten Rechnung und verfolgte den Zweck, die mit dem Einigungsvertrag angestrebte Rechtseinheit zu fördern (vgl. das Urteil vom 21. Juni 2006, BVerwGE Bd. 126, S. 149 [162 f.]); beides ist am besten mit der Annahme des inhaltlich unveränderten Fortbestehens der Genehmigung vereinbar, was deren räumlichen Geltungsbereich betrifft (s. auch den Beschluss des SächsOVG vom 12. Dezember 2007, a. a. O., S. 118 [121]). Ebenso, wie die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland, in der Glücksspielgenehmigungen Ländersache sind, keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer räumlichen Ausdehnung des Geltungsbereichs einer DDR-Genehmigung darstellt, gibt sie für die Annahme einer räumlichen Verkleinerung des Geltungsbereichs durch den Beitritt nichts her. Es ist sowohl mit dem Gedanken der föderalen Gliederung des Bundesgebiets als auch mit dem der Rechtseinheit ohne Weiteres zu vereinbaren, dass der Geltungsbereich aus Sicht der Bundesländer des Beitrittsgebiets „vorkonstitutioneller“, aber durch bundesgesetzliche Anordnung (wie Art. 19 EV gemäß dessen Art. 45 Abs. 2; dies betonen Rixen, NVwZ 2004, S. 1410 [1412 ff.], Voßkuhle/Baußmann, GewArch 2006, S. 395 [399]) anerkannter Rechtsakte eines früheren anderen Staatswesens sich nicht am Territorialbestand der einzelnen Bundesländer orientiert; da Art. 19 EV vor dem Hintergrund des im Wiedervereinigungsprozess entwickelten Anliegens formuliert wurde, die DDR-Verwaltungswirklichkeit in der bundesdeutschen Rechtsordnung zu akzeptieren (vgl. Verwaltungsgericht Gera, Urteil vom 14. Dezember 2010 – 5 K 155/09 –, juris Rdnr. 28), kommt daher, soweit es sich um den Geltungsbereich Einzelfälle betreffender und Einzelpersonen begünstigender Regelungen handelt, dem Gedanken des Vertrauensschutzes maßgebliche Bedeutung zu. Wenn dies zu „Privilegierungen“ im Vergleich zu dem nach dem Beitritt erreichbaren Rechtszustand führte (so zutreffend der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. März 2005 – 1 M 436/04 –, NVwZ-RR 2006, 470 [471 f.]), so ist dies schon durch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes gerechtfertigt. Dass bei Abschluss des EV bewusst auf eine Fortgeltung des GewG als partikulares Bundesrecht oder als Landesrecht verzichtet wurde (dies stellt die eben genannte Entscheidung in den Vordergrund, a. a. O.), ist für die Frage, inwieweit die Ergebnisse seiner Anwendung anzuerkennen sind, in gleicher Weise unmaßgeblich wie bei anderen Vorschriften der DDR, deren Geltung mit deren Ende ihren Abschluss fand (Rixen, a. a. O., S. 1413; s. auch den genannten Beschluss des OVG M-V vom 29. Januar 2009, a. a. O., Rdnr. 8). In den somit länderübergreifend bestimmten Geltungsbereich der klägerischen Genehmigung ist jedenfalls für das Territorium Mecklenburg-Vorpommerns weder normativ noch durch Einzelakt eingegriffen worden. Insbesondere findet auf die Genehmigung auch nicht regional die Begrenzung der Geltungsdauer von „Erlaubnisse[n], die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilt wurden,“ in § 22 GlüStVAG M-V Anwendung, dessen „klarstellende“ Regelungen nur für „in 2007 erteilte Erlaubnisse, die von § 25 Abs. 1 [GlüStV] nicht erfasst sind“, gelten sollen (s. die Begründung des Regierungsentwurfs in Landtags-Drucksache 5/977, S. 38; s. auch die Begründung des Regierungsentwurfs zu einem Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften, Landtags-Drucksache 6/553, nach dem § 22 GlüStVAG M-V weiterhin keinen ältere Glücksspielgewerbe-Genehmigungen wie die klägerische erfassenden Anwendungsbereich erhalten soll).

26

Auch eine inhaltliche Beschränkung der Genehmigung hinsichtlich der Art der zulässigen Wetten oder der Art des Vertriebs ist für den Zeitraum der im Tenor zunächst ausgesprochenen Feststellung nicht ersichtlich. Die Genehmigung erging ausdrücklich ohne Auflagen, und auch sonst sind Beschränkungen der nach dem GewG und der Durchführungsverordnung vom 8. März 1990 für ein bestimmtes Berufsfeld erteilten Genehmigung ihrem Wortlaut nach nicht zu entnehmen (vgl. den genannten Beschluss des SächsOVG vom 12. Dezember 2007, a. a. O., S. 119 f.). Es verhält sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Dessau (s. dessen Urteil vom 20. März 2003 – 2 A 132/02.DE –, GewArch 2003, S. 296 ff.) nicht so, dass sich die Auswirkungen der klägerischen gewerblichen Tätigkeit auf den Ort seines Firmensitzes beschränken müsste und die Genehmigung für die Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten insbesondere der durch die Geschäftspartner in Gibraltar abgerechneten Art nicht ausreichte. Neben den bereits oben angesprochenen rechtlichen Rahmenbedingungen der Erlaubniserteilung ist hier etwa auf §§ 9 und 11 des Gesetzes über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 (GBl. I S. 141) hinzuweisen, die auch in der DDR ansässigen oder neu gegründeten Unternehmen die Teilnahme am internationalen Geschäftsverkehr ermöglichten, auf den Umstand, dass sowohl der Begriff „odd“ als auch die Wettart zu von Anfang an feststehenden Gewinnquoten schon lange auch auf dem Gebiet der DDR existierte (s. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Oktober 2006 – 14 K 1711/06 –, juris Rdnr. 23), und darauf, dass die Eröffnung eines „Wettbüros für Sportwetten“ mit dem Angebot sämtlicher von einem „Büro“ aus realisierbarer Leistungen einhergehen durfte und darf, also auch vermittelter oder vom „Büro“ aus durch Werbung veranlasster Spielverträge im In- und Ausland und entsprechend dem branchenüblichen Geschäftsgebaren, d. h. auch unter Nutzung der technischen Entwicklung (s. Rixen, a. a. O., S. 1412) einschließlich des Einsatzes von Fernkommunikationsmitteln (s. § 312b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches), soweit diese nicht allgemein verboten ist. Nach Allem steht fest, dass die Erlaubnis des Klägers auch seine vorliegend im Streit stehenden Tätigkeiten in Mecklenburg-Vorpommern erfasst.

27

Bereits dies genügt für die materielle Rechtswidrigkeit der auf einen Verstoß gegen den LottStV und gegen § 284 StGB gestützten Verfügung ab ihrem Erlass und für den in den beiden tenorierten Feststellungen genannten Zeitraum, soweit der Klage stattgegeben wird. Denn auch die Übergangsregelungen, die das BVerfG in der Entscheidungsformel in Verbindung mit den Gründen seines „Sportwettenurteils“ vom 8. November 2005 – 1 BvR 1054/01 – traf (amtliche Entscheidungssammlung BVerfGE Bd. 115, S. 276 [277, 319]), bezogen sich nur auf im Freistaat Bayern bestehende Möglichkeiten, die Veranstaltung von Glücksspielen zu bestrafen oder zu ahnden und diesbezügliche Erlaubnisse zu versagen.

28

Die Rechtslage hat sich — bundesweit — mit dem durch alle Länder umgesetzten Inkrafttreten des GlüStV am 1. Januar 2008 geändert. Seit diesem Zeitpunkt ist auch bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern das allgemeine Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV zu beachten, wonach das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist, ferner § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV, wonach Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen sowie ferner Werbung für unerlaubte Glücksspiele verboten ist. Einen Vorbehalt oder eine Ausnahme für Inhaber einer Gewerbegenehmigung aus der Zeit der DDR wie den Kläger kann die Kammer dem GlüStV nicht entnehmen, wenn auch, wie der Kläger vorträgt, diesbezüglich eine gesonderte Regelung oder Verfahrensweise beabsichtigt gewesen sein mag. Diese Absicht könnte sich in dem eingeschränkten Regelungsbereich der oben behandelten Übergangsregelungen sowohl des GlüStV als auch des GlüStVAG M-V widerspiegeln; sie hätte jedoch nur Auswirkungen auf den vom GlüStV unberührten Fortbestand der klägerischen Genehmigung selbst gehabt. Dass diese Genehmigung nur im Rahmen der allgemein für die gewerbliche Tätigkeit im Glücksspielsektor gesetzlich angeordneten inhaltlichen Beschränkungen ausgenutzt werden darf, wird durch die seinerzeitige, Alt-Genehmigungen betreffende Regelungsabsicht dagegen ebenso wenig in Frage gestellt, wie es sonstige Anzeichen hierfür gibt; die ausdrückliche Geltungsanordnung (auch) für die genannten Verbote in der Maßgabe des § 22 GlüStVAG M-V etwa ist, wie die Gesetzesbegründung zutreffend angibt, lediglich klarstellend. Auch das klägerische Anliegen ist es ja, im Interesse der Bekämpfung der Spielsucht eingeführte staatliche Beschränkungen des Glücksspielwesens möglichst gleichmäßig wirken zu lassen. Dem Kläger ist ferner insbesondere nicht darin zu folgen, dass sich aus den Urteilen des BVerwG vom 24. November 2010 – 8 C 13.09, 14.09 und 16.09 – (NVwZ 2011, S. 549 [550 i. V. m. 555], BVerwGE Bd. 138, S. 201 [204 f.], bzw. Nordrhein-Wesfälische Verwaltungsblätter 2011, S. 307 [308 f.]) ergäbe, dass die Internetverbote des GlüStV auf private Sportwettenanbieter nicht anwendbar seien; die Aussage des BVerwG, „die von der [Revision] für unzureichend gehaltenen Bestimmungen über Art und Zuschnitt zulässiger Sportwetten und die Vorgaben für deren Vermarktung betr[ä]fen nicht die dem Parlamentsvorbehalt unterworfene Regelung der Grundrechtsausübung privater Sportwettenanbieter oder -vermittler[, sondern regelten] nur das Angebot der nicht grundrechtsfähigen staatlichen oder staatlich beherrschten Monopolträger“, hat sich ersichtlich auf eine Kritik an § 21 Abs. 1 und 2 GlüStV vor dem Hintergrund des Parlamentsvorbehalts bezogen, stellt aber die allgemeine Geltung von § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV nicht in Frage, soweit auch private Sportwettenanbieter erfasst sind (s. auch das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2011 – 11 LC 348/10 –, juris Rdnr. 66).

29

Hiernach ergibt sich, dass die angegriffene Verfügung ab dem 1. Januar 2008 durch den GlüStV gestützt und damit mit der Folge der Teilabweisung der Fortsetzungsfeststellungsklage teilweise rechtmäßig gewesen ist, soweit es sich nämlich nicht — wie im zweiten Absatz des Tenors näher bezeichnet — anders verhalten hat. Letzteres hat für die auch nach dem Inkrafttreten des GlüStV dem Kläger weiterhin durch seine bestehende Genehmigung von 1990 erlaubte, ihm aber gleichwohl untersagte Tätigkeit gegolten, in anderer Weise als über das Internet in Mecklenburg-Vorpommern (auch) Sportwetten anzubieten, sowie für die ihm ebenfalls untersagte Werbung hierfür; da die Beteiligten über die Begriffe „illegale Sportwetten“ und „illegale Glücksspielangebote“ unterschiedlicher Auffassung (gewesen) sind, ist der Bezug der zu Unrecht untersagten Werbung zur erlaubten klägerischen Gewerbstätigkeit im Tenor dieses Urteils klarzustellen, während gegen das hiermit auch ausgedrückte Verbot der Werbung für — objektiv — unerlaubte Glücksspielveranstaltungen grundsätzlich nichts zu erinnern gewesen ist.

30

Im Umfang des nunmehr rechtmäßig gewordenen Verbots ist auch die ausgesprochene Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 2. April 2007 rechtmäßig geworden und die Fortsetzungsfeststellungsklage daher auch diesbezüglich teilweise abzuweisen. Die Zwangsgeldandrohung wurde nämlich zutreffend auf §§ 79 ff. (genauer: § 87) SOG M-V in Verbindung mit § 110 VwVfG M-V gestützt und hält die gesetzlich vorgeschriebenen Formalien ein; die gewählte Befolgungsfrist für den Kläger ist nicht zu beanstanden, und auch die Höhe des angedrohten Zwangsgelds wurde ermessensgerecht bestimmt und begründet.

31

Eine weitere Zäsur für die rechtliche Beurteilung stellt der Erlass des Änderungsbescheids des Beklagten vom 21. April 2009 dar. Es handelt sich hierbei in der Sache zum einen um eine (nicht angefochtene und auch keinen Gegenstand der erstrebten Feststellung bildende) Teilrücknahme (nicht den behaupteten Teilwiderruf) seiner (nicht bestandskräftig gewordenen) Untersagungsverfügung, ferner um eine (gleichfalls nicht angefochtene) Aufhebung des ursprünglich verfügten Werbeverbots; hierfür war der Beklagte ebenso nach § 19 GlüStVAG M-V als für alle kreisüberschreitenden Glücksspielangelegenheiten im Sinne des GlüStV eingesetzte Glücksspielaufsicht zuständig wie — zum anderen — für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV zulässige Erneuerung der Untersagungs- und Vollzugsandrohungs-Regelungen mit Wirkung ab Zugang des Änderungsbescheids. Die neuen Untersagungsverfügungen gemäß Nr. 1 Buchst. a bis c, die neben den Sportwetten auch weitere Arten öffentlich veranstalteter Glücksspiele betreffen, waren und sind materiell problemlos auf § 4 Abs. 4 GlüStV zu stützen. Dies trifft auch in der Gegenwart zu, in der der GlüStV noch als Landesrecht fortgilt (s. die die Wirkung von Art. 2 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertragsgesetzes vom 14. Dezember 2007, GVOBl. M-V S. 378, klarstellende Bekanntmachung des Beklagten vom 5. Dezember 2011, AmtsBl. M-V S. 1143). Damit sind sowohl der die Zeit ab Erlass des Änderungsbescheids bis zur gerichtlichen Entscheidung betreffende Fortsetzungsfeststellungsantrag wie auch die Anfechtungsklage abzuweisen, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist; dies gilt auch hinsichtlich der fortbestehenden und lediglich neu gefassten Zwangsgeldandrohung unter dem neuen Tenorpunkt 2. Über ein Werbeverbot, wie es noch im ursprünglichen Bescheid verfügt war, ist dagegen nicht zu entscheiden; der Änderungsbescheid wurde auch nicht auf § 5 Abs. 3 oder 4 GlüStV gestützt.

32

Die die gewerbliche Betätigung im Internet betreffenden Verbotsanordnungen in § 4 Abs. 4 und — soweit sie die ursprüngliche Untersagungsverfügung gestützt haben — in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV verstoßen entgegen der klägerischen Auffassung weder gegen die in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verbürgte Berufsfreiheit noch gegen sonstiges Verfassungsrecht, das ihre Wirksamkeit beeinträchtigen könnte, und sie sind auch nicht wegen Unvereinbarkeit mit einen Anwendungsvorrang beanspruchenden Vorschriften des europäischen Unionsrechts unanwendbar. Dies ist mittlerweile höchstrichterlich u. a. durch die bereits oben zitierten Urteile des BVerwG (vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, BVerwGE Bd. 140, S. 1 [6 ff., 10 ff.]) und des BGH (Urteil „Sportwetten im Internet II“ vom 28. September 2011 – I ZR 92/09 –, GRUR 2012, S. 193 [196 ff.]) geklärt (s. auch den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08 –, NVwZ 2008, S. 1338 [1340 ff.]); die zutreffenden Ausführungen der Urteile macht sich die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen.

33

Hervorzuheben ist dabei die den genannten Entscheidungen richtigerweise zugrunde liegende Bewertung, dass die gesetzgeberischen Maßnahmen „Verbot der Veranstaltung (auch in der Gestalt der Vermittlung) von Glücksspielen (aller Art) im Internet“ und „Verbot der Werbung hierfür im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen“ alle im Geltungsbereich der Regelungen im Glücksspielsektor tätigen in- und ausländischen sowie privaten und öffentlichen Marktteilnehmer in gleicher, im vorhinein erkennbarer Weise treffen und damit weder im Sinne des grundrechtlichen Gleichheitssatzes noch im Sinne der Benachteiligungsverbote im europäischen Binnenmarkt diskriminierend wirken. Diese Internetverbote weisen ferner, wie höchstrichterlich zutreffend herausgearbeitet worden ist, weder zu der Frage der Genehmigungspflichtigkeit gewerblicher Tätigkeit im Glücksspielsektor noch zu der Frage, ob bestimmte Anteile hiervon staatlichen oder staatlich kontrollierten Veranstaltern als Monopol vorzubehalten sind, einen direkten Bezug auf und können auch sonst unabhängig von den letztgenannten Restriktionen Bestand haben.

34

Daher kann man zutreffend und eindeutig die Eignung und Verhältnismäßigkeit der Internetverbote bejahen, was die Verwirklichung ihrer überragend wichtigen, dem Gemeinwohl dienenden Ziele betrifft, nämlich die Wettleidenschaft und Spielsucht, beginnend vor allem bei Jugendlichen, zu bekämpfen sowie Wettbetrug und Geldwäsche zu erschweren; sie sind auch vereinbar mit den Anforderungen an eine Folgerichtigkeit und konzeptionelle Kohärenz staatlicher Eingriffe, wie sie zum einen die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit (hierzu das genannte Urteil des BVerfG vom 8. November 2005 – 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE Bd. 115, S. 276 [310 ff.]) und zum anderen die unionsrechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit begründen (s. etwa das Urteil des EuGH „Gambelli“ vom 6. November 2003 – C-243/01 –, Rdnr. 67), auf die sich auch der Kläger berufen kann (jedenfalls was die Auswirkungen hiesiger Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs gegenüber seinem Partnerunternehmen in Gibraltar angeht).

35

U. a. mit dem EuGH (Urteile „Liga Portuguesa de Futebol Profissional“ vom 8. September 2009 – C-42/07 –, Rdnr. 70, „Sporting Exchange Ltd.“ vom 3. Juni 2010 – C-203/08 –, Rdnr. 34, „Carmen Media Group Ltd.“ vom 8. September 2010 – C-46/08 –, Rdnr. 102 f., sowie „Zeturf Ltd.“ vom 30. Juni 2011 – C-212/08 –, Rdnr. 79 f.) ist nämlich anzuerkennen, dass, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, über das Internet angebotene Glücksspiele wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter, wegen der potentiell großen Häufigkeit und Transferkapazität des Angebots sowie wegen dessen verstärkt internationalen Charakters anders geartete und größere Gefahren in sich bergen. Neben der Begünstigung der Geldwäsche bestehen diese darin, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden, ferner insbesondere darin, dass Jugendliche und Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten, deren Auswirkungen ohne hinreichenden Schutz ausgesetzt sind. Zu Letzterem trägt auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen in einem Umfeld bei, das durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist. Diese Faktoren können die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und die damit verbundenen negativen gesellschaftlichen Folgen ausweiten.

36

Ferner ist u. a. mit dem EuGH (etwa in den eben genannten Urteilen vom 8. September 2009, Rdnr. 69, vom 3. Juni 2010, Rdnr. 33, vom 8. September 2010, Rdnr. 104 f., und vom 30. Juni 2011, Rdnr. 81 f.) anzuerkennen, dass den Gesetzgebern der Staaten des europäischen Binnenmarkts, in dem der Glücksspielsektor kaum harmonisiert ist, eine weite Einschätzungsprärogative zu der Frage zusteht, inwiefern und in welchem Ausmaß die besonderen Gefahren des Internets Anlass für restriktive Maßnahmen sein sollen, d. h. wie das mitgliedsstaatliche Schutzniveau zu bestimmen sei. Hiernach kann eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, aus dem Blickwinkel des Unionsrechts grundsätzlich als zur Verfolgung der genannten legitimen Ziele geeignet angesehen werden, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt. Denn die Kohärenz und Systematik eines die Vertriebswege betreffenden freiheitseinschränkenden staatlichen Vorgehens bedarf näherer Betrachtung in erster Linie in den Fällen, in denen verschiedene Sparten des Glücksspielsektors in unterschiedlichem Maße von den Eingriffen betroffen sind. Letzteres ist, wie BVerwG und BGH zutreffend dargestellt haben, aber auch bei den bezeichneten totalen und allgemeinen Internetverboten des GlüStV nicht der Fall; die Landesgesetzgeber haben insoweit ihre Beschränkungen gerade hinsichtlich der als mehr oder weniger gefährlich eingeschätzten Vertriebswege differenziert, ohne dabei die Sparten des Glücksspielmarkts unterschiedlich zu behandeln.

37

Anders, als der Kläger meint, bietet auch das Verfahren „Dickinger und Ömer“ beim EuGH, das zum Urteil vom 15. September 2011 – C-347/09 – geführt hat, keine hinreichende Stütze für die Annahme, der Gerichtshof sei von seiner Bewertung abgerückt, dass die Einschätzung des Vertriebswegs Internet als besonders gefahrenträchtig durch einen EU-Mitgliedsstaat legitime Grundlage für eine Beschränkung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit sei. Dass in dem Urteil die Frage der internetspezifischen Gefahren trotz deren Behandlung im Schlussantrag des Generalanwalts vom 31. März 2011 (Rdnr. 90, 127 ff.) nicht weiter erörtert worden ist, ist wohl eher darauf zurückzuführen, dass es — im Unterschied zum Streitfall und den genannten Vorschriften des GlüStV — darum ging, ob die Monopolisierung des Internet-Glücksspiels unter staatlicher Kontrolle europarechtskonform sein könne; vor diesem Hintergrund kam es auf die Verschiedenheit der Gefahren, die unterschiedliche Glücksspiel-Vertriebswege bergen, allenfalls am Rande an, und es bestand insoweit weder Anlass für eine grundsätzliche Neubewertung noch für deren Verlautbarung. Der EuGH hat in seinem Urteil zudem auf Problematiken der Kontrolle von Internet-Umsätzen und -Finanztransfers bei grenzüberschreitenden Internet-Dienstleistungen hingewiesen (Rdnr. 98).

38

Auch die vom Kläger angeführten jüngeren Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen – OVG NW – (Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, GewArch 2012, S. 25 ff., und Beschluss vom 30. November 2011 – 13 B 1331/11 –, juris) sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – BayVGH – (Urteile vom 12. Januar 2012 – 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505 –, juris) geben keinen Anlass, die Urteile von BVerwG und BGH, denen die Kammer folgt, für die hier zu treffende Entscheidung in Frage zu stellen. Die genannten obergerichtlichen Urteile beziehen sich auf die mit dem allgemeinen staatlichen Sportwettenmonopol einhergehende Folge des Fehlens bzw. der Unzulässigkeit einer entsprechenden Erlaubnis für private Anbieter (mit Wettstationen in Niederlassungen); wie indessen der genannte Beschluss des OVG NW richtigerweise einräumt, handelt es sich beim Internetverbot nicht um eine „monopolakzessorische“ Beschränkung der Gewerbefreiheit (a. a. O., Rdnr. 7 f.), die nicht am Monopol teilhabende Private diskriminiert. Im Beschluss selbst hat das OVG NW zwar auch angesichts eigener Beobachtungen zu illegalem Werbeverhalten staatlicher Anbieter (etwa www.westlotto.de) und zu dessen behördlicher Duldung, die ein strukturelles Defizit bei der Umsetzung des Werbeverbots erkennen ließen, die Regelungen des § 5 GlüStV zur Glücksspielwerbung für bedenklich gehalten. An entsprechenden Feststellungen oder Ansätzen hierfür fehlt es jedoch für die Zeit der Geltung der Untersagungsverfügung des Beklagten in der ursprünglichen Form nach Inkrafttreten des GlüStV, d. h. zwischen Anfang 2008 und April 2009, und damit für den vorliegend allein erheblichen Zeitraum.

39

Das vom Kläger zitierte Schreiben des EU-Kommissionsmitglieds Šemeta vom 18. Juli 2011 – C (2011) 5319 – aus dem Verfahren zur Notifikation des kürzlich beschlossenen Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags ist mit seinen Unklarheiten bei der Regelung über die Glücksspielwerbung, insbesondere die Umsetzung der „Trenngebote“, betreffenden Monita hier ebenfalls nicht entscheidungserheblich; die bei der Vertragserneuerung beabsichtigte Beibehaltung von § 4 Abs. 4 GlüStV dagegen, auf die es vorliegend ankommt, wird in dem Schreiben nicht weiter erwähnt.

40

Die Kammer kann auch den eingehend dargelegten klägerischen Einwänden gegen die Urteile des BVerwG und des BGH nicht beitreten, was die Rechtfertigung der Einschätzung des Glücksspiel-Vertriebswegs als in spezifischer Weise gefährlich unter den Aspekten eines hinreichenden Tatsachenbezugs und der u. a. unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote betrifft.

41

Entgegen der klägerischen Auffassung leuchten die Ausführungen der obersten Bundesgerichte zur spezifischen Gefahrenträchtigkeit des Internets nämlich unmittelbar ein und überzeugen auch die Kammer schon beim dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahrensstand. Es bedarf keines Belegs durch erst zu unternehmende wissenschaftliche Feldstudien, dass Faktoren wie die Anonymität der notwendigen Kommunikation, die fehlende soziale Kontrolle des Kommunikationsverhaltens und des Einsatzes von Finanzmitteln auf Verbraucherseite sowie die orts- und zeitunabhängige einfache Zugänglichkeit großer Informationsmengen und zahlreicher, „preiswert“ erscheinender Handlungsoptionen ohne fremde Hilfe einem gewerblichen Angebot besondere Wirkungsmacht verleihen können, zumal wenn seinem faszinierenden Einfluss unerfahrene Verbraucher ausgesetzt sind, bei denen etwa jugendliches Alter, eine charakterliche Neigung zu hingebungsvoller Vertiefung in Spielvorgänge oder (gar durch vorheriges Glücksspiel verursachte) finanzielle Zwangslagen die adäquate Steuerungsfähigkeit in Frage stellen. Auch entspricht es inzwischen allgemeiner Lebenserfahrung, dass der Kommunikationsweg Internet sich für Betrugskriminalität mittels schwer durchschaubarer und im Nachhinein für Verbraucher und Aufsichtsbehörden kaum feststellbarer Manipulationen besonders eignet; schließlich kann auch nicht bestritten werden, dass die auch bei Internet-Glücksspielen genutzten besonderen Möglichkeiten massenhaften weltweiten Finanztransfers den Missbrauch etwa für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung begünstigen. Dass es möglich ist, diese Faktoren durch z. T. aufwendige und mühsam durchzusetzende technische Maßnahmen (etwa zur Registrierung, Identifikation oder Ortung der Spielteilnehmer oder zur aufsichtsbehördlichen Kontrolle von Werbeinhalten, Spielabläufen und Finanztransaktionen) jedenfalls in Einzelbereichen einzugrenzen, ist allgemeinkundig, allerdings ebenso auch, dass insoweit ein großes Defizit an Initiative und Vollzug besteht, zumal unstreitig und offen eine Harmonisierung der Anstrengungen bisher schon im europäischen Binnenmarkt nicht gelang, was auch an unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten zu deren Gebotenheit liegen mag.

42

Soweit sich BVerwG und BGH bei ihrer Argumentation prominent auf die Bewertung des Vertriebswegs Internet durch den EuGH berufen haben, ist auch dagegen nichts zu erinnern; entgegen klägerischer Ansicht beruht dies nicht auf lediglich intuitiver oder spekulativer Grundlage. Im Urteil „Carmen Media Group Ltd.“ vom 8. September 2010 – C-46/08 – etwa ist die Aussage über die Eignung eines („bloßen“) Internet-Spielverbots (Rdnr. 105) recht eindeutig und — angesichts von deren Allgemeinkundigkeit nicht überraschend — auf die oben auch von der Kammer bezeichneten besonderen Gefahrenmomente des Kommunikationswegs Internet gestützt worden (Rdnr. 103). Die vorherige Umschreibung des „Prüfprogramms“ für den EuGH in Rdnr. 98 ist nicht, wie der Kläger meint, als quasi „theoretisierende“ Distanzierung von den in Rdnr. 105 enthaltenen tatsächlichen Ausführungen zu werten, sondern, zusammen mit Rdnr. 97, als Hinweis darauf, dass vom vorlegenden nationalen Verwaltungsgericht Anhaltspunkte für dessen Zweifel an der Eignung eines Internetverbots nicht in konkreter Form geäußert worden waren. Dass der EuGH sich für seine Entscheidung auch in tatsächlicher Hinsicht hinreichend informiert erachtet hat, geht aus dem in gleicher Sache gefassten Beschluss vom 2. September 2010 hervor (dort Rdnr. 12); der Hinweis in Rdnr. 10 f. auf die Aufgabenverteilung zwischen EuGH und nationalen Gerichten, was die Tatsachenfeststellung und -würdigung betrifft, bezieht sich auf Berichte zu einer speziellen Studie von 2009 und stellt die in Rdnr. 103 des Urteils enthaltenen Tatsachenwürdigungen nicht in Frage. Hervorzuheben ist auch der erneute Hinweis (Rdnr. 104) des EuGH, dass die EU-Mitgliedstaaten über die Verhältnismäßigkeit unterschiedlicher Auffassung sein können, dies aber den Erlass eines Internetverbots nicht hindert; damit ist, auch vor dem Hintergrund einer staatlichen „Beweislast“ für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Grundfreiheiten des Binnenmarkts, klargestellt, dass gerade im Zusammenhang mit Problematiken der Gefahrenabwehr den hiermit befassten staatlichen Stellen auch eine Einschätzungsprärogative zugebilligt werden muss und dass es insbesondere nicht angeht, mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten auch auf diesem Gebiet die Forderung nach einer völligen staatlichen Untätigkeit bis zum Vorhandensein nebst sofortiger Durchsetzung eines in jeder Hinsicht „stimmigen“ Maßnahmenkonzepts zu begründen. Dies würde auch dem ständigen schnellen Wandel des Glücksspielmarkts nicht gerecht.

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Weder das klägerische Vorbringen mit den in Bezug genommenen Unterlagen noch der Kammer bekannte neuere Entwicklungen geben Anlass für weitere Aufklärungsmaßnahmen im vorliegenden Verfahren. Etwa die in der Verfassungsbeschwerdeschrift gegen das o. a. Urteil des BVerwG vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 – und im vorgelegten Ausschnitt eines Schriftsatzes an das OVG NW angeführten Studienauswertungen vermögen bereits angesichts der jeweils bestreitbaren Validität erhobener Zahlen und der Abhängigkeit etwa problematischen Spielverhaltens von zahlreichen Faktoren, nicht zuletzt der jeweiligen konkreten Verfügbarkeit verschiedener Glücksspielformen, keine Anhaltspunkte dafür zu begründen, dass die gesetzgeberische Einschätzung zur Gefährlichkeit des Vertriebswegs Internet fehlgehe. Gleiches gilt für die vom Verwaltungsgericht Halle in seinem Urteil vom 11. November 2010 – 3 A 158/09 – (juris) ausgewerteten Materialien aus einem Parallelverfahren, die die — im Vergleich zu Privaten überantworteten Automatenspielen sowie zu Pferdewetten — deutlich geringere Gefährlichkeit etwa der Internetwetten und damit die Inkohärenz des staatlichen Einschreitens gegen die Glücksspielsucht haben belegen sollen; wie das Gericht selbst erkannt hat (a. a. O. Rdnr. 171), kann seine Erhebung bei Vormundschaftsgerichten weder als vollständig noch als repräsentativ im Sinne empirischer Methoden angesehen werden. Mögen auch die Gefahren problematischer Glücksspielbetätigung in Automatenspielhallen entsprechend einigen der genannten Studien in gleichem oder stärkerem Maße bestehen, wie/als man es für den Vertriebsweg Internet annehmen muss — dessen Ubiquität allerdings in besonderem Maße die Ermittlung tatsächlicher Fallzahlen erschwert —, so sind damit die internetspezifischen Gefahren noch nicht als Ansatzpunkt staatlichen Eingreifens desavouiert. Die bisher in der Rechtsprechung erörterten empirischen Studien behandeln zudem kaum die schwerwiegenden Gefahren von Geldwäsche und Betrug und betrachten die Spielsucht-Problematik, soweit ersichtlich, vor allem sektoral und entsprechend den jeweiligen rechtlichen Gegebenheiten im Untersuchungsland. Für die Kammer sind keine Ermittlungsansätze für eine aussagekräftige empirische — weitere — Untermauerung der Gefahreneinschätzung für das Internetspiel ersichtlich, geschweige denn, dass sich eine solche Beweiserhebung aufdrängte. Die Auswirkungen eines vorhandenen oder aber nicht vorhandenen Glücksspielangebots im Internet in Gestalt pathologischen Spielverhaltens sind schlechthin nicht im Feldversuch empirisch ermittelbar oder auch nur aufgrund zu erhebenden Zahlenmaterials mit größerer als der bisherigen Zielgenauigkeit prognostizierbar, schon weil der Zugriff auf das Internet in Deutschland landesweit faktisch besteht, weil seine Verbindungsfunktion über, auch außereuropäische, Landesgrenzen hinausreicht und weil die Reaktion von Konsumenten nicht nur in der Abwanderung in andere Glücksspielsparten, sondern auch im vollständigen Ablassen von Glücksspielteilnahme jeder Art bestehen kann.

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Zuzugeben ist dem Kläger allerdings, dass in machen Bereichen des Glücksspielwesens, vor allem beim in den vorgelegten Studien als besonders häufig mit problematischem Spielverhalten in Verbindung gebrachten Automatenspiel, noch ein großer staatlicher Handlungsbedarf bei Anpassung und Vollzug des Glücksspielrechts bestehen dürfte, auch um die verfassungs- und unionsrechtlich geforderte Kohärenz des Einschreitens gegen die Spielsucht zu gewährleisten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass jedenfalls das Internetverbot des GlüStV bereits jetzt als selbständig gerechtfertigter Normenbestand, ggf. auch bei Nichtanwendbarkeit anderer Vorschriften („sinnvoller [Rest-]Normenbestand” im Sinne des Beschlusses des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. März 2011 – 4 MB 11/11 –, juris Rdnr. 11 m. w. Nachw.) Bestand hat. Zwar können sich die Behörden eines EU-Mitgliedstaats, soweit sie den Verbrauchern Anreize geben und sie dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, nicht auf die öffentliche Sozialordnung mit der aus ihr folgenden Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, berufen, um restriktive Maßnahmen zu rechtfertigen, auch wenn diese sich etwa ausschließlich auf Wetttätigkeiten beziehen (so etwa das Urteil „Markus Stoß u. a.“ des EuGH vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, Rdnr. 99). Mit den genannten obersten Bundesgerichten hält die Kammer die einen Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Dienstleistungs- und/oder Niederlassungsfreiheit begründende Verwirkung einer Legitimation staatlicher beschränkender Maßnahmen aber nur für gegeben, wenn zum einen die Gemeinwohlziele, denen die beschränkende Regelung dienen soll und die diese legitimieren sollen, im Anwendungsbereich der Regelung nicht tatsächlich verfolgt, also in Wahrheit andere Ziele, namentlich solche finanzieller Art, angestrebt werden, die die Beschränkung nicht legitimieren könnten (laut dem Urteil des BayVGH vom 12. Januar 2012 –10 BV 10.2505 –, juris Rdnr. 38, sog. Scheinheiligkeitsgrenze), und/oder wenn zum anderen die in Rede stehende Regelung durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren in der Weise konterkariert wird, dass dort eher darauf abgezielt wird, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Verschleierte fiskalische oder sonstige sachfremde Ziele mag die Kammer den an der Erarbeitung des GlüStV beteiligten Verfassungsorganen der Länder nicht unterstellen, auch angesichts der vom Kläger vor allem im Eilverfahren noch umfänglich dokumentierten Glücksspielwerbung staatlicher oder staatlich kontrollierter Anbieter. Auch für diese gilt, dass grundsätzlich die Nutzung des Vertriebswegs Internet für Glücksspiele untersagt ist. Da hierin eine nicht nach Art und Herkunft des Spielangebots differenzierende Beschränkungsmaßnahme von großer Konsequenz und offensichtlicher Eignung zu wesentlichen Erfolgen zu erblicken ist, können mögliche und kaum zu unterbindende Wanderbewegungen der bisherigen Internet-Glücksspieler zu noch zugänglichen Veranstaltungen anderer Anbieter oder anderer Sparten nicht allein die rechtliche Grundlage dafür sein, die Rechtfertigung des Internetverbots in Abrede zu stellen. Gefahrenabwehrmaßnahmen werden nicht bereits dadurch diskreditiert, dass ein Teil der Betroffenen sie zu umgehen versucht, sondern es muss ihnen eine von den staatlichen Stellen zu verantwortende sachfremde Lenkungstendenz innewohnen, die die durch sie bewirkten Beschränkungen als nicht mehr hinnehmbar erscheinen lässt. Ansonsten gilt, dass zwar die Auswirkungen von Beschränkungen eines Vertriebswegs auf andere Vertriebswege und Glücksspielsektoren zu beobachten und erforderlichenfalls durch angepasste Maßnahmen zu berücksichtigen sind, dass aber bezogen auf den gesamten Glücksspielsektor kein Uniformitätsgebot und hinsichtlich der Effizienz der Einzelmaßnahmen kein Optimierungszwang besteht (s. etwa das Urteil des BVerwG vom 1. Juni 2011, BVerwGE Bd. 140, S. 1 [13] m. w. Nachw).

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Es ist auch kein sofortiges Verbot jeglicher Nutzung des Vertriebswegs Internet im Glücksspielsektor erforderlich, um die beschränkenden Regelungen des GlüStV bestehen zu lassen; denn die Kohärenz staatlicher Gefahrenabwehr auf dem Glücksspielsektor wird beispielsweise durch den Vertrauensschutz gewerblicher Anbieter berücksichtigende Übergangsregelungen oder auch durch „Experimentierklauseln“, wie sie unter strengen Voraussetzungen der Erste Glücksspieländerungsvertrag vorsieht, nicht insgesamt in Frage gestellt.

46

Durchgreifende Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Internetverbots des GlüStV begründet schließlich auch nicht das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz vom 20. Oktober 2011 (GVOBl. Schl.-H. S. 280), das seit dem 1. März 2012 dauerhaft die Genehmigung von Online-Casinospielen und des Vertriebs von Wetten im Fernabsatzwege über Fernkommunikationsmittel ermöglichen soll. Bisher wurden, auch wegen der strengen Voraussetzungen, Konzessionen wohl nicht erteilt (vgl. das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26. April 2012 – 3 K 330/10 –, juris Rdnr. 46 f.), und angesichts der landesinternen Umstrittenheit des abweichenden Ansatzes ist unklar, ob dieser von Dauer sein wird und tatsächlich Anzeichen für einen drohenden „Dammbruch“ (so Willenbruch, Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland 2012, S. 224 [226]) zu anderen Bundesländern erkennbar werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass der EU-Mitgliedsstaat Bundesrepublik Deutschland föderal aufgebaut ist (BVerwG, a. a. O.). Dies entlastet nach gefestigter Rechtsprechung einen Mitgliedsstaat zwar nicht, wenn einem Gesetzgeber der unterstaatlichen Ebene Versäumnisse bei der pünktlichen Richtlinienumsetzung zur Harmonisierung der Rechtsordnungen auf den Politikfeldern der Union unterliefen. Es wird aber abweichend zu beurteilen sein im Zusammenhang mit der Frage einer kohärenten Gefahrenbekämpfung, bei der den souveränen Mitgliedsstaaten bereits mangels Harmonisierung des Binnenmarkts unterschiedliche Einschätzungen und Herangehensweisen zugestanden werden, durch für die einschlägige Gesetzgebung und ihren Vollzug zuständige Bundesländer — auch wenn indirekt sogar dem primären Gemeinschaftsrecht zuzurechnende Grundfreiheiten betroffen sind.

47

Die Fragen, zu deren Klärung die Revisionszulassung mit Beschluss vom 16. Februar 2012 erfolgt ist (BVerwG 8 B 91.11 [ 8 C 10.12], juris), haben hiernach keine maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der Kammer, die, zusammenfassend, in Kenntnis der klägerischen Argumentation keine ernstlichen Zweifel auch an der Vereinbarkeit von Art. 4 Abs. 4 GlüStV mit europäischem Unionsrecht hat und sich daher nicht zu einer Vorlage von Einzelfragen zur Auslegung an den EuGH veranlasst sieht, insbesondere auch nicht mit der vom Kläger im Schriftsatz vom 12. März 2012 angeregten Fragestellung — ungeachtet der bei dieser implizierten, von der Kammer nicht geteilten Tatsachenbewertungen.

48

Zu Unrecht wendet der Kläger schließlich ein, dass die Untersagungsverfügung in der ursprünglichen wie auch in der geänderten Fassung deswegen rechtswidrig (gewesen) sei, weil ihm die Unterlassung des verbotenen Veranstaltens oder Vermittelns von Glücksspielen über das Internet und der Werbung hierfür in der geforderten, das Territorium von Mecklenburg-Vorpommern oder dort ansässige oder aufhältige Spieler oder Spielteilnehmer in Bezug nehmenden Weise unmöglich (gewesen) sei. Selbst wenn es ihm — im Rahmen seiner Verfügungsbefugnis über einen Internetauftritt der „Dachmarke“ — aus technischen Gründen nur möglich (gewesen) ist, die Untersagungsverfügung des Beklagten unter gleichzeitigem Verzicht auf die untersagte gewerbliche Betätigung in anderen Bundesländern zu befolgen, führt dies weder zur Unmöglichkeit verfügungsgemäßen Unterlassens, noch bewirkt die technische Folge der vom Beklagten bezogen auf sein Territorium erlassenen Untersagungsverfügung einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Übermaßverbot; denn der GlüStV gilt auch in fast allen weiteren, für eine indirekte technische Betroffenheit in Betracht kommenden Bundesländern (vgl. das Urteil des BVerwG vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, BVerwGE Bd. 140, S. 1 [5 f.]; zust. der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 7. September 2011 – 8 B 1552/10 –, juris Rdnr. 17 ff.).

49

Nach Allem muss der Klage für die Zeit seit dem Inkrafttreten des GlüStV zu wesentlichen Teilen und seit dem Erlass der hierauf gestützten neuen Untersagungsregelungen in der Änderungsverfügung des Beklagten insgesamt der Erfolg versagt bleiben.

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Die Kostenentscheidung ergeht daher gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Erklärungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 709, § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

51

Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragen der Reichweite der klägerischen Gewerbegenehmigung und der Anwendbarkeit von § 4 Abs. 4 sowie § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV hierauf zugelassen. Die letztgenannten Regelungen sollen nach den bisher vorliegenden Materialien zu einer gesetzlichen Umsetzung des bereits vereinbarten neuen Glücksspielstaatsvertrags vom 15. Dezember 2011 (Art. 1 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags gleichen Datums) auch nach dessen für Mitte 2012 vorgesehenem Inkrafttreten ihrem wesentlichen Gehalt nach zum hiesigen Landesrecht gehören.

52

BESCHLUSS

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Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes auf 100.000 Euro festgesetzt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.