Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Teilurteil, 19. Aug. 2016 - 9 A 232/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0819.9A232.15.0A
bei uns veröffentlicht am19.08.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattung von gewährten Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2014/2015.

2

Die am … geborene Tochter der Klägerin wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum in A-Stadt und besuchte im Schuljahr 2014/2015 die ...schule in Oldenburg in Holstein. Träger der Schule ist die Beklagte. Die ...schule ist eine Gemeinschaftsschule, an welcher – nach der Aufgabe des sog. dreigliedrigen Schulsystems – in den einzelnen gemischten Klassen in drei unterschiedlichen Niveaustufen unterrichtet wird. Die an dem Wohnort der Klägerin nächstgelegene Gemeinschaftsschule ist die Warderschule in A-Stadt. An dieser wird das sog. Basisniveau (ehemals Hauptschulniveau) und das erweiterte Niveau (ehemals Realschulniveau) in den einzelnen Klassen unterrichtet.

3

Im Sommer 2014 stellte die Klägerin bei der Beklagten persönlich unter Vorlage der notwendigen Unterlagen für ihre Tochter einen Antrag auf Übernahme der Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2014/2015. Alsdann wurde der Tochter der Klägerin über die ...schule mit Beginn des Schuljahres 2014/2015 eine Busfahrkarte ausgehändigt und von dieser fortan genutzt.

4

Mit Bescheid vom 09.06.2015 stellte die Beklagte unter dem Betreff „Antrag auf Übernahme der Schulbeförderungskosten (...) für das Schuljahr 2014/2015“ fest, die vom Wohnort der Klägerin nächstgelegene Gemeinschaftsschule sei die Warderschule in A-Stadt. Gemäß der Satzung des Kreises Ostholstein über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungssatzung – SBS) würden nur die Kosten zur nächstgelegenen Schule übernommen. Der Differenzbetrag über die zur nächstgelegenen Schule hinausgehenden Beförderungskosten i.H.v. 782,76 Euro sei von der Klägerin zu erstatten.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 01.07.2015 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass ihr nach Abmeldung der Tochter vom … Gymnasium in Oldenburg i. H. die Schulleiterin der Warderschule mitgeteilt habe, dass dort keine Plätze frei seien, so dass eine Abmeldung in der ...schule in Oldenburg i. H. erfolgen müsse.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dem ergangenen Bescheid liege § 1 SBS i.V.m. § 114 Abs. 2 SchulG S-H zugrunde, wonach eine Kostenerstattung nur stattfinde, wenn die Schulart der zu besuchenden Schule nicht im Wohnbezirk der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers vorgehalten werde. Die Tochter der Klägerin habe im Schuljahr 2014/2015 die Möglichkeit gehabt, dieselbe Schulart an der Warderschule in A-Stadt zu besuchen, so dass die nunmehr geltend gemachten Kosten nicht entstanden wären.

7

Auf Nachfrage bei der Schulleiterin der Warderschule habe sich diese nicht an ein Gespräch mit der Klägerin über den Besuch von deren Tochter an der Warderschule im Schuljahr 2014/2015 erinnern können; die Klägerin sei ihr unbekannt. Die Schulleiterin wisse um ihre Pflicht, Schülerinnen und Schüler aus dem Wohnbezirk aufzunehmen und handle auch danach.

8

Mit Beschluss vom 26.08.2015 (Az. 5 F 131/15) übertrug das Amtsgericht Oldenburg i.H. die elterliche Sorge für die hier relevante Tochter der Klägerin auf den Kindsvater.

9

Die Klägerin hat am 09.10.2015 Klage erhoben.

10

Zur Begründung trägt sie vor, der von der Beklagten geforderte Differenzbetrag sei der Gesamtbetrag, der für die Schülerbeförderung angefallen sei. Indem die Busfahrkarte an die ...schule gegeben und der Tochter der Klägerin überreicht worden sei, habe die Beklagte dem Antrag auf Übernahme der Schulbeförderungskosten stattgegeben. Von der Beklagten habe damals eingewandt werden können und müssen, dass der Antrag der Klägerin auf Übernahme der Schulbeförderungskosten negativ zu bescheiden sei. Es könne nicht ein Jahr später das Gegenteil behauptet und Erstattung verlangt werden.

11

Die Schülerbeförderungssatzung regle die Anerkennung der Beförderungskosten zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Schule „der gewählten Schulart“. Die Warderschule und die ...schule seien im Hinblick auf die Niveaustufen aber unterschiedlich ausgestaltet, es läge deshalb nicht „dieselbe Schulart“ i.S.d. Satzung vor. Es werde an der Warderschule das dem Gymnasialniveau entsprechende Niveau nicht angeboten. Der Klägerin sei seinerzeit auch von der Warderschule mitgeteilt worden, es gebe keinen Platz mehr für ihre Tochter.

12

Da der Klägerin seit dem Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg i.H. vom 26.08.2015 die Sorgeberechtigung für die hier relevante Tochter fehle, sei jedenfalls der nunmehr sorgeberechtigte Vater auf die Erstattungssumme in Anspruch zu nehmen.

13

Ferner sei die Klägerin nicht bereichert, da die Beklagte offenbar den Schulbeförderungsbetrag aufgrund einer Zahlung an den Kreis Ostholstein geltend mache. Die Busfahrkarte sei faktisch im Schuljahr 2014/2015 genutzt worden.

14

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

15

den Bescheid der Beklagten vom 09.06.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.09.2015 aufzuheben.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Zur Begründung nimmt die Beklagte Bezug auf ihr Vorbringen in dem Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, es obliege gem. § 24 Abs. 1 SchulG S-H den Eltern, ihr Kind bei einer Schule ihrer Wahl anzumelden. Grundsätzlich habe die zuständige Schule jedoch immer Schüler aus ihrem Bezirk aufzunehmen.

19

Im Zeitpunkt der Antragstellung habe das Sorgerecht für die hier relevante Tochter der Klägerin dieser oblegen. Sie – die Klägerin – sei zudem als Antragsstellerin diejenige, die die Leistung veranlasst habe und daher als Kostenschuldnerin in Regress zu nehmen sei. Der von der Klägerin gestellte Antrag habe für das gesamte Schuljahr 2014/2015 gegolten, so dass sie die angefallenen Kosten entsprechend für das gesamte Schuljahr zu tragen habe.

20

Ferner würden durch § 1 Abs. 3 SBS und § 136 SchulG S-H keine Rechtsansprüche der Schulleiterinnen, Schulleiter, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler gegen den Träger der Schülerbeförderung begründet, sondern es bestehe lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ansatzpunkte für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Beklagten seien nicht ersichtlich.

21

Es handele sich – ungeachtet der Unterrichtsgestaltung und der Klassenzusammensetzung – bei beiden Schulen um dieselbe Schulart „Gemeinschaftsschule“.

22

Mit Beschluss vom 03.06.2016 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

23

Mit Schreiben vom 07.07.2016 hörte das Gericht die Beteiligten nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrages der Klägerin zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 VwGO oder durch Gerichtsbescheid gem. § 84 VwGO an.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).

26

Die nach Auslegung des klägerischen Begehrens gem. § 88 VwGO erhobene Klage ist als Anfechtungsklage gegen den belastenden Erstattungsbescheid zulässig.

27

Sie ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 09.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

28

Der Beklagten steht ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin zu, soweit sie sich ohne Rechtsgrund an den Kosten der Schülerbeförderung beteiligt hat.

29

Die Beklagte als Schulträgerin ist lediglich verpflichtet, sich an den „notwendigen“ Kosten zu beteiligen; welche Kosten als „notwendige Kosten“ zu definieren sind, hat der Gesetzgeber dem jeweiligen Kreis überlassen. Darüber hinausgehende Kosten sind den Schülerinnen und Schülern bzw. ihren Eltern kraft gesetzgeberischer Entscheidung zugewiesen. Dies ergibt sich wie folgt:

30

Nach § 114 Abs. 3 S. 1 SchulG trägt der Kreis zwei Drittel und der Schulträger ein Drittel der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung. Entsprechend hat der Kreis Ostholstein als Träger der Schülerbeförderung (§ 114 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SchulG) der Stadt Oldenburg in Holstein als Schulträgerin zwei Drittel der angefallenen Kosten zu erstatten, die diese zunächst selbst trägt. Diese Quotelung betrifft aber ausdrücklich nur die „notwendigen“ Kosten. Welche Kosten als notwendig anerkannt werden, bestimmt der Kreis durch Satzung, § 114 Abs. 2 S. 1 SchulG. Nach § 114 Abs. 2 S. 2 SchulG kann die Satzung vorsehen, dass nur die Kosten notwendig sind, die beim Besuch der nächstgelegenen Schule der gleichen Schulart entstehen würden.

31

Entsprechend hat der Kreis Ostholstein in § 1 Abs. 1 seiner Satzung über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung vom 03.07.2007 i.d.F. 04.07.2011 (Schülerbeförderungssatzung - SBS -) die notwendigen Beförderungskosten definiert. Dies sind nach Satz 1 zunächst nur diejenigen Kosten für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler der Grundschulen, der Klassenstufen 5-10 der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und der Förderzentren mit Wohnsitz im Kreis Ostholstein - wie die Tochter der Klägerin - zwischen der Wohnung der Schülerin und des Schülers (§ 2 Abs. 8 SchulG) und der nächstgelegenen Schule der gewählten Schulart oder der zuständigen Schule nach § 24 Abs. 2 SchulG. Nach Satz 4 findet eine Kostenerstattung für den Fall, dass die Schülerin oder der Schüler in einer anderen als der nächstgelegenen Schule der jeweils gewählten Schulart bzw. der zuständigen Schule beschult wird, nur dann statt, wenn der Schulbesuch der entfernter gelegenen Schule der jeweils gewählten Schulart von der Schulaufsichtsbehörde als pädagogisch erforderlich bestätigt wird. Nach § 1 Abs. 2 SBS sind notwendige Beförderungskosten die Beförderungskosten der Schülerinnen und Schüler, die im Kreis Ostholstein nicht am Schulort wohnen und zum Erreichen der Schule ein Verkehrsmittel benutzen müssen, weil der Schulweg auf andere zumutbare Weise nicht zurückgelegt werden kann.

32

Aus diesen Regelungen zieht die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die für den Besuch einer entfernter liegenden Schule gleicher Schulart anfallenden Beförderungskosten nur in der Höhe von ihr zu tragen sind, wie sie beim Besuch der nächstgelegenen Schule gleicher Schulart anfallen würden und dass die bestehende Differenz von den Schülerinnen und Schülern bzw. ihren Eltern selbst zu tragen ist. Dies ist nicht zu beanstanden.

33

Generell besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beförderung einer Schülerin einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule zwischen ihrer Wohnung im Kreisgebiet und der von ihr besuchten Schule. § 136 SchulG und § 1 Abs. 3 SBS schließen etwaige Rechtsansprüche Dritter insoweit von vornherein aus. Die Klägerin kann deshalb nur verlangen, dass die Beklagte die Regelungen über Schülerbeförderungskosten in ermessensfehlerfreier Weise anwendet und ihre Entscheidungen dabei insbesondere frei von Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) trifft. Dabei ist allein maßgeblich, welche Verwaltungspraxis sich aufgrund der für die Beklagte geltenden Vorschriften entwickelt hat und inwieweit sich die Beklagte durch diese nach außen gerichtete Praxis selbst gebunden hat. Auf die Auslegung des Schulgesetzes oder der Schülerbeförderungssatzung kommt es dabei gerade nicht an. Richterlicher Prüfungsmaßstab ist insofern lediglich, ob die Beklagte bei der praktischen Anwendung der für sie verbindlichen Vorschriften willkürlich gehandelt und deshalb den Gleichheitsgrundsatz verletzt hat (std. Rspr. der Kammer, vgl. Urt. v. 16.04.2008 - 9 A 207/07 - in juris; Urt. v. 08.12.2010 - 9 A 244/09 - jeweils m.w.N.).

34

Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Es ist schon nicht erkennbar, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben oder denen der Schülerbeförderungssatzung widerspräche. Zum anderen und vor allem ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beklagte die Kosten für die Schülerbeförderung in einem vergleichbaren Fall schon einmal übernommen hätte.

35

Eine Übernahme der Beförderungskosten kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn diese notwendig sind. Als notwendig definiert der Kreis Ostholstein im Einklang mit dem Gesetz diejenigen Kosten, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule der jeweiligen Schulart anfallen. Dass nach den satzungsmäßigen Regelungen unter „nächstgelegen“ nur die entfernungsmäßig nächstgelegene Schule meint, wird aus § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 SBS ersichtlich, der dem Begriff „nächstgelegene Schule“ den der „entfernter gelegenen Schule“ gegenüberstellt. Entsprechend hatte auch schon die Mustersatzung zu § 80 SchulG a.F. in § 1 diese beiden Begriffe gegenüberstellt (vgl. Karpen/Popken in Praxis der Kommunalverwaltung, SchulG a.F. Anhang zu § 80). So versteht auch die Kommentarliteratur zum Schulgesetz den Begriff (Karpen/Popken a.a.O., § 80 Anm. 4.2). Ob eine Schule die „nächstgelegene“ oder eine „entfernter gelegene“ ist, entscheidet der satzungsgebende Kreis im Übrigen anhand der Regelung des § 3 Abs. 1 SBS und legt dabei als Schulweg den kürzesten verkehrsüblichen Weg zwischen der Wohnung der Schülerin bzw. des Schülers und der Schule nach § 1 Abs. 1 zugrunde.

36

Dass der Beklagte von diesen Grundsätzen in seiner Verwaltungspraxis einmal abgewichen und als „nächstgelegene“ Schule eine Schule gleicher Schulart angesehen hätte, die weiter entfernt liegt mit der Folge, dass die Klägerin eine Gleichbehandlung geltend machen könnte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen weist die Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass sie auf die Art der besuchten Schule abstellt. Der gesetzlichen Regelung entsprechend unterscheidet sie bei den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen insoweit lediglich zwischen Gemeinschaftsschulen und Gymnasien (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SchulG). Wenn eine Gemeinschaftschule im Gegensatz zu einer anderen Gemeinschaftsschule eine unterschiedliche Binnendifferenzierung anbietet (drei statt zwei Niveaustufen) ändert dies an der vom Schulgesetz normierten Schulart „Gemeinschaftsschule“ gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 43 SchulG nichts; es handelt sich weiterhin um dieselbe Schulart. Die nächstgelegene Schule dieser Art war im maßgeblichen Schuljahr 2014/2015 aber die am Wohnort in A-Stadt der Klägerin gelegene Warderschule und nicht die von ihr besuchte...schule in Oldenburg in Holstein.

37

Die Klägerin ist darüber hinaus richtige Adressatin des angefochtenen Leistungsbescheides. Dies folgt insbesondere aus dem Gedanken, dass die Klägerin als Antragsstellerin die Ausstellung der Schülerbeförderungskarte im Sommer 2014 veranlasst hat und zu diesem Zeitpunkt und insbesondere auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 10.09.2015 (Erlass des Widerspruchsbescheides) sorgeberechtigt war. Soweit sie sich auf den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg i. H. vom 26.08.2015 (5 F 131/15) beruft, mit dem das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter X auf den Kindsvater übertragen wurde, erlangte dieser erst am 01.10.2015 Rechtskraft (schriftliche Bekanntmachung beim Prozessvertreter der Klägerin am 01.09.2015 zugestellt), mithin nach Bekanntgabe des Widerspruchbescheides.

38

Dieser Gedanke entspricht das dem Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB innewohnende sog. Veranlasserprinzip, welches auf den dem Bereicherungsrecht angelehnten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch übertragbar ist. Nach diesem Prinzip soll im Rahmen des Regressverhältnisses grundsätzlich die Person in Anspruch genommen werden, welche die im Ergebnis rechtsgrundlose Leistung zurechenbar veranlasst hat (vgl. u.a. BGH, B. v. 14.04.2005 - V ZB 5/05 -, juris; Palandt/Sprau, BGB, 75. Auflage, § 812 Rn. 54 ff.).

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der Vollstreckungsschuld abwenden, wenn der Beklagte nicht vorher seinerseits Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt eine Schülerfahrkarte für das Schuljahr 2007/2008.

2

Der im Jahre 1991 geborene Kläger mit Wohnsitz im Kreisgebiet des Beklagten erwarb 2007 den regulären Hauptschulabschluss und besucht seit Beginn des Schuljahres 2007/2008 eine Berufsfachschule in B-Stadt mit dem Ziel, dort nach zwei Jahren einen Mittleren Abschluss zu erwerben.

3

Am 13. Juli 2007 beantragte sein gesetzlicher Vertreter beim Beklagten die Ausstellung einer Schülerfahrkarte mit dem Hinweis, dass der Kläger im Wege des Vollzeitschulbesuches einen allgemein bildenden Schulabschluss anstrebe. Mit Bescheid vom 02. August 2007 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Nach § 114 Abs. 1 SchulG seien die Schulträger nur dann Träger der Schülerbeförderung, wenn die Schülerinnen und Schüler die Grundschulen, die Jahrgangsstufen fünf bis zehn der weiterführenden allgemein bildenden Schulen sowie Förderzentren besuchten. Auch wenn der Kläger einen allgemein bildenden Abschluss anstrebe, besuche er keine allgemein bildende Schule. In dem dagegen am 27. August 2007 eingelegten Widerspruch wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass es in Schleswig-Holstein für Hauptschüler nicht die Möglichkeit gebe, den Mittleren Bildungsabschluss in Form eines zehnten Schuljahres zu absolvieren. Bildungsbemühte Hauptschüler würden in unzulässiger Weise benachteiligt, wenn nur Schüler der Realschule eine entsprechende Schülerbeförderung erhielten.

4

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei das Schulgesetz nebst Satzung des Beklagten über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung vom 25. Juni 2007. Nach § 114 Abs. 1 SchulG seien die Schulträger der in den Kreisen liegenden öffentlichen Schulen nur dann Träger der Schülerbeförderung, wenn Schülerinnen und Schüler die Grundschulen, Jahrgangsstufen fünf bis zehn der weiterführenden allgemein bildenden Schulen sowie Förderzentren besuchten. Weiterführende allgemein bildende Schulen seien nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SchulG die Regionalschule, die Gemeinschaftsschule und das Gymnasium sowie - bis zum Ablauf des 31. Juli 2010 - die Haupt- und Realschulen. Berufsbildende Schulen seien in dieser abschließenden Aufzählung explizit nicht erfasst. Entsprechend sehe auch die Satzung des Beklagten insoweit keine Kostenerstattung vor. Es komme demnach nicht auf den erreichbaren Abschluss, sondern allein auf die besuchte Schulart an. Das Schulgesetz sehe auch keine Ausnahmemöglichkeit vor. Der Widerspruchsbescheid wurde am 3. November 2007 zugestellt.

5

Am 3. Dezember 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass ihm der geltend gemachte Anspruch aus § 114 SchulG in Verbindung mit der Satzung über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung zustehe. Die vorgenommene Differenzierung nach dem Wortlaut der Vorschrift, wonach ein Anspruch nur für „weiterführende allgemein bildende Schulen“ in Frage komme, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, da kein sachlich einleuchtender Grund für diese Differenzierung bestehe. Dies gelte insbesondere für Schüler, die den Abschluss einer weiterführenden allgemein bildenden Schule anstrebten. Im Gegensatz zu den „typischen“ Schülern der berufsbildenden Schulen hätten sie keine abgeschlossene Berufsausbildung oder sonstige Verdienstmöglichkeiten, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Gerade Hauptschüler wie der Kläger seien in der finanziellen und beruflichen Situation nicht von „typischen“ Realschülern zu unterscheiden. Hinzu komme, dass er zum Schuljahresbeginn 2007/2008 gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, die zehnte Jahrgangsstufe an einer allgemein bildenden Schule zu besuchen.

6

Der Kläger beantragt,

7

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 2. August 2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2007 zu verpflichten, dem Kläger eine Schülerfahrkarte für das Schuljahr 2007/2008 auszustellen.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, dass der Wortlaut des § 114 SchulG eindeutig sei und sich ausdrücklich nur auf Schülerinnen und Schüler der Primarstufe und der Sekundarstufe I bis zur Beendigung der Vollzeitschulpflicht beziehe. Schüler der berufsbildenden Schulen hätten demgegenüber bereits ihre Vollzeitschulpflicht absolviert. Von daher liege kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, der eine anderslautende Auslegung der Norm gebiete. Das Unterscheidungskriterium der Vollzeitschulpflicht iSd § 20 Abs. 2 S.1 SchulG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe im Bereich der gewährenden Verwaltung einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen an die Frage angeknüpft werde, ob der Schulbesuch pflichtig sei oder freiwillig wahrgenommen werde. Es sei sachgerecht, bei einem freiwilligen Schulbesuch die Kosten der Schülerbeförderung nicht mehr zu übernehmen. Zweck des Gesetzes sei es nicht, eine völlige gleichförmige Belastung herzustellen. Würde man der Auffassung des Klägers folgen, müsste auch für alle anderen Schüler der Sekundärstufe II eine Kostenerstattung erfolgen. Hierzu sei der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Erfüllung der Schulpflicht traditionell als Bringschuld verstanden werde, weshalb die Eltern die Pflicht hätten, für den Transport ihrer Kinder zu sorgen und die damit verbundenen Kosten als Teil des allgemeinen Lebensführungsaufwandes zu tragen.

11

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und dem beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung der Erteilung einer Schülerfahrkarte für das Schuljahr 2007/2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.

13

Ein Anspruch auf Erteilung einer Schülerfahrkarte besteht nicht, ergibt sich insbesondere nicht aus der Satzung des Beklagten über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung vom 25. Juni 2007 (Schülerbeförderungssatzung) iVm § 114 SchulG n.F. (in Art. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens in Schleswig-Holstein vom 24. Januar 2007, GVOBl. 2007, S. 39 ff.).

14

Ungeachtet der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Anspruchsnorm bestimmt § 136 SchulG n.F., dass u.a. die Bestimmungen im 6. Teil des Gesetzes - dazu gehören die §§ 111-114 SchulG n.F. - keine Ansprüche der Schulleiterinnen, Schulleiter, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen oder Schüler gegen den Schulträger, den Träger der Schülerbeförderung oder das Land begründen. Gleichermaßen schließt § 1 Abs. 4 der Schülerbeförderungssatzung Rechtsansprüche Dritter unter Verweis auf § 136 SchulG aus. Dieser Ausschluss subjektiver Rechte war bereits in § 81 SchulG a.F. vorgesehen und geht darauf zurück, dass das Gesetz lediglich das Verhältnis des Landes gegenüber den Schulträgern und den Trägern der Schülerbeförderung regelt, nicht jedoch das Verhältnis zu den Schulbenutzern. Den objektiven Verpflichtungen der Schulträger und der Träger der Schülerbeförderung sollen keine subjektiven Rechte der Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte gegenüberstehen (Karpen/Lorentzen in: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zum SchulG a.F., § 80 Anm. 5.3, § 81 Anm. 1 u. 2).

15

Der Kläger hat allerdings einen Anspruch darauf, dass der Beklagte über sein Begehren in ermessensfehlerfreier Weise entscheidet, insbesondere frei von Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) seine Entscheidungen trifft (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 05.03.1992 - 3 L 5/91 -, Die Gemeinde 1993, 258 = SchlHAnz 1993, 120; Urt. v. 25.03.1994 - 3 L 204/93 -, Die Gemeinde 1994, 228). Auch unter diesem rechtlichen Blickwinkel ist der angefochtene Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden.

16

Das OVG Schleswig hat in der genannten Entscheidung vom 25.03.1994 ausgeführt:

17

„Für die Frage, ob der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei betätigt hat, indem er der Klägerin die begehrte Bewilligung versagt hat, kommt es auf die Auslegung des Schulgesetzes bzw. der Satzung des Beklagten nicht an. Das Schulgesetz enthält im Hinblick auf Schülerbeförderungskosten - wie ausgeführt - keine Rechtsanspruchsnormen für Bürger. Dieser Ausschluß subjektiver Rechte wirkt sich auch auf die Ermessensbetätigung der Schulträger bei der Entscheidung über entsprechende Anträge aus. Die gesetzlichen Regelungen zu den Schülerbeförderungskosten (§ 80 SchulG) entfalten keine Rechtswirkung außerhalb der Organbereiche, für die sie verbindlich sind (Land, Kreise, Gemeinden, Schulträger). Insoweit ist das Schulgesetz vergleichbar mit einem Haushaltsplan, der ebenfalls einen gesetzlichen Ausschluß von Außenwirkungen enthält (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22.10.1974 - 1 BvL 3/72 -, E 38, 121). Konstruierte man über den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG einen subjektiven Rechtsanspruch darauf, daß das Ermessen in der vom Gesetz vorgesehenen Weise zu betätigen sei, würde der Wille des Gesetzgebers, der erkennbar darin besteht, dem Bürger die Berufung auf das Gesetz zu verwehren, unterlaufen. Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Satzung des Beklagten entsprechend.

18

Dem Schulgesetz und der Satzung des Beklagten kommen daher hinsichtlich der Bestimmungen zu den Schülerbeförderungskosten im Verhältnis zwischen dem Schulträger und dem Bürger nicht mehr Gewicht zu als einer nur für die Verwaltung verbindlichen Richtlinie (vgl. Urteil des Senats vom 05.03.1992 - 3 L 5/91 -, Die Gemeinde 1993, 258 = SchlHA 1993, 120).

19

Eine im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes relevante Selbstbindung entsteht noch nicht, wenn ausschließlich für die Verwaltung verbindliche Vorschriften erlassen werden oder sie sich selbst - innerbehördliche - Richtlinien, Anweisungen oder dergleichen gibt. Ein im beschriebenen Sinne der Selbstbindung relevantes Verhalten liegt erst dann vor, wenn und soweit die Verwaltung sich nach außen hin, d.h. dem Bürger gegenüber betätigt. Danach kommt es nicht darauf an, wie eine für die Verwaltung verbindliche Vorschrift auszulegen wäre, wenn die Auslegung nach den für Rechtsanspruchsnormen entwickelten Grundsätzen vorzunehmen wäre. Sofern die Normen allein die Verwaltung binden, sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Senat teilt, nicht der gerichtlichen Interpretation unterworfen (vgl. BVerwG, aaO). Entscheidend ist vielmehr, wie die die Verwaltung bindende Vorschrift von der Verwaltung selbst - nach ihrem eigenen Verständnis - gehandhabt wird. Denn der Gleichheitssatz, an dem die Ermessensausübung zu messen ist, stellt nicht auf den Wortlaut der die Verwaltung bindenden Vorschrift, sondern auf ihre Handhabung ab (vgl. BVerwG, Beschluß vom 01.06.1979 - 6 B 33.79 ZBR 1980, 24; Urteil vom 26.04.1979, aaO). Es kommt also darauf an, welche Verwaltungspraxis sich aufgrund der Vorschrift entwickelt hat. Nur die bisherige Verwaltungspraxis bindet die Verwaltung dem Bürger gegenüber (vgl. Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdn. 432 m.w.N.).“

20

Dem schließt sich das erkennende Gericht an (vgl. schon Urt. v. 02.06.2006 iVm Gerichtsbescheid v. 10.04.2006 - 9 A 320/05 - und Gerichtsbescheid vom 09.01.2006 - 9 A 774/04 -). Richterlicher Prüfungsmaßstab kann unter diesen Umständen nur sein, ob die Verwaltung in Anwendung der für sie verbindlichen Vorschriften den Gleichheitssatz bzw. sonstige rechtliche Regelungen willkürlich verletzt oder höherrangige Zweckbestimmungen nicht beachtet hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.1979 - 3 C 111/79 -, BVerwGE 58, 45 ff. = NJW 1979, 2059 ff.; Beschl. v. 21.09.1993 - 2 B 109/93 - in Juris).

21

Auch in Anwendung dieser Grundsätze ist eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Ablehnung einer Schülerfahrkarte nicht festzustellen. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der Beklagte die Kosten für eine Schülerbeförderung in anderen Fällen als notwendig anerkannt hätte, wenn eine Schülerin oder ein Schüler eine berufsbildende Schule besucht, um dort einen Mittleren Abschluss zu erwerben. Nach den in der mündlichen Verhandlung erfolgten und unbestritten gebliebenen Ausführungen des Beklagten orientiert sich die Verwaltungspraxis strikt am Wortlaut des § 114 Abs. 1 SchulG n.F. und entsprechend an § 1 Abs. 1 der Schülerbeförderungssatzung. Eine Kostenerstattung für die Beförderung von Schülern erfolge nur dann, wenn eine Grundschule, eine der Jahrgangsstufen fünf bis zehn der weiterführenden allgemein bildenden Schulen oder ein Förderzentrum besucht werde, also auch beim Besuch der 10. Jahrgangsstufe an einer Hauptschule. Eine Erstattung erfolge hingegen nicht, wenn nach Absolvierung der Vollzeitschulpflicht von neun Schuljahren ein 10. Schuljahr an einer berufsbildenden Schule besucht werde. Hiervon ausgehend lässt sich vorliegend keine willkürliche Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG feststellen, da sich die dem Kläger gegenüber erfolgte Ablehnung einer Schülerfahrkarte im Rahmen der geschilderten Praxis bewegt.

22

Darüber hinaus stellt die dargestellte Verwaltungspraxis ebenso wenig wie die Regelung des § 114 Abs. 1 SchulG n.F. selbst eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Berufs- und Realschülern dar, die einen Mittleren Abschluss anstreben bzw. von Berufs- und Hauptschülern, die ein 10. Schuljahr absolvieren.

23

Verfassungsrechtlich ist die Schülerbeförderung als eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand anzusehen. Bei deren Ausgestaltung hat der Gesetzgeber (und die am Gesetz ausgerichtete Verwaltungspraxis) einen weiten Gestaltungsspielraum, der es zum einen unter Beachtung des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG erlaubt, die Erbringung der öffentlichen Leistung von einer Gegenleistung der Begünstigten abhängig zu machen (BVerwG, Beschl. v. 22.10.1990 - 7 B 128/90 - DVBl. 1991, S. 59 ff.) und zum anderen, vielfältige Lebensverhältnisse durch eine einheitliche Regelung zu erfassen und hierbei ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz oder das Sozialstaatsprinzip gewisse tatsächliche Verschiedenheiten aufgrund der unterschiedlichen Lebensverhältnisse zu vernachlässigen. Dieser Gestaltungsspielraum wird erst dann überschritten, wenn die Vorgehensweise sich nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise verträgt und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden muss (vgl. Kammerbeschl. v. 17.9.2007 - 9 B 67/07 -). Eine solche Willkürlichkeit ist bei Anknüpfung an die Vollzeitschulpflicht bzw. die regelmäßige Dauer des Schulbesuches je nach Schulart sowie an den Besuch ausschließlich allgemein bildender Schulen iSd § 114 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 146 Abs. 4 S. 1 SchulG n.F. nicht gegeben.

24

Die Vollzeitschulpflicht umfasst die Pflicht zum Besuch einer Grundschule und einer Schule der Sekundarstufe I oder einer Sonderschule/eines Förderzentrums von insgesamt neun Schuljahren (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SchulG a.F., § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchulG n.F.). Die regelmäßige Dauer des Schulbesuchs der einzelnen Schülerin / des einzelnen Schülers ergibt sich aus der Zahl der Schulleistungsjahre der jeweiligen Schulart (§ 38 Abs. 1 SchulG a.F., § 18 Abs. 1 SchulG n.F.). Nach § 12 Abs. 2 S. 1 SchulG a.F. und § 146 Abs. 2 S. 1 SchulG n.F. umfasst die Hauptschule fünf Klassen- bzw. Jahrgangsstufen. Nach § 12 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 SchulG a.F. - gültig gemäß Art. 3, § 2 Abs. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens in Schleswig-Holstein (aaO) bis zum 31. Juli 2007 - konnte die Hauptschule eine 10. Klassenstufe haben mit dem Ziel, die allgemeine Bildung und Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Arbeitswelt zu erweitern und zu vertiefen. Bei erfolgreicher Teilnahme wurde ein Abschluss erworben, der die schulischen Voraussetzungen für die Aufnahme in die Fachoberschule und die Fachschule enthalten kann. Statt der fünf Jahrgangsstufen können die Hauptschulen gemäß der Nachfolgeregelung des § 146 Abs. 2 S. 2 SchulG n.F. seit dem 1. August 2007 ab der achten Jahrgangsstufe flexible Übergangsphasen bilden, die drei Jahre dauern und die Schülerinnen und Schüler auf den Hauptschulabschluss vorbereiten; mithin sieht auch das neue Schulrecht im Rahmen der flexiblen Übergangsphase eine weitere Jahrgangsstufe an Hauptschulen vor. Der Erwerb eines Mittleren Abschlusses ist damit allerdings nach beiden Modellen nicht verbunden (vgl. Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I, Beschluss der KMK vom 03.12.1993 i.d.F. vom 02.06.2006 unter: www.kmk.org/schul/home.htm?pub). Dessen ungeachtet wäre es dem Kläger nur dann möglich gewesen, freiwillig den sog. erweiterten Hauptschulabschluss iSd § 12 Abs. 3 SchulG a.F. zu erwerben, wenn die von ihm besuchte Hauptschule eine solche 10. Jahrgangsstufe tatsächlich angeboten hätte. Strebte er hingegen nach dem regulären Hauptschulabschluss einen Mittleren Schulabschluss an, so war und ist dieser auch noch gegenwärtig in Schleswig-Holstein generell an berufsbildenden Schulen und nicht an Realschulen zu erwerben. Die noch bis zum 31. Juli 2008 geltende Landesverordnung über die Aufnahme, das Aufsteigen nach Klassenstufen, die Dauer des Schulbesuchs und die Abschlussprüfung an der Realschule vom 27. Februar 1995 (NBl MWFK/MFBWS Schl.-H. 1995, 67) sieht in ihrem § 1 vor, dass die Aufnahme in die Realschule durch einen Wechsel aus einer Grundschule oder den Wechsel während der Orientierungsstufe, durch den Wechsel aus einer anderen Realschule, durch den Wechsel vom Gymnasium oder durch den Wechsel aus einer Gesamtschule erfolgt. Der Wechsel aus einer anderen als den genannten Schulen ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen, wenn die Aufnahme pädagogisch sinnvoll erscheint und zu erwarten ist, dass die Schülerin oder der Schüler in der Realschule erfolgreich mitarbeiten kann. Demgegenüber sehen § 88 Abs. 1 S. 2 und § 89 Abs. 2 S. 2 SchulG n.F. insoweit vor, dass an einer Berufs- bzw. Berufsfachschule weitere schulische Abschlüsse und Berechtigungen erworben werden können. Häufiges Motiv für den Besuch der Berufsfachschule ist deshalb gerade der Wunsch, hier nach Abschluss der allgemein bildenden Hauptschule den Mittleren Bildungsabschluss zu erwerben und sich gleichzeitig auf eine Berufsausbildung vorzubereiten (Karpen/Lorentzen aaO, § 19 Anm. 1). Entsprechend sieht die seit dem 1. August 2007 geltende Landesverordnung über die Berufsfachschule vom 22. Juni 2000 (NBl MBF Schl.-H. 2007, 155) in § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 vor, dass die Berufsfachschule mit dem Ziel einer beruflichen Grundbildung und des Erwerbs des Mittleren Schulabschlusses in einem zweijährigen Bildungsgang besucht werden kann. Dieser Mittlere Schulabschluss wird in allen Bundesländern anerkannt und ist dem Realschulabschluss gleichwertig (Karpen/Lorentzen aaO, § 19 Anm. 2; Beschluss der KMK aaO).

25

Diese Regelungen zeigen in ihrer Gesamtschau, dass es nicht nur für den Kläger in seinem speziellen Jahrgang, sondern dass es nach erfolgreichem Besuch der 9. Klassenstufe für Hauptschüler generell gegenwärtig nicht vorgesehen ist, dass sie für ein Jahr auf die Realschule wechseln, um dort den Realschulabschluss zu erwerben. Der Hauptschulbesuch ist vielmehr darauf ausgerichtet, einen Abschluss zu vermitteln, der den Anforderungen für eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht und zugleich weitere schulische Bildungsgänge eröffnet. Bei diesen weiteren schulischen Bildungsgängen soll es sich gerade nicht um solche allgemein bildender Schulen handeln, sondern um solche berufsbildender Schulen. Der an der Berufsfachschule zu erwerbende und vom Kläger auch angestrebte Mittlere Schulabschluss ist dem Realschulabschluss zwar gleichwertig, setzt aber einen zwei jährigen Schulbesuch voraus und vermittelt sogleich eine berufliche Grundbildung, die an allgemein bildenden Schulen nicht zu erwerben ist.

26

Diese Unterschiede rechtfertigen die § 114 Abs. 1 SchulG vorgesehene und vom Beklagten entsprechend praktizierte Beschränkung der Kostenerstattung auf Fälle des Besuchs allgemein bildender Schulen. Eine Gleichbehandlung des Schulbesuchs an einer Berufsfachschule zwecks Erreichung des Mittleren Schulabschlusses mit dem Schulbesuch einer Hauptschule zwecks Erreichung des erweiterten Hauptschulabschlusses nach Klassenstufe 10 bzw. des Besuchs einer Realschule zwecks Erreichung des Realschulabschlusses ist daher nicht zwingend geboten. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Berufsfachschüler mag zwar zu einer auf Begabtenförderung und Ausschöpfung aller Bildungsreserven gerichteten Schulpolitik tendenziell in einem gewissen Widerspruch stehen, begründet jedoch noch keine mit dem Gleichheitssatz unvereinbare Benachteiligung: „Entscheidend ist, dass die ungleiche Behandlung der Schülergruppen im Hinblick auf die die Erstattungsregelung tragenden Gründe nicht unverständlich bleibt“ (BVerwG, Beschl. v. 22.10.1990, a.a.O.).

27

Schließlich verstößt die geschilderte Verwaltungspraxis auch nicht gegen sonstige höherrangige Rechtsgrundsätze. Aus den Bestimmungen des Grundgesetzes lässt sich insbesondere keine verfassungsrechtliche Pflicht ableiten, die Schülerbeförderung unentgeltlich zu regeln bzw. zu handhaben: „So gewähren weder das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG, den Bildungsweg ihrer Kinder bestimmen zu können, das Grundrecht des Schülers auf Bildung aus Art. 2 Abs. 1 GG, noch das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip einen Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1990 - 7 B 128/90 - DVBl. 1991, S. 59 ff.).“ Ebenso wenig vermittelt die in § 20 Abs. 1 S. 1 SchulG n.F. als Konkretisierung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages im Sinne des Art. 7 GG normierte allgemeine Schulpflicht einen Anspruch auf eine kostenlose Schülerbeförderung: „Denn die Erfüllung der Schulpflicht ist traditionell als Bringschuld zu begreifen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.2003 - 2 A 10588/03 - DÖV 2004, S. 350 ff.). Aus diesem Grund obliegt es grundsätzlich den Eltern, für einen Transport zu und von den Schulen zu sorgen und die damit verbundenen Kosten als Teil des allgemeinen Lebensführungsaufwandes zu tragen. Die Schülerbeförderung stellt dagegen vielmehr eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand dar“ (Kammerbeschl. v. 17.9.2007 - 9 B 67/07 -).

28

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Schülerbeförderungskosten für ihren im Jahre 1996 geborenen Sohn .... Die Klägerin und ihr Sohn zogen zum März 2009 von Hamburg nach A-Stadt in das Kreisgebiet des Beklagten. Der Sohn besuchte weiterhin die ...-Schule in Hamburg, eine staatlich anerkannte Privatschule, getragen von einer kirchlichen Stiftung.

2

Am 22. April 2009 beantragte die Klägerin die Ausstellung einer Schülerfahrkarte zur Schule nach Hamburg und wies darauf hin, dass ihr Sohn wegen der differenten Lehrpläne weiterhin diese Schule in Hamburg besuchen solle. Mit Bescheid vom 27. April 2009 bewilligte der Beklagte zunächst die Schülerfahrkarte für den verbliebenen Schuljahreszeitraum 1. Mai bis 30. September 2009. Mit Schreiben vom 14. Mai 2009 forderte er die Schülerfahrkarte jedoch zurück mit der Begründung, dass die ...-Schule eine Privatschule sei und er nur die Fahrtkosten für Schüler staatlicher Schulen übernehmen könne. Die Klägerin akzeptierte dieses formlose Schreiben nicht.

3

Mit Bescheid vom 3. Juni 2009 nahm der Beklagte den ergangenen Bewilligungsbescheid gemäß § 116 LVwG zurück. Der Bescheid sei rechtswidrig erlassen worden, weil eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten nach § 114 SchulG nur in Frage komme für Schülerinnen und Schüler, die im Kreisgebiet ihre Wohnung hätten und außerhalb des Kreises eine öffentliche Schule besuchten. Schulen in freier Trägerschaft fielen nicht in die Zuständigkeit des Kreises. Den dagegen am 1. Juli 2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2009 als unbegründet zurück. Die Übernahme der Schülerbeförderungskosten richte sich grundsätzlich nach § 114 SchulG. Aus § 136 SchulG folge, dass Ansprüche auf eine bestimmte Leistung von Seiten der Eltern oder Schüler gegen den Schulträger nicht geltend gemacht werden könnten. Allerdings richte sich das Verwaltungshandeln der Schulträger bei der Schülerbeförderung nach den rechtlichen Vorgaben des § 114 SchulG. Diese kämen aber beim Besuch von Schulen in freier Trägerschaft grundsätzlich nicht zur Anwendung. Irrelevant sei, ob und wie das Schulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg eine Unterscheidung zwischen staatlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft treffe. Die vom Schleswig-Holsteinischen Gesetzgeber getroffene Entscheidung, die vom Träger der Schülerbeförderung vorzunehmende Kostenerstattung auf den Besuch öffentlicher Schulen zu beschränken, sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar, verstoße insbesondere nicht gegen das Recht zur Errichtung von privaten Schulen nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit rechtswidrig erfolgte Bewilligung könne gemäß § 116 Abs. 1 LVwG mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Es habe bereits bei Erlass des Bescheides kein Anspruch auf die Übernahme der Schülerbeförderungskosten bestanden. Ein entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Bewilligung sei nicht ersichtlich. Da die Klägerin aufgrund der Ausgabe der Fahrkarte weder eine Vermögensdisposition getroffen habe, noch die Leistung verbraucht sei, überwiege das öffentliche Interesse an der Rücknahme.

4

Gegen den am 6. Oktober 2009 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 2. November 2009 Klage erhoben, mit der sie ihr Ziel der Kostenübernahme von Schülerbeförderungskosten für den Zeitraum Mai bis September 2009 weiterverfolgt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass die eingeschränkte Kostenübernahme gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstoße, der das Recht zur Errichtung von Schulen in freier Trägerschaft gewährleiste. Damit werde das Bestandsrecht von Schulen in freier Trägerschaft garantiert und der Staat sei verpflichtet, diese Schulen zu unterstützen und ihren Bestand zu gewährleisten. Im Übrigen stünden auch Schulen in freier Trägerschaft unter der Aufsicht des Staates. Darüber hinaus verstoße die vom Beklagten praktizierte Auslegung des Schulgesetzes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil auch Schulen in freier Trägerschaft als öffentliche Schulen angesehen werden müssten. Für kirchliche Schulen ergebe sich dies aus dem Staatskirchenvertrag. Wenn der Beklagte die Schülerbeförderungskosten beim Besuch eines öffentlichen Gymnasiums in Hamburg gemäß Urteil des OVG Lüneburg vom 30.11.1983 übernehme, gebiete Art. 3 Abs. 1 GG auch die Übernahme der Kosten bei Besuch eines privaten Gymnasiums, zumal beide in Hamburg komplett gleichgestellt seien. Auch die nach dem Gastschulabkommen zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg erfolgenden Zahlungen erfolgten unterschiedslos für alle Gastschüler. Hieraus folge, dass das Land Schleswig-Holstein alle Schulen in Hamburg als öffentlich anerkenne. Die Übernahme der Schülerbeförderung unter diesen Umständen als freiwillige Leistung zu behandeln und einzuschränken sei daher willkürlich und widerspreche dem Recht auf freie Schulwahl.

5

Die Klägerin beantragt,

6

den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zur Übernahme der Schülerbeförderungskosten für den Sohn ... zu verpflichten.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, dass der Klägerin kein Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten zur Seite stehe. Allein maßgeblich sei die Rechtslage nach dem Schleswig-Holsteinischen Schulgesetz. Dieses sehe eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten zu Schulen in freier Trägerschaft nicht vor, unabhängig davon, wer im Einzelnen Träger dieser Schule sei und wo die Schule liege. Entsprechend würden nur solche Schülerinnen und Schüler in Kostenträgerschaft des Beklagten - auch nach Hamburg - befördert, die eine öffentliche Schule mit Vollzeitunterricht besuchten.

10

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Nach § 88 i.V.m. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist der klägerische Antrag dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 3. Juni 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2009 begehrt wird. Mit Aufhebung dieses belastenden Rücknahmebescheides würde die begehrte Übernahme der Schülerbeförderungskosten für den Zeitraum Juni bis September 2009 wieder aufleben. Da die Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgt war, ist der davor liegende Zeitraum von der Bewilligung bis zum Erlass des Rücknahmebescheides nicht berührt.

12

Die Klage ist allerdings unbegründet. Die Rücknahme der bis September 2009 bewilligten Schülerfahrkarte ist rechtmäßig.

13

Die Voraussetzungen der Rücknahme nach § 116 Abs. 1 LVwG sind gegeben. Die Bewilligung stellt einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Tatsächlich hätte die Schülerfahrkarte nicht ausgestellt werden dürfen, weil die Erstattung der Kosten für die Beförderung des Sohnes der Klägerin von seiner Wohnung im Kreisgebiet des Beklagten zu der von ihm besuchten Schule nach Hamburg weder der geltenden Rechtslage noch der geübten Praxis des Beklagten entspricht.

14

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beförderung eines Schülers einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule zwischen seiner Wohnung im Kreisgebiet und einer außerhalb des Kreisgebiets liegenden Schule in freier Trägerschaft besteht nach dem allein maßgeblichen schleswig-holsteinischen Schulgesetz und der darauf basierenden Satzung des Beklagten über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung vom 18. Dezember 1995 i.d.F. der Änderung vom 14. März 2008 (Schülerbeförderungssatzung - SBS -) i.V.m. § 114 SchulG in der Fassung vom 24. Januar 2007(GVOBl. 2007, S. 39 ff.) grundsätzlich nicht und ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 oder Art. 7 Abs. 1 und 4 GG.

15

Nach § 136 SchulG begründen die Bestimmungen im 6. Teil des Schulgesetzes - dazu gehören die §§ 111-114 SchulG - keine Ansprüche von Eltern, Schülerinnen oder Schüler gegen den Schulträger, den Träger der Schülerbeförderung oder das Land. Gleichermaßen schließt § 2 Abs. 3 SBS Rechtsansprüche Dritter unter Verweis auf § 136 SchulG aus. Dieser Ausschluss subjektiver Rechte war bereits in § 81 SchulG a.F. vorgesehen und geht darauf zurück, dass das Gesetz lediglich das Verhältnis des Landes gegenüber den Schulträgern und den Trägern der Schülerbeförderung regelt, nicht jedoch das Verhältnis zu den Schulbenutzern. Den objektiven Verpflichtungen der Schulträger und der Träger der Schülerbeförderung sollen keine subjektiven Rechte der Schülerinnen und Schüler, Eltern oder Lehrkräfte gegenüberstehen (Karpen/ Lorentzen in: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zum SchulG a.F., § 80 Anm. 5.3, § 81 Anm. 1 u. 2).

16

Die Klägerin kann deshalb nur verlangen, dass der Beklagte als der nach § 114 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SchulG in Anspruch genommene Träger der Schülerbeförderung über ihr Begehren auf Übernahme von Schülerbeförderungskosten in ermessensfehlerfreier Weise entscheidet, insbesondere frei von Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) seine Entscheidungen trifft (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 05.03.1992 - 3 L 5/91 -, Die Gemeinde 1993, 258; Urt. v. 25.03.1994 - 3 L 204/93 -, Die Gemeinde 1994, 228).

17

Das OVG Schleswig hat in der genannten Entscheidung vom 25.03.1994 ausgeführt:

18

„Für die Frage, ob der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei betätigt hat, indem er der Klägerin die begehrte Bewilligung versagt hat, kommt es auf die Auslegung des Schulgesetzes bzw. der Satzung des Beklagten nicht an. Das Schulgesetz enthält im Hinblick auf Schülerbeförderungskosten - wie ausgeführt - keine Rechtsanspruchsnormen für Bürger. Dieser Ausschluß subjektiver Rechte wirkt sich auch auf die Ermessensbetätigung der Schulträger bei der Entscheidung über entsprechende Anträge aus. Die gesetzlichen Regelungen zu den Schülerbeförderungskosten (§ 80 SchulG) entfalten keine Rechtswirkung außerhalb der Organbereiche, für die sie verbindlich sind (Land, Kreise, Gemeinden, Schulträger). Insoweit ist das Schulgesetz vergleichbar mit einem Haushaltsplan, der ebenfalls einen gesetzlichen Ausschluß von Außenwirkungen enthält (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22.10.1974 - 1 BvL 3/72 -, E 38, 121). Konstruierte man über den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG einen subjektiven Rechtsanspruch darauf, daß das Ermessen in der vom Gesetz vorgesehenen Weise zu betätigen sei, würde der Wille des Gesetzgebers, der erkennbar darin besteht, dem Bürger die Berufung auf das Gesetz zu verwehren, unterlaufen. Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Satzung des Beklagten entsprechend.

19

Dem Schulgesetz und der Satzung des Beklagten kommen daher hinsichtlich der Bestimmungen zu den Schülerbeförderungskosten im Verhältnis zwischen dem Schulträger und dem Bürger nicht mehr Gewicht zu als einer nur für die Verwaltung verbindlichen Richtlinie (vgl. Urteil des Senats vom 05.03.1992 - 3 L 5/91 -, Die Gemeinde 1993, 258 = SchlHA 1993, 120).

20

Eine im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes relevante Selbstbindung entsteht noch nicht, wenn ausschließlich für die Verwaltung verbindliche Vorschriften erlassen werden oder sie sich selbst - innerbehördliche - Richtlinien, Anweisungen oder dergleichen gibt. Ein im beschriebenen Sinne der Selbstbindung relevantes Verhalten liegt erst dann vor, wenn und soweit die Verwaltung sich nach außen hin, d.h. dem Bürger gegenüber betätigt. Danach kommt es nicht darauf an, wie eine für die Verwaltung verbindliche Vorschrift auszulegen wäre, wenn die Auslegung nach den für Rechtsanspruchsnormen entwickelten Grundsätzen vorzunehmen wäre. Sofern die Normen allein die Verwaltung binden, sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Senat teilt, nicht der gerichtlichen Interpretation unterworfen (vgl. BVerwG, aaO). Entscheidend ist vielmehr, wie die die Verwaltung bindende Vorschrift von der Verwaltung selbst - nach ihrem eigenen Verständnis - gehandhabt wird. Denn der Gleichheitssatz, an dem die Ermessensausübung zu messen ist, stellt nicht auf den Wortlaut der die Verwaltung bindenden Vorschrift, sondern auf ihre Handhabung ab (vgl. BVerwG, Beschluß vom 01.06.1979 - 6 B 33.79 ZBR 1980, 24; Urteil vom 26.04.1979, aaO). Es kommt also darauf an, welche Verwaltungspraxis sich aufgrund der Vorschrift entwickelt hat. Nur die bisherige Verwaltungspraxis bindet die Verwaltung dem Bürger gegenüber (vgl. Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdn. 432 m.w.N.).“

21

Dieser Auffassung hat sich das erkennende Gericht angeschlossen (vgl. Urt. v. 16.04.2008 - 9 A 207/07 - in juris; Urt. v. 04.11.2009 - 9 A 98/09 - m.w.N.).

22

Richterlicher Prüfungsmaßstab kann unter diesen Umständen nur sein, ob der Beklagte in Anwendung der für ihn verbindlichen Vorgaben den Gleichheitssatz bzw. sonstige rechtliche Regelungen willkürlich verletzt oder höherrangige Zweckbestimmungen nicht beachtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.1979 - 3 C 111/79 -, BVerwGE 58, 45 ff.; Beschl. v. 21.09.1993 - 2 B 109/93 - in juris), wenn er der Klägerin die Schülerfahrkarte für ihren Sohn verweigert und deren Bewilligung als rechtswidrige Entscheidung zurücknimmt. Dabei ist für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit nicht eine objektive Auslegung des § 114 Abs. 1 SchulG oder der Schülerbeförderungssatzung maßgeblich, sondern die vom Beklagten nach außen praktizierte Handhabung. Daran gemessen war die Bewilligung rechtswidrig.

23

Der Beklagte hat in seinem letzten Schriftsatz nochmals bestätigt, dass er seine Praxis an den bestehenden gesetzlichen und satzungsmäßigen Regelungen ausrichte und unter Beachtung der von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichten Entscheidung des OVG Lüneburg vom 30.11.1983 - 13 OVG A 54/83 - zwar die Beförderungskosten von denjenigen Schülerinnen und Schülern aus dem Kreisgebiet übernehme, die in Hamburg eine öffentliche Schule besuchen, generell aber nicht von denjenigen Schülerinnen und Schülern, die eine Ersatzschule besuchen, unabhängig davon, ob diese Schule im Kreisgebiet oder außerhalb des Kreises liege.

24

Diese Praxis entspricht der Gesetzeslage. Zutreffend ist zunächst, dass § 114 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SchulG auch den Besuch von Schulen außerhalb des Landes erfasst. Dies zeigt die Regelung des § 114 Abs. 3 S. 3 SchulG. Eine Übernahme von Kosten nach § 114 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SchulG und der gemäß § 114 Abs. 2 SchulG erlassenen Satzung kommt aber deshalb nicht in Frage, weil die Regelungen nur für öffentliche Schulen gelten mit der Folge, dass der Beklagte für Schulen in freier Trägerschaft von vornherein nicht Träger der Schülerbeförderung ist. Dies gilt für Schulen in Schleswig-Holstein und Hamburg gleichermaßen.

25

§ 114 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SchulG gilt ausdrücklich nur für öffentliche Schulen. Dies sind nach der Definition des allein maßgeblichen § 2 Abs. 2 S. 1 SchulG nur solche Schulen, deren Träger das Land, die Kreise, die Gemeinden oder andere im Gesetz bestimmte öffentlich-rechtliche Körperschaften sind. Ist der Träger der Schule eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts oder auch eine Kirche mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, handelt es sich um eine Schule in freier Trägerschaft, nämlich um eine Ersatz- oder Ergänzungsschule i.S.d. § 2 Abs. 3 und 4 SchulG. Inwieweit sich unter diesen Umständen aus dem von der Klägerin zitierten Staatskirchenvertrag etwas anderes ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Ob dem Hamburger Schulrecht ein anderer Begriff öffentlicher Schulen zugrunde liegt, kann für die Auslegung und Anwendung schleswig-holsteinischen Landesrechts ebenfalls keine Rolle spielen. Letzteres jedenfalls sieht eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten beim Besuch von Ersatzschulen nicht vor. Dies mag sich in den Bundesländern unterschiedlich verhalten, wie z.B. in Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 14.09.1994 - 6 C 42/92 - BVerwGE 96, 350 = NJW 1995, 344 zu §§ 94, 121 Abs. 3 NdsSchulG; OVG Lüneburg, Urt. v. 24.05.2007 - 2 LC 9/07 - zu §§ 114, 141 Abs. 3 NdsSchulG, NdsVBl 2007, 336, in juris Rn. 42; VGH Koblenz, Urt. v. 02.02.2005 - 2 A 118888/04 - zu § 28 PrivSchG RP, in juris Rn. 24 ff.), hat aber vorliegend keine Relevanz. Die Unanwendbarkeit des § 114 Abs. 1 SchulG ergibt sich im Übrigen auch aus § 1 Abs. 2 SchulG, weil eine Anwendung der Vorschriften über die Schülerbeförderung auf private Schulen (Schulen in freier Trägerschaft) gerade nicht vorgesehen ist.

26

Die an der geltenden Gesetzeslage ausgerichtete Praxis des Beklagten stellt sich weder als ungerechtfertigte und von Art. 3 Abs. 1 GG nicht gedeckte Ungleichbehandlung von Schülerinnen und Schülern öffentlicher und privater Schulen dar noch verstößt sie sonst gegen höherrangiges Recht.

27

Verfassungsrechtlich ist die Schülerbeförderung als eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand anzusehen, auf die der Bürger keinen geschützten Anspruch hat. Weder das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG noch das Sozialstaatsprinzip gewährleisten einen Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.2007 - 2 LC 9/07 - NdsVBl 2007, 336, in juris Rn. 40; BVerwG, Beschluss vom 22.10.1990 - 7 B 128/90 - DVBl. 1991, S. 59 ff.). Ebenso wenig vermittelt die in § 20 Abs. 1 S. 1 SchulG normierte allgemeine Schulpflicht als Konkretisierung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages i.S.d. Art. 7 GG einen Anspruch auf eine kostenlose Schülerbeförderung. Denn die Erfüllung der Schulpflicht ist traditionell als Bringschuld zu begreifen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.08.2003 - 2 A 10588/03 - DÖV 2004, S. 350 ff.), so dass es grundsätzlich den Eltern obliegt, für einen Transport zu und von den Schulen zu sorgen und die damit verbundenen Kosten als Teil des allgemeinen Lebensführungsaufwandes zu tragen. Die Schülerbeförderung stellt demgegenüber eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand dar (VG Schleswig, Urt. v. 16.04.2008 - 9 A 207/07 - in juris).

28

Bei der Ausgestaltung des Gesetzes und der am Gesetz ausgerichteten Verwaltungspraxis besteht deshalb ein weiter Gestaltungsspielraum, der erst dann überschritten wird, wenn die Vorgehensweise sich nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise verträgt und mangels sachlicher und einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden muss (VG Schleswig a.a.O.; vgl. auch BayVerfGH, Urt. v. 07.07.2009 -Vf.15-VII-08 - BayVBl 2010, 76, in juris Rn. 38).

29

Diese Grenze wird durch die Versagung der Beförderungskosten gegenüber der Klägerin nicht überschritten. Zum einen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte die Kosten der Beförderung von Schülerinnen und Schülern anderer privater Schulen - in Schleswig-Holstein oder Hamburg - insoweit schon einmal übernommen hätte. Zum anderen ist die generelle Differenzierung zwischen öffentlichen Schulen und solchen in freier Trägerschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 und 3 SchulG sachgerecht, da die Finanzierung der Schülerbeförderung im Falle des Besuchs von in freier Trägerschaft geführten Ersatzschulen (§ 2 Abs. 4 S. 1 SchulG) im Rahmen der Zuschussgewährung an den jeweiligen Schulträger erfolgt (so schon OVG Schleswig, Beschl. v. 25.11.2002 - 3 L 67/02 - in juris; vgl. auch BayVerfGH, Urt. v. 07.07.2009 -Vf.15-VII-08 - BayVBl 2010, 76, in juris Rn. 44). Ersatzschulen erhalten nach § 119 Abs. 1 SchulG vom Land Zuschüsse u.a. zu den laufenden Kosten (Sachkosten). Zu diesen laufenden Kosten zählen nach § 120 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Nr. 8 SchulG auch die Aufwendungen für die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler.

30

Die Praxis des Beklagten verstößt auch nicht gegen Art. 7 Abs. 4 GG. Die darin enthaltene Pflicht des Staates, Privatschulen in ihrem Bestand und als Institution zu erhalten und diese entsprechend finanziell zu fördern, verlangt nicht, Ersatzschulen gerade dadurch zu finanzieren, dass die jeweiligen Schülerinnen und Schülern unmittelbar von den Kosten der Beförderung freigestellt werden. Vielmehr steht dem Staat auch insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu und es ist nicht zu beanstanden, wenn er den kommunalen Schulträgern nur für den Bereich der öffentlichen Schulen die Erstattung der Beförderungskosten auferlegt und diese im Übrigen in den an den Träger der Ersatzschule gerichteten Zuschuss einberechnet (BayVerfGH, Urt. v. 07.07.2009 -Vf.15-VII-08 - BayVBl 2010, 76, in juris Rn. 54 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 24.05.2007 - 2 LC 9/07 - NdsVBl 2007, 336, in juris Rn. 36-38 m.w.N.; Niehues/ Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. Aufl., Rn. 1095 m.w.N.).

31

Soweit die Klägerin auf das zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg im Jahr 1963 geschlossene Abkommen „über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ verweist, hat auch dies keinen Erfolg. Zum einen hatten die Vertragsparteien darin nur Regelungen für den Besuch öffentlicher Schulen getroffen; zum anderen vereinbarte man insoweit nur eine gegenseitige Schulgeldfreiheit und Gleichbehandlung ihrer Schülerinnen und Schüler im Rahmen vorhandener Aufnahmekapazitäten [I. 1)]. Dies beinhaltete die Verpflichtung, Schülerinnen und Schüler aus dem jeweils anderen Land aufzunehmen, ohne hierfür Schulgeld oder Gastschulbeiträge zu erheben [III. 1), IV.]. Für die Fahrgelderstattung galt das Heimatortprinzip [VII.]. Soweit ersichtlich, wurde für den länderübergreifenden Besuch von Schulen in freier Trägerschaft im Juni 1998 ein Finanzhilfe-Erstattungs-Abkommen geschlossen, dass nur bis Ende 2002 Geltung hatte. Aufgrund eines zusätzlichen Abkommens aus dem Jahr 2004 zum grenzüberschreitenden Schulbesuch wurde erstmals eine Zahlung vom Land Schleswig-Holstein an die Freie und Hansestadt Hamburg in Höhe von jährlich 8,5 Mio. Euro vereinbart. [IV.]. Diese Vereinbarungen sind von der Freien und Hansestadt Hamburg zum Ende des Jahres 2009 gekündigt worden. Für das Jahr 2010 gilt eine Übergangslösung, nach der nochmals pauschal 8,5 Mio. Euro gezahlt wurden und die Freie und Hansestadt Hamburg sich verpflichtet, in eingeschränktem Maße weiterhin bestimmte Schülerinnen und Schüler aufzunehmen.

32

Für den hier streitigen Zeitraum des Jahres 2009 ergibt sich daraus ebenso wenig eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die Beförderung von Schülerinnen und Schülern, die in Hamburg Ersatzschulen besuchen, wie beim Besuch von Ersatzschulen in Schleswig-Holstein. Auch insoweit vermochte die Klägerin nicht darzulegen, dass das Land Schleswig-Holstein oder der Beklagte entsprechende Zahlungen schon einmal übernommen hätten. Soweit das Land Schleswig-Holstein zur Abgeltung aller aus dem gegenseitigen Schulbesuch entstehenden Zahlungsansprüche jährlich 8,5 Mio. Euro gezahlt hat, diente diese Zahlung dem Ausgleich der wiederum der Freien und Hansestadt Hamburg entstehenden Aufwendungen bei Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Pflichten als Trägerin öffentlicher Schulen bzw. Zuschussgeberin für Schulen in freier Trägerschaft gemäß §§ 14 ff. des Hamburgischen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft (HmbSfTG) vom 21.09.2004. Die Übernahme dieser vertraglich vereinbarten Zahlungspflicht steht in keinem Zusammenhang zu den Pflichten des Landes aus Art. 7 Abs. 4 GG. Ebenso wenig kann darin eine - mittelbare - Bezuschussung der vom Sohn der Klägerin besuchten Schule gesehen werden (vgl. VGH Koblenz, Urt. v. 02.02.2005 - 2 A 118888/04 - in juris Rn. 27 zum horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern).

33

Die Rücknahme erfüllt auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen. Die nach § 116 Abs. 1 S. 1 LVwG erforderliche Ermessensbetätigung wird jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2010 erkennbar. Ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf den Bestand der Bewilligung ist bei der nach § 116 Abs. 2 LVwG gebotenen Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme nicht erkennbar. Abgesehen davon, dass der Klägerin bereits zwei Wochen nach Bewilligung der Fahrkarte formlos mitgeteilt worden war, dass dies in Unkenntnis der Tatsache geschehen sei, dass es sich bei der ...-Schule um eine Schule in freier Trägerschaft handele, war die mit der Fahrkarte erbrachte Leistung (für die Zukunft) auch noch nicht verbraucht. Ebenso wenig ist ersichtlich oder geltend gemacht, dass die Klägerin Vermögensdispositionen getroffen hätte, die sich nicht mehr rückgängig machen ließen. Die Frist des § 116 Abs. 4 LVwG wurde eingehalten.

34

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO insgesamt abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/05
vom
14. April 2005
in der Zwangsverwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Aufwendungen des Gläubigers, deren Zweck nicht darin besteht, die Befriedigung
der titulierten Forderung zu erreichen, stellen keine von dem Schuldner
zu erstattenden notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung dar.
BGH, Beschl. v. 14. April 2005 - V ZB 5/05 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. April 2005 durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Zoll und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 84. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 15. Dezember 2003 wird auf Kosten der Gläubiger zurückgewiesen.
Der Gegenstandwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 12.209,18 €.

Gründe:


I.


Der Schuldner ist Miteigentümer des Grundstücks S. in B. . Das Grundstück ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt. Der Miteigentumsanteil des Schuldners ist mit dem Sondereigentum an einer rund 146 qm großen Wohnung verbunden, die der Schuldner bewohnt. Am 25. August 2000 erwirkten die Gläubiger, die übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft , wegen Wohngeldrückständen einen Titel gegen den Schuldner über 5.181,79 DM zuzüglich 5% Zinsen seit dem 13. Juli 2000. Aufgrund des Titels beantragten sie am 23. September 2000 die Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums des Schuldners. Mit am 19. Oktober 2000 zugestelltem Beschluß vom 12. Oktober 2000 ordnete das Amtsgericht die Zwangsverwaltung an und bestellte einen Zwangsverwalter.
Dieser forderte mit Schreiben vom 19. Oktober 2000 den Schuldner auf, etwaige Vermietungserlöse an ihn zu überweisen. Da der Schuldner die Wohnung selbst bewohnt, setzte der Zwangsverwalter den unentbehrlichen Wohnraum fest und verlangte mit Schreiben vom 18. April 2001 von dem Schuldner für die Nutzung von 100 qm Wohnung eine monatliche Zahlung von 1.400 DM. Die Aufforderung blieb ohne Erfolg. Zur Deckung der Kosten der Verwaltung verlangte und erhielt der Verwalter von den Gläubigern in der Folgezeit Vorschüsse in Höhe von insgesamt 12.146,80 €, die er im wesentlichen dazu verwandte , das auf die Wohnung des Schuldners entfallende Wohngeld von monatlich 774,27 DM für den Zeitraum seit dem 1. Oktober 2000 an die Eigentümergemeinschaft zu bezahlen.
Die Gläubiger haben die Festsetzung ihrer Vorschußzahlungen zuzüglich 62,38 € gerichtlicher Kosten des Zwangsverwaltungsverfahrens als Kosten der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubiger ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie den Festsetzungsantrag weiter.

II.


Das Landgericht führt aus, gem. § 788 Abs. 1 ZPO habe ein Schuldner nur die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen. Allein diese seien gem. §§ 788 Abs. 2, 103 Abs. 2 ZPO der Festsetzung zugänglich. Um derartige Kosten handele es sich bei den geltend gemachten Kosten nicht, zumal den Gläubigern bekannt gewesen sei, daß der Schuldner die Wohnung selbst bewohnt und die Zwangsverwaltung von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg geboten habe.
Dies hält der Rechtsbeschwerde stand.

III.


Das Beschwerdegericht hat die von den Gläubigern beantragte Festsetzung zu Recht abgelehnt. Nach § 788 ZPO sind Aufwendungen eines Gläubigers nur dann beitreibungs- und damit festsetzungsfähig, wenn es sich bei den Aufwendungen um Kosten der Zwangsvollstreckung handelt und diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Daran fehlt es.
1. Soweit die Gläubiger mit ihren Vorschußleistungen das Ziel verfolgt haben, in Höhe der Wohngeldforderungen der Eigentümergemeinschaft für den Zeitraum ab der Anordnung der Zwangsverwaltung bei einer Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums ein Befriedigungsrecht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu erwerben, ist schon zweifelhaft, ob die Zahlungen überhaupt Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO darstellen (verneinend Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rdn. 19). Auf keinen Fall jedoch sind sie notwendige Kosten der Zwangsvollsteckung, die der Schuldner zu erstatten hat.

a) Der Begriff der Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO ist in der juristischen Literatur umstritten. Die herrschende Meinung setzt sich für eine enge Auslegung der Vorschrift ein. Danach sind unter den Kosten der Zwangsvollstreckung nur solche Aufwendungen zu verstehen, die unmittelbar und konkret zum Zweck der Vorbereitung und Durchführung der Zwangsvollstreckung gemacht werden (MünchKomm-ZPO/Schmidt, 2. Aufl., § 788 Rdn. 10; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rdn. 2; Schuschke in Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 788 ZPO Rdn. 6; Stein/
Jonas/Münzberg, aaO, § 788 ZPO Rdn. 8 m.w.N.; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., S. 556). Demgegenüber vertritt eine andere Auffassung einen weitergehenden Kostenbegriff, nach dem sämtliche Aufwendungen des Gläubigers erfaßt sind, die anläßlich der Zwangsvollstrekkung entstanden oder kausal auf diese zurückzuführen sind (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 788 Rdn. 3; Johannsen, DGVZ 1989, 1, 10). Ungeachtet dieser Unterschiede stimmen beide Auffassungen darin überein, daß nur solche Aufwendungen Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO sind, deren Zweck darin besteht, die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen (Johannsen, DGVZ 1989, 1, 3). Hieran fehlt es, soweit die Aufwendungen des Gläubigers Maßnahmen außerhalb des Titels zum Ziel haben (MünchKomm-ZPO/Schmidt, aaO, § 788 Rdn. 14; Musielak/Lackmann, aaO, § 788 Rdn. 5; Schuschke, aaO, § 788 Rdn. 7 a.E.).
Dem dürfte zuzustimmen sein. Mit § 788 ZPO soll dem Gläubiger ein vereinfachtes Verfahren zur Verfügung gestellt werden, um dessen Befriedigung auch hinsichtlich der Vollstreckungskosten zu ermöglichen. Die Vereinfachung besteht darin, daß der Gläubiger zur Durchsetzung der Vollstreckungskosten nicht darauf angewiesen ist, eine erneute Klage wegen eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zu erheben (Rosenberg /Gaul/Schilken, aaO, S. 555). Die Vollstreckungskosten können vielmehr ohne größeren Aufwand entweder vom Vollstreckungsorgan "zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch" beigetrieben oder aber von dem Vollstreckungsgericht festgesetzt werden. Eine von dem Prozeßgericht zuvor zu treffende Kostengrundentscheidung fordert das Gesetz - anders als im Erkenntnisverfahren - nicht. Entscheidend hierfür ist, daß die Verpflichtung des Schuldners, die Vollstreckungskosten zu tragen, aus dem Veranlasserprin-
zip folgt. Danach hat der Schuldner die Vollstreckungskosten schon deshalb zu tragen, weil er durch die Nichterfüllung des titulierten Anspruchs die Entstehung dieser Kosten veranlaßt hat (MünchKomm-ZPO/Schmidt, aaO, § 788 ZPO Rdn. 1; Musielak/Lackmann, aaO, § 788 ZPO Rdn. 1; Stein/Jonas/Münzberg, aaO, § 788 ZPO Rdn. 4; Rosenberg/Gaul/Schilken, aaO, S. 555). Die Rechtfertigung hierfür ergibt sich aus der Weigerung des Schuldners, den vollstreckbaren Anspruch zu erfüllen. Der Titel in der Hauptsache stellt die Grundlage auch für die Festsetzung der Vollstreckungskosten dar (so bereits Hahn, Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1881, Begründung zu § 646 CPO; vgl. ferner Stöber, ZVG, 17. Aufl., Einl. Rdn. 40; Zöller/Stöber, aaO, § 788 ZPO Rdn. 18).
Daraus folgt indessen, daß die Beitreibung bzw. Festsetzung nach § 788 ZPO nur für solche Aufwendungen offen steht, die auf die Durchsetzung des titulierten Anspruchs gerichtet sind. Verhält es sich so nicht, greift das Veranlasserprinzip nicht ein. Maßgeblicher Anlaß für die Aufwendungen des Gläubigers ist in diesem Fall nicht die Weigerung des Schuldners, die titulierte Forderung zu erfüllen, sondern ein Verhalten des Schuldners außerhalb des Titelschuldverhältnisses. Damit aber sind die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren zum Ausgleich der Aufwendungen des Gläubigers gem. § 788 ZPO nicht erfüllt.

b) So liegt es, soweit die Gläubiger mit ihren Vorschußzahlungen, das Ziel verfolgt haben, für die laufenden, nicht titulierten Wohngeldforderungen in der Versteigerung des Wohnungseigentums die Rangklasse von § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu erreichen. Ob eine solche Sicherungsmöglichkeit tatsächlich besteht , wurde zum Zeitpunkt der Vorschußleistungen in der Rechtsprechung der
Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt (bejahend OLG Düsseldorf, ZMR 2003, 225; LG Frankfurt, NZM 1998, 635; LG Göttingen, Hamb. GE 2001, 335; LG Aachen, ZMR 2002, 156; ablehnend OLG Köln, Rpfleger 1998, 482; OLG Braunschweig, NZM 2002, 626; OLG Frankfurt, NZM 2002, 627; LG Mönchengladbach , Rpfleger 2000, 80; LG Augsburg, Rpfleger 2001, 92; LG Hamburg, ZMR 2001, 395). Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10. April 2003 (BGHZ 154, 387, 391) die Frage dahin entschieden, daß Leistungen des die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers nur dann Vorrang genießen, wenn diese sich im Einzelfall objekterhaltend oder -verbessernd ausgewirkt haben.

c) Andererseits zielen die Vorschußzahlungen auch darauf ab, die Zwangsverwaltung als Vollstreckungsmaßnahme überhaupt zu ermöglichen, weil diese sonst aufgehoben werden kann (§ 161 Abs. 3 ZVG). Ob sie deswegen nicht doch als Vollstreckungskosten anzusehen sind, kann jedoch offen bleiben, weil sie insoweit jedenfalls nicht notwendig waren.
2. Auch soweit die Gläubiger an den Zwangsverwalter Vorschüsse geleistet haben, die von dem Verwalter nicht zur Zahlung von Wohngeld an die Eigentümergemeinschaft verwendet worden sind, scheidet die Festsetzung gegen den Schuldner aus. Auch hier fehlt es an der Voraussetzung, daß der Aufwand der Gläubiger zur Vollstreckung gegen den Schuldner notwendig war, § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Notwendigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme ist nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme zu bestimmen. Entscheidend ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich
halten durfte (BGH, Beschl. v. 18. Juli 2003, IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581; Beschl. v. 10. Oktober 2003, IXa ZB 183/02, DGVZ 2004, 24 f.). Daran fehlt es, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme für den Gläubiger erkennbar aussichtslos ist. So verhält es sich insbesondere, wenn frühere Vollstrekkungsversuche fruchtlos verlaufen sind und keine Hinweise auf Änderungen in den Vermögensverhältnissen des Schuldners bestehen (Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rdn. 7; Schuschke, aaO, § 788 Rdn. 7; Stein/Jonas/ Münzberg, aaO, § 788 Rdn. 26; Zöller/Stöber, aaO, § 788 Rdn. 9a; jeweils m.w.N.).

a) Gemessen daran sind die von den Gläubigern geleisteten Vorschüsse nicht nach § 788 Abs. 2 ZPO festsetzungsfähig. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war den Gläubigern, als sie den Antrag auf Zwangsverwaltung stellten, bekannt, daß der Schuldner über kein Vermögen mit Ausnahme der von ihm bewohnten Wohnung verfügte und deren Vermietung nicht in Betracht kam. Damit war die Zwangsverwaltung von Anfang an nicht geeignet, zur Befriedigung der titulierten Forderung zu führen (Armbrüster WE 1999, 14, 19). Im Hinblick auf die Vorschußzahlungen der Gläubiger tritt hinzu, daß die erste Zahlung erbracht worden ist, nachdem ein anderweitiger Vollstreckungsversuch fruchtlos verlaufen war und die Gläubiger erfahren hatten, daß der Schuldner von Sozialhilfe lebt.

b) Entsprechendes gilt, soweit die Gläubiger die Festsetzung der gerichtlichen Kosten des Zwangsverwaltungsverfahrens gegen den Schuldner beantragen. Dieses Verfahren war von Anfang an offensichtlich nicht geeignet, zur Befriedigung der Gläubiger zu führen. Soweit der Zwangsverwalter später aufgrund der Größe der Wohnung angenommen hat, daß einzelne Räume für den Hausstand des Schuldners entbehrlich seien (§ 149 Abs. 1 ZVG) und der
Schuldner für die Nutzung dieser Räume Entgelt zu leisten habe, war ausgeschlossen , daß der Schuldner einem Zahlungsverlangen nachkommen würde. Die Annahme, ein Wohnungseigentümer, der monatlich 774,27 DM Wohngeld nicht zahlen kann, sei bereit und in der Lage, monatlich 1.400 DM als Entgelt für die Nutzung eines Teils seiner Wohnung an einen Zwangsverwalter zu bezahlen , ist durch nichts gerechtfertigt. Die Gläubiger berufen sich selbst auf einen Erfahrungssatz, nach welchem "die Nichtzahlung der laufenden Hausgelder damit einher (gehe), daß der Schuldner generell zahlungsunfähig" sei. Für die Möglichkeit, einzelne Räume zu vermieten, ist nichts ersichtlich. Derartiges haben die Gläubiger auch nicht behauptet.

III.


Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein
Zoll Stresemann

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.