Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 07. Feb. 2018 - 12 B 53/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2018:0207.12B53.17.00
bei uns veröffentlicht am07.02.2018

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 13.244,58 € festgesetzt.

Gründe

1

Der – sinngemäße – Antrag des Antragstellers,

2

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den Dienstposten im Polizeivollzugsdienst, Laufbahngruppe 2, Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei, Sportbildungszentrum - Leitung, Dienstposten der Kategorie C, mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über seine - des Antragstellers – Bewerbung bestandskräftig entschieden ist,

3

hat keinen Erfolg.

4

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht, auch schon vor Klagerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Grund der Anordnung und der zu sichernde Anspruch sind glaubhaft zu machen.

5

Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung, nicht glaubhaft gemacht. Er hat nicht dargelegt, dass er der begehrten vorläufigen gerichtlichen Entscheidung bedarf, weil es für ihn unzumutbar ist, den Ausgang des Widerspruchsverfahrens und eines gegebenenfalls nachfolgenden Klagverfahrens abzuwarten, in dem er die Neubescheidung seiner Bewerbung um den Dienstposten des Leiters des Sportbildungszentrums der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei erreichen will. Die Übertragung des Dienstpostens auf den Beigeladenen erschwert die Verwirklichung des Bewerbungsverfahrensanspruches des Antragstellers nicht. Zwar dürfte ihm ein solcher Anspruch zur Seite stehen, obwohl mit der Übertragung des in Rede stehenden Dienstpostens weder für ihn noch für den Beigeladenen eine statusrechtliche Veränderung (unmittelbar) einherginge. Wenn mit einer Stellenbesetzung kein beruflicher Aufstieg von Bewerbern aus niedrigen Besoldungsgruppen, d. h. keine Statusänderung verbunden ist, hat der Dienstherr grundsätzlich diese Maßnahme nicht an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG auszurichten. Anders ist es jedoch dann, wenn sich der Dienstherr – wie hier – entscheidet, bei der konkreten Stellenbesetzung Beförderungs- und Versetzungsbewerber gleich zu behandeln und die Stelle auszuschreiben. In diesem Falle legt er sich auch gegenüber den Versetzungsbewerbern auf die Grundsätze der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG fest.

6

Der Antragsgegner hat die hier in Rede stehende Stelle ausgeschrieben und sich bei der Ausschreibung dahingehend gebunden, dass bei der Auswahlentscheidung die Auswahl für die Übertragung des Dienstpostens unter Berücksichtigung des in der Ausschreibung festgelegten Anforderungsprofils nach den Grundsätzen der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung erfolgen soll.

7

Auch wenn sich der Antragsteller danach grundsätzlich auf den Bewerbungsverfahrensanspruch berufen kann, ist es ihm zuzumuten, sein Begehren im Hauptsacheverfahren (Widerspruchs- und ggf. nachfolgendes Klagverfahren) zu verfolgen. Eine Beförderung des Beigeladenen in ein höheres Statusamt, die in einem etwaigen Hauptsacheverfahren wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität nicht wieder rückgängig gemacht werden könnte und die daher zur Sicherung des sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruchs des unterlegenen Konkurrenten grundsätzlich einen Anordnungsgrund begründet, steht – wie oben bereits erwähnt - hier nicht im Raum. Vielmehr geht es allein um die Vergabe eines Amtes im konkret funktionellen Sinne, d. h. eines Dienstpostens. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Übertragung des Dienstpostens auf den Beigeladenen als eine Vorwegnahme einer Beförderung darstellt; der Beigeladene hat bereits das Statusamt nach Besoldungsgruppe A 12 inne.

8

Ein Anordnungsgrund folgt des Weiteren auch nicht aus der Erwägung, dass der Beigeladene auf dem Dienstposten einen für eine spätere Beförderung relevanten Erfahrungs- oder Bewährungsvorsprung erlangen könnte. Zum einen hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller wegen seiner Eigenschaft als ständiger Vertreter des Inhabers des in Rede stehenden Dienstpostens selbst über einschlägige Erfahrungen verfügt. Zum anderen geht die Kammer mit der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 10.05.2016 – 2 VR 2/15 – Juris) davon aus, dass der Dienstherr die höherwertige Aufgabenwahrnehmung im Falle einer später als rechtswidrig festgestellten Dienstposteninhaberschaft im Wege einer „fiktiven Fortschreibung“ der dienstlichen Beurteilung „ausblenden“ muss. Daher besteht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die darauf gerichtet ist, während eines Konkurrentenstreitverfahrens bereits die Übertragung des entsprechenden Dienstpostens zu verhindern, kein Anordnungsgrund (ebenso: VGH Mannheim, Beschluss vom 27.07.2016 - 4S 1083/16; – OVG Saarlouis, Beschluss vom 09.09.2016 – 1 B 6/16 -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 02.08.2016 – 1 M 94/16 – VGH München, Beschlüsse vom 09.11.2016 – 13 CE 16.1820 – und vom 09.01. 2017 – 6 CE 16.2310 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.01.2017 – OVG 4 S 40.16 – alle Juris; OVG Schleswig, Beschluss vom 13.08.2007 – 3 MB 28/07 – Beschlüsse der Kammer vom 19.03.2009 – 12 B 4/09 – und vom 07.07.2009 12 B 46/09, OVG Münster, Beschluss vom 28.07.2010 – 1 B 345/10 – Juris; vgl. ausführlich Kenntner, ZBR, 181 ff., zustimmend Bracher, DVBl. 2016, 1236; abweichend jetzt OVG Münster, Beschlüsse vom 21.06.2016 – 1 B 201/16 – und vom 12.07.2016 – 6 B 487/16 – ; OVG Koblenz, Beschluss vom 05.05.2017 – 2 B 10279/17 - Juris).

9

Die Kammer teilt insbesondere nicht die Auffassung des OVG Münster, Beschlüsse vom 21.06. und 12.07.2016 a.a.O.), dass das vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung herangezogene Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung der Beurteilung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht das Entstehen eines Bewährungs- und Erfahrungsvorsprunges des Konkurrenten auf dem Dienstposten ausschließen könne, weil hiermit eine Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen Fragen aufwerfe, die einer weiteren Vertiefung bedürften. Welche Fragen dies im Einzelnen sein sollen, hat das OVG Münster nicht benannt. Nach Auffassung der Kammer wird im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.05.2016 a.a.O. im Einzelnen dargelegt, wie eine fiktive Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung bzw. eine fiktive Ausblendung der aus der Höherwertigkeit des Dienstposten folgenden Tätigkeit erfolgen kann, nämlich indem an die fiktive Fortschreibung der Praxis zu freigestellten Mitgliedern von Personalvertretungen angeknüpft wird ( vgl. VG Weimar, Beschluss vom 25.11.2016 – 1 E 926/16 We – Juris).

10

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3.

11

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 62 Abs. 6 S. 1 Nr. 2, 53 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.


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Gründe I 1 Die Antragstellerin wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Abbruch

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Abbruch eines Auswahlverfahrens für die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens.

2

Die Antragstellerin ist Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15 BBesO) im Dienst der Antragsgegnerin im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND). Sie bewarb sich im Juni 2012 erfolglos um einen mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewerteten Dienstposten. Weil das Anforderungsprofil in der Ausschreibung unzulässig eingeengt worden war, untersagte auf den Antrag der Antragstellerin hin der Senat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - (BVerwGE 147, 20) im Wege der einstweiligen Anordnung, den Dienstposten mit dem damals Beigeladenen G. zu besetzen. Die Antragsgegnerin brach das Auswahlverfahren daraufhin ab und schrieb den Dienstposten im November 2013 erneut aus.

3

Im erneuten Auswahlverfahren ist die Antragstellerin als bestgeeignete Kandidatin durch den Präsidenten des BND ausgewählt und die Zustimmung des Bundeskanzleramts erteilt worden. Zu der für den 1. Februar 2015 geplanten Dienstpostenvergabe kam es jedoch nicht, weil drei im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber Widerspruch gegen die ihnen mitgeteilte Auswahl der Antragstellerin erhoben hatten. Mit Schreiben vom 6. August 2015 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die zu ihren Gunsten erfolgte Auswahlentscheidung aufgehoben und das Auswahlverfahren aus rechtlichen Gründen abgebrochen worden sei. Für einen Mitbewerber habe eine hinreichend aktuelle Beurteilung nicht mehr vorgelegen. Es werde daher eine erneute förderliche Ausschreibung des Dienstpostens erfolgen. Im gerichtlichen Verfahren trug die Antragsgegnerin hierzu ergänzend vor: Da der Mitbewerber L. die Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens seit September 2014 kommissarisch übernommen habe, könne für die Auswahlentscheidung nicht mehr auf die zum Stichtag 1. April 2013 datierende Regelbeurteilung zurückgegriffen werden. Über den am 25. August 2015 erhobenen Widerspruch der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.

4

Zur Begründung ihres am 1. September 2015 gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung führt die Antragstellerin aus, ein sachlicher Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens liege nicht vor. Die dem Mitbewerber zum Beurteilungsstichtag 1. April 2013 erteilte Regelbeurteilung sei noch aktuell. Die Annahme einer zeitlichen Verwertbarkeitsgrenze der Regelbeurteilung widerspreche dem im Bundesbeamtengesetz vorgesehenen System der periodischen Beurteilung. Im Übrigen falle der Zeitraum der kommissarischen Vakanzvertretung jedenfalls nicht ins Gewicht, weil der Bewerber diese Aufgaben bis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Januar 2015 noch keine fünf Monate verrichtet habe. Insbesondere aber könne die kommissarische Vakanzvertretung des streitgegenständlichen Dienstpostens im Rahmen des Auswahlverfahrens nicht berücksichtigt werden. Eine Übertragung des ausgeschriebenen Dienstpostens auf einen der Bewerber während des laufenden Auswahlverfahrens verletze den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der anderen Bewerber unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Bewährungsvorsprungs.

5

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das durch Mitteilung vom 6. August 2015 abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren (Kennziffer ... / Dienstposten ...) fortzusetzen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

7

Sie ist der Auffassung, das Auswahlverfahren rechtmäßig abgebrochen zu haben. Durch den Abbruch sei der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin erloschen. Der Mitbewerber L. habe ab September 2014 den streitgegenständlichen Dienstposten kommissarisch übernommen. Dadurch habe sich sein Aufgabenbereich funktional wesentlich verändert, so dass seine auf den Stichtag 1. April 2013 datierende Regelbeurteilung zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung - im Januar 2015 - nicht mehr aktuell im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei. Der darin liegende rechtliche Mangel rechtfertige es, das Auswahlverfahren abzubrechen.

8

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Senatsakten sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II

9

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass durch den Abbruch des Auswahlverfahrens für den ausgeschriebenen Dienstposten die Verwirklichung eigener Rechte vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.

11

Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen.

12

Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Das Begehren auf zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens kann durch eine Hauptsacheklage nicht erreicht werden. Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ergibt sich aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens selbst, das auf eine sofortige Verpflichtung des Dienstherrn gerichtet ist und deshalb bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 22).

13

Der Obliegenheit zur zeitnahen Rechtsverfolgung binnen der Frist von einem Monat nach Zugang der Abbruchmitteilung (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 24) ist die Antragstellerin nachgekommen. Mitgeteilt worden ist ihr der Abbruch des Auswahlverfahrens unter dem 6. August 2015; ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung datiert auf den 1. September 2015.

14

2. Der Antragstellerin steht auch ein Anordnungsanspruch zu, weil die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Auswahlverfahren abzubrechen, ihren Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Für die Abbruchentscheidung fehlt es an einem hinreichenden sachlichen Grund.

15

a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 Satz 1 BBG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Belange, die nicht im Grundsatz der Bestenauswahl verankert sind, dürfen bei der Vergabe öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten sind nach § 21 Satz 1 BBG regelmäßig zu beurteilen. Dem gesetzlichen Regelungssystem in § 21 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG liegt die Vorstellung zugrunde, dass die dienstliche Beurteilung an den Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu orientieren ist, damit sie die Grundlage für nachfolgende Auswahlentscheidungen darstellen kann (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - ZBR 2016, 134 Rn. 31). Die dienstlichen Beurteilungen sollen darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Anderen Kriterien darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand leistungsbezogener Kriterien kein Vorsprung eines der Bewerber ergibt (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 20).

16

Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Auswahlgrundsätze und der hierauf bezogene Bewerbungsverfahrensanspruch sind auf eine Auswahlentscheidung bezogen. Entfällt diese, weil das ausgeschriebene Amt so nicht mehr vergeben werden soll, gehen auch die hierauf bezogenen Bewerbungsverfahrensansprüche unter. Ein Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens kann auch durch einen Abbruch beendet werden, wenn der Dienstherr die Stelle zwar weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Wirksam ist diese Entscheidung indes nur, wenn sie rechtmäßig ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 u.a. - BVerfGK 5, 205 <214 f.>; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 17). Prüfungsmaßstab hierfür ist Art. 33 Abs. 2 GG. Der Abbruch betrifft nicht die der Organisationsgewalt des Dienstherrn vorbehaltene Entscheidung darüber, ob und welche Ämter er schaffen und wie er seine Dienstposten zuschneiden will (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012- 2 C 11.11 - BVerwGE 145, 237 Rn. 20). Die Stelle soll vielmehr unverändert bestehen bleiben und auch vergeben werden. Die Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen und die Stelle erneut auszuschreiben, bezieht sich allein auf die Vergabe des Amtes.

17

Auch die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens hat den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - NVwZ 2012, 366 Rn. 22). Verfahrensrechtliche Anforderungen oder Maßnahmen können wesentliche Weichen stellen, die den materiellen Gehalt der nachfolgenden Auswahlentscheidung beeinflussen oder vorherbestimmen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/07 - BVerfGK 12, 265 <270 f.>). Durch die mit einem Abbruch verbundene Veränderung des zeitlichen Bezugspunkts der Auswahlentscheidung etwa kann der Bewerberkreis verändert und ggf. auch gesteuert werden (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 18).

18

Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedarf daher eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 2007 - 2 BvR 2494/06 - BVerfGK 10, 355 <358>). Der Dienstherr kann das Auswahlverfahren abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012- 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 17). Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf nicht erfolgen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 u.a. - BVerfGK 5, 205 <216> und vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - NVwZ 2012, 366 Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 19).

19

Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt darüber hinaus voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird (BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 27 f. und vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 19 f.).

20

Die von der Antragsgegnerin erlassenen Bestimmungen über die Beurteilung der Beamtinnen, Beamten und Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes vom 1. Juli 2009 in der geltenden Fassung vom 27. Dezember 2011 enthalten keine weitergehenden Regelungen zu Form und Verfahren des Abbruchs eines Auswahlverfahrens.

21

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Abbruch des Auswahlverfahrens im vorliegenden Fall rechtswidrig. Ein sachlicher Grund für den Abbruch liegt nicht vor. Insbesondere fehlte es nicht an aktuellen dienstlichen Beurteilungen.

22

Zutreffend geht die Antragsgegnerin zwar davon aus, dass der von Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 Satz 1 BBG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden muss (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 15 m.w.N.). Erfolgt die Auswahlentscheidung auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen, darf das Ende des letzten Beurteilungszeitraums bei Bundesbeamten zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG höchstens drei Jahre zurückliegen. Damit hat der Gesetzgeber eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt, derzufolge eine Auswahlentscheidung auf eine dienstliche Beurteilung gestützt werden darf, die zum Zeitpunkt der Auswahl nicht älter als drei Jahre alt ist. Dem entspricht der von der Antragsgegnerin in ihren Beurteilungsbestimmungen unter Ziffer 2.2. festgelegte Rhythmus eines jeweils nahtlos an die vorangegangene Regelbeurteilung anschließenden dreijährigen Beurteilungszeitraums.

23

Der Senat hat darüber hinausgehend entschieden, dass ein Zeitablauf von rund eineinhalb Jahren zu lang ist, wenn der Bewerber nach dem Beurteilungsstichtag wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen hat (BVerwG, Urteile vom 11. Februar 2009 - 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44 Rn. 20 und vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 23). In einem solchen Fall muss eine Anlassbeurteilung erstellt werden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin erfordert die Übertragung der Aufgaben aus dem streitgegenständlichen Dienstposten an den Mitbewerber L. indes nicht die Erstellung einer neuen dienstlichen Beurteilung. Denn dessen ohne vorangegangenes Auswahlverfahren erlangter Bewährungsvorsprung auf dem höherwertigen Dienstposten kann im Auswahlverfahren für diesen Dienstposten ohnehin nicht berücksichtigt werden.

24

Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG ist auf ein konkretes Verfahren zur Vergabe eines bestimmten öffentlichen Amtes bezogen. Die Bewerber um dieses Amt stehen in einem Wettbewerb, dessen Regeln durch den Grundsatz der Bestenauswahl vorgegeben sind. Die Ansprüche der Bewerber stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind aufeinander bezogen. Jede Benachteiligung oder Bevorzugung eines Bewerbers wirkt sich auch auf die Erfolgsaussichten der Mitbewerber aus (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 23).

25

Die ohne vorangegangenes Auswahlverfahren - oder sogar entgegen der nach Leistungsgesichtspunkten veranlassten Auswahl - erfolgte Übertragung der Aufgaben aus dem höherwertigen Dienstposten an den Mitbewerber L. kann wegen der darin liegenden, mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbaren Bevorzugung nicht zu Lasten der Antragstellerin berücksichtigt werden. In Konkurrenzsituationen kommt dem Gebot der Chancengleichheit entscheidende Bedeutung zu. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerber verpflichtet den Dienstherrn während eines laufenden Bewerbungsverfahrens nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren. Der Dienstherr muss sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern verhalten. Dies schließt es aus, dass er Maßnahmen ergreift, die bei objektiver Betrachtung, d.h. aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters, als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Bewerbers erscheinen. Er darf nicht bestimmten Bewerbern Vorteile verschaffen, die andere nicht haben (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 25).

26

Die "kommissarische" Übertragung des streitgegenständlichen Dienstpostens an einen Mitbewerber im laufenden Auswahlverfahren stellt eine Maßnahme dar, die geeignet ist, diesem Vorteile zu verschaffen. Durch eine derartige - ohne vorangegangenes und den Maßgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren erfolgte - Übertragung höherwertiger Aufgaben erhält ein Bewerber eine Bewährungschance, die andere Bewerber nicht haben. Der hieraus resultierende Vorsprung darf im Auswahlverfahren nicht zu Lasten der Antragstellerin herangezogen werden (vgl. hierzu bereits BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 23. Juni 2005 - 2 BvR 221/05 - ZBR 2006, 165 Rn. 19 ff. und vom 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 u.a. - BVerfGK 12, 284 Rn. 8; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <375>).

27

Unbeschadet des Umstands, dass der Beamte auch für die tatsächlich erbrachte Leistung auf einem rechtswidrig erlangten Dienstposten eine dienstliche Beurteilung erhalten muss (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 2 B 7.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 61 Rn. 18), dürfen die dort gezeigten Leistungen dem rechtswidrig übergangenen Beamten - dem die Chance auf eine entsprechende Bewährung vorenthalten worden ist - nicht entgegengehalten werden. Soweit der Senat im Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - (BVerwGE 138, 102 Rn. 60 a.E.) - dort zu einer anders gelagerten Fallkonstellation - Gegenteiliges geäußert hat, hält er daran nicht mehr fest.

28

Das Anliegen, eine dienstliche Beurteilung für die vom Mitbewerber L. auf dem streitgegenständlichen Dienstposten erbrachten Leistungen einzuholen, stellt daher keinen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens dar.

29

c) Liegt unabhängig hiervon - etwa im Hinblick auf die Dauer des Rechtsschutzverfahrens - eine hinreichend aktuelle dienstliche Beurteilung für den Mitbewerber L. nicht mehr vor, kann dieser Mangel von der Antragsgegnerin im Wege der "fiktiven Fortschreibung" einer dienstlichen Beurteilung behoben werden.

30

Nach § 33 Abs. 3 BLV ist die letzte regelmäßige dienstliche Beurteilung fiktiv fortzuschreiben, wenn eine verwertbare aktuelle dienstliche Beurteilung nicht erstellt werden kann. Das Rechtsinstitut der "fiktiven Fortschreibung“ von dienstlichen Beurteilungen ist insbesondere für die Beurteilung freigestellter Mitglieder von Personalvertretungen (§ 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BLV) und für elternzeitbedingte Freistellungen (§ 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BLV) vorgeschrieben. Beispielhaft vorgesehene Anwendungsfälle sind darüber hinaus auch Beurlaubungen für eine Verwendung bei nicht dienstherrnfähigen Einrichtungen, wenn die Vergleichbarkeit der dort erhaltenen Beurteilungen nicht gegeben ist (§ 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BLV). Die fiktive Fortschreibung wird in der Praxis des Weiteren in anderen vergleichbaren Konstellationen angewandt, etwa bei Beurlaubungen zum Zwecke der Kinderbetreuung (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 5. Oktober 2012 - 1 B 681/12 - ZBR 2013, 162 Rn. 13). Die Aufzählung in § 33 Abs. 3 Satz 1 BLV ist nicht abschließend (vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur BLV vom 14. Juli 2009, zu § 33, letzter Absatz).

31

Wie bei den ausdrücklich in § 33 Abs. 3 BLV benannten Fällen kann auch bei der rechtswidrigen Dienstposteninhaberschaft eine aktuelle dienstliche Beurteilung, die für die Auswahlentscheidung herangezogen werden könnte, nicht erstellt werden. Im Falle der rechtswidrigen Dienstpostenbesetzung ergibt sich das Fehlen einer verwertbaren aktuellen Beurteilung dabei aus rechtlichen Gründen. Die auf dem höherwertigen Funktionsamt erzielten Leistungen dürfen in einer Auswahlentscheidung gegenüber demjenigen Bewerber, der bei der Dienstpostenbesetzung rechtswidrig übergangen worden ist und dem selbst die Chance einer entsprechenden Bewährung daher in fehlerhafter Weise vorenthalten wurde, nicht in Ansatz gebracht werden. In dieser Konkurrentensituation kann die - tatsächlich erbrachte - aktuelle dienstliche Leistung daher nicht verwertet werden. Wie in den durch § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BLV geregelten Fällen mangelnder Vergleichbarkeit kann die hierfür erstellte Beurteilung nicht herangezogen werden.

32

Die "fiktive" Komponente im Falle einer rechtswidrigen Dienstposteninhaberschaft erfordert dabei nur, dass die aus der Aufgabenwahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten unberücksichtigt bleiben. Die fiktive Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung kann hier daher durch eine (fiktive) Ausblendung der aus der Höherwertigkeit des Dienstpostens folgenden Tätigkeiten erfolgen. Die dienstliche Beurteilung auf dem höherwertigen Dienstposten muss hierfür um einen Abschnitt ergänzt werden, in dem eine hypothetische Beurteilung der erbrachten Leistungen erfolgt, bei der die aus der Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten unberücksichtigt bleiben.

33

Da durch das Ausblenden der höherwertigen Aufgabenwahrnehmung eine Vorwirkung auf künftige Auswahlentscheidungen für die Vergabe von Statusämtern vermieden werden kann, ermöglicht die Verwendung des Rechtsinstituts der fiktiven Fortschreibung auch die Vergabe von Funktionsämtern während des Laufs von beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren und vermeidet damit das in der vorliegenden Fallgestaltung offenkundig werdende Problem einer Stellenblockade. Die Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens bedürfen zur Sicherstellung des öffentlichen Interesses an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung einer ununterbrochenen Wahrnehmung. Die Vergabe des Funktionsamtes selbst unterliegt dabei auch nicht den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG, solange eine Vorwirkung auf die nachfolgende Statusamtsvergabe vermieden wird. Die Antragsgegnerin ist daher zur vorläufigen Besetzung des höherwertigen Dienstpostens befugt. Sie muss die Auswahlentscheidung aber ggf. nachträglich korrigieren, wenn sie sich im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig erweist. Für diese Überprüfung darf nicht auf einen ggf. erzielten Bewährungsvorsprung des Mitbewerbers zurückgegriffen werden, der auf der Höherwertigkeit des übertragenen Dienstpostens beruht. Steht die Vergabe des höherwertigen Aufgabenbereichs im Streit, muss derjenige Teil der aktuellen dienstlichen Beurteilung daher unberücksichtigt bleiben, der die Wahrnehmung spezifisch höherwertiger Aufgaben betrifft.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Gründe

1

1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 22. Juni 2016, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen die beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

2

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Antragsteller für die von ihm begehrte einstweilige Anordnung, soweit sie der Sache nach darauf gerichtet ist, den Dienstposten „Leiter Sachgebiet 4 - Jugendsachen, Betäubungsmittelkriminalität im Revierkriminaldienst des Polizeireviers (...) (BesGr. A 12 BesO)“ vorläufig nicht mit dem ausgewählten Mitbewerber zu besetzen, den nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Denn es ist nicht ersichtlich, dass - wie gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlich - ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung die Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Durch die Besetzung des in Rede stehenden Dienstpostens mit dem Mitbewerber droht dem Antragsteller entgegen seiner Rechtsauffassung keine erhebliche, später nicht mehr zu beseitigende Beeinträchtigung seines aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden Bewerbungsverfahrensanspruchs.

3

Im Hinblick auf die (bloße) Übertragung des von der Antragsgegnerin unterschiedslos sowohl für Beförderungsbewerber als auch für Um-/Versetzungsbewerber ausgeschriebenen Dienstpostens steht dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren vielmehr effektiver nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung. Ergibt nämlich die gerichtliche Überprüfung der der Besetzung des Dienstpostens zugrunde liegenden behördlichen Auswahlentscheidung im Hauptsacheverfahren, dass diese fehlerhaft ergangen ist, folgt daraus ohne Weiteres die Zulässigkeit der jederzeitigen Fehlerkorrektur, sei es durch Rückumsetzung bzw. -versetzung oder durch Zuteilung anderer Aufgaben (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 17. Februar 2006 - 1 M 24/06 -, juris Rn. 6, und vom 25. August 2008 - 1 M 103/08 -, BA S. 4; BayVGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2015 - 3 CE 14.2693 -, juris Rn. 14, und vom 29. September 2015 - 3 CE 15.1604 -, juris Rn. 18). Im Fall einer erneut zu treffenden Auswahlentscheidung muss der Antragsteller nicht befürchten, dass zugunsten des Mitbewerbers ein auf dem Dienstposten gesammelter Erfahrungs- bzw. Bewährungsvorsprung berücksichtigt wird. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Berücksichtigung bereits deswegen unzulässig wäre, weil die - wie hier - an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen darf, sondern auf das angestrebte Statusamt bezogen sein muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, juris Rn. 28 ff.; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 14. April 2014 - 7 S 19.14 -, juris Rn. 6 f.; HessVGH, Beschluss vom 21. Juli 2015 - 1 B 460/15 -, juris Rn. 29). Denn nach der jüngsten beamtenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen im Fall der rechtswidrigen Dienstpostenbesetzung die auf dem höherwertigen Funktionsamt erzielten Leistungen in einer Auswahlentscheidung gegenüber demjenigen Bewerber, der bei der Dienstpostenbesetzung rechtswidrig übergangen worden ist und dem selbst die Chance einer entsprechenden Bewährung daher in fehlerhafter Weise vorenthalten wurde, nicht in Ansatz gebracht werden, sondern ist eine (fiktive) Ausblendung der aus der Höherwertigkeit des Dienstpostens folgenden Tätigkeiten im Rahmen einer fiktiven Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung geboten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 -, juris Rn. 31 f.; auf gleicher Linie unter Hinweis auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn schon OVG LSA, Beschluss vom 25. August 2008, a. a. O. S. 5 m. w. N.; zurückhaltend OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Juni 2016 - 1 B 201/16 -, juris Rn. 45 ff., und vom 12. Juli 2016 - 6 B 487/16 -, juris Rn. 18). Auf den Nachteil der Entstehung eines beachtlichen Erfahrungs- bzw. Bewährungsvorsprungs kann ein Anordnungsgrund in Konstellationen der vorliegenden Art demnach nicht (mehr) gestützt werden. Im Übrigen waren allerdings auch nach früherer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund bei reiner Dienstpostenkonkurrenz nur dann anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt auf dem strittigen Dienstposten und der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von (deutlich) mehr als sechs Monaten lag (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Mai 2009 - 2 VR 1.09 -, juris Rn. 4, vom 29. April 2010 - 1 WDS-VR 2.10 -, juris Rn. 21, vom 27. September 2011 - 2 VR 3.11 -, juris Rn. 17, vom 19. Dezember 2011 - 1 WDS-VR 5.11 -, juris Rn. 30, vom 12. April 2013 - 1 WDS-VR 1.13 -, juris Rn., vom 3. Februar 2015 - 1 WDS-VR 2.14 -, juris Rn., und vom 17. Juni 2015 - 1 WDS-VR 2.15 -, juris Rn. 19; s. auch OVG LSA, Beschlüsse vom 4. November 2013 - 1 M 118/13 -, juris Rn. 3, und vom 4. Februar 2016 - 1 M 10/16 -, BA S. 3). Auch diese zeitliche Voraussetzung für das Bestehen eines Anordnungsgrunds wäre vorliegend nach Aktenlage nicht erfüllt (vgl. die Mitteilungen der Antragsgegnerin zur „Freihaltung“ des Dienstpostens während des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, GA Bl. 17, 89).

4

Eine Verweisung des Antragstellers auf den Rechtsschutz in der Hauptsache ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil mit der Dienstpostenbesetzung Beförderungschancen zwischen den beiden konkurrierenden Polizeibeamten im Sinne einer Vorauswahl verteilt würden. Durch eine (etwaige) Verbesserung der Beförderungschancen des ausgewählten Mitbewerbers aufgrund der durch die Übertragung des Dienstpostens ermöglichten Absolvierung der Erprobungszeit (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA) wird der Bewerbungsverfahrensanspruch desjenigen, der - wie der Antragsteller - bereits das dem Dienstposten entsprechende statusrechtliche Amt bekleidet, nicht berührt. Der Bewerbungsverfahrensanspruch vermittelt jedem Bewerber um ein öffentliches Amt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013, a. a. O. Rn. 20). Außerhalb einer konkreten Beförderungskonkurrenz und jenseits des Vorfelds einer derartigen Konkurrenzsituation schützt Art. 33 Abs. 2 GG einen Beamten aber nicht davor, dass durch ein Auswahlverfahren ein anderer Beamter in dasselbe Statusamt befördert wird, das er selbst innehat, und damit in Zukunft als Mitbewerber um ein Beförderungsamt in Betracht kommen kann. Dementsprechend ist für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, soweit es im Widerspruch zur sachgerechten Antragsauslegung des Verwaltungsgerichts (auch) darauf abzielen sollte, im Wege der einstweiligen Anordnung die Beförderung des Mitbewerbers und dessen Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 LBesO zu verhindern, weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch erkennbar.

5

Ob die Beschwerde durch ihre lediglich allgemeine Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen zu der vom Verwaltungsgericht offen gelassenen Frage der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nachgekommen ist (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 25. Juli 2014 - 13 ME 97/14 -, juris Rn. 4 m. w. N.), kann nach dem Vorstehenden auf sich beruhen.

6

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

7

3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus den §§ 40, 47, 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ-Beilage 2013, 57). Bei reiner Dienstpostenkonkurrenz bemisst der Senat den Streitwert des Eilverfahrens mit der Hälfte des Auffangwerts (OVG LSA, Beschlüsse vom 17. Februar 2006, a. a. O. Rn. 13, und vom 25. August 2008, a. a. O. S. 6).

8

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Dienstposten „Abteilungsleiterin V/Abteilungsleiter V – Personalführung Zivilpersonal –“ bei dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in L.    mit dem Beigeladenen oder einer anderen Person zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entschieden worden ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, welche dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 27.502,86 Euro festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Dezember 2016 und des Senats vom 3. März 2016 – 2 B 11163/15.OVG – wird der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Abänderungsverfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.400,42 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller möchte, dass eine im Streit stehende Funktionsstelle als stellvertretender Fachgruppenleiter im Vermessungs- und Katasteramt mit Aufstiegsmöglichkeit nach der Besoldungsgruppe A 9+Z des Landesbesoldungsgesetzes - LBesG - bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache freigehalten wird.

2

Der Antragsgegner und Änderungsantragsteller (im Folgenden: Antragsgegner, vgl. zur Parteienbezeichnung im Abänderungsverfahren OVG RP, Beschluss vom 27. Juni 2016 - 8 B 10519/16.OVG -) schrieb die Funktionsstelle am 29. Juni 2015 aus. Hierauf bewarben sich unter anderem der Antragsteller und Änderungsantragsgegner (im Folgenden: Antragsteller) sowie der Beigeladene. Auf der Grundlage der dienstlichen Regelbeurteilungen 2013, die sich wegen einer Neufassung der maßgeblichen Beurteilungsvorschrift jeweils auf den Beurteilungszeitraum vom 1. September 2003 bis 31. August 2013 bezogen, wurde der Beigeladene ausgewählt und dieses Ergebnis dem Antragsteller mit Negativmitteilung vom 24. September 2015 bekannt gegeben. Dieser erhob Widerspruch und beantragte die Erstellung einer aktuellen Anlassbeurteilung, da er seit dem 16. April 2013 aufgrund eines internen Auswahlverfahrens nach Leistungsgesichtspunkten mit der stellvertretenden Wahrnehmung der Funktionsstelle betraut gewesen sei. Der Antragsgegner trat diesem Anliegen entgegen. Der Antragsteller sei lediglich als kommissarischer Abwesenheitsvertreter eingesetzt worden, so dass keine wesentliche Änderung seines Aufgabenbereichs vorliege. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde von dem Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Dezember 2015 - 1 L 933/15.NW - abgelehnt. Nachdem der Antragsteller erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragen hatte, einer seiner ehemaligen Vorgesetzten sei entgegen der Mitteilung des Antragsgegners nicht ordnungsgemäß am Beurteilungsverfahren beteiligt gewesen und der Vorgesetzte dies bestätigte, verpflichtete der Senat den Antragsgegner mit Beschluss vom 3. März 2016 - 2 B 11163/15.OVG -, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die streitgegenständliche Stelle frei zu halten.

3

Im Folgenden setzte der Antragsgegner das Widerspruchsverfahren fort. Er schloss mit dem Antragsteller am 28. Juni 2016 einen Vergleich ab, wonach eine neue Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum September 2003 bis August 2013 erstellt, die Negativmitteilung vom 24. September 2015 aufgehoben und erneut über die Bewerbung des Antragstellers entschieden werden sollte. Daraufhin nahm der Antragsteller seinen Widerspruch zurück.

4

Die Neuerstellung der Regelbeurteilung erfolgte durch den aktuellen Abteilungsleiter des Antragstellers, Vermessungsrat A., nachdem der vormalige Abteilungsleiter in die Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell eingetreten war. Als Zweitbeurteiler wurde wie zuvor der Behördenleiter, Ltd. Vermessungsdirektor B., tätig. Die Beurteilung vom 26. August 2016 enthielt dieselben Einzelbewertungen wie zuvor und führte erneut zu einer Gesamtbewertung der Leistungen mit II/11. Auf dieser Grundlage traf der Antragsgegner unter dem 12. September 2016 eine neue Auswahlentscheidung, mit der wiederum der Beigeladene für die Funktionsstelle ausgewählt wurde. Dies wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. September 2016 mitgeteilt. Ein hiergegen eingeleitetes gerichtliches Eilverfahren - 1 L 907/16.NW - wurde nach Hinweisen des Verwaltungsgerichts auf die zweifelhafte Zulässigkeit von den Beteiligten inzwischen für erledigt erklärt. Stattdessen hat der Antragsgegner einen Antrag auf Änderung des Beschlusses des Senats vom 3. März 2016 entsprechend § 80 Abs. 7 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gestellt.

5

Zur Begründung hat der Antragsgegner vorgetragen, es lägen veränderte Umstände vor, da durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mittlerweile der Anordnungsgrund entfallen sei. Die vorläufige Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens sei nunmehr zulässig, weil der dadurch erlangte Bewährungsvorsprung in einem späteren Auswahlverfahren ausgeblendet werden müsse. Außerdem sei vorliegend auch der Anordnungsanspruch entfallen, weil nunmehr eine rechtmäßige Regelbeurteilung 2013 bestehe und die Auswahlentscheidung vom 12. September 2016 nicht zu beanstanden sei.

6

Der Antragsgegner hat beantragt,

7

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. März 2016 - 2 B 11163/15.OVG - wegen veränderter Umstände aufzuheben.

8

Der Antragsteller hat beantragt;

9

den Abänderungsantrag zurückzuweisen.

10

Er hat die Auffassung vertreten, die Neubesetzung der Funktionsstelle sei nicht eilbedürftig, da er die Aufgaben wahrnehme. Im Übrigen bestünden auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der neu erstellten dienstlichen Beurteilung, insbesondere an der Unabhängigkeit des Erstbeurteilers.

11

Das Verwaltungsgericht hat den Änderungsantrag mit Beschluss vom 22. Dezember 2016 abgelehnt. Soweit der Antragsgegner unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einem Wegfall des Anordnungsgrundes ausgehe, folge die Kammer dem nicht. Die veränderten Umstände hätten auch den Anordnungsanspruch nicht entfallen lassen, da die Auswahlentscheidung nach wie vor rechtlichen Bedenken unterliege. So sei zweifelhaft, ob die Regelbeurteilungen 2013 zum maßgeblichen Zeitpunkt noch hinreichend aktuell gewesen seien. Zum einen lägen diese Beurteilungen mehr als einen Regelbeurteilungszeitraum zurück, zum anderen existierten zwar nicht zum Zeitpunkt der erneuten Auswahlentscheidung, aber jedenfalls mittlerweile aktuellere Regelbeurteilungen. Zwar erscheine deren Einbeziehung in das laufende Verfahren nicht unbedenklich. Gegebenenfalls müsse in einer solchen Situation aber der vollständige Abbruch des Auswahlverfahrens und eine Neuausschreibung erwogen werden. Sodann sei fraglich, ob die Regelbeurteilung nicht von dem ehemaligen Abteilungsleiter des Antragstellers hätte gefertigt werden müssen, der trotz Eintritts in die passive Phase der Altersteilzeit nach wie vor im aktiven Dienst als Beamter stünde. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, seien die eingeholten Beurteilungsbeiträge zum Teil von den ehemaligen Vorgesetzten nicht namentlich gekennzeichnet und unterschrieben worden, zum Teil fehle die Aufgabenbeschreibung. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, wie der Erstbeurteiler die unterschiedlichen Beurteilungsbeiträge im Einzelnen gewichtet und zueinander ins Verhältnis gesetzt habe.

12

Mit seiner Beschwerde tritt der Antragsgegner dem Beschluss des Verwaltungsgerichts in allen Punkten entgegen.

13

Der Antragsgegner beantragt,

14

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Dezember 2016 den Beschluss des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 3. März 2016 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO analog wegen veränderter Umstände abzuändern.

15

Der Antragsteller beantragt,

16

die Beschwerde zurückzuweisen.

17

Er verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts und bekräftigt nochmals seine Auffassung, nach der die Fachgruppe schon derzeit und unabhängig von einer dauerhaften Besetzung der Funktionsstelle in der Lage sei, das geforderte Aufgabenpensum vollumfänglich wahrzunehmen.

18

Auf die Gerichtsakten 1 L 933/15.NW, 1 L 907/16.NW sowie die vom Antragsgegner vorgelegten Personal- und Verwaltungsakten wird Bezug genommen.

II.

19

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte dem Antrag des Antragsgegners entsprechen müssen. Es ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass nach wie vor ein Anordnungsgrund besteht (1.). Durch die Neuerstellung einer Regelbeurteilung ist aber der Anordnungsanspruch des Antragstellers entfallen (2.).

20

1. Mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass der von dem Antragsteller geltend gemachte Anordnungsgrund nicht entfallen ist. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass in Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht, weil ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung sammeln kann, der bei einer nochmaligen Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wäre (OVG RP, Beschluss vom 11. Juni 2014 - 2 B 10430/14 -, IÖD 2014, 175 und juris Rn. 3 ff. m.w.N.; auch im Übrigen bislang ganz überwiegende Ansicht, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 - 2 VR 3.11 -, NVwZ-RR 2012, 71 und juris Rn. 17; Beschluss vom 11. Mai 2009 - 2 VR 1.09 -, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 43 und juris Rn. 2 ff.; VGH BW, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 4 S 2153/13 -, VBlBW 2014, 272 und juris Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 28. September 2015 - 1 B 628/15 -, DÖD 2016, 20 und juris Rn. 26). In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung hierzu geändert. Zwar sei eine kommissarische Übertragung eines Dienstpostens an einen Mitbewerber im laufenden Auswahlverfahren geeignet, diesem einen Vorteil zu verschaffen. Denn durch eine derartige – ohne vorangegangenes und den Maßgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren erfolgte – Übertragung höherwertiger Aufgaben erhalte ein Bewerber eine Bewährungschance, die anderen Bewerbern nicht offenstehe. Um eine andernfalls drohende „Stellenblockade“ während des Gerichtsverfahrens zu vermeiden, hindere dies den Dienstherrn allerdings nicht mehr daran, das umstrittene Funktionsamt noch während des Laufs von beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren zu vergeben. Die auf dem höherwertigen Funktionsamt erzielten Leistungen dürften in einer Auswahlentscheidung nämlich gegenüber demjenigen Bewerber, der bei der Dienstpostenbesetzung rechtswidrig übergangen und dem selbst die Chance einer entsprechenden Bewährung daher in fehlerhafter Weise vorenthalten worden sei, nicht in Ansatz gebracht werden, sondern müssten in Anlehnung an das insbesondere für die Beurteilung von freigestellten Personalratsmitgliedern entwickelte Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung ausgeblendet werden (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 -, BVerwGE 155, 152 und juris Rn. 24 ff.; ebenso nunmehr VGH BW, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 4 S 1083/16 -, NVwZ-RR 2017, 247 und juris Rn. 9; SaarlOVG, Beschluss vom 9. September 2016 - 1 B 60/16 -, juris Rn. 23; BayVGH, Beschluss vom 3. November 2016 - 3 CE 16.1812 -, juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Januar 2017 - 4 S 40.16 -, juris Rn. 6; vgl. zum Hintergrund Kenntner, ZBR 2016, 181 [193 ff.]; zustimmend Bracher, DVBl. 2016, 1236; kritisch Herrmann, NVwZ 2017, 105 und Lorse, ZBR 2017, 11).

21

Dieser Rechtsprechung vermag sich der Senat jedenfalls derzeit nicht anzuschließen. Da sich dienstliche Beurteilungen auf den wahrgenommenen Dienstposten unter Berücksichtigung der sich aus dem abstrakt-funktionellen Amt ergebenden Anforderungen beziehen, entspricht es nach Auffassung des Senats der Forderung des Leistungsprinzips aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz - GG -, Art. 19 Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - und § 9 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG -, auf einem Dienstposten tatsächlich erbrachte Leistungen zur Kenntnis zu nehmen und im Rahmen der dienstlichen Beurteilung auch zu bewerten (so auch noch BVerwG, Beschluss vom 20. November 2009 - 2 VR 4.09 -, juris Rn. 4). Anders als im Fall der Freistellung von Personalratsmitgliedern liegen bei der Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens bewertbare Leistungen auch tatsächlich vor. Das Leistungsprinzip mag zwar vor dem Hintergrund des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interesses an einer funktionsfähigen Verwaltung Einschränkungen erfahren (Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 -, BVerwGE 153, 48 und juris Rn. 15). Das setzt aber voraus, dass die vorläufige Übertrag eines Dienstpostens für die Dauer eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens bei gegebenenfalls nachfolgender Ausblendung bestimmter verrichteter Tätigkeiten geeignet ist, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung besser zu wahren, als die Klärung der Rechtmäßigkeit einer Beförderung im gerichtlichen Eilverfahren. Hieran hegt der Senat angesichts einer Vielzahl offener Fragen Zweifel. So dürfte es sich im jeweiligen Einzelfall als sehr schwierig erweisen, belastbare und rechtlich handhabbare Kriterien für die Ausblendung der „Höherwertigkeit“ einer Tätigkeit zu entwickeln und den Beamten nach jahrelanger Wahrnehmung einer solchen Tätigkeit noch leistungsgerecht zu beurteilen. Die Erfahrung mit der Nachzeichnung von Beurteilungen im Fall freigestellter Personalratsmitglieder hat gezeigt, dass auch diese erhebliche praktische Probleme aufwirft und es dem Dienstherrn oftmals nicht gelingt, den fiktiven Leistungsstand plausibel zu ermitteln und darzulegen. Diese Umsetzungsschwierigkeiten gebieten nach Auffassung des Senats Zurückhaltung bei dem Versuch, das Institut fiktiver Leistungsermittlung noch weiter auszudehnen (ebenso OVG RP, Beschluss vom 16. März 2017 - 10 B 11626/16 -, IÖD 2017, 8 und juris Rn. 6; Lorse, ZBR 2017, 11 [16]).

22

Besondere praktische Probleme wirft nach Ansicht des Senats die Frage der personellen und zeitlichen Reichweite einer Ausblendung auf. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2016 soll die Ausblendung offenbar nur gegenüber demjenigen Bewerber erfolgen, der rechtswidrig übergangen worden ist und dem daher selbst die Chance einer entsprechenden Bewährung in fehlerhafter Weise vorenthalten wurde (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 -, BVerwGE 155, 152 und juris Rn. 31). Dies entspricht dem Bedürfnis, die Wirkung einer Fiktion so weit als möglich zu beschränken. Sind aber bei einer neuen Auswahlentscheidung auch Bewerber zu berücksichtigen, gegenüber denen sich der Inhaber des höherwertigen Dienstpostens auf die erbrachte Leistung berufen kann, etwa weil diese erst später hinzugetreten sind, entsteht eine „relative“ Beurteilungslage, die zu unauflösbaren Konstellationen führen kann. So könnte die auf einem höherwertigen Dienstposten über einen langen Zeitraum tatsächlich gezeigte Leistung des ausgewählten Bewerbers A beispielsweise mit 14 Punkten, unter Ausblendung des Bewährungsvorsprungs aber mit 11 Punkten zu bewerten sein. Wäre der rechtswidrig übergangene Bewerber B mit 12, der neu hinzugetretene Bewerber C mit 13 Punkten zu bewerten, ließe sich wohl keine dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechende Auswahl mehr treffen. Würde A ausgewählt, könnte B erfolgreich eine Verletzung des Leistungsgrundsatzes rügen, da er im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber über das bessere Leistungsgesamturteil verfügt (12 Punkte gegenüber 11 Punkten). Würde B ausgewählt, könnte sich wiederum C auf sein besseres Leistungsgesamturteil berufen (13 Punkte gegenüber 12 Punkten). Fiele die Auswahl hingegen auf C, wäre A in seinem Bewerberverfahrensanspruch verletzt (14 Punkte gegenüber 13 Punkten). Das aufgezeigte Problem ließe sich nur vermeiden, wenn die Ausblendung stets gegenüber allen Bewerbern erfolgte, unabhängig davon, ob sie bei der Auswahlentscheidung um die Dienstpostenübertragung rechtswidrig übergangen worden sind oder nicht (so Bracher, DVBl. 2016, 1236 [1239 f.]). Dann griffe die fiktive Außerachtlassung tatsächlich erbrachter Leistung allerdings auch gegenüber Bewerbern, die diesen Vorteil alleine nicht hätten erreichen können. Abgesehen davon stellt sich die weitere Frage, inwiefern ein erworbener Erfahrungsvorsprung auch für die Bewerbung auf weitere Dienstposten ausgeblendet werden müsste und wo hier die Grenzen zu ziehen sind. Schließlich wird dem Beamten, der den höherwertigen Dienstposten ohne entsprechende Alimentierung übernehmen soll, auch ein nicht unerhebliches, jedenfalls rechtlich schwer zu überblickendes Risiko zugemutet.

23

Vor dem Hintergrund der dargestellten Probleme, aber auch des Umstandes, dass sich die Laufzeit beamtenrechtlicher Konkurrentenstreitigkeiten erheblich verlängern wird, wenn der unterlegene Bewerber auf den Klageweg über drei Instanzen zuzüglich der Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde verwiesen wird, scheint dem Senat die Funktionsfähigkeit der Verwaltung durch die - möglichst zeitnahe - Klärung der Rechtmäßigkeit einer Beförderung oder förderlichen Versetzung im Eilverfahren nach derzeitigem Erkenntnisstand besser gewahrt, so dass das Ausblenden tatsächlich erbrachter Leistungen eines Beamten vor dem Hintergrund des in Art. 33 Abs. 2 GG niedergelegten Leistungsprinzips nicht gerechtfertigt erscheint (im Ergebnis ebenso OVG RP, Beschluss vom 16. März 2017 - 10 B 11626/16 -, IÖD 2017, 98 und juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2016 - 1 B 201/16 -, IÖD 2016, 164 und juris Rn. 47; Beschluss vom 12. Juli 2016 - 6 B 487/16 -, NWVBl. 2016, 499 und juris Rn. 18; OVG Nds., Beschluss vom 3. Januar 2017 - 5 ME 157/16 -, DÖD 2017, 75 und juris Rn. 17).

24

2. Durch die Neuerstellung der Regelbeurteilung ist indes der Anordnungsanspruch des Antragstellers entfallen. Die getroffene Auswahlentscheidung des Beigeladenen hält der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle nunmehr stand. Die inzident angegriffene Regelbeurteilung 2013 des Antragstellers durfte der wiederholten Auswahlentscheidung noch zugrunde gelegt werden (a), wurde vom zuständigen Beurteiler erstellt (b), beruht auf ausreichenden Beurteilungsgrundlagen (c) und leidet nicht unter einer mangelhaften Begründung der Einzelergebnisse oder des Gesamtergebnisses (d). Auch für die vom Antragsteller behauptete Befangenheit des Erstbeurteilers liegen keine Anhaltspunkte vor (e).

25

a) Die nachgeholte Regelbeurteilung mit einem Beurteilungszeitraum vom 1. September 2003 bis zum 31. August 2013 durfte der Auswahlentscheidung vom 12. September 2016 jedenfalls im vorliegenden Fall noch als hinreichend aktuell zugrunde gelegt werden.

26

Wird dem Dienstherrn von einem Verwaltungsgericht die Ernennung des Auswahlsiegers untersagt, weil die Auswahlentscheidung sich als fehlerbehaftet erweist, kann er das Auswahlverfahren abbrechen und anschließend von der Ausschreibung der Stelle an neu durchführen. Er kann aber auch nach pflichtgemäßem Ermessen das vom Verwaltungsgericht als fehlerhaft angesehene Auswahlverfahren ab dem festgestellten Fehler fortsetzen, um den Fehler zu beheben und das Verfahren zeitnah abzuschließen (vgl. nur OVG RP, Beschluss vom 1. Juli 2015 - 2 B 10497/15 -, NVwZ-RR 2015, 862 und juris Rn. 14 m.w.N.). Die im Widerspruchsverfahren zwischen Antragsteller und Antragsgegner getroffene Vereinbarung, die zumindest zweifelhafte Regelbeurteilung 2013 des Antragstellers aufzuheben und neu zu erstellen sowie im Anschluss eine erneute Auswahlentscheidung zu treffen, war mithin nicht zu beanstanden.

27

Zum Zeitpunkt des zwischen Antragsteller und Antragsgegner abgeschlossenen Vergleichs Ende Juni 2016, also zwei Monate vor Ablauf des folgenden Regelbeurteilungszeitraums, bestand auch kein Anlass, an der hinreichenden Aktualität einer neu zu erstellenden Regelbeurteilung 2013 zu zweifeln. Eine erneute Auswahlentscheidung auf die Regelbeurteilung 2013 zu stützen, entsprach zum damaligen Zeitpunkt vielmehr der Vorgabe der maßgeblichen Beurteilungsrichtlinie vom 22. Juli 2013 (MinBl. S. 262 ff.). Diese sieht nämlich vor, dass Beamtinnen und Beamte alle drei Jahre zu einem festgelegten Stichtag regelbeurteilt werden. Anlassbeurteilungen sollen hingegen nur ausnahmsweise erstellt werden, nämlich insbesondere, wenn der Beamte zum letzten Regelbeurteilungstermin nicht beurteilt worden ist oder die Beurteilung aus sonstigen Gründen nicht mehr hinreichend aktuell ist (Ziffer 2.2.1.4 der Beurteilungsrichtlinie). Aus der zur Beurteilungsrichtlinie ergangenen Verwaltungsvorschrift ergibt sich unter Ziffer 6, dass eine fehlende hinreichende Aktualität der Beurteilung vor allem dann vorliegt, wenn eine wesentliche Veränderung des Aufgabengebiets erfolgt ist und die neue Aufgabe über einen Zeitraum von 1,5 Jahren wahrgenommen worden ist. Nach der Beurteilungsrichtlinie soll die Erstellung einer Anlassbeurteilung somit die Ausnahme darstellen. Dies ist unter Leistungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, da einem Regelbeurteilungssystem grundsätzlich höhere Aussagekraft zukommt als einem Anlassbeurteilungssystem (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, NVwZ-RR 2013, 267 und OVG RP, Beschluss vom 2. Juli 2014 - 10 B 10320/14.OVG -, NVWZ-RR 2014, 809).

28

Die neu erstellte Regelbeurteilung durfte der Auswahlentscheidung vom 12. September 2016 auch noch als hinreichend aktuell zugrunde gelegt werden, obwohl das Ende ihres Beurteilungszeitraums zwölf Tage länger zurück lag als drei Jahre. Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass dienstliche Beurteilungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 39.07 -, BVerwGE 133, 1 und juris Rn. 38; VGH BW, NVwZ-RR 2011, 909 und juris Rn. 6; OVG Bremen, NVwZ-RR 2013, 811 [812] und juris Rn. 16; HessVGH NVwZ-RR 2009, 527 [529] und juris Rn. 9; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL 2016, § 123 Rn. 166) hinreichend aktuell sein müssen. Hierzu wird regelmäßig verlangt, dass sie nicht älter als der jeweils vorgesehene Regelbeurteilungszeitraum sein dürfen (vgl. nur OVG RP, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 10 B 10318/07 -, IÖD 2007, 220 und juris Rn. 2 sowie Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2015, Anhang 2 Rn. 49 m.w.N.). Allerdings kennt das rheinland-pfälzische Landesrecht (anders als mittlerweile § 22 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz) insofern keine taggenaue Festlegung. Sie lässt sich auch aus dem in Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 19 LV verfassungsrechtlich niedergelegten Leistungsgrundsatz nicht ableiten. Daher kann jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Dienstherr zum Abschluss eines längst begonnenen Verfahrens geraume Zeit vor dem nächsten Regelbeurteilungsstichtag mit der Neuerstellung einer fehlerbehafteten dienstlichen Regelbeurteilung begonnen hat, das Verstreichen einer Frist von lediglich zwölf Tagen nicht zum Anlass genommen werden, diese als nicht mehr hinreichend aktuell anzusehen. Andernfalls müsste der Dienstherr in Fällen wie dem vorliegenden gegebenenfalls schon Monate vor dem herannahenden Stichtag der nächsten Regelbeurteilung auf eine Wiederholung des Auswahlverfahrens verzichten, um nach Ablauf des Stichtags auf der Grundlage der dann für alle Bewerber neu zu erstellenden Beurteilungen das Verfahren auf eine gänzlich neue Entscheidungsgrundlage stellen. Dies würde nicht nur die Entscheidungsfreiheit des Dienstherrn, Fehler im Auswahlverfahren zu korrigieren, deutlich einschränken, sondern vor allem die Besetzung der Stelle erheblich verzögern.

29

b) Die Neuerstellung der Regelbeurteilung ist auch von dem richtigen Erstbeurteiler, nämlich dem aktuellen Abteilungsleiter des Antragstellers, vorgenommen worden. Das Landesbeamtengesetz und die Laufbahnverordnung enthalten keine Festlegungen dazu, wer für den Dienstherrn die dienstliche Beurteilung erstellt. Mangels normativer Regelung hat der Dienstherr im Rahmen seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit zu bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung der Beamten wahrnimmt (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 2 A 10.13 –, BVerwGE 150, 359 und juris, Rn. 17 f. m.w.N.). Nach Ziffer 4.1 der einschlägigen Beurteilungsrichtlinie ist Erstbeurteiler in der Regel der unmittelbare Vorgesetzte. Bei einem Wechsel in der Person des Vorgesetzten bleibt dieser für die Dauer von sechs Monaten Erstbeurteiler, sofern er im Landesdienst weiterhin tätig ist; andernfalls ist die Beurteilung durch den neuen unmittelbaren Vorgesetzten nach Anhörung des Funktionsvorgängers vorzunehmen.

30

Vorliegend musste der Antragsgegner nicht den ehemaligen Abteilungsleiter des Antragstellers als Erstbeurteiler heranziehen. Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass bei der wiederholten Erstellung einer Beurteilung grundsätzlich der ursprüngliche Beurteiler zuständig bleibt. Vorliegend war dieser Beamte aber nach § 75a Abs. 1 Satz 3 Landesbeamtengesetz - LBG - wegen einer Altersteilzeit im Blockmodell vollständig vom Dienst freigestellt. Es widerspräche Sinn und Zweck einer solchen Freistellung, den Beamten auch für Tätigkeiten, die nicht überraschend und in Gestalt eines Notfalls auftreten, sondern zum Alltagsgeschäft eines Dienstvorgesetzten gehören, heranzuziehen. Das gilt vorliegend umso mehr, als der Beamte bereits seit November 2015 keinen Kontakt mehr zu seiner Dienstelle hatte und die Erstellung der Regelbeurteilung mit einem Beurteilungszeitraum von zehn Jahren und der entsprechenden Zahl an zu beteiligenden ehemaligen Vorgesetzen erheblichen Aufwand verursachte. Der Antragsgegner durfte den ehemaligen Vorgesetzten daher wie einen Beamten behandeln, der nicht mehr im aktiven Dienst ist und daher als Erstbeurteiler ausschied (vgl. zum Ruhestandsbeamten BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 A 10.13 -, BVerwGE 150, 359 und juris Rn. 19 m.w.N.).

31

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Gericht hat in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil lediglich eine Auslegung der maßgeblichen Beurteilungsvorschriften für sachfremd erachtet, die dazu führte, dass ein Abwesenheitsvertreter des in den Ruhestand getretenen Abteilungsleiters als Beurteiler herangezogen wurde, obwohl der aktuelle Abteilungsleiter die Leistung des Beamten sogar aus eigener Anschauung hätten bewerten können. Diese Entscheidung verhält sich indes nicht zu der Frage, ob ein Beamter, der sich bereits seit einiger Zeit in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, noch als Erstbeurteiler herangezogen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - BVerwG 2 A 10.13 -, BVerwGE 150, 359 und juris Rn. 16 ff.).

32

c) Die Regelbeurteilung beruht auch auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage. Kann der Beurteiler die Leistungsbewertung nicht für den gesamten Beurteilungszeitraum auf seine eigene Anschauung stützen, so hat er, um eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für seine Bewertung zu erhalten, Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einzuholen. Als solche kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich die früher für die Beurteilung Zuständigen sowie Personen in Betracht, die die Dienstausübung des Beamten aus eigener Anschauung kennen (siehe nur BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - BVerwG 2 A 10.13 -, BVerwGE 150, 359 und juris Rn. 22 m.w.N.). Beurteilungsbeiträge müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt, d.h. zur Kenntnis genommen und bedacht werden. Sie sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung. Der Beurteiler ist zwar an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung „fortschreibend“ übernehmen müsste, sondern er kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet. Diese Anforderungen stellen sicher, dass Werturteile auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und sich an den von Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien orientieren. Allerdings sind nur Abweichungen nachvollziehbar zu begründen. Übernimmt ein Beurteiler einen Beurteilungsbeitrag, bedarf es - wie das Bundesverwaltungsgericht aktuell nochmals klargestellt hat - insofern keiner Begründung (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - BVerwG 2 A 4.15 -, Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 4 und juris Rn. 27).

33

Inhaltlich müssen Beurteilungsbeiträge die Informationen enthalten, die es dem Beurteiler erlauben, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine oder keine hinreichende aus eigener Anschauung gewonnenen Erkenntnisse besitzt (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - BVerwG 2 A 4.15 -, Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 4 und juris Rn. 29 m.w.N.). Verschärfte Anforderungen an den Inhalt der Beurteilungsbeiträge ergeben sich, wenn der Beurteiler mangels eigener Anschauung von Person und Leistung des Beamten im Beurteilungszeitraum vollständig auf Beurteilungsbeiträge angewiesen ist. Diese müssen dann in Umfang und Tiefe so ausgestaltet sein, dass sie die Erstellung der dienstlichen Beurteilung in der erforderlichen Differenzierung ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - BVerwG 2 A 10.13 -, BVerwGE 150, 359 und juris Rn. 25).

34

Gemessen an diesen Grundsätzen hat sich der Antragsgegner eine ausreichende, weil vollständige Beurteilungsgrundlage verschafft. Der Erstbeurteiler hat sich von allen ehemaligen Vorgesetzten schriftliche Beurteilungsbeiträge vorlegen lassen. Die einzige Ausnahme bildet der im Ruhestand befindliche, 72-jährige ehemalige Vorgesetzte Herr J. Nachdem dieser dem Erstbeurteiler mitgeteilt hatte, sich aus privaten Gründen zur Erstellung eines schriftlichen Beurteilungsbeitrags außerstande zu sehen, ging der Erstbeurteiler anhand des Beurteilungsformulars in einem Telefongespräch alle Einzelmerkmale durch und vermerkte die Angaben. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Die Beurteilungsbeiträge decken auch den gesamten Beurteilungszeitraum lückenlos ab. Sofern das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis 9. März 2011 kein Beurteilungsbeitrag vorliegt, handelt es sich um ein Missverständnis. Es wurden zwei verschiedene, aber namensgleiche ehemalige Vorgesetze des Antragstellers von dem Erstbeurteiler gehört, nämlich Herr H., der bis zum Ablauf seiner Arbeitsphase am 30. November 2016 Leiter der Abteilung 2 war, sowie ein weiterer Herr H., der insbesondere im Zeitraum von August 2009 bis März 2011 Vorgesetzter des Antragstellers war. Letzterer hat ebenfalls einen schriftlichen Beurteilungsbeitrag abgegeben, allerdings nicht durch Ausfüllen des Beurteilungsformulars, sondern durch Aufzeichnung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale in Form einer eigens angefertigten Tabelle (Bl. 55 der Gerichtsakte). Auch dies ist nicht zu beanstanden. Da sich sämtliche Beurteilungsbeiträge inhaltlich zu allen Leistungs- und Befähigungsmerkmalen verhalten, besteht auch kein Zweifel daran, dass die Beiträge nach ihrem Umfang und ihrer Tiefe geeignet waren, eine ausreichend differenzierte Beurteilung zu erstellen.

35

Sofern das Verwaltungsgericht es für bedenklich hält, dass die Beurteilungsbeiträge zum Teil nicht unterschrieben worden sind, die Namen der ehemaligen Vorgesetzten teilweise von einer dritten Person auf dem Beitrag vermerkt worden sind und das Formularfeld für die Aufgabenbeschreibung zum Teil nicht ausgefüllt worden ist, legt es zu hohe formelle Anforderungen an. Welche Anforderungen an die Form und die verfahrensrechtliche Behandlung von Beurteilungsbeiträgen zu stellen sind und wie sich die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG insoweit auswirkt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Grundsatzurteil vom 2. April 1981 (2 C 34.79, BVerwGE 62, 135 und juris) dargelegt. Danach stehen dem Dienstherrn als Erkenntnisquelle unter anderem schriftliche oder mündliche Auskünfte des Dienstvorgesetzten zur Verfügung. Diese Arbeitsunterlagen treten nach ihrem erkennbaren Ziel und Zweck an die Stelle der unmittelbaren Erkenntnisse und Eindrücke von dem Beurteilten bzw. ergänzen diese. Sie haben ihre Aufgaben mit der Abfassung der dienstlichen Beurteilung durch den hierfür zuständigen Beamten erfüllt. Erst die dienstliche Beurteilung ist rechtlich relevant und kann den Beamten oder Richter in seinem Dienstverhältnis betreffen (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 19). Die dienstliche Beurteilung unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung. Tatsachen könnten von den Gerichten auf ihre Richtigkeit (Wahrheit) überprüft werden, Werturteile auf ihre Plausibilität. Gelingt der Nachweis von Tatsachen bzw. eine gebotene Erläuterung und Konkretisierung reiner Werturteile nicht, so trägt der Dienstherr die materielle Beweislast beziehungsweise Darlegungslast. Insofern kann die Form, in der er seine Beurteilungsbeiträge einholt und aufbewahrt, eine entscheidende Rolle spielen (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 23).

36

Vorliegend gibt es aber schon keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilungsbeiträge nicht von den jeweils angegebenen Vorgesetzten stammen. Die Beiträge sind dank der namentlichen Kennzeichnung auch eindeutig zuordenbar. Eine besondere Formvorgabe dahingehen, dass Beurteilungsbeiträge immer unterschrieben werden oder eine Aufgabenbeschreibung enthalten müssen, existiert demgegenüber nicht.

37

d) Im vorliegenden Fall bedurfte es auch keiner gesonderten schriftlichen Begründung der Gewichtung der jeweiligen Beurteilungsbeiträge. Anders als bei Verbalbeurteilungen lässt sich bei Ankreuzbeurteilungen vergleichsweise leicht erkennen, ob der Erstbeurteiler sich mit seiner Beurteilung innerhalb des Rahmens bewegt, der sich aus den Beurteilungsbeiträgen ergibt oder ob er in begründungbedürftiger Weise von diesen abweicht. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Bewertung zwanglos aus den vorgelegten Beurteilungsbeiträgen. Die Bewertung des Gesamtergebnisses mit II/11 liegt schon deshalb sehr nahe, weil nur zwei Beurteilungsbeiträge zu dem Gesamtergebnis II/12 gelangt sind, während drei weitere mit II/11 schließen und derjenigen, der in Tabellenform abgegeben wurde, als „Gesamtbewertung“ 10,3 Punkte ausweist, also keinesfalls ein besseres Ergebnis nahelegt.

38

Auch bei den Einzelmerkmalen hält sich der Erstbeurteiler in dem Rahmen, den die ehemaligen Vorgesetzten gesteckt haben. Eine erhebliche Abweichung von drei Punkten gibt es nur im Fall eines Einzelmerkmales, nämlich der Arbeitsweise, die von einem Beitragenden mit 14 Punkten, von dem Erstbeurteiler aber mit 11 Punkten bewertet worden ist. Schon die Durchsicht der weiteren Beurteilungsbeiträge zeigt aber, dass die Bewertung des Beitragenden in diesem Einzelmerkmal für sich alleine steht, da die übrigen Vorgesetzten für das Merkmal lediglich zwischen 10 und 12 Punkten vergeben haben.

39

Schließlich bedurfte es auch keiner verbalen Begründung der Gesamtbewertung der Leistung. Die Anforderungen an eine Begründung sind umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild ist. Sie ist gänzlich entbehrlich, wenn sich die Bewertung im konkreten Fall geradezu aufdrängt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27.14 –, BVerwGE 153, 48 und juris Rn. 37). Vorliegend sieht das Beurteilungsformular die Bewertung von vier Leistungsmerkmalen vor (Arbeitsqualität, Arbeitsmenge, Arbeitsweise, Kommunikation/Interaktion). Bei einer Beurteilung dieser Einzelmerkmale mit ein Mal 10, zwei Mal 11 und ein Mal 12 Punkten drängte sich die Gesamtbewertung mit 11 Punkten auf, so dass lediglich eine Abweichung von diesem Ergebnis gesondert hätte begründet werden müssen.

40

e) Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Erstbeurteilers bestehen nicht und lassen sich insbesondere nicht aus den Angaben des Antragstellers ableiten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Beurteilerbesprechungen nicht nur rechtlich zulässig, sondern zur Wahrung einheitlicher Maßstäbe und hinreichend differenzierter Beurteilungen sogar wünschenswert (OVG RP, Urteile vom 15. Dezember 2006 - 2 A 11032/06.OVG -, juris Rn. 20 ff.; 3. März 2012 - 2 A 11273/11.OVG -, juris Rn. 31 ff. und vom 13. Mai 2014 - 2 A 10637/13.OVG -, NVwZ-RR 2014, 813 und juris Rn. 27). Der Umstand, dass Erst- und Zweitbeurteiler miteinander gesprochen haben, begründet daher keineswegs den Anschein einer Befangenheit. Das vorgeschriebene Beurteilungsverfahren wird durch solche Gespräche erst dann verletzt, wenn Beurteilungen in ihren Einzelheiten durch den Zweitbeurteiler von vornherein festgelegt werden, so dass der Erstbeurteiler an das Ergebnis des Gesprächs faktisch gebunden ist (OVG RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – 2 A 10637/13 –, NVwZ-RR 2014, 813 und juris Rn. 27 m.w.N.). Hierfür ergeben sich aber keine beachtlichen Anhaltspunkte.

41

3. Ist somit nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem Beigeladenen der besser beurteilte Bewerber ausgewählt worden, erweist sich die Auswahlentscheidung als voraussichtlich rechtmäßig, so dass der Anordnungsanspruch entfallen und die anderslautenden Entscheidungen abzuändern sind.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Antragsteller gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keine Anträge gestellt hat und somit selbst im Falle eines Unterliegens keinem Kostenrisiko ausgesetzt war (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

43

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Gerichtskostengesetz - GKG - (die Hälfte des für ein Kalenderjahr zu zahlenden Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe in A9Z LBesG).

Ist der Streitwert für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels festgesetzt, ist die Festsetzung auch für die Berechnung der Gebühren maßgebend, soweit die Wertvorschriften dieses Gesetzes nicht von den Wertvorschriften des Verfahrensrechts abweichen. Satz 1 gilt nicht in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen.