Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. März 2016 - 11 A 308/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0316.11A308.15.00
bei uns veröffentlicht am16.03.2016

Tenor

Der Bescheid vom 11. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt ihre Einstellung in den Polizeivollzugsdienst des Landes Schleswig-Holstein.

2

Die am … geborene Klägerin früherer iranischer und jetzt deutscher Staatsangehörigkeit bewarb sich mit Formularbogen unter dem 10. Oktober 2014 um Einstellung in den Polizeivollzugsdienst der Landespolizei Schleswig-Holstein, Laufbahngruppe 1. In der Rubrik „Fremdsprachenkenntnisse“ gab sie an, in den Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch über Schulkenntnisse zu verfügen und muttersprachlich Persisch zu beherrschen. Hinsichtlich des Merkmals „Körpergröße“ kreuzte sie auf die Frage „Sind Sie mindestens 160 cm groß?“ das Kästchen mit „Ja“ an. Die auf Seite 4 des Bewerbungsbogens mit den laufenden Ziffern 1. bis 12. angeforderten Unterlagen fügte sie - soweit sie erforderlich waren - ihrer Bewerbung bei.

3

Nach Abschluss der Vorauswahl wurde sie zur Teilnahme am Prüfungsteil 1 des Auswahlverfahrens für die Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt mit Schreiben vom 11.03.2015 eingeladen. Der Prüfungsteil 1, der am 02.04.2015 stattfand, bestand aus dem schriftlichen Bereich (Diktat, Intelligenzleistungstest) und der Sportprüfung. Diesen Prüfungsteil bestand die Klägerin erfolgreich und wurde mit Schreiben vom 11.05.2015 zur Teilnahme am Prüfungsteil 2 eingeladen, der den mündlichen Teil (Gespräch) und die polizeiärztliche Untersuchung für die Laufbahngruppe 1 umfassen sollte. Diese Prüfungsteile 1 + 2 schloss die Klägerin im Ergebnis mit 9,74 Punkten ab und war danach für die Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt im Bereich der Schutzpolizei geeignet.

4

Im Rahmen der polizeiärztlichen Untersuchung über die Polizeidiensttauglichkeit der Klägerin wurde bei ihr eine Körpergröße von 158,2 cm ermittelt. Das führte zu dem „vorläufigen ärztlichen Urteil“, dass die Klägerin polizeidienstuntauglich sei, da ihre Körpergröße nicht ausreichend wäre.

5

Mit Schreiben vom 11. Juni 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihrer Bewerbung um Einstellung in die Landespolizei Schleswig-Holstein nicht entsprochen werden könne, weil sie nicht die für den Polizeiberuf geforderten gesundheitlichen Merkmale erfülle. Dies gründe sich (allein) darauf, dass ihre Körpergröße nicht ausreichend wäre.

6

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen auf die Rechtsprechung der 12. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts verwies (Urt. v. 26.03.2015 - 12 A 120/14 -, rechtskräftig), wonach Körperlängenanforderungen als Einstellungsvoraussetzung für den Polizeidienst unzulässig wären und eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gemäß § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts darstellen würden.

7

Vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 hat die Klägerin am 15. Oktober 2015 Untätigkeitsklage in Gestalt einer Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage erhoben. Mit dem während des rechtshängigen Verfahrens unter dem 18.12.2015 ergangenen Widerspruchsbescheid wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen folgendes aus:

8

Gemäß § 107 LBG erlässt das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten durch Verordnung Vorschriften über die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten, um den besonderen Verhältnissen des Polizeivollzugsdienstes Rechnung zu tragen. Zentraler Punkt sei dabei der § 4 der PolLVO, der in seinen Absätzen 1 bis 3 den Zugang in den Vorbereitungsdienst der Landespolizei näher bestimmt. Insbesondere in § 4 Abs. 1 Nrn. 2 bis 9 finden sich die individuellen Besonderheiten wieder, welche die Einstellungsvoraussetzungen in dem von der Klägerin begehrten Vorbereitungsdienst präzisieren. Zu den Festlegungen gehört laut Nummer 7 u.a., dass „Bewerberinnen mindestens 1,60 Meter groß sind“. Eine Ausnahmemöglichkeit wäre insoweit nicht vorgesehen. Anlässlich der polizeiärztlichen Begutachtung der Tauglichkeit der Klägerin am 04. Juni 2015 wäre unwidersprochen festgestellt worden, dass die tatsächliche Größe der Klägerin 1,582 Meter betrage, sie mithin nach dem erlassenen Regelwerk der Polizei-Laufbahnverordnung zu klein wäre. Der darauf gestützten Ablehnung ihrer Bewerbung um Einstellung in den Polizeivollzugsdienst könne das rechtskräftige Urteil der 12. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts (12 A 120/14) nicht entgegengehalten werden. Der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt wäre nicht vergleichbar. In dem dortigen Verfahren hätte sich eine 1,58 Meter große Klägerin als Volljuristin mit beiden juristischen Staatsexamina bei der Bundespolizeiakademie auf eine Stellenausschreibung in den Vorbereitungsdienst des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei beworben; des weiteren wäre weder in der Bundespolizeilaufbahnverordnung noch in der Bundeslaufbahnverordnung ein Hinweis auf eine Mindestgröße der Bewerberinnen und Bewerber enthalten; schließlich hätte es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine Einstellung in den höheren Polizeivollzugsdienst und um die Wahrnehmung von Führungsaufgaben in leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei gehandelt. Originäre Polizeiaufgaben der Beamtinnen und Beamten im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst wären von dem Aufgabenbereich der dort ausgeschriebenen Stelle wenn überhaupt nur zu einem minimalen Bruchteil erfasst und abschließend hätte die Klägerin des dortigen Verfahrens nicht Einstellung, sondern eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz begehrt. Von daher wäre maßgeblich auf das Urteil des VG Düsseldorf vom 02.10.2007 (2 K 2070/07) abzustellen, in dem es auszugsweise heißt:

9

„Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Entscheidung des Beklagten, die Klägerin nicht zum Auswahlverfahren zuzulassen, keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken. Der Beklagte hat durch ermessensbindenden Erlass des Ministeriums vom 09. März 2006 die Eignung betreffende Einstellungsvoraussetzungen ab dem Einstellungsjahrgang 2007 festgelegt, zu denen eine körperliche Mindestgröße gehört, die bei weiblichen Bewerbern 163 cm beträgt ... Die Klägerin erfüllt mit einer Körperlänge von 161 cm die Anforderungen an die Mindestgröße nicht ... Die in dem genannten Erlass festgelegte Mindestgröße ist nicht als bloßer Richtwert zu verstehen, der im Einzelfall unterschritten werden kann. Vielmehr heißt es dort, die körperliche Mindestgröße müsse zum Zeitpunkt der Bewerbung vorliegen. ... Der Beklagte hat bei Festsetzung der Mindestgrößen von 163 cm für Frauen durch Erlass vom 09. März 2006 keinen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt. ... Es ist nicht zu beanstanden, dass die hier relevanten Einstellungsvoraussetzungen durch Erlass - und nicht unmittelbar durch Gesetz oder Verordnung - festgesetzt worden sind. Wie bereits ausgeführt, befindet der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, welche Anforderungen er an die Eignung für die Laufbahn der Polizeivollzugsbeamten stellt. Er kann sein Ermessen durch Verwaltungsvorschriften binden, um sicherzustellen, dass die Bewerber sachgemäß ausgewählt und dabei einheitlich und gleichmäßig behandelt werden. Das hat er beispielsweise für die gesundheitlichen Anforderungen an die Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit anerkanntermaßen durch die Polizeidienstvorschrift 300 getan. Nichts anderes gilt für die Festlegung der Mindestgröße ab dem Einstellungsjahrgang 2007. ... Die durch den Erlass vom 09. März 2006 aufgestellten Eignungsanforderungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar ... Ferner verstößt die Anforderung einer Mindestgröße nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ... Die Klägerin wurde nicht etwa wegen einer Behinderung benachteiligt. Bei ihrer Körpergröße von 161 cm, deretwegen sie als ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst angesehen wurde, handelt es sich nicht um eine Behinderung im Sinne des AGG ... Auch wurde die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt. ... Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen bei Polizeibeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten ... Der Beklagte hat einerseits erkannt, dass unterschiedlich kleine Polizeibeamte beiderlei Geschlechts Probleme bei der Bewältigung verschiedener polizeilicher Aufgaben haben; insoweit gab es Handlungsbedarf. ... Mit der Festsetzung der Mindestgröße von 163 cm für weibliche Bewerber geht der Beklagte schließlich nicht über das hinaus, was zur Erreichung einer störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei angemessen ist. ...“

10

Im Übrigen wäre aus Sicht des Einsatztrainings nicht nur die geringe Körpergröße ein Problem, sondern es wären auch andere Faktoren von Bedeutung:

11

- Bei polizeilichen Lagen wie Terrorismus wäre es gegebenenfalls erforderlich, eine entsprechend hochwertige Körperschutzausstattung zu tragen. Die aktuelle Schutzweste SK 4 allein wiegt 16 kg .

12

- Nach Anlegen des Koppel müssen alle Einsatzmittel untergebracht werden können, sehr „schmale“ Personen können und werden da erhebliche Probleme haben; die Zahl sowie die gemessene Mindestbreite aller am Koppel mitzuführenden Gegenstände beträgt 9 Gegenstände mit 54 cm gesamter Breite.

13

- Details wie zum Beispiel die Größe der Hand. Sind die Finger lang genug, um den Abzug der Dienstwaffe P 99 und MP 5 zu betätigen und reicht die Kraft zum Betätigen des Abzugs? Ist die Hand groß genug, um die Waffe sicher zu halten?

14

- Aus der Erfahrung der konkreten Lagelösung im Wege des Verwaltungszwanges - hier körperliche Gewalt - lässt sich ableiten, dass eine im Verhältnis zu „normal großen und gebauten“ Einsatzkräften hohe Zahl von kleiner gewachsenen Menschen zu Defiziten bei der Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen führen kann. Gerade aktuell bei der Durchführung der Fortbildung zum Thema „Gewalt und Gruppen“ wurde dies deutlich. Die erwünschte optische Wirkung auf das polizeiliche Gegenüber wird verfehlt, das taktische Ziel wird unter Umständen nicht erreicht, weil der „Störer“ sich auf das schwache Glied in der Polizeikette konzentriert.

15

- Bei Lagen, wie sie im Bereich der Landesunterkünfte für Flüchtlinge vorkommen (Massenschlägereien), kann dies dazu führen, dass trotz ausreichender Zahl von Einsatzkräften der Regelorganisation das polizeiliche Ziel (Trennung der gewalttätigen Gruppe, Befriedung) nicht so zeitnah wie erwünscht erreicht werden kann.

16

Ergänzend hätte die Beschaffungsstelle des Landespolizeiamtes wissen lassen, dass bei der Beschaffung der erforderlichen Einsatzstiefel für Vollzugskräfte unterhalb der Schuhgröße 36 kein Hersteller existiere, der die sogenannte „S3-Vorgabe“ noch zu erfüllen vermag.

17

Aus einer vergleichenden Betrachtung nach der Statistik des Sozio-Ökonomischen Panels werde deutlich, dass alle in Deutschland lebenden Frauen bei einer Körpergröße von 1,60 Meter eine 82,7 %ige Zulassungsmöglichkeit zum Polizeidienst in Schleswig-Holstein hätten. Demgegenüber würden Personen im Alter von 15 oder mehr Jahren zu 33,8 % einen Bildungsabschluss in Deutschland aufweisen, der dem Grunde nach nicht zu einer Bewerbung für den sogenannten mittleren Dienst ausreichen würde.

18

Gemessen daran, erweise sich die ablehnende Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig.

19

In Erwiderung dessen führt die Klägerin zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen folgendes aus:

20

Die hier in § 4 der PolLVO vorgesehene Körperlängenanforderung stelle eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gemäß § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts dar; die unterschiedliche Festsetzung der Mindestgrößen für Frauen (160 cm) und Männer (165 cm) sei als mittelbare Benachteiligung von Frauen nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

21

Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid einzelne „Problemfälle“ benannt habe, könne dem in dieser Allgemeinheit jedenfalls nicht gefolgt werden. Um die Körperschutzausstattung und die entsprechenden Einsatzmittel zu tragen, komme es nicht auf die Körpergröße, sondern auf individuelle Merkmale wie Kraft bzw. Fitness an. Das gelte auch für den Aspekt der „erwünschten optischen Wirkung auf das polizeiliche Gegenüber“. Das darüber hinaus bemühte Kriterium des „sicheren Haltens von polizeilichen Dienstwaffen“ sei darüber hinaus ein gutes Beispiel dafür, dass die Beklagte hätte Ausnahmeregelungen schaffen müssen, um die Verhältnismäßigkeit ihrer Regelung zu retten.

22

Die Klägerin beantragt,

23

den Bescheid der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein vom 11.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Einstellung in den Dienst der Landespolizei Schleswig-Holstein unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und hebt hervor, dass die Klägerin mit einer Körperlänge von 158,2 cm die in § 4 Abs. 1 Nr. 7 LVOPolSH festgelegte Mindestkörperlänge von 160 cm nicht aufweise, so dass ihre Bewerbung abzulehnen sei. Die in der Verordnung festgelegte Mindestgröße verstoße nicht gegen das AGG. So sei der störungsfreie polizeiliche Einsatzablauf der Polizei ein rechtmäßiges Bestreben im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG. Die Festsetzung einer Mindestkörpergröße bei Polizeivollzugsbeamten sei auch sachlich gerechtfertigt, um die ordnungsgemäße und störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu sichern. Die Festsetzung einer Mindestkörpergröße sei auch erforderlich und angemessen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

28

Mit Beschluss vom 09. Februar 2016 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

29

Die zunächst zulässigerweise als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO und nach Erlass des Widerspruchsbescheides als Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO fortgeführte Klage ist zulässig und begründet.

30

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten. Sie hat einen Rechtsanspruch darauf, dass über ihren Antrag auf Einstellung in den Schutzpolizeidienst des Landes Schleswig-Holstein unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird.

31

Vorauszuschicken ist, dass das Verfahren nicht bereits dadurch „erledigt“ ist, dass der in der Bewerbung von der Klägerin angegebene und gewünschte Einstellungstermin verstrichen ist. Das berechtigte Interesse der Klägerin bestand und besteht ersichtlich darin, die sie belastenden Ablehnungsbescheide kassiert zu wissen und - letztlich - in den Polizeivollzugsdienst des Landes Schleswig-Holstein eingestellt zu werden. Letzterem kann das Gericht schon deshalb nicht entsprechen, weil es personalem Organisationsermessen der Beklagten entspricht, darüber zu befinden, ob und bejahendenfalls wie viele geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu welchem Zeitpunkt eingestellt werden. In diesen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Regelungsbereich kann das Gericht nicht eingreifen, so dass die Klägerin zulässigerweise den Weg der Bescheidungsklage beschritten hat.

32

Der angefochtene Bescheid vom 11. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 erweist sich als rechtswidrig. Das folgt daraus, dass jedenfalls die den Zugang zum Polizeidienst ohne Ausnahme ausschließende Festlegung der Mindestkörperlänge auf 160 cm bei Bewerberinnen in § 4 Abs. 1 Nr. 7 der Landesverordnung über die Laufbahn der Fachrichtung Polizei im Lande Schleswig-Holstein (Polizeilaufbahnverordnung - PolLVO) in der Fassung vom 27. November 2011 auf einer insoweit unzureichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht und damit seinerseits als eine die Entscheidung tragende Norm nicht anwendbar ist.

33

Denn § 107 Landesbeamtengesetz (LBG) in der Fassung vom 26. März 2009 ist keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 PolLVO. Die allein darauf beruhenden behördlichen Entscheidungen verletzen die Klägerin daher in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 33 Abs. 2 GG.

34

Ungeachtet dessen, dass für landesgesetzliche Verordnungsermächtigungen Art. 80 Abs. 1 GG nicht unmittelbar anwendbar ist, sind die in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG festgelegten, aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes folgenden Grundsätze auch für die Landesgesetzgebung verbindlich (siehe dazu BVerfGE 55, 207, 226; 58, 257, 277; 102, 197, 222; 107, 1, 15), sieht Art. 38 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein inhaltlich gleichermaßen vor, dass die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nur durch Gesetz erteilt werden kann, und dass das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen muss. Die in Betracht zu ziehende Norm bildet § 107 Landesbeamtengesetz (LBG) in der Fassung vom 26. März 2009. Darin heißt es, „dass das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten durch Verordnung Vorschriften über die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten erlässt“, wobei in ihnen auch zu regeln ist, welche Beamtengruppen zum Polizeivollzugsdienst gehören. Dabei kann von den Vorschriften der §§ 14, 20 Abs. 2 Satz 2 und §§ 21, 30 Abs. 4 abgewichen werden, soweit die besonderen Verhältnisse des Polizeivollzugsdienstes dies erfordern. Die darin benannten „besonderen Verhältnisse des Polizeivollzugsdienstes“ betreffen die Bereiche Bildung, Beförderung, Aufstieg und Entlassung und sind hier nicht einschlägig.

35

Im rechtlichen Ausgangspunkt ist daher in den Blick zu nehmen, dass Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber verpflichten, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (std. Rechtsprechung des BVerfG, s. beispielhaft BVerfGE 108, 282, 311). Dabei sind als „wesentlich“ Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 274). Danach besteht eine Pflicht zum Tätigwerden des Gesetzgebers insbesondere in mehrdimensionalen, komplexen Grundrechtskonstellationen, in denen miteinander konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind (vgl. BVerfGE 108, 282, 311). Im Kern geht es darum, sicherzustellen, dass die wesentlichen Regelungen aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet und die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet. Die parlamentarische Leitentscheidung ist an den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung zu messen, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Schon aus der Ermächtigung muss daher erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (vgl. BVerfGE 113, 167, 269).

36

Diese Grundsätze gelten auch hier, denn die Regelungsform des Gesetzes ist für das (auch hier angestrebte) Beamtenverhältnis typisch und sachangemessen. Die wesentlichen Inhalte des Beamtenrechts sind daher durch Gesetz zu regeln (vgl. BVerfGE 81, 363, 386).

37

Von daher ist Art. 12 Abs. 1 GG in den Blick zu nehmen, der u. a. die freie Wahl des Arbeitsplatzes schützt und auch im Bereich des öffentlichen Dienstes gilt, wenngleich Art. 33 Abs. 2 GG insoweit ergänzende Sonderregelungen ermöglicht. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seinen Schutz gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Die Berufsfreiheit steht - anders als Art. 33 Abs. 2 GG - unter dem spezifischen Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein wesentlicher Eingriff in dieses Grundrecht ist anzunehmen, wenn die Eingriffsregelung die Freiheit der Berufswahl betrifft oder statusbildenden Charakter hat. In Fällen dieser Art könnten allenfalls Einzelfragen fachlich-technischen Charakters in dem vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen durch die Exekutive geregelt werden.

38

Soweit es um Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes geht, trifft Art. 33 Abs. 2 GG eine Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ergänzende Regelung. Hiernach wird jedem Deutschen das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gewährleistet. Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Die Geltung dieser Grundsätze wird von Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet (BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des 2. Senats v. 26. November 2010 - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 f). Eine Regelung, die den Lebensbereich vorbehaltloser Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte ordnen will, bestimmt und konkretisiert notwendigerweise ihre verfassungsimmanenten Schranken. Es ist vorrangig Aufgabe des Parlamentsgesetzgebers, die Abwägung und den Ausgleich zwischen dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und anderen in der Verfassung geschützten Belangen vorzunehmen. Ausnahmen vom Leistungsgrundsatz beim Zugang zum Beamtenverhältnis bedürfen demnach grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 108, 282, 306 f).

39

Ob darüber hinaus das Erfordernis einer Regelung des Gesetzgebers daraus herzuleiten ist, weil die Körperlängenanforderungen eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gemäß § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts (§ 1 Variante 3 AGG) bewirken (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 26.03.2015 -12 A 120/14 -), kann dahingestellt bleiben.

40

§ 107 LBG kann vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht als hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Mindestkörperlängen angesehen werden. Die in § 4 Abs. 1 Nr. 7 PolLVO vorgesehene Regelung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG und grundsätzlich auch in Art. 33 Abs. 2 GG dar. Sie schließt kategorisch alle Bewerberinnen ohne Rücksicht auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vom Beamtenverhältnis aus und kann auf diese Weise zu einer eignungswidrigen Ungleichbehandlung von einiger Intensität führen. Von daher genügt die pauschale Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften über die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten nicht den Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Das wird auch deutlich daran, dass die Polizeilaufbahnverordnung in der Fassung vom 10. Juli 1997 in § 9 Abs. 1 Nr. 4 zwar gleichermaßen die Anforderung enthalten hat, dass eine Bewerberin für den Laufbahnabschnitt I des Schutzpolizeidienstes eine Körpergröße von mindestens 1,60 Meter aufweisen muss. In Abs. 3 dieser Regelung war allerdings - anders als in der jetzt geltenden Polizeilaufbahnverordnung - vorgesehen, dass die „für die Einstellung“ zuständige Behörde der Polizei u.a. von diesen Voraussetzungen in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zulassen konnte. Dem Entwurf der Begründung zur Polizeilaufbahnverordnung ist dazu zu entnehmen, dass „lediglich zu Nr. 7, Körpergröße, keine Ausnahme mehr zugelassen werden soll, weil die jetzt festgeschriebenen Grenzen sich langjährig in der Praxis des Polizeivollzugsdienstes bewährt haben und den Anforderungen des täglichen Dienstes optimal gerecht werden“. Das ist mangels konkreter und nachprüfbarer Angaben keine taugliche Begründung der einschränkenden Regelungen in der neu gefassten Polizeilaufbahnverordnung, zumal hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 6 und 8 weiterhin in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen bleiben. Danach kann ausnahmsweise in eine Laufbahn der Fachrichtung Polizei eingestellt werden, wer die nach dem Beamtenstatusgesetz und dem Landesbeamtengesetz erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis nicht erfüllt, wer gerichtlich bestraft ist, wer am Einstellungstag das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet und das 32. Lebensjahr bereits vollendet hat und schließlich wer keine Fahrerlaubnis der Klasse B besitzt. Warum innerhalb dieser Systematik die Festlegung der Körpermindestlänge auf 160 cm bei Bewerberinnen als kategorisch den Zugang zum Polizeidienst ausschließendes Kriterium zu bewerten sein soll, erschließt sich nicht.

41

Wenngleich es darauf entscheidungserheblich nicht mehr ankommen kann, bleibt hervorzuheben, dass jedenfalls unter Geltung der Polizeilaufbahnverordnung vom 10. Juli 1997 im Einzelfall - nämlich mit Blick auf die Klägerin - eingehend hätte geprüft werden müssen, ob die Klägerin, die die auch seinerzeit vorgegebene Mindestkörperlänge um gut 1 cm nicht erreicht, ausnahmsweise hätte eingestellt werden können. Veranlassung dazu hätten ersichtlich die in mehreren Kategorien hervorragenden Ergebnisse im Eignungstest I gegeben. Des weiteren wäre in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin - wie auch der Sporttest zeigt - in körperlicher Hinsicht schlicht und ergreifend „fit“ ist und den Anforderungen des Polizeidienstes insoweit uneingeschränkt entspricht. Schließlich wäre in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin aufgrund ihres ethnischen, kulturellen und sprachlichen Hintergrundes in manchen Lagen, die die Beklagte ausdrücklich benannt hat (Eskalation in Flüchtlingsunterkünften), eine besonders geeignete Polizistin sein kann. Für das vorliegende Verfahren ist das aber nicht mehr entscheidungserheblich.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 iVm §§ 709, 711 ZPO.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. März 2016 - 11 A 308/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. März 2016 - 11 A 308/15

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. März 2016 - 11 A 308/15 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 33


(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. (3) Der Genuß bürgerlicher und st

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Zivilprozessordnung - ZPO | § 167 Rückwirkung der Zustellung


Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächs

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 80


(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. März 2016 - 11 A 308/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. März 2016 - 11 A 308/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 26. März 2015 - 12 A 120/14

bei uns veröffentlicht am 26.03.2015

Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.780,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.04.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. D

Referenzen

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.780,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 62 % und die Beklagte zu 38 %.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckungsfähigen Kosten, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (Art. 1 des Gesetzes vom 14.08.2006, BGBl. I S. 1897, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 03.04.2013, BGBl. I S. 610, im folgenden AGG) wegen ihrer Nichtberücksichtigung in einem Bewerbungsverfahren der Beklagten aufgrund ihrer unter den aufgestellten Mindestanforderungen liegenden Körperlänge.

2

Die Klägerin bewarb sich als Volljuristin mit beiden juristischen Staatsexamina mit Bewerbung vom 21.11.2013 bei der Bundespolizeiakademie auf eine Stellenausschreibung vom 11.11.2013 um Einstellung in den Vorbereitungsdienst des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Mit Schreiben vom 02.12.2013 wurde die Bewerbung der Klägerin abgelehnt. Sie könne nicht berücksichtigt werden, da sie die Mindestanforderungen der Einstellungsvoraussetzung Körperlänge nicht erfülle. Mit 1,58 m Körperlänge werde die Einstellungsvoraussetzung von mindestens 1,63 m nicht erfüllt. Diese Mindestanforderung ist in den Richtlinien für die Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei festgehalten:

3

„... Die Mindestkörperlänge beträgt für Bewerberinnen 1,63 m und für Bewerber 1,65 m. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm unterschritten werden. Die Körperlänge soll nicht mehr als 1,95 m befragen. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm überschritten werden...“.

4

In der Stellenausschreibung für den höheren Dienst war die Mindestkörperlänge seitens der Beklagten zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht worden.

5

Gegen ihre Ablehnung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2013 Widerspruch. Dieser wurde mit Schreiben vom 20.02.2014 zurückgewiesen. Klage wurde hiergegen nicht erhoben.

6

Mit Schreiben vom 24.01.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche aufgrund von Diskriminierung nach dem AGG geltend. Die Klägerin erhielt eine Eingangsbestätigung, jedoch keine Sachentscheidung.

7

Sie erhob deshalb unter dem 15.04.2014 Klage zum Arbeitsgericht Lübeck, welches die Klage mit Verweisungsbeschluss vom 02.07.2014 — an das erkennende Gericht verwies (Eingang 03.09.2014).

8

Die Mindestlänge als Zugangskriterium zum Polizeidienst sei als Benachteiligung im Sinne einer Behinderung gem. § 1 Var. 6 AGG zu sehen. Die Definition der Behinderung im Sinne des AGG gehe weit über die aus dem Sozialrecht bekannte Definition nach § 2 SGB IX hinaus. Eines festgestellten Behinderungsgrades bedürfe es dabei nicht, weil der Begriff der Behinderung nicht medizinisch, sondern medizinisch-sozial auszulegen sei. Ihre Körperlänge sei ein Dauerzustand und könne von ihr nicht verändert werden. Bei einem Lebensalter von 28 Jahren sei auch nicht mehr mit einem Wachstumsschub zu rechnen.

9

Durch die starre Körperlängenvorgabe von 1,63 m sei ihr der komplette Bereich der Polizei, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, als potentieller Arbeitsplatz entzogen. Die von der Beklagten festgelegte Längenvorgabe sei willkürlich, wie sich schon am Beispiel der unterschiedlichen Körperlängenvoraussetzungen der einzelnen Landespolizeien zeige. Zudem stelle die Beklagte kontinuierlich Frauen in Polizeivollzugsdienst ein, die die geforderte Mindestköperlänge nicht erfüllten, wie eine Reihe von Beispielen aus dem Bereich des Spitzensports zeige.

10

Darüber hinaus bestehe ebenfalls eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gem. § 1 Var. 3 AGG. Frauen seien generell kleiner als Männer. Männer seien de facto über 12 cm länger als Frauen. Danach erfüllten mehr als 40 % der Frauen die vorgegebene Längenvorgabe nicht, im Vergleich aber nur rund 4 % der Männer die Längenvorgabe für Männer von 1,65 m nicht. Es liege insoweit eine unzulässige mittelbare Diskriminierung gem. § 3 Abs. 2 AGG vor.

11

Das Ziel der störungsfreien Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben könne nicht durch eine starre Längenvorgabe ohne Anschauung des Bewerbers gewährleistet werden. Ein pauschales Aussortieren von Bewerberinnen könne nicht sachlich gerechtfertigt sein, weil das eingesetzte Mittel nicht dem Ziel entsprechend angemessen eingesetzt werde. Allein die Möglichkeit, dass es aufgrund einer geringeren Körperlänge zu „Problemen" kommen könne, sei kein tragfähiger Anknüpfungspunkt. Auch in anderen Auswahlregelwerken (z.B. Bundeswehr, Hessische Feuerwehrlaufbahnverordnung) werde eine aufgabenbezogene Einzelfallbetrachtung vorgenommen, selbst die Bundeswehr orientiere sich lediglich an einer „Richtmindestgröße" von 1,55 m.

12

Zudem sei zu beachten, dass es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine Einstellung in den höheren Polizeivollzugsdienst, nach eigener Stellenbeschreibung der Beklagten also um Führungsaufgaben in leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei handele. Der angenommene Bewerber durchlaufe dabei als Vorbereitungsdienst ein 2-jähriges Masterstudium. Originäre Polizeiaufgaben der Beamtinnen im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst seien von dem Aufgabenbereich der ausgeschriebenen Stelle wenn überhaupt nur zu einem minimalen Bruchteil erfasst.

13

Die Längenvorgabe für Frauen von 1,63 m sei auch verfassungswidrig, da sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG und das Willkürverbot verstoße. Es handele sich um eine starre Längenvorgabe, die eine Einzelfallentscheidung generell ausschließe und somit willkürlich sei. Die Köperlänge eines Menschen sei ein völlig ungeeignetes Differenzierungskriterium, da es keine Aussagekraft über die Leistungsfähigkeit habe, auf die jedoch im deutschen Berufsbeamtentum maßgeblich abgestellt werde. Ein Dienstherr, der sein pflichtgemäßes Ermessen allein nach der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ausüben dürfe, handele ermessensfehlerhaft, wenn er eine Längenvorgabe für Frauen von 1,63 m als Anforderung nach § 2 Abs. 3 BLV bestimme. Durch die dahingehende Ungleichbehandlung werde zugleich in das Grundrecht der Art. 33 Abs. 2; Art. 33 Abs. 5 Art. GG eingegriffen. Auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG werde verstoßen. Die Aufgaben einer Polizeivollzugsbeamtin im höheren Dienst würden im Stellenbeschreibungsprofil als „polizeiliche Führungsaufgaben mit leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei" beschrieben. Im Hinblick auf die künftige Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten im höheren Dienst sei eine Mindestvorgabe der Körperlänge - gerade in Bezug auf die zu erwartende überwiegende Ausübung des Berufs von einem Schreibtisch aus - nicht nachvollziehbar.

14

Die Vorgabe einer bestimmten Körperlänge als Zulassungskriterium verstoße auch gegen Art. 8, 19 Abs. 1 AEUV zur Gleichstellung von Männern und Frauen, sowie zur Vermeidung von Diskriminierung u.a. aufgrund von Behinderung und des Geschlechts, sowie gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006. In anderen EU-Ländern (Irland und Österreich) sei aufgrund der Europarechtswidrigkeit von einem Körperlängenausschlusskriterium Abstand genommen worden.

15

Die als Mindestbetrag vorgeschlagene Entschädigungsleistung orientiere sich an dem dreifachen Monatsbruttobetrag der für die ausgeschriebene Stelle angegebenen Besoldungsgruppe A 13 der Bundesbesoldungsordnung.

16

Die Klägerin beantragt,

17

die Beklagte zu verurteilen, ihr eine angemessene Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, soll jedoch einen Betrag von 10.000,- Euro nicht unterschreiten.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG scheide aus. Zwar habe die Beklagte mit ihrer Auswahlentscheidung die Klägerin wegen ihres Geschlechts ungleich behandelt, jedoch liege diesbezüglich eine sachliche Rechtfertigung vor.

21

Es stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmen. Der Dienstherr bestimme nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Zugang zu dem öffentlichen Amt. Sein Ermessen könne der Dienstherr dabei durch Verwaltungsvorschriften binden oder aber durch ein Anforderungsprofil innerhalb der Ausschreibung. Die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen seien der Bundespolizeilaufbahnverordnung (BPolLV) und der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) zu entnehmen. Da der BPolLV im Wesentlichen nur Regelungen zu der Gestaltung und den Ämtern der Laufbahnen, den Einrichtungen des Vorbereitungsdienstes für die jeweiligen Laufbahnen, den Einstellungen in den Vorbereitungsdienst und den Zugang zu den jeweiligen Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei und nicht zu Einstellungsvoraussetzungen zu entnehmen seien, fänden gem. § 1 BPolLV die Vorschriften der BLV Anwendung. Nach § 3 BLV seien alle laufbahnrechtlichen Entscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen, wobei nach § 2 Abs. 3 BLV Befähigung die Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstige Eigenschaften umfasse, die für die dienstliche Verwendung wesentlich seien.

22

In einer angemessenen Körperlänge sehe der Dienstherr eine Eigenschaft, die für die dienstliche Verwendung wesentlich sei. Die Festsetzung von Mindestkörperlängen bei Polizeibeamten sei sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Es könne in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung, beispielsweise im Einsatztraining, und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamtinnen und -beamten beiderlei Geschlechts kommen. Dies habe sich insbesondere im Bekleidungsbereich (z.B. Einsatzhelme, ABC-Schutzmasken) und bei Eingriffstechniken („Festnahmetechnik 360 Grad“, Körperschutztechniken) gezeigt. Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, die erheblich kleiner seien als ein gewaltbereites Gegenüber, seien überdies in dieser Hinsicht physisch und psychologisch im Nachteil, im Angriffsfall würden sie als Schwachstelle angesehen bzw. zum bevorzugten Angriffsziel.

23

Solche längenbedingten Probleme könnten durch die Forderung von Mindestlängen umgangen werden. Bei den Verfahren betreffend die Auswahl und die Einstellung für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei handele es sich um Massenverfahren, da in jedem Jahr insgesamt ca. 1000 Bewerberinnen und Bewerber in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahnen des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei eingestellt würden. Diese Massenverfahren hätten eine Bindung des dem Dienstherrn zustehenden Ermessens betreffend die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in Richtlinien erforderlich gemacht, um sicher zu stellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber sachgemäß ausgewählt und dabei einheitlich und gleichmäßig behandelt würden. Es gebe durchaus auch Unterschiede zwischen den Aufgabenbereichen von Landes- und Bundespolizei. Die Bundespolizei biete überregionale Einsatzmöglichkeiten, auch im Ausland und dort in Krisengebieten.

24

Das Verfahren für die Auswahl und die Einstellung von Nachwuchskräften für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei - beispielsweise mit der Befähigung zum Richteramt - stelle hingegen ein bedarfsorientiertes Verfahren (Einstellung von max. 2 Nachwuchskräften pro Jahr) dar, welches eine Bindung des Ermessens des Dienstherrn in Form einer Verwaltungsvorschrift entbehrlich mache und eine Ermessensbindung durch den Inhalt des entsprechenden Anforderungsprofils ausreichen lasse. Das Anforderungsprofil der Ausschreibung für die Auswahl und die Einstellung von Nachwuchskräften für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei im Jahr 2014 sehe daher, wie bereits auch schon in den letzten Jahren, analog zu den Richtlinien für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei und aus den gleichen Erwägungen wie beim mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei, vor, dass eine Frau mindestens 1,63 m groß sein müsse. Die Forderung einer Mindestlänge auch für die Polizeibeamtin bzw. den Polizeibeamten des höheren Polizeivollzugsdiensts der Bundespolizei sei zum Einen im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt, da auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus dem gehobenen Dienst in den höheren Dienst aufsteigen könnten. Genauso verhalte es sich mit der Polizeidiensttauglichkeit, die unabhängig von der jeweiligen Laufbahn der Bundespolizei bei jeder Bewerberin bzw. jedem Bewerber vorliegen müsse. Zum Anderen würden von den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei zwar polizeiliche Führungsaufgaben in leitender Funktion wahrgenommen. Dies bedeute aber nicht, dass die Beamtinnen und Beamten ausschließlich mit der Planung und Organisation betraut seien, sondern oftmals selbst Teil der Einsätze seien und in einem solchen Fall die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ebenso gewährleistet sein müsse, wie bei dem Einsatz von Beamtinnen und Beamten des mittleren bzw. gehobenen Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Seit dem Jahr 2003 seien ausnahmslos alle eingestellten Juristen und Volljuristen in typischen Erstverwendungen der Bewertungsebene A 13h/14 eingesetzt worden. Der höhere Polizeivollzugsdienst umfasse praktische und strategische Führungsaufgaben in den Dienststellen und Behörden der Bundespolizei. Gemäß ihres Personalentwicklungskonzepts erfolge die Erstverwendung im höheren Polizeivollzugsdienst grundsätzlich in operativen Funktionen (Nr. 9.1.3.1 des PEK). Dadurch solle eine entsprechende Verwendungsbreite im Polizeivollzugsdienst erlangt werden, um sich für Spitzenfunktionen zu qualifizieren. Die im operativen Bereich gesammelten Erfahrungen könnten so in die strategischen Überlegungen der Behörde einfließen. Die einheitlichen Einstellungsvoraussetzungen und damit die vollumfängliche Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter/innen seien das Fundament und Planungsgrundlage für eine Vielzahl verschiedener Personalentwicklungsmaßnahmen und Garant für die Funktionsfähigkeit der Behörde.

25

Die Anforderung einer Mindestlänge verstoße auch nicht gegen das AGG. Die unterdurchschnittliche Körperlänge der Klägerin von 1,58 m sei nicht als eine Behinderung anzusehen. Die Klägerin werde auch nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Da die Körperlänge nicht unmittelbares AGG-Kriterium sei, komme ohnehin allenfalls eine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG in Betracht. Gemäß den Ausführungen der Klägerin anhand der Zahlen des Sozio-Ökonomischen Panels, dass zwar 40 % der Frauen durch die starren Längenvorgaben ausgeschlossen würden, allerdings nur ca. 4 % der Männer, könne dieses Verhältnis von 10:1 eine „besondere Weise" der Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG darstellen. Eine solche mittelbare Ungleichbehandlung sei jedoch zulässig. Eine Anpassung der von der Klägerin angeführten, ungerecht verteilten Prozentsätze auf 3 % für Männer und Frauen gleichermaßen, wäre nicht praktikabel. Es würde dadurch zu einer weiteren Reduzierung der Körperlänge für Frauen auf 156 cm kommen, während es zu einer Erhöhung der Mindestlänge für Männer auf 174 cm kommen würde. Sodann würden männliche Bewerber ausgeschlossen, die länger als 168 cm seien und unstreitig für den Polizeidienst geeignet wären. Um wegen ihrer Länge ungeeignete weibliche Bewerber auszuschließen und andererseits die wegen ihrer ausreichenden Länge geeigneten männlichen Bewerber einzubeziehen, sei es sachlich gerechtfertigt, prozentual mehr Frauen auszuschließen als Männer.

26

Der Einwand der Klägerin, dass sie sich bei einer Anstellung als Juristin im Polizeivollzugsdienst primär mit Führungsaufgaben in leitender Funktion beschäftigen würde und es somit nicht auf ihre Körperlänge ankäme, sei unzutreffend. Wie die Klägerin im Übrigen selbst ausführt, komme es sogar innerhalb des Vorbereitungsstudiums auf den höheren Polizeivollzugsdienst zu der Erfüllung originärer Polizeiaufgaben, für welche eine Mindestkörperlänge aus den genannten Gründen weiterhin unerlässlich sei. Die Führung von Polizeivollzugsbeamten setze zwangsläufig voraus, dass auch die Führungskraft denselben Auswahlprozess durchlaufen habe und der originären Polizeiarbeit ebenso gewachsen sei wie die ihr unterstellten Beamten.

27

Überdies gebe es die Möglichkeit, bei besonderen Fähigkeiten oder Schlüsselqualifikationen eines Bewerbers/einer Bewerberin in sorgfältig begründeten Einzelfällen ausnahmsweise von den Vorgaben für die Mindestkörperlänge abzuweichen. Ausnahmetatbestände könnten darin begründet sein, dass eine Bewerberin eine besondere körperliche Eignung aufweise, beispielsweise im Spitzensport oder bei besonderer Lebens- und/oder Berufserfahrung bzw. eine einschlägige Vorbildung aufweise oder besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweise, die z.B. für eine Spezialverwendung erforderlich seien (z.B. Führen eines Hubschraubers oder spezielle Nahkampfausbildungen), und/oder über überdurchschnittliche Kenntnisse beispielsweise in für die Ermittlungs- und Präventionsarbeit relevante Fremdsprachen verfüge, welche derzeit noch nicht hinreichend innerhalb der Bundespolizei repräsentiert würden (z.B. osteuropäische oder asiatische Sprachen).

28

Das Bundesministerium des Inneren fördere speziell den deutschen Spitzensport und bringe damit zum Ausdruck, dass Sport für die Bundesregierung ein besonders wichtiges Anliegen sei. Leistung und Auftreten deutscher Spitzensportler/innen trügen zum Ansehen Deutschlands in aller Welt bei und motivierten die Menschen, mitzumachen und nachzueifern. Das sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Sport seine soziale und integrative Kraft entfalten könne. Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die den sogenannten Spitzensport lebten, stabilisierten und bereicherten das gesellschaftliche Zusammenleben. Mit der Spitzensportförderung unterstütze die Bundespolizei junge, hochtalentierte Ausnahmeathleten, indem sie ihnen die Möglichkeit gebe, die sportliche Karriere mit einer Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst zu kombinieren und trage damit ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung Rechnung. Voraussetzung eines ausnahmsweisen Abweichens von der Mindestkörperlänge bleibe stets die körperliche Eignung, die Einsatzmittel der Bundespolizei sicher anzuwenden und die persönliche Schutzausrüstung tragen zu können. Besondere, ein Abweichen rechtfertigende Merkmale lägen bei der Klägerin jedoch nicht vor.

29

Die Mindestlängenanforderung sei auch verfassungsgemäß. Aus den genannten Gründen liege kein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 33 Abs. 2 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG vor.

30

Auch ein Verstoß gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006 sowie Art. 8 und 19 AEUV liege nicht vor, denn die genannten Regelungen seien in Deutschland in Form des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in innerstaatliches Recht umgesetzt worden.

31

Der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG setze einen dem Arbeitgeber zurechenbaren Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG voraus. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürften Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Dies liege jedoch aus den dargestellten Gründen nicht vor.

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zwar dem Grunde, jedoch nicht der Höhe nach zu.

33

Die Nichtberücksichtigung in einem Auswahlverfahren für ein öffentliches Amt ist zunächst abstrakt geeignet, einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG auszulösen. Die Beteiligten unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Als Bewerberin für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis im höheren Polizeivollzugsdienst der Beklagten gilt die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 AGG als Beschäftigte im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; die Beklagte als möglicher (künftiger) Dienstherr ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 AGG), vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135 ff, juris-Rn. 12.

34

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (BVerwG a.a.O., juris-Rn. 14).

35

Diese Voraussetzungen liegen vor.

36

Zwar ist die Körperlänge der Klägerin nicht als eine Behinderung im Sinne von § 1 Var. 6 AGG anzusehen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2013 (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/GesundheitszustandRelevantesVerhalten/Tabellen/Koerpermasse.html) liegt die Klägerin 9 cm unter der für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittslänge. Es erscheint der Kammer fernliegend, diese Abweichung vorliegend als eine Behinderung in Erwägung zu ziehen, vgl. auch Nr. 18.7 Stichwort „Kleinwuchs" der GdS-Tabelle zur Versorgungsmedizin-Verordnung, wonach ein Grad der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst unterhalb von 141 cm nach Abschluss des Wachstums in Betracht kommt. Es liegt insoweit keine unmittelbare Diskriminierung wegen Behinderung gem. § 3 Abs. 1 AGG vor.

37

Zwischen den Beteiligten ist allerdings unstreitig, dass die Körperlängenanforderungen eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gem. § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts (§ 1 Var. 3 AGG) bewirken. Die Kammer teilt diese Bewertung der Beteiligten und folgt überdies den Ausführungen des ArbG Köln, Urteil vom 28.11.2013 - 15 Ca 3879/13 - juris-Rn. 37 ff. (insoweit bestätigt durch LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 - 5 Sa 75/14 - juris-Rn. 61 ff.; Revision anhängig beim Bundesarbeitsgericht - 8 AZR 638/14). Eine solche mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG nur gerechtfertigt, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich begründet und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind oder die spezielle Ausnahme nach § 8 Abs. 1 AGG vorliegt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

38

Die damit im AGG formulierten Anforderungen sind jedenfalls was die Anknüpfung an von einem Bewerber nicht beeinflussbare Merkmale angeht dieselben, die auch an eine Begrenzung des Bewerberkreises durch ein beamtenrechtliches Anforderungsprofil zu stellen sind. So ist der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der ihr zustehenden Personal- und Organisationshoheit zwar die Möglichkeit eingeräumt, den Kreis der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt aufgrund sachlicher Erwägungen einzuengen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2007 - 2 BvR 2494/06 - BVerfGK 10, 355, juris-Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff., juris-Rn. 23, Beschluss vom 08.07.2014 - 2 B 7/14 - NVwZ-RR 2014, 885 ff.

39

Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff., juris-Rn. 23 m.w.N.).

40

Bei der Festlegung eines Anforderungsprofils ist der Dienstherr allerdings nicht frei, sondern an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Die Formulierung von Ausschlusskriterien bedarf mithin schon deshalb eines sachlichen Grundes. Wird um des Sachgrundes willen ein Ausschlusskriterium formuliert, das - wie vorliegend - den besonderen Regelungsbereich des AGG berührt, muss sich dieses überdies im Lichte von § 8 Abs. 1 AGG als unter Berücksichtigung des sachlichen Grundes verhältnismäßig in Bezug auf die begründete mittelbare Beeinträchtigung darstellen. Daran fehlt es vorliegend.

41

Die Beklagte beruft sich hinsichtlich der Festsetzung von Mindestkörperlängen bei Polizeivollzugsbeamten auf die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, die durch die geschilderten Probleme gefährdet werde. Sie bezieht sich auf VG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2007-2 K 2070/07 -, juris-Rn. 43:

42

„Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen bei Polizeibeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Vor dem Erlass vom 9. März 2006 ist es in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamten beiderlei Geschlechts gekommen. Hierzu hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 20. August 2007 umfangreiche, detaillierte und überzeugende Ausführungen gemacht, auf die Bezug genommen wird. Derartige, größenbedingte Probleme lassen sich durch die Einführung von Mindestgrößen jedenfalls für den Polizeinachwuchs beheben. Dass es sich bei der störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei um ein rechtmäßiges Ziel handelt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.“

43

Dass die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ein angemessenes Ziel sein kann, um dessen Realisierung willen eine mittelbare Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann, steht auch für die erkennende Kammer außer Frage. Allerdings ersetzt auch der hohe Rang des Ziels nicht den Nachweis der Rechtfertigung der konkreten Maßnahme. Die Angemessenheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel mit einer gewissen Beweiskraft gestützt ist, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244 ff., juris-Rn. 45 f. unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - Rs. C-159/10 und 160/10, Fuchs und Köhler-NVwZ 2011, 1249 Rn. 61, 73 f. und 80 f.).

44

Hinsichtlich des streitgegenständlichen höheren Dienstes hat die Beklagte die Körperlängenanforderungen, die sie für den mittleren und den gehobenen Dienst in Richtlinien gefasst hat, in analoger Anwendung zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht.

45

Die Kammer kann diese Argumentation bereits aufgrund ihrer Pauschalität nicht als hinreichend im Sinne einer zulässigen Beschränkung von Art. 33 Abs. 2 GG und der Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung gem. § 8 AGG ansehen. Es ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit nicht erkennbar, dass das Körperlängenerfordernis von derartiger belegbarer Aussagekraft wäre, dass das den Männer und Frauen erheblich ungleich treffenden Eingriff bezüglich des Zugangs zu öffentlichen Ämtern rechtfertigt. Die Darstellung der von der Beklagten angeführten „Probleme“ bleibt im Allgemeinen, ohne dass zumindest interne Untersuchungen oder ähnliches vorgelegt worden wären. Die Beklagte trifft allerdings die volle Beweislast für die die mittelbare Benachteiligung rechtfertigenden Umstände.

46

Vielerorts, wenn nicht bei globaler Betrachtung sogar überwiegend, wird zumeist auch aufgrund indirekter Benachteiligung von Frauen oder einzelner Ethnien auf ein Mindestlängenkriterium verzichtet und stattdessen auf individuelle Merkmale wie körperliche Fitness und Abwehrfähigkeiten abgestellt. Kirchengast gelangt in ihrer Studie aus dem Jahr 2011 "Minimum body height requirements for police officers - an international comparison”, SIAK-Journal - Journal for Police Science and Practice (Vol. 1), 52-61, verfügbar unter http://dx.doi.org/10.7396/IE_2011_E zu dem Ergebnis, dass Mindestkörpergrößenvorgaben weniger auf einem wissenschaftlich belegten grundsätzlichen Eignungsvorteil beruhen, sondern auf der eher evolutionär/traditionellen Annahme, dass Körperlänge mit körperlicher Leistungsfähigkeit gleichzusetzen ist und dass im Aufeinandertreffen von Polizeikräften mit Gewaltbereiten die Körpergröße einen psychologischen Vorteil darstellen kann. Die Befragungen von Kirchengast haben allerdings auch das Ergebnis gezeitigt, dass auch die Aufgabe von Körpergrößenvorgaben zumeist nicht auf wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern Gründen der political correctness beruhte.

47

In diesem Zusammenhang wäre wegen fehlender Faktenlage deshalb vermutlich sogar eine auf Erfahrungswerte der Beklagten gestützte sachkundige Einschätzung von hohem Erkenntniswert. Hierfür genügt der pauschale Vortrag in diesem Verfahren jedoch nicht. Dies gilt umso mehr, als die für die analoge Übertragung der für den mittleren und gehobenen Dienst geltenden Anforderungen auf den von der Klägerin angestrebten höheren Dienst angeführten Gründe ebenfalls alles andere als zwingend erscheinen. So mögen sich durchaus ggf. im höheren Dienst „große" Aufstiegsbeamte und „kleine" Direkteinstiegsbeamte begegnen. Das von der Beklagten angeführte Gleichheitsproblem kann die Kammer darin allerdings nicht erkennen. Entgegen der Darlegungen der Beklagten sind auch die Aufgaben der unterschiedlichen Laufbahnen jedenfalls nach Abschluss der entsprechenden vorbereitenden Verwendungen ganz überwiegend andere. Selbst wenn man innerdienstliche Akzeptanzgesichtspunkte für eine mögliche Rechtfertigung berücksichtigt, würde das bemühte Szenario der „kleinen Führungskraft" doch überbetont. Denn zum Einen hieße der Verzicht auf eine Mindestkörperlänge nicht, dass nicht auf andere Weise eine hinreichende körperliche Eignung definiert und überprüft werden könnte. Zum Anderen erlaubten auch die geltenden internen Vorschriften theoretisch bereits um bis zu 197 cm - 161 cm = 36 cm kürzere Führungskräfte. Daneben steht allgemein zu hoffen, dass Führungskräften neben der reinen Physis auch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich bei dem ihnen unterstellten Personal Respekt und Anerkennung zu verschaffen.

48

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen der Beklagten zu ihrer Ausnahmepraxis im Bereich des Spitzensports wegen des „Ansehens Deutschlands in aller Welt" und zur Motivation der Menschen, „mitzumachen und nachzueifern" in Bezug auf eine Person, die jedenfalls ausweislich ihrer Bewerbung „mitmachen" wollte und aufgrund einer unveränderlichen körperlichen Eigenschaft hiervon abgehalten wurde, wenig überzeugend ist. Die betroffenen Spitzensportler stehen verkürzt dargestellt nämlich nur deshalb in Diensten der Beklagten, weil diese sich mit ihnen positiv darstellen kann. Könnte die Beklagte dies nicht, wäre diesem Personenkreis der Weg in die Dienste der Beklagten verwehrt. Das Grundgesetz und das AGG verpflichten die Beklagte aber dazu, losgelöst von der Verwertbarkeit für die öffentliche Darstellung Benachteiligungen aufgrund unveränderlicher Eigenschaften nur dann vorzunehmen, wenn sie hierfür einen sachlichen Grund nachweisen kann.

49

Hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Entschädigung waren die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das BAG, Urteil vom 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NJW 2014, 2893 ff., juris-Rn. 44 hat diesbezüglich ausgeführt:

50

„Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181)."

51

Diese Erwägungen des BAG gelten auch für den vorliegend streitigen Entschädigungsanspruch nach AGG in Bezug auf ein Beamtenverhältnis, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - 2 C 3/13 - juris-Rn. 61. Die Kammer berücksichtigt maßgeblich, dass vorliegend nur eine mittelbare Benachteiligung in Rede steht, die zudem nicht ohne Weiteres offensichtlich ist. Die Forderung von Mindestkörperlängen seitens der Beklagten ist zudem durch ein wichtiges Gemeinschaftsgut motiviert, vergleichbare Regelungen im Polizeibereich zudem weit verbreitet. Der Klägerin dürfte dies auch vor ihrer Bewerbung bekannt gewesen sein. Sie hat zudem den auf ihren Bewerbungsverfahrensanspruch gestützten primären Rechtsschutz nur bis ins Widerspruchsverfahren verfolgt und nicht z.B. durch Klage oder auch einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz zum Ausdruck gebracht, dass ihr der Zugang zum Auswahlverfahren für den Vorbereitungsdienst der Beklagten nachhaltig wichtig ist. Sie trifft deshalb ein anspruchsminderndes Mitverschulden (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 14.08.2013-2 K 2669/11 - juris-Rn. 129). Die Kammer hält deshalb ein Monatsbruttogehalt der Besoldungsgruppe A 13, niedrigste Erfahrungsstufe, nach der im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung gültigen Tabelle (3.780,31 EUR) für einen angemessenen Entschädigungsbetrag.

52

Der Anspruch auf Prozesszinsen ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1990 - VIII ZR 296/88 - NJW-RR 1990, 518 f, juris- Rn. 25) ergibt sich aus § 291 BGB in entsprechender Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61 ff., juris-Rn. 6 m.w.N.). Infolge der Klageerhebung zunächst beim Arbeitsgericht, richtet sich der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nach der Zustellung der Klage am 22.04.2014, § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG, §46 Abs. 2 ArbGG, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO.

53

Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat zwar die Höhe des geforderten Entschädigungsbetrages grundsätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedoch mit der Angabe eines nicht zu unterschreitenden Betrages zum Ausdruck gebracht, wann sie sich bei Zurückbleiben hinter diesem Betrag beschwert fühlen würde. Der von der Kammer als angemessen erachtete Betrag liegt erheblich unter der genannten Untergrenze, so dass dieses Teilunterliegen auch kostenmäßig zu berücksichtigen ist, vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1996 - VI ZR 55/95 - BGHZ 132, 341 ff., juris- Rn. 32 ff., Urteil vom 02.02.1999 - VI ZR 25/98-BGHZ 140, 335 ff., juris-Rn. 18.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 709 ZPO bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

55

Die Berufung war nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.780,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 62 % und die Beklagte zu 38 %.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckungsfähigen Kosten, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (Art. 1 des Gesetzes vom 14.08.2006, BGBl. I S. 1897, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 03.04.2013, BGBl. I S. 610, im folgenden AGG) wegen ihrer Nichtberücksichtigung in einem Bewerbungsverfahren der Beklagten aufgrund ihrer unter den aufgestellten Mindestanforderungen liegenden Körperlänge.

2

Die Klägerin bewarb sich als Volljuristin mit beiden juristischen Staatsexamina mit Bewerbung vom 21.11.2013 bei der Bundespolizeiakademie auf eine Stellenausschreibung vom 11.11.2013 um Einstellung in den Vorbereitungsdienst des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Mit Schreiben vom 02.12.2013 wurde die Bewerbung der Klägerin abgelehnt. Sie könne nicht berücksichtigt werden, da sie die Mindestanforderungen der Einstellungsvoraussetzung Körperlänge nicht erfülle. Mit 1,58 m Körperlänge werde die Einstellungsvoraussetzung von mindestens 1,63 m nicht erfüllt. Diese Mindestanforderung ist in den Richtlinien für die Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei festgehalten:

3

„... Die Mindestkörperlänge beträgt für Bewerberinnen 1,63 m und für Bewerber 1,65 m. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm unterschritten werden. Die Körperlänge soll nicht mehr als 1,95 m befragen. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm überschritten werden...“.

4

In der Stellenausschreibung für den höheren Dienst war die Mindestkörperlänge seitens der Beklagten zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht worden.

5

Gegen ihre Ablehnung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2013 Widerspruch. Dieser wurde mit Schreiben vom 20.02.2014 zurückgewiesen. Klage wurde hiergegen nicht erhoben.

6

Mit Schreiben vom 24.01.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche aufgrund von Diskriminierung nach dem AGG geltend. Die Klägerin erhielt eine Eingangsbestätigung, jedoch keine Sachentscheidung.

7

Sie erhob deshalb unter dem 15.04.2014 Klage zum Arbeitsgericht Lübeck, welches die Klage mit Verweisungsbeschluss vom 02.07.2014 — an das erkennende Gericht verwies (Eingang 03.09.2014).

8

Die Mindestlänge als Zugangskriterium zum Polizeidienst sei als Benachteiligung im Sinne einer Behinderung gem. § 1 Var. 6 AGG zu sehen. Die Definition der Behinderung im Sinne des AGG gehe weit über die aus dem Sozialrecht bekannte Definition nach § 2 SGB IX hinaus. Eines festgestellten Behinderungsgrades bedürfe es dabei nicht, weil der Begriff der Behinderung nicht medizinisch, sondern medizinisch-sozial auszulegen sei. Ihre Körperlänge sei ein Dauerzustand und könne von ihr nicht verändert werden. Bei einem Lebensalter von 28 Jahren sei auch nicht mehr mit einem Wachstumsschub zu rechnen.

9

Durch die starre Körperlängenvorgabe von 1,63 m sei ihr der komplette Bereich der Polizei, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, als potentieller Arbeitsplatz entzogen. Die von der Beklagten festgelegte Längenvorgabe sei willkürlich, wie sich schon am Beispiel der unterschiedlichen Körperlängenvoraussetzungen der einzelnen Landespolizeien zeige. Zudem stelle die Beklagte kontinuierlich Frauen in Polizeivollzugsdienst ein, die die geforderte Mindestköperlänge nicht erfüllten, wie eine Reihe von Beispielen aus dem Bereich des Spitzensports zeige.

10

Darüber hinaus bestehe ebenfalls eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gem. § 1 Var. 3 AGG. Frauen seien generell kleiner als Männer. Männer seien de facto über 12 cm länger als Frauen. Danach erfüllten mehr als 40 % der Frauen die vorgegebene Längenvorgabe nicht, im Vergleich aber nur rund 4 % der Männer die Längenvorgabe für Männer von 1,65 m nicht. Es liege insoweit eine unzulässige mittelbare Diskriminierung gem. § 3 Abs. 2 AGG vor.

11

Das Ziel der störungsfreien Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben könne nicht durch eine starre Längenvorgabe ohne Anschauung des Bewerbers gewährleistet werden. Ein pauschales Aussortieren von Bewerberinnen könne nicht sachlich gerechtfertigt sein, weil das eingesetzte Mittel nicht dem Ziel entsprechend angemessen eingesetzt werde. Allein die Möglichkeit, dass es aufgrund einer geringeren Körperlänge zu „Problemen" kommen könne, sei kein tragfähiger Anknüpfungspunkt. Auch in anderen Auswahlregelwerken (z.B. Bundeswehr, Hessische Feuerwehrlaufbahnverordnung) werde eine aufgabenbezogene Einzelfallbetrachtung vorgenommen, selbst die Bundeswehr orientiere sich lediglich an einer „Richtmindestgröße" von 1,55 m.

12

Zudem sei zu beachten, dass es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine Einstellung in den höheren Polizeivollzugsdienst, nach eigener Stellenbeschreibung der Beklagten also um Führungsaufgaben in leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei handele. Der angenommene Bewerber durchlaufe dabei als Vorbereitungsdienst ein 2-jähriges Masterstudium. Originäre Polizeiaufgaben der Beamtinnen im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst seien von dem Aufgabenbereich der ausgeschriebenen Stelle wenn überhaupt nur zu einem minimalen Bruchteil erfasst.

13

Die Längenvorgabe für Frauen von 1,63 m sei auch verfassungswidrig, da sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG und das Willkürverbot verstoße. Es handele sich um eine starre Längenvorgabe, die eine Einzelfallentscheidung generell ausschließe und somit willkürlich sei. Die Köperlänge eines Menschen sei ein völlig ungeeignetes Differenzierungskriterium, da es keine Aussagekraft über die Leistungsfähigkeit habe, auf die jedoch im deutschen Berufsbeamtentum maßgeblich abgestellt werde. Ein Dienstherr, der sein pflichtgemäßes Ermessen allein nach der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ausüben dürfe, handele ermessensfehlerhaft, wenn er eine Längenvorgabe für Frauen von 1,63 m als Anforderung nach § 2 Abs. 3 BLV bestimme. Durch die dahingehende Ungleichbehandlung werde zugleich in das Grundrecht der Art. 33 Abs. 2; Art. 33 Abs. 5 Art. GG eingegriffen. Auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG werde verstoßen. Die Aufgaben einer Polizeivollzugsbeamtin im höheren Dienst würden im Stellenbeschreibungsprofil als „polizeiliche Führungsaufgaben mit leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei" beschrieben. Im Hinblick auf die künftige Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten im höheren Dienst sei eine Mindestvorgabe der Körperlänge - gerade in Bezug auf die zu erwartende überwiegende Ausübung des Berufs von einem Schreibtisch aus - nicht nachvollziehbar.

14

Die Vorgabe einer bestimmten Körperlänge als Zulassungskriterium verstoße auch gegen Art. 8, 19 Abs. 1 AEUV zur Gleichstellung von Männern und Frauen, sowie zur Vermeidung von Diskriminierung u.a. aufgrund von Behinderung und des Geschlechts, sowie gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006. In anderen EU-Ländern (Irland und Österreich) sei aufgrund der Europarechtswidrigkeit von einem Körperlängenausschlusskriterium Abstand genommen worden.

15

Die als Mindestbetrag vorgeschlagene Entschädigungsleistung orientiere sich an dem dreifachen Monatsbruttobetrag der für die ausgeschriebene Stelle angegebenen Besoldungsgruppe A 13 der Bundesbesoldungsordnung.

16

Die Klägerin beantragt,

17

die Beklagte zu verurteilen, ihr eine angemessene Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, soll jedoch einen Betrag von 10.000,- Euro nicht unterschreiten.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG scheide aus. Zwar habe die Beklagte mit ihrer Auswahlentscheidung die Klägerin wegen ihres Geschlechts ungleich behandelt, jedoch liege diesbezüglich eine sachliche Rechtfertigung vor.

21

Es stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmen. Der Dienstherr bestimme nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Zugang zu dem öffentlichen Amt. Sein Ermessen könne der Dienstherr dabei durch Verwaltungsvorschriften binden oder aber durch ein Anforderungsprofil innerhalb der Ausschreibung. Die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen seien der Bundespolizeilaufbahnverordnung (BPolLV) und der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) zu entnehmen. Da der BPolLV im Wesentlichen nur Regelungen zu der Gestaltung und den Ämtern der Laufbahnen, den Einrichtungen des Vorbereitungsdienstes für die jeweiligen Laufbahnen, den Einstellungen in den Vorbereitungsdienst und den Zugang zu den jeweiligen Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei und nicht zu Einstellungsvoraussetzungen zu entnehmen seien, fänden gem. § 1 BPolLV die Vorschriften der BLV Anwendung. Nach § 3 BLV seien alle laufbahnrechtlichen Entscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen, wobei nach § 2 Abs. 3 BLV Befähigung die Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstige Eigenschaften umfasse, die für die dienstliche Verwendung wesentlich seien.

22

In einer angemessenen Körperlänge sehe der Dienstherr eine Eigenschaft, die für die dienstliche Verwendung wesentlich sei. Die Festsetzung von Mindestkörperlängen bei Polizeibeamten sei sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Es könne in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung, beispielsweise im Einsatztraining, und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamtinnen und -beamten beiderlei Geschlechts kommen. Dies habe sich insbesondere im Bekleidungsbereich (z.B. Einsatzhelme, ABC-Schutzmasken) und bei Eingriffstechniken („Festnahmetechnik 360 Grad“, Körperschutztechniken) gezeigt. Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, die erheblich kleiner seien als ein gewaltbereites Gegenüber, seien überdies in dieser Hinsicht physisch und psychologisch im Nachteil, im Angriffsfall würden sie als Schwachstelle angesehen bzw. zum bevorzugten Angriffsziel.

23

Solche längenbedingten Probleme könnten durch die Forderung von Mindestlängen umgangen werden. Bei den Verfahren betreffend die Auswahl und die Einstellung für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei handele es sich um Massenverfahren, da in jedem Jahr insgesamt ca. 1000 Bewerberinnen und Bewerber in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahnen des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei eingestellt würden. Diese Massenverfahren hätten eine Bindung des dem Dienstherrn zustehenden Ermessens betreffend die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in Richtlinien erforderlich gemacht, um sicher zu stellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber sachgemäß ausgewählt und dabei einheitlich und gleichmäßig behandelt würden. Es gebe durchaus auch Unterschiede zwischen den Aufgabenbereichen von Landes- und Bundespolizei. Die Bundespolizei biete überregionale Einsatzmöglichkeiten, auch im Ausland und dort in Krisengebieten.

24

Das Verfahren für die Auswahl und die Einstellung von Nachwuchskräften für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei - beispielsweise mit der Befähigung zum Richteramt - stelle hingegen ein bedarfsorientiertes Verfahren (Einstellung von max. 2 Nachwuchskräften pro Jahr) dar, welches eine Bindung des Ermessens des Dienstherrn in Form einer Verwaltungsvorschrift entbehrlich mache und eine Ermessensbindung durch den Inhalt des entsprechenden Anforderungsprofils ausreichen lasse. Das Anforderungsprofil der Ausschreibung für die Auswahl und die Einstellung von Nachwuchskräften für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei im Jahr 2014 sehe daher, wie bereits auch schon in den letzten Jahren, analog zu den Richtlinien für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei und aus den gleichen Erwägungen wie beim mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei, vor, dass eine Frau mindestens 1,63 m groß sein müsse. Die Forderung einer Mindestlänge auch für die Polizeibeamtin bzw. den Polizeibeamten des höheren Polizeivollzugsdiensts der Bundespolizei sei zum Einen im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt, da auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus dem gehobenen Dienst in den höheren Dienst aufsteigen könnten. Genauso verhalte es sich mit der Polizeidiensttauglichkeit, die unabhängig von der jeweiligen Laufbahn der Bundespolizei bei jeder Bewerberin bzw. jedem Bewerber vorliegen müsse. Zum Anderen würden von den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei zwar polizeiliche Führungsaufgaben in leitender Funktion wahrgenommen. Dies bedeute aber nicht, dass die Beamtinnen und Beamten ausschließlich mit der Planung und Organisation betraut seien, sondern oftmals selbst Teil der Einsätze seien und in einem solchen Fall die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ebenso gewährleistet sein müsse, wie bei dem Einsatz von Beamtinnen und Beamten des mittleren bzw. gehobenen Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Seit dem Jahr 2003 seien ausnahmslos alle eingestellten Juristen und Volljuristen in typischen Erstverwendungen der Bewertungsebene A 13h/14 eingesetzt worden. Der höhere Polizeivollzugsdienst umfasse praktische und strategische Führungsaufgaben in den Dienststellen und Behörden der Bundespolizei. Gemäß ihres Personalentwicklungskonzepts erfolge die Erstverwendung im höheren Polizeivollzugsdienst grundsätzlich in operativen Funktionen (Nr. 9.1.3.1 des PEK). Dadurch solle eine entsprechende Verwendungsbreite im Polizeivollzugsdienst erlangt werden, um sich für Spitzenfunktionen zu qualifizieren. Die im operativen Bereich gesammelten Erfahrungen könnten so in die strategischen Überlegungen der Behörde einfließen. Die einheitlichen Einstellungsvoraussetzungen und damit die vollumfängliche Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter/innen seien das Fundament und Planungsgrundlage für eine Vielzahl verschiedener Personalentwicklungsmaßnahmen und Garant für die Funktionsfähigkeit der Behörde.

25

Die Anforderung einer Mindestlänge verstoße auch nicht gegen das AGG. Die unterdurchschnittliche Körperlänge der Klägerin von 1,58 m sei nicht als eine Behinderung anzusehen. Die Klägerin werde auch nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Da die Körperlänge nicht unmittelbares AGG-Kriterium sei, komme ohnehin allenfalls eine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG in Betracht. Gemäß den Ausführungen der Klägerin anhand der Zahlen des Sozio-Ökonomischen Panels, dass zwar 40 % der Frauen durch die starren Längenvorgaben ausgeschlossen würden, allerdings nur ca. 4 % der Männer, könne dieses Verhältnis von 10:1 eine „besondere Weise" der Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG darstellen. Eine solche mittelbare Ungleichbehandlung sei jedoch zulässig. Eine Anpassung der von der Klägerin angeführten, ungerecht verteilten Prozentsätze auf 3 % für Männer und Frauen gleichermaßen, wäre nicht praktikabel. Es würde dadurch zu einer weiteren Reduzierung der Körperlänge für Frauen auf 156 cm kommen, während es zu einer Erhöhung der Mindestlänge für Männer auf 174 cm kommen würde. Sodann würden männliche Bewerber ausgeschlossen, die länger als 168 cm seien und unstreitig für den Polizeidienst geeignet wären. Um wegen ihrer Länge ungeeignete weibliche Bewerber auszuschließen und andererseits die wegen ihrer ausreichenden Länge geeigneten männlichen Bewerber einzubeziehen, sei es sachlich gerechtfertigt, prozentual mehr Frauen auszuschließen als Männer.

26

Der Einwand der Klägerin, dass sie sich bei einer Anstellung als Juristin im Polizeivollzugsdienst primär mit Führungsaufgaben in leitender Funktion beschäftigen würde und es somit nicht auf ihre Körperlänge ankäme, sei unzutreffend. Wie die Klägerin im Übrigen selbst ausführt, komme es sogar innerhalb des Vorbereitungsstudiums auf den höheren Polizeivollzugsdienst zu der Erfüllung originärer Polizeiaufgaben, für welche eine Mindestkörperlänge aus den genannten Gründen weiterhin unerlässlich sei. Die Führung von Polizeivollzugsbeamten setze zwangsläufig voraus, dass auch die Führungskraft denselben Auswahlprozess durchlaufen habe und der originären Polizeiarbeit ebenso gewachsen sei wie die ihr unterstellten Beamten.

27

Überdies gebe es die Möglichkeit, bei besonderen Fähigkeiten oder Schlüsselqualifikationen eines Bewerbers/einer Bewerberin in sorgfältig begründeten Einzelfällen ausnahmsweise von den Vorgaben für die Mindestkörperlänge abzuweichen. Ausnahmetatbestände könnten darin begründet sein, dass eine Bewerberin eine besondere körperliche Eignung aufweise, beispielsweise im Spitzensport oder bei besonderer Lebens- und/oder Berufserfahrung bzw. eine einschlägige Vorbildung aufweise oder besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweise, die z.B. für eine Spezialverwendung erforderlich seien (z.B. Führen eines Hubschraubers oder spezielle Nahkampfausbildungen), und/oder über überdurchschnittliche Kenntnisse beispielsweise in für die Ermittlungs- und Präventionsarbeit relevante Fremdsprachen verfüge, welche derzeit noch nicht hinreichend innerhalb der Bundespolizei repräsentiert würden (z.B. osteuropäische oder asiatische Sprachen).

28

Das Bundesministerium des Inneren fördere speziell den deutschen Spitzensport und bringe damit zum Ausdruck, dass Sport für die Bundesregierung ein besonders wichtiges Anliegen sei. Leistung und Auftreten deutscher Spitzensportler/innen trügen zum Ansehen Deutschlands in aller Welt bei und motivierten die Menschen, mitzumachen und nachzueifern. Das sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Sport seine soziale und integrative Kraft entfalten könne. Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die den sogenannten Spitzensport lebten, stabilisierten und bereicherten das gesellschaftliche Zusammenleben. Mit der Spitzensportförderung unterstütze die Bundespolizei junge, hochtalentierte Ausnahmeathleten, indem sie ihnen die Möglichkeit gebe, die sportliche Karriere mit einer Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst zu kombinieren und trage damit ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung Rechnung. Voraussetzung eines ausnahmsweisen Abweichens von der Mindestkörperlänge bleibe stets die körperliche Eignung, die Einsatzmittel der Bundespolizei sicher anzuwenden und die persönliche Schutzausrüstung tragen zu können. Besondere, ein Abweichen rechtfertigende Merkmale lägen bei der Klägerin jedoch nicht vor.

29

Die Mindestlängenanforderung sei auch verfassungsgemäß. Aus den genannten Gründen liege kein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 33 Abs. 2 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG vor.

30

Auch ein Verstoß gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006 sowie Art. 8 und 19 AEUV liege nicht vor, denn die genannten Regelungen seien in Deutschland in Form des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in innerstaatliches Recht umgesetzt worden.

31

Der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG setze einen dem Arbeitgeber zurechenbaren Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG voraus. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürften Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Dies liege jedoch aus den dargestellten Gründen nicht vor.

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zwar dem Grunde, jedoch nicht der Höhe nach zu.

33

Die Nichtberücksichtigung in einem Auswahlverfahren für ein öffentliches Amt ist zunächst abstrakt geeignet, einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG auszulösen. Die Beteiligten unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Als Bewerberin für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis im höheren Polizeivollzugsdienst der Beklagten gilt die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 AGG als Beschäftigte im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; die Beklagte als möglicher (künftiger) Dienstherr ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 AGG), vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135 ff, juris-Rn. 12.

34

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (BVerwG a.a.O., juris-Rn. 14).

35

Diese Voraussetzungen liegen vor.

36

Zwar ist die Körperlänge der Klägerin nicht als eine Behinderung im Sinne von § 1 Var. 6 AGG anzusehen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2013 (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/GesundheitszustandRelevantesVerhalten/Tabellen/Koerpermasse.html) liegt die Klägerin 9 cm unter der für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittslänge. Es erscheint der Kammer fernliegend, diese Abweichung vorliegend als eine Behinderung in Erwägung zu ziehen, vgl. auch Nr. 18.7 Stichwort „Kleinwuchs" der GdS-Tabelle zur Versorgungsmedizin-Verordnung, wonach ein Grad der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst unterhalb von 141 cm nach Abschluss des Wachstums in Betracht kommt. Es liegt insoweit keine unmittelbare Diskriminierung wegen Behinderung gem. § 3 Abs. 1 AGG vor.

37

Zwischen den Beteiligten ist allerdings unstreitig, dass die Körperlängenanforderungen eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gem. § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts (§ 1 Var. 3 AGG) bewirken. Die Kammer teilt diese Bewertung der Beteiligten und folgt überdies den Ausführungen des ArbG Köln, Urteil vom 28.11.2013 - 15 Ca 3879/13 - juris-Rn. 37 ff. (insoweit bestätigt durch LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 - 5 Sa 75/14 - juris-Rn. 61 ff.; Revision anhängig beim Bundesarbeitsgericht - 8 AZR 638/14). Eine solche mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG nur gerechtfertigt, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich begründet und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind oder die spezielle Ausnahme nach § 8 Abs. 1 AGG vorliegt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

38

Die damit im AGG formulierten Anforderungen sind jedenfalls was die Anknüpfung an von einem Bewerber nicht beeinflussbare Merkmale angeht dieselben, die auch an eine Begrenzung des Bewerberkreises durch ein beamtenrechtliches Anforderungsprofil zu stellen sind. So ist der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der ihr zustehenden Personal- und Organisationshoheit zwar die Möglichkeit eingeräumt, den Kreis der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt aufgrund sachlicher Erwägungen einzuengen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2007 - 2 BvR 2494/06 - BVerfGK 10, 355, juris-Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff., juris-Rn. 23, Beschluss vom 08.07.2014 - 2 B 7/14 - NVwZ-RR 2014, 885 ff.

39

Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff., juris-Rn. 23 m.w.N.).

40

Bei der Festlegung eines Anforderungsprofils ist der Dienstherr allerdings nicht frei, sondern an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Die Formulierung von Ausschlusskriterien bedarf mithin schon deshalb eines sachlichen Grundes. Wird um des Sachgrundes willen ein Ausschlusskriterium formuliert, das - wie vorliegend - den besonderen Regelungsbereich des AGG berührt, muss sich dieses überdies im Lichte von § 8 Abs. 1 AGG als unter Berücksichtigung des sachlichen Grundes verhältnismäßig in Bezug auf die begründete mittelbare Beeinträchtigung darstellen. Daran fehlt es vorliegend.

41

Die Beklagte beruft sich hinsichtlich der Festsetzung von Mindestkörperlängen bei Polizeivollzugsbeamten auf die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, die durch die geschilderten Probleme gefährdet werde. Sie bezieht sich auf VG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2007-2 K 2070/07 -, juris-Rn. 43:

42

„Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen bei Polizeibeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Vor dem Erlass vom 9. März 2006 ist es in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamten beiderlei Geschlechts gekommen. Hierzu hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 20. August 2007 umfangreiche, detaillierte und überzeugende Ausführungen gemacht, auf die Bezug genommen wird. Derartige, größenbedingte Probleme lassen sich durch die Einführung von Mindestgrößen jedenfalls für den Polizeinachwuchs beheben. Dass es sich bei der störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei um ein rechtmäßiges Ziel handelt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.“

43

Dass die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ein angemessenes Ziel sein kann, um dessen Realisierung willen eine mittelbare Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann, steht auch für die erkennende Kammer außer Frage. Allerdings ersetzt auch der hohe Rang des Ziels nicht den Nachweis der Rechtfertigung der konkreten Maßnahme. Die Angemessenheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel mit einer gewissen Beweiskraft gestützt ist, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244 ff., juris-Rn. 45 f. unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - Rs. C-159/10 und 160/10, Fuchs und Köhler-NVwZ 2011, 1249 Rn. 61, 73 f. und 80 f.).

44

Hinsichtlich des streitgegenständlichen höheren Dienstes hat die Beklagte die Körperlängenanforderungen, die sie für den mittleren und den gehobenen Dienst in Richtlinien gefasst hat, in analoger Anwendung zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht.

45

Die Kammer kann diese Argumentation bereits aufgrund ihrer Pauschalität nicht als hinreichend im Sinne einer zulässigen Beschränkung von Art. 33 Abs. 2 GG und der Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung gem. § 8 AGG ansehen. Es ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit nicht erkennbar, dass das Körperlängenerfordernis von derartiger belegbarer Aussagekraft wäre, dass das den Männer und Frauen erheblich ungleich treffenden Eingriff bezüglich des Zugangs zu öffentlichen Ämtern rechtfertigt. Die Darstellung der von der Beklagten angeführten „Probleme“ bleibt im Allgemeinen, ohne dass zumindest interne Untersuchungen oder ähnliches vorgelegt worden wären. Die Beklagte trifft allerdings die volle Beweislast für die die mittelbare Benachteiligung rechtfertigenden Umstände.

46

Vielerorts, wenn nicht bei globaler Betrachtung sogar überwiegend, wird zumeist auch aufgrund indirekter Benachteiligung von Frauen oder einzelner Ethnien auf ein Mindestlängenkriterium verzichtet und stattdessen auf individuelle Merkmale wie körperliche Fitness und Abwehrfähigkeiten abgestellt. Kirchengast gelangt in ihrer Studie aus dem Jahr 2011 "Minimum body height requirements for police officers - an international comparison”, SIAK-Journal - Journal for Police Science and Practice (Vol. 1), 52-61, verfügbar unter http://dx.doi.org/10.7396/IE_2011_E zu dem Ergebnis, dass Mindestkörpergrößenvorgaben weniger auf einem wissenschaftlich belegten grundsätzlichen Eignungsvorteil beruhen, sondern auf der eher evolutionär/traditionellen Annahme, dass Körperlänge mit körperlicher Leistungsfähigkeit gleichzusetzen ist und dass im Aufeinandertreffen von Polizeikräften mit Gewaltbereiten die Körpergröße einen psychologischen Vorteil darstellen kann. Die Befragungen von Kirchengast haben allerdings auch das Ergebnis gezeitigt, dass auch die Aufgabe von Körpergrößenvorgaben zumeist nicht auf wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern Gründen der political correctness beruhte.

47

In diesem Zusammenhang wäre wegen fehlender Faktenlage deshalb vermutlich sogar eine auf Erfahrungswerte der Beklagten gestützte sachkundige Einschätzung von hohem Erkenntniswert. Hierfür genügt der pauschale Vortrag in diesem Verfahren jedoch nicht. Dies gilt umso mehr, als die für die analoge Übertragung der für den mittleren und gehobenen Dienst geltenden Anforderungen auf den von der Klägerin angestrebten höheren Dienst angeführten Gründe ebenfalls alles andere als zwingend erscheinen. So mögen sich durchaus ggf. im höheren Dienst „große" Aufstiegsbeamte und „kleine" Direkteinstiegsbeamte begegnen. Das von der Beklagten angeführte Gleichheitsproblem kann die Kammer darin allerdings nicht erkennen. Entgegen der Darlegungen der Beklagten sind auch die Aufgaben der unterschiedlichen Laufbahnen jedenfalls nach Abschluss der entsprechenden vorbereitenden Verwendungen ganz überwiegend andere. Selbst wenn man innerdienstliche Akzeptanzgesichtspunkte für eine mögliche Rechtfertigung berücksichtigt, würde das bemühte Szenario der „kleinen Führungskraft" doch überbetont. Denn zum Einen hieße der Verzicht auf eine Mindestkörperlänge nicht, dass nicht auf andere Weise eine hinreichende körperliche Eignung definiert und überprüft werden könnte. Zum Anderen erlaubten auch die geltenden internen Vorschriften theoretisch bereits um bis zu 197 cm - 161 cm = 36 cm kürzere Führungskräfte. Daneben steht allgemein zu hoffen, dass Führungskräften neben der reinen Physis auch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich bei dem ihnen unterstellten Personal Respekt und Anerkennung zu verschaffen.

48

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen der Beklagten zu ihrer Ausnahmepraxis im Bereich des Spitzensports wegen des „Ansehens Deutschlands in aller Welt" und zur Motivation der Menschen, „mitzumachen und nachzueifern" in Bezug auf eine Person, die jedenfalls ausweislich ihrer Bewerbung „mitmachen" wollte und aufgrund einer unveränderlichen körperlichen Eigenschaft hiervon abgehalten wurde, wenig überzeugend ist. Die betroffenen Spitzensportler stehen verkürzt dargestellt nämlich nur deshalb in Diensten der Beklagten, weil diese sich mit ihnen positiv darstellen kann. Könnte die Beklagte dies nicht, wäre diesem Personenkreis der Weg in die Dienste der Beklagten verwehrt. Das Grundgesetz und das AGG verpflichten die Beklagte aber dazu, losgelöst von der Verwertbarkeit für die öffentliche Darstellung Benachteiligungen aufgrund unveränderlicher Eigenschaften nur dann vorzunehmen, wenn sie hierfür einen sachlichen Grund nachweisen kann.

49

Hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Entschädigung waren die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das BAG, Urteil vom 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NJW 2014, 2893 ff., juris-Rn. 44 hat diesbezüglich ausgeführt:

50

„Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181)."

51

Diese Erwägungen des BAG gelten auch für den vorliegend streitigen Entschädigungsanspruch nach AGG in Bezug auf ein Beamtenverhältnis, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - 2 C 3/13 - juris-Rn. 61. Die Kammer berücksichtigt maßgeblich, dass vorliegend nur eine mittelbare Benachteiligung in Rede steht, die zudem nicht ohne Weiteres offensichtlich ist. Die Forderung von Mindestkörperlängen seitens der Beklagten ist zudem durch ein wichtiges Gemeinschaftsgut motiviert, vergleichbare Regelungen im Polizeibereich zudem weit verbreitet. Der Klägerin dürfte dies auch vor ihrer Bewerbung bekannt gewesen sein. Sie hat zudem den auf ihren Bewerbungsverfahrensanspruch gestützten primären Rechtsschutz nur bis ins Widerspruchsverfahren verfolgt und nicht z.B. durch Klage oder auch einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz zum Ausdruck gebracht, dass ihr der Zugang zum Auswahlverfahren für den Vorbereitungsdienst der Beklagten nachhaltig wichtig ist. Sie trifft deshalb ein anspruchsminderndes Mitverschulden (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 14.08.2013-2 K 2669/11 - juris-Rn. 129). Die Kammer hält deshalb ein Monatsbruttogehalt der Besoldungsgruppe A 13, niedrigste Erfahrungsstufe, nach der im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung gültigen Tabelle (3.780,31 EUR) für einen angemessenen Entschädigungsbetrag.

52

Der Anspruch auf Prozesszinsen ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1990 - VIII ZR 296/88 - NJW-RR 1990, 518 f, juris- Rn. 25) ergibt sich aus § 291 BGB in entsprechender Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61 ff., juris-Rn. 6 m.w.N.). Infolge der Klageerhebung zunächst beim Arbeitsgericht, richtet sich der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nach der Zustellung der Klage am 22.04.2014, § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG, §46 Abs. 2 ArbGG, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO.

53

Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat zwar die Höhe des geforderten Entschädigungsbetrages grundsätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedoch mit der Angabe eines nicht zu unterschreitenden Betrages zum Ausdruck gebracht, wann sie sich bei Zurückbleiben hinter diesem Betrag beschwert fühlen würde. Der von der Kammer als angemessen erachtete Betrag liegt erheblich unter der genannten Untergrenze, so dass dieses Teilunterliegen auch kostenmäßig zu berücksichtigen ist, vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1996 - VI ZR 55/95 - BGHZ 132, 341 ff., juris- Rn. 32 ff., Urteil vom 02.02.1999 - VI ZR 25/98-BGHZ 140, 335 ff., juris-Rn. 18.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 709 ZPO bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

55

Die Berufung war nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Gründe

A.

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem Konkurrentenstreit um die Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts in Hessen (R4); er ist insbesondere der Auffassung, das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Beförderungsstelle sei im Vergleich zum Anforderungsprofil für das Amt eines Vorsitzenden Richters an einem oberen Landesgericht unzutreffend festgelegt worden.

2

Ausweislich der im Justizministerialblatt für Hessen (JMBl 2005, S. 50 ff.) niedergelegten Anforderungsprofile für die Eingangs- und Beförderungsämter im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst erfordert das Amt eines Vorsitzenden Richters (Nr. 2.3.) in der Kategorie "Ausgeprägte Fachkompetenz" (Nr. 2.3.2.) insbesondere die "Fähigkeit, auf die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung des Spruchkörpers hinzuwirken" und "Erfahrung in der Verhandlungsführung". Auf die in Nr. 2.3.2. genannten Erfordernisse nimmt das Anforderungsprofil für das Amt eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts (Nr. 2.5.) keinen Bezug; dort wird in der Kategorie "Ausgeprägte Fachkompetenz" (Nr. 2.5.2.) auf die Anforderungen des Basisprofils (= Profil eines Richters oder Staatsanwaltes der Besoldungsgruppe R1, Nr. 1.2.) verwiesen, die ab einem Amt der Besoldungsgruppe R3 in besonders ausgeprägter Form vorzuliegen haben.

3

1. Das vom Beschwerdeführer nach der Ablehnung seiner Bewerbung angerufene Verwaltungsgericht entsprach seinem Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz nicht. Der vom Beschwerdeführer gezogene Schluss, es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass an das Amt eines Vizepräsidenten, der fraglos auch die Leitung eines Senats zu übernehmen habe, in Bezug auf die Fachkompetenz keine geringeren Anforderungen zu stellen seien als an einen Vorsitzenden Richter, sei keineswegs zwingend. Dem Dienstherrn stehe hinsichtlich der Ausgestaltung des Anforderungsprofils ein weiter Organisationsspielraum zur Verfügung. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr in Ausübung dieses Spielraums seinen personalplanerischen und justizpolitischen Vorstellungen dadurch Ausdruck verleihe, dass er in Bezug auf die Besetzung eines richterlichen Spitzenamtes einschlägige Vorerfahrungen in der Fachgerichtsbarkeit ebenso wenig als unverzichtbares Merkmal des Anforderungsprofils ansehe wie Erfahrungen in der Leitung eines richterlichen Kollegialorgans, um damit "Quereinsteigern" den Zugang zu Spitzenämtern der verschiedenen Gerichtsbarkeiten zur ermöglichen.

4

2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. September 2010 zurück.

II.

5

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines durch Art. 33 Abs. 2 GG verbürgten Bewerbungsverfahrensrechts und beantragt zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

6

Er ist der Ansicht, der Aufgabenbereich des Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts umfasse zu gleichen Teilen Aufgaben in der Rechtsprechung als Senatsvorsitzender und Aufgaben in der Gerichtsverwaltung und sei primär ein Richteramt; der Justizverwaltung stehe insoweit kein Organisationsermessen zu. Die im Anforderungsprofil für einen Vorsitzenden Richter genannten Anforderungen seien auch für das Amt eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts objektiv erforderlich. Angesichts dessen sei das Anforderungsprofil für das Amt eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts wegen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Bestenauslese fehlerhaft. Darüber hinaus habe der Dienstherr sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt.

B.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist.

8

Die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG.

9

1. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen.

10

a) Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Bestenauslesegrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der Beamten oder Richter an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Art. 33 Abs. 2 GG gibt somit die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern abschließend vor. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist (vgl. BVerfGK 12, 184 <186>; 12, 265 <268>; 12, 284 <287>).

11

Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens; der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfGK 12, 184 <186>; 12, 265 <268 f.>; 12, 284 <287>).

12

b) Die Ermittlung des gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung am besten geeigneten Bewerbers hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen (vgl. BVerfGE 96, 205 <211>). Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist. Die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung können vom Dienstherrn in Bezug auf den Aufgabenbereich eines konkreten Amtes durch die Festlegung eines Anforderungsprofils bereits im Vorfeld der Auswahlentscheidung konkretisiert werden.

13

Inwieweit dem Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt bei der Festlegung des Aufgabenbereichs eines bestimmten Amtes oder eines hierauf bezogenen Anforderungsprofils ein mehr oder weniger großer Einschätzungsspielraum zuzugestehen ist, lässt sich nicht abstrakt formulieren, sondern ist bereichsspezifisch anhand des jeweiligen Fachrechts unter Berücksichtigung grundgesetzlicher Vorgaben näher zu bestimmen. Die Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt durch die Festlegung eines Anforderungsprofils kann wegen der damit verbundenen teilweisen Vorwegnahme der Auswahlentscheidung jedenfalls nur aufgrund sachlicher, dem Grundsatz der Bestenauslese entsprechender Erwägungen erfolgen; die Einhaltung der der Organisationsgewalt des Dienstherrn gezogenen Schranken unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGK 12, 184 <187>; 12, 265 <270>; 12, 284 <288>). Fehler im Anforderungsprofil führen grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auch auf sachfremden, nicht am Leistungsgrundsatz orientierten Gesichtspunkten beruhen (BVerfGK 12, 184 <188>; 12, 265 <271>; 12, 284 <289>). Im Übrigen unterliegt es nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umständen der Dienstherr im Rahmen seines Auswahlermessens das größere Gewicht beimisst (vgl. BVerfGK 12, 106 <108 f.>).

14

2. Gemessen hieran kann eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

15

a) Das Amt eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts umfasst sowohl richterliche Aufgaben als Senatsvorsitzender als auch - in erster Linie als Vertreter des Präsidenten - Aufgaben im Rahmen der Gerichtsverwaltung; insoweit ist die Definition des Aufgabenbereichs dieses Amtes der Organisationsgewalt des Dienstherrn entzogen. In welchem Umfang dem Vizepräsidenten neben seinen richterlichen Aufgaben auch Aufgaben der Verwaltung obliegen, bemisst sich - im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen (vgl. hierzu etwa BVerfGE 38, 139 <151 ff.>; 76, 100 <106>) - nach dem einfachen Recht sowie der gerichtsinternen Geschäftsverteilung und Organisation. So bestimmt beispielsweise § 1 Abs. 2 Nr. 2 a) der Hessischen Verordnung zur Regelung der Dienstaufsicht und der Gerichtsverwaltung in der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit sowie sonstiger Zuständigkeiten in der Sozialgerichtsbarkeit vom 24. September 2007 (GVBl I S. 667), dass die Präsidentin oder der Präsident des Landessozialgerichts die Dienstaufsicht über dieses Gericht und die Sozialgerichte des Landes ausübt. Im Übrigen sind keine verfassungs- oder einfachrechtlichen Vorgaben ersichtlich, die von vornherein das Verhältnis von Richter- und Verwaltungsaufgaben eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts für den Dienstherrn verbindlich vorgeben würden.

16

Die Fachgerichte sind angesichts dessen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es weitgehend dem Einschätzungsspielraum des Dienstherrn obliegt, ob und wenn ja welchem der beiden Aufgabenkreise eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts er bei der Formulierung des Anforderungsprofils sowie im Rahmen der anschließenden Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers besonderes Gewicht beimisst. Danach begegnet auch die Auffassung der Verwaltungsgerichte keinen Bedenken, das Justizministerium habe - unabhängig von der Frage der erst im Rahmen der Geschäftsverteilung zu entscheidenden zeitlichen Gewichtung der beiden Aufgabenkreise - die Verwaltungsaufgaben eines Vizepräsidenten für bedeutsamer als die rechtsprechenden Aufgaben ansehen dürfen.

17

Unbedenklich ist danach die Annahme der Verwaltungsgerichte, das Justizministerium habe sich in den im Runderlass formulierten Anforderungsprofilen dafür entscheiden können, nur den Kreis der Bewerber um die Stelle eines Vorsitzenden Richters insoweit einzuengen, als hierfür allein Bewerber mit Erfahrungen in der Verhandlungsführung in Betracht kommen, während für das Amt des Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts solche Vorerfahrungen nicht für erforderlich angesehen wurden.

18

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauslese liegt schließlich auch insofern nicht vor, als im Anforderungsprofil eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts nicht ausdrücklich - wie im Anforderungsprofil eines Vorsitzenden Richters - die Fähigkeit verlangt wird, auf die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung des Spruchkörpers hinzuwirken. Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Verwaltungsgerichte es als sachgerecht und damit gerichtlich nicht zu beanstanden angesehen haben, dass das Justizministerium sich dafür entschieden hat, die von einem Bewerber um das Amt eines Vizepräsidenten eines oberen Landesgerichts zu fordernden fachlichen Fähigkeiten anders als die für das Amt eines Vorsitzenden Richters zu beschreiben und insofern das Vorliegen der (allgemeinen) juristischen Fähigkeiten eines R1-Richters in besonders ausgeprägter Form für ausreichend zu halten. Es ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nichts dafür ersichtlich, dass das Justizministerium damit den "objektiv für das Amt eines Vizepräsidenten erforderlichen Anforderungen" nicht gerecht geworden wäre.

19

b) Auch soweit die Verwaltungsgerichte die Auswahlentscheidung des Justizministeriums für ermessensfehlerfrei gehalten haben, kann kein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG festgestellt werden.

20

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.780,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 62 % und die Beklagte zu 38 %.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckungsfähigen Kosten, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (Art. 1 des Gesetzes vom 14.08.2006, BGBl. I S. 1897, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 03.04.2013, BGBl. I S. 610, im folgenden AGG) wegen ihrer Nichtberücksichtigung in einem Bewerbungsverfahren der Beklagten aufgrund ihrer unter den aufgestellten Mindestanforderungen liegenden Körperlänge.

2

Die Klägerin bewarb sich als Volljuristin mit beiden juristischen Staatsexamina mit Bewerbung vom 21.11.2013 bei der Bundespolizeiakademie auf eine Stellenausschreibung vom 11.11.2013 um Einstellung in den Vorbereitungsdienst des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Mit Schreiben vom 02.12.2013 wurde die Bewerbung der Klägerin abgelehnt. Sie könne nicht berücksichtigt werden, da sie die Mindestanforderungen der Einstellungsvoraussetzung Körperlänge nicht erfülle. Mit 1,58 m Körperlänge werde die Einstellungsvoraussetzung von mindestens 1,63 m nicht erfüllt. Diese Mindestanforderung ist in den Richtlinien für die Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei festgehalten:

3

„... Die Mindestkörperlänge beträgt für Bewerberinnen 1,63 m und für Bewerber 1,65 m. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm unterschritten werden. Die Körperlänge soll nicht mehr als 1,95 m befragen. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm überschritten werden...“.

4

In der Stellenausschreibung für den höheren Dienst war die Mindestkörperlänge seitens der Beklagten zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht worden.

5

Gegen ihre Ablehnung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2013 Widerspruch. Dieser wurde mit Schreiben vom 20.02.2014 zurückgewiesen. Klage wurde hiergegen nicht erhoben.

6

Mit Schreiben vom 24.01.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche aufgrund von Diskriminierung nach dem AGG geltend. Die Klägerin erhielt eine Eingangsbestätigung, jedoch keine Sachentscheidung.

7

Sie erhob deshalb unter dem 15.04.2014 Klage zum Arbeitsgericht Lübeck, welches die Klage mit Verweisungsbeschluss vom 02.07.2014 — an das erkennende Gericht verwies (Eingang 03.09.2014).

8

Die Mindestlänge als Zugangskriterium zum Polizeidienst sei als Benachteiligung im Sinne einer Behinderung gem. § 1 Var. 6 AGG zu sehen. Die Definition der Behinderung im Sinne des AGG gehe weit über die aus dem Sozialrecht bekannte Definition nach § 2 SGB IX hinaus. Eines festgestellten Behinderungsgrades bedürfe es dabei nicht, weil der Begriff der Behinderung nicht medizinisch, sondern medizinisch-sozial auszulegen sei. Ihre Körperlänge sei ein Dauerzustand und könne von ihr nicht verändert werden. Bei einem Lebensalter von 28 Jahren sei auch nicht mehr mit einem Wachstumsschub zu rechnen.

9

Durch die starre Körperlängenvorgabe von 1,63 m sei ihr der komplette Bereich der Polizei, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, als potentieller Arbeitsplatz entzogen. Die von der Beklagten festgelegte Längenvorgabe sei willkürlich, wie sich schon am Beispiel der unterschiedlichen Körperlängenvoraussetzungen der einzelnen Landespolizeien zeige. Zudem stelle die Beklagte kontinuierlich Frauen in Polizeivollzugsdienst ein, die die geforderte Mindestköperlänge nicht erfüllten, wie eine Reihe von Beispielen aus dem Bereich des Spitzensports zeige.

10

Darüber hinaus bestehe ebenfalls eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gem. § 1 Var. 3 AGG. Frauen seien generell kleiner als Männer. Männer seien de facto über 12 cm länger als Frauen. Danach erfüllten mehr als 40 % der Frauen die vorgegebene Längenvorgabe nicht, im Vergleich aber nur rund 4 % der Männer die Längenvorgabe für Männer von 1,65 m nicht. Es liege insoweit eine unzulässige mittelbare Diskriminierung gem. § 3 Abs. 2 AGG vor.

11

Das Ziel der störungsfreien Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben könne nicht durch eine starre Längenvorgabe ohne Anschauung des Bewerbers gewährleistet werden. Ein pauschales Aussortieren von Bewerberinnen könne nicht sachlich gerechtfertigt sein, weil das eingesetzte Mittel nicht dem Ziel entsprechend angemessen eingesetzt werde. Allein die Möglichkeit, dass es aufgrund einer geringeren Körperlänge zu „Problemen" kommen könne, sei kein tragfähiger Anknüpfungspunkt. Auch in anderen Auswahlregelwerken (z.B. Bundeswehr, Hessische Feuerwehrlaufbahnverordnung) werde eine aufgabenbezogene Einzelfallbetrachtung vorgenommen, selbst die Bundeswehr orientiere sich lediglich an einer „Richtmindestgröße" von 1,55 m.

12

Zudem sei zu beachten, dass es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine Einstellung in den höheren Polizeivollzugsdienst, nach eigener Stellenbeschreibung der Beklagten also um Führungsaufgaben in leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei handele. Der angenommene Bewerber durchlaufe dabei als Vorbereitungsdienst ein 2-jähriges Masterstudium. Originäre Polizeiaufgaben der Beamtinnen im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst seien von dem Aufgabenbereich der ausgeschriebenen Stelle wenn überhaupt nur zu einem minimalen Bruchteil erfasst.

13

Die Längenvorgabe für Frauen von 1,63 m sei auch verfassungswidrig, da sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG und das Willkürverbot verstoße. Es handele sich um eine starre Längenvorgabe, die eine Einzelfallentscheidung generell ausschließe und somit willkürlich sei. Die Köperlänge eines Menschen sei ein völlig ungeeignetes Differenzierungskriterium, da es keine Aussagekraft über die Leistungsfähigkeit habe, auf die jedoch im deutschen Berufsbeamtentum maßgeblich abgestellt werde. Ein Dienstherr, der sein pflichtgemäßes Ermessen allein nach der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ausüben dürfe, handele ermessensfehlerhaft, wenn er eine Längenvorgabe für Frauen von 1,63 m als Anforderung nach § 2 Abs. 3 BLV bestimme. Durch die dahingehende Ungleichbehandlung werde zugleich in das Grundrecht der Art. 33 Abs. 2; Art. 33 Abs. 5 Art. GG eingegriffen. Auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG werde verstoßen. Die Aufgaben einer Polizeivollzugsbeamtin im höheren Dienst würden im Stellenbeschreibungsprofil als „polizeiliche Führungsaufgaben mit leitender Funktion im Aufgabenbereich der Bundespolizei" beschrieben. Im Hinblick auf die künftige Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten im höheren Dienst sei eine Mindestvorgabe der Körperlänge - gerade in Bezug auf die zu erwartende überwiegende Ausübung des Berufs von einem Schreibtisch aus - nicht nachvollziehbar.

14

Die Vorgabe einer bestimmten Körperlänge als Zulassungskriterium verstoße auch gegen Art. 8, 19 Abs. 1 AEUV zur Gleichstellung von Männern und Frauen, sowie zur Vermeidung von Diskriminierung u.a. aufgrund von Behinderung und des Geschlechts, sowie gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006. In anderen EU-Ländern (Irland und Österreich) sei aufgrund der Europarechtswidrigkeit von einem Körperlängenausschlusskriterium Abstand genommen worden.

15

Die als Mindestbetrag vorgeschlagene Entschädigungsleistung orientiere sich an dem dreifachen Monatsbruttobetrag der für die ausgeschriebene Stelle angegebenen Besoldungsgruppe A 13 der Bundesbesoldungsordnung.

16

Die Klägerin beantragt,

17

die Beklagte zu verurteilen, ihr eine angemessene Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, soll jedoch einen Betrag von 10.000,- Euro nicht unterschreiten.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG scheide aus. Zwar habe die Beklagte mit ihrer Auswahlentscheidung die Klägerin wegen ihres Geschlechts ungleich behandelt, jedoch liege diesbezüglich eine sachliche Rechtfertigung vor.

21

Es stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmen. Der Dienstherr bestimme nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Zugang zu dem öffentlichen Amt. Sein Ermessen könne der Dienstherr dabei durch Verwaltungsvorschriften binden oder aber durch ein Anforderungsprofil innerhalb der Ausschreibung. Die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen seien der Bundespolizeilaufbahnverordnung (BPolLV) und der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) zu entnehmen. Da der BPolLV im Wesentlichen nur Regelungen zu der Gestaltung und den Ämtern der Laufbahnen, den Einrichtungen des Vorbereitungsdienstes für die jeweiligen Laufbahnen, den Einstellungen in den Vorbereitungsdienst und den Zugang zu den jeweiligen Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei und nicht zu Einstellungsvoraussetzungen zu entnehmen seien, fänden gem. § 1 BPolLV die Vorschriften der BLV Anwendung. Nach § 3 BLV seien alle laufbahnrechtlichen Entscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen, wobei nach § 2 Abs. 3 BLV Befähigung die Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstige Eigenschaften umfasse, die für die dienstliche Verwendung wesentlich seien.

22

In einer angemessenen Körperlänge sehe der Dienstherr eine Eigenschaft, die für die dienstliche Verwendung wesentlich sei. Die Festsetzung von Mindestkörperlängen bei Polizeibeamten sei sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Es könne in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung, beispielsweise im Einsatztraining, und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamtinnen und -beamten beiderlei Geschlechts kommen. Dies habe sich insbesondere im Bekleidungsbereich (z.B. Einsatzhelme, ABC-Schutzmasken) und bei Eingriffstechniken („Festnahmetechnik 360 Grad“, Körperschutztechniken) gezeigt. Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, die erheblich kleiner seien als ein gewaltbereites Gegenüber, seien überdies in dieser Hinsicht physisch und psychologisch im Nachteil, im Angriffsfall würden sie als Schwachstelle angesehen bzw. zum bevorzugten Angriffsziel.

23

Solche längenbedingten Probleme könnten durch die Forderung von Mindestlängen umgangen werden. Bei den Verfahren betreffend die Auswahl und die Einstellung für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei handele es sich um Massenverfahren, da in jedem Jahr insgesamt ca. 1000 Bewerberinnen und Bewerber in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahnen des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei eingestellt würden. Diese Massenverfahren hätten eine Bindung des dem Dienstherrn zustehenden Ermessens betreffend die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in Richtlinien erforderlich gemacht, um sicher zu stellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber sachgemäß ausgewählt und dabei einheitlich und gleichmäßig behandelt würden. Es gebe durchaus auch Unterschiede zwischen den Aufgabenbereichen von Landes- und Bundespolizei. Die Bundespolizei biete überregionale Einsatzmöglichkeiten, auch im Ausland und dort in Krisengebieten.

24

Das Verfahren für die Auswahl und die Einstellung von Nachwuchskräften für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei - beispielsweise mit der Befähigung zum Richteramt - stelle hingegen ein bedarfsorientiertes Verfahren (Einstellung von max. 2 Nachwuchskräften pro Jahr) dar, welches eine Bindung des Ermessens des Dienstherrn in Form einer Verwaltungsvorschrift entbehrlich mache und eine Ermessensbindung durch den Inhalt des entsprechenden Anforderungsprofils ausreichen lasse. Das Anforderungsprofil der Ausschreibung für die Auswahl und die Einstellung von Nachwuchskräften für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei im Jahr 2014 sehe daher, wie bereits auch schon in den letzten Jahren, analog zu den Richtlinien für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei und aus den gleichen Erwägungen wie beim mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei, vor, dass eine Frau mindestens 1,63 m groß sein müsse. Die Forderung einer Mindestlänge auch für die Polizeibeamtin bzw. den Polizeibeamten des höheren Polizeivollzugsdiensts der Bundespolizei sei zum Einen im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt, da auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus dem gehobenen Dienst in den höheren Dienst aufsteigen könnten. Genauso verhalte es sich mit der Polizeidiensttauglichkeit, die unabhängig von der jeweiligen Laufbahn der Bundespolizei bei jeder Bewerberin bzw. jedem Bewerber vorliegen müsse. Zum Anderen würden von den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei zwar polizeiliche Führungsaufgaben in leitender Funktion wahrgenommen. Dies bedeute aber nicht, dass die Beamtinnen und Beamten ausschließlich mit der Planung und Organisation betraut seien, sondern oftmals selbst Teil der Einsätze seien und in einem solchen Fall die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ebenso gewährleistet sein müsse, wie bei dem Einsatz von Beamtinnen und Beamten des mittleren bzw. gehobenen Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Seit dem Jahr 2003 seien ausnahmslos alle eingestellten Juristen und Volljuristen in typischen Erstverwendungen der Bewertungsebene A 13h/14 eingesetzt worden. Der höhere Polizeivollzugsdienst umfasse praktische und strategische Führungsaufgaben in den Dienststellen und Behörden der Bundespolizei. Gemäß ihres Personalentwicklungskonzepts erfolge die Erstverwendung im höheren Polizeivollzugsdienst grundsätzlich in operativen Funktionen (Nr. 9.1.3.1 des PEK). Dadurch solle eine entsprechende Verwendungsbreite im Polizeivollzugsdienst erlangt werden, um sich für Spitzenfunktionen zu qualifizieren. Die im operativen Bereich gesammelten Erfahrungen könnten so in die strategischen Überlegungen der Behörde einfließen. Die einheitlichen Einstellungsvoraussetzungen und damit die vollumfängliche Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter/innen seien das Fundament und Planungsgrundlage für eine Vielzahl verschiedener Personalentwicklungsmaßnahmen und Garant für die Funktionsfähigkeit der Behörde.

25

Die Anforderung einer Mindestlänge verstoße auch nicht gegen das AGG. Die unterdurchschnittliche Körperlänge der Klägerin von 1,58 m sei nicht als eine Behinderung anzusehen. Die Klägerin werde auch nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Da die Körperlänge nicht unmittelbares AGG-Kriterium sei, komme ohnehin allenfalls eine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG in Betracht. Gemäß den Ausführungen der Klägerin anhand der Zahlen des Sozio-Ökonomischen Panels, dass zwar 40 % der Frauen durch die starren Längenvorgaben ausgeschlossen würden, allerdings nur ca. 4 % der Männer, könne dieses Verhältnis von 10:1 eine „besondere Weise" der Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG darstellen. Eine solche mittelbare Ungleichbehandlung sei jedoch zulässig. Eine Anpassung der von der Klägerin angeführten, ungerecht verteilten Prozentsätze auf 3 % für Männer und Frauen gleichermaßen, wäre nicht praktikabel. Es würde dadurch zu einer weiteren Reduzierung der Körperlänge für Frauen auf 156 cm kommen, während es zu einer Erhöhung der Mindestlänge für Männer auf 174 cm kommen würde. Sodann würden männliche Bewerber ausgeschlossen, die länger als 168 cm seien und unstreitig für den Polizeidienst geeignet wären. Um wegen ihrer Länge ungeeignete weibliche Bewerber auszuschließen und andererseits die wegen ihrer ausreichenden Länge geeigneten männlichen Bewerber einzubeziehen, sei es sachlich gerechtfertigt, prozentual mehr Frauen auszuschließen als Männer.

26

Der Einwand der Klägerin, dass sie sich bei einer Anstellung als Juristin im Polizeivollzugsdienst primär mit Führungsaufgaben in leitender Funktion beschäftigen würde und es somit nicht auf ihre Körperlänge ankäme, sei unzutreffend. Wie die Klägerin im Übrigen selbst ausführt, komme es sogar innerhalb des Vorbereitungsstudiums auf den höheren Polizeivollzugsdienst zu der Erfüllung originärer Polizeiaufgaben, für welche eine Mindestkörperlänge aus den genannten Gründen weiterhin unerlässlich sei. Die Führung von Polizeivollzugsbeamten setze zwangsläufig voraus, dass auch die Führungskraft denselben Auswahlprozess durchlaufen habe und der originären Polizeiarbeit ebenso gewachsen sei wie die ihr unterstellten Beamten.

27

Überdies gebe es die Möglichkeit, bei besonderen Fähigkeiten oder Schlüsselqualifikationen eines Bewerbers/einer Bewerberin in sorgfältig begründeten Einzelfällen ausnahmsweise von den Vorgaben für die Mindestkörperlänge abzuweichen. Ausnahmetatbestände könnten darin begründet sein, dass eine Bewerberin eine besondere körperliche Eignung aufweise, beispielsweise im Spitzensport oder bei besonderer Lebens- und/oder Berufserfahrung bzw. eine einschlägige Vorbildung aufweise oder besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweise, die z.B. für eine Spezialverwendung erforderlich seien (z.B. Führen eines Hubschraubers oder spezielle Nahkampfausbildungen), und/oder über überdurchschnittliche Kenntnisse beispielsweise in für die Ermittlungs- und Präventionsarbeit relevante Fremdsprachen verfüge, welche derzeit noch nicht hinreichend innerhalb der Bundespolizei repräsentiert würden (z.B. osteuropäische oder asiatische Sprachen).

28

Das Bundesministerium des Inneren fördere speziell den deutschen Spitzensport und bringe damit zum Ausdruck, dass Sport für die Bundesregierung ein besonders wichtiges Anliegen sei. Leistung und Auftreten deutscher Spitzensportler/innen trügen zum Ansehen Deutschlands in aller Welt bei und motivierten die Menschen, mitzumachen und nachzueifern. Das sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Sport seine soziale und integrative Kraft entfalten könne. Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die den sogenannten Spitzensport lebten, stabilisierten und bereicherten das gesellschaftliche Zusammenleben. Mit der Spitzensportförderung unterstütze die Bundespolizei junge, hochtalentierte Ausnahmeathleten, indem sie ihnen die Möglichkeit gebe, die sportliche Karriere mit einer Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst zu kombinieren und trage damit ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung Rechnung. Voraussetzung eines ausnahmsweisen Abweichens von der Mindestkörperlänge bleibe stets die körperliche Eignung, die Einsatzmittel der Bundespolizei sicher anzuwenden und die persönliche Schutzausrüstung tragen zu können. Besondere, ein Abweichen rechtfertigende Merkmale lägen bei der Klägerin jedoch nicht vor.

29

Die Mindestlängenanforderung sei auch verfassungsgemäß. Aus den genannten Gründen liege kein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 33 Abs. 2 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG vor.

30

Auch ein Verstoß gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006 sowie Art. 8 und 19 AEUV liege nicht vor, denn die genannten Regelungen seien in Deutschland in Form des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in innerstaatliches Recht umgesetzt worden.

31

Der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG setze einen dem Arbeitgeber zurechenbaren Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG voraus. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürften Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Dies liege jedoch aus den dargestellten Gründen nicht vor.

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zwar dem Grunde, jedoch nicht der Höhe nach zu.

33

Die Nichtberücksichtigung in einem Auswahlverfahren für ein öffentliches Amt ist zunächst abstrakt geeignet, einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG auszulösen. Die Beteiligten unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Als Bewerberin für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis im höheren Polizeivollzugsdienst der Beklagten gilt die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 AGG als Beschäftigte im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; die Beklagte als möglicher (künftiger) Dienstherr ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 AGG), vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135 ff, juris-Rn. 12.

34

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (BVerwG a.a.O., juris-Rn. 14).

35

Diese Voraussetzungen liegen vor.

36

Zwar ist die Körperlänge der Klägerin nicht als eine Behinderung im Sinne von § 1 Var. 6 AGG anzusehen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2013 (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/GesundheitszustandRelevantesVerhalten/Tabellen/Koerpermasse.html) liegt die Klägerin 9 cm unter der für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittslänge. Es erscheint der Kammer fernliegend, diese Abweichung vorliegend als eine Behinderung in Erwägung zu ziehen, vgl. auch Nr. 18.7 Stichwort „Kleinwuchs" der GdS-Tabelle zur Versorgungsmedizin-Verordnung, wonach ein Grad der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst unterhalb von 141 cm nach Abschluss des Wachstums in Betracht kommt. Es liegt insoweit keine unmittelbare Diskriminierung wegen Behinderung gem. § 3 Abs. 1 AGG vor.

37

Zwischen den Beteiligten ist allerdings unstreitig, dass die Körperlängenanforderungen eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gem. § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts (§ 1 Var. 3 AGG) bewirken. Die Kammer teilt diese Bewertung der Beteiligten und folgt überdies den Ausführungen des ArbG Köln, Urteil vom 28.11.2013 - 15 Ca 3879/13 - juris-Rn. 37 ff. (insoweit bestätigt durch LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 - 5 Sa 75/14 - juris-Rn. 61 ff.; Revision anhängig beim Bundesarbeitsgericht - 8 AZR 638/14). Eine solche mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG nur gerechtfertigt, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich begründet und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind oder die spezielle Ausnahme nach § 8 Abs. 1 AGG vorliegt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

38

Die damit im AGG formulierten Anforderungen sind jedenfalls was die Anknüpfung an von einem Bewerber nicht beeinflussbare Merkmale angeht dieselben, die auch an eine Begrenzung des Bewerberkreises durch ein beamtenrechtliches Anforderungsprofil zu stellen sind. So ist der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der ihr zustehenden Personal- und Organisationshoheit zwar die Möglichkeit eingeräumt, den Kreis der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt aufgrund sachlicher Erwägungen einzuengen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2007 - 2 BvR 2494/06 - BVerfGK 10, 355, juris-Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff., juris-Rn. 23, Beschluss vom 08.07.2014 - 2 B 7/14 - NVwZ-RR 2014, 885 ff.

39

Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff., juris-Rn. 23 m.w.N.).

40

Bei der Festlegung eines Anforderungsprofils ist der Dienstherr allerdings nicht frei, sondern an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Die Formulierung von Ausschlusskriterien bedarf mithin schon deshalb eines sachlichen Grundes. Wird um des Sachgrundes willen ein Ausschlusskriterium formuliert, das - wie vorliegend - den besonderen Regelungsbereich des AGG berührt, muss sich dieses überdies im Lichte von § 8 Abs. 1 AGG als unter Berücksichtigung des sachlichen Grundes verhältnismäßig in Bezug auf die begründete mittelbare Beeinträchtigung darstellen. Daran fehlt es vorliegend.

41

Die Beklagte beruft sich hinsichtlich der Festsetzung von Mindestkörperlängen bei Polizeivollzugsbeamten auf die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, die durch die geschilderten Probleme gefährdet werde. Sie bezieht sich auf VG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2007-2 K 2070/07 -, juris-Rn. 43:

42

„Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen bei Polizeibeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Vor dem Erlass vom 9. März 2006 ist es in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamten beiderlei Geschlechts gekommen. Hierzu hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 20. August 2007 umfangreiche, detaillierte und überzeugende Ausführungen gemacht, auf die Bezug genommen wird. Derartige, größenbedingte Probleme lassen sich durch die Einführung von Mindestgrößen jedenfalls für den Polizeinachwuchs beheben. Dass es sich bei der störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei um ein rechtmäßiges Ziel handelt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.“

43

Dass die störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ein angemessenes Ziel sein kann, um dessen Realisierung willen eine mittelbare Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann, steht auch für die erkennende Kammer außer Frage. Allerdings ersetzt auch der hohe Rang des Ziels nicht den Nachweis der Rechtfertigung der konkreten Maßnahme. Die Angemessenheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel mit einer gewissen Beweiskraft gestützt ist, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244 ff., juris-Rn. 45 f. unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - Rs. C-159/10 und 160/10, Fuchs und Köhler-NVwZ 2011, 1249 Rn. 61, 73 f. und 80 f.).

44

Hinsichtlich des streitgegenständlichen höheren Dienstes hat die Beklagte die Körperlängenanforderungen, die sie für den mittleren und den gehobenen Dienst in Richtlinien gefasst hat, in analoger Anwendung zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht.

45

Die Kammer kann diese Argumentation bereits aufgrund ihrer Pauschalität nicht als hinreichend im Sinne einer zulässigen Beschränkung von Art. 33 Abs. 2 GG und der Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung gem. § 8 AGG ansehen. Es ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit nicht erkennbar, dass das Körperlängenerfordernis von derartiger belegbarer Aussagekraft wäre, dass das den Männer und Frauen erheblich ungleich treffenden Eingriff bezüglich des Zugangs zu öffentlichen Ämtern rechtfertigt. Die Darstellung der von der Beklagten angeführten „Probleme“ bleibt im Allgemeinen, ohne dass zumindest interne Untersuchungen oder ähnliches vorgelegt worden wären. Die Beklagte trifft allerdings die volle Beweislast für die die mittelbare Benachteiligung rechtfertigenden Umstände.

46

Vielerorts, wenn nicht bei globaler Betrachtung sogar überwiegend, wird zumeist auch aufgrund indirekter Benachteiligung von Frauen oder einzelner Ethnien auf ein Mindestlängenkriterium verzichtet und stattdessen auf individuelle Merkmale wie körperliche Fitness und Abwehrfähigkeiten abgestellt. Kirchengast gelangt in ihrer Studie aus dem Jahr 2011 "Minimum body height requirements for police officers - an international comparison”, SIAK-Journal - Journal for Police Science and Practice (Vol. 1), 52-61, verfügbar unter http://dx.doi.org/10.7396/IE_2011_E zu dem Ergebnis, dass Mindestkörpergrößenvorgaben weniger auf einem wissenschaftlich belegten grundsätzlichen Eignungsvorteil beruhen, sondern auf der eher evolutionär/traditionellen Annahme, dass Körperlänge mit körperlicher Leistungsfähigkeit gleichzusetzen ist und dass im Aufeinandertreffen von Polizeikräften mit Gewaltbereiten die Körpergröße einen psychologischen Vorteil darstellen kann. Die Befragungen von Kirchengast haben allerdings auch das Ergebnis gezeitigt, dass auch die Aufgabe von Körpergrößenvorgaben zumeist nicht auf wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern Gründen der political correctness beruhte.

47

In diesem Zusammenhang wäre wegen fehlender Faktenlage deshalb vermutlich sogar eine auf Erfahrungswerte der Beklagten gestützte sachkundige Einschätzung von hohem Erkenntniswert. Hierfür genügt der pauschale Vortrag in diesem Verfahren jedoch nicht. Dies gilt umso mehr, als die für die analoge Übertragung der für den mittleren und gehobenen Dienst geltenden Anforderungen auf den von der Klägerin angestrebten höheren Dienst angeführten Gründe ebenfalls alles andere als zwingend erscheinen. So mögen sich durchaus ggf. im höheren Dienst „große" Aufstiegsbeamte und „kleine" Direkteinstiegsbeamte begegnen. Das von der Beklagten angeführte Gleichheitsproblem kann die Kammer darin allerdings nicht erkennen. Entgegen der Darlegungen der Beklagten sind auch die Aufgaben der unterschiedlichen Laufbahnen jedenfalls nach Abschluss der entsprechenden vorbereitenden Verwendungen ganz überwiegend andere. Selbst wenn man innerdienstliche Akzeptanzgesichtspunkte für eine mögliche Rechtfertigung berücksichtigt, würde das bemühte Szenario der „kleinen Führungskraft" doch überbetont. Denn zum Einen hieße der Verzicht auf eine Mindestkörperlänge nicht, dass nicht auf andere Weise eine hinreichende körperliche Eignung definiert und überprüft werden könnte. Zum Anderen erlaubten auch die geltenden internen Vorschriften theoretisch bereits um bis zu 197 cm - 161 cm = 36 cm kürzere Führungskräfte. Daneben steht allgemein zu hoffen, dass Führungskräften neben der reinen Physis auch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich bei dem ihnen unterstellten Personal Respekt und Anerkennung zu verschaffen.

48

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen der Beklagten zu ihrer Ausnahmepraxis im Bereich des Spitzensports wegen des „Ansehens Deutschlands in aller Welt" und zur Motivation der Menschen, „mitzumachen und nachzueifern" in Bezug auf eine Person, die jedenfalls ausweislich ihrer Bewerbung „mitmachen" wollte und aufgrund einer unveränderlichen körperlichen Eigenschaft hiervon abgehalten wurde, wenig überzeugend ist. Die betroffenen Spitzensportler stehen verkürzt dargestellt nämlich nur deshalb in Diensten der Beklagten, weil diese sich mit ihnen positiv darstellen kann. Könnte die Beklagte dies nicht, wäre diesem Personenkreis der Weg in die Dienste der Beklagten verwehrt. Das Grundgesetz und das AGG verpflichten die Beklagte aber dazu, losgelöst von der Verwertbarkeit für die öffentliche Darstellung Benachteiligungen aufgrund unveränderlicher Eigenschaften nur dann vorzunehmen, wenn sie hierfür einen sachlichen Grund nachweisen kann.

49

Hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Entschädigung waren die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das BAG, Urteil vom 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NJW 2014, 2893 ff., juris-Rn. 44 hat diesbezüglich ausgeführt:

50

„Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181)."

51

Diese Erwägungen des BAG gelten auch für den vorliegend streitigen Entschädigungsanspruch nach AGG in Bezug auf ein Beamtenverhältnis, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - 2 C 3/13 - juris-Rn. 61. Die Kammer berücksichtigt maßgeblich, dass vorliegend nur eine mittelbare Benachteiligung in Rede steht, die zudem nicht ohne Weiteres offensichtlich ist. Die Forderung von Mindestkörperlängen seitens der Beklagten ist zudem durch ein wichtiges Gemeinschaftsgut motiviert, vergleichbare Regelungen im Polizeibereich zudem weit verbreitet. Der Klägerin dürfte dies auch vor ihrer Bewerbung bekannt gewesen sein. Sie hat zudem den auf ihren Bewerbungsverfahrensanspruch gestützten primären Rechtsschutz nur bis ins Widerspruchsverfahren verfolgt und nicht z.B. durch Klage oder auch einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz zum Ausdruck gebracht, dass ihr der Zugang zum Auswahlverfahren für den Vorbereitungsdienst der Beklagten nachhaltig wichtig ist. Sie trifft deshalb ein anspruchsminderndes Mitverschulden (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 14.08.2013-2 K 2669/11 - juris-Rn. 129). Die Kammer hält deshalb ein Monatsbruttogehalt der Besoldungsgruppe A 13, niedrigste Erfahrungsstufe, nach der im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung gültigen Tabelle (3.780,31 EUR) für einen angemessenen Entschädigungsbetrag.

52

Der Anspruch auf Prozesszinsen ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1990 - VIII ZR 296/88 - NJW-RR 1990, 518 f, juris- Rn. 25) ergibt sich aus § 291 BGB in entsprechender Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61 ff., juris-Rn. 6 m.w.N.). Infolge der Klageerhebung zunächst beim Arbeitsgericht, richtet sich der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nach der Zustellung der Klage am 22.04.2014, § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG, §46 Abs. 2 ArbGG, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO.

53

Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat zwar die Höhe des geforderten Entschädigungsbetrages grundsätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedoch mit der Angabe eines nicht zu unterschreitenden Betrages zum Ausdruck gebracht, wann sie sich bei Zurückbleiben hinter diesem Betrag beschwert fühlen würde. Der von der Kammer als angemessen erachtete Betrag liegt erheblich unter der genannten Untergrenze, so dass dieses Teilunterliegen auch kostenmäßig zu berücksichtigen ist, vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1996 - VI ZR 55/95 - BGHZ 132, 341 ff., juris- Rn. 32 ff., Urteil vom 02.02.1999 - VI ZR 25/98-BGHZ 140, 335 ff., juris-Rn. 18.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 709 ZPO bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

55

Die Berufung war nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.