Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung.
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Die Klägerin ist ein in der Windenergiebranche tätiges Unternehmen und betreibt seit dem 29. Dezember 2010 außerhalb der bebauten Ortslage von A-Dorf auf dem „….“ in einer im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land ausgewiesenen Konzentrationszone für die Nutzung von Windkraft auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … eine Windenergieanlage (im Folgenden WEA) des Typs ENERCON E-82 E2. In der Konzentrationszone sind bereits WEA anderer Betreiber am Netz.
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Die Beigeladene ist ebenfalls ein Windenergieunternehmen. Auf ihren Antrag vom 29. September 2015 erteilte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 12. Mai 2016 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer WEA vom Typ ENERCON E-92 mit einer Nennleistung von 2.350 kW und einer Gesamthöhe von 184,38 Metern auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nr. …. in der Gemarkung A-Dorf. Der Abstand zwischen der bestehenden Anlage der Klägerin und der genehmigten WEA der Beigeladenen beträgt ca. 240 m.
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Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Mai 2016 war u.a. das Gutachten der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 zur Turbulenzbelastung am Standort B-Dorf/A-Dorf.
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Am 6. Juni 2016 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Mai 2016 mit der Begründung, ihre eigene WEA sei nach Bau und Inbetriebnahme der genehmigten Anlage in ihrer Standfestigkeit gefährdet. Hierdurch werde deren Dauerhaltbarkeit aufgrund stärkerer Turbulenzintensität beeinträchtigt. Dies ergebe sich aus einer gutachterlichen Stellungnahme der Firma Ingenieurbüro H vom 19. September 2016 sowie aus der dieser Stellungnahme zu Grunde liegenden gutachterlichen Untersuchung der Firma A vom 15. September 2016. Dieses Gutachten zeige auf, dass sich die Lebensdauer ihrer WEA von 34 auf 32,75 Jahre vermindere. Dies bedeute eine unzulässige Einschränkung der Nutzbarkeit ihrer Anlage. Das Gutachten weise weiterhin nach, dass bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s die infolge der Errichtung der neuen WEA bei ihrer eigenen WEA entstehenden Belastungen jenseits der technischen Auslegung ihrer WEA lägen. Die sich hieraus ergebenden Risiken habe der Beklagte nicht berücksichtigt. Auch wenn die reguläre Förderungsdauer nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz lediglich 20 Jahre betrage, habe sie, die Klägerin, das berechtigte Interesse, ihre Anlage auch nach Ablauf dieser Zeit weiter zu betreiben oder sie als gebrauchte Anlage zu verkaufen oder sonst wieder in Betrieb zu nehmen. Durch die Errichtung der neuen Anlage entstünden Turbulenzen, welche oberhalb dessen lägen, was der Anlagenhersteller Enercon für ihre WEA als technische Auslegung berechnet und konstruktiv berücksichtigt habe. Die vorherrschend häufig schwächeren Windverhältnisse seien zwar in der Lage, die statische Überlastung ihrer WEA bei den genannten Windgeschwindigkeiten zu kompensieren. Wenn sich die Windverhältnisse gegenüber den heutigen statistischen Auswertungen für Deutschland änderten, nähme zwingend die statische Belastung ihrer WEA zu. Es sei daher nicht auszuschließen, dass auch bei geringfügig erhöhten regelmäßigen Windgeschwindigkeiten die statische Belastbarkeit ihrer Anlage ganz erheblich beeinträchtigt werde. Daher müsse die der Beigeladenen erteilte Genehmigung hilfsweise mit einem Auflagenvorbehalt versehen werden, die es dem Beklagten ermögliche, im Falle steigender Windgeschwindigkeiten anzuordnen, dass deren Anlage ab einer Windgeschwindigkeit zwischen 7,5 m/s und 12 m/s abgeschaltet oder entsprechend gedrosselt werde.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2016 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, der Einwand der Klägerin, durch die neue Anlage vermindere sich die Lebensdauer ihrer eigenen WEA von 34 auf 32,75 Jahre, sei unbeachtlich. Die Klägerin habe lediglich einen Anspruch darauf, dass die Lebensdauer ihrer WEA für einen Zeitraum von 20 Jahren gewährleistet sei. Nicht nur die Dauer der Förderung regenerativer Energien spreche für diesen Zeitraum, sondern auch die Tatsache, dass die Weiternutzung der WEA erst nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens denkbar sei. Wie dieses Verwaltungsverfahren in 20 Jahren ausgehe, könne aus heutiger Sicht nicht vorhergesagt werden. So könnten sich die rechtlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Windenergienutzung nach einem Zeitraum von 20 Jahren so geändert haben, dass eine Weiternutzung der WEA auch aus anderen Gründen nicht in Betracht komme.
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Zu berücksichtigen sei ferner, dass die WEA der Klägerin nicht singulär in der Landschaft stehe, sondern sich in einer ausgewiesenen Konzentrationszone für die Nutzung von Windkraft befinde. In einem solchen Gebiet müsse jeder Windkraftbetreiber damit rechnen, dass weitere WEA gebaut würden. Jede weitere WEA wirke sich für sich allein und im Zusammenspiel mit den anderen bereits vorhandenen auf die jeweilige WEA aus. Hätte ein Windkraftanlagenbetreiber ein Anspruch darauf, dass eine weit über 20 Jahren liegende Lebensdauer seiner Anlage nicht durch weitere Anlagen auch nur geringfügig reduziert werden dürfe, so ginge letztlich der Zweck einer Konzentrationszone für Windkraft verloren. Zwar könne sich ein Windkraftanlagenbetreiber grundsätzlich gegen die Errichtung einer neuen WEA wehren, wenn die später errichtete WEA die Standsicherheit der bestehenden WEA beeinträchtige. Voraussetzung sei aber, dass die Standsicherheit tatsächlich beeinträchtigt werde. Dies sei hier aber nicht der Fall.
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Die Klägerin hat am 29. November 2016 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Vorbringen im Vorverfahren vor, die Beigeladene sei aufgrund der ihr erteilten Genehmigung berechtigt, eine neue WEA in sehr großer räumlicher Nähe zu der WEA der Klägerin zu errichten. Dies habe abhängig von der jeweiligen Windrichtung und Windstärke zur Folge, dass die WEA der Klägerin eine erheblich geringere Stromproduktion habe. Ferner werde die WEA der Klägerin durch die Turbulenzen, die von der WEA der Beigeladenen ausgingen, so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass die Haltbarkeit der WEA der Klägerin beeinträchtigt werde.
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Durch die Positionierung der WEA der Beigeladenen werde ihre eigene WEA, jeweils abhängig von der Windrichtung, in den Windschatten gestellt. Dies führe zu erheblichen Ertragseinbußen bei ihrer WEA. Diese beliefen sich unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Windverhältnisse und statistisch vorherrschenden Windrichtungen auf 7,6% der Gesamt-Jahresproduktion. Dies führe zu einem Jahresverlust in Höhe von mindestens 36.989,96 €.
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Die Klägerin beantragt,
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die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Dürkheim vom 2. November 2016 aufzuheben;
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hilfsweise
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den Beklagten zu verpflichten, die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 mit einer Nebenbestimmung zu versehen, wonach die Beigeladene verpflichtet wird, an die Klägerin Kompensationszahlungen in der Höhe zu leisten, wie sie dem Ertragsverlust der WEA der Klägerin entspricht, der aufgrund der Errichtung und des Betriebes der WEA der Beigeladenen bei der WEA der Klägerin entsteht,
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weiter hilfsweise
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den Beklagten zu verpflichten, in die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 eine Nebenbestimmung aufzunehmen, wonach der Beigeladenen der Betrieb ihrer WEA bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12m/s untersagt wird, sofern dabei die WEA der Beigeladenen aus Richtung des Windes gesehen vor der WEA der Klägerin steht.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt aus, aufgrund des von der Beigeladenen mit den Antragsunterlagen eingereichten Gutachtens zur Turbulenzbelastung am Standort B-Dorf/A-Dorf der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme dieses Büros vom 4. April 2016 habe er, der Beklagte, eine statische Gefährdung der Nachbaranlage durch Nachlaufturbulenzen etc. für nicht gegeben gehalten. Vielmehr komme der Sachverständige ausdrücklich zu der Feststellung, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin gegeben sei und die in der Typenprüfung zugrunde gelegte technische Lebensdauer von 20 Jahren nicht beeinträchtigt werde. Anhaltspunkte, die Feststellungen der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, hätten keine bestanden. Die von dem Sachverständigen H ermittelte Reduktion der Gesamtnutzungsdauer von 34 auf 32,75 Jahren bei den Blattverschraubungen und von 46,4 auf 41 Jahre bei den Rotorblättern sei offensichtlich zu vernachlässigen. Auf den „Rest“ der Anlage der Klägerin habe der Zubau der Anlage der Beigeladenen keine Auswirkungen.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Sie gibt an, alle Anforderungen genehmigungsrechtlich erfüllt zu haben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2017.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist sowohl mit dem Hauptantrag (1.) als auch mit den Hilfsanträgen (2.) unbegründet.
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1. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Dürkheim vom 2. November 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
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Weder verstößt die genannte Genehmigung gegen die immissionsschutzrechtliche Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – (1.1.) noch gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (1.2.) noch gegen die bauordnungsrechtliche Bestimmung des § 13 Landesbauordnung – LBauO – (1.3.).
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1.1. Eine Verletzung der drittschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG kann die Kammer nicht feststellen.
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Bei der Anlage der Beigeladenen handelt es sich um eine WEA mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m, für die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m §§ 1, 2 der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung – BImSchV – und Nr. 1.6.2 des Anhangs zur 4. BImSchV ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach §§ 4 ff., 19 BImSchG durchzuführen ist. Sie hat damit u. a. die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gestellten Anforderungen zu erfüllen, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Drittschützend sind für die Nachbarschaft, zu der auch die WEA der Klägerin gehört, in diesem Zusammenhang die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mit ihren Konkretisierungen (Jarass, BImSchG, 11. Auflage 2015, § 5 Rn. 133).
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Die Kammer gelangt zu der Überzeugung, dass von der Anlage der Beigeladenen so, wie sie am 12. Mai 2016 genehmigt worden ist, keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstigen Gefahren oder erhebliche Nachteile für die WEA der Klägerin ausgehen.
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Diese hat nicht schlüssig dargetan, dass sich durch das Hinzutreten der neuen WEA der Beigeladenen die Windverhältnisse so wesentlich verändern und zu einer weitaus höheren Turbulenzintensität führen werden, dass dies eine unzumutbare Beeinträchtigung ihrer eigenen WEA auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. zur Folge hätte. Zwar wirken die von den Rotoren der WEA der Beigeladenen erzeugten Turbulenzen auf die WEA der Klägerin ein und erhöhen die Belastungen, denen diese Anlage im Dauerbetrieb ausgesetzt ist. Bei dieser Einwirkung handelt es sich jedoch nicht um schädliche Umwelteinwirkungen nach der hierfür in § 3 Abs. 1 BImSchG gegebenen Definition, nämlich um Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen. Hiernach ist nicht jegliche Immission relevant, sondern es sind es nur solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer erheblich sind. Die Erheblichkeit wird in einer situationsbezogenen Abwägung mit dem Ziel des Ausgleichs widerstreitender Interessen festgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291; Schulte/Michalk in: Giesberts/Reinhardt, Beck-OK Umweltrecht, Stand November 2016, § 3 BImSchG Rn. 43). Dabei sind im Verhältnis benachbarter Grundstücke bzw. Anlagen zueinander grundsätzlich nur solche Immissionen erheblich, welche auch ein ziviles Abwehrrecht nach § 906 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – begründen (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996 – 4 B 50/96 –, NVwZ 1996, 1001; Jarass, a.a.O., § 3 Rn. 48). Nach diesen Grundsätzen geht die Rechtsprechung (s. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 1064 und Beschluss vom 9. Juli 2003 – 7 B 949/03 –, BauR 2003, 1712; VG Neustadt, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 4 L 89/14.NW –, juris; VG Kassel, Urteil vom 19. März 2008 – 7 E 754/05 –, juris) davon aus, dass der Betreiber einer WEA nicht darauf vertrauen kann, dass er den bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt, sondern von vornherein damit rechnen muss, dass weitere WEA aufgestellt werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner Qualität verändern. Dies gilt vorliegend auch für den Standort des Windparks, in dem die WEA der Klägerin und der Beigeladenen stehen, da diese innerhalb einer im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land ausgewiesenen Konzentrationszone stehen. Wie unter Punkt 1.2. noch im Einzelnen dargelegt wird, gibt es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin durch die hinzutretende Anlage der Beigeladenen beeinträchtigt wird; „erhebliche“ Nachteile im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind unter diesem Gesichtspunkt daher nicht ersichtlich.
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Soweit die Klägerin ferner moniert, durch die Positionierung der WEA der Beigeladenen werde ihre eigene WEA, jeweils abhängig von der Windrichtung, in den Windschatten gestellt, was erhebliche Ertragseinbußen zur Folge habe, führt dieser Einwand ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Das bloße Vorenthalten bzw. der Entzug von Wind, also der sog. Windabschattungseffekt, wie er etwa durch ein vorgelagertes Gebäude auf einem Nachbargrundstück als aerodynamisches Hindernis im Windkanal bewirkt werden kann, stellt schon keine schädliche Umwelteinwirkung dar. Unter Einwirkungen im Sinne des Gesetzes sind nur positive – physische oder chemische – Einwirkungen mittels unwägbarer, sinnlich wahrnehmbarer Stoffe auf die in der Vorschrift genannten Schutzgüter zu verstehen. Daran fehlt es jedoch bei einer sog. negativen Einwirkung wie dem Entzug von Licht, Luft oder – wie hier – Wind in Bezug auf das Grundstück der Klägerin als allein in Frage kommendes Schutzobjekt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2000 – 10 B 1831/99 –, BRS 63 Nr. 150; BGH, Urteil vom 22. Februar 1991 – V ZR 308/89 –, NJW 1991, 1671).
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1.2. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme berufen. Da die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen und somit auch die Baugenehmigung einschließt (vgl. § 13 BImSchG), ist auch das Rücksichtnahmegebot zu prüfen. Dieses soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. In bestimmten (Ausnahme-)Fällen kommt ihm eine drittschützende Wirkung zu; es vermittelt Nachbarschutz, soweit in „qualifizierter und zugleich individualisierter“ Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, NJW 1978, 62). Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Soweit es um die Beurteilung der Zumutbarkeit von - hier behaupteten - Immissionen geht, wird die Unzumutbarkeit im Sinne des Rücksichtnahmegebotes durch den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG näher konkretisiert. Wie oben unter Punkt 1.1. bereits ausgeführt, gehen von der genehmigten WEA der Beigeladenen jedoch keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Grundstück Flurstück-Nr. 4769 aus.
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Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die von ihr geltend gemachten Ertragseinbußen berufen. Ob der Betrieb einer WEA aus ökonomischen Gründen Erfolg verspricht, ist keine Frage baurechtlicher Zulässigkeit. Das öffentliche Baurecht reguliert nicht, ob ein Vorhaben bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sinnvoll ist. Derartige Entscheidungen überlässt es grundsätzlich dem Eigentümer, der sein Grundstück verwerten will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 1996 – 4 B 306.95 –, BRS 58 Nr. 91; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2000 – 10 B 1831/99 –, BRS 63 Nr. 150).
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Wie ausgeführt, kann der Betreiber einer WEA nicht darauf vertrauen, dass er den bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt. Mit der Erteilung einer Genehmigung für eine WEA zumal in einem Windpark geht nicht gleichsam ein öffentlich-rechtliches Schutzversprechen einher, die genehmigte Nutzung werde nicht durch die Zulassung anderer an sich ebenfalls zulässiger Nutzungen in ihrer Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt werden. Der Betreiber einer WEA in einem Windpark muss daher von vornherein damit rechnen, dass weitere WEA aufgestellt werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner Qualität verändern, und dies Ertragseinbußen zur Folge haben kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215/96 –, NVwZ-RR 1997, 516).
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1.3. Die Genehmigung vom 12. Mai 2016 verstößt auch nicht gegen die drittschützende Norm des § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO. Danach dürfen die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden. Diese Vorschrift ist hier zu prüfen, denn gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gehört es auch zu den Genehmigungsvoraussetzungen, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Hierzu zählen auch die Bestimmungen des Bauordnungsrechts.
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Die Klägerin wendet diesbezüglich ein, dass die von der genehmigten WEA der Beigeladenen verursachten Turbulenzen aufgrund des zu geringen Abstandes zu ihrer benachbarten WEA derart stark auf diese Anlage einwirke, dass deren Standsicherheit gefährdet werde. Dafür gibt es jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte.
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Grundsätzlich muss der Bauherr einer bestehenden baulichen Anlage gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 LBauO selbst für die dauerhafte Standsicherheit seiner Anlage einstehen. Allerdings kann er in gewissem Umfang auch darauf vertrauen, dass die für die Standsicherheit seiner bestehenden Anlage maßgeblichen Umstände nicht zu seinen Lasten mit der Folge verändert werden, dass beispielsweise ein „Nachrüsten“ seiner Anlage erforderlich wird, um deren Standsicherheit auch nach solchen Veränderungen weiterhin zu gewährleisten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 1064). Dem trägt § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO Rechnung. Derjenige, der eine neue bauliche Anlage errichtet, muss hier auch seinerseits darauf achten, dass er keine solchen Veränderungen der Standsicherheitsbedingungen bewirkt, die der Bauherr der bestehenden Anlage bei deren Errichtung und ordnungsgemäßer Unterhaltung nicht in Rechnung stellen muss. Es besteht folglich ein Spannungsverhältnis zwischen den Pflichten des Bauherrn bestehender baulicher Anlagen einerseits und hinzutretender baulicher Anlagen andererseits. Dies gilt auch in der hier vorliegenden Konstellation, in der sich mehrere Betreiber von WEA in einem Windpark ansiedeln.
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Das Verbot, die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen zu gefährden, greift nicht erst ein, wenn eine – hier nicht erkennbare – Einsturzgefahr besteht. Zur Standsicherheit gehört vielmehr auch der Schutz vor geringeren Beeinträchtigungen durch Erschütterungen, Grundwasserveränderungen und dergleichen (VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 10. September 2008 – 5 L 127/08 –, juris m.w.N.). Das erfasst auch Einwirkungen durch Luftturbulenzen. Wird etwa eine WEA in Windrichtung vor einer bereits bestehenden WEA errichtet, kann sie durch Erhöhung der Turbulenzintensität einen schnelleren Verschleiß von Anlagenteilen der nachgesetzten Anlage bewirken und damit auf Dauer deren Standsicherheit beeinträchtigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris und Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2000 – 10 B 1831/99 –, BRS 63 Nr. 150).
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Welche Maßstäbe konkret anzuwenden sind, um eine dem Windkraftbetreiber nicht mehr zuzurechnende Gefährdung der Standsicherheit seiner eigenen Anlage zu begründen, wird wesentlich dadurch beeinflusst, welche Veränderungen der Windverhältnisse er schon beim Bau einer solchen Anlage in Rechnung stellen musste. So kann der Betreiber einer in einem Windpark anzusiedelnden WEA – wie bereits unter 1.1. ausgeführt – nicht darauf vertrauen, dass er den bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt. Er muss sich vielmehr von vornherein darauf einstellen, dass ihm durch die Aufstellung weiterer WEA nicht nur Wind genommen, sondern dieser auch in seiner Qualität verändert wird. Hiervon ausgehend ist für die konkrete Abgrenzung der Risikobereiche insbesondere von Bedeutung, mit welchen Abständen von „Konkurrenzanlagen“ die Betreiber von WEA in einem Windpark üblicherweise rechnen können und müssen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 1064).
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Im Allgemeinen wird, um Gefahren für die Standsicherheit auszuschließen, die Einhaltung einer Distanz der fünffachen Länge des Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung für ausreichend erachtet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 164 und Beschluss vom 9. Juli 2003 – 7 B 949/03 –, juris). Demgegenüber ist davon auszugehen, dass bei Abständen von weniger als fünf Rotordurchmessern in Hauptwindrichtung Auswirkungen auf die Standsicherheit der Anlage zu erwarten sind und dass ein Abstand von weniger als drei Rotordurchmessern – bezogen auf den jeweils größeren Durchmesser der benachbarten Anlagen – im Hinblick auf die Standsicherheit grundsätzlich nicht zuzulassen ist (vgl. VG Aachen, Beschluss vom 2. März 2015 – 6 L 27/15 –, juris; VG Neustadt, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 4 L 89/14.NW –, juris; Rolshoven, NVwZ 2006, 516, 518). Allerdings sind Planungsabstände von weniger als drei Rotordurchmessern nicht von vornherein ausgeschlossen. Maßgebend ist alleine, ob es durch die von der hinzukommende Anlage verursachten Windturbulenzen zu solchen Gefährdungen der Standsicherheit benachbarter Anlagen kommen kann, die nicht der bestehenden, sondern der hinzukommenden Anlage zuzurechnen sind. Dies ist der Fall, wenn durch den Betrieb der angrenzend geplanten Anlage die Lebensdauer der bestehenden Anlage erheblich vermindert wird oder über den Regelfall weit hinausgehende Sicherungs- und Wartungsmaßnahmen zu erwarten sind (Rolshoven, NVwZ 2006, 516, 518 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
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Daraus folgt für die Genehmigungspraxis, dass bei einem Abstand von weniger als fünf Rotordurchmessern (in Hauptwindrichtung) der Antragsteller der hinzukommenden Anlage mittels eines Gutachtens nachweisen muss, dass die Standsicherheit – insbesondere auch bereits vorhandener Anlagen – nicht beeinträchtigt wird. Dies entspricht auch der Richtlinie für Windenergieanlagen – Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung – des Deutschen Instituts für Bautechnik Berlin (abrufbar in der Fassung vom Oktober 2012 unter https://www.dibt.de/en/Departments/data/Aktuelles_Ref_I_1_ Richtlinie_Windenergieanlagen_Okt_2012.pdf) – im Folgenden DIBt-Richtlinie –, die vom rheinland-pfälzischen Ministerium der Finanzen als oberste Bauaufsichtsbehörde durch Verwaltungsvorschrift vom 15. Mai 2012 (MinBl. 2012, Seite 310) nach § 3 Abs. 3 LBauO als technische Baubestimmung eingeführt und mit Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2015 (MinBl. 2015, 154) zuletzt aktualisiert worden ist (derzeit Nr. 2.7.9 der Liste der Technischen Baubestimmungen nebst Anlagen 2.4/7 und 2.7/12) und als solche gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 LBauO zu beachten ist (s. auch Seite 23 der Hinweise für die Beurteilung der Zulässigkeit der Errichtung von Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz in dem Gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz vom 28. Mai 2013).
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Hiervon ausgehend hat die Beigeladene ausreichend nachgewiesen, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin durch das Hinzutreten der WEA der Beigeladenen nicht gefährdet wird. Die auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … genehmigte Anlage wurde in einem Abstand von ca. 240 m – die genauen Standortkoordinaten ergeben sich aus der Nr. 1.1 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Mai 2016 – zu der Anlage der Beigeladenen errichtet. Da die beiden Anlagen nicht in Hauptwindrichtung zueinander stehen – Hauptwindrichtung in diesem Gebiet ist Südsüdwest, während die WEA der Klägerin nordöstlich der Anlage der Beigeladenen auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … steht – und die neu genehmigte Anlage der Beigeladenen vom Typ ENERCON E-92 auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. einen Rotordurchmesser von 92 m hat, ist ein Abstand von weniger als dem dreifachen Rotordurchmesser (2,61) gegeben. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass die Nachweispflicht für die Standsicherheit der Anlage der Klägerin der Beigeladenen obliegt. Diese hat jedoch mit der Vorlage des Gutachtens der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 zur Turbulenzbelastung am Standort B-Dorf/A-Dorf sowie deren ergänzender Stellungnahme vom 4. April 2016 nachgewiesen, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin auch beim Betrieb der WEA der Beigeladenen gewährleistet ist.
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Die F GmbH & Co. KG hat in dem genannten Gutachten auf der Basis einer Betriebsdauer von 20 Jahren und unter Anwendung der DIBt-Richtlinie die Standfestigkeit der betroffenen WEA geprüft. Der Vergleich der ermittelten effektiven Turbulenzintensitäten mit den Auslegungswerten habe für die zu betrachtenden WEA das Ergebnis ergeben, dass die effektiven Turbulenzintensitäten der WEA der Klägerin und der Beigeladenen oberhalb der entsprechenden Auslegungswerte lägen. Mit den maximalen effektiven Turbulenzintensitäten an den WEA 1 (Beigeladene), 3 (Klägerin), 4 und 6 und auf Grundlage der Winddaten seien standortspezifische, detaillierte Lastrechnungen durchgeführt worden. Die mit der erhöhten Turbulenzintensität ermittelten Betriebslastkollektive für Blattanschluss-, Naben-, Turmfuß- und Turmkopfsystem sowie die gewichteten Mittelwerte für Blattanschluss-und Turmfußkollektive seien dahingehend geprüft worden, ob u.a. die Standsicherheit der WEA der Klägerin und der Beigeladenen gegeben sei. Die Überprüfung habe keine Gefährdung der Standsicherheit der WEA der Klägerin und der Beigeladenen hinsichtlich des Einflusses benachbarter WEA durch den Vergleich der Auslegungslasten ergeben.
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Die Kammer sieht keine Veranlassung, in Bezug auf die Frage der Standsicherheit der betroffenen WEA an der Schlüssigkeit des Gutachtens der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 zu zweifeln. Die Klägerin hat zwar eine gutachterliche Stellungnahme der Firma Ingenieurbüro H vom 19. September 2016 sowie eine dieser Stellungnahme zu Grunde liegende gutachterliche Untersuchung der Firma A vom 15. September 2016 vorgelegt. In beiden Gutachten wird aber gerade nicht behauptet, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin durch den Zubau der WEA der Beigeladenen gefährdet sei. Beide Gutachten kommen lediglich zu dem Schluss, dass sich die Lebensdauer der WEA der Klägerin infolge der hinzukommenden WEA der Beigeladenen in Bezug auf die Blattverschraubungen von 34 auf 32,75 Jahre vermindere. Von einer Gefährdung der Standsicherheit im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO kann nach den obigen Ausführungen aber nur dann ausgegangen werden, wenn durch den Betrieb der angrenzenden WEA die Lebensdauer der bestehenden WEAerheblich vermindert wird oder über den Regelfall weit hinausgehende Sicherungs- und Wartungsmaßnahmen zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben.
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Zwar ist der Einwand der Klägerin, die Gesamtnutzungsdauer ihrer WEA reduziere sich durch den Zubau der WEA der Beigeladenen von 34 auf 32,75 Jahre, nicht schon deshalb unbeachtlich, weil die Auslegung und Zertifizierung der WEA nur eine Entwurfslebensdauer von 20 Jahren abdeckt (vgl. DIBt-Richtlinie, Seite 24, Nr. 9.6.1). Die Klägerin ist im Besitz einer unbeschränkten bestandskräftigen Genehmigung für ihre WEA, so dass die Anforderungen an den Standsicherheitsnachweis ihrer Anlage zunächst dauerhaft erfüllt sind, ohne dass etwa die Anforderungen wegen der eingeschränkten Betriebsdauer abgesenkt wären. Die Frage, ob die Standsicherheit im Sinne des § 13 Abs. 1 LBauO der WEA der Klägerin nach Ablauf der Entwurfslebensdauer von 20 Betriebsjahren noch gegeben ist, ist gegenwärtig irrelevant; dies ist – wie vom Beklagten in Bezug auf die WEA der Beigeladenen in Nr. 1.4. der Nebenbestimmungen auch verfügt – erst bei Ablauf des kalkulierten Betriebszeitraums von der Bauaufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 85 Abs. 1 LBauO zu prüfen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16.OVG –, juris; vgl. auch VG Lüneburg, Urteil vom 26. April 2004 – 2 A 205/02 –, juris). Allerdings stellt die von der Firma Ingenieurbüro H in dem Gutachten vom 19. September 2016 angenommene Reduzierung der Gesamtnutzungsdauer der Blattverschraubungen an der WEA der Klägerin von 34 auf 32,75 Jahre sowie der Lebensdauer der Rotorblätter von 46,4 auf 41 Jahre ersichtlich keine erhebliche Verminderung der Nutzungsdauer der WEA dar.
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Auch aus dem Umstand, dass die F GmbH & Co. KG in dem Gutachten von einer Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität ausgegangen ist, kann die Klägerin nicht herleiten, dass die Standsicherheit ihrer eigenen WEA in dem Sinn gefährdet ist, dass damit eine akute oder unter bestimmten, jederzeit potentiell eintretenden Betriebs- oder Umgebungsbedingungen bestehende Einsturzgefahr zu verstehen wäre (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 4. Februar 2015 – 22 ZB 14.2364 –, juris; VG Minden, Urteil vom 28. Oktober 2015 – 11 K 2054/14 –, juris). Vielmehr beziehen sich die sog. „Auslegungswerte“ nach der DIBt-Richtlinie auf eine bestimmte angenommene Lebensdauer der WEA, nämlich die mit mindestens 20 Jahren angenommene „Entwurfslebensdauer“ (s.o.); die DIBt-Richtlinie enthält auch Anforderungen bezüglich Inspektion und Wartung der Anlage, damit die Standsicherheit des Turms und der Gründung über die vorgesehene Entwurfslebensdauer sichergestellt wird (vgl. DIBt-Richtlinie, Seite 6 unten). Eine Turbulenzintensität oberhalb des Auslegungswerts einer WEA führt somit keineswegs zwangsläufig zur Einsturzgefahr, sondern verursacht unter Umständen nur einen vorzeitigen Verschleiß der maschinentechnischen Teile der Anlage und gegebenenfalls einen erhöhten Überwachungs- und Wartungsaufwand (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 4. Februar 2015 – 22 ZB 14.2364 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. Februar 2009 – OVG 11 S 53.08 –, juris), kann also zu einer kürzeren Lebensdauer der Anlage bzw. dazu führen, dass die Kontrolle von deren Standsicherheit zu einem früheren Zeitpunkt als gewöhnlich besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Die kürzere Lebensdauer der WEA der Klägerin haben die Firma Ingenieurbüro H und die Firma A zwar in Bezug auf die Blattverschraubungen bestätigt. Dies hat indessen, wie dargelegt, nicht die Gefährdung der Standsicherheit der WEA der Klägerin zur Folge.
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2. Die beiden Hilfsanträge sind ebenfalls unbegründet.
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2.1. Soweit die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 mit einer Nebenbestimmung zu versehen, wonach die Beigeladene verpflichtet wird, an die Klägerin Kompensationszahlungen in der Höhe zu leisten, wie sie dem Ertragsverlust der WEA der Klägerin entspricht, der aufgrund der Errichtung und des Betriebes der WEA der Beigeladenen bei der WEA der Klägerin entsteht, kann der Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin von vornherein keinen Anspruch auf Kompensationszahlungen hat. Zur Begründung kann auf die Ausführungen unter 1.2. verwiesen werden.
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2.2. Daneben bleibt auch der Antrag, den Beklagten zu verpflichten, in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 eine Nebenbestimmung aufzunehmen, wonach der Beigeladenen der Betrieb ihrer WEA bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s untersagt wird, sofern dabei die WEA der Beigeladenen aus Richtung des Windes gesehen vor der WEA der Klägerin steht, erfolglos.
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Zwar hat der Beklagte bei der Abgrenzung der Verantwortung für die Bewältigung eines Konflikts durch den Betrieb zweier unverträglich naher WEA den für eine sachgerechte Lastenverteilung maßgebenden Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens zu beachten. Danach hat der Betreiber derjenigen Anlage die Verantwortung zur Konfliktbewältigung und die damit verbundenen Lasten zu tragen, der durch die Realisierung seines Projekts die letzte Ursache für die Entstehung des Konflikts setzt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris). Dies ist hier die Beigeladene, die für ihr im Jahr 2016 genehmigtes und errichtetes Vorhaben auf die bereits seit 2010 betriebene Anlage der Klägerin traf.
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Der von der Klägerin vorgelegten gutachterlichen Untersuchung der Firma A vom 15. September 2016 kann jedoch nicht entnommen werden, dass bei den derzeitigen Windverhältnissen am Standort infolge des Hinzutretens der WEA der Beigeladenen bei gelegentlich auftretenden Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s die Standsicherheit der WEA der Klägerin gefährdet wird. Aus dem genannten Gutachten ergibt sich zwar, dass bei Windgeschwindigkeiten von 7,5 m/s bis 12 m/s die Turbulenzintensität, die die WEA der Klägerin infolge der Errichtung der neuen WEA der Beigeladenen erleidet, oberhalb dessen liegt, was der Anlagenhersteller ENERCON für die WEA des Typs E-82 als technische Auslegung berechnet und konstruktiv berücksichtigt hat. Jedoch hat der Kreisrechtsausschuss in seinem Widerspruchsbescheid vom 2. November 2016 zu Recht darauf hingewiesen, dass der untersuchte Anlagenstandort in einer Region liegt, die unterdurchschnittlich starke Windverhältnisse aufweist (s. dazu auch die Tabelle 5 in dem Gutachten der Firma A vom 15. September 2016). Daher kommt die Firma A zu dem Ergebnis, dass die vorherrschend häufig schwächeren Windverhältnisse die statische Überlastung der WEA der Klägerin bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s zu kompensieren in der Lage sind.
- 50
Für den Fall, dass sich die Windverhältnisse am Standort der Klägerin und der Beigeladenen zukünftig dergestalt ändern sollten, dass es infolge der durch die WEA der Beigeladenen im Nachlauf ausgelösten Turbulenzen zu konkreten Beeinträchtigungen der Standsicherheit der WEA der Klägerin kommt, sieht § 85 Abs. 1 LBauO die Möglichkeit vor, nachträgliche Anforderungen an die WEA der Beigeladenen zu stellen (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris). § 85 LBauO stellt systematisch eine Art gesetzlichen Auflagenvorbehalt dar (Jeromin in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf. 4. Auflage 2016, § 85 Rn. 2). Dieser Auflagenvorbehalt kommt allerdings erst dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 85 Abs. 1 LBauO vorliegen, d.h. wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Dies ist derzeit aber, wie ausgeführt, nicht der Fall.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, waren ihre außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig zu erklären.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 53
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 129.464,86 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.
(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Die Genehmigung schließt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen mit Ausnahme von Planfeststellungen, Zulassungen bergrechtlicher Betriebspläne, behördlichen Entscheidungen auf Grund atomrechtlicher Vorschriften und wasserrechtlichen Erlaubnissen und Bewilligungen nach § 8 in Verbindung mit § 10 des Wasserhaushaltsgesetzes.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
Tenor
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer 2005 errichteten Windenergieanlage gegen eine ihr nachträglich im Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung ihrer Anlage bei Wind aus Südsüdost.
- 2
Die Klägerin betreibt in dem inzwischen aus neun Windenergieanlagen (im Folgenden WEA) bestehenden Windpark H. seit 2005 mehrere Anlagen, darunter auch die WEA 2 auf dem Flurstück Nr. …. Die Beigeladene ist die Rechtsnachfolgerin der T., die auf den nördlich des Flurstücks Nr. … gelegenen Flurstücken Nrn. … und … – ebenfalls im Windpark H. – eine Windenergieanlage betreibt (WEA 7). Die im Jahr 2013 errichtete WEA 7 befindet sich nordnordwestlich der WEA 2 in einem Abstand von weniger als 150 m.
- 3
Die Verfahren zur Genehmigung der beiden Anlagen (WEA 2: Typ Enercon E-70 E 4 [Nabenhöhe – NH – 98 m, Rotordurchmesser – RD – 70 m] und WEA 7: Typ Enercon E-70 E4 [2,3 MW Nennleistung, NH 85 m und RD 71 m) stellen sich im Überblick im Wesentlichen wie folgt dar:
Flurstück Nr. … (WEA 2)
Flurstücke Nrn. …, … (WEA 7)
23. September 2002
positiver Bauvorbescheid an T. für WEA Nordex N 90
(2,5 MW, NH 100 m, RD 90 m)16. Januar 2003
Baugenehmigung für WEA Typ Vestas V 80 (2,0 MW, NH 100 m, RD 80 m)20. Juli 2004
Baugenehmigung an T. [auf Antrag vom 5. Mai 2004]
für WEA Typ Enercon E-66/20.70 (2,0 MW, NH 85 m, RD 70 m)6. September 2004
Tekturgenehmigung für WEA Typ GAMESA EOLICA G 80-2.0 MW
28. September 2004
Tekturgenehmigung für Anlagentyp Enercon E-70 E4 (NH 98 m, Gesamthöhe 134,5 m)
28. Oktober 2004
Änderungs-Baugenehmigung für die WEA E-70-E 4 (Gesamthöhe 134,5 m),
Standortverschiebung nach Osten um 79 m, neue Koordinaten HW …/RW …
29. April 2005
Fertigstellungsanzeige12. Juni 2008
Verlängerungsbescheid zur Baugenehmigung
vom 20. Juli 2004 bis 20. Juli 201218. Juli 2008
Ergänzende Auflage zur Baugenehmigung für E-70 E4:
Abschaltverpflichtung bei Wind von 6 – 14 m/s
für die Sektoren 328° +/- 27° und 148° +/- 27° mit dem Zusatz:
„Die Auflage tritt nur dann in Kraft, soweit die mit Änderungsbaugenehmigung
vom 2. August 2004 genehmigte Windenergieanlage der Fa. T. vom Typ
Enercon E-66/20.70 … tatsächlich errichtet und in Betrieb genommen wird.“20. April 2012
Baugenehmigung an die T. für die Errichtung einer WEA Typ
Enercon E-70 E4– auf Antrag vom 29. Februar 2012 –
(2,3 MW, NH 85 m, RD 71 m)15. November 2012
Baubeginnanzeige31. Mai 2013
Ergänzende Auflage:
Abschaltverpflichtung bei Wind aus SSO (147,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)31. Mai 2013
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für
E-70 E4 mit der Auflage: Abschaltverpflichtung bei Wind aus NNW
(327,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)2013
Fertigstellung der Anlage25. Februar 2014
Änderungsgenehmigung: bloß
Abregelungsverpflichtung bei Wind aus NNW
- 4
Die an die Klägerin adressierte ergänzende Auflage vom 18. Juli 2008 erging im Rahmen des Verfahrens des Widerspruchs der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gegen die der Klägerin erteilte Genehmigung vom 16. Januar 2003. Zur Begründung des Widerspruchs wurde ausgeführt, dass die später genehmigte Anlage der Klägerin den Mindestabstand unterschreite. Daraufhin gab der Beklagte im November 2006 der Klägerin auf, die Standsicherheit der der Fa. T. genehmigten Anlage E-66/20.70 auch bei Ausnutzung der der Klägerin genehmigten Anlage nachzuweisen. In der gutachterlichen Stellungnahme des TÜV Nord zur Turbulenzbelastung im Windpark H. vom Dezember 2007 heißt es auf S. 9 f:
- 5
„Die Standsicherheit der betroffenen WEA 2 und 7 kann in der geplanten Konfiguration durch Ausschluss des Betriebes in der Nachlaufströmung der verursachenden WEA gewährleistet werden. Dies kann durch das Abschalten der jeweils verursachenden WEA bei Auftreten der entsprechenden Nachlaufsituation erreicht werden.
- 6
Da die Lasten bei einer abgeschalteten WEA (Trudelbetrieb) auch in der erhöhten Turbulenz der Nachlaufströmung der Nachbar-WEA geringer sind als im Betrieb bei ungestörter Anströmung, kann alternativ die betroffene WEA selbst abgeschaltet werden.
- 7
Das Abschalten wird bei Windgeschwindigkeiten von 6 bis 14 m/s aus folgenden Windrichtungen erforderlich:
- 8
- WEA 7 oder WEA 2 bei Wind aus 328° +/- 27° (301° bis 355°) und
- 9
- WEA 2 oder WEA 7 bei Wind aus 148° +/- 27° (121° bis 175°)“.
- 10
Die hier streitgegenständliche Regelung vom 31. Mai 2013 erging im Rahmen des Verfahrens zum Widerspruch der Klägerin gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilten Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012. Zu dessen Begründung wurde ausgeführt: Die jetzt genehmigte Anlage E-70 E 4 weiche von der bisher genehmigten Anlage E-66/20.70 ab. Die der Klägerin gegenüber am 18. Juli 2008 ergänzend auferlegte Abschaltverpflichtung beziehe sich ausdrücklich nur auf die zuvor genehmigte Anlage E-66/20.70. Sie habe sich durch die Änderung des Anlagentyps auf Seiten der Fa. T. erledigt. Diese Neugenehmigung führe zu einer Beeinträchtigung des Betriebs ihrer eigenen Anlage. Es sei daher notwendig, der Fa. T. wegen des Nachrangs ihrer Genehmigung Abschaltverpflichtungen zum Schutz der WEA 2 aufzuerlegen.
- 11
Die Kreisverwaltung setzte daraufhin die Vollziehung der Baugenehmigung vom 20. April 2012 aus und forderte die Beigeladene auf, die Auswirkungen der genehmigten WEA 7 (E-70 E4) auf die WEA 2 und andere Folgewirkungen gutachterlich untersuchen zu lassen. Das vorgelegte Gutachten des TÜV Nord vom 21. Februar 2013 empfahl die Abschaltung der WEA 7 bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s sowohl für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° als auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7°, in letzterem Fall zum Selbstschutz der WEA 7. Auf Nachfrage der Kreisverwaltung teilte der TÜV Nord mit, dass alternativ zur Abschaltung der WEA 7 zur Gewährleistung der Standsicherheit beider Anlagen auch eine teilweise oder vollständige Abschaltung der WEA 2 möglich sei.
- 12
Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 hob die Kreisverwaltung die Baugenehmigung vom 20. April 2012 auf und erteilte der Beigeladenen als Rechtsnachfolgerin der Fa. T. nunmehr die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der WEA vom Typ Enercon E-70 E4 (NH 85 m, RD 71 m) und erlegte ihr eine Abschaltverpflichtung bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° (294° bis 359,8°) auf. Eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° wurde für den Fall vorbehalten, dass die Gefahr nicht durch die Inanspruchnahme von Dritten beseitigt werde.
- 13
Ebenfalls mit Bescheid vom 31. Mai 2013 wurde der Klägerin die hier angefochtene nachträgliche Auflage zur Baugenehmigung vom 16. Januar 2003 in der Fassung der Änderungsgenehmigungen dahingehend erteilt, dass sie ihre Anlage bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (114,4° bis 179,8°) abzuschalten habe. Zur Begründung führte die Behörde aus: Die der Klägerin mit Bescheid vom 18. Juli 2008 gemachte Auflage habe sich inzwischen erledigt, da diese von der Errichtung der der Fa. T. ursprünglich genehmigten Anlage Enercon E-66 abhängig gewesen sei. Dennoch bleibe es dabei, dass von der WEA 2 bei einem bestimmten Abschaltsektor eine Gefahr für die benachbarte WEA 7 ausgehe. Hinsichtlich der Bewältigung der Gefahrenlage sei der Grundsatz der Rücksichtnahme und der geeigneten Ursachenzumessung maßgeblich. Danach sei die Klägerin für die Auswirkungen bei Winden aus Südsüdost, die Beigeladene hingegen für die Auswirkungen der Winde aus Nordnordwest verantwortlich.
- 14
Für den Erlass des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2013 erhob die Klägerin mit Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 275,75 €.
- 15
Die Klägerin legte sowohl gegen die ergänzende Auflage zu der ihr erteilten Baugenehmigung als auch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung an die Beigeladene Widerspruch ein und wiederholte darin im Wesentlichen ihre Auffassung, dass nach Errichtung der der Beigeladenen genehmigten WEA Typ Enercon E-70 E4 allein die Beigeladene zur Bewältigung der Gefahrenlage durch entsprechende Abschaltverpflichtungen der WEA 7 verantwortlich sei.
- 16
Nachdem der TÜV Nord in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2013 festgestellt hatte, dass die Standsicherheit der WEA 2 in der Nachlaufströmung der WEA 7 statt durch Abschaltung der WEA 7 auch durch näher beschriebene Abregelungen (Pitchen) gewährleistet werden kann, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 25. Februar 2014 eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung.
- 17
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 wies der Kreisrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin dadurch, dass die Abschalt- bzw. Abregelungsanordnung gegenüber der Beigeladenen auf den Windsektor aus Nordnordwest (327,1° +/- 32,7°) beschränkt und ihr gegenüber eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (Südsüdost) auferlegt worden sei, nicht in ihren Rechten verletzt sei. Rechtsgrundlage für die nachträgliche Anordnung gegenüber der Klägerin sei § 85 LBauO. Die darin geforderte erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit gehe bei Wind aus dem Sektor 147,1° +/- 32,7° von der Anlage der Klägerin (WEA 2) für die Anlage der Beigeladenen (WEA 7) aus. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, der Klägerin auch eine Abschaltverpflichtung zum Schutz der nunmehr der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 aufzuerlegen. Es träfen hier Pflichten von Bauherren verschiedener baulicher Anlagen aufeinander. Bei Zusammentreffen konkurrierender Anlagen habe die Behörde eine sachgerechte Auswahl im Hinblick auf die Verteilung der Rücksichtnahmepflichten zu treffen. Die Klägerin habe ihre Windenergieanlage in eine vorbelastete Situation hinein errichtet, denn ihr sei bei Erteilung der Baugenehmigung bekannt gewesen, dass eine weitere Anlage hinzukommen werde. Schon aufgrund des Bescheides vom 18. Juli 2008 habe die Klägerin Rücksicht auf die der Beigeladenen (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) erteilten Genehmigung nehmen müssen. Bei der nun der Beigeladenen genehmigten Anlage handele es sich auch nicht um ein Aliud, sondern um das Nachfolgemodell zur E-66. Soweit von der nunmehr genehmigten E-70 E4 Beeinträchtigungen für die Windenergieanlage der Klägerin bei bestimmten Windrichtungen zu befürchten seien, seien die erforderlichen Abhilfemaßnahmen allein der Beigeladenen auferlegt worden. Der gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 erhobene Widerspruch sei ebenfalls nicht begründet.
- 18
Mit ihrer am 18. März 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin einerseits den ergänzenden Auflagenbescheid vom 31. Mai 2013 und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 angefochten und andererseits auch die an die Beigeladene gerichteten Bescheide vom 31. Mai 2013 und vom 25. Februar 2014 angegriffen. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 getrennt und zunächst nur die Anfechtungsklagen gegen die an die Klägerin adressierten Bescheide verhandelt. Im Übrigen hat es das Verfahren ausgesetzt.
- 19
Zu dem abgetrennten Komplex hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, die nachträglich mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 85 LBauO seien nicht gegeben. Zwar bestehe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Auswahl der zur Abwendung dieser Gefahr Verantwortlichen sei jedoch fehlerhaft erfolgt. Ermessensgerecht sei allein, den Letztverursacher vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die letzte Ursache für die Unverträglichkeit des parallelen Betriebs der WEA 2 und WEA 7 sei jedoch durch die Genehmigung der E-70 zugunsten der Beigeladenen gesetzt worden.
- 20
Die Klägerin hat beantragt,
- 21
die Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2013 und vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 aufzuheben.
- 22
Der Beklagte hat unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens beantragt,
- 23
die Klage abzuweisen.
- 24
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, die angefochtenen Bescheide jedoch verteidigt.
- 25
Das Verwaltungsgericht hat der (abgetrennten) Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2015 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Der Beklagte könne sich insofern nicht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO berufen. Einschlägig sei vielmehr die immissionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG. Zum Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 BImSchG sei indes nicht der Beklagte, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion zuständig. Die Windenergieanlage der Klägerin unterliege nach der Übergangsregelung in § 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG ab dem 1. Juli 2005 dem Immissionsschutzrecht, was auch für das immissionsschutzrechtliche Überwachungsinstrumentarium gelte. Dies habe zur Folge, dass § 17 Abs. 1 BImSchG auch für solche Windkraftanlagen gelte, für die ursprünglich eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Zwar stelle § 17 BImSchG keine Spezialregelung dar, die die polizei- oder ordnungsrechtlichen Vorschriften stets verdränge. Das Instrument der nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG diene der Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten. Demgegenüber könnten nachträgliche Anordnungen nach § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO nur zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit angeordnet werden, denen typischerweise bauordnungsrechtlich zu begegnen sei. Soweit eine Maßnahme auf § 17 BImSchG gestützt werden könne, blieben ordnungsrechtliche Vorschriften daher außen vor. Dies müsse auch dann gelten, wenn neben immissionsschutzrechtlichen auch bauordnungsrechtliche Gründe für das nachträgliche Einschreiten gegeben seien, die immissionsschutzrechtlichen Gründe aber im Vordergrund stünden. Letzteres sei hier der Fall, da es primär um die Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten gehe. Der Beklagte habe mit seiner Verfügung zum Ausdruck gebracht, dass von der Windenergieanlage der Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen. Dass damit auch Fragen der Standsicherheit i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO im Raum stünden, ändere nichts daran, dass die getroffene Anordnung maßgeblich aus Gründen des Immissionsschutzrechts getroffen werde. Infolgedessen sei auch der damit zusammenhängende Kostenbescheid rechtswidrig.
- 26
Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 nachträglich auferlegte Abschaltverpflichtung sei zu Recht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO gestützt worden. Denn es solle mit dieser Verfügung keine immissionsschutzrechtliche Verpflichtung, sondern vielmehr eine Anforderung aus dem Bauordnungsrecht durchgesetzt werden. Maßgebliches Ziel der Verfügung sei es nämlich, die Anforderungen an die Standsicherheit nach § 13 LBauO durchzusetzen. Die Verfügung sei auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Klägerin rechtlich nicht zu beanstanden. Die getroffene Lastenverteilung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sei sachgemäß. Bei der der Beigeladenen genehmigten Windenergieanlage Enercon E-70 handele es sich nicht um ein Aliud zur früheren Anlage, vielmehr sei die E-70 die Nachfolgeanlage zur Enercon E-66 mit nur geringen technischen Änderungen. Daraus ergebe sich keine Notwendigkeit zur Durchführung eines völlig neuen Genehmigungsverfahrens. Soweit der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen aus dem Jahr 2013 Änderungen hinsichtlich der Abschaltsektoren und der Windgeschwindigkeit errechnet habe, sei dies im Wesentlichen auf Änderungen des Rechnungsmodus seit dem Erstgutachten im Jahr 2007 zurückzuführen. Dies habe der TÜV Nord auf ergänzende Anfrage bestätigt. Im Übrigen ergäben sich kleine Abweichungen daher, dass bei den neueren Berechnungen der Abstand der beiden Anlagen WEA 2 und WEA 7 korrekt um 6 m reduziert worden sei.
- 27
Der Beklagte beantragt,
- 28
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 abzuweisen.
- 29
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
- 30
die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 abzuweisen.
- 31
Zur Begründung führt sie aus, dass die Bauaufsichtsbehörde zum Erlass der nachträglichen Anordnung zuständig gewesen sei. Denn hier hätten bauordnungsrechtliche Fragen der Standsicherheit im Vordergrund gestanden. In der Sache sei die von der Behörde getroffene Lastenverteilung rechtlich nicht zu beanstanden. Für sie [die Beigeladene] streite das Prioritätsprinzip. Ihr sei im Jahr 2002 erstmals ein positiver Bauvorbescheid für die Errichtung einer Windenergieanlage auf den Flurstücken Nrn. 1993 und 1994 erteilt worden. Im Anschluss daran sei sie ununterbrochen im Besitz einer Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage gewesen. Bei der Umstellung von der E-66 auf die E-70 handele es sich nicht um ein Aliud, sondern bloß um eine Weiterentwicklung. Die E-70 verursache sogar geringere Turbulenzen als das Vorgängermodell. Das Vorhaben der Klägerin sei demgegenüber nicht prioritär. Folgerichtig hätte die Klägerin daher sogar die vollständige Verantwortung zur Gefahrenbeseitigung treffen müssen. Dann sei aber jedenfalls die von dem Beklagten getroffene Lastenverteilung von der Klägerin nicht zu beanstanden.
- 32
Die Klägerin beantragt,
- 33
die Berufungen zurückzuweisen.
- 34
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. § 17 BImSchG sei auch dann anwendbar, wenn zumindest auch immissionsschutzrechtliche Pflichten durchgesetzt werden sollten, wie hier. Im Übrigen sei es verfehlt, sie für die Bewältigung von Problemen wegen der Nähe ihrer Anlage zu der der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 E4 in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte gehe zu Unrecht weiterhin von einer Priorisierung der Windenergieanlage der Beigeladenen aus. Bei der Anlage E-70 handele es sich um eine in wesentlicher Hinsicht andere Anlage als die zuvor genehmigte E-66/20.70. Es hätte daher eines neuen Genehmigungsverfahrens bedurft. Wie sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen der F. vom 16. Mai 2014 und vom 22. Juli 2016 ergebe, komme es für die Beurteilung von Turbulenzerhöhungen durch eine geänderte Anlage nicht nur auf die Nabenhöhe und den Rotordurchmesser der Anlage an. Wesentlich sei auch der Schubbeiwert des Rotors. Insofern unterschieden sich die Schubbeiwerte bei den Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-66/20.70 und Enercon E-70 E4 jedoch deutlich. Der neue Rotor der Anlage E-70 E4 erbringe eine höhere Windausbeute, was auch zu einem veränderten Strömungsverlauf führen müsse.
- 35
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 36
Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.
- 37
Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
- 38
Die angefochtene ergänzende Auflage im Bescheid vom 31. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Demzufolge kann auch der hierauf gestützte Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 keinen Bestand haben.
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1. Die ergänzende Anordnung vom 31. Mai 2013 war indes nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sie als dafür zuständige Bauaufsichtsbehörde auf die bauordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 85 LBauO gestützt hat.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war er hieran nicht durch eine vorrangige Anwendbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG gehindert, wofür – anders als für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen – nicht die Kreisverwaltung, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion sachlich zuständig wäre (vgl. § 1 Abs. 1 und Nr. 1.1.8 der Anlage der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes (ImSchZuVO) vom 14. Juni 2002 i.d.F. des Gesetzes vom 6. Oktober 2015 (GVBl. S. 283; die Zuständigkeit der Kreisverwaltung für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen ergibt sich aus Nr. 1.1.1 der Anlage zum ImSchZuVO).
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Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen getroffen werden. Nach ihrem klaren Wortlaut beschränkt sich diese Ermächtigung auf die Erfüllung immissionsschutzrechtlicher Verpflichtungen, also der Pflichten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 BImSchG. Hinsichtlich der Pflichten aus anderen Vorschriften außerhalb des BImSchG ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass zu deren Vollzug die hierfür zuständigen Behörden berufen sind. Die Konzentrationswirkung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen nach § 13 BImSchG erstreckt sich nur auf die präventive Kontrolle; nach Erteilung der Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden zurück (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 25. Juli 2011 – 4 ME 175.11 –, NuR 2011, 891 und juris, Rn. 4; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 79. EL 2016, § 13 BImSchG, Rn. 117 und 120; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 13 Rn. 25 und § 17 Rn. 20). Beim Verstoß gegen Pflichten sowohl aus dem BImSchG als auch aus anderen Vorschriften kann § 17 BImSchG anwendbar sein, dann aber gegebenenfalls parallel zu anderen Ermächtigungsnormen (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 17 Rn. 26; Jarass, a.a.O., § 17 Rn. 20). Derselbe Sachverhalt kann Anlass für verschiedene Behörden zum Einschreiten sein. Die Berechtigung hierzu hängt von der Zielrichtung der Maßnahme ab. Dient eine Maßnahme der Durchsetzung baurechtlicher Anforderungen, so ist - jedenfalls auch - die Bauaufsichtsbehörde zuständig (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 1994 – 10 A 4084/92 –, BauR 1995, 372, LS 1 und 2; Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 17 Rn. 44 f.).
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parallelität der Eingriffsermächtigungen dann eine Einschränkung verlangt, wenn der Pflichtenverstoß sein Schwergewicht eindeutig in einem der einschlägigen Rechtsregime hat. Denn ein solcher Fall liegt hier zugunsten des immissionsschutzrechtlichen Pflichtenkreises nicht vor. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts standen bei dem Einschreiten des Beklagten nicht immissionsschutzrechtliche Gründe im Vordergrund. Zwar können die Turbulenzwirkungen einer Windenergieanlage auf Nachbaranlagen durchaus als schädliche Umwelteinwirkungen aufgefasst werden. Insbesondere aus dem Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015, in dessen Gestalt die Abschaltanordnung vom 31. Mai 2013 Gegenstand der Anfechtungsklage ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ergibt sich indessen eindeutig, dass der Beklagte wegen Gefahren für die Standsicherheit der benachbarten Anlagen und damit zur Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Verpflichtungen eingeschritten ist (vgl. S. 8 und S. 10 des Widerspruchsbescheids). Denn § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO verlangt, dass durch eine bauliche Anlage die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Ausrichtung des aufsichtsbehördlichen Vorgehens auf Fragen der Standsicherheit wird schließlich auch durch die gutachterlichen Stellungnahmen des TÜV Nord bestätigt. Danach hat sich der Gutachtenauftrag auf die Beurteilung der Standsicherheit der Windenergieanlagen bezogen (vgl. S. 5 der Stellungnahme vom 20. Dezember 2013). Aufgrund fehlender Kriterien für einen Immissionsgrenzwert für die durch eine Nachbar-WEA erhöhten Turbulenzbelastungen haben die Gutachter auf Kriterien der Standsicherheit abgestellt. Danach werde ein auf erhöhte Turbulenzintensität rückführbarer zusätzlicher Verschleiß einer Windenergieanlage dann als zumutbar angesehen, solange die Standsicherheit für 20 Jahre gewährleistet bleibe (a.a.O., S. 5). Damit stellen die Gutachter klar, dass im Kern der Untersuchung Fragen zur Standsicherheit der benachbarten Windenergieanlagen standen. Auf dieser Grundlage ist die Behörde eingeschritten.
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2. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO liegen vor.
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Nach dieser Vorschrift können bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen nachträglich Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist.
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Hier drohen durch den Betrieb der Windenergieanlage der Klägerin erhebliche Gefahren für das Eigentum an Sachen. Konkret können infolge der durch die WEA 2 im Nachlauf ausgelösten Turbulenzen Beeinträchtigungen für die Standsicherheit benachbarter Windenergieanlagen auftreten. Wie der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen ausgeführt hat, sind für die Belastung, Haltbarkeit und den Betrieb von Windenergieanlagen vor allem die Windbedingungen maßgeblich. Hierfür ist neben der vorhandenen Umgebungsturbulenzintensität in einer Windzone auch der Einfluss der Nachlaufsituationen benachbarter Windenergieanlagen ausschlaggebend. Dies kann bei der betroffenen Anlage zu schnellerem Verschleiß von Anlagenteilen und zur Beeinträchtigung ihrer Standsicherheit führen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 5 f; auch: OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 15). Aufgrund der Berechnungen des TÜV Nord steht fest, dass bei den Anlagen der Klägerin (WEA 2) und der Beigeladenen (WEA 7) wegen ihres geringen Abstands von unter 150 m die – unter Berücksichtigung anlagenspezifischer Parameter, wie etwa dem Schubbeiwert, ermittelten – effektiven Turbulenzintensitäten die aus der Umgebungsturbulenzintensität hergeleiteten Auslegungswerte überschreiten und damit eine Gefährdung der Standsicherheit der jeweils betroffenen Windenergieanlage begründen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 6 f. und S. 15 bis 18). Dies bedeutet, dass bei einem bestimmten Windsektor und bestimmten Windgeschwindigkeiten die im Nachlauf der anderen Anlage stehende Windenergieanlage in ihrer Standsicherheit beeinträchtigt wird.
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3. Der angefochtene Bescheid vom 31. Mai 2013 erweist sich allerdings deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte von dem ihm in § 85 Abs. 1 LBauO eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Der Beklagte hat nämlich bei der Abgrenzung der Verantwortung für die Bewältigung des Konflikts durch den Betrieb zweier unverträglich naher Windenergieanlagen den für eine sachgerechte Lastenverteilung maßgebenden Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens nicht in der gebotenen Weise beachtet. Danach hat der Betreiber derjenigen Anlage die Verantwortung zur Konfliktbewältigung und die damit verbundenen Lasten zu tragen, der durch die Realisierung seines Projekts die letzte Ursache für die Entstehung des Konflikts setzt. Dies war hier die Beigeladene, die für ihr im Jahr 2012 genehmigtes und begonnenes Vorhaben auf die bereits seit 2005 betriebene Anlage der Klägerin traf.
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a) Weil der Betrieb einer Windenergieanlage wegen der geschilderten Turbulenzeffekte zu Beeinträchtigungen benachbarter Windenergieanlagen führen kann, bedarf es geeigneter Maßnahmen, um den dadurch ausgelösten Konflikt zu bewältigen. Dabei kommt als erstes die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes zwischen den Windenergieanlagen in Betracht. Insofern wird eine Distanz der fünffachen Länge des Rotordurchmessers für ausreichend erachtet (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 164 und juris, Rn. 6; Gatz, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2013, Rn. 358). Nach den Ausführungen des TÜV Nord kann die Gefahr von Beeinträchtigungen durch Turbulenzeffekte aber nicht nur durch gehörigen Abstand der Anlagen und damit den Verzicht auf einen der zu dicht gelegenen Standorte abgewendet werden. In Betracht kommen auch Abschalt- bzw. Abregelungsverpflichtungen. So können schädliche Turbulenzeffekte einmal durch die Abschaltung der zuvorderst im Wind stehenden Anlage zugunsten der dahinterstehenden Anlage vermieden werden (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 17 f.). Gefahren für die Standsicherheit kann aber auch durch Abschalten der dahinterstehenden Anlage – zu ihrem Selbstschutz – begegnet werden, weil die Lasten einer abgeschalteten Windenergieanlage (Trudelbetrieb) auch bei einer erhöhten Turbulenz durch die auf der Luvseite stehenden Anlage gering sind (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom Dezember 2007, S. 10, sowie ergänzende Stellungnahme des TÜV Nord vom 7. Januar 2014, Bl. 221 der Behördenakte „…“). Die Gefahrenabwehr kann also einmal aktiv durch Unterbinden der Turbulenzwirkungen bei der störenden Anlage erfolgen. Sie kann aber auch passiv durch Abschalten der gestörten Anlage geschehen.
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Zu der Frage, wem die Lasten der Konfliktbewältigung – durch Verzicht auf einen Standort oder durch Abschaltverpflichtungen und damit einhergehender geringerer Energieausbeute – aufzuerlegen sind, finden sich weder im Immissionsschutzrecht noch im Baurecht Regelungen. Anforderungen an die Ermessenssteuerung können daher nur aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet werden. Für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge und der Annahme, dass sich auf den gewählten Standorten nur eine der Anlagen realisieren lässt, sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung folgende Grundsätze anerkannt: Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangen eine willkürfreie und sachgerechte Auswahl bzw. Reihung unter den sich ausschließenden Genehmigungsanträgen. Dabei erweist sich der Gesichtspunkt der Priorität konkurrierender Anträge grundsätzlich als sachgerechtes Kriterium, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung hiervon rechtfertigen (vgl. OVG Nds., Urteil vom 26. September 1991 – 1 L 74 und 75/91 –, juris, Rn. 82; OVG MV, Beschluss vom 28. März 2008 – 3 M 188/07 –, BauR 2008, 1562 und juris, Rn. 31 f.; ThürOVG, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 1 EO 35/12 –, ZNER 2012, 443 und juris, Rn. 30 f.; OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 21). Vorrang wird dem zuerst gestellten Antrag allerdings nur dann zuerkannt, wenn ihm vollständige und prüffähige Unterlagen beigefügt sind (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 493; Sittig, in: Maslaton, Windenergieanlagen, Kap. 2 Rn. 217 ff, jeweils m.w.N.).
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Diese Grundsätze können auch bei der Frage nach der Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung durch Abschaltverpflichtungen angewendet werden. Danach ist es grundsätzlich sachgerecht, dass derjenige Rücksicht zu nehmen und Nachteile zu tragen hat, der mit seinem Vorhaben an eine bereits bestehende Anlage heranrückt. Gleichermaßen unterliegt er Rücksichtnahmepflichten, wenn er mit seinem Vorhaben auf eine vorhandene Genehmigungslage trifft, weil für den in einer Entfernung unterhalb des fünffachen Rotordurchmessers gelegenen Nachbarstandort bereits eine Genehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage erteilt worden ist. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte abgestellt, wenn er gegenüber der Klägerin geltend macht, sie habe ihre Windenergieanlage in einer – durch die Genehmigung der Anlage auf den Flurstücken Nrn. … und … (WEA 7) – vorbelasteten Situation errichtet.
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Indes ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Vorrang zugunsten der zuerst beantragten bzw. genehmigten Anlage entfällt, sobald dieses erste Vorhaben später wesentlich geändert wird (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011 – 1 EO 69/11 –, ZNER 2011, 649 und juris, Rn. 42 – für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge –; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217 ff.). Gründe der Chancengleichheit und der Vermeidung von Umgehungen des Prioritätsgrundsatzes verlangen hier eine neue Reihung der konkurrierenden Vorhabenträger. Darüber hinaus ist zu bedenken, ob sich der Vorrang zugunsten des zeitlich früheren Vorhabens nicht nur bei der erstmaligen Genehmigungserteilung und dann nur für die Dauer deren Wirksamkeit durchsetzt.
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b) Im vorliegenden Fall ist der ursprüngliche Vorrang zugunsten der auf dem Standort der WEA 7 genehmigten Anlage bereits dadurch entfallen, dass dort nunmehr eine andere, wesentlich geänderte Anlage geplant und genehmigt worden ist.
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Für die Frage, wann eine wesentliche, die ursprüngliche Vorrangstellung vernichtende Anlagenänderung vorliegt, kann auf § 16 BImSchG abgestellt werden. Denn die Notwendigkeit einer neuen präventiven Prüfung markiert ähnlich wie die erstmalige Vorlage prüffähiger Unterlagen den für die Reihung konkurrierender Vorhaben maßgebenden Zeitpunkt. Mit der wesentlichen Änderung der zunächst eingereichten Unterlagen entfällt die Rechtfertigung einer Vorrangstellung gegenüber einem ursprünglich später eingereichten, dann aber unverändert gebliebenen Vorhaben (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 495).
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Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegt eine wesentliche – und damit genehmigungs- und nicht bloß nach § 15 BImSchG anzeigepflichtige – Änderung vor, wenn durch die Änderung (der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs) der Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist eine Genehmigung nur dann nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen sichergestellt ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Genehmigungsverfahren immer bereits dann notwendig, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können; die bloße Möglichkeit solcher Auswirkungen reicht somit aus (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 16 BImSchG, Rn. 34).
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Derart wesentliche Auswirkungen sind regelmäßig bei Verschiebungen des Standorts und der Änderung des Anlagentyps von Windenergieanlagen zu erwarten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 45; OVG NRW, Beschluss vom 25.Februar 2015 -8 A 959/10-, BauR 2015, 1138 und juris Rn. 113 [Ersetzung einer Windenergieanlage Typ Enercon E 66/18.70 durch eine E-70 E4 - 2,0 MW, RD 71m – als Neuerrichtung]). Denn in diesen Fällen sind insbesondere die zu erwartenden Turbulenzeffekte einer erneuten Prüfung zu unterziehen (vgl. ThürOVG, ebenda). Eine solche Prüfung ist hier von dem Beklagten auch veranlasst worden, wenn auch nicht vor Erteilung der Änderungs-Baugenehmigung vom 20. April 2012, so doch nach Eingang des Widerspruchs der Klägerin und im Anschluss an die daraufhin verfügte Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. In der Aufforderung an die Beigeladene vom 10. Dezember 2012 (Bl. 31 der Behördenakte) zur Beibringung eines Gutachtens über die Auswirkungen des neuen Anlagentyps E-70 E4 weist die Behörde darauf hin, dass sich zwar wegen der scheinbar geringen Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Anlagentyp möglicherweise keine zusätzlichen Anforderungen ergäben, dies jedoch nicht offensichtlich feststehe, so dass auf die Einholung eines Gutachtens nicht verzichtet werden könne. Damit bestätigt der Beklagte letztlich, dass hier die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 BImSchG, nämlich die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen vorgelegen haben. Unterstützt wird diese Annahme durch die Stellungnahme der F. vom 16. Mai 2014 (nochmals vorgelegt als K 21 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 6. Juni 2016, Bl. 137 f der Gerichtsakte). Danach unterscheiden sich die Schubbeiwerte der WEA ENERCON E-66/20.70 und E-70 E4 (R071m) – wegen des veränderten Profils der Rotorblätter – deutlich. Diese Einschätzung wird durch die ergänzende Stellungnahme der F. vom 27. Juli 2016 (Anlage K 22 zum Schriftsatz der Kläger-Bevollmächtigten vom 26. Juli 2016, Bl. 197 ff der Gerichtsakte) bestätigt. Danach erbringe die neue Anlage eine höhere Windausbeute (Mehrertrag von 12,5 %), was auch zu einem veränderten Verlauf der Strömung im Nachlauf der Anlage führen müsse (vgl. S. 3 f der Stellungnahme vom 22. Juli 2016). Dass sich der Umfang der Rücksichtnahmepflichten aufgrund der neuerlichen Untersuchung durch den TÜV Nord nur relativ geringfügig erweitert (Windgeschwindigkeitsspanne von 4-14 m/s statt 6-14 m/s; Abschalt- bzw. Abregelungssektor bei 327,1 ° bzw. 147,1° jeweils +/- 32,7° statt 328° bzw. 148° jeweils +/- 27°) und diese Veränderungen nach dessen Mitteilung im Wesentlichen auf dem neuen Rechenmodell und nur zu einem geringeren Teil auf der Anlagenänderung beruhen (vgl. Stellungnahmen TÜV Nord vom 13. und 14. April 2016, Bl. 159 f der Gerichtsakte), ändert – ebenso wie die Behauptung des Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, dass sich die Nachlaufturbulenzen durch die neue Anlage tatsächlich reduziert hätten – nichts daran, dass aufgrund des Austauschs des Anlagentyps die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen im Raum stand und deshalb die Durchführung eines erneuten (Änderungs-) Genehmigungsverfahrens notwendig war.
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Würde eine solche Anlagenänderung noch vor Bescheidung konkurrierender Genehmigungsanträge erfolgen, wäre es aus den oben dargelegten Gründen nicht sachgerecht, das ursprünglich als zweites projektierte Vorhaben weiterhin an dem Nachrang gegenüber dem ursprünglich ersten Vorhaben festzuhalten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217). Nichts anderes kann dann gelten, wenn die Konfliktbewältigung nicht durch gänzlichen Verzicht eines der beiden Vorhabenträger auf Realisierung seines Projekts, sondern durch Reduzierung des Anlagenbetriebs mittels Abschalt- bzw. Abregelungspflichten erreicht werden soll. Zwar steht es jedem Bauherrn frei, sein Vorhaben nach Einreichung eines ursprünglichen Antrags zu ändern und es in dieser geänderten Form zur Genehmigung zu stellen. Er muss dann allerdings auch die Konsequenz tragen, dass er im Verhältnis zu dem Konkurrenten, der keine Änderung an seinem Vorhaben vorgenommen hat, dann als nachrangig zu bewerten ist (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42). Darüber hinaus musste der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch spätestens nach Erlass der zu Lasten der Klägerin ergangenen ergänzenden Auflage vom 18. Juli 2008 klar sein, dass sich ihre Vorrangstellung nur auf die Genehmigung der Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-66/20.70 bezog und sie Rücksichtnahmepflichten der Klägerin nur bei der Realisierung dieses Anlagentyps erwarten durfte.
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c) Hinzu kommt, dass das Vertrauen der Beigeladenen in den Bestand ihrer ursprünglichen Vorrangstellung aufgrund Ablaufs der Geltungsdauer der ihr zunächst erteilten Genehmigungen nicht mehr schutzwürdig ist.
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Während die Klägerin ihre mit Bescheid vom 28. September 2004 genehmigte Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E4 zügig im Folgejahr errichtet hatte, ist auf dem Standort der WEA 7 mit der Verwirklichung des Vorhabens erst im Anschluss an die Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012 für den Anlagentyp Enercon E-70 E4 begonnen worden. Zwar genoss das Vorhaben der WEA 7 zunächst Vorrang, weil für diesen Standort am 23. September 2002 ein positiver Bauvorbescheid (allerdings für eine – größer dimensionierte – WEA Nordex N 90; vgl. zur Vorrangwirkung auch eines bloßen Vorbescheids: OVG RP, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 A 10676/14.OVG –, BauR 2015, 1151 und juris, Rn. 25) und schließlich am 20. Juli 2004 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-66/20.70 erteilt worden war. Wegen dieses Vorrangs hätte die Genehmigung der Anlage der Klägerin (letztlich durch die Tekturgenehmigung vom 28. September 2004) bereits von Beginn an nur unter der Auflage entsprechender Rücksichtnahmepflichten ergehen dürfen. Der Beklagte hat dies, nachdem er die Problematik der Turbulenzeffekte zunächst verkannt hatte, durch die ergänzende Auflage gegenüber der Klägerin vom 18. Juli 2008 nachgeholt.
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(1) Indes konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin einen Vorrang der WEA 7 nur für das vorrangig genehmigte Vorhaben und nur für die Dauer der Wirksamkeit der Baugenehmigung beanspruchen. Denn das durch die Baugenehmigung erworbene Baurecht, die genehmigte Anlage ungeachtet von Veränderungen der Sach- und Rechtslage so wie genehmigt errichten zu dürfen, gilt nur für die Dauer der Gültigkeit der Baugenehmigung. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 LBauO erlischt eine Baugenehmigung, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer Zustellung mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen wurde. Diese Frist kann zwar nach § 74 Abs. 2 Satz 1 LBauO verlängert werden. Ein solches Verlängerungsverfahren führt jedoch nur zu einer verfahrensmäßigen Erleichterung (etwa durch den Verzicht auf Vorlage neuer Bauunterlagen); in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Verlängerungsantrag wie ein Neuantrag zu behandeln (vgl. Jeromin, LBauO, 4. Aufl. 2016, § 74, Rn. 16 bis 18). Ist das innerhalb der Geltung der Ursprungsgenehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren aber an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, so spricht der Grundsatz der Priorität und der Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens dafür, das nunmehr zur Verlängerung anstehende Vorhaben als gegenüber der bereits vorhandenen Windenergieanlage nachrangig zu werten.
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(2) Diese Erwägungen gelten gleichermaßen auch in Anwendung der Vorschriften zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Die hier zunächst auf der Grundlage der Landesbauordnung genehmigten Windenergieanlagen unterfielen nämlich ab 1. Juli 2005 dem Regime des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beigeladene mit dem Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 nur im Besitz einer bis 20. Juli 2012 geltenden Genehmigung war. Auch bei dem Begehren auf bloße Verlängerung ihres ursprünglichen Vorhabens - statt dessen wesentlicher Änderung, wie hier - hätte die Beigeladene daher im Jahr 2012 den Nachrang gegenüber der bereits vorhandenen Anlage der Klägerin akzeptieren müssen.
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Nach § 67 Abs. 9 Satz 1 LBauO gelten Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m – wie hier –, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, ab diesem Zeitpunkt als Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die von dem Beklagten für die Fortgeltung des Baurechtsregimes in Anspruch genommene Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 15. September 2005 – 8 B 1074/05 –, NVwZ-RR 2006, 173) betrifft nur die Fortgeltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung nach § 212a BauGB. Im Übrigen ist die ursprüngliche Baugenehmigung hingegen allein nach dem Regime des BImSchG zu beurteilen. Dies bedeutet, dass die ab 1. Juli 2005 als immissionsschutzrechtliche Genehmigung geltende ursprüngliche Baugenehmigung allein nach den Voraussetzungen des § 18 BImSchG erlischt, die Erlöschungsregelung nach dem Bauordnungsrecht damit entfällt (vgl. VGH BW, Urteil vom 4. August 2011 – 3 S 2439/09 –, NuR 2012, 277 und juris, Rn. 28; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 67 Rn. 43). Nach § 18 BImSchG gilt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zwar grundsätzlich zeitlich unbefristet; die Genehmigungsbehörde (hier ebenfalls die Kreisverwaltung, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ImSchZuVO i.V.m. Anlage Nr. 1.1.1 Ziff. 4) ist jedoch nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berechtigt, die Geltungsdauer auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu beschränken (vgl. VGH BW, ebenda). Dies ist hier – der Sache nach, wenn auch in Anwendung von Bauordnungsrecht – durch den Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 geschehen. Darin heißt es:
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„Aufgrund Ihres Antrags vom 1. April 2008 wird hiermit die Baugenehmigung vom 20. Juli 2004 … um vier Jahre verlängert. Die Baugenehmigung gilt jetzt somit bis 20.07.2012.“
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Aufgrund dieser Genehmigungslage konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin nur darauf vertrauen, die ihr genehmigte Anlage bis Juli 2012 mit entsprechendem Vorrang hinsichtlich der Bewältigung der durch die Turbulenzeffekte der benachbarten Anlagen hervorgerufenen Konflikte verwirklichen zu können. Zwar hätte sie auch nach dem Regime des BImSchG die Möglichkeit gehabt, eine Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung zu beantragen. Nach § 18 Abs. 3 BImSchG kommt eine solche Verlängerung jedoch nur aus wichtigem Grunde in Betracht, wenn hierdurch der Zweck des Gesetzes nicht gefährdet wird. Dies verlangt die Beurteilung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen auch aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung im Einwirkungsbereich der Anlage und der sich hiernach zu beurteilenden Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft noch gegeben sind (vgl. Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, a.a.O., § 18 BImSchG, Rn. 31). Ist also auch nach Immissionsschutzrecht das innerhalb der Geltung einer Genehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, ist es sachgerecht, dass es sich im Rahmen der Bewältigung des Abstandskonflikts gegenüber einem bislang zurückstehenden Zweitvorhaben nunmehr als nachrangig behandeln lassen muss.
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d) Werden die von dem Beklagten für die Inanspruchnahme der Klägerin angestellten Erwägungen zur Bewältigung des Abstandskonflikts zwischen der WEA 2 und der WEA 7 den Anforderungen an eine sachgerechte Verteilung der damit verbundenen Lasten nicht hinreichend gerecht, so ist die mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung – ebenso wie der darauf beruhende Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 – aufzuheben. Damit findet der von dem Beklagten bereits in dem Genehmigungsbescheid an die Beigeladene vom 31. Mai 2013 aufgenommene Vorbehalt Anwendung, dass ihr gegenüber auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° Rücksichtnahmepflichten auferlegt werden müssen, falls die Klägerin aus rechtlichen Gründen von einer Abschaltverpflichtung frei wird (vgl. S. 2 und 3 des Bescheids, Bl. 144 der Behördenakte).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
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Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil das Verfahren Gelegenheit gibt, die bei der Konkurrenz unverträglicher Windenergieanlagen aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere nach der sachgerechten Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung, höchstrichterlich zu klären.
Beschluss
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,-- € festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 2079/14 geführten Klage gegen die der Beigeladenen durch den Antragsgegner erteilte Genehmigung vom 17. Juni 2014 (Az.: ) zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E 70 E 4 mit einer Nabenhöhe von 63,50 m, einem Rotordurchmesser von 71,0 m und einer Gesamthöhe von 99,0 m auf dem Grundstück in O. , Gemarkung F. , wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber nicht begründet.
5Der Antragstellerin fehlt es nicht bereits an der analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Antragsbefugnis. Denn sie kann geltend machen, möglicherweise in ihrem (Verfahrens-)Recht auf willkürfreie Behandlung paralleler Genehmigungsanträge durch die angefochtene Genehmigung verletzt worden zu sein. Diese Möglichkeit einer Rechtsverletzung reicht für die Antragsbefugnis aus.
6Vgl. u.a. Oberverwaltungsgericht des Landes Rheinland-Pfalz (OVG Rh-Pf), Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 13 ff.
7Der mithin zulässige Antrag ist jedoch nicht begründet.
8Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom 17. Juni 2014 ist zunächst in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.
9Namentlich entspricht sie den Anforderungen der §§ 80a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist.
10Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Die Behörde ist verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, schlüssig und substanziiert darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus.
11Vgl. etwa OVG für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 8. Mai 2007 - 8 B 2477/06 -, juris Rn. 43 und 45; Verwaltungsgericht (VG) Aachen, Beschluss vom 11. Januar 2010 - 6 L 319/09 -, juris Rn. 8 und 10; Puttler, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 2. Auflage 2006, § 80 Rn. 97 mit weiteren Nachweisen.
12In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Die Abwägung, ob das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin die gegenläufigen Vollziehungsinteressen der Beigeladenen überwiegt, ist vielmehr Teil der eigenständigen gerichtlichen Interessenabwägung.
13Vgl. VG Aachen, u.a. Beschluss vom 11. Januar 2010 - 6 L 319/09 -, juris Rn. 12.
14Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt. Er hat mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs ausgeführt, das überwiegende private Interesse der Beigeladenen folge aus den erheblichen finanziellen Nachteilen, die ihr aufgrund einer Verzögerung durch die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage entstünden. Dazu zählten vor allem Verluste aus der Degression der Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die sich auf 20 Jahre hin auswirkten und die Kostenkalkulation insgesamt gefährdeten.
15Damit hat der Antragsgegner schlüssig und nachvollziehbar zu erkennen gegeben, aufgrund welcher konkreten Überlegungen er gerade im vorliegenden Fall ein überwiegendes privates Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht. Dies genügt, wie dargelegt, den Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
16Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
17Maßgebliches Kriterium innerhalb der vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der angefochtene Verwaltungsakt sich dagegen als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
18Bei Anwendung dieses Maßstabs erweist sich die Genehmigung vom 17. Juni 2014 bei summarischer Betrachtung nicht aufgrund einer Verletzung dem Schutze der Antragstellerin dienender Vorschriften als offensichtlich rechtswidrig. Nach derzeitigem Sachstand ist vielmehr davon auszugehen, dass sie Rechte der Antragstellerin offensichtlich nicht verletzt.
19Da die Antragstellerin sich gegen den Genehmigungsbescheid nicht als Adressatin, sondern als Dritte wendet, ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob die erteilte Genehmigung im Hinblick auf Vorschriften, die dem Schutz der Antragstellerin dienen, rechtmäßig ist. Einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung haben Dritte nämlich nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Rechtsschutz voraus, dass die Dritten durch den Verwaltungsakt zugleich in ihren Rechten verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Dritten dient, also drittschützende Wirkung hat.
20Die Verletzung einer drittschützenden Norm ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar. Die angefochtene Genehmigung ist bei der hier allein möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Überprüfung im Ergebnis nicht zu beanstanden.
21Rechtsgrundlage für die angefochtene Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage ist § 6 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn
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1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
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2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
In Betracht kommt vorliegend unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Drittrechten allerdings nicht ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.
27Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
28Diese Bestimmung ist zwar grundsätzlich für Nachbarn drittschützend. Die Antragstellerin hat aber nicht aufgezeigt, dass von dem genehmigten Vorhaben mit Blick auf ihren eigenen Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen ausgehen. Auch der Umstand, dass sie auf dem benachbarten, im Eigentum ihres Geschäftsführers stehenden Flurstück 48 selbst die Errichtung und den Betrieb einer Kleinwindenergieanlage plant, macht sie ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zu einer Nachbarin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.
29Vgl. Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 6 Rn. 70.
30Es liegt auch kein Verstoß gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Nr. 2 BImSchG vor. Die Antragstellerin kann sich insbesondere nicht auf eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens sowie auf eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme berufen.
31Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens folgt aus § 30 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB). Danach ist ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig, wenn es im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, seinen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
32Dies ist hier der Fall. Das für den Standort der geplanten Windenergieanlage von der Beigeladenen vorgesehene Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Windkraftkonzentrationszone" der Gemeinde O. . Im Baugebiet wird die maximale Bauhöhe für Windkraftanlagen auf 99,0 m begrenzt. Dieser Festsetzung entspricht das streitgegenständliche Vorhaben. Daran, dass die Erschließung gesichert ist, bestehen keine Zweifel.
33Soweit durch das Fundament der genehmigten Windenergieanlage die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans überbaubare Fläche überschritten wird, hat der Antragsgegner nach Erteilung des erforderlichen Einvernehmens durch den Rat der Gemeinde O. im Genehmigungsbescheid insoweit von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung erteilt. Dass hierdurch Rechte der Antragstellerin, die nicht Eigentümerin eines angrenzenden oder sonst von den Auswirkungen des Vorhabens betroffenen Grundstücks und damit nicht Nachbarin im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB ist,
34vgl. Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Auflage 2006, § 31 Rn. 45 ff.,
35verletzt sein könnten, ist nicht erkennbar. Auf das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das einen angemessenen Interessenausgleich zwischen benachbarten Grundstückseigentümern gewähren soll, kann sich die Antragstellerin daher ebenfalls nicht berufen.
36Berufen kann sich die Antragstellerin hingegen darauf, das Konkurrenzverhältnis zwischen dem streitgegenständlichen Vorhaben der Beigeladenen und dem von ihr im gleichen Baufeld geplanten Vorhaben sei durch die angefochtene Genehmigung des konkurrierenden Vorhabens willkürlich zu ihren Lasten und damit ihre Rechte verletzend gelöst worden. Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin kann die Kammer im Ergebnis jedoch nicht feststellen.
37Wie ein echtes Konkurrenzverhältnis zwischen parallel zur Genehmigung gestellten Vorhaben, die sich im Fall ihrer Realisierung vollständig oder teilweise ausschließen, von der Genehmigungsbehörde zu behandeln ist, ist im Immissionsschutzrecht nicht ausdrücklich geregelt. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass bei Vorliegen einer echten Konkurrenzsituation parallel gestellter Genehmigungsanträge von der Behörde eine fehlerfreie Ermessensentscheidung darüber gefordert ist, in welcher Reihenfolge sie die Anträge bescheidet. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangen hier eine sachgerechte Auswahl bzw. Reihung unter den sich ausschließenden Genehmigungsanträgen. Dabei erweist sich der Gesichtspunkt der Priorität konkurrierender Anträge zwar nicht zwingend als alleiniges, grundsätzlich aber als sachgerechtes Kriterium, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung hiervon rechtfertigen.
38Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 13. Mai 2014 - 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13; OVG Rh-Pf, Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 21; Thüringer OVG (ThürOVG), Beschlüsse vom 17. Juli 2012 - 1 EO 35/12 -, juris Rn. 30, und vom 1. Juni 2011 - 1 EO 69/11 -, juris Rn. 33; OVG des Landes Mecklenburg-Vorpommern (OVG MV), Beschluss vom 28. März 2008 - 3 M 188/07 -, juris Rn.32; Rolshoven, Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? - Zum Prioritätsprinzip bei konkurrierenden Genehmigungsanträgen, NVwZ 2006, 522 f.
39Die Kammer muss vorliegend nicht entscheiden, ob es sich bei dem Zusammentreffen von Anträgen auf eine (immissionsschutzrechtliche) Vollgenehmigung und auf Erteilung eines (baurechtlichen) Vorbescheids in rechtlicher Hinsicht überhaupt um ein echtes Konkurrenzverhältnis in diesem Sinn handelt.
40Vgl. OVG Rh-Pf, Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 26 (wohl verneinend); ThürOVG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 EO 35/12 -, juris Rn. 26 ff. (bejahend).
41Auch muss die Kammer hier nicht weiter aufklären, ob die Realisierung des Vorhabens der Beigeladenen eine Realisierung des konkurrierenden Vorhabens der Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht zwingend ausschließt. Der zwischen den Standorten der beiden geplanten Windenergieanlagen bestehende Abstand von lediglich 84 m spricht allerdings auch ohne Einholung eines Turbulenzgutachtens dafür, dass eine Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen (Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 63,50 m und einem Rotordurchmesser von 71,0 m) aufgrund der von dieser Anlage zu erwartenden Auswirkungen auf die Standsicherheit der von der Antragstellerin geplanten Anlage für eine Realisierung dieses Vorhabens selbst unter günstigsten Bedingungen eine Sperrwirkung wohl entfalten dürfte.
42Vgl. Ziffer 5.2.3.4 des Windenergie-Erlasses NRW vom 11. Juli 2011 (MBl. NRW. 2011 S. 321), der insoweit für benachbarte Windenergieanlagen der neuen Generation erst ab einem Abstand von mindestens fünf (bis acht) Rotordurchmessern eine Ungefährlichkeit der Turbulenzeffekte annimmt und eine Unterschreitung eines Mindestabstands von drei Rotordurchmessern als regelmäßig gefährlich für die Standsicherheit ansieht; vgl. auch: OVG NRW, u.a. Beschluss vom 9. Juli 2003 - 7 B 949/03 -, juris Rn. 6 (drei- bis fünffacher Rotordurchmesser); Rolshoven, a.a.O., NVwZ 2006, 516 ff., 518.
43Ob eine solche Sperrwirkung aber bereits von der Genehmigung ausgelöst wird und die Genehmigung eines konkurrierenden Vorhabens damit ausschließt oder ob mit Blick darauf, dass eine erteilte Genehmigung nicht zwangsläufig auch umgesetzt werden muss, nicht lediglich die Baufreigabe für das konkurrierende Vorhaben nur unter der auflösenden Bedingung erteilt werden darf, dass von der Erstgenehmigung Gebrauch gemacht worden ist,
44vgl. hierzu: OVG Rh-Pf, Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 17; Rolshoven, a.a.O., NVwZ 2006, 516 ff., 519, 522 f.,
45muss hier im Übrigen ebenfalls nicht entschieden werden, weil streitgegenständlich nicht die unter dem 9. Juli 2014 - aus anderen Gründen - erfolgte Zurückweisung des Antrages der Antragstellerin auf Erteilung eines Bauvorbescheides ist. Diese ist vielmehr Gegenstand des beim erkennenden Gericht parallel geführten Klageverfahrens 3 K 1508/14.
46Vorliegend geht es allein um die Frage, ob durch die Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben der Beigeladenen Rechte der Antragstellerin verletzt sind. Diese Frage kann die Kammer hier aber verneinen, ohne dass die aufgeworfenen Fragen letztlich beantwortet werden müssten. Denn selbst bei Annahme einer - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht - echten Konkurrenzsituation verletzt die Entscheidung des Antragsgegners, das Vorhaben der Beigeladenen zu genehmigen, Rechte der Antragstellerin nicht.
47Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist sich der Antragsgegner der (möglichen) Konkurrenzsituation bewusst gewesen und hat diese unter Anwendung des Prioritätsprinzips zugunsten der Beigeladenen gelöst.
48Die Antragstellerin hatte zunächst am 21. November 2013 unter Vorlage eines Lageplans und zweier Übersichtskarten einen Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für eine Windenergieanlage vom gleichen Typ wie die genehmigte Anlage der Beigeladenen gestellt. Nachdem sie vom Antragsgegner auf die Unvollständigkeit der Unterlagen hingewiesen und um Vorlage einzeln bezeichneter Gutachten gebeten worden war, nahm sie den Antrag mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 zurück und stellte zugleich einen Antrag auf Erteilung eines planungsrechtlichen Bauvorbescheids für eine Kleinwindenergieanlage mit einer Gesamthöhe von weniger als 49 m. Nachdem die Baugenehmigungsbehörde des Antragsgegners mit Schreiben vom 16. Mai 2014 auch hinsichtlich dieses Antrages nach Beteiligung seiner Immissionsschutzbehörde weitere Unterlagen angefordert, diese aber innerhalb der gesetzten Frist nicht erhalten hatte, wies sie den Antrag mit - nicht bestandskräftigem - Bescheid vom 9. Juli 2014 unter Hinweis auf die Unvollständigkeit der Bauvorlagen zurück.
49Die für die Entscheidung über den Genehmigungsantrag der Beigeladenen zuständige Immissionsschutzbehörde ist mithin in dem baurechtlichen Verfahren auf Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheids beteiligt worden. In ihrer Stellungnahme vom 5. März 2014 führt die Immissionsschutzbehörde im vorliegend relevanten Zusammenhang aus: "Da bereits ein Vollantrag vorliegt und dieser zur Genehmigung ansteht, ist in diesem Konkurrenzverhältnis zu klären, ob das Kleinwindrad aus bautechnischer und planungsrechtlicher Sicht noch zusätzlich (an zweiter Stelle) genehmigungsfähig ist". Damit hat sie dem aus ihrer Sicht vollständigen und zur Entscheidung anstehenden Genehmigungsantrag der Beigeladenen unter Hinweis auf den Prioritätsgrundsatz eindeutig den Vorzug gegenüber dem Vorhaben der Antragstellerin gegeben. Dass sie in dem Genehmigungsbescheid vom 17. Juni 2014 hierzu keine Ausführungen gemacht hat, ist vor dem Hintergrund des insoweit eindeutigen Akteninhalts unschädlich, wenngleich sich regelmäßig aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit eine Dokumentation der Auswahlentscheidung im Genehmigungsbescheid anbieten dürfte.
50Die Entscheidung des Antragsgegners, im Ergebnis maßgeblich darauf abzustellen, dass hinsichtlich des Genehmigungsantrags der Beigeladenen bereits am 30. September 2013 die Vollständigkeit der Unterlagen festgestellt worden war und das Genehmigungsverfahren nach Durchführung der Behördenbeteiligung bereits soweit fortgeschritten war, dass der Antrag zur Genehmigung anstand, ist nicht zu beanstanden.
51Ob unter Anwendung des Prioritätsprinzips auf den Zeitpunkt des Antrags, auf dessen Vollständigkeit oder auf dessen Genehmigungsfähigkeit abzustellen ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Grundsätzlich wird man aber annehmen können, dass eine Planung regelmäßig Rücksicht auf eine bereits hinreichend verfestigte andere Planung nehmen muss, die den zeitlichen „Vorsprung“ hat.
52Vgl. BayVGH, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13; OVG Rh-Pf, Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 21 und 23; ThürOVG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 EO 35/12 -, juris Rn. 30; OVG MV, Beschluss vom 28. März 2008 - 3 M 188/07 -, juris Rn.32.
53Dies wird in der Regel jedenfalls der Antrag sein, der früher vervollständigt worden ist. Denn (erst) zu diesem Zeitpunkt hat sich der Gegenstand des Verfahrens in einer Weise konkretisiert, dass er Gegenstand einer sachgerechten Prüfung werden und der Antragsteller davon ausgehen kann, aus Gründen des Vertrauensschutzes davor bewahrt zu sein, dass der von ihm betriebene Aufwand, um seinen Antrag entscheidungsreif zu machen, durch das Verhalten eines Konkurrenten - etwa auch durch die Stellung eines unter Umständen nahezu ohne Planungsaufwand möglichen Antrags auf Erteilung eines Vorbescheids - nachträglich entwertet wird.
54Vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 1 EO 69/11 -, juris Rn. 38; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13; OVG Rh-Pf, Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 23.
55Angesichts dieser Überlegungen ist die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung, das Vorhaben der Beigeladenen zu genehmigen, auch wenn diese Genehmigung (bzw. deren Ausnutzung) möglicherweise dazu führt, dass das Vorhaben der Antragstellerin nicht mehr genehmigungsfähig oder realisierbar ist, nicht willkürlich oder sonst verfahrensfehlerhaft. Denn für den Genehmigungsantrag der Beigeladenen ist bereits am 30. September 2013 und damit deutlich vor Einreichung des (nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde unvollständigen) Antrags der Antragstellerin auf Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids die Vollständigkeit der Unterlagen festgestellt und die Behördenbeteiligung eingeleitet worden. Dass die Feststellung der Vollständigkeit fehlerhaft gewesen sein könnte, ist für die Kammer entgegen der nicht weiter belegten Behauptung der Antragstellerin nicht erkennbar. Dass der Antrag der Beigeladenen zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht genehmigungsfähig war, weil unter anderem das gemeindliche Einvernehmen zu der beantragten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans sowie die luftverkehrsrechtliche Zustimmung noch fehlten, ist nach dem zuvor Gesagten nicht entscheidend. Die Planung der Beigeladenen war jedenfalls in der erforderlichen Weise hinreichend verfestigt und ein im vorliegenden Zusammenhang berücksichtigungsfähiger Vertrauensschutztatbestand entstanden.
56Es ist auch nicht ausnahmsweise zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen gewesen, dass ihre eigene Planung sich bereits in einer Weise verfestigt hätte, dass abweichend von dem beschriebenen Prioritätskriterium eine andere Auswahlentscheidung geboten gewesen wäre. Denn der Antrag auf Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids ist von der Antragstellerin mit geringstmöglichem Planungsaufwand gestellt und auf die Beantwortung der Frage reduziert worden, ob an dem vorgesehenen Standort eine Kleinwindenergieanlage mit einer Gesamthöhe von weniger als 49 m planungsrechtlich zulässig ist. Von einer bereits verfestigten Planung, die ausnahmsweise im Sinne der Antragstellerin vorzugswürdig sein könnte, kann angesichts dessen keine Rede sein.
57Vgl. BayVGH, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13.
58Weitere Gesichtspunkte, die eine abweichende Auswahlentscheidung erfordern könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
59Durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2014 werden Rechte der Antragstellerin daher nicht verletzt.
60Vor diesem Hintergrund fällt die Interessenabwägung zum Nachteil der Antragstellerin aus. Leitend dafür ist der Befund, dass die Genehmigung - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegen subjektiv-öffentliche Rechte der Antragstellerin verstößt. Des Weiteren gibt den Ausschlag, dass auch im Übrigen die privaten wirtschaftlichen Interessen an der Ausnutzung der Genehmigung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. Insoweit stellt sich die Interessenlage im Ergebnis so dar, wie sie vom Antragsgegner in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zutreffend ausgeführt worden ist. Hierauf wird Bezug genommen. Die Kammer weist ergänzend darauf hin, dass die mit dem genehmigten Vorhaben beabsichtigte Erhöhung des Stromanteils aus erneuerbaren Energien am gesamten Strombedarf erklärtes politisches Ziel in der Bundesrepublik Deutschland ist und vor diesem Hintergrund der zügige Ausbau der aus der Windkraft zu gewinnenden Energie auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse begründet.
61Der Antrag ist mithin vollumfänglich abzulehnen.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
63Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei orientiert sich das Gericht bei der Bewertung des Interesses der Antragstellerin an dem vorliegenden Verfahren in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW (vgl. u.a. Beschluss vom 5. November 2009 - 8 B 1342/09.AK -, juris Rn. 8 ff., 15) an Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der (Neu-)Fassung vom 18. Juli 2013 und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts (hier 15.000,-- €) zu beziffern ist.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage (WEA) auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 43, Flurstück 30. Das Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung und aufgrund der 6./16. Änderung zum Flächennutzungsplan der Gemeinde I. -D. innerhalb eines Bereiches, der als Konzentrationszone für WEA ausgewiesen ist. Der Flächennutzungsplan begrenzt die Höhe der dort zulässigen WEA auf 175 m.
3Der Kläger ist Betreiber eines Hobby-Modellflugplatzes, der sich nordöstlich des geplanten Standortes der WEA auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 42, Flurstück 16, befindet. Das Grundstück steht im Eigentum eines Herrn U. (I1. 4 in I. -D. ). Eine Erlaubnis zum Betrieb von Flugmodellen mit und ohne Verbrennungsmotor wurde dem Kläger durch die Untere Luftfahrtbehörde (Bezirksregierung N2. ) am 27.05.1977 zunächst befristet bis zum 31.05.1980 erteilt. Nach Auflage II Nr. 5 der Erlaubnis war die Gipfelhöhe der Flugmodelle auf max. 100 m über Grund, der Entfernungsradius zum Mittelpunkt des Modellfluggeländes auf max. 300 m beschränkt. Die Erlaubnis wurde in der Folgezeit unter Fortgeltung der der Erlaubnis vom 27.05.1977 beigefügten Bedingungen und Auflagen mehrfach verlängert, letztmalig mit Bescheid vom 24.04.2006 bis zum 30.04.2016. Durch die Untere Landschaftsbehörde des Beklagten wurde mit Bescheid vom 18.04.2006 eine Befreiung von den Verboten der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im Kreis H. vom 15.03.1975 erteilt. Die Befreiung ist ebenfalls bis zum 30.04.2016 befristet. Gemäß Auflage Nr. 2 zur landschaftsschutzrechtlichen Befreiung dürfen die Modelle nur in einem abgestimmten Luftkorridor fliegen, der in der Anlage 1 zum Befreiungsbescheid vom 18.04.2006 dargestellt ist.
4Für die Errichtung der geplanten WEA an dem vorgenannten Standort beantragte die von I2. D1. am 02.12.2013 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Nach dem Antrag soll am Standort eine Anlage des Typs Nordex N 117/2400 mit einer Gesamthöhe von 178,5 m, einer Nabenhöhe von 120 m und einem Rotordurchmesser von 117 m sowie einer Nennleistung von 2.400 kW errichtet und betrieben werden. Beigefügt waren dem Antrag u.a. eine Schallimmissionsprognose der J. H1. vom 20.11.2012 mit Nachträgen vom 19.12.2013 und 01.07.2014 sowie eine Schattenwurfprognose der J. H1. vom 21.12.2012 mit Nachträgen vom 16.12.2013 und 01.07.2014.
5Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erteilte die Gemeinde I. -D. mit Schreiben vom 17.02.2014 das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben und führte hierzu aus: Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich und sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu beurteilen. Der Flächennutzungsplan sehe zwar nur eine zulässige Gesamthöhe von 175 m vor. In Abstimmung mit dem Planungsausschuss werde jedoch der geringfügigen Überschreitung der zulässigen Gesamthöhe von 3,5 m zugestimmt. Die Überschreitung halte sich in einem akzeptablen Toleranzbereich.
6Die Untere Landschaftsbehörde führte in ihrer Stellungnahme am 21.07.2014 aus, dass durch das beantragte Vorhaben das Tötungsrisiko besonders geschützter wildlebender Tierarten deutlich erhöht werde und zur Vermeidung und Minderung des Eingriffes die in der Stellungnahme aufgeführten Auflagen erforderlich seien. Weiterhin stelle das Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, der auszugleichen sei. Für das genannte Vorhaben könne gem. § 67 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG eine Befreiung von den Verboten der Landschaftschutzverordnung erteilt werden.
7Die Untere Luftfahrtbehörde erteilte mit Schreiben vom 20.05.2014 die erforderliche Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr mit Schreiben vom 30.04.2014 seine Zustimmung zum Vorhaben.
8Mit Schreiben vom 24.04.2014 meldete sich eine „Interessengemeinschaft, C2. , N3. , N4. “ und zeigte an, dass sie sich im Namen einer Vielzahl von Nachbarn – eine Unterschriftsliste war dem Schreiben beigefügt – gegen das Vorhaben wende. Sie beantragte, umgehend über den Stand des Genehmigungsverfahrens informiert zu werden. Am 04.06.2014 führte der Beklagte eine Informationsveranstaltung für die betroffenen Anlieger im Sitzungssaal des Kreishauses durch. An dieser Informationsveranstaltung nahmen auch der Vorsitzende des Klägers und seine jetzige Prozessbevollmächtigte teil. In den diesbezüglichen Protokollnotizen des Beklagten wird die Prozessbevollmächtigte als „Anwältin der Bürger“ bezeichnet. Zu den von ihr mit Schreiben vom 16.06.2014 geltend gemachten Einwendungen nahm der Beklagte mit Schreiben vom 24.07.2014 inhaltlich Stellung und führte außerdem aus, er werte das Schreiben als Eingabe betroffener Nachbarn und damit als beteiligter Personen i.S.d. § 13 VwVfG NRW.
9Mit Bescheid vom 24.07.2014 erteilte der Beklagte der von I2. D1. für die Errichtung und den Betrieb der WEA entsprechend dem gestellten Antrag unter Berücksichtigung der mit Schreiben vom 01.07.2014 beantragten Standortverlegung eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Beifügung zahlreicher Auflagen, u.a. auch zum Lärmschutz (A.3) und zum Schattenwurf (A.4).
10Der Genehmigungsbescheid wurde dem Kläger am 02.08.2014 zugestellt.
11Der Kläger hat am 27.08.2014 Klage erhoben. Während des Klageverfahrens erging unter dem 17.11.2014 ein Änderungsbescheid, mit dem die Auflage Nr. 13 (Befeuerung der Anlage) aufgehoben wurde. Mit Schreiben an den Beklagten vom 13.10.2014 zeigte die von I2. D1. an, dass die Genehmigung und die Projektrechte auf die Beigeladene übertragen worden seien.
12Der Kläger trägt zur Begründung vor: Die erteilte Genehmigung greife mit enteignungsgleicher Wirkung in seine Rechte ein. Die auf dem Flugplatz eingesetzten Fluggeräte seien darauf angewiesen, dass es zu keinen Turbulenzen durch Luftverwirbelungen oder gar Querwinden komme, da sie aufgrund ihrer Größe und bzw. oder fehlender eigener Antriebsgeschwindigkeit dann nicht mehr gesteuert werden bzw. überhaupt nicht fliegen könnten. Durch die erteilte Genehmigung werde in einer Entfernung von etwas mehr als dem 4-fachen des Rotordurchmessers eine Turbulenzerzeugungsmaschine genehmigt. Es sei davon auszugehen, dass Windenergieanlagen intensive Turbulenzen erzeugen würden, wenn sie untereinander in Hauptwindrichtung nicht einen Mindestabstand vom 8-fachen des Rotordurchmessers, in allen anderen Windrichtungen nicht einen Mindestabstand vom 5-fachen des Rotordurchmessers einhielten. Würden diese Abstände unterschritten, sei ein besonderes Gutachten erforderlich, um die Standsicherheit der weiteren Anlagen sicherzustellen. Es sei offenkundig, dass Fluggeräte im Modellflugbereich aufgrund der geringen Eigengeschwindigkeit und des geringen Gewichtes nicht über die Standfestigkeit einer mehrere Tonnen wiegenden Windenergieanlage verfügten. Es sei deshalb die Einholung eines Turbulenzgutachtens erforderlich. Selbst wenn ein Abstand vom 6,5-fachen des Rotordurchmessers dazu führe, dass noch ein Flugfeldbereich verbleibe, stehe fest, dass das Flugfeld immer noch am Rande des Hauptwindrichtungsbereiches liege und damit der Mindestabstand vom 8-fachen des Rotordurchmessers deutlich unterschritten werde.
13Der Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Vorhaben nicht dem UVPG unterfalle. Die Genehmigung wirke sich so aus, wie die Errichtung eines Windparks mit mindestens drei Anlagen, da in dem räumlichen Geltungsbereich der Konzentrationszone keine weiteren Anlagen errichtet werden könnten. Im Übrigen befänden sich in der Nähe sieben weitere WEA, die bei der Prüfung der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens hätten berücksichtigt werden müssen.
14Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich nicht zulässig, da der Rotor über den räumlichen Geltungsbereich der Konzentrationszone herausrage. Insoweit fehle es auch an dem erforderlichen Einvernehmen der Gemeinde, da sich dieses nur auf den vormaligen Standort vor der Verschiebung bezogen habe. Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens stelle auch eine Verletzung seiner eigenen Rechte im Sinne des Gemeinschaftsrechtes im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung dar. Die größere Höhe führe zu einer erheblich weiteren optischen Sichtbarkeit und Bedrängung und zu mehr Schattenwurf. Beide Gesichtspunkte sei vom Schutzgut „Mensch“ aus im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung aus zu betrachten.
15Die Feststellungen zur artenschutzrechtlichen Betroffenheit von geschützten Vogelarten seien unzureichend. Der Beklagte habe sich nur auf Zufallsbeobachtungen berufen, aber keine den artenschutzrechtlichen Anforderungen genügende Bestandsaufnahme durchgeführt. In dem hier betreffenden Bereich gebe es Brutstandorte von Kiebitzen, Eulen und Zwergfledermäusen.
16Wegen der optisch bedrängenden Wirkung der Anlage auf die benachbarte Wohnbebauung und die Einwirkungen durch Schattenwurf hätte ebenfalls eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung durchgeführt werden müssen. Diese Vorprüfung hätte auch dazu führen müssen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, weil erhebliche Umweltauswirkungen bei überschlägiger Prüfung nicht auszuschließen seien. Er könne sich auch deshalb auf die Verletzung eigener Rechte berufen, da die Nachbarschaft im Abwägungsprozess zur 16. Änderung des Flächennutzungsplanes ausdrücklich berücksichtigt worden sei. Die Ausschlusswirkung eines qualifizierten Flächennutzungsplanes habe drittschützende Wirkung.
17Der Kläger beantragt,
18den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 24.07.2014 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 17.11.2014 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er führt zur Begründung aus: Die Genehmigung verstoße nicht gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Der Kläger habe zwar ein schutzwürdiges Individualinteresse daran, den Betrieb seines Flugplatzes ungehindert fortsetzen zu können. Dieses Interesse sei auch im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots zu beachten. Auch eine bestandskräftige Flugplatzgenehmigung entbinde aber nicht von jeglicher Rücksichtnahme gegenüber hinzutretenden privilegierten Vorhaben. Das Gebot der Rücksichtnahme werde erst dann verletzt, wenn durch die WEA ein weiterer Betrieb eines seit Jahrzehnten genehmigten Flugplatzes verhindert oder in einem Ausmaß beeinträchtigt werde, das nicht mehr zumutbar sei. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Bereits bei der Aufstellung des Flächennutzungsplanes betreffend die Ausweisung von Windkonzentrationszonen seien die Interessen des Modellflugplatzes berücksichtigt worden. So sei auf Antrag des Klägers die Konzentrationszone durch Herausnahme des Flugplatzgeländes reduziert worden. Eine Einschränkung des Flugbetriebs habe der Kläger danach, auch im weiteren Verlauf des Änderungsverfahrens, nicht mehr geltend gemacht. Eine standortbezogene, abschließende Abwägung habe damit stattgefunden. Eine Störung des Flugbetriebes durch die WEA sei nicht zu erwarten. Die genehmigte Anlage befinde sich in südwestlicher Richtung zum Modellflugplatz außerhalb des für den Flugplatz genehmigten Flugsektors. Der Abstand zwischen dem genehmigten Standort der WEA und dem Mittelpunkt des Modellflugplatzes betrage ca. 777 m, der Abstand zwischen den Rotorflügeln und der Grenze des Flugsektors liege bei 418,50 m. Eine Beeinträchtigung durch Turbulenzen habe er geprüft. Sowohl die Bezirksregierung N2. als Untere Luftfahrtbehörde als auch das Ingenieurbüro G. & F. F1.-------ring H1. & Co. KG hätten aus Turbulenzen resultierende Gefahren bei dem hier bestehenden Abstand zu WEA verneint.
22Das Vorhaben unterfalle als Einzelanlage nicht dem UVPG. Ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG stehe dem Kläger deshalb nicht zu. Der Kläger könne sich schließlich nicht darauf berufen, dem Vorhaben ständen Belange des Naturschutzes und des Artenschutzes entgegen, weil die Auswirkungen auf die Avifauna nicht im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung untersucht worden seien. Es handele sich um rein öffentliche Belange, deren Verletzung ein vom Vorhaben betroffener Nachbarn nicht mit Erfolg rügen könne. Im Übrigen seien nach der Stellungnahme der Unteren Landschaftsbehörde die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes im Genehmigungsverfahren ausreichend berücksichtigt worden und erhebliche Gefährdungen der Avifauna unter Berücksichtigung der dem Genehmigungsbescheid beigefügten Auflagen nicht zu erwarten.
23Die Beigeladene beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie trägt vor: Der geringste Abstand des Flugkorridors zur streitgegenständlichen Anlage betrage 628 m und entspreche damit dem 5,37-fachen der Anlagenhöhe. Im Vergleich zu einem vom VG Düsseldorf entschiedenen Fall sei der Abstand zur WEA hier viermal so groß. Das VG Düsseldorf habe trotz eines weit geringeren Abstandes zur WEA eine unzumutbare Beeinträchtigung des Flugbetriebes nicht festgestellt. Die Hauptwindrichtung liege hier mit einer Häufigkeit von 13,9 % bei Westsüdwest, die WEA liege dagegen in Richtung Südsüdwest vom nächstgelegenen Punkt des Flugsektors. Während der weit überwiegenden Anzahl der Jahresstunden wehe der Wind deshalb nicht aus der Hauptwindrichtung in den Flugsektor hinein, sodass ein Abstand vom 5-fachen des Rotordurchmessers ausreichend sei.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakten 11 L 418/12 und 11 K 7499/11 des VG Düsseldorf und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung N2. als Untere Luftaufsichtsbehörde. Sämtliche Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Die Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 24.07.2014 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 17.11.2014 ist zulässig, jedoch unbegründet.
29I.
30Namentlich steht der Zulässigkeit der erhobenen Klage nicht entgegen, dass ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung der Klage nicht durchgeführt worden ist. Ein Widerspruchsverfahren ist nach § 68 Abs. 1 Satz 2, 1. HS VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 JustizG NRW nicht erforderlich, wenn der (klagende) Dritte im Verwaltungsverfahren beteiligt wurde.
31§ 110 Abs. 3 Satz 1 JustizG NRW definiert selbst nicht den Begriff des "beteiligten Dritten". Nach den Motiven des Gesetzgebers sollte die gleichlautende Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 AG VwGO sicherstellen, dass das Vorverfahren Dritten, die am Verfahren bislang nicht beteiligt waren, zum Schutze ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte grundsätzlich weiterhin offen steht.
32Vgl. LT-Drucks. 14/4199, S. 9.
33Mangels spezialgesetzlicher Regelung ist zur Auslegung des Begriffs der „Beteiligung" auf § 13 VwVfG NRW zurückzugreifen.
34VG Minden, Urteil vom 25.09.2013 – 11 K 1779/12 –, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012 – 11 L 418/12 –; offen gelassen: OVG NRW, Beschluss vom 05.10. 2010 – 8 B 817/10 –, juris; Beschluss vom 22.12.2011 – 8 B 669/11 –, NRWE
35Die für eine Beteiligteneigenschaft des Klägers erforderliche Hinzuziehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG setzt seitens der Behörde einen konstitutiven Heranziehungsakt voraus,
36vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.10.2010 – 8 B 817/10 –, juris Rn. 15 f. unter Bezugnahme auf: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 13 Rn. 43 und Kopp/Ramsauer, 11. Aufl. 2010, § 13 Rn. 24 ff. m.w.N.,
37der nicht nur durch einen förmlichen Verwaltungsakt, sondern auch konkludent durch reale Beteiligung geschehen kann. Hierfür reicht in der Regel jede Handlung der federführenden Behörde aus, mit der sie zu erkennen gibt, dass sie von einer Mitwirkung des Hinzugezogenen als Beteiligter oder Betroffener ausgeht. Es ist eine aktive Handlung der Behörde nach außen notwendig.
38Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 13 Rn. 30; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 13 Rdnr. 14; Knack/Henneke, VwVfG, 9. Auflage 2010, § 13 Rn. 12; Kopp/Ramsauer, 11. Auflage 2010, § 13 VwVfG Rn. 28 ff.
39Der Beklagte hat den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.06.2014 mit Schreiben vom 24.07.2014 als Eingabe – sämtlicher – betroffener Nachbarn gewertet und diese ausdrücklich als i.S.d. § 13 VwVfG NRW Beteiligte qualifiziert. Dies reicht für eine – förmliche – Beteiligung im Verwaltungsverfahren aus, sodass ein Widerspruchsverfahren nach § 110 Abs. 3 JustizG NRW nicht abweichend von Absatz 1 durchzuführen war.
40Der Kläger ist auch klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO, weil er geltend macht, dass der auf einer Erlaubnis der Unteren Luftfahrtbehörde beruhende Modellflugbetrieb durch den Betrieb der WEA unmöglich gemacht oder erheblich erschwert wird. Unter Zugrundelegung dieses Vortrages ist zumindest eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder des baurechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme möglich, das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB seine besondere gesetzliche Ausformung gefunden hat.
41II.
42Die danach zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit der Errichtung und dem Betrieb der hier streitigen WEA wird weder gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verstoßen (1.) noch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt (2.). Durch die Errichtung und den Betrieb der WEA wird der Modellflugplatz des Klägers auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt (3.). Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass eine Vorprüfung nach dem UVPG vor der Erteilung der Genehmigung hätte erfolgen müssen (4.). Ob die Genehmigung unter Verstoß gegen weitere vom Kläger benannte Rechtsvorschriften erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben, weil diesen keine nachbarschützende Wirkung zukommt (5.).
431.
44Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung kann nicht erteilt werden, wenn „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften“ i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstehen. Zu diesen Vorschriften gehören auf Grund der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 13 BImSchG) auch Vorschriften des LuftVG, insbesondere die sich aus §§ 12 und 17 LuftVG ergebenden Baubeschränkungen.
45Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.04.2014 – 8 A 432/12 –, juris Rn. 50.
46§ 12 LuftVG steht dem Vorhaben aber nicht entgegen, weil ein Bauschutzbereich zugunsten des Modellflugplatzes des Klägers nicht festgesetzt worden ist. Die Festsetzung eines Schutzbereiches nach § 12 LuftVG ist nur bei Flughäfen möglich, zu denen einen Modellflugplatz nicht gehört. Ebenso wenig handelt es bei dem Modellflugplatz um einen Landeplatz oder ein Segelfluggelände, zu dessen Gunsten nach § 17 LuftVG ein beschränkter Bauschutzbereich festgelegt worden ist. Die Anordnung eines beschränkten Bauschutzbereiches schied im Übrigen auch deshalb aus, weil beschränkte Bauschutzbereiche für Landeplätze und Segelfluggelände nach § 17 LuftVG nur festgelegt werden können, wenn diese einer Genehmigung nach § 6 LuftVG bedürfen. Landeplätze für Flugmodelle unterfallen nicht der Genehmigungspflicht nach § 6 LuftVG, weil sie üblicherweise nicht dem Verkehr von Personen und Sachgütern auf dem Luftwege dienen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.05.1985 – 4 C 36.82 –, juris Rn. 13.
48Dementsprechend ist dem Kläger für den Betrieb des Modellflugplatzes auch (nur) eine Erlaubnis nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 LuftVO zum Aufstieg von Flugmodellen erteilt worden.
49Luftverkehrsrechtliche Vorschriften standen der Erteilung der Genehmigung damit nicht entgegen.
502.
51Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass durch die Errichtung und den Betrieb der streitigen WEA das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird.
52Dass zugunsten eines Modellflugplatzes keine Bauschutzbereiche i.S.d. §§ 12 und 17 LuftVG festgesetzt werden können, steht der Anwendung des Rücksichtnahmegebots zunächst nicht entgegen. Die den Vorschriften des LuftVG zugrundeliegenden Wertungen widersprechen der Anwendung nicht; insoweit wird das baurechtliche Gebot, mit Vorhaben im Außenbereich auf einen luftverkehrsrechtlich genehmigten Betrieb Rücksicht zu nehmen, nicht durch vorrangige Regelungen des Luftverkehrsgesetzes verdrängt.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 – 4 C 1.04 –, juris Rn. 13 ff.
54Das Gebot der Rücksichtnahme zielt darauf ab, die einzelnen Grundstücke im Wege der Eigentumsinhaltsbestimmung (Art. 14 Abs. 1 GG) einer im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Es ist grundstücks- und nicht personenbezogen. Baurechtlicher Nachbarschutz allgemein und das Gebot der Rücksichtnahme im Besonderen beruhen auf dem Gedanken eines wechselseitigen Austauschverhältnisses, das im Regelfall nur zwischen dem Eigentümer des Nachbargrundstücks und den in eigentumsähnlicher Weise dinglich Berechtigten wie Nießbrauchern oder Inhabern eines Erbbaurechts besteht.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.1988 – 4 CB 49.87 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 7, Urteil vom 11.05.1989– 4 C 1.88 –, BRS 49 Nr. 184, und Beschlüsse vom 11.07.1989 – 4 B 33.89 –, BRS 49 Nr. 185, sowie vom 20.04.1998 – 4 B 22.98 –, BRS 60 Nr. 174.
56Obligatorisch Berechtigte eines Grundstückes – wie Mieter einer Wohnung oder Pächter eines Grundstückes – können deshalb zwar geltend machen, dass von einem baurechtlich genehmigungspflichtigen Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgehen, sich aber nicht auf das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufen.
57Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.07.1989 – 4 B 33.89 –, BRS 49 Nr. 185; OVG Berlin, Beschluss vom 18.04.1986– 2 S 62.86 –, juris; VG Gießen, Urteil vom 02.02.2011 – 4 K 1315/10.WI –, juris Rn. 32; VG Minden, Urteil vom 30.11.2011– 11 K 3164/10 –, juris Rn. 24.
58Fallen das Eigentum an einem Grundstück und das Eigentum an einer darauf errichteten baulichen Anlage gemäß § 95 Abs 1 BGB auseinander – wie z.B. bei der Errichtung einer WEA auf einem nicht im Eigentum des Betreibers stehenden Grundstück –, so kann sich allerdings auch der Betreiber der WEA auf eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Baurechtes berufen, wenn durch die von einer hinzutretenden Anlage ausgehenden Turbulenzen die Standsicherheit der eigenen Anlage beeinträchtigt wird. Denn § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bezweckt den Schutz bestehender baulicher Anlagen und ihrer Nutzung gegen Immissionen, die entweder die bauliche Anlage selbst oder ihre Nutzung beeinträchtigen.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.02.2000 – 10 B 1831/99 –, juris Rn. 27.
60Fehlt es an einer schützenswerten, verfestigten Rechtsposition, ist für Rücksichtnahmeerwägungen kein Raum.
61Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 –, juris und Beschluss vom 03.04.1995 – 4 B 47.95 –, juris.
62Der Kläger ist weder Eigentümer noch dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstückes, auf dem er den Modellflugplatz betreibt. Die von der Anlage ausgehenden Turbulenzen beeinträchtigen – anders als in dem vom OVG NRW entschiedenen Fall – auch keine bauliche Anlage oder deren Nutzung, sondern nur den – nicht baugenehmigungspflichtigen – Einsatz von Flugmodellen. Eine Baugenehmigung wurde dem Kläger nur für den Bau einer Holzhütte auf dem Gelände erteilt. Deren Nutzung wird aber durch die von der Anlage ausgehenden Turbulenzen nicht beeinträchtigt.
63Soweit es den Flugbetrieb angeht, der allein durch die Errichtung und den Betrieb der WEA betroffen ist, hat der Bauherr eines privilegierten Vorhabens im Außenbereich zwar auf einen luftverkehrsrechtlich genehmigten Betrieb eines Flugplatzes nach § 6 LuftVG Rücksicht zu nehmen.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 – 4 C 1.04 – , juris Rn. 20.
65Der Kläger betreibt aber einen Modellflugplatz, der lediglich im Besitz einer nach § 16 Abs. 1 LuftVO befristet erteilten Erlaubnis ist. Die Erlaubnis nach § 16 Abs. 1 LuftVO kann mit Nebenbestimmungen versehen werden oder versagt werden, wenn eine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs besteht oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist (§ 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 LuftVO). Der Flugbetrieb kann deshalb nicht nur aus luftverkehrsrechtlichen Gründen, sondern – wie hier geschehen – z.B. auch aus landschaftschutzrechtlichen Gründen nachträglichen Beschränkungen unterworfen werden.
66Vgl. Giemulla, Luftverkehrsgesetz, Kommentar, Loseblatt-sammlung, Stand: April 1998, § 6 LuftVG Rn. 2; Reidt in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: September 2013, § 6 LuftVG Rn. 31.
67Dementsprechend wird in den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung veröffentlichten „Grundsätzen des Bundes und der Länder für die Erteilung der Erlaubnis zum Aufstieg von Flugmodellen gemäß § 16 LuftVO“ vom 25.02.2008 (Nachrichten für Luftfahrer vom 23.03.2008, NfL 76/08) in dem als Anhang beigefügten Musterbescheid ausdrücklich auf die Möglichkeit des Widerrufs hingewiesen, wenn nachträglich im Einwirkungsbereich des Modellfluggeländes Verkehrs- und Energieanlagen errichtet werden (dort unter II., Bl. 140R GA).
68Selbst wenn sich der Kläger sich auf das Gebot der Rücksichtnahme überhaupt berufen könnte, wird der Flugbetrieb nach Art und Umfang nicht in einem Maße beeinträchtigt, der das Gebot der Rücksichtnahme verletzt.
69Welches Maß an Rücksichtnahme verlangt werden kann, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugute kommt, um so mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 – 4 C 1.04 –, juris Rn. 22 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 25.02.1977 – IV C 22.75 – a.a.O. = juris Rn. 26, und vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 –, a.a.O. = juris Rn. 19.
71Soweit es Störungen des genehmigten Flugbetriebs eines Segelflugplatzes betrifft, hat das OVG Rheinland-Pfalz,
72vgl. Urteil vom 16.01.2006 – 8 A 11271/05 –, juris Rn. 25,
73entschieden, dass das Gebot der Rücksichtnahme nur dann verletzt sein kann, wenn ein Flugbetrieb in dem zugelassenen Flugkorridor verhindert oder in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Betreiber unter Berücksichtigung der zeitlichen Priorität des Flugplatzes trotz der Privilegierung der Windenergieanlage nicht mehr zumutbar ist. § 6 LuftVG garantiere nicht den Fortbestand optimaler Betriebsmöglichkeiten, wenn dieser Zustand durch nachträglich hinzutretende privilegierte Vorhaben beeinträchtigt werde.
74Gilt dies für einen nach § 6 LuftVG genehmigten Flugplatz, muss dies erst recht für einen Landeplatz gelten, dessen Betrieb (nur) auf einer befristeten und widerruflichen Erlaubnis nach § 16 Abs. 1 LuftVO beruht (s.o.).
75Dafür, dass der Flugbetrieb durch die Errichtung und den Betrieb der hier streitigen WEA in einem unzumutbaren Ausmaß beeinträchtigt oder gar verhindert wird, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.
76Soweit in der Klagebegründung vom 06.10.2014 (Bl. 40 GA) ausgeführt wird, grundsätzlich würden WEA derart heftige Turbulenzen verursachen, dass zwischen ihnen ein Mindestabstand vom 8-fachen des Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung, in allen anderen Windrichtungen vom 5-fachen des Rotordurchmessers einzuhalten sei, beruft sich der Kläger offensichtlich auf Aussagen im Windenergie-Erlass des Landes NRW aus dem Jahre 2011,
77vgl. Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.07.2011 (im Folgenden: WEA-Erlass 2011), dort unter Nr. 5.2.3.4,
78wonach „standsicherheitsrelevante“ Auswirkungen bei Unterschreitung dieser Abstände nicht ausgeschlossen werden können. Der Erlass nimmt hierbei Bezug auf die Richtlinien betreffend Windenergieanlagen des Deutsches Instituts für Bautechnik, Richtlinien für Windenergieanlagen, Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung (Fassung März 2004, im Folgenden: DIBt 2004) i.V.m. der DIN EN 61400-1.
79Die dort genannten Prüfwerte beziehen sich indes auf erhöhte Umgebungsturbulenzen zwischen benachbarten WEA (vgl. Nr. 6.3.3 DIBt 2004, jetzt Nr. 7.3.3 DIBt 2012). Sie sind hier schon deshalb nicht einschlägig, weil es nicht um Turbulenzen einer WEA mit Auswirkungen auf andere WEA geht, sondern um Auswirkungen auf bewegliche Flugmodelle mit einem Gewicht von maximal einigen Kilogramm (Bl. 40 GA), die sich bei einer erlaubten Flughöhe von 100 m erheblich unterhalb der 120 m betragenden Nabenhöhe der von der Beigeladenen geplanten WEA bewegen.
80Unmittelbare Rückschlüsse auf das Flugverhalten und die Steuerbarkeit von Flugmodellen lassen sich aus den o.g. Richtwerten für die Turbulenzintensität zwischen WEA deshalb nicht ziehen. Die Turbulenzintensität ist das Verhältnis aus Standardabweichung und der mittleren Windgeschwindigkeit des Mittelungszeitraumes. Sie gibt Auskunft über die Belastungen einer Windenergieanlage und setzt sich zusammen aus der sog. Umgebungsturbulenz und der sog. induzierten Turbulenz, die durch den Nachlauf einer WEA entstehen kann.
81Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012– 11 L 418/12 –, juris Rn 56 ff. unter Bezugnahme auf Gasch/Tewle, Windkraftanlagen, 5. Auflage 2007, Seite 155 ff.
82Eine Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität bedeutet hierbei nicht, dass die Standsicherheit von benachbarten Windkraftanlagen in dem Sinn gefährdet ist, dass damit eine akute oder unter bestimmten, jederzeit potentiell eintretenden Betriebs- oder Umgebungsbedingungen bestehende Einsturzgefahr zu verstehen wäre. Vielmehr wirkt sich dies nur auf die Lebensdauer der maschinentechnischen Teile der Anlage und den Überwachungs- und Wartungsaufwand aus.
83Vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.02.2015 – 22 ZB 14.2364 –, juris Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.02.2009 – 11 S 53-08 –, juris Rn. 6.
84Eine Überschreitung des Auslegungswertes für die Turbulenzintensität hat deshalb keine Bedeutung, wenn benachbarte WEA – wie hier – nicht vorhanden sind. Insoweit ist unerheblich, dass – wie der Kläger behauptet (Bl. 117 GA) – bei den südlich gelegenen Windkraftanlagen – gemeint sind offensichtlich die genehmigten, aber bisher nicht errichteten sieben Anlagen in O-A – ein Mindestabstand von mehr als 800 m zwischen den Anlagen für erforderlich gehalten wurde.
85Der Hinweis des Klägers (vgl. Klagebegründung vom 06.10.2015, Bl. 119 GA), dass in einem vor dem VG Düsseldorf anhängigen Verfahren (11 K 7499/11) gutachterlich festgestellt worden sei, Turbulenzen seien in einem Abstand vom 10-fachen des Rotordurchmessers noch für einen Modellflugbetrieb „spürbar“, rechtfertigt die Annahme unzumutbarer, gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßender Beeinträchtigungen des Modellflugbetriebes nicht.
86Die „Spürbarkeit“ von Turbulenzen sagt zunächst nicht nichts über den Grad der Beeinträchtigung des Flugbetriebes aus. Auch hat das VG Düsseldorf in dem vom Kläger benannten Verfahren nicht festgestellt, dass bei einem geringeren Abstand zu einer WEA von erheblichen Beeinträchtigungen für den Flugbetrieb auszugehen ist. Das genannte Klageverfahren wurde durch Klagerücknahme beendet; auch in dem den Antrag des Flugplatzbetreibers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ablehnenden Eilbeschluss fehlt eine solche Aussage.
87Vgl. Beschluss vom 17.04.2012 – 11 L 418/12 –, juris.
88In dem Verfahren vor dem VG Düsseldorf war allerdings ein Gutachten des Modellflugsachverständigen des E. Dipl.-Ing. L. vom 30.08.2010 (Bl. 76 der dortigen GA 11 K 7499/11) vorgelegt worden, in dem Sicherheitsabstände zwischen WEA und Modellflugplätzen entsprechend denjenigen für WEA untereinander nach dem WEA-Erlass 2011 gefordert wurden. Das VG Düsseldorf ist der Auffassung dieses Gutachters aber nicht gefolgt, sondern hat auf eine hiervon abweichende Stellungnahme des Modellflugsachverständigen I3. L1. (Beauftragter des Deutschen Modellflugverbandes (DMFV) für Windkraftanlagen) hingewiesen, der in einem – nicht mit einer Datumsangabe versehenen und von ihm und dem Justiziar des Verbandes Sonnenschein – unterzeichneten „Maßnahmenkatalog für Modellflug und Windkraft“ ausführt, von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Beeinträchtigung des Modellflugbetriebes könne bei einem Abstand von mehr als 100 m zwischen äußerster Rotorblattspitze und Flugsektorgrenze nicht ausgegangen werden.
89Vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012– 11 L 418/12 –, juris Rn. 62.
90Die in dem auch m vorliegenden Verfahren beigezogenen (Bl. 134 GA) Maßnahmenkatalog dargestellte Einschätzung der Verfasser beruht auf entsprechenden Rückmeldungen von durch die Errichtung von WEA betroffenen Modellflugvereinen sowie Besuchen dort. Dabei sei festgestellt worden, dass es bei Abständen von 70 bis 80 m zu einer WEA in der Start- und Landephase „keine Störungen“, lediglich „hin und wieder mal ein(en) kleinen Wackler“ gegeben habe. Bei Flügen mit Windrädern im Rücken in einer Entfernung von 80 bis 90 m habe es ebenfalls keine größeren Störungen gegeben. Die früher angegebenen Sicherheitsabstände von 200 bis 250 m zwischen WEA und Flugsektorgrenze seien deshalb nicht notwendig. Nach ihren Erfahrungen reiche ein Sicherheitsabstand von der Flugsektorgrenze zur Rotorblattspitze von 100 m plus einer Rotorblattlänge zur Vermeidung von Beeinträchtigungen aus.
91Die im Verfahren vor dem VG Düsseldorf vorgelegte Stellungnahme des Modellflugsachverständigen L. legt nicht dar, aus welchen Gründen die für WEA untereinander im WEA-Erlass 2011 vorgesehenen Abstände ebenso für WEA und Modellflugplätze gelten sollen. Der Sachverständige begründet seine Auffassung auch im Übrigen nicht, sondern überträgt letztlich ohne jegliche Argumentation die Aussagen des WEA-Erlasses zur Turbulenzintensität in Windparks auf einen Modellflugbetrieb. Woraus er schlussfolgert, dass im Bereich eines ca. dem 5-fachen des Rotordurchmessers betragenden Abstands zwischen WEA und Flughafenbezugspunkt mit einer „deutlichen Turbulenzintensität von ca. 20 % gerechnet werden muss, bleibt unklar,
92so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012, a.a.O.
93Rn. 62,
94ebenso, welche Folgen dies für das Flugverhalten der Flugmodelle hat. Infolgedessen kann dieser Stellungnahme nichts entnommen werden, was überhaupt auf möglicherweise negative Auswirkungen einer WEA auf den Flugbetrieb schließen lassen könnte.
95Der im „Maßnahmenkatalog für Modellflug und Windkraft“ des E1. empfohlene Sicherheitsabstand von 100 m plus einer Rotorblattlänge wird eingehalten. Der Standort der WEA liegt nach der von der Beigeladenen vorgelegten Karte (Bl. 110 GA) mindestens 628 m vom Flugsektor entfernt. Er beträgt damit – nahezu – das Vierfache des vom E1. für erforderlich erachteten Sicherheitsabstandes von 158 m (100 m plus 58,5 m Rotorradius).
96Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass diese Einschätzungen des E1. und des Modellflugsachverständigen L1. einer fundierten Grundlage entbehren oder auf Grund neuerer Erkenntnisse zu den von WEA ausgehenden Turbulenzgefahren für Flugmodelle überholt sind. Der Justiziar des E1. hat auf telefonische Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass der Verband weiterhin davon ausgeht, dass der im o.g. Maßnahmenkatalog genannte Sicherheitsabstand zur Vermeidung von Turbulenzgefahren für WEA ausreichend ist und keine neueren Erkenntnisse vorliegen, die eine hiervon abweichende Bewertung erfordern (Bl. 146 GA).
97Der Kläger hat diese Einschätzung des E1. weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 substantiiert bestritten. Er hat insbesondere keine Vorfälle benannt, bei denen es trotz Einhaltung des vom E1. empfohlenen Sicherheitsabstandes auf Grund der Nähe zu WEA zu Abstürzen von Flugmodellen oder einem unkontrollierbarem Flugverhalten gekommen ist. Dass der E1. als zuständiger Fachverband in Konfliktsituationen den Abschluss von Vereinbarungen mit den WEA-Betreibern empfiehlt, ist wohl der luftverkehrs- und baurechtlich schwach ausgestalteten Rechtsposition von Modellflugplatzbetreibern geschuldet (s.o.), ohne dass dies die tatsächlichen Grundlagen des empfohlenen Sicherheitsabstandes in Frage stellen würde. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 26.10.2015 auf wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Nachlaufströmung bei WEA und zu Mindestabständen von WEA zu Freileitungen hingewiesen hat, ist für das Gericht nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden, welche Relevanz diese Untersuchungen für den hier streitigen Fall haben sollen.
98Überträgt man ungeachtet dessen, dass nachvollziehbare Gründe dafür fehlen, die im WEA-Erlass 2011 genannten Sicherheitsabstände auf WEA, die in der Nähe von Modellflugplätzen errichtet und betrieben werden sollen, wird der Flugbetrieb des Klägers ebenfalls nicht unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert.
99Wie oben bereits ausgeführt, beträgt der geringste Abstand zwischen dem erlaubten Flugkorridor und dem Standort der geplanten WEA 628 m, was dem 5,37-fachen des Rotordurchmessers entspricht. Bei einem derartigen Abstand ist auch nach den Empfehlungen des WEA-Erlasses 2011 mit erheblichen Turbulenzen nur dann zu rechnen, wenn der Wind aus der Hauptwindrichtung weht. Ob die WEA, vom nächstgelegenen Punkt des Flugkorridors der Anlage aus betrachtet, überhaupt in der Hauptwindrichtung (WSW) liegt (vgl. hierzu die Klageerwiderung der Beigeladenen vom 02.09.2015, Bl. 107 GA), kann dahingestellt bleiben. Ausweislich des vom Beigeladenen vorgelegten Datenblattes zur Windverteilungshäufigkeit (Bl. 111 GA) könnten Turbulenzen allenfalls in 13,9 % (WSW) bzw. 11,2 % der Stunden eines Jahres (SSW) den Flugbetrieb spürbar beeinträchtigen. Bei Beeinträchtigungen, die allenfalls in einem Viertel der Jahresstunden entstehen, wird noch nicht in einer das Gebot der Rücksichtnahme verletzenden Weise in den Flugbetrieb eingegriffen.
1003.
101Ungeachtet dessen, dass der Kläger sich als Mieter und Pächter des Grundstückes, auf dem der Flugbetrieb stattfindet, nicht auf das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufen kann, kann er sich aber auf die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berufen. Der Schutzbereich der Vorschrift ist nicht auf schädliche Umwelteinwirkungen beschränkt, sondern kann auch dann zur Anwendung gelangen, wenn andere nachteilige Wirkungen zu erwarten sind.
102Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.02.1977 – 4 C 22.75 –, BVerwGE 52, 122, vom 13.03.1981 – 4 C 1.78 –, juris, und vom 21.01.1983 – 4 C 59.79 –, juris.
103Bei den von WEA ausgehenden Windverwirbelungen und Turbulenzen handelt es sich um „ähnliche Umwelteinwirkungen“ i.S.d. § 3 Abs. 2 BImSchG,
104vgl. Thiel in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2014, Band III, § 3 BImSchG Rn. 69,
105die einen Abwehranspruch allerdings nur dann begründen, wenn sie geeignet sind, erhebliche Nachteile, für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). „Geeignet“ zur Herbeiführung der erhebliche Nachteile sind die von der WEA ausgehenden Turbulenzen zwar nicht erst dann, wenn die befürchteten nachteiligen Konsequenzen tatsächlich eintreten. Das „Herbeiführen“ ist im Sinne eines Kausalzusammenhanges mit dem Eintritt einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes zu verstehen. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes ist nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Risiken, die als solche erkannt sind, müssen mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein.
106Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 – 1 C 102.76 –, jurisRn. 33; Thiel, a.a.O. § 3 Rn. 53 ff.; Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 3 Rn. 22 und 39 ff.
107Die Bestimmung der „Erheblichkeit“ des Nachteils hat durch Vornahme eines Interessenausgleichs im nachbarschaftlichen Verhältnis zu erfolgen, wobei die Zumutbarkeit sich nach Art, Ausmaß und Dauer der Immissionen beurteilt. Hierbei sind auch die Art des betroffenen Gebietes und die dort bauplanungsrechtlich zulässige Nutzung zu berücksichtigen.
108Vgl. Thiel, a.a.O. § 3 Rn. 45 ff.; Jarass, a.a.O. § 3 Rn. 55 und 56.
109Immissionen, die ein Grundstückseigentümer nach dem baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme zu dulden hat, stellen deshalb keine erheblichen Nachteile i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG dar.
110Gemessen an diesen Voraussetzungen steht der Errichtung und dem Betrieb der Anlage § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht entgegen. Es ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass dem Flugbetrieb des Klägers durch den Betrieb der geplanten WEA erhebliche Nachteile durch Windverwirbelungen und Turbulenzen drohen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Gerichts zum Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und die dort zitierten sachkundigen Stellungnahmen Bezug genommen (s. unter 2.).
1114.
112Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Genehmigung unter Verstoß gegen Vorschriften des UVPG ergangen ist und ihm deshalb ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) vom 08.04.2013 (BGBl I S. 735) zusteht.
113Der Kläger ist als eingetragener Verein i.S.d. § 21 BGB eine juristische Person i.S.d. § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO und kann sich nach § 4 Abs. 3 UmwRG auf eine Verletzung des Absatzes 1 der Vorschrift berufen, ohne dass es darüber hinaus der Feststellung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bedarf. Denn diese Vorschrift trifft für den Fall einer fehlerhaft durchgeführten UVP-Vorprüfung eine Fehlerfolgenregelung für die Begründetheitsprüfung in der Form, dass ein solcher Fehler erheblich ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzte Verfahrensvorschrift der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dient und ob der Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte.
114Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2013 – 4 A 1.13 –, juris Rn. 41; OVG NRW, Urteile vom 14.10.2013 – 20 D 7/09.AK –, juris Rn. 79, und vom 23.06.2014 – 2 A 104/12 –, juris Rn. 22.
115Die Vorschrift setzt die Zulässigkeit der Klage und damit eine bestehende Klagebefugnis voraus, die bei Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG anzunehmen sein dürfte.
116Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, juris Rn. 8.
117Der Kläger kann aber eine Verletzung des § 4 Abs. 1 UmwRG nicht mit Erfolg rügen, weil der Anwendungsbereich des UmwRG nicht eröffnet ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG findet das Gesetz Anwendung auf Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglich-keitsprüfung (UVP) bestehen kann. Soweit es die Errichtung und den Betrieb einer einzigen WEA betrifft, kann eine Pflicht zur Durchführung einer UVP schon deshalb nicht bestehen, weil eine Pflicht zur Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG nur dann besteht, wenn das Vorhaben eine Windfarm mit mindestens drei Anlagen betrifft. Dies ist hier nicht der Fall.
118Eine Pflicht zur Vorprüfung oder Durchführung einer UVP besteht auch nicht unter Berücksichtigung weiterer vorhandener oder geplanter Anlagen im Umfeld des Anlagenstandortes, die aufgrund eines engen Zusammenhanges i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 1 UVPG mit der hier streitgegenständlichen Anlage eine Windfarm i.S.d. der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG bilden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer auf Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichteten Anfechtungsklage der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung,
119vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 – 8 A 959/10 –, juris Rn. 88 zur immissionsschutzrechtlichen Nachbarklage, und Urteil vom 28.11.2007 – 8 A 2325/06 –, juris Rn. 47 zur baurechtlichen Nachbarklage,
120so dass sich auch die Frage der UVP-Pflicht des streitigen Vorhabens nach dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung richtet. Zu diesem Zeitpunkt waren andere Anlagen, die zusammen mit der hier streitigen Anlage als Windfarm angesehen werden müssten, weder vorhanden noch lagen Genehmigungsanträge hierfür vor. Ein Genehmigungsantrag für die in der Nachbargemeinde S. -X. geplanten sieben weiteren WEA wurde vielmehr erst im Dezember 2014 und damit nach Erlass des das Verwaltungsverfahren (spätestens) abschließenden Änderungsbescheides vom 17.11.2014 gestellt.
121Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die WEA der Beigeladenen zusammen mit den sieben zwischenzeitlich genehmigten Anlagen in S. -X. auf Grund ihres Abstandes – der Mindestabstand zur nächstgelegenen WEA 5 in S. -X. beträgt 1.460 m – oder kumulierender Wirkungen für Schutzgüter i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG eine Windfarm bilden.
122Vgl. zum Begriff der Windfarm: OVG NRW, Beschluss vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, juris Rn. 69 ff.
123Die Rechtsauffassung des Klägers, die Genehmigung nur einer WEA hätte einer (standortbezogenen) Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG bedurft, weil sie auf Grund der Standortwahl die Errichtung weiterer WEA in der Konzentrationszone 1 ausschließe, sich somit wie die Errichtung von drei möglichen Anlagen in dieser Zone auswirke (vgl. Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 7), geht fehl. Die Pflicht zur Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. der Anlage 1 zum UVPG besteht nur dann, wenn mindestens drei Anlagen in einem engen Zusammenhang i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 2 UVPG stehen und – wie oben bereits ausgeführt – auf Grund kumulativer Wirkungen für Schutzgüter des UVPG als Windfarm zu betrachten sind. Im Sinne des UVP-Rechts ist es unerheblich, ob bei einer anderen Standortwahl die Errichtung von drei Anlagen möglich wäre. Entscheidend ist allein, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben UVP-pflichtig ist. Dies ist hier – wie oben bereits dargelegt – nicht der Fall.
124Auch die vom Kläger zitierte neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Klagebegründung vom 23.10.2015, Seite 1), rechtfertigt keine ihm günstigere Beurteilung.
125Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 15.10.2015
126– C-137/14 – (Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland), abrufbar in juris –
127festgestellt, dass Vorschriften des UmwRG und des VwVfG zur Präklusion (§ 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG) und zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern (§ 46 VwVfG) mit der UVP-Richtlinie in der zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Fassung,
128vgl. Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglich-keitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (im Folgenden: UVP-RL),
129nicht zu vereinbaren sind. Die für unionsrechtswidrig erkannten Vorschriften sind hier aber nicht entscheidungserheblich, weil weder eine Präklusion von Einwendungen noch die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Streit steht. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen mehrere WEA aufgrund ihrer kumulierenden Wirkung i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 1 UVPG eine Windfarm bilden, verhält sich die Entscheidung nicht.
1305.
131Die weiter vom Kläger geltend gemachten Einwände betreffen Vorschriften, die keinen nachbarschützenden Charakter haben. Ob die Genehmigung unter Verstoß gegen diese Vorschriften ergangen ist, kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Kläger würde jedenfalls hierdurch nicht in subjektiven, eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
132a.) Dies gilt zunächst hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Einwände, Belange des Naturschutzes, insbesondere des Artenschutzes und des Landschaftsschutzes (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 10 ff.), seien im Genehmigungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt worden.
133Nachbarschutz wird im bauplanungsrechtlichen Außenbereich ausschließlich über das Gebot der Rücksichtnahme und die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB genannten Belange gewährt. Bei den in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannten Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes und des Denkmalschutzes handelt es um Belange, deren Beachtung allein öffentlichen Interessen dient. Ein Nachbar kann sich auf die Verletzung derartiger Belange nicht berufen.
134Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.07.1999 – 4 B 38/99 –, juris.
135Eine Erweiterung des subjektiven Rechtsschutzes für einen Nachbarn als Teil der betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG kann in dieser Hinsicht auch nicht aus § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG abgeleitet werden. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG können natürliche und juristische Personen zwar rügen, dass eine erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, weil etwa erhebliche Auswirkungen auf Schutzgüter des § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG nicht geprüft werden. Die Berufung auf derartige Mängel setzt aber eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bzw. UVP-Vorprüfung voraus, die – wie oben bereits ausgeführt – hier nicht bestand.
136Ein hiervon unabhängiges Recht des Einzelnen, Umweltbelange geltend zu machen, besteht nach dem UmwRG nicht. Es ist auch unionsrechtlich nicht geboten. Die UVP-RL und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention gebieten eine Auslegung des nationalen Rechts, die die durch die UVP-RL verliehenenVerfahrensrechte als individualschützend anerkennt und ihre prozessuale Durchsetzbarkeit gewährleistet. Im Lichte dieser Regelungen sind der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG nur hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen Rügerechte zuzuerkennen.
137Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 – 8 A 959/10 –, juris Rn. 55 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 07.11.2013 (Altrip) – C-72/12 –, juris Rn. 36, 38 und 47.
138Es ist unionsrechtlich dagegen nicht geboten, Privaten ein allgemeines Rügerecht gegenüber der Verletzung umweltrechtlicher Vorschriften einzuräumen.
139b.) Ebenso wenig kann der Kläger geltend machen (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 6), das Vorhaben sei rechtswidrig, weil nach der im Verfahren erfolgten Standortverschiebung der Rotor über die im Flächennutzungsplan festgesetzte Konzentrationszone hinausrage. Soweit der Kläger hierzu ergänzend im Verfahren 11 K 2074/14 ausführt hat (vgl. die dortige Klagebegründung vom 08.10.2014, Seite 13), die Ausschlusswirkung eines „qualifizierten“ Flächennutzungsplanes habe nach der Rechtsprechung
140– vgl. BverwG, Urteil vom 26.04.2007 – 4 CN 3.06 – und Beschluss vom 23.10.2008 – 4 BN 16.08 –, jeweils juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 09.10.2008 – 12 KN 12/07 –, juris –
141nachbarschützende Wirkung, trifft dies nicht zu. In der vom Kläger zitierten Entscheidung weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass mit der Einführung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB dieGemeinde in die Lage versetzt werden sollte, die bauliche Entwicklung privilegierter Vorhaben im Außenbereich planerisch zu steuern. Vorhaben sind seitdem nicht mehr nur dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, sondern auch dann, wenn für sie durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine „Ausweisung“ an anderer Stelle erfolgt ist. Kraft gesetzlicher Anordnung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen auf der Ebene der Vorhabenzulassung rechtliche Außenwirkung. Das gibt der Gemeinde für privilegierte Außenbereichsvorhaben ein neuartiges Instrument der verbindlichen Standortplanung an die Hand.
142Vgl. BverwG, Urteil vom 26.04.2007 – 4 CN 3.06 –, juris Rn. 16.
143Die mit der Darstellung von Konzentrationszonen zugleich verbundene negative Ausschlusswirkung soll demnach nur die Rechtsposition der Gemeinde verbessern, aber für private Dritte keine Abwehrrechte begründen. Dies wird im Übrigen auch durch den Wortlaut des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB deutlich: Danach können derartige Festsetzungen von Konzentrationszonen in einem Flächennutzungsplan einem privilegierten Vorhaben (nur) alsöffentlicher Belang entgegengehalten werden.
144Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der vom Kläger zitierten weiteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2008. Auch dort wird nur die bereits im Urteil vom 26.04.2007 geäußerte Rechtsauffassung bestätigt, dass Flächennutzungspläne i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Außenwirkung entfalten und damit Gegenstand einer Normenkontrolle i.S.d. § 47 VwGO sein können. Zum Nachbarschutz verhält sich diese Entscheidung nicht.
145Soweit der Kläger meint, er werde durch die Abweichung vom Flächennutzungsplan „als Betroffener des Schutzgutes Mensch“ beeinträchtigt (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 8) und hätte deshalb „beteiligt“ werden müssen, will er wohl auf eine sich aus § 9 UVPG ergebende Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit hinweisen. Eine derartige Pflicht bestand indes nicht, da das Vorhaben nicht dem UVPG unterliegt. Auf die Ausführungen unter a.) wird Bezug genommen.
146c.) Der Einwand des Klägers (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 7), die Gemeinde habe im Verfahren ihr Einvernehmen zur Standortverschiebung nicht erteilt und dieses habe sich nur auf den ursprünglichen Standort bezogen, ist schon in der Sache falsch, weil die Gemeinde mit Schreiben vom 26.06.2014 der Standortverschiebung zugestimmt hat (BA IV Teil 2 Bl. 71 zu 11 K 2054/14). Im Übrigen gilt auch insoweit, dass mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 36 BauGB allein Belange der Gemeinde gewahrt werden sollen. Ein Privater kann sich auf die Verletzung des gemeindlichen Einvernehmens deshalb nicht berufen.
147Vgl. BverwG, Urteil vom 06.12.1967 – IV C 94.66 –, juris.
148Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit am Prozesskostenrisiko beteiligt hat.
149Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer 2005 errichteten Windenergieanlage gegen eine ihr nachträglich im Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung ihrer Anlage bei Wind aus Südsüdost.
- 2
Die Klägerin betreibt in dem inzwischen aus neun Windenergieanlagen (im Folgenden WEA) bestehenden Windpark H. seit 2005 mehrere Anlagen, darunter auch die WEA 2 auf dem Flurstück Nr. …. Die Beigeladene ist die Rechtsnachfolgerin der T., die auf den nördlich des Flurstücks Nr. … gelegenen Flurstücken Nrn. … und … – ebenfalls im Windpark H. – eine Windenergieanlage betreibt (WEA 7). Die im Jahr 2013 errichtete WEA 7 befindet sich nordnordwestlich der WEA 2 in einem Abstand von weniger als 150 m.
- 3
Die Verfahren zur Genehmigung der beiden Anlagen (WEA 2: Typ Enercon E-70 E 4 [Nabenhöhe – NH – 98 m, Rotordurchmesser – RD – 70 m] und WEA 7: Typ Enercon E-70 E4 [2,3 MW Nennleistung, NH 85 m und RD 71 m) stellen sich im Überblick im Wesentlichen wie folgt dar:
Flurstück Nr. … (WEA 2)
Flurstücke Nrn. …, … (WEA 7)
23. September 2002
positiver Bauvorbescheid an T. für WEA Nordex N 90
(2,5 MW, NH 100 m, RD 90 m)16. Januar 2003
Baugenehmigung für WEA Typ Vestas V 80 (2,0 MW, NH 100 m, RD 80 m)20. Juli 2004
Baugenehmigung an T. [auf Antrag vom 5. Mai 2004]
für WEA Typ Enercon E-66/20.70 (2,0 MW, NH 85 m, RD 70 m)6. September 2004
Tekturgenehmigung für WEA Typ GAMESA EOLICA G 80-2.0 MW
28. September 2004
Tekturgenehmigung für Anlagentyp Enercon E-70 E4 (NH 98 m, Gesamthöhe 134,5 m)
28. Oktober 2004
Änderungs-Baugenehmigung für die WEA E-70-E 4 (Gesamthöhe 134,5 m),
Standortverschiebung nach Osten um 79 m, neue Koordinaten HW …/RW …
29. April 2005
Fertigstellungsanzeige12. Juni 2008
Verlängerungsbescheid zur Baugenehmigung
vom 20. Juli 2004 bis 20. Juli 201218. Juli 2008
Ergänzende Auflage zur Baugenehmigung für E-70 E4:
Abschaltverpflichtung bei Wind von 6 – 14 m/s
für die Sektoren 328° +/- 27° und 148° +/- 27° mit dem Zusatz:
„Die Auflage tritt nur dann in Kraft, soweit die mit Änderungsbaugenehmigung
vom 2. August 2004 genehmigte Windenergieanlage der Fa. T. vom Typ
Enercon E-66/20.70 … tatsächlich errichtet und in Betrieb genommen wird.“20. April 2012
Baugenehmigung an die T. für die Errichtung einer WEA Typ
Enercon E-70 E4– auf Antrag vom 29. Februar 2012 –
(2,3 MW, NH 85 m, RD 71 m)15. November 2012
Baubeginnanzeige31. Mai 2013
Ergänzende Auflage:
Abschaltverpflichtung bei Wind aus SSO (147,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)31. Mai 2013
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für
E-70 E4 mit der Auflage: Abschaltverpflichtung bei Wind aus NNW
(327,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)2013
Fertigstellung der Anlage25. Februar 2014
Änderungsgenehmigung: bloß
Abregelungsverpflichtung bei Wind aus NNW
- 4
Die an die Klägerin adressierte ergänzende Auflage vom 18. Juli 2008 erging im Rahmen des Verfahrens des Widerspruchs der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gegen die der Klägerin erteilte Genehmigung vom 16. Januar 2003. Zur Begründung des Widerspruchs wurde ausgeführt, dass die später genehmigte Anlage der Klägerin den Mindestabstand unterschreite. Daraufhin gab der Beklagte im November 2006 der Klägerin auf, die Standsicherheit der der Fa. T. genehmigten Anlage E-66/20.70 auch bei Ausnutzung der der Klägerin genehmigten Anlage nachzuweisen. In der gutachterlichen Stellungnahme des TÜV Nord zur Turbulenzbelastung im Windpark H. vom Dezember 2007 heißt es auf S. 9 f:
- 5
„Die Standsicherheit der betroffenen WEA 2 und 7 kann in der geplanten Konfiguration durch Ausschluss des Betriebes in der Nachlaufströmung der verursachenden WEA gewährleistet werden. Dies kann durch das Abschalten der jeweils verursachenden WEA bei Auftreten der entsprechenden Nachlaufsituation erreicht werden.
- 6
Da die Lasten bei einer abgeschalteten WEA (Trudelbetrieb) auch in der erhöhten Turbulenz der Nachlaufströmung der Nachbar-WEA geringer sind als im Betrieb bei ungestörter Anströmung, kann alternativ die betroffene WEA selbst abgeschaltet werden.
- 7
Das Abschalten wird bei Windgeschwindigkeiten von 6 bis 14 m/s aus folgenden Windrichtungen erforderlich:
- 8
- WEA 7 oder WEA 2 bei Wind aus 328° +/- 27° (301° bis 355°) und
- 9
- WEA 2 oder WEA 7 bei Wind aus 148° +/- 27° (121° bis 175°)“.
- 10
Die hier streitgegenständliche Regelung vom 31. Mai 2013 erging im Rahmen des Verfahrens zum Widerspruch der Klägerin gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilten Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012. Zu dessen Begründung wurde ausgeführt: Die jetzt genehmigte Anlage E-70 E 4 weiche von der bisher genehmigten Anlage E-66/20.70 ab. Die der Klägerin gegenüber am 18. Juli 2008 ergänzend auferlegte Abschaltverpflichtung beziehe sich ausdrücklich nur auf die zuvor genehmigte Anlage E-66/20.70. Sie habe sich durch die Änderung des Anlagentyps auf Seiten der Fa. T. erledigt. Diese Neugenehmigung führe zu einer Beeinträchtigung des Betriebs ihrer eigenen Anlage. Es sei daher notwendig, der Fa. T. wegen des Nachrangs ihrer Genehmigung Abschaltverpflichtungen zum Schutz der WEA 2 aufzuerlegen.
- 11
Die Kreisverwaltung setzte daraufhin die Vollziehung der Baugenehmigung vom 20. April 2012 aus und forderte die Beigeladene auf, die Auswirkungen der genehmigten WEA 7 (E-70 E4) auf die WEA 2 und andere Folgewirkungen gutachterlich untersuchen zu lassen. Das vorgelegte Gutachten des TÜV Nord vom 21. Februar 2013 empfahl die Abschaltung der WEA 7 bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s sowohl für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° als auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7°, in letzterem Fall zum Selbstschutz der WEA 7. Auf Nachfrage der Kreisverwaltung teilte der TÜV Nord mit, dass alternativ zur Abschaltung der WEA 7 zur Gewährleistung der Standsicherheit beider Anlagen auch eine teilweise oder vollständige Abschaltung der WEA 2 möglich sei.
- 12
Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 hob die Kreisverwaltung die Baugenehmigung vom 20. April 2012 auf und erteilte der Beigeladenen als Rechtsnachfolgerin der Fa. T. nunmehr die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der WEA vom Typ Enercon E-70 E4 (NH 85 m, RD 71 m) und erlegte ihr eine Abschaltverpflichtung bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° (294° bis 359,8°) auf. Eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° wurde für den Fall vorbehalten, dass die Gefahr nicht durch die Inanspruchnahme von Dritten beseitigt werde.
- 13
Ebenfalls mit Bescheid vom 31. Mai 2013 wurde der Klägerin die hier angefochtene nachträgliche Auflage zur Baugenehmigung vom 16. Januar 2003 in der Fassung der Änderungsgenehmigungen dahingehend erteilt, dass sie ihre Anlage bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (114,4° bis 179,8°) abzuschalten habe. Zur Begründung führte die Behörde aus: Die der Klägerin mit Bescheid vom 18. Juli 2008 gemachte Auflage habe sich inzwischen erledigt, da diese von der Errichtung der der Fa. T. ursprünglich genehmigten Anlage Enercon E-66 abhängig gewesen sei. Dennoch bleibe es dabei, dass von der WEA 2 bei einem bestimmten Abschaltsektor eine Gefahr für die benachbarte WEA 7 ausgehe. Hinsichtlich der Bewältigung der Gefahrenlage sei der Grundsatz der Rücksichtnahme und der geeigneten Ursachenzumessung maßgeblich. Danach sei die Klägerin für die Auswirkungen bei Winden aus Südsüdost, die Beigeladene hingegen für die Auswirkungen der Winde aus Nordnordwest verantwortlich.
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Für den Erlass des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2013 erhob die Klägerin mit Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 275,75 €.
- 15
Die Klägerin legte sowohl gegen die ergänzende Auflage zu der ihr erteilten Baugenehmigung als auch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung an die Beigeladene Widerspruch ein und wiederholte darin im Wesentlichen ihre Auffassung, dass nach Errichtung der der Beigeladenen genehmigten WEA Typ Enercon E-70 E4 allein die Beigeladene zur Bewältigung der Gefahrenlage durch entsprechende Abschaltverpflichtungen der WEA 7 verantwortlich sei.
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Nachdem der TÜV Nord in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2013 festgestellt hatte, dass die Standsicherheit der WEA 2 in der Nachlaufströmung der WEA 7 statt durch Abschaltung der WEA 7 auch durch näher beschriebene Abregelungen (Pitchen) gewährleistet werden kann, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 25. Februar 2014 eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 wies der Kreisrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin dadurch, dass die Abschalt- bzw. Abregelungsanordnung gegenüber der Beigeladenen auf den Windsektor aus Nordnordwest (327,1° +/- 32,7°) beschränkt und ihr gegenüber eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (Südsüdost) auferlegt worden sei, nicht in ihren Rechten verletzt sei. Rechtsgrundlage für die nachträgliche Anordnung gegenüber der Klägerin sei § 85 LBauO. Die darin geforderte erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit gehe bei Wind aus dem Sektor 147,1° +/- 32,7° von der Anlage der Klägerin (WEA 2) für die Anlage der Beigeladenen (WEA 7) aus. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, der Klägerin auch eine Abschaltverpflichtung zum Schutz der nunmehr der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 aufzuerlegen. Es träfen hier Pflichten von Bauherren verschiedener baulicher Anlagen aufeinander. Bei Zusammentreffen konkurrierender Anlagen habe die Behörde eine sachgerechte Auswahl im Hinblick auf die Verteilung der Rücksichtnahmepflichten zu treffen. Die Klägerin habe ihre Windenergieanlage in eine vorbelastete Situation hinein errichtet, denn ihr sei bei Erteilung der Baugenehmigung bekannt gewesen, dass eine weitere Anlage hinzukommen werde. Schon aufgrund des Bescheides vom 18. Juli 2008 habe die Klägerin Rücksicht auf die der Beigeladenen (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) erteilten Genehmigung nehmen müssen. Bei der nun der Beigeladenen genehmigten Anlage handele es sich auch nicht um ein Aliud, sondern um das Nachfolgemodell zur E-66. Soweit von der nunmehr genehmigten E-70 E4 Beeinträchtigungen für die Windenergieanlage der Klägerin bei bestimmten Windrichtungen zu befürchten seien, seien die erforderlichen Abhilfemaßnahmen allein der Beigeladenen auferlegt worden. Der gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 erhobene Widerspruch sei ebenfalls nicht begründet.
- 18
Mit ihrer am 18. März 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin einerseits den ergänzenden Auflagenbescheid vom 31. Mai 2013 und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 angefochten und andererseits auch die an die Beigeladene gerichteten Bescheide vom 31. Mai 2013 und vom 25. Februar 2014 angegriffen. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 getrennt und zunächst nur die Anfechtungsklagen gegen die an die Klägerin adressierten Bescheide verhandelt. Im Übrigen hat es das Verfahren ausgesetzt.
- 19
Zu dem abgetrennten Komplex hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, die nachträglich mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 85 LBauO seien nicht gegeben. Zwar bestehe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Auswahl der zur Abwendung dieser Gefahr Verantwortlichen sei jedoch fehlerhaft erfolgt. Ermessensgerecht sei allein, den Letztverursacher vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die letzte Ursache für die Unverträglichkeit des parallelen Betriebs der WEA 2 und WEA 7 sei jedoch durch die Genehmigung der E-70 zugunsten der Beigeladenen gesetzt worden.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2013 und vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 aufzuheben.
- 22
Der Beklagte hat unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, die angefochtenen Bescheide jedoch verteidigt.
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Das Verwaltungsgericht hat der (abgetrennten) Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2015 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Der Beklagte könne sich insofern nicht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO berufen. Einschlägig sei vielmehr die immissionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG. Zum Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 BImSchG sei indes nicht der Beklagte, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion zuständig. Die Windenergieanlage der Klägerin unterliege nach der Übergangsregelung in § 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG ab dem 1. Juli 2005 dem Immissionsschutzrecht, was auch für das immissionsschutzrechtliche Überwachungsinstrumentarium gelte. Dies habe zur Folge, dass § 17 Abs. 1 BImSchG auch für solche Windkraftanlagen gelte, für die ursprünglich eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Zwar stelle § 17 BImSchG keine Spezialregelung dar, die die polizei- oder ordnungsrechtlichen Vorschriften stets verdränge. Das Instrument der nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG diene der Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten. Demgegenüber könnten nachträgliche Anordnungen nach § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO nur zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit angeordnet werden, denen typischerweise bauordnungsrechtlich zu begegnen sei. Soweit eine Maßnahme auf § 17 BImSchG gestützt werden könne, blieben ordnungsrechtliche Vorschriften daher außen vor. Dies müsse auch dann gelten, wenn neben immissionsschutzrechtlichen auch bauordnungsrechtliche Gründe für das nachträgliche Einschreiten gegeben seien, die immissionsschutzrechtlichen Gründe aber im Vordergrund stünden. Letzteres sei hier der Fall, da es primär um die Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten gehe. Der Beklagte habe mit seiner Verfügung zum Ausdruck gebracht, dass von der Windenergieanlage der Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen. Dass damit auch Fragen der Standsicherheit i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO im Raum stünden, ändere nichts daran, dass die getroffene Anordnung maßgeblich aus Gründen des Immissionsschutzrechts getroffen werde. Infolgedessen sei auch der damit zusammenhängende Kostenbescheid rechtswidrig.
- 26
Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 nachträglich auferlegte Abschaltverpflichtung sei zu Recht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO gestützt worden. Denn es solle mit dieser Verfügung keine immissionsschutzrechtliche Verpflichtung, sondern vielmehr eine Anforderung aus dem Bauordnungsrecht durchgesetzt werden. Maßgebliches Ziel der Verfügung sei es nämlich, die Anforderungen an die Standsicherheit nach § 13 LBauO durchzusetzen. Die Verfügung sei auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Klägerin rechtlich nicht zu beanstanden. Die getroffene Lastenverteilung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sei sachgemäß. Bei der der Beigeladenen genehmigten Windenergieanlage Enercon E-70 handele es sich nicht um ein Aliud zur früheren Anlage, vielmehr sei die E-70 die Nachfolgeanlage zur Enercon E-66 mit nur geringen technischen Änderungen. Daraus ergebe sich keine Notwendigkeit zur Durchführung eines völlig neuen Genehmigungsverfahrens. Soweit der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen aus dem Jahr 2013 Änderungen hinsichtlich der Abschaltsektoren und der Windgeschwindigkeit errechnet habe, sei dies im Wesentlichen auf Änderungen des Rechnungsmodus seit dem Erstgutachten im Jahr 2007 zurückzuführen. Dies habe der TÜV Nord auf ergänzende Anfrage bestätigt. Im Übrigen ergäben sich kleine Abweichungen daher, dass bei den neueren Berechnungen der Abstand der beiden Anlagen WEA 2 und WEA 7 korrekt um 6 m reduziert worden sei.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 abzuweisen.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 abzuweisen.
- 31
Zur Begründung führt sie aus, dass die Bauaufsichtsbehörde zum Erlass der nachträglichen Anordnung zuständig gewesen sei. Denn hier hätten bauordnungsrechtliche Fragen der Standsicherheit im Vordergrund gestanden. In der Sache sei die von der Behörde getroffene Lastenverteilung rechtlich nicht zu beanstanden. Für sie [die Beigeladene] streite das Prioritätsprinzip. Ihr sei im Jahr 2002 erstmals ein positiver Bauvorbescheid für die Errichtung einer Windenergieanlage auf den Flurstücken Nrn. 1993 und 1994 erteilt worden. Im Anschluss daran sei sie ununterbrochen im Besitz einer Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage gewesen. Bei der Umstellung von der E-66 auf die E-70 handele es sich nicht um ein Aliud, sondern bloß um eine Weiterentwicklung. Die E-70 verursache sogar geringere Turbulenzen als das Vorgängermodell. Das Vorhaben der Klägerin sei demgegenüber nicht prioritär. Folgerichtig hätte die Klägerin daher sogar die vollständige Verantwortung zur Gefahrenbeseitigung treffen müssen. Dann sei aber jedenfalls die von dem Beklagten getroffene Lastenverteilung von der Klägerin nicht zu beanstanden.
- 32
Die Klägerin beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
- 34
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. § 17 BImSchG sei auch dann anwendbar, wenn zumindest auch immissionsschutzrechtliche Pflichten durchgesetzt werden sollten, wie hier. Im Übrigen sei es verfehlt, sie für die Bewältigung von Problemen wegen der Nähe ihrer Anlage zu der der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 E4 in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte gehe zu Unrecht weiterhin von einer Priorisierung der Windenergieanlage der Beigeladenen aus. Bei der Anlage E-70 handele es sich um eine in wesentlicher Hinsicht andere Anlage als die zuvor genehmigte E-66/20.70. Es hätte daher eines neuen Genehmigungsverfahrens bedurft. Wie sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen der F. vom 16. Mai 2014 und vom 22. Juli 2016 ergebe, komme es für die Beurteilung von Turbulenzerhöhungen durch eine geänderte Anlage nicht nur auf die Nabenhöhe und den Rotordurchmesser der Anlage an. Wesentlich sei auch der Schubbeiwert des Rotors. Insofern unterschieden sich die Schubbeiwerte bei den Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-66/20.70 und Enercon E-70 E4 jedoch deutlich. Der neue Rotor der Anlage E-70 E4 erbringe eine höhere Windausbeute, was auch zu einem veränderten Strömungsverlauf führen müsse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
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Die angefochtene ergänzende Auflage im Bescheid vom 31. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Demzufolge kann auch der hierauf gestützte Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 keinen Bestand haben.
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1. Die ergänzende Anordnung vom 31. Mai 2013 war indes nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sie als dafür zuständige Bauaufsichtsbehörde auf die bauordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 85 LBauO gestützt hat.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war er hieran nicht durch eine vorrangige Anwendbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG gehindert, wofür – anders als für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen – nicht die Kreisverwaltung, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion sachlich zuständig wäre (vgl. § 1 Abs. 1 und Nr. 1.1.8 der Anlage der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes (ImSchZuVO) vom 14. Juni 2002 i.d.F. des Gesetzes vom 6. Oktober 2015 (GVBl. S. 283; die Zuständigkeit der Kreisverwaltung für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen ergibt sich aus Nr. 1.1.1 der Anlage zum ImSchZuVO).
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Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen getroffen werden. Nach ihrem klaren Wortlaut beschränkt sich diese Ermächtigung auf die Erfüllung immissionsschutzrechtlicher Verpflichtungen, also der Pflichten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 BImSchG. Hinsichtlich der Pflichten aus anderen Vorschriften außerhalb des BImSchG ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass zu deren Vollzug die hierfür zuständigen Behörden berufen sind. Die Konzentrationswirkung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen nach § 13 BImSchG erstreckt sich nur auf die präventive Kontrolle; nach Erteilung der Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden zurück (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 25. Juli 2011 – 4 ME 175.11 –, NuR 2011, 891 und juris, Rn. 4; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 79. EL 2016, § 13 BImSchG, Rn. 117 und 120; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 13 Rn. 25 und § 17 Rn. 20). Beim Verstoß gegen Pflichten sowohl aus dem BImSchG als auch aus anderen Vorschriften kann § 17 BImSchG anwendbar sein, dann aber gegebenenfalls parallel zu anderen Ermächtigungsnormen (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 17 Rn. 26; Jarass, a.a.O., § 17 Rn. 20). Derselbe Sachverhalt kann Anlass für verschiedene Behörden zum Einschreiten sein. Die Berechtigung hierzu hängt von der Zielrichtung der Maßnahme ab. Dient eine Maßnahme der Durchsetzung baurechtlicher Anforderungen, so ist - jedenfalls auch - die Bauaufsichtsbehörde zuständig (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 1994 – 10 A 4084/92 –, BauR 1995, 372, LS 1 und 2; Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 17 Rn. 44 f.).
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parallelität der Eingriffsermächtigungen dann eine Einschränkung verlangt, wenn der Pflichtenverstoß sein Schwergewicht eindeutig in einem der einschlägigen Rechtsregime hat. Denn ein solcher Fall liegt hier zugunsten des immissionsschutzrechtlichen Pflichtenkreises nicht vor. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts standen bei dem Einschreiten des Beklagten nicht immissionsschutzrechtliche Gründe im Vordergrund. Zwar können die Turbulenzwirkungen einer Windenergieanlage auf Nachbaranlagen durchaus als schädliche Umwelteinwirkungen aufgefasst werden. Insbesondere aus dem Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015, in dessen Gestalt die Abschaltanordnung vom 31. Mai 2013 Gegenstand der Anfechtungsklage ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ergibt sich indessen eindeutig, dass der Beklagte wegen Gefahren für die Standsicherheit der benachbarten Anlagen und damit zur Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Verpflichtungen eingeschritten ist (vgl. S. 8 und S. 10 des Widerspruchsbescheids). Denn § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO verlangt, dass durch eine bauliche Anlage die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Ausrichtung des aufsichtsbehördlichen Vorgehens auf Fragen der Standsicherheit wird schließlich auch durch die gutachterlichen Stellungnahmen des TÜV Nord bestätigt. Danach hat sich der Gutachtenauftrag auf die Beurteilung der Standsicherheit der Windenergieanlagen bezogen (vgl. S. 5 der Stellungnahme vom 20. Dezember 2013). Aufgrund fehlender Kriterien für einen Immissionsgrenzwert für die durch eine Nachbar-WEA erhöhten Turbulenzbelastungen haben die Gutachter auf Kriterien der Standsicherheit abgestellt. Danach werde ein auf erhöhte Turbulenzintensität rückführbarer zusätzlicher Verschleiß einer Windenergieanlage dann als zumutbar angesehen, solange die Standsicherheit für 20 Jahre gewährleistet bleibe (a.a.O., S. 5). Damit stellen die Gutachter klar, dass im Kern der Untersuchung Fragen zur Standsicherheit der benachbarten Windenergieanlagen standen. Auf dieser Grundlage ist die Behörde eingeschritten.
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2. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO liegen vor.
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Nach dieser Vorschrift können bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen nachträglich Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist.
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Hier drohen durch den Betrieb der Windenergieanlage der Klägerin erhebliche Gefahren für das Eigentum an Sachen. Konkret können infolge der durch die WEA 2 im Nachlauf ausgelösten Turbulenzen Beeinträchtigungen für die Standsicherheit benachbarter Windenergieanlagen auftreten. Wie der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen ausgeführt hat, sind für die Belastung, Haltbarkeit und den Betrieb von Windenergieanlagen vor allem die Windbedingungen maßgeblich. Hierfür ist neben der vorhandenen Umgebungsturbulenzintensität in einer Windzone auch der Einfluss der Nachlaufsituationen benachbarter Windenergieanlagen ausschlaggebend. Dies kann bei der betroffenen Anlage zu schnellerem Verschleiß von Anlagenteilen und zur Beeinträchtigung ihrer Standsicherheit führen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 5 f; auch: OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 15). Aufgrund der Berechnungen des TÜV Nord steht fest, dass bei den Anlagen der Klägerin (WEA 2) und der Beigeladenen (WEA 7) wegen ihres geringen Abstands von unter 150 m die – unter Berücksichtigung anlagenspezifischer Parameter, wie etwa dem Schubbeiwert, ermittelten – effektiven Turbulenzintensitäten die aus der Umgebungsturbulenzintensität hergeleiteten Auslegungswerte überschreiten und damit eine Gefährdung der Standsicherheit der jeweils betroffenen Windenergieanlage begründen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 6 f. und S. 15 bis 18). Dies bedeutet, dass bei einem bestimmten Windsektor und bestimmten Windgeschwindigkeiten die im Nachlauf der anderen Anlage stehende Windenergieanlage in ihrer Standsicherheit beeinträchtigt wird.
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3. Der angefochtene Bescheid vom 31. Mai 2013 erweist sich allerdings deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte von dem ihm in § 85 Abs. 1 LBauO eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Der Beklagte hat nämlich bei der Abgrenzung der Verantwortung für die Bewältigung des Konflikts durch den Betrieb zweier unverträglich naher Windenergieanlagen den für eine sachgerechte Lastenverteilung maßgebenden Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens nicht in der gebotenen Weise beachtet. Danach hat der Betreiber derjenigen Anlage die Verantwortung zur Konfliktbewältigung und die damit verbundenen Lasten zu tragen, der durch die Realisierung seines Projekts die letzte Ursache für die Entstehung des Konflikts setzt. Dies war hier die Beigeladene, die für ihr im Jahr 2012 genehmigtes und begonnenes Vorhaben auf die bereits seit 2005 betriebene Anlage der Klägerin traf.
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a) Weil der Betrieb einer Windenergieanlage wegen der geschilderten Turbulenzeffekte zu Beeinträchtigungen benachbarter Windenergieanlagen führen kann, bedarf es geeigneter Maßnahmen, um den dadurch ausgelösten Konflikt zu bewältigen. Dabei kommt als erstes die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes zwischen den Windenergieanlagen in Betracht. Insofern wird eine Distanz der fünffachen Länge des Rotordurchmessers für ausreichend erachtet (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 164 und juris, Rn. 6; Gatz, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2013, Rn. 358). Nach den Ausführungen des TÜV Nord kann die Gefahr von Beeinträchtigungen durch Turbulenzeffekte aber nicht nur durch gehörigen Abstand der Anlagen und damit den Verzicht auf einen der zu dicht gelegenen Standorte abgewendet werden. In Betracht kommen auch Abschalt- bzw. Abregelungsverpflichtungen. So können schädliche Turbulenzeffekte einmal durch die Abschaltung der zuvorderst im Wind stehenden Anlage zugunsten der dahinterstehenden Anlage vermieden werden (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 17 f.). Gefahren für die Standsicherheit kann aber auch durch Abschalten der dahinterstehenden Anlage – zu ihrem Selbstschutz – begegnet werden, weil die Lasten einer abgeschalteten Windenergieanlage (Trudelbetrieb) auch bei einer erhöhten Turbulenz durch die auf der Luvseite stehenden Anlage gering sind (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom Dezember 2007, S. 10, sowie ergänzende Stellungnahme des TÜV Nord vom 7. Januar 2014, Bl. 221 der Behördenakte „…“). Die Gefahrenabwehr kann also einmal aktiv durch Unterbinden der Turbulenzwirkungen bei der störenden Anlage erfolgen. Sie kann aber auch passiv durch Abschalten der gestörten Anlage geschehen.
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Zu der Frage, wem die Lasten der Konfliktbewältigung – durch Verzicht auf einen Standort oder durch Abschaltverpflichtungen und damit einhergehender geringerer Energieausbeute – aufzuerlegen sind, finden sich weder im Immissionsschutzrecht noch im Baurecht Regelungen. Anforderungen an die Ermessenssteuerung können daher nur aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet werden. Für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge und der Annahme, dass sich auf den gewählten Standorten nur eine der Anlagen realisieren lässt, sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung folgende Grundsätze anerkannt: Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangen eine willkürfreie und sachgerechte Auswahl bzw. Reihung unter den sich ausschließenden Genehmigungsanträgen. Dabei erweist sich der Gesichtspunkt der Priorität konkurrierender Anträge grundsätzlich als sachgerechtes Kriterium, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung hiervon rechtfertigen (vgl. OVG Nds., Urteil vom 26. September 1991 – 1 L 74 und 75/91 –, juris, Rn. 82; OVG MV, Beschluss vom 28. März 2008 – 3 M 188/07 –, BauR 2008, 1562 und juris, Rn. 31 f.; ThürOVG, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 1 EO 35/12 –, ZNER 2012, 443 und juris, Rn. 30 f.; OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 21). Vorrang wird dem zuerst gestellten Antrag allerdings nur dann zuerkannt, wenn ihm vollständige und prüffähige Unterlagen beigefügt sind (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 493; Sittig, in: Maslaton, Windenergieanlagen, Kap. 2 Rn. 217 ff, jeweils m.w.N.).
- 50
Diese Grundsätze können auch bei der Frage nach der Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung durch Abschaltverpflichtungen angewendet werden. Danach ist es grundsätzlich sachgerecht, dass derjenige Rücksicht zu nehmen und Nachteile zu tragen hat, der mit seinem Vorhaben an eine bereits bestehende Anlage heranrückt. Gleichermaßen unterliegt er Rücksichtnahmepflichten, wenn er mit seinem Vorhaben auf eine vorhandene Genehmigungslage trifft, weil für den in einer Entfernung unterhalb des fünffachen Rotordurchmessers gelegenen Nachbarstandort bereits eine Genehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage erteilt worden ist. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte abgestellt, wenn er gegenüber der Klägerin geltend macht, sie habe ihre Windenergieanlage in einer – durch die Genehmigung der Anlage auf den Flurstücken Nrn. … und … (WEA 7) – vorbelasteten Situation errichtet.
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Indes ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Vorrang zugunsten der zuerst beantragten bzw. genehmigten Anlage entfällt, sobald dieses erste Vorhaben später wesentlich geändert wird (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011 – 1 EO 69/11 –, ZNER 2011, 649 und juris, Rn. 42 – für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge –; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217 ff.). Gründe der Chancengleichheit und der Vermeidung von Umgehungen des Prioritätsgrundsatzes verlangen hier eine neue Reihung der konkurrierenden Vorhabenträger. Darüber hinaus ist zu bedenken, ob sich der Vorrang zugunsten des zeitlich früheren Vorhabens nicht nur bei der erstmaligen Genehmigungserteilung und dann nur für die Dauer deren Wirksamkeit durchsetzt.
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b) Im vorliegenden Fall ist der ursprüngliche Vorrang zugunsten der auf dem Standort der WEA 7 genehmigten Anlage bereits dadurch entfallen, dass dort nunmehr eine andere, wesentlich geänderte Anlage geplant und genehmigt worden ist.
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Für die Frage, wann eine wesentliche, die ursprüngliche Vorrangstellung vernichtende Anlagenänderung vorliegt, kann auf § 16 BImSchG abgestellt werden. Denn die Notwendigkeit einer neuen präventiven Prüfung markiert ähnlich wie die erstmalige Vorlage prüffähiger Unterlagen den für die Reihung konkurrierender Vorhaben maßgebenden Zeitpunkt. Mit der wesentlichen Änderung der zunächst eingereichten Unterlagen entfällt die Rechtfertigung einer Vorrangstellung gegenüber einem ursprünglich später eingereichten, dann aber unverändert gebliebenen Vorhaben (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 495).
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Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegt eine wesentliche – und damit genehmigungs- und nicht bloß nach § 15 BImSchG anzeigepflichtige – Änderung vor, wenn durch die Änderung (der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs) der Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist eine Genehmigung nur dann nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen sichergestellt ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Genehmigungsverfahren immer bereits dann notwendig, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können; die bloße Möglichkeit solcher Auswirkungen reicht somit aus (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 16 BImSchG, Rn. 34).
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Derart wesentliche Auswirkungen sind regelmäßig bei Verschiebungen des Standorts und der Änderung des Anlagentyps von Windenergieanlagen zu erwarten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 45; OVG NRW, Beschluss vom 25.Februar 2015 -8 A 959/10-, BauR 2015, 1138 und juris Rn. 113 [Ersetzung einer Windenergieanlage Typ Enercon E 66/18.70 durch eine E-70 E4 - 2,0 MW, RD 71m – als Neuerrichtung]). Denn in diesen Fällen sind insbesondere die zu erwartenden Turbulenzeffekte einer erneuten Prüfung zu unterziehen (vgl. ThürOVG, ebenda). Eine solche Prüfung ist hier von dem Beklagten auch veranlasst worden, wenn auch nicht vor Erteilung der Änderungs-Baugenehmigung vom 20. April 2012, so doch nach Eingang des Widerspruchs der Klägerin und im Anschluss an die daraufhin verfügte Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. In der Aufforderung an die Beigeladene vom 10. Dezember 2012 (Bl. 31 der Behördenakte) zur Beibringung eines Gutachtens über die Auswirkungen des neuen Anlagentyps E-70 E4 weist die Behörde darauf hin, dass sich zwar wegen der scheinbar geringen Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Anlagentyp möglicherweise keine zusätzlichen Anforderungen ergäben, dies jedoch nicht offensichtlich feststehe, so dass auf die Einholung eines Gutachtens nicht verzichtet werden könne. Damit bestätigt der Beklagte letztlich, dass hier die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 BImSchG, nämlich die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen vorgelegen haben. Unterstützt wird diese Annahme durch die Stellungnahme der F. vom 16. Mai 2014 (nochmals vorgelegt als K 21 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 6. Juni 2016, Bl. 137 f der Gerichtsakte). Danach unterscheiden sich die Schubbeiwerte der WEA ENERCON E-66/20.70 und E-70 E4 (R071m) – wegen des veränderten Profils der Rotorblätter – deutlich. Diese Einschätzung wird durch die ergänzende Stellungnahme der F. vom 27. Juli 2016 (Anlage K 22 zum Schriftsatz der Kläger-Bevollmächtigten vom 26. Juli 2016, Bl. 197 ff der Gerichtsakte) bestätigt. Danach erbringe die neue Anlage eine höhere Windausbeute (Mehrertrag von 12,5 %), was auch zu einem veränderten Verlauf der Strömung im Nachlauf der Anlage führen müsse (vgl. S. 3 f der Stellungnahme vom 22. Juli 2016). Dass sich der Umfang der Rücksichtnahmepflichten aufgrund der neuerlichen Untersuchung durch den TÜV Nord nur relativ geringfügig erweitert (Windgeschwindigkeitsspanne von 4-14 m/s statt 6-14 m/s; Abschalt- bzw. Abregelungssektor bei 327,1 ° bzw. 147,1° jeweils +/- 32,7° statt 328° bzw. 148° jeweils +/- 27°) und diese Veränderungen nach dessen Mitteilung im Wesentlichen auf dem neuen Rechenmodell und nur zu einem geringeren Teil auf der Anlagenänderung beruhen (vgl. Stellungnahmen TÜV Nord vom 13. und 14. April 2016, Bl. 159 f der Gerichtsakte), ändert – ebenso wie die Behauptung des Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, dass sich die Nachlaufturbulenzen durch die neue Anlage tatsächlich reduziert hätten – nichts daran, dass aufgrund des Austauschs des Anlagentyps die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen im Raum stand und deshalb die Durchführung eines erneuten (Änderungs-) Genehmigungsverfahrens notwendig war.
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Würde eine solche Anlagenänderung noch vor Bescheidung konkurrierender Genehmigungsanträge erfolgen, wäre es aus den oben dargelegten Gründen nicht sachgerecht, das ursprünglich als zweites projektierte Vorhaben weiterhin an dem Nachrang gegenüber dem ursprünglich ersten Vorhaben festzuhalten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217). Nichts anderes kann dann gelten, wenn die Konfliktbewältigung nicht durch gänzlichen Verzicht eines der beiden Vorhabenträger auf Realisierung seines Projekts, sondern durch Reduzierung des Anlagenbetriebs mittels Abschalt- bzw. Abregelungspflichten erreicht werden soll. Zwar steht es jedem Bauherrn frei, sein Vorhaben nach Einreichung eines ursprünglichen Antrags zu ändern und es in dieser geänderten Form zur Genehmigung zu stellen. Er muss dann allerdings auch die Konsequenz tragen, dass er im Verhältnis zu dem Konkurrenten, der keine Änderung an seinem Vorhaben vorgenommen hat, dann als nachrangig zu bewerten ist (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42). Darüber hinaus musste der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch spätestens nach Erlass der zu Lasten der Klägerin ergangenen ergänzenden Auflage vom 18. Juli 2008 klar sein, dass sich ihre Vorrangstellung nur auf die Genehmigung der Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-66/20.70 bezog und sie Rücksichtnahmepflichten der Klägerin nur bei der Realisierung dieses Anlagentyps erwarten durfte.
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c) Hinzu kommt, dass das Vertrauen der Beigeladenen in den Bestand ihrer ursprünglichen Vorrangstellung aufgrund Ablaufs der Geltungsdauer der ihr zunächst erteilten Genehmigungen nicht mehr schutzwürdig ist.
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Während die Klägerin ihre mit Bescheid vom 28. September 2004 genehmigte Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E4 zügig im Folgejahr errichtet hatte, ist auf dem Standort der WEA 7 mit der Verwirklichung des Vorhabens erst im Anschluss an die Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012 für den Anlagentyp Enercon E-70 E4 begonnen worden. Zwar genoss das Vorhaben der WEA 7 zunächst Vorrang, weil für diesen Standort am 23. September 2002 ein positiver Bauvorbescheid (allerdings für eine – größer dimensionierte – WEA Nordex N 90; vgl. zur Vorrangwirkung auch eines bloßen Vorbescheids: OVG RP, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 A 10676/14.OVG –, BauR 2015, 1151 und juris, Rn. 25) und schließlich am 20. Juli 2004 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-66/20.70 erteilt worden war. Wegen dieses Vorrangs hätte die Genehmigung der Anlage der Klägerin (letztlich durch die Tekturgenehmigung vom 28. September 2004) bereits von Beginn an nur unter der Auflage entsprechender Rücksichtnahmepflichten ergehen dürfen. Der Beklagte hat dies, nachdem er die Problematik der Turbulenzeffekte zunächst verkannt hatte, durch die ergänzende Auflage gegenüber der Klägerin vom 18. Juli 2008 nachgeholt.
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(1) Indes konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin einen Vorrang der WEA 7 nur für das vorrangig genehmigte Vorhaben und nur für die Dauer der Wirksamkeit der Baugenehmigung beanspruchen. Denn das durch die Baugenehmigung erworbene Baurecht, die genehmigte Anlage ungeachtet von Veränderungen der Sach- und Rechtslage so wie genehmigt errichten zu dürfen, gilt nur für die Dauer der Gültigkeit der Baugenehmigung. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 LBauO erlischt eine Baugenehmigung, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer Zustellung mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen wurde. Diese Frist kann zwar nach § 74 Abs. 2 Satz 1 LBauO verlängert werden. Ein solches Verlängerungsverfahren führt jedoch nur zu einer verfahrensmäßigen Erleichterung (etwa durch den Verzicht auf Vorlage neuer Bauunterlagen); in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Verlängerungsantrag wie ein Neuantrag zu behandeln (vgl. Jeromin, LBauO, 4. Aufl. 2016, § 74, Rn. 16 bis 18). Ist das innerhalb der Geltung der Ursprungsgenehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren aber an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, so spricht der Grundsatz der Priorität und der Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens dafür, das nunmehr zur Verlängerung anstehende Vorhaben als gegenüber der bereits vorhandenen Windenergieanlage nachrangig zu werten.
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(2) Diese Erwägungen gelten gleichermaßen auch in Anwendung der Vorschriften zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Die hier zunächst auf der Grundlage der Landesbauordnung genehmigten Windenergieanlagen unterfielen nämlich ab 1. Juli 2005 dem Regime des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beigeladene mit dem Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 nur im Besitz einer bis 20. Juli 2012 geltenden Genehmigung war. Auch bei dem Begehren auf bloße Verlängerung ihres ursprünglichen Vorhabens - statt dessen wesentlicher Änderung, wie hier - hätte die Beigeladene daher im Jahr 2012 den Nachrang gegenüber der bereits vorhandenen Anlage der Klägerin akzeptieren müssen.
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Nach § 67 Abs. 9 Satz 1 LBauO gelten Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m – wie hier –, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, ab diesem Zeitpunkt als Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die von dem Beklagten für die Fortgeltung des Baurechtsregimes in Anspruch genommene Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 15. September 2005 – 8 B 1074/05 –, NVwZ-RR 2006, 173) betrifft nur die Fortgeltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung nach § 212a BauGB. Im Übrigen ist die ursprüngliche Baugenehmigung hingegen allein nach dem Regime des BImSchG zu beurteilen. Dies bedeutet, dass die ab 1. Juli 2005 als immissionsschutzrechtliche Genehmigung geltende ursprüngliche Baugenehmigung allein nach den Voraussetzungen des § 18 BImSchG erlischt, die Erlöschungsregelung nach dem Bauordnungsrecht damit entfällt (vgl. VGH BW, Urteil vom 4. August 2011 – 3 S 2439/09 –, NuR 2012, 277 und juris, Rn. 28; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 67 Rn. 43). Nach § 18 BImSchG gilt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zwar grundsätzlich zeitlich unbefristet; die Genehmigungsbehörde (hier ebenfalls die Kreisverwaltung, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ImSchZuVO i.V.m. Anlage Nr. 1.1.1 Ziff. 4) ist jedoch nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berechtigt, die Geltungsdauer auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu beschränken (vgl. VGH BW, ebenda). Dies ist hier – der Sache nach, wenn auch in Anwendung von Bauordnungsrecht – durch den Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 geschehen. Darin heißt es:
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„Aufgrund Ihres Antrags vom 1. April 2008 wird hiermit die Baugenehmigung vom 20. Juli 2004 … um vier Jahre verlängert. Die Baugenehmigung gilt jetzt somit bis 20.07.2012.“
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Aufgrund dieser Genehmigungslage konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin nur darauf vertrauen, die ihr genehmigte Anlage bis Juli 2012 mit entsprechendem Vorrang hinsichtlich der Bewältigung der durch die Turbulenzeffekte der benachbarten Anlagen hervorgerufenen Konflikte verwirklichen zu können. Zwar hätte sie auch nach dem Regime des BImSchG die Möglichkeit gehabt, eine Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung zu beantragen. Nach § 18 Abs. 3 BImSchG kommt eine solche Verlängerung jedoch nur aus wichtigem Grunde in Betracht, wenn hierdurch der Zweck des Gesetzes nicht gefährdet wird. Dies verlangt die Beurteilung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen auch aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung im Einwirkungsbereich der Anlage und der sich hiernach zu beurteilenden Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft noch gegeben sind (vgl. Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, a.a.O., § 18 BImSchG, Rn. 31). Ist also auch nach Immissionsschutzrecht das innerhalb der Geltung einer Genehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, ist es sachgerecht, dass es sich im Rahmen der Bewältigung des Abstandskonflikts gegenüber einem bislang zurückstehenden Zweitvorhaben nunmehr als nachrangig behandeln lassen muss.
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d) Werden die von dem Beklagten für die Inanspruchnahme der Klägerin angestellten Erwägungen zur Bewältigung des Abstandskonflikts zwischen der WEA 2 und der WEA 7 den Anforderungen an eine sachgerechte Verteilung der damit verbundenen Lasten nicht hinreichend gerecht, so ist die mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung – ebenso wie der darauf beruhende Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 – aufzuheben. Damit findet der von dem Beklagten bereits in dem Genehmigungsbescheid an die Beigeladene vom 31. Mai 2013 aufgenommene Vorbehalt Anwendung, dass ihr gegenüber auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° Rücksichtnahmepflichten auferlegt werden müssen, falls die Klägerin aus rechtlichen Gründen von einer Abschaltverpflichtung frei wird (vgl. S. 2 und 3 des Bescheids, Bl. 144 der Behördenakte).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
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Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil das Verfahren Gelegenheit gibt, die bei der Konkurrenz unverträglicher Windenergieanlagen aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere nach der sachgerechten Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung, höchstrichterlich zu klären.
Beschluss
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.