Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2017:0601.4K1068.16.00
01.06.2017

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

2

Die Klägerin ist ein in der Windenergiebranche tätiges Unternehmen und betreibt seit dem 29. Dezember 2010 außerhalb der bebauten Ortslage von A-Dorf auf dem „….“ in einer im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land ausgewiesenen Konzentrationszone für die Nutzung von Windkraft auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … eine Windenergieanlage (im Folgenden WEA) des Typs ENERCON E-82 E2. In der Konzentrationszone sind bereits WEA anderer Betreiber am Netz.

3

Die Beigeladene ist ebenfalls ein Windenergieunternehmen. Auf ihren Antrag vom 29. September 2015 erteilte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 12. Mai 2016 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer WEA vom Typ ENERCON E-92 mit einer Nennleistung von 2.350 kW und einer Gesamthöhe von 184,38 Metern auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nr. …. in der Gemarkung A-Dorf. Der Abstand zwischen der bestehenden Anlage der Klägerin und der genehmigten WEA der Beigeladenen beträgt ca. 240 m.

4

Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Mai 2016 war u.a. das Gutachten der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 zur Turbulenzbelastung am Standort B-Dorf/A-Dorf.

5

Am 6. Juni 2016 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Mai 2016 mit der Begründung, ihre eigene WEA sei nach Bau und Inbetriebnahme der genehmigten Anlage in ihrer Standfestigkeit gefährdet. Hierdurch werde deren Dauerhaltbarkeit aufgrund stärkerer Turbulenzintensität beeinträchtigt. Dies ergebe sich aus einer gutachterlichen Stellungnahme der Firma Ingenieurbüro H vom 19. September 2016 sowie aus der dieser Stellungnahme zu Grunde liegenden gutachterlichen Untersuchung der Firma A vom 15. September 2016. Dieses Gutachten zeige auf, dass sich die Lebensdauer ihrer WEA von 34 auf 32,75 Jahre vermindere. Dies bedeute eine unzulässige Einschränkung der Nutzbarkeit ihrer Anlage. Das Gutachten weise weiterhin nach, dass bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s die infolge der Errichtung der neuen WEA bei ihrer eigenen WEA entstehenden Belastungen jenseits der technischen Auslegung ihrer WEA lägen. Die sich hieraus ergebenden Risiken habe der Beklagte nicht berücksichtigt. Auch wenn die reguläre Förderungsdauer nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz lediglich 20 Jahre betrage, habe sie, die Klägerin, das berechtigte Interesse, ihre Anlage auch nach Ablauf dieser Zeit weiter zu betreiben oder sie als gebrauchte Anlage zu verkaufen oder sonst wieder in Betrieb zu nehmen. Durch die Errichtung der neuen Anlage entstünden Turbulenzen, welche oberhalb dessen lägen, was der Anlagenhersteller Enercon für ihre WEA als technische Auslegung berechnet und konstruktiv berücksichtigt habe. Die vorherrschend häufig schwächeren Windverhältnisse seien zwar in der Lage, die statische Überlastung ihrer WEA bei den genannten Windgeschwindigkeiten zu kompensieren. Wenn sich die Windverhältnisse gegenüber den heutigen statistischen Auswertungen für Deutschland änderten, nähme zwingend die statische Belastung ihrer WEA zu. Es sei daher nicht auszuschließen, dass auch bei geringfügig erhöhten regelmäßigen Windgeschwindigkeiten die statische Belastbarkeit ihrer Anlage ganz erheblich beeinträchtigt werde. Daher müsse die der Beigeladenen erteilte Genehmigung hilfsweise mit einem Auflagenvorbehalt versehen werden, die es dem Beklagten ermögliche, im Falle steigender Windgeschwindigkeiten anzuordnen, dass deren Anlage ab einer Windgeschwindigkeit zwischen 7,5 m/s und 12 m/s abgeschaltet oder entsprechend gedrosselt werde.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2016 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, der Einwand der Klägerin, durch die neue Anlage vermindere sich die Lebensdauer ihrer eigenen WEA von 34 auf 32,75 Jahre, sei unbeachtlich. Die Klägerin habe lediglich einen Anspruch darauf, dass die Lebensdauer ihrer WEA für einen Zeitraum von 20 Jahren gewährleistet sei. Nicht nur die Dauer der Förderung regenerativer Energien spreche für diesen Zeitraum, sondern auch die Tatsache, dass die Weiternutzung der WEA erst nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens denkbar sei. Wie dieses Verwaltungsverfahren in 20 Jahren ausgehe, könne aus heutiger Sicht nicht vorhergesagt werden. So könnten sich die rechtlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Windenergienutzung nach einem Zeitraum von 20 Jahren so geändert haben, dass eine Weiternutzung der WEA auch aus anderen Gründen nicht in Betracht komme.

7

Zu berücksichtigen sei ferner, dass die WEA der Klägerin nicht singulär in der Landschaft stehe, sondern sich in einer ausgewiesenen Konzentrationszone für die Nutzung von Windkraft befinde. In einem solchen Gebiet müsse jeder Windkraftbetreiber damit rechnen, dass weitere WEA gebaut würden. Jede weitere WEA wirke sich für sich allein und im Zusammenspiel mit den anderen bereits vorhandenen auf die jeweilige WEA aus. Hätte ein Windkraftanlagenbetreiber ein Anspruch darauf, dass eine weit über 20 Jahren liegende Lebensdauer seiner Anlage nicht durch weitere Anlagen auch nur geringfügig reduziert werden dürfe, so ginge letztlich der Zweck einer Konzentrationszone für Windkraft verloren. Zwar könne sich ein Windkraftanlagenbetreiber grundsätzlich gegen die Errichtung einer neuen WEA wehren, wenn die später errichtete WEA die Standsicherheit der bestehenden WEA beeinträchtige. Voraussetzung sei aber, dass die Standsicherheit tatsächlich beeinträchtigt werde. Dies sei hier aber nicht der Fall.

8

Die Klägerin hat am 29. November 2016 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Vorbringen im Vorverfahren vor, die Beigeladene sei aufgrund der ihr erteilten Genehmigung berechtigt, eine neue WEA in sehr großer räumlicher Nähe zu der WEA der Klägerin zu errichten. Dies habe abhängig von der jeweiligen Windrichtung und Windstärke zur Folge, dass die WEA der Klägerin eine erheblich geringere Stromproduktion habe. Ferner werde die WEA der Klägerin durch die Turbulenzen, die von der WEA der Beigeladenen ausgingen, so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass die Haltbarkeit der WEA der Klägerin beeinträchtigt werde.

9

Durch die Positionierung der WEA der Beigeladenen werde ihre eigene WEA, jeweils abhängig von der Windrichtung, in den Windschatten gestellt. Dies führe zu erheblichen Ertragseinbußen bei ihrer WEA. Diese beliefen sich unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Windverhältnisse und statistisch vorherrschenden Windrichtungen auf 7,6% der Gesamt-Jahresproduktion. Dies führe zu einem Jahresverlust in Höhe von mindestens 36.989,96 €.

10

Die Klägerin beantragt,

11

die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Dürkheim vom 2. November 2016 aufzuheben;

12

hilfsweise

13

den Beklagten zu verpflichten, die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 mit einer Nebenbestimmung zu versehen, wonach die Beigeladene verpflichtet wird, an die Klägerin Kompensationszahlungen in der Höhe zu leisten, wie sie dem Ertragsverlust der WEA der Klägerin entspricht, der aufgrund der Errichtung und des Betriebes der WEA der Beigeladenen bei der WEA der Klägerin entsteht,

14

weiter hilfsweise

15

den Beklagten zu verpflichten, in die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 eine Nebenbestimmung aufzunehmen, wonach der Beigeladenen der Betrieb ihrer WEA bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12m/s untersagt wird, sofern dabei die WEA der Beigeladenen aus Richtung des Windes gesehen vor der WEA der Klägerin steht.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er führt aus, aufgrund des von der Beigeladenen mit den Antragsunterlagen eingereichten Gutachtens zur Turbulenzbelastung am Standort B-Dorf/A-Dorf der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme dieses Büros vom 4. April 2016 habe er, der Beklagte, eine statische Gefährdung der Nachbaranlage durch Nachlaufturbulenzen etc. für nicht gegeben gehalten. Vielmehr komme der Sachverständige ausdrücklich zu der Feststellung, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin gegeben sei und die in der Typenprüfung zugrunde gelegte technische Lebensdauer von 20 Jahren nicht beeinträchtigt werde. Anhaltspunkte, die Feststellungen der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, hätten keine bestanden. Die von dem Sachverständigen H ermittelte Reduktion der Gesamtnutzungsdauer von 34 auf 32,75 Jahren bei den Blattverschraubungen und von 46,4 auf 41 Jahre bei den Rotorblättern sei offensichtlich zu vernachlässigen. Auf den „Rest“ der Anlage der Klägerin habe der Zubau der Anlage der Beigeladenen keine Auswirkungen.

19

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

20

Sie gibt an, alle Anforderungen genehmigungsrechtlich erfüllt zu haben.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2017.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist sowohl mit dem Hauptantrag (1.) als auch mit den Hilfsanträgen (2.) unbegründet.

23

1. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Dürkheim vom 2. November 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

24

Weder verstößt die genannte Genehmigung gegen die immissionsschutzrechtliche Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – (1.1.) noch gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (1.2.) noch gegen die bauordnungsrechtliche Bestimmung des § 13 Landesbauordnung – LBauO – (1.3.).

25

1.1. Eine Verletzung der drittschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG kann die Kammer nicht feststellen.

26

Bei der Anlage der Beigeladenen handelt es sich um eine WEA mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m, für die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m §§ 1, 2 der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung – BImSchV – und Nr. 1.6.2 des Anhangs zur 4. BImSchV ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach §§ 4 ff., 19 BImSchG durchzuführen ist. Sie hat damit u. a. die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gestellten Anforderungen zu erfüllen, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Drittschützend sind für die Nachbarschaft, zu der auch die WEA der Klägerin gehört, in diesem Zusammenhang die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mit ihren Konkretisierungen (Jarass, BImSchG, 11. Auflage 2015, § 5 Rn. 133).

27

Die Kammer gelangt zu der Überzeugung, dass von der Anlage der Beigeladenen so, wie sie am 12. Mai 2016 genehmigt worden ist, keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstigen Gefahren oder erhebliche Nachteile für die WEA der Klägerin ausgehen.

28

Diese hat nicht schlüssig dargetan, dass sich durch das Hinzutreten der neuen WEA der Beigeladenen die Windverhältnisse so wesentlich verändern und zu einer weitaus höheren Turbulenzintensität führen werden, dass dies eine unzumutbare Beeinträchtigung ihrer eigenen WEA auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. zur Folge hätte. Zwar wirken die von den Rotoren der WEA der Beigeladenen erzeugten Turbulenzen auf die WEA der Klägerin ein und erhöhen die Belastungen, denen diese Anlage im Dauerbetrieb ausgesetzt ist. Bei dieser Einwirkung handelt es sich jedoch nicht um schädliche Umwelteinwirkungen nach der hierfür in § 3 Abs. 1 BImSchG gegebenen Definition, nämlich um Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen. Hiernach ist nicht jegliche Immission relevant, sondern es sind es nur solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer erheblich sind. Die Erheblichkeit wird in einer situationsbezogenen Abwägung mit dem Ziel des Ausgleichs widerstreitender Interessen festgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291; Schulte/Michalk in: Giesberts/Reinhardt, Beck-OK Umweltrecht, Stand November 2016, § 3 BImSchG Rn. 43). Dabei sind im Verhältnis benachbarter Grundstücke bzw. Anlagen zueinander grundsätzlich nur solche Immissionen erheblich, welche auch ein ziviles Abwehrrecht nach § 906 Abs. 1 Bürgerliches GesetzbuchBGB – begründen (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996 – 4 B 50/96 –, NVwZ 1996, 1001; Jarass, a.a.O., § 3 Rn. 48). Nach diesen Grundsätzen geht die Rechtsprechung (s. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 1064 und Beschluss vom 9. Juli 2003 – 7 B 949/03 –, BauR 2003, 1712; VG Neustadt, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 4 L 89/14.NW –, juris; VG Kassel, Urteil vom 19. März 2008 – 7 E 754/05 –, juris) davon aus, dass der Betreiber einer WEA nicht darauf vertrauen kann, dass er den bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt, sondern von vornherein damit rechnen muss, dass weitere WEA aufgestellt werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner Qualität verändern. Dies gilt vorliegend auch für den Standort des Windparks, in dem die WEA der Klägerin und der Beigeladenen stehen, da diese innerhalb einer im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land ausgewiesenen Konzentrationszone stehen. Wie unter Punkt 1.2. noch im Einzelnen dargelegt wird, gibt es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin durch die hinzutretende Anlage der Beigeladenen beeinträchtigt wird; „erhebliche“ Nachteile im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind unter diesem Gesichtspunkt daher nicht ersichtlich.

29

Soweit die Klägerin ferner moniert, durch die Positionierung der WEA der Beigeladenen werde ihre eigene WEA, jeweils abhängig von der Windrichtung, in den Windschatten gestellt, was erhebliche Ertragseinbußen zur Folge habe, führt dieser Einwand ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Das bloße Vorenthalten bzw. der Entzug von Wind, also der sog. Windabschattungseffekt, wie er etwa durch ein vorgelagertes Gebäude auf einem Nachbargrundstück als aerodynamisches Hindernis im Windkanal bewirkt werden kann, stellt schon keine schädliche Umwelteinwirkung dar. Unter Einwirkungen im Sinne des Gesetzes sind nur positive – physische oder chemische – Einwirkungen mittels unwägbarer, sinnlich wahrnehmbarer Stoffe auf die in der Vorschrift genannten Schutzgüter zu verstehen. Daran fehlt es jedoch bei einer sog. negativen Einwirkung wie dem Entzug von Licht, Luft oder – wie hier – Wind in Bezug auf das Grundstück der Klägerin als allein in Frage kommendes Schutzobjekt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2000 – 10 B 1831/99 –, BRS 63 Nr. 150; BGH, Urteil vom 22. Februar 1991 – V ZR 308/89 –, NJW 1991, 1671).

30

1.2. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme berufen. Da die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen und somit auch die Baugenehmigung einschließt (vgl. § 13 BImSchG), ist auch das Rücksichtnahmegebot zu prüfen. Dieses soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. In bestimmten (Ausnahme-)Fällen kommt ihm eine drittschützende Wirkung zu; es vermittelt Nachbarschutz, soweit in „qualifizierter und zugleich individualisierter“ Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, NJW 1978, 62). Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Soweit es um die Beurteilung der Zumutbarkeit von - hier behaupteten - Immissionen geht, wird die Unzumutbarkeit im Sinne des Rücksichtnahmegebotes durch den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG näher konkretisiert. Wie oben unter Punkt 1.1. bereits ausgeführt, gehen von der genehmigten WEA der Beigeladenen jedoch keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Grundstück Flurstück-Nr. 4769 aus.

31

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die von ihr geltend gemachten Ertragseinbußen berufen. Ob der Betrieb einer WEA aus ökonomischen Gründen Erfolg verspricht, ist keine Frage baurechtlicher Zulässigkeit. Das öffentliche Baurecht reguliert nicht, ob ein Vorhaben bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sinnvoll ist. Derartige Entscheidungen überlässt es grundsätzlich dem Eigentümer, der sein Grundstück verwerten will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 1996 – 4 B 306.95 –, BRS 58 Nr. 91; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2000 – 10 B 1831/99 –, BRS 63 Nr. 150).

32

Wie ausgeführt, kann der Betreiber einer WEA nicht darauf vertrauen, dass er den bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt. Mit der Erteilung einer Genehmigung für eine WEA zumal in einem Windpark geht nicht gleichsam ein öffentlich-rechtliches Schutzversprechen einher, die genehmigte Nutzung werde nicht durch die Zulassung anderer an sich ebenfalls zulässiger Nutzungen in ihrer Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt werden. Der Betreiber einer WEA in einem Windpark muss daher von vornherein damit rechnen, dass weitere WEA aufgestellt werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner Qualität verändern, und dies Ertragseinbußen zur Folge haben kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215/96 –, NVwZ-RR 1997, 516).

33

1.3. Die Genehmigung vom 12. Mai 2016 verstößt auch nicht gegen die drittschützende Norm des § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO. Danach dürfen die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden. Diese Vorschrift ist hier zu prüfen, denn gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gehört es auch zu den Genehmigungsvoraussetzungen, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Hierzu zählen auch die Bestimmungen des Bauordnungsrechts.

34

Die Klägerin wendet diesbezüglich ein, dass die von der genehmigten WEA der Beigeladenen verursachten Turbulenzen aufgrund des zu geringen Abstandes zu ihrer benachbarten WEA derart stark auf diese Anlage einwirke, dass deren Standsicherheit gefährdet werde. Dafür gibt es jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte.

35

Grundsätzlich muss der Bauherr einer bestehenden baulichen Anlage gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 LBauO selbst für die dauerhafte Standsicherheit seiner Anlage einstehen. Allerdings kann er in gewissem Umfang auch darauf vertrauen, dass die für die Standsicherheit seiner bestehenden Anlage maßgeblichen Umstände nicht zu seinen Lasten mit der Folge verändert werden, dass beispielsweise ein „Nachrüsten“ seiner Anlage erforderlich wird, um deren Standsicherheit auch nach solchen Veränderungen weiterhin zu gewährleisten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 1064). Dem trägt § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO Rechnung. Derjenige, der eine neue bauliche Anlage errichtet, muss hier auch seinerseits darauf achten, dass er keine solchen Veränderungen der Standsicherheitsbedingungen bewirkt, die der Bauherr der bestehenden Anlage bei deren Errichtung und ordnungsgemäßer Unterhaltung nicht in Rechnung stellen muss. Es besteht folglich ein Spannungsverhältnis zwischen den Pflichten des Bauherrn bestehender baulicher Anlagen einerseits und hinzutretender baulicher Anlagen andererseits. Dies gilt auch in der hier vorliegenden Konstellation, in der sich mehrere Betreiber von WEA in einem Windpark ansiedeln.

36

Das Verbot, die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen zu gefährden, greift nicht erst ein, wenn eine – hier nicht erkennbare – Einsturzgefahr besteht. Zur Standsicherheit gehört vielmehr auch der Schutz vor geringeren Beeinträchtigungen durch Erschütterungen, Grundwasserveränderungen und dergleichen (VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 10. September 2008 – 5 L 127/08 –, juris m.w.N.). Das erfasst auch Einwirkungen durch Luftturbulenzen. Wird etwa eine WEA in Windrichtung vor einer bereits bestehenden WEA errichtet, kann sie durch Erhöhung der Turbulenzintensität einen schnelleren Verschleiß von Anlagenteilen der nachgesetzten Anlage bewirken und damit auf Dauer deren Standsicherheit beeinträchtigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris und Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2000 – 10 B 1831/99 –, BRS 63 Nr. 150).

37

Welche Maßstäbe konkret anzuwenden sind, um eine dem Windkraftbetreiber nicht mehr zuzurechnende Gefährdung der Standsicherheit seiner eigenen Anlage zu begründen, wird wesentlich dadurch beeinflusst, welche Veränderungen der Windverhältnisse er schon beim Bau einer solchen Anlage in Rechnung stellen musste. So kann der Betreiber einer in einem Windpark anzusiedelnden WEA – wie bereits unter 1.1. ausgeführt – nicht darauf vertrauen, dass er den bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt. Er muss sich vielmehr von vornherein darauf einstellen, dass ihm durch die Aufstellung weiterer WEA nicht nur Wind genommen, sondern dieser auch in seiner Qualität verändert wird. Hiervon ausgehend ist für die konkrete Abgrenzung der Risikobereiche insbesondere von Bedeutung, mit welchen Abständen von „Konkurrenzanlagen“ die Betreiber von WEA in einem Windpark üblicherweise rechnen können und müssen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 1064).

38

Im Allgemeinen wird, um Gefahren für die Standsicherheit auszuschließen, die Einhaltung einer Distanz der fünffachen Länge des Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung für ausreichend erachtet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 164 und Beschluss vom 9. Juli 2003 – 7 B 949/03 –, juris). Demgegenüber ist davon auszugehen, dass bei Abständen von weniger als fünf Rotordurchmessern in Hauptwindrichtung Auswirkungen auf die Standsicherheit der Anlage zu erwarten sind und dass ein Abstand von weniger als drei Rotordurchmessern – bezogen auf den jeweils größeren Durchmesser der benachbarten Anlagen – im Hinblick auf die Standsicherheit grundsätzlich nicht zuzulassen ist (vgl. VG Aachen, Beschluss vom 2. März 2015 – 6 L 27/15 –, juris; VG Neustadt, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 4 L 89/14.NW –, juris; Rolshoven, NVwZ 2006, 516, 518). Allerdings sind Planungsabstände von weniger als drei Rotordurchmessern nicht von vornherein ausgeschlossen. Maßgebend ist alleine, ob es durch die von der hinzukommende Anlage verursachten Windturbulenzen zu solchen Gefährdungen der Standsicherheit benachbarter Anlagen kommen kann, die nicht der bestehenden, sondern der hinzukommenden Anlage zuzurechnen sind. Dies ist der Fall, wenn durch den Betrieb der angrenzend geplanten Anlage die Lebensdauer der bestehenden Anlage erheblich vermindert wird oder über den Regelfall weit hinausgehende Sicherungs- und Wartungsmaßnahmen zu erwarten sind (Rolshoven, NVwZ 2006, 516, 518 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

39

Daraus folgt für die Genehmigungspraxis, dass bei einem Abstand von weniger als fünf Rotordurchmessern (in Hauptwindrichtung) der Antragsteller der hinzukommenden Anlage mittels eines Gutachtens nachweisen muss, dass die Standsicherheit – insbesondere auch bereits vorhandener Anlagen – nicht beeinträchtigt wird. Dies entspricht auch der Richtlinie für Windenergieanlagen – Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung – des Deutschen Instituts für Bautechnik Berlin (abrufbar in der Fassung vom Oktober 2012 unter https://www.dibt.de/en/Departments/data/Aktuelles_Ref_I_1_ Richtlinie_Windenergieanlagen_Okt_2012.pdf) – im Folgenden DIBt-Richtlinie –, die vom rheinland-pfälzischen Ministerium der Finanzen als oberste Bauaufsichtsbehörde durch Verwaltungsvorschrift vom 15. Mai 2012 (MinBl. 2012, Seite 310) nach § 3 Abs. 3 LBauO als technische Baubestimmung eingeführt und mit Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2015 (MinBl. 2015, 154) zuletzt aktualisiert worden ist (derzeit Nr. 2.7.9 der Liste der Technischen Baubestimmungen nebst Anlagen 2.4/7 und 2.7/12) und als solche gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 LBauO zu beachten ist (s. auch Seite 23 der Hinweise für die Beurteilung der Zulässigkeit der Errichtung von Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz in dem Gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz vom 28. Mai 2013).

40

Hiervon ausgehend hat die Beigeladene ausreichend nachgewiesen, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin durch das Hinzutreten der WEA der Beigeladenen nicht gefährdet wird. Die auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … genehmigte Anlage wurde in einem Abstand von ca. 240 m – die genauen Standortkoordinaten ergeben sich aus der Nr. 1.1 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Mai 2016 – zu der Anlage der Beigeladenen errichtet. Da die beiden Anlagen nicht in Hauptwindrichtung zueinander stehen – Hauptwindrichtung in diesem Gebiet ist Südsüdwest, während die WEA der Klägerin nordöstlich der Anlage der Beigeladenen auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … steht – und die neu genehmigte Anlage der Beigeladenen vom Typ ENERCON E-92 auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. einen Rotordurchmesser von 92 m hat, ist ein Abstand von weniger als dem dreifachen Rotordurchmesser (2,61) gegeben. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass die Nachweispflicht für die Standsicherheit der Anlage der Klägerin der Beigeladenen obliegt. Diese hat jedoch mit der Vorlage des Gutachtens der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 zur Turbulenzbelastung am Standort B-Dorf/A-Dorf sowie deren ergänzender Stellungnahme vom 4. April 2016 nachgewiesen, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin auch beim Betrieb der WEA der Beigeladenen gewährleistet ist.

41

Die F GmbH & Co. KG hat in dem genannten Gutachten auf der Basis einer Betriebsdauer von 20 Jahren und unter Anwendung der DIBt-Richtlinie die Standfestigkeit der betroffenen WEA geprüft. Der Vergleich der ermittelten effektiven Turbulenzintensitäten mit den Auslegungswerten habe für die zu betrachtenden WEA das Ergebnis ergeben, dass die effektiven Turbulenzintensitäten der WEA der Klägerin und der Beigeladenen oberhalb der entsprechenden Auslegungswerte lägen. Mit den maximalen effektiven Turbulenzintensitäten an den WEA 1 (Beigeladene), 3 (Klägerin), 4 und 6 und auf Grundlage der Winddaten seien standortspezifische, detaillierte Lastrechnungen durchgeführt worden. Die mit der erhöhten Turbulenzintensität ermittelten Betriebslastkollektive für Blattanschluss-, Naben-, Turmfuß- und Turmkopfsystem sowie die gewichteten Mittelwerte für Blattanschluss-und Turmfußkollektive seien dahingehend geprüft worden, ob u.a. die Standsicherheit der WEA der Klägerin und der Beigeladenen gegeben sei. Die Überprüfung habe keine Gefährdung der Standsicherheit der WEA der Klägerin und der Beigeladenen hinsichtlich des Einflusses benachbarter WEA durch den Vergleich der Auslegungslasten ergeben.

42

Die Kammer sieht keine Veranlassung, in Bezug auf die Frage der Standsicherheit der betroffenen WEA an der Schlüssigkeit des Gutachtens der F GmbH & Co. KG vom 12. März 2014 zu zweifeln. Die Klägerin hat zwar eine gutachterliche Stellungnahme der Firma Ingenieurbüro H vom 19. September 2016 sowie eine dieser Stellungnahme zu Grunde liegende gutachterliche Untersuchung der Firma A vom 15. September 2016 vorgelegt. In beiden Gutachten wird aber gerade nicht behauptet, dass die Standsicherheit der WEA der Klägerin durch den Zubau der WEA der Beigeladenen gefährdet sei. Beide Gutachten kommen lediglich zu dem Schluss, dass sich die Lebensdauer der WEA der Klägerin infolge der hinzukommenden WEA der Beigeladenen in Bezug auf die Blattverschraubungen von 34 auf 32,75 Jahre vermindere. Von einer Gefährdung der Standsicherheit im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO kann nach den obigen Ausführungen aber nur dann ausgegangen werden, wenn durch den Betrieb der angrenzenden WEA die Lebensdauer der bestehenden WEAerheblich vermindert wird oder über den Regelfall weit hinausgehende Sicherungs- und Wartungsmaßnahmen zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben.

43

Zwar ist der Einwand der Klägerin, die Gesamtnutzungsdauer ihrer WEA reduziere sich durch den Zubau der WEA der Beigeladenen von 34 auf 32,75 Jahre, nicht schon deshalb unbeachtlich, weil die Auslegung und Zertifizierung der WEA nur eine Entwurfslebensdauer von 20 Jahren abdeckt (vgl. DIBt-Richtlinie, Seite 24, Nr. 9.6.1). Die Klägerin ist im Besitz einer unbeschränkten bestandskräftigen Genehmigung für ihre WEA, so dass die Anforderungen an den Standsicherheitsnachweis ihrer Anlage zunächst dauerhaft erfüllt sind, ohne dass etwa die Anforderungen wegen der eingeschränkten Betriebsdauer abgesenkt wären. Die Frage, ob die Standsicherheit im Sinne des § 13 Abs. 1 LBauO der WEA der Klägerin nach Ablauf der Entwurfslebensdauer von 20 Betriebsjahren noch gegeben ist, ist gegenwärtig irrelevant; dies ist – wie vom Beklagten in Bezug auf die WEA der Beigeladenen in Nr. 1.4. der Nebenbestimmungen auch verfügt – erst bei Ablauf des kalkulierten Betriebszeitraums von der Bauaufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 85 Abs. 1 LBauO zu prüfen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16.OVG –, juris; vgl. auch VG Lüneburg, Urteil vom 26. April 2004 – 2 A 205/02 –, juris). Allerdings stellt die von der Firma Ingenieurbüro H in dem Gutachten vom 19. September 2016 angenommene Reduzierung der Gesamtnutzungsdauer der Blattverschraubungen an der WEA der Klägerin von 34 auf 32,75 Jahre sowie der Lebensdauer der Rotorblätter von 46,4 auf 41 Jahre ersichtlich keine erhebliche Verminderung der Nutzungsdauer der WEA dar.

44

Auch aus dem Umstand, dass die F GmbH & Co. KG in dem Gutachten von einer Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität ausgegangen ist, kann die Klägerin nicht herleiten, dass die Standsicherheit ihrer eigenen WEA in dem Sinn gefährdet ist, dass damit eine akute oder unter bestimmten, jederzeit potentiell eintretenden Betriebs- oder Umgebungsbedingungen bestehende Einsturzgefahr zu verstehen wäre (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 4. Februar 2015 – 22 ZB 14.2364 –, juris; VG Minden, Urteil vom 28. Oktober 2015 – 11 K 2054/14 –, juris). Vielmehr beziehen sich die sog. „Auslegungswerte“ nach der DIBt-Richtlinie auf eine bestimmte angenommene Lebensdauer der WEA, nämlich die mit mindestens 20 Jahren angenommene „Entwurfslebensdauer“ (s.o.); die DIBt-Richtlinie enthält auch Anforderungen bezüglich Inspektion und Wartung der Anlage, damit die Standsicherheit des Turms und der Gründung über die vorgesehene Entwurfslebensdauer sichergestellt wird (vgl. DIBt-Richtlinie, Seite 6 unten). Eine Turbulenzintensität oberhalb des Auslegungswerts einer WEA führt somit keineswegs zwangsläufig zur Einsturzgefahr, sondern verursacht unter Umständen nur einen vorzeitigen Verschleiß der maschinentechnischen Teile der Anlage und gegebenenfalls einen erhöhten Überwachungs- und Wartungsaufwand (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 4. Februar 2015 – 22 ZB 14.2364 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. Februar 2009 – OVG 11 S 53.08 –, juris), kann also zu einer kürzeren Lebensdauer der Anlage bzw. dazu führen, dass die Kontrolle von deren Standsicherheit zu einem früheren Zeitpunkt als gewöhnlich besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Die kürzere Lebensdauer der WEA der Klägerin haben die Firma Ingenieurbüro H und die Firma A zwar in Bezug auf die Blattverschraubungen bestätigt. Dies hat indessen, wie dargelegt, nicht die Gefährdung der Standsicherheit der WEA der Klägerin zur Folge.

45

2. Die beiden Hilfsanträge sind ebenfalls unbegründet.

46

2.1. Soweit die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 mit einer Nebenbestimmung zu versehen, wonach die Beigeladene verpflichtet wird, an die Klägerin Kompensationszahlungen in der Höhe zu leisten, wie sie dem Ertragsverlust der WEA der Klägerin entspricht, der aufgrund der Errichtung und des Betriebes der WEA der Beigeladenen bei der WEA der Klägerin entsteht, kann der Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin von vornherein keinen Anspruch auf Kompensationszahlungen hat. Zur Begründung kann auf die Ausführungen unter 1.2. verwiesen werden.

47

2.2. Daneben bleibt auch der Antrag, den Beklagten zu verpflichten, in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. Mai 2016 eine Nebenbestimmung aufzunehmen, wonach der Beigeladenen der Betrieb ihrer WEA bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s untersagt wird, sofern dabei die WEA der Beigeladenen aus Richtung des Windes gesehen vor der WEA der Klägerin steht, erfolglos.

48

Zwar hat der Beklagte bei der Abgrenzung der Verantwortung für die Bewältigung eines Konflikts durch den Betrieb zweier unverträglich naher WEA den für eine sachgerechte Lastenverteilung maßgebenden Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens zu beachten. Danach hat der Betreiber derjenigen Anlage die Verantwortung zur Konfliktbewältigung und die damit verbundenen Lasten zu tragen, der durch die Realisierung seines Projekts die letzte Ursache für die Entstehung des Konflikts setzt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris). Dies ist hier die Beigeladene, die für ihr im Jahr 2016 genehmigtes und errichtetes Vorhaben auf die bereits seit 2010 betriebene Anlage der Klägerin traf.

49

Der von der Klägerin vorgelegten gutachterlichen Untersuchung der Firma A vom 15. September 2016 kann jedoch nicht entnommen werden, dass bei den derzeitigen Windverhältnissen am Standort infolge des Hinzutretens der WEA der Beigeladenen bei gelegentlich auftretenden Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s die Standsicherheit der WEA der Klägerin gefährdet wird. Aus dem genannten Gutachten ergibt sich zwar, dass bei Windgeschwindigkeiten von 7,5 m/s bis 12 m/s die Turbulenzintensität, die die WEA der Klägerin infolge der Errichtung der neuen WEA der Beigeladenen erleidet, oberhalb dessen liegt, was der Anlagenhersteller ENERCON für die WEA des Typs E-82 als technische Auslegung berechnet und konstruktiv berücksichtigt hat. Jedoch hat der Kreisrechtsausschuss in seinem Widerspruchsbescheid vom 2. November 2016 zu Recht darauf hingewiesen, dass der untersuchte Anlagenstandort in einer Region liegt, die unterdurchschnittlich starke Windverhältnisse aufweist (s. dazu auch die Tabelle 5 in dem Gutachten der Firma A vom 15. September 2016). Daher kommt die Firma A zu dem Ergebnis, dass die vorherrschend häufig schwächeren Windverhältnisse die statische Überlastung der WEA der Klägerin bei Windgeschwindigkeiten zwischen 7,5 m/s und 12 m/s zu kompensieren in der Lage sind.

50

Für den Fall, dass sich die Windverhältnisse am Standort der Klägerin und der Beigeladenen zukünftig dergestalt ändern sollten, dass es infolge der durch die WEA der Beigeladenen im Nachlauf ausgelösten Turbulenzen zu konkreten Beeinträchtigungen der Standsicherheit der WEA der Klägerin kommt, sieht § 85 Abs. 1 LBauO die Möglichkeit vor, nachträgliche Anforderungen an die WEA der Beigeladenen zu stellen (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 – 8 A 10377/16 –, juris). § 85 LBauO stellt systematisch eine Art gesetzlichen Auflagenvorbehalt dar (Jeromin in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf. 4. Auflage 2016, § 85 Rn. 2). Dieser Auflagenvorbehalt kommt allerdings erst dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 85 Abs. 1 LBauO vorliegen, d.h. wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Dies ist derzeit aber, wie ausgeführt, nicht der Fall.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, waren ihre außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig zu erklären.

52

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

53

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 129.464,86 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigu

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 6 Genehmigungsvoraussetzungen


(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeit

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 4 Genehmigung


(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gef

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 906 Zuführung unwägbarer Stoffe


(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benu

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 13 Genehmigung und andere behördliche Entscheidungen


Die Genehmigung schließt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen mit Ausnahme von Planfeststellungen, Zulassungen bergrec

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 01. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 04. Feb. 2015 - 22 ZB 14.2364

bei uns veröffentlicht am 04.02.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt. Gründ

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 03. Aug. 2016 - 8 A 10377/16

bei uns veröffentlicht am 03.08.2016

Tenor Die Berufungen werden zurückgewiesen. Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen. Das

Verwaltungsgericht Minden Urteil, 28. Okt. 2015 - 11 K 2054/14

bei uns veröffentlicht am 28.10.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherhei

Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 02. März 2015 - 6 L 27/15

bei uns veröffentlicht am 02.03.2015

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt.     Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten    der  Beigeladenen. 2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,-- € festgesetzt. 1G r ü n d e: 2Der ge

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.

(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

Die Genehmigung schließt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen mit Ausnahme von Planfeststellungen, Zulassungen bergrechtlicher Betriebspläne, behördlichen Entscheidungen auf Grund atomrechtlicher Vorschriften und wasserrechtlichen Erlaubnissen und Bewilligungen nach § 8 in Verbindung mit § 10 des Wasserhaushaltsgesetzes.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn

1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.

(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber

1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird,
2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden,
3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und
4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.


Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer 2005 errichteten Windenergieanlage gegen eine ihr nachträglich im Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung ihrer Anlage bei Wind aus Südsüdost.

2

Die Klägerin betreibt in dem inzwischen aus neun Windenergieanlagen (im Folgenden WEA) bestehenden Windpark H. seit 2005 mehrere Anlagen, darunter auch die WEA 2 auf dem Flurstück Nr. …. Die Beigeladene ist die Rechtsnachfolgerin der T., die auf den nördlich des Flurstücks Nr. … gelegenen Flurstücken Nrn. … und … – ebenfalls im Windpark H. – eine Windenergieanlage betreibt (WEA 7). Die im Jahr 2013 errichtete WEA 7 befindet sich nordnordwestlich der WEA 2 in einem Abstand von weniger als 150 m.

3

Die Verfahren zur Genehmigung der beiden Anlagen (WEA 2: Typ Enercon E-70 E 4 [Nabenhöhe – NH – 98 m, Rotordurchmesser – RD – 70 m] und WEA 7: Typ Enercon E-70 E4 [2,3 MW Nennleistung, NH 85 m und RD 71 m) stellen sich im Überblick im Wesentlichen wie folgt dar:

Flurstück Nr. … (WEA 2)

Flurstücke Nrn. …, … (WEA 7)

                 
        

23. September 2002
positiver Bauvorbescheid an T. für WEA Nordex N 90
(2,5 MW, NH 100 m, RD 90 m)

                 

16. Januar 2003
Baugenehmigung für WEA Typ Vestas V 80 (2,0 MW, NH 100 m, RD 80 m)

        
                 
        

20. Juli 2004
Baugenehmigung an T. [auf Antrag vom 5. Mai 2004]
für WEA Typ Enercon E-66/20.70 (2,0 MW, NH 85 m, RD 70 m)

                 

6. September 2004
Tekturgenehmigung für WEA Typ GAMESA EOLICA G 80-2.0 MW
28. September 2004
Tekturgenehmigung für Anlagentyp Enercon E-70 E4 (NH 98 m, Gesamthöhe 134,5 m)
28. Oktober 2004
Änderungs-Baugenehmigung für die WEA E-70-E 4 (Gesamthöhe 134,5 m),
Standortverschiebung nach Osten um 79 m, neue Koordinaten HW …/RW …
29. April 2005
Fertigstellungsanzeige

        
                 
        

12. Juni 2008
Verlängerungsbescheid zur Baugenehmigung
vom 20. Juli 2004 bis 20. Juli 2012

                 

18. Juli 2008
Ergänzende Auflage zur Baugenehmigung für E-70 E4:
Abschaltverpflichtung bei Wind von 6 – 14 m/s
für die Sektoren 328° +/- 27° und 148° +/- 27° mit dem Zusatz:
„Die Auflage tritt nur dann in Kraft, soweit die mit Änderungsbaugenehmigung
vom 2. August 2004 genehmigte Windenergieanlage der Fa. T. vom Typ
Enercon E-66/20.70 … tatsächlich errichtet und in Betrieb genommen wird.“

        
                 
        

20. April 2012
Baugenehmigung an die T. für die Errichtung einer WEA Typ
Enercon E-70 E4– auf Antrag vom 29. Februar 2012 –
(2,3 MW, NH 85 m, RD 71 m)

        

15. November 2012
Baubeginnanzeige

                 

31. Mai 2013
Ergänzende Auflage:
Abschaltverpflichtung bei Wind aus SSO (147,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)

31. Mai 2013
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für
E-70 E4 mit der Auflage: Abschaltverpflichtung bei Wind aus NNW
(327,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)

                 
        

2013
Fertigstellung der Anlage

        

25. Februar 2014
Änderungsgenehmigung: bloß
Abregelungsverpflichtung bei Wind aus NNW

4

Die an die Klägerin adressierte ergänzende Auflage vom 18. Juli 2008 erging im Rahmen des Verfahrens des Widerspruchs der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gegen die der Klägerin erteilte Genehmigung vom 16. Januar 2003. Zur Begründung des Widerspruchs wurde ausgeführt, dass die später genehmigte Anlage der Klägerin den Mindestabstand unterschreite. Daraufhin gab der Beklagte im November 2006 der Klägerin auf, die Standsicherheit der der Fa. T. genehmigten Anlage E-66/20.70 auch bei Ausnutzung der der Klägerin genehmigten Anlage nachzuweisen. In der gutachterlichen Stellungnahme des TÜV Nord zur Turbulenzbelastung im Windpark H. vom Dezember 2007 heißt es auf S. 9 f:

5

„Die Standsicherheit der betroffenen WEA 2 und 7 kann in der geplanten Konfiguration durch Ausschluss des Betriebes in der Nachlaufströmung der verursachenden WEA gewährleistet werden. Dies kann durch das Abschalten der jeweils verursachenden WEA bei Auftreten der entsprechenden Nachlaufsituation erreicht werden.

6

Da die Lasten bei einer abgeschalteten WEA (Trudelbetrieb) auch in der erhöhten Turbulenz der Nachlaufströmung der Nachbar-WEA geringer sind als im Betrieb bei ungestörter Anströmung, kann alternativ die betroffene WEA selbst abgeschaltet werden.

7

Das Abschalten wird bei Windgeschwindigkeiten von 6 bis 14 m/s aus folgenden Windrichtungen erforderlich:

8

- WEA 7 oder WEA 2 bei Wind aus 328° +/- 27° (301° bis 355°) und

9

- WEA 2 oder WEA 7 bei Wind aus 148° +/- 27° (121° bis 175°)“.

10

Die hier streitgegenständliche Regelung vom 31. Mai 2013 erging im Rahmen des Verfahrens zum Widerspruch der Klägerin gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilten Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012. Zu dessen Begründung wurde ausgeführt: Die jetzt genehmigte Anlage E-70 E 4 weiche von der bisher genehmigten Anlage E-66/20.70 ab. Die der Klägerin gegenüber am 18. Juli 2008 ergänzend auferlegte Abschaltverpflichtung beziehe sich ausdrücklich nur auf die zuvor genehmigte Anlage E-66/20.70. Sie habe sich durch die Änderung des Anlagentyps auf Seiten der Fa. T. erledigt. Diese Neugenehmigung führe zu einer Beeinträchtigung des Betriebs ihrer eigenen Anlage. Es sei daher notwendig, der Fa. T. wegen des Nachrangs ihrer Genehmigung Abschaltverpflichtungen zum Schutz der WEA 2 aufzuerlegen.

11

Die Kreisverwaltung setzte daraufhin die Vollziehung der Baugenehmigung vom 20. April 2012 aus und forderte die Beigeladene auf, die Auswirkungen der genehmigten WEA 7 (E-70 E4) auf die WEA 2 und andere Folgewirkungen gutachterlich untersuchen zu lassen. Das vorgelegte Gutachten des TÜV Nord vom 21. Februar 2013 empfahl die Abschaltung der WEA 7 bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s sowohl für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° als auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7°, in letzterem Fall zum Selbstschutz der WEA 7. Auf Nachfrage der Kreisverwaltung teilte der TÜV Nord mit, dass alternativ zur Abschaltung der WEA 7 zur Gewährleistung der Standsicherheit beider Anlagen auch eine teilweise oder vollständige Abschaltung der WEA 2 möglich sei.

12

Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 hob die Kreisverwaltung die Baugenehmigung vom 20. April 2012 auf und erteilte der Beigeladenen als Rechtsnachfolgerin der Fa. T. nunmehr die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der WEA vom Typ Enercon E-70 E4 (NH 85 m, RD 71 m) und erlegte ihr eine Abschaltverpflichtung bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° (294° bis 359,8°) auf. Eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° wurde für den Fall vorbehalten, dass die Gefahr nicht durch die Inanspruchnahme von Dritten beseitigt werde.

13

Ebenfalls mit Bescheid vom 31. Mai 2013 wurde der Klägerin die hier angefochtene nachträgliche Auflage zur Baugenehmigung vom 16. Januar 2003 in der Fassung der Änderungsgenehmigungen dahingehend erteilt, dass sie ihre Anlage bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (114,4° bis 179,8°) abzuschalten habe. Zur Begründung führte die Behörde aus: Die der Klägerin mit Bescheid vom 18. Juli 2008 gemachte Auflage habe sich inzwischen erledigt, da diese von der Errichtung der der Fa. T. ursprünglich genehmigten Anlage Enercon E-66 abhängig gewesen sei. Dennoch bleibe es dabei, dass von der WEA 2 bei einem bestimmten Abschaltsektor eine Gefahr für die benachbarte WEA 7 ausgehe. Hinsichtlich der Bewältigung der Gefahrenlage sei der Grundsatz der Rücksichtnahme und der geeigneten Ursachenzumessung maßgeblich. Danach sei die Klägerin für die Auswirkungen bei Winden aus Südsüdost, die Beigeladene hingegen für die Auswirkungen der Winde aus Nordnordwest verantwortlich.

14

Für den Erlass des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2013 erhob die Klägerin mit Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 275,75 €.

15

Die Klägerin legte sowohl gegen die ergänzende Auflage zu der ihr erteilten Baugenehmigung als auch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung an die Beigeladene Widerspruch ein und wiederholte darin im Wesentlichen ihre Auffassung, dass nach Errichtung der der Beigeladenen genehmigten WEA Typ Enercon E-70 E4 allein die Beigeladene zur Bewältigung der Gefahrenlage durch entsprechende Abschaltverpflichtungen der WEA 7 verantwortlich sei.

16

Nachdem der TÜV Nord in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2013 festgestellt hatte, dass die Standsicherheit der WEA 2 in der Nachlaufströmung der WEA 7 statt durch Abschaltung der WEA 7 auch durch näher beschriebene Abregelungen (Pitchen) gewährleistet werden kann, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 25. Februar 2014 eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 wies der Kreisrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin dadurch, dass die Abschalt- bzw. Abregelungsanordnung gegenüber der Beigeladenen auf den Windsektor aus Nordnordwest (327,1° +/- 32,7°) beschränkt und ihr gegenüber eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (Südsüdost) auferlegt worden sei, nicht in ihren Rechten verletzt sei. Rechtsgrundlage für die nachträgliche Anordnung gegenüber der Klägerin sei § 85 LBauO. Die darin geforderte erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit gehe bei Wind aus dem Sektor 147,1° +/- 32,7° von der Anlage der Klägerin (WEA 2) für die Anlage der Beigeladenen (WEA 7) aus. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, der Klägerin auch eine Abschaltverpflichtung zum Schutz der nunmehr der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 aufzuerlegen. Es träfen hier Pflichten von Bauherren verschiedener baulicher Anlagen aufeinander. Bei Zusammentreffen konkurrierender Anlagen habe die Behörde eine sachgerechte Auswahl im Hinblick auf die Verteilung der Rücksichtnahmepflichten zu treffen. Die Klägerin habe ihre Windenergieanlage in eine vorbelastete Situation hinein errichtet, denn ihr sei bei Erteilung der Baugenehmigung bekannt gewesen, dass eine weitere Anlage hinzukommen werde. Schon aufgrund des Bescheides vom 18. Juli 2008 habe die Klägerin Rücksicht auf die der Beigeladenen (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) erteilten Genehmigung nehmen müssen. Bei der nun der Beigeladenen genehmigten Anlage handele es sich auch nicht um ein Aliud, sondern um das Nachfolgemodell zur E-66. Soweit von der nunmehr genehmigten E-70 E4 Beeinträchtigungen für die Windenergieanlage der Klägerin bei bestimmten Windrichtungen zu befürchten seien, seien die erforderlichen Abhilfemaßnahmen allein der Beigeladenen auferlegt worden. Der gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 erhobene Widerspruch sei ebenfalls nicht begründet.

18

Mit ihrer am 18. März 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin einerseits den ergänzenden Auflagenbescheid vom 31. Mai 2013 und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 angefochten und andererseits auch die an die Beigeladene gerichteten Bescheide vom 31. Mai 2013 und vom 25. Februar 2014 angegriffen. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 getrennt und zunächst nur die Anfechtungsklagen gegen die an die Klägerin adressierten Bescheide verhandelt. Im Übrigen hat es das Verfahren ausgesetzt.

19

Zu dem abgetrennten Komplex hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, die nachträglich mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 85 LBauO seien nicht gegeben. Zwar bestehe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Auswahl der zur Abwendung dieser Gefahr Verantwortlichen sei jedoch fehlerhaft erfolgt. Ermessensgerecht sei allein, den Letztverursacher vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die letzte Ursache für die Unverträglichkeit des parallelen Betriebs der WEA 2 und WEA 7 sei jedoch durch die Genehmigung der E-70 zugunsten der Beigeladenen gesetzt worden.

20

Die Klägerin hat beantragt,

21

die Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2013 und vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 aufzuheben.

22

Der Beklagte hat unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, die angefochtenen Bescheide jedoch verteidigt.

25

Das Verwaltungsgericht hat der (abgetrennten) Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2015 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Der Beklagte könne sich insofern nicht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO berufen. Einschlägig sei vielmehr die immissionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG. Zum Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 BImSchG sei indes nicht der Beklagte, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion zuständig. Die Windenergieanlage der Klägerin unterliege nach der Übergangsregelung in § 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG ab dem 1. Juli 2005 dem Immissionsschutzrecht, was auch für das immissionsschutzrechtliche Überwachungsinstrumentarium gelte. Dies habe zur Folge, dass § 17 Abs. 1 BImSchG auch für solche Windkraftanlagen gelte, für die ursprünglich eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Zwar stelle § 17 BImSchG keine Spezialregelung dar, die die polizei- oder ordnungsrechtlichen Vorschriften stets verdränge. Das Instrument der nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG diene der Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten. Demgegenüber könnten nachträgliche Anordnungen nach § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO nur zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit angeordnet werden, denen typischerweise bauordnungsrechtlich zu begegnen sei. Soweit eine Maßnahme auf § 17 BImSchG gestützt werden könne, blieben ordnungsrechtliche Vorschriften daher außen vor. Dies müsse auch dann gelten, wenn neben immissionsschutzrechtlichen auch bauordnungsrechtliche Gründe für das nachträgliche Einschreiten gegeben seien, die immissionsschutzrechtlichen Gründe aber im Vordergrund stünden. Letzteres sei hier der Fall, da es primär um die Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten gehe. Der Beklagte habe mit seiner Verfügung zum Ausdruck gebracht, dass von der Windenergieanlage der Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen. Dass damit auch Fragen der Standsicherheit i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO im Raum stünden, ändere nichts daran, dass die getroffene Anordnung maßgeblich aus Gründen des Immissionsschutzrechts getroffen werde. Infolgedessen sei auch der damit zusammenhängende Kostenbescheid rechtswidrig.

26

Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 nachträglich auferlegte Abschaltverpflichtung sei zu Recht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO gestützt worden. Denn es solle mit dieser Verfügung keine immissionsschutzrechtliche Verpflichtung, sondern vielmehr eine Anforderung aus dem Bauordnungsrecht durchgesetzt werden. Maßgebliches Ziel der Verfügung sei es nämlich, die Anforderungen an die Standsicherheit nach § 13 LBauO durchzusetzen. Die Verfügung sei auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Klägerin rechtlich nicht zu beanstanden. Die getroffene Lastenverteilung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sei sachgemäß. Bei der der Beigeladenen genehmigten Windenergieanlage Enercon E-70 handele es sich nicht um ein Aliud zur früheren Anlage, vielmehr sei die E-70 die Nachfolgeanlage zur Enercon E-66 mit nur geringen technischen Änderungen. Daraus ergebe sich keine Notwendigkeit zur Durchführung eines völlig neuen Genehmigungsverfahrens. Soweit der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen aus dem Jahr 2013 Änderungen hinsichtlich der Abschaltsektoren und der Windgeschwindigkeit errechnet habe, sei dies im Wesentlichen auf Änderungen des Rechnungsmodus seit dem Erstgutachten im Jahr 2007 zurückzuführen. Dies habe der TÜV Nord auf ergänzende Anfrage bestätigt. Im Übrigen ergäben sich kleine Abweichungen daher, dass bei den neueren Berechnungen der Abstand der beiden Anlagen WEA 2 und WEA 7 korrekt um 6 m reduziert worden sei.

27

Der Beklagte beantragt,

28

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 abzuweisen.

29

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

30

die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 abzuweisen.

31

Zur Begründung führt sie aus, dass die Bauaufsichtsbehörde zum Erlass der nachträglichen Anordnung zuständig gewesen sei. Denn hier hätten bauordnungsrechtliche Fragen der Standsicherheit im Vordergrund gestanden. In der Sache sei die von der Behörde getroffene Lastenverteilung rechtlich nicht zu beanstanden. Für sie [die Beigeladene] streite das Prioritätsprinzip. Ihr sei im Jahr 2002 erstmals ein positiver Bauvorbescheid für die Errichtung einer Windenergieanlage auf den Flurstücken Nrn. 1993 und 1994 erteilt worden. Im Anschluss daran sei sie ununterbrochen im Besitz einer Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage gewesen. Bei der Umstellung von der E-66 auf die E-70 handele es sich nicht um ein Aliud, sondern bloß um eine Weiterentwicklung. Die E-70 verursache sogar geringere Turbulenzen als das Vorgängermodell. Das Vorhaben der Klägerin sei demgegenüber nicht prioritär. Folgerichtig hätte die Klägerin daher sogar die vollständige Verantwortung zur Gefahrenbeseitigung treffen müssen. Dann sei aber jedenfalls die von dem Beklagten getroffene Lastenverteilung von der Klägerin nicht zu beanstanden.

32

Die Klägerin beantragt,

33

die Berufungen zurückzuweisen.

34

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. § 17 BImSchG sei auch dann anwendbar, wenn zumindest auch immissionsschutzrechtliche Pflichten durchgesetzt werden sollten, wie hier. Im Übrigen sei es verfehlt, sie für die Bewältigung von Problemen wegen der Nähe ihrer Anlage zu der der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 E4 in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte gehe zu Unrecht weiterhin von einer Priorisierung der Windenergieanlage der Beigeladenen aus. Bei der Anlage E-70 handele es sich um eine in wesentlicher Hinsicht andere Anlage als die zuvor genehmigte E-66/20.70. Es hätte daher eines neuen Genehmigungsverfahrens bedurft. Wie sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen der F. vom 16. Mai 2014 und vom 22. Juli 2016 ergebe, komme es für die Beurteilung von Turbulenzerhöhungen durch eine geänderte Anlage nicht nur auf die Nabenhöhe und den Rotordurchmesser der Anlage an. Wesentlich sei auch der Schubbeiwert des Rotors. Insofern unterschieden sich die Schubbeiwerte bei den Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-66/20.70 und Enercon E-70 E4 jedoch deutlich. Der neue Rotor der Anlage E-70 E4 erbringe eine höhere Windausbeute, was auch zu einem veränderten Strömungsverlauf führen müsse.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

36

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.

37

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

38

Die angefochtene ergänzende Auflage im Bescheid vom 31. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Demzufolge kann auch der hierauf gestützte Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 keinen Bestand haben.

39

1. Die ergänzende Anordnung vom 31. Mai 2013 war indes nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sie als dafür zuständige Bauaufsichtsbehörde auf die bauordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 85 LBauO gestützt hat.

40

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war er hieran nicht durch eine vorrangige Anwendbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG gehindert, wofür – anders als für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen – nicht die Kreisverwaltung, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion sachlich zuständig wäre (vgl. § 1 Abs. 1 und Nr. 1.1.8 der Anlage der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes (ImSchZuVO) vom 14. Juni 2002 i.d.F. des Gesetzes vom 6. Oktober 2015 (GVBl. S. 283; die Zuständigkeit der Kreisverwaltung für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen ergibt sich aus Nr. 1.1.1 der Anlage zum ImSchZuVO).

41

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen getroffen werden. Nach ihrem klaren Wortlaut beschränkt sich diese Ermächtigung auf die Erfüllung immissionsschutzrechtlicher Verpflichtungen, also der Pflichten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 BImSchG. Hinsichtlich der Pflichten aus anderen Vorschriften außerhalb des BImSchG ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass zu deren Vollzug die hierfür zuständigen Behörden berufen sind. Die Konzentrationswirkung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen nach § 13 BImSchG erstreckt sich nur auf die präventive Kontrolle; nach Erteilung der Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden zurück (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 25. Juli 2011 – 4 ME 175.11 –, NuR 2011, 891 und juris, Rn. 4; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 79. EL 2016, § 13 BImSchG, Rn. 117 und 120; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 13 Rn. 25 und § 17 Rn. 20). Beim Verstoß gegen Pflichten sowohl aus dem BImSchG als auch aus anderen Vorschriften kann § 17 BImSchG anwendbar sein, dann aber gegebenenfalls parallel zu anderen Ermächtigungsnormen (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 17 Rn. 26; Jarass, a.a.O., § 17 Rn. 20). Derselbe Sachverhalt kann Anlass für verschiedene Behörden zum Einschreiten sein. Die Berechtigung hierzu hängt von der Zielrichtung der Maßnahme ab. Dient eine Maßnahme der Durchsetzung baurechtlicher Anforderungen, so ist - jedenfalls auch - die Bauaufsichtsbehörde zuständig (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 1994 – 10 A 4084/92 –, BauR 1995, 372, LS 1 und 2; Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 17 Rn. 44 f.).

42

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parallelität der Eingriffsermächtigungen dann eine Einschränkung verlangt, wenn der Pflichtenverstoß sein Schwergewicht eindeutig in einem der einschlägigen Rechtsregime hat. Denn ein solcher Fall liegt hier zugunsten des immissionsschutzrechtlichen Pflichtenkreises nicht vor. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts standen bei dem Einschreiten des Beklagten nicht immissionsschutzrechtliche Gründe im Vordergrund. Zwar können die Turbulenzwirkungen einer Windenergieanlage auf Nachbaranlagen durchaus als schädliche Umwelteinwirkungen aufgefasst werden. Insbesondere aus dem Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015, in dessen Gestalt die Abschaltanordnung vom 31. Mai 2013 Gegenstand der Anfechtungsklage ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ergibt sich indessen eindeutig, dass der Beklagte wegen Gefahren für die Standsicherheit der benachbarten Anlagen und damit zur Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Verpflichtungen eingeschritten ist (vgl. S. 8 und S. 10 des Widerspruchsbescheids). Denn § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO verlangt, dass durch eine bauliche Anlage die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Ausrichtung des aufsichtsbehördlichen Vorgehens auf Fragen der Standsicherheit wird schließlich auch durch die gutachterlichen Stellungnahmen des TÜV Nord bestätigt. Danach hat sich der Gutachtenauftrag auf die Beurteilung der Standsicherheit der Windenergieanlagen bezogen (vgl. S. 5 der Stellungnahme vom 20. Dezember 2013). Aufgrund fehlender Kriterien für einen Immissionsgrenzwert für die durch eine Nachbar-WEA erhöhten Turbulenzbelastungen haben die Gutachter auf Kriterien der Standsicherheit abgestellt. Danach werde ein auf erhöhte Turbulenzintensität rückführbarer zusätzlicher Verschleiß einer Windenergieanlage dann als zumutbar angesehen, solange die Standsicherheit für 20 Jahre gewährleistet bleibe (a.a.O., S. 5). Damit stellen die Gutachter klar, dass im Kern der Untersuchung Fragen zur Standsicherheit der benachbarten Windenergieanlagen standen. Auf dieser Grundlage ist die Behörde eingeschritten.

43

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO liegen vor.

44

Nach dieser Vorschrift können bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen nachträglich Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist.

45

Hier drohen durch den Betrieb der Windenergieanlage der Klägerin erhebliche Gefahren für das Eigentum an Sachen. Konkret können infolge der durch die WEA 2 im Nachlauf ausgelösten Turbulenzen Beeinträchtigungen für die Standsicherheit benachbarter Windenergieanlagen auftreten. Wie der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen ausgeführt hat, sind für die Belastung, Haltbarkeit und den Betrieb von Windenergieanlagen vor allem die Windbedingungen maßgeblich. Hierfür ist neben der vorhandenen Umgebungsturbulenzintensität in einer Windzone auch der Einfluss der Nachlaufsituationen benachbarter Windenergieanlagen ausschlaggebend. Dies kann bei der betroffenen Anlage zu schnellerem Verschleiß von Anlagenteilen und zur Beeinträchtigung ihrer Standsicherheit führen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 5 f; auch: OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 15). Aufgrund der Berechnungen des TÜV Nord steht fest, dass bei den Anlagen der Klägerin (WEA 2) und der Beigeladenen (WEA 7) wegen ihres geringen Abstands von unter 150 m die – unter Berücksichtigung anlagenspezifischer Parameter, wie etwa dem Schubbeiwert, ermittelten – effektiven Turbulenzintensitäten die aus der Umgebungsturbulenzintensität hergeleiteten Auslegungswerte überschreiten und damit eine Gefährdung der Standsicherheit der jeweils betroffenen Windenergieanlage begründen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 6 f. und S. 15 bis 18). Dies bedeutet, dass bei einem bestimmten Windsektor und bestimmten Windgeschwindigkeiten die im Nachlauf der anderen Anlage stehende Windenergieanlage in ihrer Standsicherheit beeinträchtigt wird.

46

3. Der angefochtene Bescheid vom 31. Mai 2013 erweist sich allerdings deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte von dem ihm in § 85 Abs. 1 LBauO eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO).

47

Der Beklagte hat nämlich bei der Abgrenzung der Verantwortung für die Bewältigung des Konflikts durch den Betrieb zweier unverträglich naher Windenergieanlagen den für eine sachgerechte Lastenverteilung maßgebenden Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens nicht in der gebotenen Weise beachtet. Danach hat der Betreiber derjenigen Anlage die Verantwortung zur Konfliktbewältigung und die damit verbundenen Lasten zu tragen, der durch die Realisierung seines Projekts die letzte Ursache für die Entstehung des Konflikts setzt. Dies war hier die Beigeladene, die für ihr im Jahr 2012 genehmigtes und begonnenes Vorhaben auf die bereits seit 2005 betriebene Anlage der Klägerin traf.

48

a) Weil der Betrieb einer Windenergieanlage wegen der geschilderten Turbulenzeffekte zu Beeinträchtigungen benachbarter Windenergieanlagen führen kann, bedarf es geeigneter Maßnahmen, um den dadurch ausgelösten Konflikt zu bewältigen. Dabei kommt als erstes die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes zwischen den Windenergieanlagen in Betracht. Insofern wird eine Distanz der fünffachen Länge des Rotordurchmessers für ausreichend erachtet (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 164 und juris, Rn. 6; Gatz, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2013, Rn. 358). Nach den Ausführungen des TÜV Nord kann die Gefahr von Beeinträchtigungen durch Turbulenzeffekte aber nicht nur durch gehörigen Abstand der Anlagen und damit den Verzicht auf einen der zu dicht gelegenen Standorte abgewendet werden. In Betracht kommen auch Abschalt- bzw. Abregelungsverpflichtungen. So können schädliche Turbulenzeffekte einmal durch die Abschaltung der zuvorderst im Wind stehenden Anlage zugunsten der dahinterstehenden Anlage vermieden werden (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 17 f.). Gefahren für die Standsicherheit kann aber auch durch Abschalten der dahinterstehenden Anlage – zu ihrem Selbstschutz – begegnet werden, weil die Lasten einer abgeschalteten Windenergieanlage (Trudelbetrieb) auch bei einer erhöhten Turbulenz durch die auf der Luvseite stehenden Anlage gering sind (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom Dezember 2007, S. 10, sowie ergänzende Stellungnahme des TÜV Nord vom 7. Januar 2014, Bl. 221 der Behördenakte „…“). Die Gefahrenabwehr kann also einmal aktiv durch Unterbinden der Turbulenzwirkungen bei der störenden Anlage erfolgen. Sie kann aber auch passiv durch Abschalten der gestörten Anlage geschehen.

49

Zu der Frage, wem die Lasten der Konfliktbewältigung – durch Verzicht auf einen Standort oder durch Abschaltverpflichtungen und damit einhergehender geringerer Energieausbeute – aufzuerlegen sind, finden sich weder im Immissionsschutzrecht noch im Baurecht Regelungen. Anforderungen an die Ermessenssteuerung können daher nur aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet werden. Für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge und der Annahme, dass sich auf den gewählten Standorten nur eine der Anlagen realisieren lässt, sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung folgende Grundsätze anerkannt: Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangen eine willkürfreie und sachgerechte Auswahl bzw. Reihung unter den sich ausschließenden Genehmigungsanträgen. Dabei erweist sich der Gesichtspunkt der Priorität konkurrierender Anträge grundsätzlich als sachgerechtes Kriterium, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung hiervon rechtfertigen (vgl. OVG Nds., Urteil vom 26. September 1991 – 1 L 74 und 75/91 –, juris, Rn. 82; OVG MV, Beschluss vom 28. März 2008 – 3 M 188/07 –, BauR 2008, 1562 und juris, Rn. 31 f.; ThürOVG, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 1 EO 35/12 –, ZNER 2012, 443 und juris, Rn. 30 f.; OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 21). Vorrang wird dem zuerst gestellten Antrag allerdings nur dann zuerkannt, wenn ihm vollständige und prüffähige Unterlagen beigefügt sind (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 493; Sittig, in: Maslaton, Windenergieanlagen, Kap. 2 Rn. 217 ff, jeweils m.w.N.).

50

Diese Grundsätze können auch bei der Frage nach der Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung durch Abschaltverpflichtungen angewendet werden. Danach ist es grundsätzlich sachgerecht, dass derjenige Rücksicht zu nehmen und Nachteile zu tragen hat, der mit seinem Vorhaben an eine bereits bestehende Anlage heranrückt. Gleichermaßen unterliegt er Rücksichtnahmepflichten, wenn er mit seinem Vorhaben auf eine vorhandene Genehmigungslage trifft, weil für den in einer Entfernung unterhalb des fünffachen Rotordurchmessers gelegenen Nachbarstandort bereits eine Genehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage erteilt worden ist. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte abgestellt, wenn er gegenüber der Klägerin geltend macht, sie habe ihre Windenergieanlage in einer – durch die Genehmigung der Anlage auf den Flurstücken Nrn. … und … (WEA 7) – vorbelasteten Situation errichtet.

51

Indes ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Vorrang zugunsten der zuerst beantragten bzw. genehmigten Anlage entfällt, sobald dieses erste Vorhaben später wesentlich geändert wird (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011 – 1 EO 69/11 –, ZNER 2011, 649 und juris, Rn. 42 – für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge –; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217 ff.). Gründe der Chancengleichheit und der Vermeidung von Umgehungen des Prioritätsgrundsatzes verlangen hier eine neue Reihung der konkurrierenden Vorhabenträger. Darüber hinaus ist zu bedenken, ob sich der Vorrang zugunsten des zeitlich früheren Vorhabens nicht nur bei der erstmaligen Genehmigungserteilung und dann nur für die Dauer deren Wirksamkeit durchsetzt.

52

b) Im vorliegenden Fall ist der ursprüngliche Vorrang zugunsten der auf dem Standort der WEA 7 genehmigten Anlage bereits dadurch entfallen, dass dort nunmehr eine andere, wesentlich geänderte Anlage geplant und genehmigt worden ist.

53

Für die Frage, wann eine wesentliche, die ursprüngliche Vorrangstellung vernichtende Anlagenänderung vorliegt, kann auf § 16 BImSchG abgestellt werden. Denn die Notwendigkeit einer neuen präventiven Prüfung markiert ähnlich wie die erstmalige Vorlage prüffähiger Unterlagen den für die Reihung konkurrierender Vorhaben maßgebenden Zeitpunkt. Mit der wesentlichen Änderung der zunächst eingereichten Unterlagen entfällt die Rechtfertigung einer Vorrangstellung gegenüber einem ursprünglich später eingereichten, dann aber unverändert gebliebenen Vorhaben (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 495).

54

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegt eine wesentliche – und damit genehmigungs- und nicht bloß nach § 15 BImSchG anzeigepflichtige – Änderung vor, wenn durch die Änderung (der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs) der Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist eine Genehmigung nur dann nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen sichergestellt ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Genehmigungsverfahren immer bereits dann notwendig, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können; die bloße Möglichkeit solcher Auswirkungen reicht somit aus (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 16 BImSchG, Rn. 34).

55

Derart wesentliche Auswirkungen sind regelmäßig bei Verschiebungen des Standorts und der Änderung des Anlagentyps von Windenergieanlagen zu erwarten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 45; OVG NRW, Beschluss vom 25.Februar 2015 -8 A 959/10-, BauR 2015, 1138 und juris Rn. 113 [Ersetzung einer Windenergieanlage Typ Enercon E 66/18.70 durch eine E-70 E4 - 2,0 MW, RD 71m – als Neuerrichtung]). Denn in diesen Fällen sind insbesondere die zu erwartenden Turbulenzeffekte einer erneuten Prüfung zu unterziehen (vgl. ThürOVG, ebenda). Eine solche Prüfung ist hier von dem Beklagten auch veranlasst worden, wenn auch nicht vor Erteilung der Änderungs-Baugenehmigung vom 20. April 2012, so doch nach Eingang des Widerspruchs der Klägerin und im Anschluss an die daraufhin verfügte Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. In der Aufforderung an die Beigeladene vom 10. Dezember 2012 (Bl. 31 der Behördenakte) zur Beibringung eines Gutachtens über die Auswirkungen des neuen Anlagentyps E-70 E4 weist die Behörde darauf hin, dass sich zwar wegen der scheinbar geringen Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Anlagentyp möglicherweise keine zusätzlichen Anforderungen ergäben, dies jedoch nicht offensichtlich feststehe, so dass auf die Einholung eines Gutachtens nicht verzichtet werden könne. Damit bestätigt der Beklagte letztlich, dass hier die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 BImSchG, nämlich die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen vorgelegen haben. Unterstützt wird diese Annahme durch die Stellungnahme der F. vom 16. Mai 2014 (nochmals vorgelegt als K 21 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 6. Juni 2016, Bl. 137 f der Gerichtsakte). Danach unterscheiden sich die Schubbeiwerte der WEA ENERCON E-66/20.70 und E-70 E4 (R071m) – wegen des veränderten Profils der Rotorblätter – deutlich. Diese Einschätzung wird durch die ergänzende Stellungnahme der F. vom 27. Juli 2016 (Anlage K 22 zum Schriftsatz der Kläger-Bevollmächtigten vom 26. Juli 2016, Bl. 197 ff der Gerichtsakte) bestätigt. Danach erbringe die neue Anlage eine höhere Windausbeute (Mehrertrag von 12,5 %), was auch zu einem veränderten Verlauf der Strömung im Nachlauf der Anlage führen müsse (vgl. S. 3 f der Stellungnahme vom 22. Juli 2016). Dass sich der Umfang der Rücksichtnahmepflichten aufgrund der neuerlichen Untersuchung durch den TÜV Nord nur relativ geringfügig erweitert (Windgeschwindigkeitsspanne von 4-14 m/s statt 6-14 m/s; Abschalt- bzw. Abregelungssektor bei 327,1 ° bzw. 147,1° jeweils +/- 32,7° statt 328° bzw. 148° jeweils +/- 27°) und diese Veränderungen nach dessen Mitteilung im Wesentlichen auf dem neuen Rechenmodell und nur zu einem geringeren Teil auf der Anlagenänderung beruhen (vgl. Stellungnahmen TÜV Nord vom 13. und 14. April 2016, Bl. 159 f der Gerichtsakte), ändert – ebenso wie die Behauptung des Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, dass sich die Nachlaufturbulenzen durch die neue Anlage tatsächlich reduziert hätten – nichts daran, dass aufgrund des Austauschs des Anlagentyps die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen im Raum stand und deshalb die Durchführung eines erneuten (Änderungs-) Genehmigungsverfahrens notwendig war.

56

Würde eine solche Anlagenänderung noch vor Bescheidung konkurrierender Genehmigungsanträge erfolgen, wäre es aus den oben dargelegten Gründen nicht sachgerecht, das ursprünglich als zweites projektierte Vorhaben weiterhin an dem Nachrang gegenüber dem ursprünglich ersten Vorhaben festzuhalten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217). Nichts anderes kann dann gelten, wenn die Konfliktbewältigung nicht durch gänzlichen Verzicht eines der beiden Vorhabenträger auf Realisierung seines Projekts, sondern durch Reduzierung des Anlagenbetriebs mittels Abschalt- bzw. Abregelungspflichten erreicht werden soll. Zwar steht es jedem Bauherrn frei, sein Vorhaben nach Einreichung eines ursprünglichen Antrags zu ändern und es in dieser geänderten Form zur Genehmigung zu stellen. Er muss dann allerdings auch die Konsequenz tragen, dass er im Verhältnis zu dem Konkurrenten, der keine Änderung an seinem Vorhaben vorgenommen hat, dann als nachrangig zu bewerten ist (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42). Darüber hinaus musste der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch spätestens nach Erlass der zu Lasten der Klägerin ergangenen ergänzenden Auflage vom 18. Juli 2008 klar sein, dass sich ihre Vorrangstellung nur auf die Genehmigung der Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-66/20.70 bezog und sie Rücksichtnahmepflichten der Klägerin nur bei der Realisierung dieses Anlagentyps erwarten durfte.

57

c) Hinzu kommt, dass das Vertrauen der Beigeladenen in den Bestand ihrer ursprünglichen Vorrangstellung aufgrund Ablaufs der Geltungsdauer der ihr zunächst erteilten Genehmigungen nicht mehr schutzwürdig ist.

58

Während die Klägerin ihre mit Bescheid vom 28. September 2004 genehmigte Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E4 zügig im Folgejahr errichtet hatte, ist auf dem Standort der WEA 7 mit der Verwirklichung des Vorhabens erst im Anschluss an die Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012 für den Anlagentyp Enercon E-70 E4 begonnen worden. Zwar genoss das Vorhaben der WEA 7 zunächst Vorrang, weil für diesen Standort am 23. September 2002 ein positiver Bauvorbescheid (allerdings für eine – größer dimensionierte – WEA Nordex N 90; vgl. zur Vorrangwirkung auch eines bloßen Vorbescheids: OVG RP, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 A 10676/14.OVG –, BauR 2015, 1151 und juris, Rn. 25) und schließlich am 20. Juli 2004 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-66/20.70 erteilt worden war. Wegen dieses Vorrangs hätte die Genehmigung der Anlage der Klägerin (letztlich durch die Tekturgenehmigung vom 28. September 2004) bereits von Beginn an nur unter der Auflage entsprechender Rücksichtnahmepflichten ergehen dürfen. Der Beklagte hat dies, nachdem er die Problematik der Turbulenzeffekte zunächst verkannt hatte, durch die ergänzende Auflage gegenüber der Klägerin vom 18. Juli 2008 nachgeholt.

59

(1) Indes konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin einen Vorrang der WEA 7 nur für das vorrangig genehmigte Vorhaben und nur für die Dauer der Wirksamkeit der Baugenehmigung beanspruchen. Denn das durch die Baugenehmigung erworbene Baurecht, die genehmigte Anlage ungeachtet von Veränderungen der Sach- und Rechtslage so wie genehmigt errichten zu dürfen, gilt nur für die Dauer der Gültigkeit der Baugenehmigung. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 LBauO erlischt eine Baugenehmigung, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer Zustellung mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen wurde. Diese Frist kann zwar nach § 74 Abs. 2 Satz 1 LBauO verlängert werden. Ein solches Verlängerungsverfahren führt jedoch nur zu einer verfahrensmäßigen Erleichterung (etwa durch den Verzicht auf Vorlage neuer Bauunterlagen); in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Verlängerungsantrag wie ein Neuantrag zu behandeln (vgl. Jeromin, LBauO, 4. Aufl. 2016, § 74, Rn. 16 bis 18). Ist das innerhalb der Geltung der Ursprungsgenehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren aber an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, so spricht der Grundsatz der Priorität und der Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens dafür, das nunmehr zur Verlängerung anstehende Vorhaben als gegenüber der bereits vorhandenen Windenergieanlage nachrangig zu werten.

60

(2) Diese Erwägungen gelten gleichermaßen auch in Anwendung der Vorschriften zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Die hier zunächst auf der Grundlage der Landesbauordnung genehmigten Windenergieanlagen unterfielen nämlich ab 1. Juli 2005 dem Regime des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beigeladene mit dem Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 nur im Besitz einer bis 20. Juli 2012 geltenden Genehmigung war. Auch bei dem Begehren auf bloße Verlängerung ihres ursprünglichen Vorhabens - statt dessen wesentlicher Änderung, wie hier - hätte die Beigeladene daher im Jahr 2012 den Nachrang gegenüber der bereits vorhandenen Anlage der Klägerin akzeptieren müssen.

61

Nach § 67 Abs. 9 Satz 1 LBauO gelten Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m – wie hier –, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, ab diesem Zeitpunkt als Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die von dem Beklagten für die Fortgeltung des Baurechtsregimes in Anspruch genommene Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 15. September 2005 – 8 B 1074/05 –, NVwZ-RR 2006, 173) betrifft nur die Fortgeltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung nach § 212a BauGB. Im Übrigen ist die ursprüngliche Baugenehmigung hingegen allein nach dem Regime des BImSchG zu beurteilen. Dies bedeutet, dass die ab 1. Juli 2005 als immissionsschutzrechtliche Genehmigung geltende ursprüngliche Baugenehmigung allein nach den Voraussetzungen des § 18 BImSchG erlischt, die Erlöschungsregelung nach dem Bauordnungsrecht damit entfällt (vgl. VGH BW, Urteil vom 4. August 2011 – 3 S 2439/09 –, NuR 2012, 277 und juris, Rn. 28; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 67 Rn. 43). Nach § 18 BImSchG gilt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zwar grundsätzlich zeitlich unbefristet; die Genehmigungsbehörde (hier ebenfalls die Kreisverwaltung, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ImSchZuVO i.V.m. Anlage Nr. 1.1.1 Ziff. 4) ist jedoch nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berechtigt, die Geltungsdauer auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu beschränken (vgl. VGH BW, ebenda). Dies ist hier – der Sache nach, wenn auch in Anwendung von Bauordnungsrecht – durch den Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 geschehen. Darin heißt es:

62

„Aufgrund Ihres Antrags vom 1. April 2008 wird hiermit die Baugenehmigung vom 20. Juli 2004 … um vier Jahre verlängert. Die Baugenehmigung gilt jetzt somit bis 20.07.2012.“

63

Aufgrund dieser Genehmigungslage konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin nur darauf vertrauen, die ihr genehmigte Anlage bis Juli 2012 mit entsprechendem Vorrang hinsichtlich der Bewältigung der durch die Turbulenzeffekte der benachbarten Anlagen hervorgerufenen Konflikte verwirklichen zu können. Zwar hätte sie auch nach dem Regime des BImSchG die Möglichkeit gehabt, eine Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung zu beantragen. Nach § 18 Abs. 3 BImSchG kommt eine solche Verlängerung jedoch nur aus wichtigem Grunde in Betracht, wenn hierdurch der Zweck des Gesetzes nicht gefährdet wird. Dies verlangt die Beurteilung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen auch aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung im Einwirkungsbereich der Anlage und der sich hiernach zu beurteilenden Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft noch gegeben sind (vgl. Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, a.a.O., § 18 BImSchG, Rn. 31). Ist also auch nach Immissionsschutzrecht das innerhalb der Geltung einer Genehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, ist es sachgerecht, dass es sich im Rahmen der Bewältigung des Abstandskonflikts gegenüber einem bislang zurückstehenden Zweitvorhaben nunmehr als nachrangig behandeln lassen muss.

64

d) Werden die von dem Beklagten für die Inanspruchnahme der Klägerin angestellten Erwägungen zur Bewältigung des Abstandskonflikts zwischen der WEA 2 und der WEA 7 den Anforderungen an eine sachgerechte Verteilung der damit verbundenen Lasten nicht hinreichend gerecht, so ist die mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung – ebenso wie der darauf beruhende Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 – aufzuheben. Damit findet der von dem Beklagten bereits in dem Genehmigungsbescheid an die Beigeladene vom 31. Mai 2013 aufgenommene Vorbehalt Anwendung, dass ihr gegenüber auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° Rücksichtnahmepflichten auferlegt werden müssen, falls die Klägerin aus rechtlichen Gründen von einer Abschaltverpflichtung frei wird (vgl. S. 2 und 3 des Bescheids, Bl. 144 der Behördenakte).

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

66

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

67

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil das Verfahren Gelegenheit gibt, die bei der Konkurrenz unverträglicher Windenergieanlagen aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere nach der sachgerechten Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung, höchstrichterlich zu klären.

Beschluss

68

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 33.837,26 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten    der  Beigeladenen.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,-- € festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 24 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt mit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seit dem Jahr 2003 u. a. eine Windkraftanlage auf dem Grundstück FlNr. 276 der Gemarkung W. Sie wendet sich gegen zwei hinzukommende Windkraftanlagen der Beigeladenen, deren Errichtung und Betrieb das Landratsamt Schweinfurt mit - für sofort vollziehbar erklärtem - Bescheid vom 10. Juli 2013 immissionsschutzrechtlich genehmigt und hierbei eine Abweichung vom Abstandsflächengebot zugelassen hat (WEA 1 auf dem Grundstück FlNr. 288 der Gemarkung W., WEA 2 auf FlNr. 330, Gemarkung F.). Hinsichtlich einer mit demselben Bescheid genehmigten dritten Windkraftanlage der Beigeladenen macht die Klägerin keine Beeinträchtigung ihrer eigenen Anlage geltend. Von den Anlagen der Beigeladenen nicht betroffen ist die weitere Anlage der Klägerin (FlNr. 265, Gemarkung W.). Die drei genehmigten Windkraftanlagen stehen im räumlichen Zusammenhang mit acht weiteren im Gemeindebereich S. errichteten sowie drei - im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheids noch nicht genehmigten - Windkraftanlagen im Gemeindebereich G.; die streitigen Standorte liegen innerhalb der im Flächennutzungsplan der Gemeinde S. vorgesehenen Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen.

Ein von der Klägerin gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 9. August 2013 erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Juli 2013 blieb in beiden Instanzen erfolglos (zuletzt BayVGH, B. v. 19.3.2014 - 22 CS 14.6 -). Die Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. August 2014 abgewiesen.

Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, deren grundsätzliche Bedeutung und einen Verfahrensmangel geltend.

Der Beklagte hat beantragt, die Berufung nicht zuzulassen.

Die Beigeladene hat noch keinen Antrag gestellt und sich zur Sache noch nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten einschließlich Akten zum abgeschlossenen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (22 CS 14.6) Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 oder 5 VwGO) vorliegt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.

Solche Zweifel bestehen, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

1.1. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen, weil es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die Standsicherheit ihrer eigenen Anlage nach der Errichtung der strittigen Windkraftanlagen nachgewiesen sei (Antragsbegründung vom 25.11.2014, Nr. III.1, S. 13 ff. [S. 14 unten]). Damit kann sie nicht durchdringen. Die Darlegungen der Klägerin lassen einen derartigen Rechtsfehler nicht erkennen.

Das Verwaltungsgericht hat - der Genehmigungsbehörde folgend - die Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Windkraftanlagen gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG auch deshalb bejaht, weil von diesen Anlagen keine Gefahren oder erheblichen Nachteile im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für die benachbarte Anlage der Klägerin ausgehen. Es hat die Relevanz der (von der Klägerin allein geltend gemachten) nachteiligen Windverwirbelungen (Turbulenzen) namentlich deshalb verneint, weil diese - entgegen der Ansicht der Klägerin - die Standsicherheit von deren Anlage nicht gefährdeten. Seine Überzeugung hat das Verwaltungsgericht hierbei auf die im Genehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegte Stellungnahme des Gutachterbüros I17-Wind GmbH & Co. KG (kurz „I17-Wind“) vom 10. Juni 2013 gestützt, das nachvollziehbar und schlüssig zu einer entsprechenden Einschätzung gelangt sei. Auf Art. 10 BayBO (insb. Art. 10 Satz 3 BayBO) und auf die Anforderungen an den Nachweis der Standsicherheit ist das Verwaltungsgericht nur deshalb eingegangen, weil die Klägerin eingewandt hat, die genannte Stellungnahme vom 10. Juni 2013 tauge (wegen verschiedener geltend gemachter Fehler und Ungereimtheiten) nicht als Standsicherheitsnachweis. Den insoweit weiter aufrecht erhaltenen Bedenken der Klägerin ist nicht zu folgen.

Das Landratsamt hat sein Prüfungsergebnis, dass die streitigen Windkraftanlagen die Standsicherheit benachbarter Anlagen (auch der Anlage der Klägerin) nicht beeinträchtigen, auf die Stellungnahme des Büros I17-Wind vom 10. Juni 2013, die Einschätzungen der Fachbehörden und die Richtlinie des Deutschen Instituts für Bautechnik „Richtlinie für Windenergieanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung“ (DIBt-Richtlinie) als technische Baubestimmungen gestützt (vgl. S. 21 unten des angefochtenen Bescheids); hierauf hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - 22 CS 14.6 - juris, Rn. 9, hingewiesen und hinzugefügt, dass diese technischen Baubestimmungen auch dem Turbulenzgutachten des Gutachterbüros Fluid & Energy Engineering GmbH u. Co. KG (kurz „F2E“) vom 18. Juli 2012 zugrunde liegen, auf das sich die Klägerin beruft. Die grundsätzliche Eignung der DIBt-Richtlinie für die nach Art. 62 Abs. 3 BayBO erforderliche Prüfung zweifelt die Klägerin in ihrer Antragsbegründung weiterhin eben so wenig an wie die Richtigkeit der Einschätzungen in den Stellungnahmen des Büros F2E.

Zur Begründung ihrer Zweifel am Fehlen einer Beeinträchtigung ihrer eigenen Anlage führt die Klägerin an, dass die vom Büro I17-Wind (Stellungnahme vom 10.7.2013) für den Zustand nach dem Zubau der drei (bzw. zwei) streitigen Windkraftanlagen prognostizierte effektive Turbulenzintensität von nur 18,3% nicht nachvollziehbar sei. Denn das Büro F2E habe schon im April 2011 eine (ohne den Zubau weiterer Windkraftanlagen bestehende) effektive Turbulenzintensität von 22,5% und im Juli 2012 (gleichfalls ohne den Zubau weiterer Anlagen) eine solche von 24,421% ermittelt; beide Werte lägen deutlich über dem Auslegungswert von 20%, bei dessen Überschreitung die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet sei (Antragsbegründung, S. 18, Buchst. a). Dies vermag nicht zu überzeugen.

Eine Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität bedeutet zum Einen nicht in jedem Fall, dass die Standsicherheit der betreffenden Windkraftanlage in dem Sinn gefährdet ist, dass damit eine akute oder unter bestimmten, jederzeit potentiell eintretenden Betriebs- oder Umgebungsbedingungen bestehende Einsturzgefahr zu verstehen wäre. Vielmehr beziehen sich die sog. „Auslegungswerte“ nach der DIBt-Richtlinie auf eine bestimmte angenommene Lebensdauer der Windkraftanlage, nämlich die mit mindestens 20 Jahren angenommene sogenannte „Entwurfslebensdauer“ (vgl. DIBt-Richtlinie, Schriften des Deutschen Instituts für Bautechnik, Reihe B Heft 8, Fassung Oktober 2012, S. 7 und S. 24 vor Nr. 9.6.2); die DIBt-Richtlinie enthält auch Anforderungen bezüglich Inspektion und Wartung der Anlage, damit die Standsicherheit des Turms und der Gründung über die vorgesehene Entwurfslebensdauer sichergestellt wird (vgl. DIBt-Richtlinie, S. 6 unten); dies sieht auch die Klägerin selbst nicht anders (vgl. S. 33 unten der Antragsbegründung). Eine Turbulenzintensität oberhalb des Auslegungswerts einer Windkraftanlage führt somit nicht zwangsläufig zur Einsturzgefahr, sondern verursacht u. U. nur einen vorzeitigen Verschleiß der maschinentechnischen Teile der Anlage und gegebenenfalls einen erhöhten Überwachungs- und Wartungsaufwand (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Bbg, B. v. 4.2.2009 - OVG 11 S 53.08 - juris Rn. 6), kann also zu einer möglicherweise kürzeren Lebensdauer der Anlage bzw. dazu führen, dass die Kontrolle von deren Standsicherheit zu einem früheren Zeitpunkt als gewöhnlich besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass im Fall ihrer Anlage mit Folgen zu rechnen wäre, die über eine eventuelle Einschränkung der wirtschaftlichen Rentabilität (vgl. unten 1.2) hinausgingen.

Dem - wiederholten - eigenen Vortrag der Klägerin zufolge war der für die (vorliegend betroffene) Windkraftanlage der Klägerin geltende Auslegungswert (20%) infolge der - schon ohne die streitigen Windkraftanlagen bestehenden - Konfiguration der Windkraftanlagen im Windpark bereits im Juli 2012 um 4,421 Prozentpunkte (24,421%) überschritten (vgl. Antragsbegründung S. 4 und S. 18); der Zubau der streitigen Windkraftanlagen führt nach den von der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen des Büros F2E zu einer weiteren (geringen) Erhöhung der Turbulenzeffektivität auf 24,461%. Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, dass ihre im Sommer 2012 bereits seit ungefähr neun Jahren betriebenen Anlage durch die übrigen Anlagen im Windpark einem spürbar höheren Wartungs- und/oder Reparaturaufwand ausgesetzt oder gar in ihrer Standsicherheit akut bedroht worden wäre. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass Anhaltspunkte für spürbar höhere Betriebskosten in der Zukunft bestünden.

Zum Anderen ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin auch nicht, dass sich hieran gerade durch die bekämpften Windkraftanlagen der Beigeladenen in entscheidungserheblichem Maß etwas ändern wird. Vielmehr gilt weiterhin die - vom Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluss vom 19. März 2014 angeführte - eigene Wertung des Planungsbüros F2E (dessen Stellungnahmen die Klägerin der vom Landratsamt herangezogenen Einschätzung des Büros I17-Wind entgegensetzen will), wonach sich eine signifikante Erhöhung der effektiven Turbulenzintensitäten an der bestehenden Windkraftanlage nicht feststellen lässt und somit zu Recht formuliert wurde „Ein signifikanter Einfluss durch neu geplante WEA ist nicht vorhanden“ (F2E, ergänzende Stellungnahme vom 27.2.2013, S. 2 oben; vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2014 - 22 CS 14.6 - juris, Rn. 12). Die Auffassung, dass die von der Klägerin bekämpften zwei neu hinzukommenden Windkraftanlagen jedenfalls auf das Ausmaß der (eventuellen) Überschreitung des Auslegungswerts ihrer eigenen Anlage keinen oder allenfalls einen vernachlässigenswert geringen Einfluss haben, wird nicht nur im Gutachten des Büros I17-Wind, sondern auch vom Büro F2E vertreten. Die umfangreichen Ausführungen der Klägerin zu der behaupteten mehrfachen Fehlerhaftigkeit der Einschätzung des Büros I17-Wind vermögen daher diese Annahme nicht überzeugend zu erschüttern; eine weitere Behandlung dieser Ausführungen ist entbehrlich.

1.2. Der Vortrag der Klägerin zur Standsicherheit zielt nicht nur auf eine potentielle „akute Einsturzgefahr“, sondern auch (möglicherweise sogar hauptsächlich) auf die Vermeidung übermäßigen Verschleißes während der gesamten Lebensdauer der Windkraftanlage; sie macht geltend, im Hinblick auf den verfassungsrechtlich (Art. 14 GG) gebotenen Eigentumsschutz des Betreibers müsse ihm ermöglicht werden, seine Windkraftanlage noch innerhalb der Auslegungslasten zu betreiben, weil andernfalls Substanzverluste an der Anlage zu befürchten seien (vgl. Antragsbegründung, S. 33 unten bis S. 37 unten). Auch diese Überlegungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen.

Die Klägerin kann als Drittbetroffene der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht jedwede von den streitigen Windkraftanlagen ausgehenden Nachteile für ihre eigene Anlage entgegen halten, sondern - wie oben dargelegt und vom Verwaltungsgericht zutreffend gesehen worden ist - nur „erhebliche“ Nachteile im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geltend machen.

Angesichts dessen, dass zum Einen die Klägerin weder bisher bereits festgestellte oder befürchtete, aus der - schon vorhandenen - Überschreitung des maßgeblichen Auslegungswerts resultierende Beeinträchtigungen ihrer Anlagentechnik oder auch nur der „Windausbeute“ vorgetragen hat, und dass zum Andern der Einfluss der hinzukommenden streitigen Windkraftanlagen auf diese Überschreitung des Auslegungswerts als vernachlässigbar gering anzusehen ist, sind „erhebliche“ Nachteile in diesem Sinn vorliegend nicht dargelegt. Die von der Klägerin in der Antragsbegründung (S. 33 unten) aufgestellte These, eine auch nur unwesentliche Erhöhung des - ohne dass diesbezüglich von negativen Effekten berichtet worden wäre - bislang schon überschrittenen Auslegungswerts für die effektive Turbulenzintensität könne die Substanz der betroffenen Anlage beeinträchtigen (womit die Klägerin in gewisser Weise wohl meint, gerade die streitgegenständlichen zwei Windkraftanlagen hätten mit ihren nachteiligen Turbulenzeinflüssen „das Fass zum Überlaufen gebracht“), ist nicht belegt, hierfür sind keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Da die Darlegungen der Klägerin keine Anhaltspunkte für wesentliche Nachteile gerade durch den zusätzlichen Betrieb der strittigen Windkraftanlagen enthalten, bedarf es auch keiner Erörterung der (im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.3.2014 - 22 CS 14.6 - unter Nr. 2.3, Rn. 14 angesprochenen) Frage, ob und ggf. in welchem Ausmaß ein drittbetroffener Betreiber mehrerer Windkraftanlagen in einer Windkraftkonzentrationsfläche solche Nachteile hinnehmen muss, die von hinzukommenden Anlagen verursacht werden.

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin weist der vorliegende Rechtsstreit auch weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

2.1. Entgegen der Ansicht der Klägerin (Nr. 2.1 auf S. 37/38 der Antragsbegründung) ergeben sich die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten nicht daraus, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits offen seien, weil im Berufungsverfahren geklärt werden müsse, ob „alleine die Stellungnahme der Firma F2E geeignet“ sei zum Nachweis der Standfestigkeit der Windkraftanlage der Klägerin, und ob für diesen Nachweis insbesondere ausreiche, dass der bereits überschrittene „zulässige Höchstwert“ für die Turbulenzintensität durch den Zubau weiterer Anlagen „nicht signifikant“ erhöht werde. Beide Fragen stellen sich nach obigen Ausführungen gerade nicht: Die Frage der Standsicherheit bzw. der mangelnden Standsicherheit im Sinn einer „akuten Einsturzgefahr“ wird schon durch den eigenen Vortrag der Klägerin nicht aufgeworfen. Die Frage der Standsicherheit im Sinn der Gewährleistung einer 20-jährigen Lebensdauer durch Vermeidung übermäßigen Verschleißes stellt sich nach obigen Ausführungen deshalb nicht, weil es entscheidungserheblich nicht unmittelbar auf eine in diesem Sinn verstandene Lebensdauer ankommt, sondern darauf, ob „erhebliche Nachteile“ im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG abzuwehren sind. Dass vorliegend erhebliche Nachteile angesichts des vernachlässigenswert geringen Einflusses der hinzukommenden Windkraftanlagen auf die schon vorhandene Turbulenzintensität vorliegen, ist durch den Vortrag der Klägerin nicht erkennbar geworden.

2.2. Dass der Rechtsstreit besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweise, hat die Klägerin zwar behauptet (Nr. 2.2 auf S. 38 bis 40 der Antragsbegründung), aber nicht substantiiert begründet. Dass im konkreten Fall besonders schwierige Tatsachenfragen entscheidungserheblich seien, lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin weder mit (großem) Umfang des Beteiligtenvortrags belegen (vgl. BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 22 ZB 14.1673) noch mit den im Allgemeinen bestehenden Schwierigkeiten, die Standsicherheit von sich gegenseitig in den Windverhältnissen beeinflussenden Windkraftanlagen zu beurteilen. Soweit die Klägerin auf die Berufungszulassungen durch andere Oberverwaltungsgerichte hinweist, hat sie nicht herausgearbeitet, auf welcher - sowohl dort wie vorliegend - entscheidungserheblichen Tatsachenfrage diese Zulassungen beruhen.

3. Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, hat sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, dass eine Rechtsfrage nach der für die angefochtene oder erstrebte Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage vorliegend erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (zum Erfordernis des kumulativen Vorliegens dieser Voraussetzungen vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 35 bis 40). Entscheidungserheblich ist nach obigen Ausführungen allein, ob die von der Klägerin bekämpften Windkraftanlagen „erhebliche“ Nachteile im Sinn des Immissionsschutzrechts (aufgrund von zusätzlichen Turbulenzen) für die eigene Anlage der Klägerin verursachen. Zur Beantwortung dieser Frage reicht - wie dargelegt - die von der Klägerin nicht erschütterte fachliche Einschätzung aus, dass der Einfluss der streitigen Windkraftanlagen auf die vorhandene Turbulenzsituation so gering ist, dass er vernachlässigt werden kann. Einer grundsätzlichen Entscheidung darüber, ob die Standsicherheit verschiedener, sich gegenseitig beeinflussender Windkraftanlagen nur mit einem bestimmten Verfahren (Vergleich der standortspezifischen Lasten) überprüft werden kann, bedarf es nicht; die Frage würde sich nach den Darlegungen der Klägerin in einem Berufungsverfahren nicht stellen.

4. Auch ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin (Antragsbegründung Nr. 4 auf S. 41/42) nicht. Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags (S. 1 und 2 des Schriftsatzes vom 18.8.2014), der sich zum Einen auf die schon vor dem Zubau der strittigen Windkraftanlagen vorhandene, durch benachbarte Windkraftanlagen verursachte Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität, zum Andern auf die durch die streitigen Anlagen verursachte, mit negativem Einfluss auf die Standsicherheit der Windkraftanlage der Klägerin verbundene weitere Erhöhung der Turbulenzintensität bezieht, ist nicht prozesswidrig. Zum Einen ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass die Einwände der Klägerin gegen die gutachtliche Stellungnahme des Büros I17-Wind vom 10. Juni 2013 deswegen nicht die dort getroffene Einschätzung erschüttern können, weil auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin selbst für sich in Anspruch genommenen Äußerungen des Büros F2E nicht von einer Beeinträchtigung der Standsicherheit ausgegangen werden kann; hierauf hat im Übrigen auch das Verwaltungsgericht abgestellt (vgl. UA S. 8, Abschnitt 1). Zum Andern hat das Verwaltungsgericht seine Überzeugung, dass die streitigen Windkraftanlagen die Standsicherheit der Anlage der Klägerin nicht beeinträchtigen, „unabhängig von dem Turbulenzgutachten vom 10. Juni 2013“ gewonnen und sich dazu die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 19. März 2014 zu eigen gemacht (vgl. UA S. 8 unten bis S. 10 unten). Aus der Sicht des Verwaltungsgerichts kam es deshalb darauf, ob das „Turbulenzgutachten vom 10. Juni 2013“ an Mängeln leidet, nicht an.

Ob die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 11) generell zutreffen, die sich auf die - vom Verwaltungsgericht angenommene - „Sondersituation“ in einer Windkraftkonzentrationsfläche und die Risikoverteilung zwischen den im „Windpark“ bereits etablierten und den neu hinzukommenden Anlagenbetreibern beziehen, kann dahinstehen. Für den vorliegenden Fall sind sie nicht entscheidungserheblich, weil - unabhängig davon, ob das „Windhundprinzip“ gilt oder nicht - der negative Einfluss der bekämpften Windkraftanlagen auf die Anlage der Klägerin nicht das Ausmaß „erheblicher Nachteile“ im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erreicht, wie das Verwaltungsgericht auf S. 7 oben des Urteile einleitend ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die noch keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert hat, waren nach der in § 154 Abs. 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO zum Ausdruck kommenden Verteilung des Kostenrisikos der Klägerin nicht aufzuerlegen.

Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 i. V. m. § 47 Abs. 3 GKG festgesetzt (wie Vorinstanz). Die von der Beigeladenen angeregte Festsetzung auf 250.000 €, was 10% der Anlagenherstellungskosten entspreche (Schriftsatz vom 6.11.2014), wäre nicht sachgerecht. Es geht nicht um die vom Bauherrn beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung (Nr. 19.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der letzten Änderungen vom 18.7.2013 - „Streitwertkatalog 2013“), sondern um die von der Klägerin für ihre eigene Anlage befürchteten Beeinträchtigungen; hieraus ergibt sich die Bedeutung der Sache für die Klägerin (§ 52 Abs. 1 GKG). Klagen wegen solcher Beeinträchtigungen werden nach den Empfehlungen in Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs regelmäßig mit einem Streitwert von 15.000 € bedacht.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt mit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seit dem Jahr 2003 u. a. eine Windkraftanlage auf dem Grundstück FlNr. 276 der Gemarkung W. Sie wendet sich gegen zwei hinzukommende Windkraftanlagen der Beigeladenen, deren Errichtung und Betrieb das Landratsamt Schweinfurt mit - für sofort vollziehbar erklärtem - Bescheid vom 10. Juli 2013 immissionsschutzrechtlich genehmigt und hierbei eine Abweichung vom Abstandsflächengebot zugelassen hat (WEA 1 auf dem Grundstück FlNr. 288 der Gemarkung W., WEA 2 auf FlNr. 330, Gemarkung F.). Hinsichtlich einer mit demselben Bescheid genehmigten dritten Windkraftanlage der Beigeladenen macht die Klägerin keine Beeinträchtigung ihrer eigenen Anlage geltend. Von den Anlagen der Beigeladenen nicht betroffen ist die weitere Anlage der Klägerin (FlNr. 265, Gemarkung W.). Die drei genehmigten Windkraftanlagen stehen im räumlichen Zusammenhang mit acht weiteren im Gemeindebereich S. errichteten sowie drei - im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheids noch nicht genehmigten - Windkraftanlagen im Gemeindebereich G.; die streitigen Standorte liegen innerhalb der im Flächennutzungsplan der Gemeinde S. vorgesehenen Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen.

Ein von der Klägerin gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 9. August 2013 erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Juli 2013 blieb in beiden Instanzen erfolglos (zuletzt BayVGH, B. v. 19.3.2014 - 22 CS 14.6 -). Die Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. August 2014 abgewiesen.

Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, deren grundsätzliche Bedeutung und einen Verfahrensmangel geltend.

Der Beklagte hat beantragt, die Berufung nicht zuzulassen.

Die Beigeladene hat noch keinen Antrag gestellt und sich zur Sache noch nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten einschließlich Akten zum abgeschlossenen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (22 CS 14.6) Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 oder 5 VwGO) vorliegt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.

Solche Zweifel bestehen, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

1.1. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen, weil es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die Standsicherheit ihrer eigenen Anlage nach der Errichtung der strittigen Windkraftanlagen nachgewiesen sei (Antragsbegründung vom 25.11.2014, Nr. III.1, S. 13 ff. [S. 14 unten]). Damit kann sie nicht durchdringen. Die Darlegungen der Klägerin lassen einen derartigen Rechtsfehler nicht erkennen.

Das Verwaltungsgericht hat - der Genehmigungsbehörde folgend - die Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Windkraftanlagen gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG auch deshalb bejaht, weil von diesen Anlagen keine Gefahren oder erheblichen Nachteile im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für die benachbarte Anlage der Klägerin ausgehen. Es hat die Relevanz der (von der Klägerin allein geltend gemachten) nachteiligen Windverwirbelungen (Turbulenzen) namentlich deshalb verneint, weil diese - entgegen der Ansicht der Klägerin - die Standsicherheit von deren Anlage nicht gefährdeten. Seine Überzeugung hat das Verwaltungsgericht hierbei auf die im Genehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegte Stellungnahme des Gutachterbüros I17-Wind GmbH & Co. KG (kurz „I17-Wind“) vom 10. Juni 2013 gestützt, das nachvollziehbar und schlüssig zu einer entsprechenden Einschätzung gelangt sei. Auf Art. 10 BayBO (insb. Art. 10 Satz 3 BayBO) und auf die Anforderungen an den Nachweis der Standsicherheit ist das Verwaltungsgericht nur deshalb eingegangen, weil die Klägerin eingewandt hat, die genannte Stellungnahme vom 10. Juni 2013 tauge (wegen verschiedener geltend gemachter Fehler und Ungereimtheiten) nicht als Standsicherheitsnachweis. Den insoweit weiter aufrecht erhaltenen Bedenken der Klägerin ist nicht zu folgen.

Das Landratsamt hat sein Prüfungsergebnis, dass die streitigen Windkraftanlagen die Standsicherheit benachbarter Anlagen (auch der Anlage der Klägerin) nicht beeinträchtigen, auf die Stellungnahme des Büros I17-Wind vom 10. Juni 2013, die Einschätzungen der Fachbehörden und die Richtlinie des Deutschen Instituts für Bautechnik „Richtlinie für Windenergieanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung“ (DIBt-Richtlinie) als technische Baubestimmungen gestützt (vgl. S. 21 unten des angefochtenen Bescheids); hierauf hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - 22 CS 14.6 - juris, Rn. 9, hingewiesen und hinzugefügt, dass diese technischen Baubestimmungen auch dem Turbulenzgutachten des Gutachterbüros Fluid & Energy Engineering GmbH u. Co. KG (kurz „F2E“) vom 18. Juli 2012 zugrunde liegen, auf das sich die Klägerin beruft. Die grundsätzliche Eignung der DIBt-Richtlinie für die nach Art. 62 Abs. 3 BayBO erforderliche Prüfung zweifelt die Klägerin in ihrer Antragsbegründung weiterhin eben so wenig an wie die Richtigkeit der Einschätzungen in den Stellungnahmen des Büros F2E.

Zur Begründung ihrer Zweifel am Fehlen einer Beeinträchtigung ihrer eigenen Anlage führt die Klägerin an, dass die vom Büro I17-Wind (Stellungnahme vom 10.7.2013) für den Zustand nach dem Zubau der drei (bzw. zwei) streitigen Windkraftanlagen prognostizierte effektive Turbulenzintensität von nur 18,3% nicht nachvollziehbar sei. Denn das Büro F2E habe schon im April 2011 eine (ohne den Zubau weiterer Windkraftanlagen bestehende) effektive Turbulenzintensität von 22,5% und im Juli 2012 (gleichfalls ohne den Zubau weiterer Anlagen) eine solche von 24,421% ermittelt; beide Werte lägen deutlich über dem Auslegungswert von 20%, bei dessen Überschreitung die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet sei (Antragsbegründung, S. 18, Buchst. a). Dies vermag nicht zu überzeugen.

Eine Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität bedeutet zum Einen nicht in jedem Fall, dass die Standsicherheit der betreffenden Windkraftanlage in dem Sinn gefährdet ist, dass damit eine akute oder unter bestimmten, jederzeit potentiell eintretenden Betriebs- oder Umgebungsbedingungen bestehende Einsturzgefahr zu verstehen wäre. Vielmehr beziehen sich die sog. „Auslegungswerte“ nach der DIBt-Richtlinie auf eine bestimmte angenommene Lebensdauer der Windkraftanlage, nämlich die mit mindestens 20 Jahren angenommene sogenannte „Entwurfslebensdauer“ (vgl. DIBt-Richtlinie, Schriften des Deutschen Instituts für Bautechnik, Reihe B Heft 8, Fassung Oktober 2012, S. 7 und S. 24 vor Nr. 9.6.2); die DIBt-Richtlinie enthält auch Anforderungen bezüglich Inspektion und Wartung der Anlage, damit die Standsicherheit des Turms und der Gründung über die vorgesehene Entwurfslebensdauer sichergestellt wird (vgl. DIBt-Richtlinie, S. 6 unten); dies sieht auch die Klägerin selbst nicht anders (vgl. S. 33 unten der Antragsbegründung). Eine Turbulenzintensität oberhalb des Auslegungswerts einer Windkraftanlage führt somit nicht zwangsläufig zur Einsturzgefahr, sondern verursacht u. U. nur einen vorzeitigen Verschleiß der maschinentechnischen Teile der Anlage und gegebenenfalls einen erhöhten Überwachungs- und Wartungsaufwand (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Bbg, B. v. 4.2.2009 - OVG 11 S 53.08 - juris Rn. 6), kann also zu einer möglicherweise kürzeren Lebensdauer der Anlage bzw. dazu führen, dass die Kontrolle von deren Standsicherheit zu einem früheren Zeitpunkt als gewöhnlich besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass im Fall ihrer Anlage mit Folgen zu rechnen wäre, die über eine eventuelle Einschränkung der wirtschaftlichen Rentabilität (vgl. unten 1.2) hinausgingen.

Dem - wiederholten - eigenen Vortrag der Klägerin zufolge war der für die (vorliegend betroffene) Windkraftanlage der Klägerin geltende Auslegungswert (20%) infolge der - schon ohne die streitigen Windkraftanlagen bestehenden - Konfiguration der Windkraftanlagen im Windpark bereits im Juli 2012 um 4,421 Prozentpunkte (24,421%) überschritten (vgl. Antragsbegründung S. 4 und S. 18); der Zubau der streitigen Windkraftanlagen führt nach den von der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen des Büros F2E zu einer weiteren (geringen) Erhöhung der Turbulenzeffektivität auf 24,461%. Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, dass ihre im Sommer 2012 bereits seit ungefähr neun Jahren betriebenen Anlage durch die übrigen Anlagen im Windpark einem spürbar höheren Wartungs- und/oder Reparaturaufwand ausgesetzt oder gar in ihrer Standsicherheit akut bedroht worden wäre. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass Anhaltspunkte für spürbar höhere Betriebskosten in der Zukunft bestünden.

Zum Anderen ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin auch nicht, dass sich hieran gerade durch die bekämpften Windkraftanlagen der Beigeladenen in entscheidungserheblichem Maß etwas ändern wird. Vielmehr gilt weiterhin die - vom Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluss vom 19. März 2014 angeführte - eigene Wertung des Planungsbüros F2E (dessen Stellungnahmen die Klägerin der vom Landratsamt herangezogenen Einschätzung des Büros I17-Wind entgegensetzen will), wonach sich eine signifikante Erhöhung der effektiven Turbulenzintensitäten an der bestehenden Windkraftanlage nicht feststellen lässt und somit zu Recht formuliert wurde „Ein signifikanter Einfluss durch neu geplante WEA ist nicht vorhanden“ (F2E, ergänzende Stellungnahme vom 27.2.2013, S. 2 oben; vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2014 - 22 CS 14.6 - juris, Rn. 12). Die Auffassung, dass die von der Klägerin bekämpften zwei neu hinzukommenden Windkraftanlagen jedenfalls auf das Ausmaß der (eventuellen) Überschreitung des Auslegungswerts ihrer eigenen Anlage keinen oder allenfalls einen vernachlässigenswert geringen Einfluss haben, wird nicht nur im Gutachten des Büros I17-Wind, sondern auch vom Büro F2E vertreten. Die umfangreichen Ausführungen der Klägerin zu der behaupteten mehrfachen Fehlerhaftigkeit der Einschätzung des Büros I17-Wind vermögen daher diese Annahme nicht überzeugend zu erschüttern; eine weitere Behandlung dieser Ausführungen ist entbehrlich.

1.2. Der Vortrag der Klägerin zur Standsicherheit zielt nicht nur auf eine potentielle „akute Einsturzgefahr“, sondern auch (möglicherweise sogar hauptsächlich) auf die Vermeidung übermäßigen Verschleißes während der gesamten Lebensdauer der Windkraftanlage; sie macht geltend, im Hinblick auf den verfassungsrechtlich (Art. 14 GG) gebotenen Eigentumsschutz des Betreibers müsse ihm ermöglicht werden, seine Windkraftanlage noch innerhalb der Auslegungslasten zu betreiben, weil andernfalls Substanzverluste an der Anlage zu befürchten seien (vgl. Antragsbegründung, S. 33 unten bis S. 37 unten). Auch diese Überlegungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen.

Die Klägerin kann als Drittbetroffene der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht jedwede von den streitigen Windkraftanlagen ausgehenden Nachteile für ihre eigene Anlage entgegen halten, sondern - wie oben dargelegt und vom Verwaltungsgericht zutreffend gesehen worden ist - nur „erhebliche“ Nachteile im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geltend machen.

Angesichts dessen, dass zum Einen die Klägerin weder bisher bereits festgestellte oder befürchtete, aus der - schon vorhandenen - Überschreitung des maßgeblichen Auslegungswerts resultierende Beeinträchtigungen ihrer Anlagentechnik oder auch nur der „Windausbeute“ vorgetragen hat, und dass zum Andern der Einfluss der hinzukommenden streitigen Windkraftanlagen auf diese Überschreitung des Auslegungswerts als vernachlässigbar gering anzusehen ist, sind „erhebliche“ Nachteile in diesem Sinn vorliegend nicht dargelegt. Die von der Klägerin in der Antragsbegründung (S. 33 unten) aufgestellte These, eine auch nur unwesentliche Erhöhung des - ohne dass diesbezüglich von negativen Effekten berichtet worden wäre - bislang schon überschrittenen Auslegungswerts für die effektive Turbulenzintensität könne die Substanz der betroffenen Anlage beeinträchtigen (womit die Klägerin in gewisser Weise wohl meint, gerade die streitgegenständlichen zwei Windkraftanlagen hätten mit ihren nachteiligen Turbulenzeinflüssen „das Fass zum Überlaufen gebracht“), ist nicht belegt, hierfür sind keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Da die Darlegungen der Klägerin keine Anhaltspunkte für wesentliche Nachteile gerade durch den zusätzlichen Betrieb der strittigen Windkraftanlagen enthalten, bedarf es auch keiner Erörterung der (im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.3.2014 - 22 CS 14.6 - unter Nr. 2.3, Rn. 14 angesprochenen) Frage, ob und ggf. in welchem Ausmaß ein drittbetroffener Betreiber mehrerer Windkraftanlagen in einer Windkraftkonzentrationsfläche solche Nachteile hinnehmen muss, die von hinzukommenden Anlagen verursacht werden.

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin weist der vorliegende Rechtsstreit auch weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

2.1. Entgegen der Ansicht der Klägerin (Nr. 2.1 auf S. 37/38 der Antragsbegründung) ergeben sich die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten nicht daraus, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits offen seien, weil im Berufungsverfahren geklärt werden müsse, ob „alleine die Stellungnahme der Firma F2E geeignet“ sei zum Nachweis der Standfestigkeit der Windkraftanlage der Klägerin, und ob für diesen Nachweis insbesondere ausreiche, dass der bereits überschrittene „zulässige Höchstwert“ für die Turbulenzintensität durch den Zubau weiterer Anlagen „nicht signifikant“ erhöht werde. Beide Fragen stellen sich nach obigen Ausführungen gerade nicht: Die Frage der Standsicherheit bzw. der mangelnden Standsicherheit im Sinn einer „akuten Einsturzgefahr“ wird schon durch den eigenen Vortrag der Klägerin nicht aufgeworfen. Die Frage der Standsicherheit im Sinn der Gewährleistung einer 20-jährigen Lebensdauer durch Vermeidung übermäßigen Verschleißes stellt sich nach obigen Ausführungen deshalb nicht, weil es entscheidungserheblich nicht unmittelbar auf eine in diesem Sinn verstandene Lebensdauer ankommt, sondern darauf, ob „erhebliche Nachteile“ im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG abzuwehren sind. Dass vorliegend erhebliche Nachteile angesichts des vernachlässigenswert geringen Einflusses der hinzukommenden Windkraftanlagen auf die schon vorhandene Turbulenzintensität vorliegen, ist durch den Vortrag der Klägerin nicht erkennbar geworden.

2.2. Dass der Rechtsstreit besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweise, hat die Klägerin zwar behauptet (Nr. 2.2 auf S. 38 bis 40 der Antragsbegründung), aber nicht substantiiert begründet. Dass im konkreten Fall besonders schwierige Tatsachenfragen entscheidungserheblich seien, lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin weder mit (großem) Umfang des Beteiligtenvortrags belegen (vgl. BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 22 ZB 14.1673) noch mit den im Allgemeinen bestehenden Schwierigkeiten, die Standsicherheit von sich gegenseitig in den Windverhältnissen beeinflussenden Windkraftanlagen zu beurteilen. Soweit die Klägerin auf die Berufungszulassungen durch andere Oberverwaltungsgerichte hinweist, hat sie nicht herausgearbeitet, auf welcher - sowohl dort wie vorliegend - entscheidungserheblichen Tatsachenfrage diese Zulassungen beruhen.

3. Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, hat sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, dass eine Rechtsfrage nach der für die angefochtene oder erstrebte Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage vorliegend erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (zum Erfordernis des kumulativen Vorliegens dieser Voraussetzungen vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 35 bis 40). Entscheidungserheblich ist nach obigen Ausführungen allein, ob die von der Klägerin bekämpften Windkraftanlagen „erhebliche“ Nachteile im Sinn des Immissionsschutzrechts (aufgrund von zusätzlichen Turbulenzen) für die eigene Anlage der Klägerin verursachen. Zur Beantwortung dieser Frage reicht - wie dargelegt - die von der Klägerin nicht erschütterte fachliche Einschätzung aus, dass der Einfluss der streitigen Windkraftanlagen auf die vorhandene Turbulenzsituation so gering ist, dass er vernachlässigt werden kann. Einer grundsätzlichen Entscheidung darüber, ob die Standsicherheit verschiedener, sich gegenseitig beeinflussender Windkraftanlagen nur mit einem bestimmten Verfahren (Vergleich der standortspezifischen Lasten) überprüft werden kann, bedarf es nicht; die Frage würde sich nach den Darlegungen der Klägerin in einem Berufungsverfahren nicht stellen.

4. Auch ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin (Antragsbegründung Nr. 4 auf S. 41/42) nicht. Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags (S. 1 und 2 des Schriftsatzes vom 18.8.2014), der sich zum Einen auf die schon vor dem Zubau der strittigen Windkraftanlagen vorhandene, durch benachbarte Windkraftanlagen verursachte Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität, zum Andern auf die durch die streitigen Anlagen verursachte, mit negativem Einfluss auf die Standsicherheit der Windkraftanlage der Klägerin verbundene weitere Erhöhung der Turbulenzintensität bezieht, ist nicht prozesswidrig. Zum Einen ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass die Einwände der Klägerin gegen die gutachtliche Stellungnahme des Büros I17-Wind vom 10. Juni 2013 deswegen nicht die dort getroffene Einschätzung erschüttern können, weil auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin selbst für sich in Anspruch genommenen Äußerungen des Büros F2E nicht von einer Beeinträchtigung der Standsicherheit ausgegangen werden kann; hierauf hat im Übrigen auch das Verwaltungsgericht abgestellt (vgl. UA S. 8, Abschnitt 1). Zum Andern hat das Verwaltungsgericht seine Überzeugung, dass die streitigen Windkraftanlagen die Standsicherheit der Anlage der Klägerin nicht beeinträchtigen, „unabhängig von dem Turbulenzgutachten vom 10. Juni 2013“ gewonnen und sich dazu die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 19. März 2014 zu eigen gemacht (vgl. UA S. 8 unten bis S. 10 unten). Aus der Sicht des Verwaltungsgerichts kam es deshalb darauf, ob das „Turbulenzgutachten vom 10. Juni 2013“ an Mängeln leidet, nicht an.

Ob die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 11) generell zutreffen, die sich auf die - vom Verwaltungsgericht angenommene - „Sondersituation“ in einer Windkraftkonzentrationsfläche und die Risikoverteilung zwischen den im „Windpark“ bereits etablierten und den neu hinzukommenden Anlagenbetreibern beziehen, kann dahinstehen. Für den vorliegenden Fall sind sie nicht entscheidungserheblich, weil - unabhängig davon, ob das „Windhundprinzip“ gilt oder nicht - der negative Einfluss der bekämpften Windkraftanlagen auf die Anlage der Klägerin nicht das Ausmaß „erheblicher Nachteile“ im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erreicht, wie das Verwaltungsgericht auf S. 7 oben des Urteile einleitend ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die noch keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert hat, waren nach der in § 154 Abs. 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO zum Ausdruck kommenden Verteilung des Kostenrisikos der Klägerin nicht aufzuerlegen.

Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 i. V. m. § 47 Abs. 3 GKG festgesetzt (wie Vorinstanz). Die von der Beigeladenen angeregte Festsetzung auf 250.000 €, was 10% der Anlagenherstellungskosten entspreche (Schriftsatz vom 6.11.2014), wäre nicht sachgerecht. Es geht nicht um die vom Bauherrn beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung (Nr. 19.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der letzten Änderungen vom 18.7.2013 - „Streitwertkatalog 2013“), sondern um die von der Klägerin für ihre eigene Anlage befürchteten Beeinträchtigungen; hieraus ergibt sich die Bedeutung der Sache für die Klägerin (§ 52 Abs. 1 GKG). Klagen wegen solcher Beeinträchtigungen werden nach den Empfehlungen in Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs regelmäßig mit einem Streitwert von 15.000 € bedacht.


Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer 2005 errichteten Windenergieanlage gegen eine ihr nachträglich im Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung ihrer Anlage bei Wind aus Südsüdost.

2

Die Klägerin betreibt in dem inzwischen aus neun Windenergieanlagen (im Folgenden WEA) bestehenden Windpark H. seit 2005 mehrere Anlagen, darunter auch die WEA 2 auf dem Flurstück Nr. …. Die Beigeladene ist die Rechtsnachfolgerin der T., die auf den nördlich des Flurstücks Nr. … gelegenen Flurstücken Nrn. … und … – ebenfalls im Windpark H. – eine Windenergieanlage betreibt (WEA 7). Die im Jahr 2013 errichtete WEA 7 befindet sich nordnordwestlich der WEA 2 in einem Abstand von weniger als 150 m.

3

Die Verfahren zur Genehmigung der beiden Anlagen (WEA 2: Typ Enercon E-70 E 4 [Nabenhöhe – NH – 98 m, Rotordurchmesser – RD – 70 m] und WEA 7: Typ Enercon E-70 E4 [2,3 MW Nennleistung, NH 85 m und RD 71 m) stellen sich im Überblick im Wesentlichen wie folgt dar:

Flurstück Nr. … (WEA 2)

Flurstücke Nrn. …, … (WEA 7)

                 
        

23. September 2002
positiver Bauvorbescheid an T. für WEA Nordex N 90
(2,5 MW, NH 100 m, RD 90 m)

                 

16. Januar 2003
Baugenehmigung für WEA Typ Vestas V 80 (2,0 MW, NH 100 m, RD 80 m)

        
                 
        

20. Juli 2004
Baugenehmigung an T. [auf Antrag vom 5. Mai 2004]
für WEA Typ Enercon E-66/20.70 (2,0 MW, NH 85 m, RD 70 m)

                 

6. September 2004
Tekturgenehmigung für WEA Typ GAMESA EOLICA G 80-2.0 MW
28. September 2004
Tekturgenehmigung für Anlagentyp Enercon E-70 E4 (NH 98 m, Gesamthöhe 134,5 m)
28. Oktober 2004
Änderungs-Baugenehmigung für die WEA E-70-E 4 (Gesamthöhe 134,5 m),
Standortverschiebung nach Osten um 79 m, neue Koordinaten HW …/RW …
29. April 2005
Fertigstellungsanzeige

        
                 
        

12. Juni 2008
Verlängerungsbescheid zur Baugenehmigung
vom 20. Juli 2004 bis 20. Juli 2012

                 

18. Juli 2008
Ergänzende Auflage zur Baugenehmigung für E-70 E4:
Abschaltverpflichtung bei Wind von 6 – 14 m/s
für die Sektoren 328° +/- 27° und 148° +/- 27° mit dem Zusatz:
„Die Auflage tritt nur dann in Kraft, soweit die mit Änderungsbaugenehmigung
vom 2. August 2004 genehmigte Windenergieanlage der Fa. T. vom Typ
Enercon E-66/20.70 … tatsächlich errichtet und in Betrieb genommen wird.“

        
                 
        

20. April 2012
Baugenehmigung an die T. für die Errichtung einer WEA Typ
Enercon E-70 E4– auf Antrag vom 29. Februar 2012 –
(2,3 MW, NH 85 m, RD 71 m)

        

15. November 2012
Baubeginnanzeige

                 

31. Mai 2013
Ergänzende Auflage:
Abschaltverpflichtung bei Wind aus SSO (147,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)

31. Mai 2013
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für
E-70 E4 mit der Auflage: Abschaltverpflichtung bei Wind aus NNW
(327,1° +/- 32,7° bei 4-14 m/s)

                 
        

2013
Fertigstellung der Anlage

        

25. Februar 2014
Änderungsgenehmigung: bloß
Abregelungsverpflichtung bei Wind aus NNW

4

Die an die Klägerin adressierte ergänzende Auflage vom 18. Juli 2008 erging im Rahmen des Verfahrens des Widerspruchs der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gegen die der Klägerin erteilte Genehmigung vom 16. Januar 2003. Zur Begründung des Widerspruchs wurde ausgeführt, dass die später genehmigte Anlage der Klägerin den Mindestabstand unterschreite. Daraufhin gab der Beklagte im November 2006 der Klägerin auf, die Standsicherheit der der Fa. T. genehmigten Anlage E-66/20.70 auch bei Ausnutzung der der Klägerin genehmigten Anlage nachzuweisen. In der gutachterlichen Stellungnahme des TÜV Nord zur Turbulenzbelastung im Windpark H. vom Dezember 2007 heißt es auf S. 9 f:

5

„Die Standsicherheit der betroffenen WEA 2 und 7 kann in der geplanten Konfiguration durch Ausschluss des Betriebes in der Nachlaufströmung der verursachenden WEA gewährleistet werden. Dies kann durch das Abschalten der jeweils verursachenden WEA bei Auftreten der entsprechenden Nachlaufsituation erreicht werden.

6

Da die Lasten bei einer abgeschalteten WEA (Trudelbetrieb) auch in der erhöhten Turbulenz der Nachlaufströmung der Nachbar-WEA geringer sind als im Betrieb bei ungestörter Anströmung, kann alternativ die betroffene WEA selbst abgeschaltet werden.

7

Das Abschalten wird bei Windgeschwindigkeiten von 6 bis 14 m/s aus folgenden Windrichtungen erforderlich:

8

- WEA 7 oder WEA 2 bei Wind aus 328° +/- 27° (301° bis 355°) und

9

- WEA 2 oder WEA 7 bei Wind aus 148° +/- 27° (121° bis 175°)“.

10

Die hier streitgegenständliche Regelung vom 31. Mai 2013 erging im Rahmen des Verfahrens zum Widerspruch der Klägerin gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilten Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012. Zu dessen Begründung wurde ausgeführt: Die jetzt genehmigte Anlage E-70 E 4 weiche von der bisher genehmigten Anlage E-66/20.70 ab. Die der Klägerin gegenüber am 18. Juli 2008 ergänzend auferlegte Abschaltverpflichtung beziehe sich ausdrücklich nur auf die zuvor genehmigte Anlage E-66/20.70. Sie habe sich durch die Änderung des Anlagentyps auf Seiten der Fa. T. erledigt. Diese Neugenehmigung führe zu einer Beeinträchtigung des Betriebs ihrer eigenen Anlage. Es sei daher notwendig, der Fa. T. wegen des Nachrangs ihrer Genehmigung Abschaltverpflichtungen zum Schutz der WEA 2 aufzuerlegen.

11

Die Kreisverwaltung setzte daraufhin die Vollziehung der Baugenehmigung vom 20. April 2012 aus und forderte die Beigeladene auf, die Auswirkungen der genehmigten WEA 7 (E-70 E4) auf die WEA 2 und andere Folgewirkungen gutachterlich untersuchen zu lassen. Das vorgelegte Gutachten des TÜV Nord vom 21. Februar 2013 empfahl die Abschaltung der WEA 7 bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s sowohl für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° als auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7°, in letzterem Fall zum Selbstschutz der WEA 7. Auf Nachfrage der Kreisverwaltung teilte der TÜV Nord mit, dass alternativ zur Abschaltung der WEA 7 zur Gewährleistung der Standsicherheit beider Anlagen auch eine teilweise oder vollständige Abschaltung der WEA 2 möglich sei.

12

Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 hob die Kreisverwaltung die Baugenehmigung vom 20. April 2012 auf und erteilte der Beigeladenen als Rechtsnachfolgerin der Fa. T. nunmehr die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der WEA vom Typ Enercon E-70 E4 (NH 85 m, RD 71 m) und erlegte ihr eine Abschaltverpflichtung bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 327,1° +/- 32,7° (294° bis 359,8°) auf. Eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° wurde für den Fall vorbehalten, dass die Gefahr nicht durch die Inanspruchnahme von Dritten beseitigt werde.

13

Ebenfalls mit Bescheid vom 31. Mai 2013 wurde der Klägerin die hier angefochtene nachträgliche Auflage zur Baugenehmigung vom 16. Januar 2003 in der Fassung der Änderungsgenehmigungen dahingehend erteilt, dass sie ihre Anlage bei Windgeschwindigkeiten von 4 bis 14 m/s für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (114,4° bis 179,8°) abzuschalten habe. Zur Begründung führte die Behörde aus: Die der Klägerin mit Bescheid vom 18. Juli 2008 gemachte Auflage habe sich inzwischen erledigt, da diese von der Errichtung der der Fa. T. ursprünglich genehmigten Anlage Enercon E-66 abhängig gewesen sei. Dennoch bleibe es dabei, dass von der WEA 2 bei einem bestimmten Abschaltsektor eine Gefahr für die benachbarte WEA 7 ausgehe. Hinsichtlich der Bewältigung der Gefahrenlage sei der Grundsatz der Rücksichtnahme und der geeigneten Ursachenzumessung maßgeblich. Danach sei die Klägerin für die Auswirkungen bei Winden aus Südsüdost, die Beigeladene hingegen für die Auswirkungen der Winde aus Nordnordwest verantwortlich.

14

Für den Erlass des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2013 erhob die Klägerin mit Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 275,75 €.

15

Die Klägerin legte sowohl gegen die ergänzende Auflage zu der ihr erteilten Baugenehmigung als auch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung an die Beigeladene Widerspruch ein und wiederholte darin im Wesentlichen ihre Auffassung, dass nach Errichtung der der Beigeladenen genehmigten WEA Typ Enercon E-70 E4 allein die Beigeladene zur Bewältigung der Gefahrenlage durch entsprechende Abschaltverpflichtungen der WEA 7 verantwortlich sei.

16

Nachdem der TÜV Nord in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2013 festgestellt hatte, dass die Standsicherheit der WEA 2 in der Nachlaufströmung der WEA 7 statt durch Abschaltung der WEA 7 auch durch näher beschriebene Abregelungen (Pitchen) gewährleistet werden kann, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 25. Februar 2014 eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 wies der Kreisrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin dadurch, dass die Abschalt- bzw. Abregelungsanordnung gegenüber der Beigeladenen auf den Windsektor aus Nordnordwest (327,1° +/- 32,7°) beschränkt und ihr gegenüber eine Abschaltverpflichtung für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° (Südsüdost) auferlegt worden sei, nicht in ihren Rechten verletzt sei. Rechtsgrundlage für die nachträgliche Anordnung gegenüber der Klägerin sei § 85 LBauO. Die darin geforderte erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit gehe bei Wind aus dem Sektor 147,1° +/- 32,7° von der Anlage der Klägerin (WEA 2) für die Anlage der Beigeladenen (WEA 7) aus. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, der Klägerin auch eine Abschaltverpflichtung zum Schutz der nunmehr der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 aufzuerlegen. Es träfen hier Pflichten von Bauherren verschiedener baulicher Anlagen aufeinander. Bei Zusammentreffen konkurrierender Anlagen habe die Behörde eine sachgerechte Auswahl im Hinblick auf die Verteilung der Rücksichtnahmepflichten zu treffen. Die Klägerin habe ihre Windenergieanlage in eine vorbelastete Situation hinein errichtet, denn ihr sei bei Erteilung der Baugenehmigung bekannt gewesen, dass eine weitere Anlage hinzukommen werde. Schon aufgrund des Bescheides vom 18. Juli 2008 habe die Klägerin Rücksicht auf die der Beigeladenen (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) erteilten Genehmigung nehmen müssen. Bei der nun der Beigeladenen genehmigten Anlage handele es sich auch nicht um ein Aliud, sondern um das Nachfolgemodell zur E-66. Soweit von der nunmehr genehmigten E-70 E4 Beeinträchtigungen für die Windenergieanlage der Klägerin bei bestimmten Windrichtungen zu befürchten seien, seien die erforderlichen Abhilfemaßnahmen allein der Beigeladenen auferlegt worden. Der gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 erhobene Widerspruch sei ebenfalls nicht begründet.

18

Mit ihrer am 18. März 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin einerseits den ergänzenden Auflagenbescheid vom 31. Mai 2013 und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 angefochten und andererseits auch die an die Beigeladene gerichteten Bescheide vom 31. Mai 2013 und vom 25. Februar 2014 angegriffen. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 getrennt und zunächst nur die Anfechtungsklagen gegen die an die Klägerin adressierten Bescheide verhandelt. Im Übrigen hat es das Verfahren ausgesetzt.

19

Zu dem abgetrennten Komplex hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, die nachträglich mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 85 LBauO seien nicht gegeben. Zwar bestehe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Auswahl der zur Abwendung dieser Gefahr Verantwortlichen sei jedoch fehlerhaft erfolgt. Ermessensgerecht sei allein, den Letztverursacher vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die letzte Ursache für die Unverträglichkeit des parallelen Betriebs der WEA 2 und WEA 7 sei jedoch durch die Genehmigung der E-70 zugunsten der Beigeladenen gesetzt worden.

20

Die Klägerin hat beantragt,

21

die Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2013 und vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 aufzuheben.

22

Der Beklagte hat unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, die angefochtenen Bescheide jedoch verteidigt.

25

Das Verwaltungsgericht hat der (abgetrennten) Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2015 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung sei rechtswidrig. Der Beklagte könne sich insofern nicht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO berufen. Einschlägig sei vielmehr die immissionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG. Zum Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 BImSchG sei indes nicht der Beklagte, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion zuständig. Die Windenergieanlage der Klägerin unterliege nach der Übergangsregelung in § 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG ab dem 1. Juli 2005 dem Immissionsschutzrecht, was auch für das immissionsschutzrechtliche Überwachungsinstrumentarium gelte. Dies habe zur Folge, dass § 17 Abs. 1 BImSchG auch für solche Windkraftanlagen gelte, für die ursprünglich eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Zwar stelle § 17 BImSchG keine Spezialregelung dar, die die polizei- oder ordnungsrechtlichen Vorschriften stets verdränge. Das Instrument der nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG diene der Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten. Demgegenüber könnten nachträgliche Anordnungen nach § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO nur zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit angeordnet werden, denen typischerweise bauordnungsrechtlich zu begegnen sei. Soweit eine Maßnahme auf § 17 BImSchG gestützt werden könne, blieben ordnungsrechtliche Vorschriften daher außen vor. Dies müsse auch dann gelten, wenn neben immissionsschutzrechtlichen auch bauordnungsrechtliche Gründe für das nachträgliche Einschreiten gegeben seien, die immissionsschutzrechtlichen Gründe aber im Vordergrund stünden. Letzteres sei hier der Fall, da es primär um die Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten gehe. Der Beklagte habe mit seiner Verfügung zum Ausdruck gebracht, dass von der Windenergieanlage der Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen. Dass damit auch Fragen der Standsicherheit i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO im Raum stünden, ändere nichts daran, dass die getroffene Anordnung maßgeblich aus Gründen des Immissionsschutzrechts getroffen werde. Infolgedessen sei auch der damit zusammenhängende Kostenbescheid rechtswidrig.

26

Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Die der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2013 nachträglich auferlegte Abschaltverpflichtung sei zu Recht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO gestützt worden. Denn es solle mit dieser Verfügung keine immissionsschutzrechtliche Verpflichtung, sondern vielmehr eine Anforderung aus dem Bauordnungsrecht durchgesetzt werden. Maßgebliches Ziel der Verfügung sei es nämlich, die Anforderungen an die Standsicherheit nach § 13 LBauO durchzusetzen. Die Verfügung sei auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Klägerin rechtlich nicht zu beanstanden. Die getroffene Lastenverteilung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sei sachgemäß. Bei der der Beigeladenen genehmigten Windenergieanlage Enercon E-70 handele es sich nicht um ein Aliud zur früheren Anlage, vielmehr sei die E-70 die Nachfolgeanlage zur Enercon E-66 mit nur geringen technischen Änderungen. Daraus ergebe sich keine Notwendigkeit zur Durchführung eines völlig neuen Genehmigungsverfahrens. Soweit der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen aus dem Jahr 2013 Änderungen hinsichtlich der Abschaltsektoren und der Windgeschwindigkeit errechnet habe, sei dies im Wesentlichen auf Änderungen des Rechnungsmodus seit dem Erstgutachten im Jahr 2007 zurückzuführen. Dies habe der TÜV Nord auf ergänzende Anfrage bestätigt. Im Übrigen ergäben sich kleine Abweichungen daher, dass bei den neueren Berechnungen der Abstand der beiden Anlagen WEA 2 und WEA 7 korrekt um 6 m reduziert worden sei.

27

Der Beklagte beantragt,

28

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 abzuweisen.

29

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

30

die Klage gegen die Bescheide vom 31. Mai 2013 und 27. Juni 2013 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Dezember 2015 abzuweisen.

31

Zur Begründung führt sie aus, dass die Bauaufsichtsbehörde zum Erlass der nachträglichen Anordnung zuständig gewesen sei. Denn hier hätten bauordnungsrechtliche Fragen der Standsicherheit im Vordergrund gestanden. In der Sache sei die von der Behörde getroffene Lastenverteilung rechtlich nicht zu beanstanden. Für sie [die Beigeladene] streite das Prioritätsprinzip. Ihr sei im Jahr 2002 erstmals ein positiver Bauvorbescheid für die Errichtung einer Windenergieanlage auf den Flurstücken Nrn. 1993 und 1994 erteilt worden. Im Anschluss daran sei sie ununterbrochen im Besitz einer Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage gewesen. Bei der Umstellung von der E-66 auf die E-70 handele es sich nicht um ein Aliud, sondern bloß um eine Weiterentwicklung. Die E-70 verursache sogar geringere Turbulenzen als das Vorgängermodell. Das Vorhaben der Klägerin sei demgegenüber nicht prioritär. Folgerichtig hätte die Klägerin daher sogar die vollständige Verantwortung zur Gefahrenbeseitigung treffen müssen. Dann sei aber jedenfalls die von dem Beklagten getroffene Lastenverteilung von der Klägerin nicht zu beanstanden.

32

Die Klägerin beantragt,

33

die Berufungen zurückzuweisen.

34

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. § 17 BImSchG sei auch dann anwendbar, wenn zumindest auch immissionsschutzrechtliche Pflichten durchgesetzt werden sollten, wie hier. Im Übrigen sei es verfehlt, sie für die Bewältigung von Problemen wegen der Nähe ihrer Anlage zu der der Beigeladenen genehmigten Anlage E-70 E4 in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte gehe zu Unrecht weiterhin von einer Priorisierung der Windenergieanlage der Beigeladenen aus. Bei der Anlage E-70 handele es sich um eine in wesentlicher Hinsicht andere Anlage als die zuvor genehmigte E-66/20.70. Es hätte daher eines neuen Genehmigungsverfahrens bedurft. Wie sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen der F. vom 16. Mai 2014 und vom 22. Juli 2016 ergebe, komme es für die Beurteilung von Turbulenzerhöhungen durch eine geänderte Anlage nicht nur auf die Nabenhöhe und den Rotordurchmesser der Anlage an. Wesentlich sei auch der Schubbeiwert des Rotors. Insofern unterschieden sich die Schubbeiwerte bei den Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-66/20.70 und Enercon E-70 E4 jedoch deutlich. Der neue Rotor der Anlage E-70 E4 erbringe eine höhere Windausbeute, was auch zu einem veränderten Strömungsverlauf führen müsse.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

36

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.

37

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

38

Die angefochtene ergänzende Auflage im Bescheid vom 31. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Demzufolge kann auch der hierauf gestützte Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Juni 2013 keinen Bestand haben.

39

1. Die ergänzende Anordnung vom 31. Mai 2013 war indes nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sie als dafür zuständige Bauaufsichtsbehörde auf die bauordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 85 LBauO gestützt hat.

40

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war er hieran nicht durch eine vorrangige Anwendbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 17 BImSchG gehindert, wofür – anders als für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen – nicht die Kreisverwaltung, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion sachlich zuständig wäre (vgl. § 1 Abs. 1 und Nr. 1.1.8 der Anlage der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes (ImSchZuVO) vom 14. Juni 2002 i.d.F. des Gesetzes vom 6. Oktober 2015 (GVBl. S. 283; die Zuständigkeit der Kreisverwaltung für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen ergibt sich aus Nr. 1.1.1 der Anlage zum ImSchZuVO).

41

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen getroffen werden. Nach ihrem klaren Wortlaut beschränkt sich diese Ermächtigung auf die Erfüllung immissionsschutzrechtlicher Verpflichtungen, also der Pflichten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 BImSchG. Hinsichtlich der Pflichten aus anderen Vorschriften außerhalb des BImSchG ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass zu deren Vollzug die hierfür zuständigen Behörden berufen sind. Die Konzentrationswirkung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen nach § 13 BImSchG erstreckt sich nur auf die präventive Kontrolle; nach Erteilung der Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden zurück (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 25. Juli 2011 – 4 ME 175.11 –, NuR 2011, 891 und juris, Rn. 4; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 79. EL 2016, § 13 BImSchG, Rn. 117 und 120; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 13 Rn. 25 und § 17 Rn. 20). Beim Verstoß gegen Pflichten sowohl aus dem BImSchG als auch aus anderen Vorschriften kann § 17 BImSchG anwendbar sein, dann aber gegebenenfalls parallel zu anderen Ermächtigungsnormen (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 17 Rn. 26; Jarass, a.a.O., § 17 Rn. 20). Derselbe Sachverhalt kann Anlass für verschiedene Behörden zum Einschreiten sein. Die Berechtigung hierzu hängt von der Zielrichtung der Maßnahme ab. Dient eine Maßnahme der Durchsetzung baurechtlicher Anforderungen, so ist - jedenfalls auch - die Bauaufsichtsbehörde zuständig (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 1994 – 10 A 4084/92 –, BauR 1995, 372, LS 1 und 2; Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 17 Rn. 44 f.).

42

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parallelität der Eingriffsermächtigungen dann eine Einschränkung verlangt, wenn der Pflichtenverstoß sein Schwergewicht eindeutig in einem der einschlägigen Rechtsregime hat. Denn ein solcher Fall liegt hier zugunsten des immissionsschutzrechtlichen Pflichtenkreises nicht vor. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts standen bei dem Einschreiten des Beklagten nicht immissionsschutzrechtliche Gründe im Vordergrund. Zwar können die Turbulenzwirkungen einer Windenergieanlage auf Nachbaranlagen durchaus als schädliche Umwelteinwirkungen aufgefasst werden. Insbesondere aus dem Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015, in dessen Gestalt die Abschaltanordnung vom 31. Mai 2013 Gegenstand der Anfechtungsklage ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ergibt sich indessen eindeutig, dass der Beklagte wegen Gefahren für die Standsicherheit der benachbarten Anlagen und damit zur Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Verpflichtungen eingeschritten ist (vgl. S. 8 und S. 10 des Widerspruchsbescheids). Denn § 13 Abs. 1 Satz 2 LBauO verlangt, dass durch eine bauliche Anlage die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Ausrichtung des aufsichtsbehördlichen Vorgehens auf Fragen der Standsicherheit wird schließlich auch durch die gutachterlichen Stellungnahmen des TÜV Nord bestätigt. Danach hat sich der Gutachtenauftrag auf die Beurteilung der Standsicherheit der Windenergieanlagen bezogen (vgl. S. 5 der Stellungnahme vom 20. Dezember 2013). Aufgrund fehlender Kriterien für einen Immissionsgrenzwert für die durch eine Nachbar-WEA erhöhten Turbulenzbelastungen haben die Gutachter auf Kriterien der Standsicherheit abgestellt. Danach werde ein auf erhöhte Turbulenzintensität rückführbarer zusätzlicher Verschleiß einer Windenergieanlage dann als zumutbar angesehen, solange die Standsicherheit für 20 Jahre gewährleistet bleibe (a.a.O., S. 5). Damit stellen die Gutachter klar, dass im Kern der Untersuchung Fragen zur Standsicherheit der benachbarten Windenergieanlagen standen. Auf dieser Grundlage ist die Behörde eingeschritten.

43

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO liegen vor.

44

Nach dieser Vorschrift können bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen nachträglich Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist.

45

Hier drohen durch den Betrieb der Windenergieanlage der Klägerin erhebliche Gefahren für das Eigentum an Sachen. Konkret können infolge der durch die WEA 2 im Nachlauf ausgelösten Turbulenzen Beeinträchtigungen für die Standsicherheit benachbarter Windenergieanlagen auftreten. Wie der TÜV Nord in seinen Stellungnahmen ausgeführt hat, sind für die Belastung, Haltbarkeit und den Betrieb von Windenergieanlagen vor allem die Windbedingungen maßgeblich. Hierfür ist neben der vorhandenen Umgebungsturbulenzintensität in einer Windzone auch der Einfluss der Nachlaufsituationen benachbarter Windenergieanlagen ausschlaggebend. Dies kann bei der betroffenen Anlage zu schnellerem Verschleiß von Anlagenteilen und zur Beeinträchtigung ihrer Standsicherheit führen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 5 f; auch: OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 15). Aufgrund der Berechnungen des TÜV Nord steht fest, dass bei den Anlagen der Klägerin (WEA 2) und der Beigeladenen (WEA 7) wegen ihres geringen Abstands von unter 150 m die – unter Berücksichtigung anlagenspezifischer Parameter, wie etwa dem Schubbeiwert, ermittelten – effektiven Turbulenzintensitäten die aus der Umgebungsturbulenzintensität hergeleiteten Auslegungswerte überschreiten und damit eine Gefährdung der Standsicherheit der jeweils betroffenen Windenergieanlage begründen (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 6 f. und S. 15 bis 18). Dies bedeutet, dass bei einem bestimmten Windsektor und bestimmten Windgeschwindigkeiten die im Nachlauf der anderen Anlage stehende Windenergieanlage in ihrer Standsicherheit beeinträchtigt wird.

46

3. Der angefochtene Bescheid vom 31. Mai 2013 erweist sich allerdings deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte von dem ihm in § 85 Abs. 1 LBauO eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO).

47

Der Beklagte hat nämlich bei der Abgrenzung der Verantwortung für die Bewältigung des Konflikts durch den Betrieb zweier unverträglich naher Windenergieanlagen den für eine sachgerechte Lastenverteilung maßgebenden Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens nicht in der gebotenen Weise beachtet. Danach hat der Betreiber derjenigen Anlage die Verantwortung zur Konfliktbewältigung und die damit verbundenen Lasten zu tragen, der durch die Realisierung seines Projekts die letzte Ursache für die Entstehung des Konflikts setzt. Dies war hier die Beigeladene, die für ihr im Jahr 2012 genehmigtes und begonnenes Vorhaben auf die bereits seit 2005 betriebene Anlage der Klägerin traf.

48

a) Weil der Betrieb einer Windenergieanlage wegen der geschilderten Turbulenzeffekte zu Beeinträchtigungen benachbarter Windenergieanlagen führen kann, bedarf es geeigneter Maßnahmen, um den dadurch ausgelösten Konflikt zu bewältigen. Dabei kommt als erstes die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes zwischen den Windenergieanlagen in Betracht. Insofern wird eine Distanz der fünffachen Länge des Rotordurchmessers für ausreichend erachtet (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 7 B 2180/99 –, NVwZ 2000, 164 und juris, Rn. 6; Gatz, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2013, Rn. 358). Nach den Ausführungen des TÜV Nord kann die Gefahr von Beeinträchtigungen durch Turbulenzeffekte aber nicht nur durch gehörigen Abstand der Anlagen und damit den Verzicht auf einen der zu dicht gelegenen Standorte abgewendet werden. In Betracht kommen auch Abschalt- bzw. Abregelungsverpflichtungen. So können schädliche Turbulenzeffekte einmal durch die Abschaltung der zuvorderst im Wind stehenden Anlage zugunsten der dahinterstehenden Anlage vermieden werden (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom 20. Dezember 2013, S. 17 f.). Gefahren für die Standsicherheit kann aber auch durch Abschalten der dahinterstehenden Anlage – zu ihrem Selbstschutz – begegnet werden, weil die Lasten einer abgeschalteten Windenergieanlage (Trudelbetrieb) auch bei einer erhöhten Turbulenz durch die auf der Luvseite stehenden Anlage gering sind (vgl. TÜV Nord, Stellungnahme vom Dezember 2007, S. 10, sowie ergänzende Stellungnahme des TÜV Nord vom 7. Januar 2014, Bl. 221 der Behördenakte „…“). Die Gefahrenabwehr kann also einmal aktiv durch Unterbinden der Turbulenzwirkungen bei der störenden Anlage erfolgen. Sie kann aber auch passiv durch Abschalten der gestörten Anlage geschehen.

49

Zu der Frage, wem die Lasten der Konfliktbewältigung – durch Verzicht auf einen Standort oder durch Abschaltverpflichtungen und damit einhergehender geringerer Energieausbeute – aufzuerlegen sind, finden sich weder im Immissionsschutzrecht noch im Baurecht Regelungen. Anforderungen an die Ermessenssteuerung können daher nur aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet werden. Für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge und der Annahme, dass sich auf den gewählten Standorten nur eine der Anlagen realisieren lässt, sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung folgende Grundsätze anerkannt: Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangen eine willkürfreie und sachgerechte Auswahl bzw. Reihung unter den sich ausschließenden Genehmigungsanträgen. Dabei erweist sich der Gesichtspunkt der Priorität konkurrierender Anträge grundsätzlich als sachgerechtes Kriterium, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung hiervon rechtfertigen (vgl. OVG Nds., Urteil vom 26. September 1991 – 1 L 74 und 75/91 –, juris, Rn. 82; OVG MV, Beschluss vom 28. März 2008 – 3 M 188/07 –, BauR 2008, 1562 und juris, Rn. 31 f.; ThürOVG, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 1 EO 35/12 –, ZNER 2012, 443 und juris, Rn. 30 f.; OVG RP, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 B 10139/14.OVG –, BauR 2014, 1133 und juris, Rn. 21). Vorrang wird dem zuerst gestellten Antrag allerdings nur dann zuerkannt, wenn ihm vollständige und prüffähige Unterlagen beigefügt sind (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 493; Sittig, in: Maslaton, Windenergieanlagen, Kap. 2 Rn. 217 ff, jeweils m.w.N.).

50

Diese Grundsätze können auch bei der Frage nach der Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung durch Abschaltverpflichtungen angewendet werden. Danach ist es grundsätzlich sachgerecht, dass derjenige Rücksicht zu nehmen und Nachteile zu tragen hat, der mit seinem Vorhaben an eine bereits bestehende Anlage heranrückt. Gleichermaßen unterliegt er Rücksichtnahmepflichten, wenn er mit seinem Vorhaben auf eine vorhandene Genehmigungslage trifft, weil für den in einer Entfernung unterhalb des fünffachen Rotordurchmessers gelegenen Nachbarstandort bereits eine Genehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage erteilt worden ist. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte abgestellt, wenn er gegenüber der Klägerin geltend macht, sie habe ihre Windenergieanlage in einer – durch die Genehmigung der Anlage auf den Flurstücken Nrn. … und … (WEA 7) – vorbelasteten Situation errichtet.

51

Indes ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Vorrang zugunsten der zuerst beantragten bzw. genehmigten Anlage entfällt, sobald dieses erste Vorhaben später wesentlich geändert wird (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011 – 1 EO 69/11 –, ZNER 2011, 649 und juris, Rn. 42 – für den Fall der Konkurrenz paralleler Genehmigungsanträge –; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217 ff.). Gründe der Chancengleichheit und der Vermeidung von Umgehungen des Prioritätsgrundsatzes verlangen hier eine neue Reihung der konkurrierenden Vorhabenträger. Darüber hinaus ist zu bedenken, ob sich der Vorrang zugunsten des zeitlich früheren Vorhabens nicht nur bei der erstmaligen Genehmigungserteilung und dann nur für die Dauer deren Wirksamkeit durchsetzt.

52

b) Im vorliegenden Fall ist der ursprüngliche Vorrang zugunsten der auf dem Standort der WEA 7 genehmigten Anlage bereits dadurch entfallen, dass dort nunmehr eine andere, wesentlich geänderte Anlage geplant und genehmigt worden ist.

53

Für die Frage, wann eine wesentliche, die ursprüngliche Vorrangstellung vernichtende Anlagenänderung vorliegt, kann auf § 16 BImSchG abgestellt werden. Denn die Notwendigkeit einer neuen präventiven Prüfung markiert ähnlich wie die erstmalige Vorlage prüffähiger Unterlagen den für die Reihung konkurrierender Vorhaben maßgebenden Zeitpunkt. Mit der wesentlichen Änderung der zunächst eingereichten Unterlagen entfällt die Rechtfertigung einer Vorrangstellung gegenüber einem ursprünglich später eingereichten, dann aber unverändert gebliebenen Vorhaben (vgl. Gatz, a.a.O., Rn. 495).

54

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegt eine wesentliche – und damit genehmigungs- und nicht bloß nach § 15 BImSchG anzeigepflichtige – Änderung vor, wenn durch die Änderung (der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs) der Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist eine Genehmigung nur dann nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen sichergestellt ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Genehmigungsverfahren immer bereits dann notwendig, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können; die bloße Möglichkeit solcher Auswirkungen reicht somit aus (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 190. Aktualisierung 2016, § 16 BImSchG, Rn. 34).

55

Derart wesentliche Auswirkungen sind regelmäßig bei Verschiebungen des Standorts und der Änderung des Anlagentyps von Windenergieanlagen zu erwarten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 45; OVG NRW, Beschluss vom 25.Februar 2015 -8 A 959/10-, BauR 2015, 1138 und juris Rn. 113 [Ersetzung einer Windenergieanlage Typ Enercon E 66/18.70 durch eine E-70 E4 - 2,0 MW, RD 71m – als Neuerrichtung]). Denn in diesen Fällen sind insbesondere die zu erwartenden Turbulenzeffekte einer erneuten Prüfung zu unterziehen (vgl. ThürOVG, ebenda). Eine solche Prüfung ist hier von dem Beklagten auch veranlasst worden, wenn auch nicht vor Erteilung der Änderungs-Baugenehmigung vom 20. April 2012, so doch nach Eingang des Widerspruchs der Klägerin und im Anschluss an die daraufhin verfügte Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. In der Aufforderung an die Beigeladene vom 10. Dezember 2012 (Bl. 31 der Behördenakte) zur Beibringung eines Gutachtens über die Auswirkungen des neuen Anlagentyps E-70 E4 weist die Behörde darauf hin, dass sich zwar wegen der scheinbar geringen Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Anlagentyp möglicherweise keine zusätzlichen Anforderungen ergäben, dies jedoch nicht offensichtlich feststehe, so dass auf die Einholung eines Gutachtens nicht verzichtet werden könne. Damit bestätigt der Beklagte letztlich, dass hier die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 BImSchG, nämlich die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen vorgelegen haben. Unterstützt wird diese Annahme durch die Stellungnahme der F. vom 16. Mai 2014 (nochmals vorgelegt als K 21 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 6. Juni 2016, Bl. 137 f der Gerichtsakte). Danach unterscheiden sich die Schubbeiwerte der WEA ENERCON E-66/20.70 und E-70 E4 (R071m) – wegen des veränderten Profils der Rotorblätter – deutlich. Diese Einschätzung wird durch die ergänzende Stellungnahme der F. vom 27. Juli 2016 (Anlage K 22 zum Schriftsatz der Kläger-Bevollmächtigten vom 26. Juli 2016, Bl. 197 ff der Gerichtsakte) bestätigt. Danach erbringe die neue Anlage eine höhere Windausbeute (Mehrertrag von 12,5 %), was auch zu einem veränderten Verlauf der Strömung im Nachlauf der Anlage führen müsse (vgl. S. 3 f der Stellungnahme vom 22. Juli 2016). Dass sich der Umfang der Rücksichtnahmepflichten aufgrund der neuerlichen Untersuchung durch den TÜV Nord nur relativ geringfügig erweitert (Windgeschwindigkeitsspanne von 4-14 m/s statt 6-14 m/s; Abschalt- bzw. Abregelungssektor bei 327,1 ° bzw. 147,1° jeweils +/- 32,7° statt 328° bzw. 148° jeweils +/- 27°) und diese Veränderungen nach dessen Mitteilung im Wesentlichen auf dem neuen Rechenmodell und nur zu einem geringeren Teil auf der Anlagenänderung beruhen (vgl. Stellungnahmen TÜV Nord vom 13. und 14. April 2016, Bl. 159 f der Gerichtsakte), ändert – ebenso wie die Behauptung des Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, dass sich die Nachlaufturbulenzen durch die neue Anlage tatsächlich reduziert hätten – nichts daran, dass aufgrund des Austauschs des Anlagentyps die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen im Raum stand und deshalb die Durchführung eines erneuten (Änderungs-) Genehmigungsverfahrens notwendig war.

56

Würde eine solche Anlagenänderung noch vor Bescheidung konkurrierender Genehmigungsanträge erfolgen, wäre es aus den oben dargelegten Gründen nicht sachgerecht, das ursprünglich als zweites projektierte Vorhaben weiterhin an dem Nachrang gegenüber dem ursprünglich ersten Vorhaben festzuhalten (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42; Gatz, a.a.O., Rn. 495; Sittig, a.a.O., Rn. 217). Nichts anderes kann dann gelten, wenn die Konfliktbewältigung nicht durch gänzlichen Verzicht eines der beiden Vorhabenträger auf Realisierung seines Projekts, sondern durch Reduzierung des Anlagenbetriebs mittels Abschalt- bzw. Abregelungspflichten erreicht werden soll. Zwar steht es jedem Bauherrn frei, sein Vorhaben nach Einreichung eines ursprünglichen Antrags zu ändern und es in dieser geänderten Form zur Genehmigung zu stellen. Er muss dann allerdings auch die Konsequenz tragen, dass er im Verhältnis zu dem Konkurrenten, der keine Änderung an seinem Vorhaben vorgenommen hat, dann als nachrangig zu bewerten ist (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 1. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42). Darüber hinaus musste der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch spätestens nach Erlass der zu Lasten der Klägerin ergangenen ergänzenden Auflage vom 18. Juli 2008 klar sein, dass sich ihre Vorrangstellung nur auf die Genehmigung der Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-66/20.70 bezog und sie Rücksichtnahmepflichten der Klägerin nur bei der Realisierung dieses Anlagentyps erwarten durfte.

57

c) Hinzu kommt, dass das Vertrauen der Beigeladenen in den Bestand ihrer ursprünglichen Vorrangstellung aufgrund Ablaufs der Geltungsdauer der ihr zunächst erteilten Genehmigungen nicht mehr schutzwürdig ist.

58

Während die Klägerin ihre mit Bescheid vom 28. September 2004 genehmigte Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E4 zügig im Folgejahr errichtet hatte, ist auf dem Standort der WEA 7 mit der Verwirklichung des Vorhabens erst im Anschluss an die Änderungsgenehmigung vom 20. April 2012 für den Anlagentyp Enercon E-70 E4 begonnen worden. Zwar genoss das Vorhaben der WEA 7 zunächst Vorrang, weil für diesen Standort am 23. September 2002 ein positiver Bauvorbescheid (allerdings für eine – größer dimensionierte – WEA Nordex N 90; vgl. zur Vorrangwirkung auch eines bloßen Vorbescheids: OVG RP, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 A 10676/14.OVG –, BauR 2015, 1151 und juris, Rn. 25) und schließlich am 20. Juli 2004 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-66/20.70 erteilt worden war. Wegen dieses Vorrangs hätte die Genehmigung der Anlage der Klägerin (letztlich durch die Tekturgenehmigung vom 28. September 2004) bereits von Beginn an nur unter der Auflage entsprechender Rücksichtnahmepflichten ergehen dürfen. Der Beklagte hat dies, nachdem er die Problematik der Turbulenzeffekte zunächst verkannt hatte, durch die ergänzende Auflage gegenüber der Klägerin vom 18. Juli 2008 nachgeholt.

59

(1) Indes konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin einen Vorrang der WEA 7 nur für das vorrangig genehmigte Vorhaben und nur für die Dauer der Wirksamkeit der Baugenehmigung beanspruchen. Denn das durch die Baugenehmigung erworbene Baurecht, die genehmigte Anlage ungeachtet von Veränderungen der Sach- und Rechtslage so wie genehmigt errichten zu dürfen, gilt nur für die Dauer der Gültigkeit der Baugenehmigung. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 LBauO erlischt eine Baugenehmigung, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer Zustellung mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen wurde. Diese Frist kann zwar nach § 74 Abs. 2 Satz 1 LBauO verlängert werden. Ein solches Verlängerungsverfahren führt jedoch nur zu einer verfahrensmäßigen Erleichterung (etwa durch den Verzicht auf Vorlage neuer Bauunterlagen); in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Verlängerungsantrag wie ein Neuantrag zu behandeln (vgl. Jeromin, LBauO, 4. Aufl. 2016, § 74, Rn. 16 bis 18). Ist das innerhalb der Geltung der Ursprungsgenehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren aber an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, so spricht der Grundsatz der Priorität und der Vorrang zugunsten des älteren Vorhabens dafür, das nunmehr zur Verlängerung anstehende Vorhaben als gegenüber der bereits vorhandenen Windenergieanlage nachrangig zu werten.

60

(2) Diese Erwägungen gelten gleichermaßen auch in Anwendung der Vorschriften zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Die hier zunächst auf der Grundlage der Landesbauordnung genehmigten Windenergieanlagen unterfielen nämlich ab 1. Juli 2005 dem Regime des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beigeladene mit dem Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 nur im Besitz einer bis 20. Juli 2012 geltenden Genehmigung war. Auch bei dem Begehren auf bloße Verlängerung ihres ursprünglichen Vorhabens - statt dessen wesentlicher Änderung, wie hier - hätte die Beigeladene daher im Jahr 2012 den Nachrang gegenüber der bereits vorhandenen Anlage der Klägerin akzeptieren müssen.

61

Nach § 67 Abs. 9 Satz 1 LBauO gelten Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m – wie hier –, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, ab diesem Zeitpunkt als Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die von dem Beklagten für die Fortgeltung des Baurechtsregimes in Anspruch genommene Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 15. September 2005 – 8 B 1074/05 –, NVwZ-RR 2006, 173) betrifft nur die Fortgeltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung nach § 212a BauGB. Im Übrigen ist die ursprüngliche Baugenehmigung hingegen allein nach dem Regime des BImSchG zu beurteilen. Dies bedeutet, dass die ab 1. Juli 2005 als immissionsschutzrechtliche Genehmigung geltende ursprüngliche Baugenehmigung allein nach den Voraussetzungen des § 18 BImSchG erlischt, die Erlöschungsregelung nach dem Bauordnungsrecht damit entfällt (vgl. VGH BW, Urteil vom 4. August 2011 – 3 S 2439/09 –, NuR 2012, 277 und juris, Rn. 28; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 67 Rn. 43). Nach § 18 BImSchG gilt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zwar grundsätzlich zeitlich unbefristet; die Genehmigungsbehörde (hier ebenfalls die Kreisverwaltung, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ImSchZuVO i.V.m. Anlage Nr. 1.1.1 Ziff. 4) ist jedoch nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berechtigt, die Geltungsdauer auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu beschränken (vgl. VGH BW, ebenda). Dies ist hier – der Sache nach, wenn auch in Anwendung von Bauordnungsrecht – durch den Verlängerungsbescheid vom 12. Juni 2008 geschehen. Darin heißt es:

62

„Aufgrund Ihres Antrags vom 1. April 2008 wird hiermit die Baugenehmigung vom 20. Juli 2004 … um vier Jahre verlängert. Die Baugenehmigung gilt jetzt somit bis 20.07.2012.“

63

Aufgrund dieser Genehmigungslage konnte die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin nur darauf vertrauen, die ihr genehmigte Anlage bis Juli 2012 mit entsprechendem Vorrang hinsichtlich der Bewältigung der durch die Turbulenzeffekte der benachbarten Anlagen hervorgerufenen Konflikte verwirklichen zu können. Zwar hätte sie auch nach dem Regime des BImSchG die Möglichkeit gehabt, eine Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung zu beantragen. Nach § 18 Abs. 3 BImSchG kommt eine solche Verlängerung jedoch nur aus wichtigem Grunde in Betracht, wenn hierdurch der Zweck des Gesetzes nicht gefährdet wird. Dies verlangt die Beurteilung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen auch aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung im Einwirkungsbereich der Anlage und der sich hiernach zu beurteilenden Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft noch gegeben sind (vgl. Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, a.a.O., § 18 BImSchG, Rn. 31). Ist also auch nach Immissionsschutzrecht das innerhalb der Geltung einer Genehmigung nicht realisierte Vorhaben im Verlängerungsverfahren an der dann aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen, ist es sachgerecht, dass es sich im Rahmen der Bewältigung des Abstandskonflikts gegenüber einem bislang zurückstehenden Zweitvorhaben nunmehr als nachrangig behandeln lassen muss.

64

d) Werden die von dem Beklagten für die Inanspruchnahme der Klägerin angestellten Erwägungen zur Bewältigung des Abstandskonflikts zwischen der WEA 2 und der WEA 7 den Anforderungen an eine sachgerechte Verteilung der damit verbundenen Lasten nicht hinreichend gerecht, so ist die mit Bescheid vom 31. Mai 2013 auferlegte Abschaltverpflichtung – ebenso wie der darauf beruhende Kostenbescheid vom 27. Juni 2013 – aufzuheben. Damit findet der von dem Beklagten bereits in dem Genehmigungsbescheid an die Beigeladene vom 31. Mai 2013 aufgenommene Vorbehalt Anwendung, dass ihr gegenüber auch für den Abschaltsektor 147,1° +/- 32,7° Rücksichtnahmepflichten auferlegt werden müssen, falls die Klägerin aus rechtlichen Gründen von einer Abschaltverpflichtung frei wird (vgl. S. 2 und 3 des Bescheids, Bl. 144 der Behördenakte).

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

66

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

67

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil das Verfahren Gelegenheit gibt, die bei der Konkurrenz unverträglicher Windenergieanlagen aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere nach der sachgerechten Lastenverteilung bei der Konfliktbewältigung, höchstrichterlich zu klären.

Beschluss

68

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 33.837,26 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.