Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Feb. 2017 - 3 L 121/17.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2017:0209.3L121.17.NW.0A
bei uns veröffentlicht am09.02.2017

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung bzw. Befreiung.

2

Die Antragstellerin ist eine der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim angehörende Ortsgemeinde im Rhein-Pfalz-Kreis. Auf dem nördlich der Ortslage gelegenen Friedhof der Antragstellerin, der mit einer Vielzahl von Bäumen überstellt ist, hat sich seit 2009 auf vier hohen Platanen eine Saatkrähenkolonie mit 20 - 25 Brutpaaren angesiedelt und Nistplätze gebaut. In den vergangenen Jahren kam es zunehmend zu Beschwerden von Bürgern über die Saatkrähen auf dem Friedhof. So beklagten Gemeindebürger die Verunreinigung der aus Marmor, Granit oder Sandstein eingefassten Gräber, Wege und Abfalltonnen sowie der Bekleidung bei der Grabpflege durch Vogelkot und ferner die Störung der Trauerfeiern durch die Rufe der Saatkrähen. Durch Verunreinigung sind laut Angaben der Antragstellerin etwa 39 Gräber betroffen.

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Im April 2012 wandte sich die Antragstellerin erstmals an den Antragsgegner und bat um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für den Abschuss der Saatkrähen auf dem Gemeindefriedhof. Nach Erhalt einer negativen Antwort verfolgte die Antragstellerin dieses Begehren nicht weiter. Einen weiteren Vorstoß unternahm die Antragstellerin im Mai 2016, indem sie bei der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim den Betrieb eines Schreckschussapparats zur Vertreibung der Saatkrähen auf dem Friedhof von Lambsheim beantragte. Dieses Begehren wurde nicht förmlich verbeschieden.

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Im Juni 2016 holte die Antragstellerin ein Gutachten über „Brutbiologie und Kolonieverhalten von Saatkrähen sowie mögliche Vergrämungsmethoden“ zum Konflikt-Standort Friedhof Lambsheim“ beim Consultant für Umweltplanung, Herrn Dr. Friedrich K. Wilhelmi, Mutterstadt, ein.

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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 stellte die Verbandsgemeindeverwaltung Lambsheim-Heßheim für die Antragstellerin einen Antrag auf Durchführung eines Kronenschnitts der Platanen auf dem Friedhof der Antragstellerin um mindestens 20 % gemäß § 45 Abs. 7 Nr. 5 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG –. Diesen begründete die Antragstellerin damit, die Gräber und Wege im Bereich der Platanen würden durch die Vögel stark verunreinigt und die Grabsteine zum Teil nachhaltig beschädigt. Den Inhabern dieser Gräber sei es nicht möglich, diese während der Brutzeit ordnungsgemäß zu pflegen oder am Grab ihres Verstorbenen zu trauern. Für die regelmäßige Säuberung der betroffenen Grabstätten bzw. für andere Schutzmaßnahmen entstünden der Gemeinde unzumutbar hohe Kosten. Weitere Vergrämungsmethoden, wie das Überspannen der Bäume sei sehr kostenintensiv und bei der Höhe der Bäume nur sehr schwer durchführbar. Von einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Population durch die Vergrämung werde aufgrund der sehr geringen Anzahl von Tieren nicht ausgegangen. Zwar sei ihr, der Antragstellerin, bewusst, dass die vergrämten Tiere sich an anderer Stelle im Gemarkungsbereich auch in bebauten Gebieten niederlassen könnten. Allerdings könnten hier dann Maßnahmen wie die vorübergehende Sperrung von Parkplätzen oder ähnliches erfolgen. Dies sei aber auf dem Friedhof nicht möglich, da ein Zugang zu den Gräbern für die Hinterbliebenen immer gewährleistet sein müsse.

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Bei den betroffenen Bäumen bestehe im Übrigen der Verdacht eines Befalls mit dem Massariapilz. Gegebenenfalls müssten die Bäume zum Teil auch aufgrund der Sicherung der Verkehrspflicht eingekürzt werden.

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Mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die vorgesehenen Maßnahmen nicht dazu geeignet seien, das geschilderte Problem mit den Vögel auf dem gesamten Friedhof abzustellen. Vielmehr sei ein Wechseln der Tiere auf die übrigen Bäume und damit eine Verlagerung der Problematik anzunehmen. Zudem sei nach derzeitigem Sachstand keiner der Ausnahmetatbestände des § 45 Abs. 7 Nr. 1 – 5 BNatSchG erfüllt. Eine etwaige Ausnahmeentscheidung wirke sich allenfalls zugunsten von Einzelnen und nicht für die Allgemeinheit aus. Somit wäre das Schreiben vom 24. Oktober 2016 als Antrag auf Befreiung einzustufen, über den nach § 67 Abs. 2 BNatSchG zu entscheiden sei. Es werde angefragt, ob weiterhin an dem Antrag festgehalten werde.

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Daraufhin teilte die Verbandsgemeindeverwaltung Lambsheim-Heßheim nach Rücksprache mit der Antragstellerin am 2. Dezember 2016 mit, der Antrag vom 24. Oktober 2016 solle auch als Antrag nach § 67 Abs. 2 BNatSchG gewertet werden. Die unzumutbare Belastung für die Hinterbliebenen, die die Gräber ihrer Verstorbenen betreuten, sei hinreichend dargelegt worden.

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Mit Bescheid vom 17. Januar 2017 lehnte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd das Begehren der Antragstellerin mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § § 67 Abs. 2 BNatSchG seien nicht gegeben. Saatkrähen gehörten zu den besonders geschützten Tierarten. Die Ansiedlung von wildlebenden Tieren, mit den daraus resultierenden Lautäußerungen und Verunreinigungen, im Bereich öffentlich genutzter Einrichtungen, wie vorliegend auf einem baumbestandenen Friedhof, seien grundsätzlich hinzunehmen. Um eine unzumutbare Belastung darzustellen, müssten die durch die Saatkrähen verursachten Beeinträchtigungen im vorliegenden Fall deutlich vom Regelfall abweichen, d.h. es müsste ein Sonderfall vorliegen, der die Betroffenen wesentlich stärker als andere belaste, sodass die unmittelbaren Folgen eines Verbotes zu einer vom Gesetzgeber unbeabsichtigten Härte führten. Dies sei hier nicht der Fall. Bereits im Mai 2012 sei die Vor-Ort-Situation auf dem Friedhof der Ortsgemeinde Lambsheim durch das Landesamt für Umweltschutz beurteilt worden. Es sei damals eine Saatkrähenkolonie mit ca. 30 Nestern festgestellt worden, die keine das normale Maß überschreitenden Beeinträchtigungen verursacht habe. Der Beweis, dass sich die Situation inzwischen maßgeblich geändert habe, sei von der Antragstellerin nicht erbracht worden, zumal sich auch die Anzahl der Nistplätze seitdem nicht verändert habe. Insbesondere sei keine Dokumentation vorgelegt worden, aus der sich Anzahl und Ausmaß der Verschmutzung der betroffenen Grabstellen oder gar Personen erkennen ließe.

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Ein Sonderfall liege auch nicht vor wegen der von der Antragstellerin angeführten Verpflichtung zur Säuberung der durch die Vögel verunreinigten Grabstätten und der damit verbundenen hohen Kosten für die Gemeinde. Die Pflege und Reinigung von Grabstätten auf einem gemeindlichen Friedhof obliege allein den Inhabern der Grabstätten und stelle keine Pflichtaufgabe der Gemeinde dar. Von einer unzumutbaren Belastung, die eine Befreiung von den Verboten des § 44 BNatSchG rechtfertige, könne daher nicht gesprochen werden.

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Dagegen legte die Antragstellerin am 1. Februar 2017 Widerspruch ein und suchte gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führt sie aus, den Inhabern der Gräber sei es schlechterdings nicht möglich, während der Brutzeit die Gräber ordnungsgemäß zu pflegen oder am Grab des Verstorbenen zu trauern, da ein Aufenthalt auch nur von kurzer Dauer dazu führe, dass der Betreffende von Vogelkot getroffen würde. Der Aufenthalt sei in diesem Bereich ohne entsprechenden Schutz durch Regenmantel, Mütze, Regenschirm oder sonstige Planen nicht möglich, da man ansonsten von den sich auf den Bäumen aufhaltenden Saatkrähen vollgekotet werde. Auch Trauerfeiern in diesem Bereich würden gestört, nicht nur durch Kot, sondern auch durch die Rufe der Tiere.

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Sie, die Antragstellerin, habe sich in der Vergangenheit mehrfach bemüht, die für die Betroffenen erheblichen Einschränkungen abzumindern. Eine akustische Vergrämung habe nur für geringe Zeit Wirkung gezeigt. Die Vögel seien trotz Angst- und Warnrufen wieder zurückgekommen. Die Aufstellung von Schussapparaten sei nicht befürwortet worden. Die Abdeckung aller betroffenen Gräber, insbesondere der Grabsteine, sei den Pflegenden schlechterdings nicht möglich.

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Der Gutachter Dr. Friedrich Wilhelmi habe in seinem Gutachten vom Juni 2016 die Beschädigung von Grabsteinen durch Vogelkot bestätigt. Zur Beurteilung der Schäden müsse aber ein mehrjähriger Zeitraum betrachtet werden. Entscheidend sei das Steinmaterial und die Oberflächenstruktur der Grabsteine. Solche Untersuchungen bzgl. der tatsächlichen bereits vorhandenen Schäden habe der Gutachter aber nicht vorgenommen.

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Aufgrund der massiven Beeinträchtigung der Nutzer des Friedhofs, der Besucher des Friedhofs, der Grabpflegenden, aber auch der Trauernden könne sie, die Antragstellerin, nicht noch einmal eine weitere Brutzeit hinnehmen. Sie wolle vor dem 15. Februar 2017 den teilweisen Rückschnitt der vier Platanen im Kronenbereich vornehmen. Durch die massive Verkotung durch die Saatkrähen mit einhergehender eingeschränkter Nutzung des Friedhofs in dem Bereich, in dem sich die genannten 39 Gräber befänden, liege ein Eingriff in die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor. Sie als zuständige Ortsgemeinde müsse hier Maßnahmen ergreifen, um die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen.

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Darüber hinaus sei auch das Eigentum der Gemeinde, aber auch der vielen Nutzer in diesem Bereich betroffen. Wie sich aus der Presse ergebe, schildere eine Person, die dort ein Grab pflegen müsse, dass sie zum Besuch des Grabes sich jeweils einen Müllsack überstülpe, weil vielfach Kleider so verschmutzt gewesen seien, dass sie nicht mehr zu reinigen gewesen seien.

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Neben dem Anordnungsanspruch liege auch ein Anordnungsgrund vor. Die Situation bedürfe einer umgehenden Regelung im Interesse einer weiteren Friedhofsnutzung und zwar vor dem 1. März. Hier seien die Interessen des Naturschutzes in Form des Vogelschutzes mit den Interessen der Nutzer und der Gemeinde abzuwägen. Hier müsse berücksichtigt werden, dass die Saatkrähe nicht mehr gefährdet sei und dass die Aufspaltung der dort vorhandenen Kolonie das kleinere Übel darstelle. Das Argument des Antragsgegners, die Pflege und Reinigung der Grabstätten oblägen den Inhabern und stelle kein Pflichtaufgabe der Gemeinde dar, sei zwar der Sache nach zutreffend, verkenne aber die Situation. Um eine störungsfreie Nutzung des Friedhofs zu gewährleisten, sei die Gemeinde verpflichtet, alles dafür zu tun, damit dies möglich sei. Dies sei aber augenblicklich nicht der Fall, zumindest nicht in den Zeiten nach dem Beginn der Brutpflege. Vielmehr seien danach die Beeinträchtigung und Störung so massiv, dass sie zu einer empfindlichen Einschränkung der Friedhofsnutzung führten und hierfür sei die Gemeinde verantwortlich. Sie sei hier in eigenen Rechten betroffen als Betreiberin des Friedhofes.

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Zwar nehme die begehrte einstweilige Anordnung eine Hauptsacheentscheidung vorweg. Dies sei aber bei den Rechtsabwägungen hinzunehmen.

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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr, der Antragstellerin, für den beabsichtigten Rückschnitt der auf ihrem Friedhof in Lambsheim vorhandenen vier Platanen (Baum-Nrn. 474 – 477) im Kronenbereich um mindestens 20% eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG oder eine Befreiung nach § 67 BNatSchG zu erteilen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er trägt vor, es liege weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vor. Die Verunreinigungen durch die Saatkrähen seien unbestritten unangenehm, stellten aber entgegen den Ausführungen der Antragstellerin keinen Eingriff in die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Im Übrigen dürfe eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben seien. Diese habe der Gutachter allerdings in seinem Gutachten vom Juni 2016 aufgezeigt. Dieser habe sinngemäß ausgeführt, es bedürfe einer mehrjährigen Betrachtung, ob Schäden an Grabsteinen tatsächlich auf Vogelkot zurückzuführen seien. Spezielle Pflegemittel zur Reinigung von Grabsteinen seien erhältlich. Eine möglich Maßnahme zur Konfliktminderung, ohne eine Vertreibung der Saatkrähen anzustreben, wäre beispielsweise die neue Positionierung von Gießkannenständern und Abfalleimern oder das Anbringen von Planen unterhalb der Horstbäume, um Vogelkot und Nistmaterial abzufangen.

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Ebenfalls nicht in Betracht komme eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Weder stelle die Betroffenheit der einzelnen Grabstätteninhaber noch die von der Ortsgemeinde vorgetragene (mögliche) finanzielle Belastung für die Reinigung der betroffenen Grabstätten eine unzumutbare Belastung dar.

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Die Probleme auf dem Friedhof in Lambsheim stellten keinen Sonderfall dar, sondern träten an vergleichbaren Standorten gleichermaßen auf.

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Er, der Antragsgegner, bestreite auch die Eilbedürftigkeit und damit den geltend gemachten Anordnungsgrund. Die Antragstellerin sei wegen der Saatkrähenkolonie auf dem Friedhof Lambsheim bereits im Jahr 2012 an die Obere Naturschutzbehörde herangetreten. Damals seien vom Landesamt für Umwelt und der Oberen Naturschutzbehörde vergleichsweise geringe Beeinträchtigungen durch die Saatkrähen festgestellt worden. Die Größe der Kolonie habe sich seit 2012 nicht wesentlich verändert. Derzeit befänden sich gerade mal noch zwei bis drei Nester in den vier Platanen. Die Antragstellerin habe keine weiteren Gründe vorgetragen, die dafür sprächen, dass sie die Entscheidung in der Hauptsache nicht abwarten könnte.

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Unabhängig davon werde eine Vergrämung der Tiere als nicht zielführend erachtet. Laut der fachlichen Auskunft eines Mitarbeiters des Landesamtes für Umweltschutz aus dem Mai 2012 würde eine Umsiedlung der Tiere das Problem erhöhen. Bei der geringen Anzahl der Brutpaare könne auch nicht von einer besonders starken Konfliktsituation gesprochen werden. Es stünde außer Verhältnis, massiv in den Koloniestandort einzugreifen, auch vor dem Hintergrund, dass in näherer Umgebung kein konfliktarmer Ersatzstandort vorhanden sei.

II.

27

Das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr, der Antragstellerin, den Rückschnitt der auf ihrem Friedhof stehenden vier Platanen im Kronenbereich um mindestens 20% gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG oder § 67 BNatSchG zu genehmigen, kann keinen Erfolg haben.

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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

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1.1. Er ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –statthaft, da die Antragstellerin den Erlass einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung oder Befreiung begehrt. In der Hauptsache müsste sie damit im Wege einer Verpflichtungsklage vorgehen, so dass gemäß § 123 Abs. 5 VwGO hier die Vorschrift des § 123 Abs. 1 VwGO einschlägig ist.

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1.2. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, da sie geltend machen kann, durch die Nichterteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahme oder Befreiung möglicherweise in ihren Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

31

Als Kommune ist die Antragstellerin zwar nicht Inhaberin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, sondern – auch soweit sie als Fiskus über Grundstückseigentum verfügt – Teil der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 –, BVerfGE 61, 82, 100; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. August 2007 – 1 A 10211/07.OVG –). Verfassungsrechtlich geschützt ist das Eigentum der Antragstellerin an den Platanen aber im Rahmen der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 49 Landesverfassung Rheinland-Pfalz − LV −). Denn die betroffenen Platanen sind Teil des gemeindlichen Friedhofs, einer öffentliche Einrichtung im Sinne des § 14 Abs. 2 Gemeindeordnung – GemO – (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 – 8 CN 1/12 –, NVwZ 2014, 527). In Übereinstimmung mit § 1 Abs. 1 Bestattungsgesetz – BestG – betreibt die Antragstellerin den Gemeindefriedhof als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung. Die Platanen wurden mit dem Einpflanzen wesentliche Bestandteile des gemeindeeigenen Grundstücks (§§ 93, 94 Abs. 1 Satz 2 und 946 Bürgerliches GesetzbuchBGB –).

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Da die Antragstellerin beabsichtigt, die in ihrem Eigentum stehenden Platanen auf dem Friedhof um 20 % zu kürzen und diese von 20 – 25 Paaren Saatkrähen als potentielle Brutstätten genutzt werden, benötigt die Antragstellerin für das geplante Vorhaben, wie noch auszuführen sein wird, vorab eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung oder eine Befreiung durch die zuständige Naturschutzbehörde nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG bzw. § 67 Abs. 1 oder 2 BNatSchG. Diesbezüglich hat die Antragstellerin zumindest einen die Antragsbefugnis begründenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

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Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin sich primär für die Interessen der Friedhofsbenutzer einsetzt, indem sie geltend macht, es sei den Inhabern der Gräber während der Brutzeit der Saatkrähen nicht möglich, die Grabstellen ordnungsgemäß zu pflegen oder am Grab ihres Verstorbenen zu trauern, da sie von Vogelkot getroffen würden. Auch Trauerfeiern in diesem Bereich würden durch Rufe und Koten der Krähen gestört. Zwar ist eine Gemeinde nicht Sachwalterin der Allgemeinheit oder einzelner Privatpersonen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 11 A 1751/04 –, NuR 2006, 320 m.w.N.). Hier macht die Antragstellerin Rechte aus gesetzlichen Anforderungen an den Schutz von Leib, Leben und Gesundheit von Menschen aber nicht losgelöst von ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörperschaft geltend. Der Antragstellerin obliegt es gemäß § 2 Abs. 1 BestG als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung, Friedhöfe anzulegen und damit auch zu unterhalten. Damit ist die Antragstellerin als Betreiberin des Friedhofs gegenüber den Personen, die mit dem Friedhof bestimmungsgemäß in Berührung kommen, wie Friedhofnutzer und sonstige Besucher, verpflichtet, eine störungsfreie Nutzung des Friedhofs zu gewährleisten, für die Sicherheit des sich auf dem Friedhof abspielenden Verkehrs zu sorgen und das Friedhofsgelände jederzeit in einem Zustand zu halten, der für die Benutzer keine Gefahren entstehen lässt (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 6. März 2003 – 1 U 59/01 –, juris m.w.N.).

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Zur Ermöglichung einer ordnungsgemäßen und ihrer Bestimmung entsprechenden Nutzung der Grabstelle und des Friedhofs gehört auch die gesellschaftlich anerkannte würdevolle Ausübung des Totengedenkens (s. auch LG Aurich, Urteil vom 28. Juni 2016 – 3 O 178/16 (057) –, juris). Das Recht auf Totenfürsorge der Hinterbliebenen, das u.a. Grabpflege und Totengedenken umfasst, ist verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt (s. BVerfG, Beschluss vom 25. Dezember 2016 – 1 BvR 1380/11 –, juris). Gemäß § 8 Abs. 1 BestG sind die Würde des Toten und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit zu achten. Nach dem hiesigen Brauchtum ist eine Grabstelle für Angehörige und andere nahestehende Personen ein Ort des Gedenkens an den Verstorbenen. Insbesondere ist es gesellschaftlich üblich, die Grabstelle zu pflegen und mit Blumenschmuck zu dekorieren. Die Antragstellerin hat daher dafür Sorge zu tragen, dass diese Ausübung des Totengedenkens möglich ist und z.B. nicht durch Beschädigungen von Wildtieren empfindlich gestört wird (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Auflage 2004, Kapitel 10, Seite 80; ebenso LG Aurich, Urteil vom 28. Juni 2016 – 3 O 178/16 (057) –, juris).

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Daneben ist die für einen gemeindeeigenen Friedhof verkehrssicherungspflichtige Antragstellerin für den gesamten Friedhof einschließlich aller Anlagen verantwortlich. Von der Gemeinde können solche Maßnahmen verlangt werden, die den Umständen nach zumutbar sind. Zur Verpflichtung des Friedhofsträgers, dafür zu sorgen, dass die Besucher die Friedhofsanlagen und -wege gefahrlos benutzen können, gehört u.a. auch die laufende Überwachung des Baumbestandes (Gaedke, a.a.O., Seite 76). Dazu zählt jedenfalls die Entfernung von erkennbar gefährdeten Bäumen oder dürren Ästen. In Betracht kommen kann aber auch das Kürzen der Bäume, wenn etwa von darin nistenden Vögeln unzumutbare und abwehrfähige Beeinträchtigungen für die Friedhofsnutzer ausgehen. Verbietet jedoch – wie hier – das öffentliche Recht grundsätzlich die dafür in Betracht kommende Abhilfemaßnahme, so ist die Kommune befugt, die erforderliche naturschutzrechtliche Genehmigung aus eigenem Recht zu beantragen (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2004 – V ZR 230/03 –, NJW 2004, 3701 und OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2013 – 12 U 143/12 –, juris zum Anspruch auf Beseitigung einer Lärmbelästigung durch Froschquaken aus einem Gartenteich).

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1.3. Die Antragstellerin hat auch dargelegt, warum sie nicht bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zuwarten kann.

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Nestbau und Brutzeit der Saatkrähen beginnen im Südwesten Deutschlands Mitte Februar spätestens Anfang März. In der Zeit vom 1. März bis zum 30. September ist es gemäß § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG verboten, u.a. Bäume, die außerhalb des Waldes stehen, abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen. Dieses zeitlich beschränkte Schneideverbot soll dem allgemeinen Schutz aller Arten dienen, die auf diese Gehölze angewiesen sind und Gehölze als Brutplatz in der Saison erhalten (Lau in Frenz/Müggenborg, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage 2016, § 39 Rn. 13). Da in der Flur oder im bebauten Gebiet gelegene kleinere Flächen wie hier die Bäume auf dem Friedhof von Lambsheim keinen Wald im Sinne des § 2 Abs. 2 Bundeswaldgesetz – BWaldG – darstellen, und es sich bei dem generellen Rückschnitt der Platanen um 20 % nicht nur um einen schonenden Form- und Pflegeschnitt zur Beseitigung des Zuwachses oder zur Gesunderhaltung der Platanen handelt, ist die Eilbedürftigkeit hier ausreichend dargetan.

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2. Der Antrag ist aber unbegründet.

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2.1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder um drohende Gefahren zu verhindern oder wenn sie aus anderen Gründen erforderlich ist. Dabei darf grundsätzlich nicht die Hauptsache vorweggenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutzgarantie jedoch dann, wenn der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch ganz überwiegend wahrscheinlich ist und wegen des Nichterfüllens dieses Anspruchs schwere, unzumutbare oder nicht anders abwendbare Nachteile drohen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 6 VR 3/13 –, NVwZ 2014, 558; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. April 2016 – 7 B 10228/16.OVG –). Ist eine überwiegende Erfolgsaussicht nicht feststellbar, kann eine Regelungsanordnung nur ergehen, wenn dem Betroffenen andernfalls schwere und irreversible Nachteile, insbesondere existentielle Gefahren für Leben und Gesundheit drohen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Juli 2016 – 10 S 579/16 –, NVwZ 2016, 1658). Diese Voraussetzungen sind wie alle Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZivilprozessordnungZPO – i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO). In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung oder Befreiung von den Verboten des § 44 BNatSchG ist ein Anspruch des Betroffenen daher nur dann gegeben, wenn die begehrte Ausnahmegenehmigung oder Befreiung – hier die Erlaubnis, die vier Platanen um 20 % zu kürzen – als einzige richtige Behördenentscheidung in Betracht kommt und dabei jede andere naturschutzrechtliche Maßnahme ermessensfehlerhaft und unzumutbar wäre.

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In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen einer Regelungsanordnung nicht vor.

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2.2. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anordnungsanspruch zusteht.

42

2.2.1. Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist es verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG können die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden von den Verboten des § 44 im Einzelfall Ausnahmen zulassen u.a. zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden (Nr. 1), im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt (Nr. 4), oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art (Nr. 5). Eine Ausnahme darf gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind Ausnahmen eng bzw. restriktiv auszulegen und umzusetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 1996 – C-118/94 –, Slg 1996, I-1223-1252). Die Zulassung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG kann daher in der Regel nur in einem fachlich sehr gut begründeten Einzelfall eine Möglichkeit sein, das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zu überwinden.

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2.2.1.1. Die Saatkrähe gehört wie alle europäischen Vogelarten nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) bb) BNatSchG zu den wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten. Diesen Schutzstatus genießen pauschal sämtliche europäische Vogelarten, auch häufig verbreitete sogenannte "Allerweltsarten" (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. November 2014 – 8 A 10469/14 –, NuR 2015, 41; Frenz/Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., Vorbemerkung §§ 44 - 45 Rn. 7). Der von der Antragstellerin geltend gemachte Umstand, die Saatkrähe sei neuerdings nicht mehr gefährdet – in der vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten 2014 herausgegebenen Roten Liste Brutvögel wird die Saatkrähe auf den Seiten 34 und 35 mit 4.000-5.200 Paaren/Revieren und dem Zusatz „zur Zeit nicht gefährdet“ gelistet –, ändert nichts an deren Einstufung als wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten.

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2.2.1.2. Die geplante Kürzung der vier Platanen auf dem Friedhof der Antragstellerin um 20 %, die die Entfernung der bestehenden und potentiellen Nistplätze für die Saatkrähen zur Folge hätte, erfüllt auch den Tatbestand der Beschädigung der Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen.

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Fortpflanzungsstätten sind Bereiche, die einzeln oder zusammen mit anderen Bereichen eine erfolgreiche Reproduktion ermöglichen (Louis, Artenschutz bei bergrechtlichen Verfahren, 2016, Seite 12, abgerufen unter http://www.amphibienschutz-thueringen.de/fileadmin/Amphibienschutz/Termine/ Artenschutz-Bergrecht.pdf am 6. Februar 2017). Die Fortpflanzungsstätten – hier die Nester der Saatkrähen und die Platanen, in denen die Krähen ihre Nester errichten – sind auch dann geschützt, wenn sie – phänologisch bedingt – gerade nicht bewohnt werden, aber zu erwarten ist, dass die Tiere aufgrund ihrer Standorttreue wieder zu ihnen zurückkehren werden. Dies ist bei der Saatkrähe der Fall (s. die Abhandlung von Krüger/Nipkow über „Die Saatkrähe Corvus frugilegus als Brutvogel in Niedersachsen“ in dem vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - Fachbehörde für Naturschutz - herausgegebenen Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen, Heft 1/2015, S. 19). Vorliegend nutzen die Saatkrähenkolonien nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten die Platanen auf dem Friedhof der Antragstellerin seit dem Jahre 2009 jeweils in der Brutzeit. Dabei spielt es keine Rolle, dass sich nach dem Vortrag des Antragsgegners derzeit nur zwei bis drei Nester in den vier Platanen befinden, also nicht jede einzelne Platane betroffen ist. Das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG betrifft in einer baumbewohnenden Vogelkolonie auch solche Bäume, auf denen sich zum Zeitpunkt der Beschädigung oder Zerstörung zwar konkret keine Nester befinden, auf denen sich aber potentiell Nester befinden könnten (Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand November 2016, § 44 BNatSchG Rn. 19; VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Mai 2015 – 4 K 870/13.WI –). Von einer dauerhaften Aufgabe der Platanen als Brutstätte für die Saatkrähen kann daher nicht ausgegangen werden.

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Beschädigung und Zerstörung verlangen eine körperliche Einwirkung auf die geschützten Lebensstätten, die sich nachteilig auf deren Funktion auswirkt (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 4 LC 156/14 –, NuR 2016, 135; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Oktober 2014 – 8 C 10233/14 –, NuR 2015, 188; Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 44 Rn. 23 m.w.N.). Für eine Beeinträchtigung ist erforderlich, dass das geschützte Objekt selbst betroffen ist, eine mittelbare Beeinträchtigung, beispielsweise durch Lärm, der auf die Tiere einwirkt und dazu führt, dass diese ihre Lebensstätte verlassen, genügt hingegen nicht (OVG Niedersachsen, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 4 LC 156/14 –, NuR 2016, 135; Louis, a.a.O., Seite 14).

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Beim Rückschneiden der Bäume um 20 % liegt eine unmittelbare Beeinträchtigung vor, denn Saatkrähen brüten in Baumkronen (s. z.B. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/1986-saatkraehe/). Eingriffe in Kolonien durch Rückschneiden von Bäumen stellen daher eine „Beschädigung und Zerstörung“ der Fortpflanzungsstätte dar.

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2.2.1.3. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zur Abwehr sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG liegen nicht vor.

49

Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, die aus Marmor, Granit oder Sandstein eingefassten Gräber, die Wege und Abfalltonnen sowie die Bekleidung der Friedhofsbesucher würden durch den Vogelkot beschmutzt und die Reinigung verursache sowohl für die Inhaber der Gräber als auch für die Gemeinde Kosten, kann sie damit nicht gehört werden. Der Begriff der sonstigen erheblichen wirtschaftlichen Schäden ist im Lichte der übrigen in § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG genannten Wirtschaftsformen, auszulegen, also der Land-, Forst-, Fischerei- und Wasserwirtschaft (Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas a.a.O., § 45 BNatSchG Rn. 24). Wie diese Begriffsreihung verdeutlicht, setzt auch ein sonstiger wirtschaftlicher Schaden im Sinne dieser Vorschrift voraus, dass die Bedarfsdeckung der Allgemeinheit mit das Dasein sichernden Produkten betroffen ist (vgl. Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas a.a.O., § 45 BNatSchG Rn. 24; Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 45 Rn. 14; VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Mai 2015 – 4 K 870/13.WI –). Die genannte Norm ist hier daher nicht einschlägig. Es kommt folglich nicht mehr auf die Frage an, ob ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden vorliegt (s. zur Erheblichkeit des Schadens bei Beschmutzungen der Hauswand durch Vogelkot VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2009 - 25 K 64/09 – juris).

50

2.2.1.4. Die Antragstellerin hat bisher auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Interesse der Gesundheit des Menschen oder der öffentlichen Sicherheit nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG in Betracht kommt.

51

2.2.1.4.1. Gründe des menschlichen Gesundheitsschutzes, die das Kürzen der Bäume naturschutzrechtlich rechtfertigen könnten, hat die Antragstellerin nicht ausreichend dargetan. Die Friedhofsbesucher werden zwar ohne Zweifel durch die Saatkrähen belästigt. Hierzu hat die Antragstellerin vorgetragen, die Inhaber der Gräber würden während der Brutzeit bei der Pflege der Gräber häufig von Krähenkot getroffen. Eine hygienische Unzumutbarkeit im Sinne einer Gesundheitsbeeinträchtigung liegt damit aber nicht vor. Zwar kann eine Erkrankung von Menschen durch den Kontakt mit Krähenkot nicht völlig ausgeschlossen werden. Es scheint aber eher unwahrscheinlich, dass Vögel eine konstante direkte Infektionsquelle für den Menschen darstellen (vgl. http://www.animal-health-online.de/klein/2000/04/01/vogelkot-als-quelle-von-krankheitserregern/175/, abgerufen am 6. Februar 2017 sowie https://www.derwesten.de/gesundheit/fliegen-und-vogelkot-uebertragen-erreger-von-darmerkrankungen-id6941688.html, ebenfalls abgerufen am 6. Februar 2017). Hinzu kommt, dass vorliegend ein entsprechender Kontakt nur saisonal gegeben ist (vgl. auch VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Mai 2015 – 4 K 870/13.WI –).

52

Die Rufe der Krähen stellen ebenfalls keine Gesundheitsbeeinträchtigung für Menschen dar. Auch wenn das Rufen der Saatkrähen von einem Durchschnittsmenschen, auf den abzustellen ist, in der Regel als lästig empfunden wird (vgl. dazu auch die Schallmessungen in dem dem Urteil des OVG Niedersachsen vom 1. Dezember 2015 – 4 LC 156/14 – (NuR 2016, 135) zugrunde liegenden Fall, die Immissionswerte bis zu 66 dB(A) ergaben; vgl. auch Krüger/Nipkow, a.a.O., Seite 14 und Bayerisches Landesamt für Umwelt, Konzept zum Umgang mit Saatkrähenkolonien in Bayern, 2011, Seite 12, wonach der Pegel der Saatkrähenrufe bei Messungen mit im Mittel 64,1 dB(A) deutlich unter dem des Verkehrslärms mit 69,3 dB(A) im Mittel lag), ist nicht ersichtlich, dass hierdurch eine konkrete Gesundheitsgefährdung eintreten könnte. Denn die Friedhofsbesucher halten sich regelmäßig nicht länger auf dem Friedhof auf.

53

2.2.1.4.2. Die Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Interesse der öffentlichen Sicherheit hat die Antragstellerin ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

54

Die Kammer kann offen lassen, ob unter „öffentlicher Sicherheit“ im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG abweichend vom gleichlautenden – wesentlich weiteren – polizeirechtlichen Begriff in Anlehnung an die Überlegungen des EuGH zum entsprechenden Begriff in Art. 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – lediglich die Existenzsicherung des Staates und die Bekämpfung von Gewaltanwendung im Inneren oder von außen sowie die Abwehr unmittelbar drohender oder absehbarer Gefahren für grundlegende gesellschaftliche Interessen zu verstehen ist (vgl. VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 7. Januar 2015 – 5 L 289/14 –, NuR 2015, 584; Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 45 Rn. 17 und Vorbemerkung zu §§ 44, 45 Rn. 28) oder der Begriff der öffentlichen Sicherheit auch den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen (und sonstiger Träger öffentlicher Gewalt) Einrichtungen umfasst (vgl. Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas a.a.O., § 45 BNatSchG Rn. 17). Selbst wenn man den weiteren polizeirechtlichen Begriff hier zugrunde legt und annimmt, dass die öffentliche Sicherheit hier betroffen ist (Verschmutzung der Grabstellen und –wege sowie der Bekleidung von Friedhofsnutzern, Störung der Ausübung des Totengedenkens, mögliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht) und von einer Unzumutbarkeit für die Betroffenen ausgeht, hat die Antragstellerin nicht ausreichend dargetan, dass allein das Kürzen der vier Platanen im Interesse der öffentlichen Sicherheit als einzige richtige Behördenentscheidung in Betracht kommt.

55

Die Kammer hält es nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass die beabsichtigte isolierte Maßnahme des Baumkürzens ein taugliches Mittel darstellt, um das gegenwärtige Saatkrähenproblem auf dem Gemeindefriedhof in den Griff zu bekommen.

56

Ausweislich der Verwaltungsakten befinden sich auf dem Friedhof der Antragstellerin derzeit insgesamt 102 Bäume im Alter von neun bis sechzig Jahren der Laubbaumarten Sommer- und Winterlinde, Mehlbeere, Hainbuche, Robinie, Platane, Sandbirke, Götterbaum, Spitzahorn und Roßkastanie sowie der Nadelbaumarten Schwarzkiefer, Stechfichte und Strobe (s. im Einzelnen die Aufstellung auf Blatt 101/102 der Gerichtsakte). In der Wahl der Nestbäume sind Saatkrähen sehr variabel. Als Koloniebrüter bevorzugen sie für die Nestanlage zwar Laubbäume, jedoch nisten und brüten Saatkrähen durchaus auch in Nadelbäumen (s. z.B. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Konzept zum Umgang mit Saatkrähenkolonien in Bayern, a.a.O., Seite 8; https://www.soester-anzeiger.de/lokales/soest/buchen-oder-linden-worauf-kraehen-fliegen-2490402.html; s. auch die Feststellungen der Arbeitsgemeinschaft Vegetation der Alpen (AVEGA) in ihren ornithologischen Begleituntersuchungen zur Saatkrähenkolonie in Puchheim vom 30. September 2012, Seite 7, abgerufen am 7. Februar 2017 unter https://www.puchheim.de/export/download.php?id=10837). Dabei wählen die Saatkrähen zum einen die höchsten Bäume in der Umgebung als Brutplätze aus (s. das von der Antragstellerin eingeholte Gutachten von Dr. Wilhelmi, Brutbiologie und Kolonieverhalten von Saatkrähen sowie mögliche Vergrämungsmethoden, Juni 2016, Seite 2 m.w.N.). Zum anderen bevorzugen sie auf einem Friedhof dessen Randflächen, da diese Bereiche sowohl einen guten Überblick als auch bessere An- und Abflugbedingungen zu den dort errichteten Nestern bieten (vgl. AVEGA, Ornithologische Begleituntersuchungen zur Saatkrähenkolonie in Puchheim vom 30. September 2012, a.a.O., Seite 6; vgl. auch Krüger/Nipkow, a.a.O., Seite 9). Im Falle der Entfernung von Nestern weichen Saatkrähen aber problemlos auf andere Bäume in der näheren Umgebung aus. Die Wahl der Nestbäume hängt offenkundig davon ab, welche Bäume überhaupt dort wachsen. Die Tiere scheinen sich in erster Linie ein Brutgebiet nach den allgemeinen Faktoren (Freifläche mit Bauminsel) zu suchen und wählen dann dort die günstigsten Bäume unabhängig von der Art aus (vgl. AVEGA, Ornithologische Begleituntersuchungen zur Saatkrähenkolonie in Puchheim vom 30. September 2012, a.a.O., Seite 7).

57

Es ist daher vorliegend überwiegend wahrscheinlich, dass die Saatkrähen im Falle der Kürzung der vier Platanen – diese sind momentan die höchsten Bäume auf dem Areal – auf dem Gemeindefriedhof der Antragstellerin auf die benachbarten Bäume ausweichen werden. Nach den Erfahrungen von Ornithologen bauen Saatkrähen nach einer Nesterentfernung innerhalb weniger Tage neue Nester im Umfeld der entfernten Nester (vgl. AVEGA, Ornithologische Begleituntersuchungen zur Saatkrähenkolonie in Puchheim vom 30. September 2012, a.a.O., Seite 10). Hinzu kommt, dass Saatkrähen immer wieder versuchen, an ihren ursprünglichen Brutstandort, auf den sie geprägt sind, zurückzukehren und Vergrämungsaktionen durch Nesterentfernung zur Bildung von Splitterkolonien führen. Diese haben meist auch eine Zunahme der Gesamtzahl der Brutpaare zur Folge (vgl. AVEGA, Ornithologische Begleituntersuchungen zur Saatkrähenkolonie in Puchheim vom 30. September 2012, a.a.O., Seite 17; Dr. Sepp/Dufner, Begleituntersuchung zur Saatkrähenbrutkolonie in Puchheim 2016, Seite 7, abgerufen am 7. Februar 2017 unter https://www.puchheim.de/export/download.php?id=10841; vgl. auch Bayerisches Landesamt für Umwelt, Konzept zum Umgang mit Saatkrähenkolonien in Bayern, a.a.O., Seite 13 und das von der Antragstellerin eingeholte Gutachten von Dr. Wilhelmi, Brutbiologie und Kolonieverhalten von Saatkrähen sowie mögliche Vergrämungsmethoden, a.a.O., Seite 4). Vorliegend stehen westlich der vier Platanen drei Winterlinden (Nrn. 465 – 467) oder nördlich vier weitere Laubbäume der Arten Hainbuche, Robinie und Winterlinde. Auch unter diesen Bäumen befinden sich Gräber, so dass davon auszugehen ist, dass die Verschmutzungsproblematik innerhalb des Friedhofs nur verlagert würde. Soweit die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren in ihrer Mail vom 6. Dezember 2016 an den Antragsgegner behauptet hat, sie gehe davon aus, dass die anderen hohen Bäume auf dem Friedhof zu dicht seien und nicht über die ausgeprägten Astgabeln verfügten, die die Vögel zum Nestbau benötigten, überzeugt dies die Kammer nicht. Wie ausgeführt, sind Saatkrähen in der Wahl der Nestbäume flexibel und passen sich schnell veränderten Bedingungen an. So nisteten beispielsweise die Saatkrähenkolonien in der nordrhein-westfälischen Stadt Soest ausweislich des Gutachtens der CABWIM Consultancy vom 13. August 2012 u.a. auch in Sommerlinden, Kastanien- und Ahornbäumen (CABWIM Consultancy, Untersuchung der Saatkrähenkolonien in Soest und Umgebung, Seite 10, abgerufen am 9. Februar 2017 unter http://www.soest.de/03leben_wohnen/planen_bauen_umwelt/Gutachten_ Saatkraehen_Druckvorlage_120829.pdf). Aber auch auf Robinien (auf dem Friedhof der Antragstellerin die Bäume mit den Nrn. 470, 471, 483) nistet die Saatkrähe gerne (vgl. Andris, Brutverbreitung und Bestandsentwicklung der Saatkrähe (Corvus frugilegus) in der südbadischen Oberrheinebene, Naturschutz südl. Oberrhein 1, 1996, Seite 104 und die Übersicht auf Seite 109, abgerufen am 9. Februar 2017 unter www.fosor.de/artikel/saatkraehe.pdf).

58

Die Kammer hegt ferner Bedenken, die Vertreibung einer Saatkrähenkolonie mittels Beschädigung der Fortpflanzungsstätten zuzulassen, ohne in der Regel fachlich fundiert das Vorhandensein eines geeigneten Ersatzstandortes für die Krähen geprüft zu haben. Dr. Sepp/Dufner haben in ihrer 2016 erstellten Begleituntersuchung zur Saatkrähenbrutkolonie auf dem Friedhof in Puchheim auf Seite 10 ausgeführt, am Ersatzstandort müsste gewährleistet sein, dass die Saatkrähen nicht durch illegale Maßnahmen wieder vertrieben werden. Sollte ein (oder mehrere) geeignetes Habitat(e) gefunden werden, müsste vorab versucht werden, die Krähen durch verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel das Einsetzen von Nestern und das Abspielen von Lockrufen, in den gewünschten Brutbereich zu locken. Erst wenn sich dort einige Saatkrähen zum Brüten niedergelassen hätten, könnte eine Vertreibung der restlichen Krähen an diesen Standort Erfolg haben.

59

Die Antragstellerin hat lediglich eingeräumt, ihr sei bewusst, dass die vergrämten Tiere sich an anderer Stelle im Gemarkungsbereich auch in bebauten Gebieten niederlassen könnten. Sie hat aber keine konkreten Ersatzstandorte benannt, die geeignet wären, die Saatkrähen längerfristig aufzunehmen, ohne dort neue Konflikte mit der Nachbarschaft auszulösen. In Lambsheim und Umgebung gibt es nur wenige zusammenhängende Baumbestände. Es ist im Übrigen nicht Aufgabe des Gerichts, von Amts wegen geeignete(re) Standorte auf dem Gebiet der Antragstellerin zu ermitteln. Jedoch steht es der Antragstellerin frei, im laufenden Widerspruchsverfahren passende Ersatzstandorte zu benennen, die von dem Antragsgegner gegebenenfalls fachlich auf ihre Tauglichkeit überprüft werden können. In dem Fall der Saatkrähenbrutkolonie auf dem Friedhof in der bayerischen Stadt Puchheim wurden seit dem Jahre 2012 Vergrämungsmethoden angewandt, indem auf dem Friedhof sogenannte Krähenklatschen und in den Randbereichen Heliumballone angebracht sowie Maßnahmen zur Verlagerung der Saatkrähen an einen angrenzenden Ersatzstandort ergriffen wurden. Hierzu wurden im Herbst bzw. Winter die alten Nester in das Zielgehölz umgesetzt und vor der beginnenden Brutzeit des darauf folgenden Jahres die Krähen im Friedhof vergrämt. Ferner wurden brutbereite Vögel an dem neuen Koloniestandort durch Abspielen von Lock- und Balzrufen angelockt (s. AVEGA, Ornithologische Begleituntersuchungen zur Saatkrähenkolonie in Puchheim vom 30. September 2012, a.a.O., Seite 18). Nach den Angaben von Dr. Sepp/Dufner (Begleituntersuchung zur Saatkrähenbrutkolonie in Puchheim 2016, a.a.O., Seite 6) erhielt die Stadt Puchheim erstmals eine naturschutzrechtliche Bewilligung über einen Zeitraum von fünf Jahren bis zum 31. Juli 2020 mit der Maßgabe, dass auf dem Friedhof von Puchheim und in den Splitterkolonien bestimmte Nester vom 1. September bis 28. Februar jedes Winterhalbjahres (mit einer Verlängerungsoption bis 15. März) entfernt werden und Saatkrähen in dieser Zeit mit akustischen und optischen nicht-letalen Methoden vergrämt werden dürfen, wenn dort keine Eiablage stattgefunden hat. Nachhaltige Wirkung haben die Vergrämungsmethoden in Puchheim bisher allerdings nicht gehabt. Stattdessen wuchs die Population der Saatkrähenkolonien an und bildete neue Splittersiedlungen auch in der Nachbargemeinde (s. Süddeutsche Zeitung vom 7. Dezember 2016, abgerufen am 8. Februar 2016 unter http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/germeringpuchheim-saatkraehen-siedeln-nachgermering-um-1.3284288).

60

Lässt man diese Bedenken außer Acht und geht zugunsten der Antragstellerin auch wegen der besonderen Bedeutung der würdevollen Ausübung des Totengedenkens vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG im Interesse der öffentlichen Sicherheit aus, ist aber weiter nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG zu prüfen, ob u.a. zumutbare Alternativen gegeben sind. Hierzu können alternative Standorte, andere Größenordnungen oder alternative Aktivitäten, Prozesse oder Methoden gehören (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 – 9 A 14/12 –, NuR 2014, 262). Nach Auffassung der Kammer sind alternative Methoden hier aber nicht von vornherein aussichtslos.

61

Der von der Antragstellerin beauftragte Gutachter Dr. Wilhelmi hat in seinem Gutachten auf Seite 4 ff. verschiedene Vergrämungsmethoden und mehrere Arbeitsschritte zur Umsiedlung von Saatkrähen genannt. Hierzu zählen u.a. akustische Methoden wie das Aufstellen von Lautsprechern oder Knallschreckgeräten. Auch die Verwendung von Krähenklappen – hier werden zwei am Baum angebrachte Holzbretter gegeneinander geschlagen – in dem Zeitraum, der der Eiablage vorgelagert ist, gehört zu den Möglichkeiten, die Saatkrähen vom Nestbau und der Eiablage in den aktuell genutzten Nistbäumen abzuhalten. Die Verwendung von Krähenklappen auf einem Friedhof ist nicht nach § 7 Abs. 3 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – erlaubnispflichtig, da sie als akustische Einrichtungen und Geräte nicht zur Fernhaltung von Tieren in Weinbergen oder in anderen gefährdeten landwirtschaftlichen Anbaugebieten dienen. Der Einsatz von Krähenklappen widerspricht auch nicht § 5 Abs. 3 i) Satz 1 der Friedhofsordnung der Antragstellerin, wonach es auf dem Friedhof nicht gestattet ist, zu lärmen. Denn nach § 5 Abs. 3 i) Satz 2 der Friedhofsordnung kann die Friedhofsverwaltung eine Ausnahme zulassen, soweit die mit dem Zweck des Friedhofs und seiner Ordnung vereinbar ist. Dies ist hier der Fall, denn das kurzzeitige Betätigen von einer oder mehreren Krähenklappen ist angesichts der von den Saatkrähen ausgehenden Beeinträchtigungen weniger störend. Zur Verwendung von Krähenklatschen hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in einem Fall, in dem es um die beabsichtigte Vergrämung von Saatkrähen mittels Krähenklatsche ging, in seinem Urteil vom 1. Dezember 2015 (– 4 LC 156/14 –, juris) ausgeführt, dass akustische Vergrämungsmaßnahmen zulässig seien, wenn die Störung der Tiere nicht erheblich sei, d.h. der Erhaltungszustand der lokalen Population sich auf Grund der Störung durch die Vergrämungsmaßnahmen nicht verschlechtere (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Sei nicht zu erwarten, dass sich die Größe und der Fortpflanzungserfolg der aktuell in der betreffenden Brutkolonie ansässigen Population von Saatkrähen auch bei jährlicher Durchführung der von dem Kläger beabsichtigten akustischen Störmaßnahmen signifikant und nachhaltig verringern werde, unterlägen die von dem Kläger beabsichtigten akustischen Vergrämungsmaßnahmen nicht dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, wenn diese wie geplant vor der Eiablage erfolgten.

62

Jedenfalls kurzfristig kann die Antragstellerin daher erwägen, auf ihrem Friedhof mehrere Krähenklatschen anzubringen, um die Saatkrähen vor der Eiablage von dem Standort zu vertreiben. Zwar ist der Erfolg dieser Vergrämungsmethode nicht garantiert (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%A4henklatsche zum weitgehenden Misserfolg in der friesischen Stadt Jever), er ist aber auch nicht ausgeschlossen (s. OVG Niedersachsen, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 4 LC 156/14 –, juris). Es besteht bei dieser Vorgehensweise jedenfalls das nicht zu unterschätzende Risiko, dass sich die Saatkrähenkolonie statt auf dem Friedhof der Antragstellerin in der Umgebung neue Nistplätze suchen wird, die neue Konflikte verursachen werden.

63

Als weitere Alternative kommt zwecks Reduzierung der Verschmutzung durch Krähenkot die temporäre Verwendung von Planen oder Sonnensegel unterhalb der Horstbäume in Betracht (s. z.B. Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V., Gefährdung und Schutz der Saatkrähe, abgerufen am 9. Februar 2017 unter http://www.lbv.de/unsere-arbeit/vogelschutz/saatkraehe/gefaehrdung-und-schutz. html, abgerufen am 9. Februar 2017).

64

Das Ganze bedarf vorliegend aber keiner weiteren Vertiefung. Da es nach dem Vorgesagten im Ergebnis überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Saatkrähen im Falle der Kürzung der vier Platanen auf dem Friedhof der Antragstellerin auf die benachbarten Bäume ausweichen werden, fehlt es jedenfalls an einer Glaubhaftmachung, dass die begehrte Ausnahme im Interesse der öffentlichen Sicherheit die einzige richtige Behördenentscheidung darstellt. Eine weitere Prüfung sowie gegebenenfalls die Erarbeitung geeigneter Lösungsvorschläge zur nachhaltigen Vergrämung der Saatkrähen vom Friedhof der Antragstellerin in weniger konfliktträchtige Bereiche muss dem Widerspruchsverfahren vorbehalten bleiben.

65

2.2.1.5. Schließlich fehlt es auch an der Glaubhaftmachung bezüglich der Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.

66

Dieser Ausnahmegrund kann auch bei europäischen Vogelarten herangezogen werden. Die Vorschrift des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG hat zwar keine Entsprechung in Art. 9 Abs. 1 Vogelschutzrichtlinie. Dennoch ist die Norm europarechtskonform, da dieser ungeschriebene Rechtfertigungsgrund auch im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit der FFH-Richtlinie unerlässlich geworden ist (vgl. Bay. VGH Urteil vom 19. Februar 2014 – 8 A 11.40040 –, juris; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2016, § 45 BNatSchG Rn. 24).

67

Öffentliche Interessen können alle öffentlichen Interessen gleich welcher Art sein, ausgenommen sind lediglich rein private Belange (Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 45 Rn. 18). Inhaltlich werden alle Belange erfasst, die – zumindest auch – dem Wohl der Allgemeinheit dienen, wie z.B. Infrastrukturprojekte wie Fernstraßenbau und Bau von Bahnverbindungen (Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas a.a.O., § 45 BNatSchG Rn.28). Zwingend sind die Gründe des öffentlichen Interesses, wenn sie einem durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleiteten staatlichen Handeln entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 – 4 C 2/99 –, NVwZ 2000, 1171; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Juli 2009 – 8 C 10399/08.OVG –, NuR 2009, 882). Überwiegend sind diejenigen öffentlichen Interessen, die in bipolarer Abwägung den mit dem besonderen Artenschutzrecht verfolgten Belangen des Naturschutzes vorgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 – 4 C 12/07 –, NVwZ 2010, 123).

68

Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen kann zur Begründung auf die Ausführungen zu 2.2.1.5. verwiesen werden.

69

2.2.2. Die Antragstellerin hat ferner nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ihr im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG zusteht.

70

2.2.2.1. Die Vorschrift des § 67 BNatSchG ist neben der Bestimmung des § 45 BNatSchG anwendbar. Ausnahmeregelungen wie § 45 BNatSchG entfalten keine generelle Sperrwirkung für eine Befreiung; vielmehr haben Ausnahmen einen bestimmten vom Gesetzgeber vorhergesehenen Sachverhalt zum Gegenstand, während die Befreiung gerade unvorhergesehene Situationen betrifft. Beide Instrumente stehen damit selbstständig nebeneinander (Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 67 Rn. 2).

71

Gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG kann u.a. auf Antrag von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist (Nr. 1) oder die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist (Nr. 2).

72

2.2.2.2. Die in § 67 geregelte Befreiungsvorschrift dient der Einzelfallgerechtigkeit. Die Gewährung einer Befreiung kommt nur in atypischen und daher vom Gesetzgeber erkennbar nicht vorhergesehenen Einzelfällen aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. September 1992 – 7 B 130/92 –, NVwZ 1993, 583 zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a BNatSchG in der damals geltenden Fassung). Es müssen Besonderheiten vorliegen, die den betreffenden Fall deutlich von dem vom jeweiligen Normgeber zugrunde gelegten Regelfall unterscheiden (Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 67 Rn. 4). Der Normgeber darf den Sachverhalt in seinen Konsequenzen für den Betroffenen nicht erkannt haben oder nicht erkennen können und der Betroffene muss mit dem einschlägigen Verbot unzumutbar benachteiligt werden. Regelmäßig fernliegend ist ein atypischer Fall, wenn die Auswirkung, hinsichtlich derer die Befreiung begehrt wird, zu den typischen Lebensäußerungen der Tiere bzw. zu den typischen Auswirkungen der Pflanzen und natürlichen Strukturen, insbesondere Bäumen, gehört, die Schutzgegenstand der Norm sind, von der befreit werden soll (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. November 2012 – 14 ZB 11.1597 –, NVwZ-RR 2013, 93; VG Ansbach, Urteil vom 24. Juli 2013 – AN 11 K 12.01015 –, juris; Lau in Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 67 Rn. 4).

73

2.2.2.3. Gemessen hieran hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass das Kürzen der vier Platanen auf ihrem Friedhof durch Gewährung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 oder 2 BNatSchG geregelt werden könnte.

74

In Bezug auf die Beseitigung eines Baumes oder von Teilen eines Baumes, von dem Gefahren ausgehen, weil dessen Stand- oder Bruchsicherheit beeinträchtigt ist, kommt zwar schon dann die Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG in Betracht, wenn die Schwelle einer unmittelbar drohenden Gefahr möglicherweise noch nicht erreicht ist (vgl. VG München, Urteil vom 28. März 2011 – M 8 K 10.2378 –, juris). Eine Gefahrenlage, bei der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen wäre (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Oktober 1993 – 7 A 2021/92 –, NuR 1994, 253), ist vorliegend aber nicht erkennbar.

75

Mit ihrer Behauptung, bei den betroffenen Platanen auf dem Gemeindefriedhof bestehe der Verdacht eines Befalls mit dem Massariapilz und die Bäume müssten gegebenenfalls zum Teil auch aufgrund der Sicherung der Verkehrspflicht eingekürzt werden, hat die Antragstellerin bereits nicht ausreichend dargetan, dass die Platanen tatsächlich von der Massaria-Krankheit befallen sind. Da eine engmaschigere Kontrolle der Platanen auf einen möglichen Befall mit der Massaria-Krankheit geboten, erforderlich und der verkehrssicherungspflichtigen Antragstellerin auch zumutbar ist, wenn ein entsprechender Befall in dem konkreten Baumbestand festgestellt worden ist, muss davon ausgegangen werden, dass vorliegend bisher keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden sind (vgl. zur Verkehrssicherungspflicht von Kommunen bei Befall von Platanen mit der Massaria-Krankheit OLG Hamm, Urteil vom 24. Oktober 2012 – 11 U 100/12 –, juris und LG Bonn, Urteil vom 2. Juli 2014 – 1 O 64/14 –, juris). Jedenfalls hat die Antragstellerin keine diesbezüglichen Unterlagen eingereicht, die den alleinigen Schluss zulassen, es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen.

76

2.3. Hat die Antragstellerin damit keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, kommt es nicht mehr auf die weitere Frage an, ob sich die Antragstellerin daneben auf einen Anordnungsgrund berufen kann.

77

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

78

Die Festsetzung des Verfahrensgegenstandswerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013 (NVwZ Beilage 2013, 58).

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Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege


Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 44 Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten


(1) Es ist verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,2. wild lebende Tiere der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 94 Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes


(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, ei

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 67 Befreiungen


(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn 1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, ei

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 45 Ausnahmen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen 1. Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig a) in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos g

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 93 Wesentliche Bestandteile einer Sache


Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


(1) Es ist verboten, 1. wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,2. wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 31 Aufbau und Schutz des Netzes „Natura 2000“


Der Bund und die Länder erfüllen die sich aus den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG ergebenden Verpflichtungen zum Aufbau und Schutz des zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie 92/43

Referenzen - Urteile

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Feb. 2017 - 3 L 121/17.NW zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Feb. 2017 - 3 L 121/17.NW zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Sept. 2004 - V ZR 230/03

bei uns veröffentlicht am 17.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 230/03 Verkündet am: 17. September 2004 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 07. Juli 2016 - 10 S 579/16

bei uns veröffentlicht am 07.07.2016

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Februar 2016 - 3 K 5325/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.Die Antragsgegnerin zu 2. wird im Weg der einstweiligen Anordnung

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 06. Nov. 2014 - 8 A 10469/14

bei uns veröffentlicht am 06.11.2014

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. November 2013 abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläu

Landgericht Bonn Urteil, 02. Juli 2014 - 1 O 64/14

bei uns veröffentlicht am 02.07.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreck

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 26. Nov. 2013 - 6 VR 3/13

bei uns veröffentlicht am 26.11.2013

Gründe I. 1 Der Antragsteller, Redakteur bei einer deutschen Tageszeitung, beschäftigt

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 06. Nov. 2013 - 9 A 14/12

bei uns veröffentlicht am 06.11.2013

Tatbestand 1 Die Kläger sind nach § 3 UmwRG als Naturschutzvereinigungen anerkannt. Sie wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 30. April 2012

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2013 - 8 CN 1/12

bei uns veröffentlicht am 16.10.2013

Tatbestand 1 Die Antragstellerin ist ein Steinmetzbetrieb, der in erster Linie auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin tätig ist. Sie wendet sich mit ihrem Normenkontroll

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 17. Sept. 2013 - 12 U 143/12

bei uns veröffentlicht am 17.09.2013

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. August 2012 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten und der Berufung des Klägers - teilweise
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Feb. 2017 - 3 L 121/17.NW.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 21. Juni 2017 - 4 K 271/17.NW

bei uns veröffentlicht am 21.06.2017

Tenor Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 7. März 2017 verpflichtet, die von der Klägerin am 14. Juni 2016 beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage an dem Anwesen Friedhofstraße ... in Elmstein zu erteilen. De

Referenzen

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin ist ein Steinmetzbetrieb, der in erster Linie auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin tätig ist. Sie wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Regelung in § 28 Abs. 2 der Bestattungs- und Friedhofssatzung (BFS) der Antragsgegnerin.

2

In der am 15. April 2009 bekanntgemachten Satzung vom 6. April 2009 hat die Vorschrift den folgenden Wortlaut:

§ 28

Grabmale

(1) …

(2) Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19. November 2000, hergestellt wurden.

3

Mit ihrem im Jahr 2009 anhängig gemachten Normenkontrollantrag begehrt die Antragstellerin, § 28 Abs. 2 BFS für unwirksam zu erklären. Der Verwaltungsgerichtshof hatte dem Normenkontrollantrag zunächst mit Beschluss vom 27. Juli 2009 stattgegeben und die angefochtene Bestimmung für unwirksam erklärt. Zur Begründung hatte er ausgeführt: Die Antragsgegnerin könne sich nicht auf ihre Befugnis berufen, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen durch Satzung zu regeln (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bayerische Gemeindeordnung), denn die angefochtene Satzungsregelung halte sich aus mehreren Gründen nicht innerhalb der Grenzen dieser Ermächtigungsgrundlage. Die Satzungsbestimmung verfolge der Sache nach einrichtungsfremde Zwecke, nämlich die Bekämpfung der Kinderarbeit weltweit. Die Regelung sei nicht geeignet, den Friedhofszweck zu fördern. Sie regele auch nicht die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten auf dem Friedhof, sondern allenfalls deren Vorfeld. Es handele sich ferner nicht um Vorschriften zur Grabmalgestaltung, denn die Herkunft und Produktionsbedingungen der Grabsteine, deren Nachweis die Antragsgegnerin verlange, seien keine die Beschaffenheit des Grabsteins kennzeichnenden Eigenschaften. Herkunft und Produktionsbedingungen könnten bei der Betrachtung des Grabsteins nicht äußerlich festgestellt werden und seien nicht geeignet, das Empfinden der Friedhofsbenutzer zu beeinträchtigen. Die angegriffene Satzungsregelung beziehe sich auch nicht auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, auf die die Satzungsbefugnis der Antragsgegnerin nach Art. 28 Abs. 2 GG von vornherein beschränkt sei. Die Vorschrift diene der Umsetzung eines weltweiten politischen Anliegens, nämlich der Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit, und weise keinen spezifisch örtlichen Bezug auf.

4

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Januar 2010 zurückgewiesen.

5

Am 17. März 2010 hat die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Verfassungsbeschwerde bei dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingelegt. Dieser hat den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidung vom 7. Oktober 2011 wegen Verstoßes gegen Art. 11 Abs. 2 Bayerische Verfassung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die angefochtene Entscheidung werde der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts der Antragsgegnerin nicht gerecht. Allein der Umstand, dass § 28 Abs. 2 BFS geeignet sei, dem weltweiten politischen Anliegen der ILO-Konvention 182 Rechnung zu tragen, besage nicht, dass mit der Norm nicht eine Regelung getroffen werde, welche unmittelbar die Nutzung des Friedhofs zur Totenbestattung im Sinne des Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung betreffe. Auf die Motive derjenigen, die beim Erlass des § 28 Abs. 2 BFS mitgewirkt hätten, komme es für die rechtliche Beurteilung nicht an. Entscheidend sei nur, ob die Regelung objektiv dem Rechtskreis der Totenbestattung zugeordnet sei. Dies könne ungeachtet dessen der Fall sein, dass die Norm im Ergebnis auch einem weltweiten politischen Anliegen Rechnung trage. Es sei weder sachfremd noch willkürlich und bewege sich innerhalb des gemeindlichen normativen Einschätzungsspielraums, wenn die Antragsgegnerin davon ausgehe, dass es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen könne, dass dort keine Grabsteine aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess durch schlimmste Formen der Kinderarbeit gewonnen worden sei.

6

Mit Urteil vom 6. Juli 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof den Normenkontrollantrag daraufhin abgelehnt. Nach der ihn bindenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs könne der angegriffenen Rechtsvorschrift nicht mehr entgegengehalten werden, es mangele ihr an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs sei der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und damit auch der spezifisch örtliche Bezug in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt. Die angefochtene Regelung sei auch nicht deshalb für unwirksam zu erklären, weil der Satzungsgeber die formellen Genehmigungsanforderungen nicht selbst konkretisiert und es der Friedhofsverwaltung überlassen habe zu entscheiden, auf welchem Weg und mit welchem Grad an Gewissheit der Nachweis darüber erbracht werden solle, dass das Grabmal in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sei.

7

Zur Begründung ihrer Revision macht die Antragstellerin geltend: Die streitige Regelung sei keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, sondern behandele eine bundesrechtliche Frage. Zwar könnten die Kommunen in der Friedhofssatzung grundsätzlich nach ihrem Ermessen Regelungen zur Totenbestattung sowie der Nutzung des Friedhofs treffen. Die im Selbstverwaltungsrecht begründete Befugnis zur Regelung der Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinde erlaube aber keine Satzungsbestimmungen, die nicht mehr dem Rechtskreis der eigenen Angelegenheiten zuzuordnen seien. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO scheide als Ermächtigungsgrundlage schon deshalb aus, weil die angegriffene Regelung nicht die Benutzung des Friedhofs, sondern eine gewerbliche Tätigkeit im Vorfeld der Friedhofsnutzung betreffe. Es werde ein einrichtungsfremder Zweck, nämlich die Bekämpfung von Kinderarbeit, verfolgt. Dies habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner ersten Entscheidung auch so gesehen und sei darin vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden. Daher könne davon ausgegangen werden, dass diese Ansicht der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspreche. Weder Art. 28 Abs. 2 GG noch die Bestattungsgesetze der Länder und die Gemeindeordnungen könnten derart weit ausgelegt werden, dass auf ihrer Grundlage Regelungen zu Herkunft und Produktionsbedingungen von Grabmalen getroffen werden könnten. Die vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs vorgenommene weite Auslegung der Ermächtigungsgrundlage des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO genüge überdies nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen für einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit von Steinmetzbetrieben gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

8

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 2012 zu ändern und § 28 Abs. 2 der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Antragsgegnerin vom 6. April 2009 für unwirksam zu erklären.

9

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt ebenfalls das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.

11

Die ebenfalls am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet.

13

1. Der Erfolg der Revision ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass der Verwaltungsgerichtshof mit dem angefochtenen Urteil die Rechtskraft seiner ersten Entscheidung in dieser Sache missachtet und damit § 121 VwGO verletzt hätte. Zwar ist der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 2009 zunächst rechtskräftig geworden, nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Januar 2010 - BVerwG 7 BN 2.09 - (LKV 2010, 509) die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen hatte. Jedoch hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof auf deren Verfassungsbeschwerde hin mit Entscheidung vom 7. Oktober 2011 den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 2009 aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Ungeachtet der Frage, ob Landesverfassungsgerichte befugt sind, die bundesgesetzlich angeordnete Rechtskraft auch auf Kommunalverfassungsbeschwerde hin und damit außerhalb von Art. 142 GG zu durchbrechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 - BVerfGE 96, 345 <368 ff.>), ist die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs jedenfalls wirksam; sie hat die Rechtskraft beseitigt und das Verfahren wieder eröffnet. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Januar 2010 ist damit gegenstandslos.

14

2. Die Revision ist aber begründet, weil das angegriffene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Auslegung und Anwendung des Landesrechts zwar nicht das in Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden garantierte Recht auf Selbstverwaltung verkannt (a). Das angegriffene Urteil verstößt indes gegen Art. 20 Abs. 3 GG (b) und Art. 12 Abs. 1 GG (c). Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Vielmehr muss dem Normenkontrollantrag stattgegeben werden.

15

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat in Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts angenommen, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO die Gemeinden und Städte ermächtigt, in Satzungen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen und damit auch die Friedhofsnutzung zu regeln, und dass dies auch Satzungsbestimmungen der hier in Rede stehenden Art umfasst. Der sachliche Zusammenhang mit dem in Art. 8 Abs. 1 Bayerisches Bestattungsgesetz (BayBestG) bestimmten Friedhofszweck und auch der spezifisch örtliche Bezug seien in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt, da es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen könne, dass dort keine Grabmale aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess gewonnen worden ist.

16

Die bundesverfassungsrechtliche Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG steht einer solchen Auslegung der Bayerischen Gemeindeordnung nicht entgegen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400>). Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind dabei diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <151 f.>). Art. 28 Abs. 2 GG enthält indes lediglich eine Mindestgarantie und schließt es nicht aus, dass der Gesetzgeber den Gemeinden darüber hinausgehende Aufgaben zuweist. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO in einer Weise ausgelegt hätte, die den Gemeinden die Regelung überörtlicher Angelegenheiten erlauben würde, so ergäbe sich allein hieraus deshalb noch keine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG. Anders läge es erst, wenn sich der Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung des Landesrechts in der Weise an Bundesrecht gebunden gesehen hätte, dass dieses für den Inhalt des Landesrechts maßgebend sei; dann wäre revisibel, ob er sich hierbei von einer zutreffenden Auffassung des Bundesrechts hat leiten lassen (vgl. Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 8 C 5.09 - BVerwGE 135, 100 Rn. 13 m.w.N. = Buchholz 451.09 IHKG Nr. 21). So liegt es aber nicht. Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO nur zur Regelung der Benutzung von Einrichtungen ermächtigt, deren Betrieb zu den örtlichen Angelegenheiten der Gemeinde gehört (vgl. Art. 23 Satz 1 BayGO), und er hat - im Anschluss an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof - Art. 28 Abs. 2 GG als Auslegungshilfe zur Beantwortung der Frage herangezogen, ob eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft vorliegt. Er hat jedoch nicht festgestellt, dass der bundesverfassungsrechtliche Begriff der örtlichen Gemeinschaft aus Rechtsgründen maßgebend für den landesrechtlichen Begriff sei.

17

Unabhängig hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen, dass die angegriffene Satzungsregelung die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht überschreitet. § 28 Abs. 2 BFS regelt Voraussetzungen für das Aufstellen von Grabsteinen auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin. Damit handelt es sich um eine Regelung der Benutzung der kommunalen Friedhöfe, die öffentliche Einrichtungen der Antragsgegnerin sind. Dass es sich hierbei um eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft handelt, für deren Regelung Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO - im Einklang mit Verfassungsrecht, auch mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG - der Antragsgegnerin die Befugnis zuweist, steht außer Zweifel. Eine andere Frage ist, ob die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO auch im Übrigen vorliegen. Hierzu gehört nach bayerischem Landesrecht, dass die Satzungsbestimmung dem Zweck der Einrichtung zu dienen bestimmt ist. Das ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs der Fall: Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Verfassung haben die Gemeinden dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene "schicklich beerdigt" werden kann, und nach Art. 8 Abs. 1 Bayerisches Bestattungsgesetz sind Friedhöfe den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet. Wenn eine Kommune der Auffassung ist, eine pietätvolle und würdige Friedhofsgestaltung setze voraus, dass ein Friedhofsnutzer die Einrichtung in dem Bewusstsein aufsuchen kann, nicht mit Grabsteinen konfrontiert zu werden, die in grob menschenrechtswidriger Weise hergestellt worden sind, so hat der Verwaltungsgerichtshof darin eine zulässige Konkretisierung des Friedhofszwecks gesehen. Dass dies mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar wäre, ist nicht erkennbar. Namentlich wird dadurch der gegenständliche Bezug zu den Friedhöfen der Antragsgegnerin nicht verlassen.

18

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Januar 2010 - BVerwG 7 BN 2.09 - (LKV 2010, 509 f. = BayVBl 2011, 510 f.), mit dem der 7. Senat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 2009 zurückgewiesen hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte damals entschieden, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde keine allein klärungsfähige Frage des revisiblen Bundesrechts aufgezeigt hätte, die in einer verallgemeinerungsfähigen Weise, losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalles, im Revisionsverfahren beantwortet werden könnte und müsste. Ob § 28 Abs. 2 BFS im Sinne der Ermächtigungsgrundlage des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO (noch) die Benutzung einer gemeindlichen Einrichtung regele, wenn er nur Grabmale zur Aufstellung zulasse, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden, sei eine Frage des irrevisiblen Landesrechts. Deshalb habe das Bundesverwaltungsgericht auch nicht darauf eingehen müssen, ob eine klärungsbedürftige Frage insoweit vorlag, als der Verwaltungsgerichtshof angenommen hatte, die streitige Regelung überschreite die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft.

19

Der Antragsgegnerin fehlt auch nicht deshalb die Regelungskompetenz, weil insoweit der Bund ausschließlich zuständig wäre oder von einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hätte. Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG ("Warenverkehr mit dem Ausland") ist nicht gegeben, da das Verbot der Verwendung von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit auf Friedhöfen nicht den Warenverkehr mit dem Ausland regelt und allenfalls mittelbare Auswirkungen auf den Import und Handel von solchen Grabmalen hat. Ob Satzungsregelungen der angegriffenen Art dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft, Handwerk) zugeordnet werden können, mag dahinstehen. Eine Sperrwirkung zu Lasten der Länder und Gemeinden ergäbe sich nur, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hätte (Art. 72 Abs. 1 GG). Davon ist hier nicht auszugehen; der Bund hat den hier in Frage stehenden Sachverhalt, dass Steinmetze bestimmte Produkte wegen ihres Herstellungsprozesses nicht oder jedenfalls nicht für bestimmte Zwecke verwenden dürfen, nicht geregelt.

20

b) Die angegriffene Satzungsbestimmung verletzt jedoch das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot der Klarheit und Bestimmtheit einer Norm.

21

Eine Vorschrift entspricht nur dann rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 396; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Es genügt, wenn die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Juni 1977 - 1 BvR 799/76 - BVerfGE 45, 400 <420> und vom 18. Mai 1988 - 2 BvR 579/84 - BVerfGE 78, 205 <212>; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1994 - BVerwG 4 C 2.94 - BVerwGE 96, 110 <111> = Buchholz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 3).

22

Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die angegriffene Satzungsbestimmung das Gebot der Normenklarheit und der hinreichenden Bestimmtheit, indem sie anordnet, dass nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die "nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette" ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden. Durch diese Regelung hat es die Antragsgegnerin der Friedhofsverwaltung überlassen zu überprüfen und zu beurteilen, ob die von den Steinmetzen beigebrachten Nachweise belegen, dass das Grabmal in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden ist, und damit die im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Bestimmung entstehenden Probleme unzulässigerweise in den Normvollzug verlagert. Dies könnte den Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit einer Norm nur gerecht werden, wenn für den Normbetroffenen unschwer erkennbar wäre, welcher Nachweis genügen würde. Daran fehlt es jedoch, da es bislang keine validen Nachweismöglichkeiten gibt. Derzeit können sich die Steinmetzbetriebe nur auf Eigenerklärungen von Herstellern und Lieferanten stützen, die jedoch keinerlei Sicherheit hinsichtlich des Merkmals "frei von Kinderarbeit" garantieren können. Verlässliche Zertifizierungssysteme und Gütesiegel unabhängiger Organisationen sind bisher nicht bekannt (vgl. dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, BTDrucks 16/12988 S. 5 f.); ob die vorhandenen Zertifikate aussagekräftig sind und auf tatsächlichen Inspektionen in den Herkunftsländern der Grabmale beruhen, ist für die Steinmetze mit zumutbarem Aufwand nicht nachprüfbar. Angesichts dessen bedürfte es einer Bestimmung, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden; gegebenenfalls müsste der Normgeber die Voraussetzungen festlegen, unter denen die Zeugnisse privater Zertifizierungsstellen als ausreichend angesehen werden.

23

c) Darüber hinaus genügt die angegriffene Satzungsbestimmung des § 28 Abs. 2 BFS nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG.

24

aa) § 28 Abs. 2 BFS wirkt sich auf die gewerbliche Tätigkeit der Steinmetze in der Weise aus, dass sie gehalten sind, für die Friedhöfe im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin nur solche Grabmale anzubieten, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Dies belastet sie zwangsläufig mit den Kosten und Mühen der Nachweisbeschaffung. Hierdurch wird ihre Berufsausübung eingeschränkt und damit in das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Schutzgut des Art. 12 Abs. 1 GG ist auch die Erwerbszwecken dienende freie unternehmerische Betätigung. Zwar sind die Steinmetze nicht unmittelbare Adressaten der kommunalen Norm. Sie sind indessen in das Nutzungsverhältnis zwischen dem Grabnutzungsberechtigten und der Antragsgegnerin einbezogen und bedürfen einer Zulassung durch die Friedhofsverwaltung (§ 34 Abs. 1 BFS). Auch nicht unmittelbar auf die berufliche Betätigung abzielende Maßnahmen können infolge ihrer spürbaren tatsächlichen Auswirkungen geeignet sein, den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG mittelbar erheblich zu beeinträchtigen. Voraussetzung für die Anerkennung solcher faktischen Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit ist, dass ein enger Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs besteht und dass nicht nur vom Staat ausgehende Veränderungen der Marktdaten oder allgemeinen Rahmenbedingungen eintreten, sondern eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennbar ist (BVerfG, Beschlüsse vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267 <302> und vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <48>). Die angegriffene Satzungsbestimmung stellt eine nicht unerhebliche grundrechtsspezifische Einschränkung der gewerblichen Betätigungsfreiheit dar, da viele Steinmetze in Deutschland Grabmale aus Indien oder aus sonstigen Ländern der Dritten Welt, in denen Kinderarbeit vorkommt, beziehen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BTDrucks 17/2406 S. 1, wonach zwei Drittel aller in Deutschland aufgestellten Grabsteine aus Indien stammen).

25

bb) Für einen solchen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit ist ein formelles Gesetz erforderlich.

26

Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 <224>; BVerwG, Beschluss vom 7. September 1992 - BVerwG 7 NB 2.92 - BVerwGE 90, 359 <362> = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 85). Allerdings gebietet Art. 12 Abs. 1 GG nicht, dass Einschränkungen der Berufsfreiheit stets unmittelbar durch den staatlichen Gesetzgeber oder durch die von ihm ermächtigte Exekutive angeordnet werden müssen. Vielmehr sind solche Regelungen innerhalb bestimmter Grenzen auch in Gestalt von Satzungen zulässig, die von einer Selbstverwaltungskörperschaft im Rahmen ihrer Autonomie erlassen werden (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64 - BVerfGE 33, 125 <155 ff.> - sog. Facharztbeschluss). Ob diese auf die satzungsrechtliche Tätigkeit im Bereich der funktionellen Selbstverwaltung, insbesondere der berufsständischen Organisationen, bezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für den Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung in vollem Umfang übertragbar ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Es ist jedoch verfassungsrechtlich unverzichtbar, dass eine hinreichende, vom parlamentarischen Gesetzgeber geschaffene Ermächtigungsgrundlage vorhanden ist, die dem Satzungsgeber die Befugnis eröffnet, in das Grundrecht der Berufsfreiheit einzugreifen. Dabei sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung umso höher, je empfindlicher die freie berufliche Betätigung beeinträchtigt wird und je stärker die Interessen der Allgemeinheit von der Art und Weise der Tätigkeit berührt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 1985 - 1 BvR 934/82 - BVerfGE 71, 162 <172>, vom 8. April 1998 - 1 BvR 1773/96 - BVerfGE 98, 49 <60> und vom 14. Dezember 1999 - 1 BvR 1327/98 - BVerfGE 101, 312 <323>).

27

Nach der Intensität des Grundrechtseingriffs richtet sich namentlich, mit welchem Maß an Bestimmtheit der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Satzungsregelung vorgeben muss. Zwar sind Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, der für die Übertragung rechtsetzender Gewalt an die Exekutive gilt, und die vergleichbaren Vorschriften der Landesverfassungen auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt an die Gemeinden nicht anwendbar (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2006 - BVerwG 8 C 13.05 - BVerwGE 125, 68 <70> = Buchholz 415.1 Allg.KommunalR Nr. 156). Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass gemeindlicher Satzungen, die Einschränkungen der Berufsfreiheit vorsehen, bedarf deshalb bundesverfassungsrechtlich einer Bestimmtheit grundsätzlich nur insoweit, als sich ihr zweifelsfrei entnehmen lassen muss, welchen Gegenstand die autonome Satzung betreffen und zu welchem Zweck sie erlassen werden darf (Urteile vom 9. März 1990 - BVerwG 8 C 20.88 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 117 S. 13 und vom 25. Januar 2006 a.a.O.). Darüber hinaus sind einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende Vorschriften über die Ausübung des Berufs dem Gesetzgeber vorbehalten (Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 1 C 13.91 - BVerwGE 96, 189 <195> = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 228). Aus dem Prinzip des Rechtsstaats sowie der Demokratie folgt, dass auch im Rahmen einer an sich zulässigen Autonomiegewährung der Grundsatz bestehen bleibt, dass der Gesetzgeber sich seiner Rechtssetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der zu erlassenden Norm nicht gänzlich preisgeben darf. Die grundlegende Entscheidung, ob und welche Gemeinschaftsinteressen so gewichtig sind, dass das Freiheitsrecht des Einzelnen zurücktreten muss, fällt allein in den Verantwortungsbereich des staatlichen Gesetzgebers (BVerfG, Beschlüsse vom 9. Mai 1972 a.a.O. <158 f.> und vom 14. Juli 1987 - 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87 - BVerfGE 76, 171 <184 f.>). Der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG soll sicherstellen, dass der Gesetzgeber dieser Verantwortung gerecht wird.

28

Ausgehend von diesen Maßstäben fehlt der zur Normenprüfung gestellten Satzungsbestimmung eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Weder die Gewährleistung der gemeindlichen Satzungsautonomie in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG noch die in den jeweiligen Gemeindeordnungen eingeräumte, diese verfassungsrechtliche Gewährleistung lediglich deklaratorisch aufgreifende allgemeine Befugnis zum Erlass von Satzungen (hier: Art. 23 Satz 1 BayGO) genügt den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG an eine formell-gesetzliche Ermächtigung (Beschluss vom 7. September 1992 a.a.O. S. 363; Sachs, in: GG, 6. Aufl. 2011, Art. 12 Rn. 116; Rennert, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. I, 2002, Art. 28 Rn. 138). Auch die den Gemeinden in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayGO eingeräumte Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, genügt nicht, und zwar auch dann nicht, wenn Art. 8 und 9 BayBestG, die nähere Regelungen für die Nutzung der Friedhöfe enthalten, einbezogen werden. Diese Vorschriften lassen weder die Voraussetzungen noch den Umfang und die Grenzen eines Eingriffs erkennen und geben somit den Rahmen für die Einschränkung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor.

29

Einer gesetzlichen Grundlage bedarf es vor allem mit Blick auf das erforderliche Nachweissystem. Wie gezeigt, muss der Satzungsgeber festlegen, welcher Art der in § 28 Abs. 2 BFS geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden (oben 2.b). Derartige Festlegungen betreffen indes nicht nur die Steinmetze im jeweiligen räumlichen Einzugsbereich einer Gemeinde, sondern wesentliche Bedingungen der Ausübung des Steinmetzberufs überhaupt. Schon dies unterstreicht die außerordentliche Bedeutung derartiger Regelungen für die Berufsausübung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das erforderliche Nachweissystem wegen seiner Bedeutung für die Grundrechtsausübung - auch - der Händler jedenfalls in seinen Grundzügen selbst regeln muss. Auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit unter den Steinmetzen wäre schwer erträglich, würde jede Gemeinde in ihrem Gebiet Nachweisanforderungen stellen, die sich von denjenigen der Nachbargemeinde erheblich unterscheiden.

30

cc) Der mit § 28 Abs. 2 BFS verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist zudem unverhältnismäßig.

31

Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 - 1 BvR 1531/90 - BVerfGE 85, 248<259>; BVerfG-Kammer, Beschluss vom 7. März 2012 - 1 BvR 1209/11 - GesR 2012, 360).

32

Durch das Verbot der Verwendung von Grabmalen, die unter Einsatz von Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden, wird ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck verfolgt. Das Verbot soll die Würde der Ruhestätte und des Friedhofs (Art. 8 BayBestG) und die Schicklichkeit der Totenbestattung (Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BayVerf) wahren und fördern. Es ist geeignet, diesen Regelungszweck zu fördern; denn bei Nichterbringung des von der Vorschrift geforderten Nachweises wird die Verwendung solcher Grabsteine auf Friedhöfen der Antragsgegnerin verhindert. Es ist ferner erforderlich, da ein milderes Mittel, das den Regelungszweck ebenso gut erreichte, die Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze aber weniger beschränkte, nicht erkennbar ist.

33

Die Regelung genügt aber nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Es ist verletzt, wenn die Schwere des Eingriffs völlig außer Verhältnis zum damit verfolgten Zweck steht (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 a.a.O. ). Das Erfordernis nachzuweisen, dass aufzustellende Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, stellt eine einschneidende, schwerwiegende Beschränkung der Berufsausübung der Steinmetze dar. Es macht einen wesentlichen Teil ihrer beruflichen Betätigung davon abhängig, dass sie den vollen Beweis einer negativen Tatsache erbringen. Die damit verbundene schwerwiegende Beeinträchtigung steht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck, solange nicht klar geregelt ist, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass ein Großteil der von den Steinmetzen verwendeten Grabmale aus Ländern der sogenannten Dritten Welt bezogen wird, in denen Kinderarbeit vorkommt. Die Steinmetze können nicht die Wertschöpfungskette jedes einzelnen von dort importierten Grabmals selbst verfolgen. Sie können ohne hinreichend bestimmte Regelung der Anforderungen an geeignete Nachweise auch nicht erkennen, welche der derzeit erhältlichen Bescheinigungen über eine von ausbeuterischer Kinderarbeit freie Wertschöpfungskette hinreichend verlässlich sind. Vielmehr wird ihnen das unkalkulierbare Risiko aufgebürdet einzuschätzen, ob von ihnen beschaffte Nachweise von der Antragsgegnerin anerkannt werden. Damit können für sie erhebliche Kosten, Umsatzeinbußen und gegebenenfalls auch Wettbewerbsnachteile gegenüber Konkurrenten, deren Nachweise im Einzelfall anerkannt werden, verbunden sein.

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 230/03 Verkündet am:
17. September 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Hat der Grundstückseigentümer eine Gefahrenlage geschaffen, an deren Beseitigung
er durch Rechtsvorschriften (hier: Naturschutz) gehindert ist, kann er, wenn
sich die Gefahr in einem Schaden des Nachbarn verwirklicht, diesem zum Ausgleich
entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verpflichtet sein (Abgrenzung zu Senat
BGHZ 120, 239).
BGH, Urt. v. 17. September 2004 - V ZR 230/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. September 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Nachbarn. Das Fällen von als Landschaftsbestandteil geschützten Bäumen auf dem Grundstück der Beklagten ist grundsätzlich verboten. Im Zuge einer Baugenehmigung war der Beklagten das Roden eines Teiles des Baumbestandes gestattet worden. Nach Abschluß der Arbeiten wiesen die Landschaftsarchitekten der Beklagten die Naturschutzbehörde auf die Gefahr hin, daß die verbliebenen Bäume durch die Rodung ihren Windschutz und ihre Standsicherheit verloren hätten. Die Naturschutzbehörde hielt als Ergebnis einer Begehung vom 24. März 1999 fest, sieben Eichen wiesen eine
abnehmende Vitalität auf, gegen ihre Beseitigung sei nichts einzuwenden. Für diese Bäume erwirkte die Beklagte eine Fällgenehmigung, von der sie am 27. April 1999 Gebrauch machte. Am 2. Juni 1999 stürzten zwei weitere Bäume (Stieleiche und Rotbuche), gegen deren Vitalität bei der Begehung keine Bedenken aufgetreten waren, während eines Gewittersturmes auf das Grundstück der Kläger. Sie beschädigten dort eine Garage und die Gartenanlage. Die Beklagte hat eine Ausgleichszahlung (u.a.) mit der Begründung abgelehnt, sie sei für den Schaden nicht verantwortlich, da sie durch den Naturschutz an der Beseitigung der schädigenden Bäume gehindert gewesen sei. Landgericht und Oberlandesgericht haben dem Antrag der Kläger auf Zahlung von 88.250 DM nebst Zinsen dem Grunde nach stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht bejaht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Die Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger gehe wenigstens mittelbar auf den Willen der Beklagten zurück. Daß ein Naturereignis (Gewittersturm ) alleinige Ursache des Niederbrechens der Bäume gewesen sei, sei auszuschließen. Im Hinblick auf den Umstand, daß die Bäume über Jahrzehnte den Naturgewalten widerstanden hätten, spreche ein erster Anschein dafür, daß die von der Beklagten veranlaßten Maßnahmen, Rodung und Bebauung, zum Sturz geführt hatten. Grundlage des Anscheinsbeweises sei die von den Privatgutachtern der Parteien übereinstimmend getroffene Feststellung, daß
das Wurzelwerk der beiden Bäume in erster Linie auf eine Versorgung mit Wasser und Nährstoffen aus tieferen Regionen, nicht aber auf seitliche Stabilität ausgelegt und im Hinblick auf Höhe und Größe der Bäume zu schwach gewesen sei. Da die Beklagte mit ihrer Baumaßnahme diesen Zustand herbeigeführt habe, könne sie nicht einwenden, die Vorgaben der Naturschutzbehörde hätten eine Beseitigung der schadensstiftenden Bäume verhindert. Dies hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung, nicht aber der Verfahrensrüge der Revision stand.

II.

1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dem Anspruch auf nachbarrechtlichen Ausgleich stattgegeben, ohne zuvor einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu prüfen, berührt den Bestand des Berufungsurteils nicht. Allerdings hat es das Berufungsgericht im Anschluß an die Vorinstanz offengelassen, ob die Beklagte aus Delikt haftet und sich nur mit dem Ausgleichsanspruch befaßt. Der Senat hat demgegenüber, worauf sich die Revision stützt, darauf abgehoben, daß der Ausgleichsanspruch gegenüber dem Anspruch auf Schadensersatz in dem Sinne subsidiär sei, daß aus seiner Bejahung die Verneinung des Schadensersatzes folge (BGHZ 120, 239, 249 - Froschlärm; die Entscheidung des Senats vom 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714 f, auf die sich das Berufungsurteil stützt, weicht hiervon nicht ab). Ob dies, wovon der Senat ausgegangen ist, aus der Rechtsprechung des III. Zivilsenats (BGHZ 72, 289, 295; Urt. v. 8. März 1990, III ZR 141/88, NJW 1990, 1979; ferner für das Verhältnis des enteignungsgleichen Eingriffs zur Haftung des Grundstücksbesitzers nach § 836 BGB: BGHZ 125, 19, 21 i. Anschl. an BGHZ 55, 229) herzuleiten ist, mag zweifelhaft sein. Auch hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung dem nachbarrechtlichen Ausgleichs-
anspruch eigenständige Bedeutung gegenüber anderen Haftungsgrundlagen (Anlagenhaftung nach § 2 HaftPflG, BGHZ 155, 99, 107) beigemessen und ihn nur für den Fall als subsidiär angesehen, in dem eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Tatbestand abschließend regelt (BGHZ 142, 227, 236 - Öltankanlage). Die Rüge scheitert jedenfalls aber daran, daß revisionsrechtlich von einem deliktischen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen werden kann. Für eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB oder, soweit daneben Raum bleibt, nach § 823 Abs. 1 BGB, jeweils, soweit erforderlich, in Verbindung mit § 31 BGB, fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Kläger. Keine Haftung der Beklagten kann es begründen, daß sie es unterlassen hat, die schadensstiftenden Bäume zu fällen. Dies war ihr, solange sie hierfür keine Ausnahmegenehmigung (§ 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) erhalten hatte, nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verboten. Eine Genehmigung zum Fällen der beiden Bäume wurde nicht erteilt. Das Unterlassen der Beklagten war damit rechtmäßig. Revisionsrechtlich kann auch davon ausgegangen werden, daß die Beklagte wegen der Rodung des weiteren Waldbestandes, der nach Auffassung des Berufungsgerichts ursächlich für das Niederstürzen der geschützten Exemplare war, nicht gemäß § 831 BGB haftete. Daß die Beklagte bei der Auswahl der Landschaftsarchitekten, die die Rodungsarbeiten leiteten, die erforderliche Sorgfalt ausgeübt hat, wurde von dieser behauptet und von den Klägern nicht in Abrede gestellt. Anhaltspunkte für ein Defizit bei der Überwachung der Verrichtungsgehilfen treten nicht hervor. Die Entscheidung, wie weit die Rodung gehen durfte, gehörte in die fachliche Kompetenz der umfassend beauftragten Architekten, deren sich die Beklagte haftungsbefreiend bediente.
Außerhalb der Verantwortlichkeit der Beklagten lag mithin auch die Frage, ob und inwieweit eine Teilrodung die Standsicherheit des Restes gefährdete. Nach Abschluß der Rodung war eine fehlende Standfestigkeit der beiden schädigenden Bäume nicht einmal der sachkundigen Naturschutzbehörde aufgefallen. Eine bessere Erkenntnis konnte von der Beklagten selbst nicht verlangt werden. Aus den gleichen Gründen scheidet auch deren Haftung unmittelbar nach § 823 Abs. 1 BGB (Organisationsmängel) aus. Die von den Klägern behaupteten ungeordneten Verhältnisse (versehentliches Fällen geschützter Bäume, Unzulänglichkeiten bei Erdarbeiten) liegen auf einem anderen Gebiet. 2. Die sachlich rechtlichen Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs im übrigen hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der betroffene Eigentümer aus besonderen (tatsächlichen oder rechtlichen ) Gründen gehindert war, die Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden (Senat BGHZ 142, 66 - Brandschaden; 144, 200, 208 - Drogenhilfezentrum ; 147, 45, 49 - Besitzstörung). Der Anspruch ist nicht, wie § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst, auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, erfaßt vielmehr auch Grobimmissionen, wie sie hier zur Folge des Niederbrechens der beiden Bäume vorlagen (Senat BGHZ 155, 99 - Leitungswasser).
a) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen stand dem (seinerzeitigen) Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks ein Abwehranspruch zu, der auf eine Einschränkung der erlaubten Rodungs-
maßnahmen auf das Maß gerichtet war, das für die Standsicherheit der geschützten Bäume ungefährlich blieb. Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, auf den sich der Eigentümer stützen konnte, ist über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch dann gegeben, wenn die Gefahr einer erstmaligen Beeinträchtigung, wie hier, in Frage kommt (vorbeugender Abwehranspruch : BGHZ 2, 394; BGH, Urt. v. 10. April 1956, I ZR 165/54, LM BGB § 1004 Nr. 27; im übrigen statt aller Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rdn. 76). Die Beklagte war, unbeschadet des Umstandes, daß die letzte Ursache der Schädigung ein natürliches Ereignis, der Gewittersturm, war, Störerin. Die mittelbare, aber in adäquatem Zusammenhang mit der Störung (Senat, BGHZ 144, 200, 203) stehende Ursache war eine Handlung der Beklagten, die Rodung des Waldbestandes über das Maß hinaus, das für die Standsicherheit der verbleibenden Bäume unschädlich war (allgemein zur Störerhaftung bei Naturereignissen: Senat BGHZ 157, 33 - Kiefernnadeln; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, NJW 2004, 603 - Betonplatte; v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035 - Druckstempel). Den Klägern steht aber ein Abwehranspruch dieses Inhalts nicht zu. Denn sie haben, worauf die Revision zu Recht hinweist, das geschädigte Grundstück erst nach Abschluß der Rodungsarbeiten, die unstreitig im wesentlichen im März 1998 stattgefunden hatten, erworben. Nach den Behauptungen der Beklagten hat der Erwerb um die Jahreswende 1998/1999 stattgefunden. Die Kläger sind diesem Vortrag nur mit Zweifeln an seiner rechtlichen Erheblichkeit entgegengetreten und haben im übrigen behauptet, der Nutzungsübergang sei auf den September 1998 anzusetzen. Der Abwehranspruch auf Beschränkung der Rodung war mithin erloschen, bevor die Kläger, sei es als Besitzer (Senat, BGHZ 147, 45), sei es als Eigentümer, das Recht erlangten, Abwehrbefugnisse gegen die Beklagte geltend zu machen.

b) Grundlage des Ausgleichsanspruchs ist aber die Beeinträchtigung, die nach Abschluß der Rodungsarbeiten von den beiden geschützten, nunmehr ihrer Standfestigkeit beraubten Bäume ausging. Dies gilt unabhängig davon, ob die rechtlichen Voraussetzungen zu deren Fällen durch eine Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG hätten geschaffen werden können. aa) Nach der Senatsrechtsprechung (BGHZ 120, 239, 254) stellt der Naturschutz (damals Schutz einer Froschpopulation) die Störereigenschaft jedenfalls solange nicht in Frage, als der Eigentümer mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung (§ 31 BNatSchG) für die Beseitigung der Störquelle beantragen kann. Seinerzeit hat der Senat, was die Bejahung der Ausnahmegenehmigung angeht, eine Inzidententscheidung durch das Zivilgericht nur mit der Wirkung zugelassen, daß eine Verurteilung des Störers zur Unterlassung unter den Vorbehalt der Entscheidung der Naturschutzbehörde gestellt bleibt. Für den Ausgleichsanspruch , um den es hier geht, käme ein solcher Vorbehalt nicht in Frage. Eine der Naturschutzbehörde vorbehaltene Frage, ob die Bäume erhaltenswert sind, stellt sich nicht mehr. Der Inzidententscheidung des Zivilgerichts , ob die Ausnahmegenehmigung hätte erlangt werden können, stünde nichts im Wege. Wäre die Ausnahmegenehmigung zu erlangen gewesen, könnte dem Ausgleichsbegehren der Kläger nicht entgegengehalten werden, daß sie von der bestehenden Abwehrmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Denn sie wären hierzu aus tatsächlichen Gründen außerstande gewesen. Entscheidend hierfür ist allerdings nicht der vom Berufungsgericht hervorgehobene Gesichtspunkt, nach dem Umsturz der Bäume sei ohnehin nichts mehr zu machen gewesen. Hätten die Kläger vor diesem Zeitpunkt die drohende Gefahr erkennen können, hätten sie von ihrem vorbeugenden Abwehrrecht Gebrauch machen müssen. Auf der Grundlage des beiderseitigen Vortrags kann hiervon aber nicht ausgegangen werden. Die unzureichende Ausbildung
des Wurzelwerks der beiden, zudem auf einem fremden Grundstück stehenden , Bäume war für die Kläger, die über keine forstwirtschaftlichen Erfahrungen verfügten, nicht erkennbar gewesen. Am äußeren Zustand der Bäume war die fehlende Standfestigkeit nicht abzulesen. Deren Vitalität stand selbst für die fachkundige Naturschutzbehörde außer Zweifel. Daß den Klägern sonstige Erkenntnismittel zur Verfügung gestanden hätten, ist nicht ersichtlich. bb) Die Inzidentprüfung, ob eine Ausnahmegenehmigung hätte erlangt werden können, erübrigt sich indessen unter den hier gegebenen Umständen. Eine Fallgruppe des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ("zivilrechtlicher Aufopferungsanspruch") ist nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 144, 200, 208) dadurch gekennzeichnet, daß der Abwehranspruch (oder seine volle Durchsetzung) an Vorgaben des öffentlichen Rechts oder Interesses scheitert. Der Ausgleichsanspruch ist in diesen Fällen Teil eines rechtlichen Gefüges, das sich aus der Versagung des Abwehrrechts, etwa verbleibenden residualen Abwehrbefugnissen und der Kompensation der Abwehrlücke durch Geldausgleich zusammensetzt. Diese Kombination läge im Ausgangspunkt vor, wenn zur Beseitigung der Bäume die Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG nicht zu erlangen gewesen wäre. Allerdings unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt vom Betrieb des Drogenzentrums dadurch , daß es der Beklagten, anders als seinerzeit dem Betreiber, nicht möglich wäre, der Störung abzuhelfen. Der Schutz des § 29 BNatSchG ginge zu ihren wie zu Lasten der klagenden Nachbarn. Dies entspricht der rechtlichen Situation, in der sich der Störer in dem der in BGHZ 120, 239 (252) veröffentlichten Entscheidung zugrunde liegenden Falle befinden konnte. Dort hat der Senat erwogen, ob der auf Ausgleich in Anspruch Genommene deshalb zur Zahlung verpflichtet sei, weil er den Gartenteich, in den die geschützten Frösche migriert waren, angelegt hatte. Er hat dies mit der Begründung abgelehnt,
mit der Anlage des Teiches habe der Störer nur den Zielsetzungen des Naturschutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 10 Satz 2 BNatSchG, damaliger Fassung) entsprochen. Ob hieran festzuhalten wäre, oder ob die Eröffnung der Möglichkeit , Naturschutz auf Kosten des Nachbarn zu betreiben, ein dem Verhältnis des Eigentümers zum Störer fremdes Element darstellt, bedarf hier keiner Entscheidung. Die der Anlage des Gartenteiches entsprechende ursprüngliche Störung, die Beseitigung des Windschutzes durch Rodung, lag außerhalb der Zwecke des Naturschutzes, hier des Schutzes eines Landschaftsbestandteils. Die hierin liegende Störung konnte zwar von den Klägern nicht abgewendet werden (oben zu a), sie setzt sich aber in der Störung durch die schadensstiftenden Bäume fort. Die Beklagte hätte durch ihr Handeln eine Gefahrenlage geschaffen, die sich später verwirklicht hätte (vgl. Senat, BGHZ 90, 255, 266 - Unkrautvernichtungsmittel). Dem folgte die Pflicht, Ausgleich in Geld zu leisten.

III.

Die Sache ist jedoch an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Revision zu Recht eine Verletzung des § 286 ZPO rügt. Nicht zu beanstanden ist allerdings der Anscheinsbeweis, von dem das Berufungsurteil ausgeht. Der Umstand, daß die beiden Bäume vor der Rodung über Jahrzehnte Wind und Wetter standgehalten hatten und daß ihr Wurzelwerk für eine exponierte Lage zu schwach ausgeprägt war, läßt nach der Lebenserfahrung den Schluß zu, daß das Niederstürzen im Gewittersturm auf die Rodung zurückzuführen ist. Der Beklagten durfte indessen der Gegenbeweis gegen den ersten Anschein nicht verschlossen werden (BGH, Urt. v. 17. Juni 1997, X ZR 119/94, NJW 1998, 79, 81). Sie hat behauptet, das Niederstürzen der Bäume sei ausschließlich auf ein Naturereignis (Gewittersturm) zurückzuführen gewesen, der
Schadensfall wäre auch eingetreten, wenn der die Windeinwirkungen abmildernde Baumbestand noch vorhanden gewesen wäre. Hierzu hat sie sich auf ein Sachverständigengutachten berufen. Als substanzlos konnte dieser Vortrag nicht unbeachtet bleiben, denn nach dem von den Klägern selbst vorgelegten meteorologischen Gutachten erreichte der Gewittersturm vom 2. September 1999 im Bereich des geschützten Landschaftsbestandteils sehr wahrscheinlich Windstärke 9 Bft, örtlich sogar Windstärke 10 Bft, wobei ein Spitzenwert von 12 Bft während besonders heftiger Böen nicht auszuschließen ist. Wieweit diese Werte Bestand haben und welche Auswirkungen sie auf das Standverhalten der Bäume auch in geschützter Lage haben konnten, muß sachverständiger Begutachtung überlassen bleiben. Die auf den Hinweis der Beklagten, andere isoliert stehende Bäume seien nicht niedergebrochen, angestellte Überlegung des Berufungsgerichts, dann müßten diese eben über stärker ausgeprägtes Wurzelwerk verfügt haben, nimmt die Beweisaufnahme unzulässig vorweg.
Wenzel Tropf Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. August 2012 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten und der Berufung des Klägers - teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, das Grundstück des Klägers, S. Weg 2, M. durch Geräuschimmissionen in Form von Froschlärm, die tagsüber (6.00 bis 22.00 Uhr) einen Wert von 55 dB (A) und nachts (22.00 bis 6.00 Uhr) einen Wert von 40 dB (A) überschreiten, zu beeinträchtigen.

Die Verurteilung erfolgt unter dem Vorbehalt, dass die nach dem Recht des Landes Sachsen-Anhalt zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes von den Verboten des § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes hinsichtlich der im Gartenteich auf dem Grundstück der Beklagten, S. Weg 17, M. angesiedelten Frösche erteilt.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

1

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

II.

2

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig. Insbesondere sind sie an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 517, 519 und 520 ZPO).

3

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Denn das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1 1. Fall, 546 ZPO).

4

Zwar ist die Klage zulässig. Insbesondere steht ihrer Zulässigkeit die fehlende Durchführung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO i. V. m. § 34 Abs. 1 Nr. 2a SchStG LSA nicht entgegen. Denn der Kläger hat einen Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens gestellt, den die Schlichtungsperson abgelehnt hat. Unerheblich ist dabei, ob die Ablehnung zu Recht erfolgt ist. Denn nach § 34h Abs. 4 SchStG LSA ist die Erfolglosigkeitsbescheinigung i. S. d. § 34h Abs. 1 SchStG LSA auch dann auszustellen, wenn die Schlichtungsperson - wie hier - den Anwendungsbereich nach § 34a SchStG LSA für nicht gegeben erachtet.

5

Die Klage ist aber nur teilweise begründet. Der Kläger hat zwar grundsätzlich gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung von Beeinträchtigungen seines Eigentums durch Lärmbelästigung (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn § 1004 Abs. 1 BGB gilt auch für den mittelbaren Handlungsstörer, der die Beeinträchtigung von Handlungen von Dritten adäquat kausal dadurch verursacht, dass er die Handlung gestattet oder es unterlässt, eine Dritthandlung zu verhindern, die er ermöglicht hat. Zwar ist der Tatbestand des § 1004 Abs. 1 BGB nicht erfüllt, wenn die abzuwendende Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Der Umstand allein, dass die Einwirkung von einem bestimmten Grundstück ausgeht, macht dessen Eigentümer noch nicht zum Störer. Notwendig ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgeht. Dies ist aber hier der Fall. Mit der Anlage und Unterhaltung des Gartenteichs hat die Beklagte die Bedingungen dafür geschaffen, dass sich dort Frösche ansiedeln konnten und nunmehr die entsprechende Lärmbeeinträchtigung hervorrufen (vgl. BGHZ 120, 239).

6

Der Froschlärm beeinträchtigt auch die Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich (§ 906 Abs. 1 BGB). Dies ist zunächst eine Tatfrage. Dabei ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hier eine Bindung des Senats an die vorinstanzlich getroffenen Feststellungen entfallen lassen könnten, sind jedoch nicht ersichtlich. Das Landgericht hat die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt.

7

Die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist nicht zu beanstanden. Ausweislich des nachvollziehbaren Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. EUR -Ing. U. D. kommt es zu erheblichen Überschreitungen der in den Verwaltungsvorschriften (TA-Lärm, Freizeitlärmrichtlinie) festgelegten Schallpegel durch das Quaken der Frösche aus dem Gartenteich der Beklagten. Die Grundstücke der Parteien liegen in einem allgemeinen Wohngebiet. Dort gelten sowohl nach der TA-Lärm als auch nach der Freizeitlärmrichtlinie zulässige Schallbelastungen von 55 dB (A) am Tag (6.00 bis 22.00 Uhr) und 40 dB (A) in der Nacht (22.00 bis 6.00 Uhr). Der Sachverständige hat bereits ab dem Beginn der Messungen am 17. Juni 2010 Überschreitungen dieser Grenzwerte festgestellt. Teilweise seien bis zu 54 dB (A) nachts gemessen worden. Dies bedeute etwa das 2½ fache des zulässigen Schalldrucks, weil jede Maßerhöhung um 10 dB (A) einer Verdoppelung des Schalldrucks entspricht.

8

Dabei ist der Senat davon überzeugt, dass auch in der Zeit vor dem Messbeginn zumindest ab Mitte Mai eine Lärmimmission durch das Froschquaken in einer dem Zeitraum bis Ende Juni zumindest vergleichbaren Höhe vorlag (bis 56 dB (A) tagsüber und bis 54 dB (A) nachts). Denn der Sachverständige Dipl.- Biol. M. Sch. hat in seinem Gutachten hierzu überzeugend ausgeführt, dass das Maximum der Rufaktivitäten der in den Teichen vorhandenen, lauten Frösche regelmäßig zwischen Mitte April und Mitte Juli (mit Höhepunkt Mai und Juni) liege, die Lautstärke aber vor allem vom Wetter abhänge. Aus den Wetterdaten für die Monate Mai und Juni 2010 lässt sich danach ablesen, dass die Messungen des Sachverständigen Dipl.- Ing. EUR- Ing. D. aufgrund der Witterung vergleichbar sind mit dem Lärmpegel zumindest ab dem 20. Mai 2010. Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist auch der Senat davon überzeugt, dass es jedes Jahr zumindest in den Monaten Mai und Juni zu deutlichen Überschreitungen der nach den Verwaltungsvorschriften in allgemeinen Wohngebieten zulässigen Schallgrenzwerte durch das Froschquaken aus dem Gartenteich der Beklagten kommt.

9

Aufgrund der in sich stichhaltigen und fachlich fundierten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.- Ing. D. steht überdies zur Überzeugung des Senats fest, dass sich der Froschlärm aus dem Nachbargrundstück Z. nicht mehr auf das Haus des Klägers auswirken kann, da dieses durch das Haus der Beklagten vom Lärmzutritt aus diesem Teich weitestgehend abgeschirmt ist.

10

Die Beklagte darf derzeit allerdings keine wirksamen Maßnahmen ergreifen, um die Einwirkung von Froschlärm auf das Grundstück des Klägers zu verhindern. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG ist es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten, zu denen alle europäischen Arten der Lurche gehören (siehe Anlage 1 (zu § 1 BArtSchV)) nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) oder Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wildlebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beklagte den Gartenteich künstlich angelegt hat und dieser kein natürlich entstandenes Gewässer ist (z. B. BGHZ 120, 239). Denn das Naturschutzrecht schützt auch künstlich geschaffene Biotope, und zwar im gleichen Umfang wie die ohne menschliches Zutun entstandene Natur.

11

Das Entfernen der Frösche oder auch nur ihre Umsetzung in einen anderen Lebensraum verstößt gegen das Verbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob die Frösche in allen Entwicklungsphasen auf besondere eigene Wohn- und Zufluchtstätten angewiesen sind und ihre Entwicklung durch eine Umsetzung beeinträchtigt wäre. Maßgebend ist vielmehr, dass diese Umsetzung ein Nachstellen und Fangen voraussetzt und dies ohne Rücksicht auf den damit verfolgten Zweck verboten ist (z. B. BGH, a. a. O.). Ein Trockenlegen des Teiches hätte die Zerstörung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Frösche zur Folge.

12

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass auch Maßnahmen denkbar seien, die nicht gegen das Naturschutzrecht verstießen, überzeugt das angefochtene Urteil nicht. Die Feststellung des Landgerichts, dass je nach Abstand zum Teich bereits eine Mauer von nur einem Meter Höhe ausreiche, die lineare Schallausbreitung zum Haus des Klägers - auch zum Fenster im Obergeschoss - zu verhindern, ist weder mit gesicherten Tatsachen unterlegt, noch nachvollziehbar. Der Senat hält es vielmehr für ausgeschlossen, dass eine nur ein Meter hohe Mauer den Schall im fraglichen Bereich verhindern könnte. Der Einzelrichter des Landgerichts hat dazu auch nicht dargelegt, woraus sich seine eigene Sachkunde in diesem Bereich ergibt.

13

Kommt es - wie hier - zu wesentlichen Lärmimmissionen, die an sich nach dem Maßstab des § 906 BGB abwehrfähig sind, verbietet aber - wie hier - das öffentliche Recht die dafür in Betracht kommenden Abhilfemaßnahmen, so kann es nach der Rechtsprechung des BGH dem Störer allerdings dann nicht erlaubt sein, sich hinter diesem Verbot zu verschanzen, wenn öffentlich-rechtlich Ausnahmen zugelassen sind, die mit Erfolgsaussicht beantragt werden können (z. B. BGH, a. a. O.).

14

Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn von dem Verbot nach § 44 BNatSchG können nach § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG im Interesse der Gesundheit des Menschen die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden im Einzelfall Ausnahmen zulassen, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG weitergehende Anforderungen enthält. Nach §§ 25, 1 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG LSA können in Sachsen-Anhalt die Landkreise als untere Naturschutzbehörden unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 des BNatSchG Ausnahmen von dem Verbot nach § 44 BNatSchG zulassen.

15

Zwar hätte auch der Kläger einen entsprechenden Befreiungsantrag beim Landkreis stellen können, was er bislang nicht getan hat. Entscheidend ist aber, dass die Auswahl der möglichen tatsächlichen Maßnahmen dem Störer überlassen bleiben muss. Er soll allein darüber entscheiden, welche davon er sich genehmigen lassen will. Denn er kann in Kontakt mit den Naturschutzbehörden am besten beurteilen, welches konkrete Vorgehen Erfolg verspricht und mit den Belangen des Naturschutzes vereinbar ist. Aus diesem Grund ist auch eine Antragstellung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht etwa die allein in Betracht kommende Abhilfemaßnahme, zu der die Beklagte verurteilt werden könnte, vielmehr ist das entsprechende Befreiungsverfahren nur das Mittel zur Aufhebung des bestehenden Verbots für in Betracht kommende Lärmverhinderungsmaßnahmen (z. B. BGH, a. a. O.).

16

Dabei hat der Senat selbstständig zu entscheiden, ob die Befreiungsvoraussetzungen hier gegeben sind. Dem steht nicht entgegen, dass es insoweit um die Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen geht und die Ausnahmegenehmigung nur von bestimmten Behörden erteilt werden kann. Ein von Verwaltungsgerichten bestätigter ablehnender Bescheid liegt nicht vor. Dann können und müssen die Zivilgerichte selbstständig die entsprechende Vorfrage prüfen (z. B. BGH, a. a. O.).

17

Ergibt die Prüfung allerdings, dass eine Befreiungsmöglichkeit nicht besteht, so scheidet auch eine Verurteilung zur Unterlassung aus, weil die Beklagte nicht zu Maßnahmen gezwungen werden kann, die ihr gesetzlich verboten sind. Die entsprechenden naturschutzrechtlichen Bestimmungen dienen zur Abwehr einer Bestandsbedrohung besonders gefährdeter Tierarten und sichern als Maßnahme zum Schutz der Umwelt überragende Gemeinschaftsbelange. Sie sind deshalb auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoßen sie nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des privaten Eigentums bestimmen (z. B. BGH, a. a. O.).

18

Für den Fall, dass eine Befreiungsmöglichkeit besteht, muss allerdings im Tenor einer Verurteilung der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen werden. Denn nur die Naturschutzbehörden können das generelle Verbot über eine Erlaubnis durch Verwaltungsakt aufheben, nicht aber die Zivilgerichte. Es ist deshalb geboten, die Erteilung der Ausnahmegenehmigung dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorzubehalten (z. B. BGH, a. a. O.).

19

Hier liegen die Grundstücke der Parteien in einem allgemeinen Wohngebiet. Dort gelten sowohl nach der TA-Lärm, als auch nach der Freizeitlärmrichtlinie zulässige Schallbelastungen von 55 dB (A) am Tag (6.00 bis 22.00 Uhr) und 40 dB (A) in der Nacht (22.00 bis 6.00 Uhr). Unter diesen Grenzwerten auftretende Schallwerte gehören zu den unwesentlichen Einwirkungen, die nach § 906 Abs. 1 BGB nicht untersagt werden können. Es steht allerdings - wie ausgeführt - nach dem nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. EUR- Ing. D. fest, dass diese Werte durch das Froschquaken in der Zeit von Mai bis Ende Juni teilweise erheblich überschritten werden.

20

Der Senat sieht sich nicht gehalten, beim Landkreis anzufragen, ob eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erteilt werden könne. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Biol. Sch. in seinem Ergänzungsgutachten vom 22. August 2011 wird diese Ausnahmegenehmigung z. B. beim Straßenbau problemlos erteilt. Grundsätzlich kommen solche Befreiungen aber auch für Maßnahmen gegen unzumutbaren Froschlärm in Wohnsiedlungen in Betracht (z. B. BayVGH, NJW 1999, 2914). Die Befreiungsmöglichkeit soll hierbei im Einzelfall einer rechtlichen Unausgewogenheit begegnen, die sich etwa daraus ergeben kann, dass situationsbezogen der Anwendungsbereich einer Vorschrift und deren materielle Zielrichtung nicht miteinander übereinstimmen. Der generelle Geltungsanspruch einer Vorschrift soll damit zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit durchbrochen werden können (z. B. BVerwG, NuR 1993, 28).

21

Eine Befreiung ist insbesondere dann möglich, wenn sich aus anderen Gründen eine nicht beabsichtigte Härte ergibt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Normgeber gravierende nachteilige Auswirkungen naturschutzrechtlicher Verbote im Einzelfall nicht vorhergesehen hat und nicht vorhersehen konnte (z. B. BayVGH, a. a. O.).

22

Hier liegt eine derartige atypische Fallgestaltung vor, für die eine Befreiung erteilt werden könnte. Soweit die hier in Betracht zu ziehenden Verbote zum Schutz wildlebenden Tiere der besonders oder streng geschützten Arten den Handlungsspielraum menschlicher Betätigungen grundrechtsrelevant einschränken, sind diese Beschränkungen vom Normgeber zwar gewollt und generell durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, zur Erreichung des Schutzzwecks geeignet und erforderlich und genügen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Soweit Wohngebiete in der Nähe von Gewässern mit einer größeren Froschpopulation situationsbedingt Lärmbeeinträchtigungen unterliegen, sind diese daher regelmäßig hinzunehmen (z. B. BayVGH, a. a. O.).

23

Eine im Einzelfall nicht beabsichtigte Härte kann aber dann vorliegen, wenn in einem Wohngebiet Änderungen vorgenommen werden, die zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Wohnnutzung führen. Ein derart atypischer Extremfall ist für den Normgeber beim Erlass artenschutzrechtlicher Vorschriften nicht voraussehbar und kann deshalb Anlass für eine Korrektur durch Erteilung einer Befreiung bieten. Nach dem stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dient die Härteklausel im Befreiungstatbestand dazu, entsprechende verfassungskonforme Korrekturen zu ermöglichen. Auch hier kann das artenschutzrechtliche Verbot wegen einer nicht beabsichtigten Härte zurücktreten, wenn nur auf diese Weise unzumutbare Beeinträchtigungen verfassungsrechtlich geschützte Rechte vermieden werden können (z. B. BayVGH, a. a. O.).

24

Dies ist hier nach den erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten der Fall. Denn unter Berücksichtigung von Dauer und Intensität des Froschlärms ist es nicht gerechtfertigt, die Lärmbeeinträchtigung des Klägers als noch zumutbar zu beurteilen. Gerade für ein Wohngrundstück in einem Wohngebiet bedeutet die Beeinträchtigung durch Froschlärm einen wesentlichen Verlust an Wohnqualität. Eine besondere Härte i. S. d. gesetzlichen Regelung dürfte hier daher vorliegen.

25

Allerdings hat der Kläger auch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung, weil die Gewährung der Befreiung im Ermessen der Behörde steht. Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null im Sinne einer Verpflichtung zur Erteilung einer Befreiung sind nicht gegeben, weil die Belange des Naturschutzes bei der begehrten Befreiung von artenschutzrechtlichen Verboten nicht nur geringfügig tangiert werden.

26

Die Berufung des Klägers ist dagegen unbegründet. Denn dieser hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld (§ 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB).

27

Solange das generelle naturschutzrechtliche Verbot nicht über eine Ausnahmegenehmigung aufgehoben worden ist und damit die Beklagte keine erfolgversprechenden Maßnahmen zur Lärmverhinderung treffen darf, ist die entsprechende Einwirkung auf das Grundstück des Klägers nicht rechtswidrig. Ähnlich wie die nachbarrechtlichen Sondervorschriften grenzen die naturschutzrechtlichen Bestimmungen den rechtmäßigen vom rechtswidrigen Gebrauch des Grundstücks ab. Dies gilt unabhängig davon, ob und für welche Maßnahmen eine Ausnahmegenehmigung hätte erteilt werden können. Nur eine Genehmigung der Naturschutzbehörden vermag das bestehende Verbot aufzuheben. Diese liegt aber unstreitig noch nicht vor.

28

Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO. Dabei hat der Senat alternativ Ordnungsgeld oder Ordnungshaft anzudrohen (z. B. Hk- ZPO/Pukall, Rn. 15 zu § 890).

III.

29

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713, 544 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1, 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO).


(1) Es ist verboten,

1.
wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,
2.
wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten,
3.
Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.

(2) Vorbehaltlich jagd- oder fischereirechtlicher Bestimmungen ist es verboten, wild lebende Tiere und Pflanzen der in Anhang V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten aus der Natur zu entnehmen. Die Länder können Ausnahmen von Satz 1 unter den Voraussetzungen des § 45 Absatz 7 oder des Artikels 14 der Richtlinie 92/43/EWG zulassen.

(3) Jeder darf abweichend von Absatz 1 Nummer 2 wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.

(4) Das gewerbsmäßige Entnehmen, Be- oder Verarbeiten wild lebender Pflanzen bedarf unbeschadet der Rechte der Eigentümer und sonstiger Nutzungsberechtigter der Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Bestand der betreffenden Art am Ort der Entnahme nicht gefährdet und der Naturhaushalt nicht erheblich beeinträchtigt werden. Die Entnahme hat pfleglich zu erfolgen. Bei der Entscheidung über Entnahmen zu Zwecken der Produktion regionalen Saatguts sind die günstigen Auswirkungen auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen.

(4a) Ein vernünftiger Grund nach Absatz 1 liegt insbesondere vor, wenn wissenschaftliche oder naturkundliche Untersuchungen an Tieren oder Pflanzen sowie diesbezügliche Maßnahmen der Umweltbildung im zur Erreichung des Untersuchungsziels oder Bildungszwecks notwendigen Umfang vorgenommen werden. Vorschriften des Tierschutzrechts bleiben unberührt.

(5) Es ist verboten,

1.
die Bodendecke auf Wiesen, Feldrainen, Hochrainen und ungenutzten Grundflächen sowie an Hecken und Hängen abzubrennen oder nicht land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich genutzte Flächen so zu behandeln, dass die Tier- oder Pflanzenwelt erheblich beeinträchtigt wird,
2.
Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen,
3.
Röhrichte in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zurückzuschneiden; außerhalb dieser Zeiten dürfen Röhrichte nur in Abschnitten zurückgeschnitten werden,
4.
ständig wasserführende Gräben unter Einsatz von Grabenfräsen zu räumen, wenn dadurch der Naturhaushalt, insbesondere die Tierwelt erheblich beeinträchtigt wird.
Die Verbote des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 gelten nicht für
1.
behördlich angeordnete Maßnahmen,
2.
Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, wenn sie
a)
behördlich durchgeführt werden,
b)
behördlich zugelassen sind oder
c)
der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen,
3.
nach § 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft,
4.
zulässige Bauvorhaben, wenn nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirklichung der Baumaßnahmen beseitigt werden muss.
Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei den Verboten des Satzes 1 Nummer 2 und 3 für den Bereich eines Landes oder für Teile des Landes erweiterte Verbotszeiträume vorzusehen und den Verbotszeitraum aus klimatischen Gründen um bis zu zwei Wochen zu verschieben. Sie können die Ermächtigung nach Satz 3 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(6) Es ist verboten, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder ähnliche Räume, die als Winterquartier von Fledermäusen dienen, in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen; dies gilt nicht zur Durchführung unaufschiebbarer und nur geringfügig störender Handlungen sowie für touristisch erschlossene oder stark genutzte Bereiche.

(7) Weiter gehende Schutzvorschriften insbesondere des Kapitels 4 und des Abschnitts 3 des Kapitels 5 einschließlich der Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen bleiben unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, Redakteur bei einer deutschen Tageszeitung, beschäftigt sich mit Entscheidungen der Bundesregierung über die Ausfuhr so genannter Dual-Use-Güter nach Syrien, die für die Herstellung von C-Waffen geeignet sein könnten. Er bat den Bundesnachrichtendienst um Auskünfte über Stellungnahmen, die dieser zur Ausfuhr bestimmter chemischer Substanzen nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2011 gegenüber der Bundesregierung abgegeben habe. Der Bundesnachrichtendienst lehnte dies unter Verweis auf die nichtöffentliche Behandlung der Vorgänge innerhalb der Bundesregierung sowie auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit seiner Stellungnahmen ab.

2

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 um vorläufigen Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht nachgesucht. Er beantragt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Auskunft darüber zu erteilen,

1. welche Stellungnahme(n) (Wortlaut, mit Datum) der Bundesnachrichtendienst (BND) zur Ausfuhr der Güter Fluorwasserstoff, Natriumfluorid und Ammoniumhydrogendifluorid nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2010 gegenüber der Bundesregierung (Ausfuhrausschuss) abgegeben hat,

2. welche Stellungnahme(n) (Wortlaut, mit Datum) der Bundesnachrichtendienst zur Ausfuhr der Güter Galvanomischung mit Kaliumcyanid und Galvanomischung mit Natriumcyanid im Jahr 2011 gegenüber der Bundesregierung (Ausfuhrausschuss) abgegeben hat,

hilfsweise,

die Auskünfte zu 1. und 2. unter Schwärzung bzw. Auslassung derjenigen Passagen zu erteilen, die berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen betreffen,

höchst hilfsweise,

den Inhalt der in 1. und 2. genannten Stellungnahmen möglichst vollständig zu beschreiben, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Verwendung der genannten Güter für die Herstellung von C-Waffen.

3

Auf den genannten Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 sowie den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 4. November 2013 wird Bezug genommen.

II.

4

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über die zu entscheiden das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO berufen ist, bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

5

1. Dies gilt zum einen für den unter 1. und 2. beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung von Auskünften über den Wortlaut der Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes gegenüber der Bundesregierung sowie für den "höchst hilfsweise" gestellten Antrag, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Inhalt dieser Stellungnahmen zu beschreiben. Mit diesen Anträgen begehrt der Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Wird der Antragsgegnerin antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die gewünschten Auskünfte zu erteilen, würde sich die Hauptsache bereits erledigen (vgl. Beschlüsse vom 13. August 1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <261 f.> und vom 10. Februar 2011 - BVerwG 7 VR 6.11 - juris Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14). Solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76 - BVerfGE 46, 166 <180 f.>; BVerwG, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 a.a.O.; vom 21. Januar 1999 - BVerwG 11 VR 8.98 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 26 S. 2 f.; vom 14. Dezember 1989 - BVerwG 2 ER 301.89 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15 S. 2; und vom 27. Juni 1984 - BVerwG 1 ER 310.84 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 57 S. 128 f.). Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschlüsse vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <13 f.>; und vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 <74 f.>). Hiervon ausgehend hat der Antragsteller entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen.

6

Der Antragsteller hat vorgetragen, es gehe ihm darum, durch Kenntnisnahme der begehrten Informationen die Plausibilität der Angaben zu beleuchten und nachzuprüfen, die aus dem Kreis der Bundesregierung zur Frage der Nutzung nach Syrien ausgeführter Chemikalien gemacht worden seien, sowie die durch die gewünschten Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer öffentlichen Berichterstattung darzulegen. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache würde die begehrten Informationen möglicherweise vollständig entwerten. In Monaten oder Jahren hätte sich die Anfrage durch rasch voranschreitende politische Entwicklungen in Syrien oder durch neue Agenden (innen- und außenpolitischer) Berichterstattung aller Wahrscheinlichkeit nach erledigt (Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 S. 7). Aus diesem Vortrag geht hervor, dass ein Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Verwirklichung des vom Antragsteller verfolgten Anliegens, eine möglichst aktuelle, nämlich unmittelbar an eine laufende politische Diskussion anknüpfende Berichterstattung zu der von ihm ins Auge gefassten Thematik vorzunehmen, beeinträchtigen würde. Es erscheint in der Tat denkbar, dass eine Berichterstattung zu einem späteren Zeitpunkt Gefahr liefe, geringere öffentliche Resonanz zu erzeugen, weil sich bis dahin andere Schwerpunkte der allgemeinen politisch-medialen Aufmerksamkeit gebildet haben könnten. Damit ist aber noch nicht dargetan, dass die dem Antragsteller durch ein Abwarten auf eine etwaige Hauptsacheentscheidung drohenden Nachteile nachgerade unzumutbar und nach einem für ihn positiven Ausgang dieser Entscheidung nicht mehr zu beseitigen wären. Die vorgesehene Berichterstattung als solche bliebe ihm auch nach einer solchen Entscheidung noch möglich. Die begehrten Informationen wären auch zu diesem Zeitpunkt noch einer Verwertung zugänglich und, sofern sie sich als inhaltlich gehaltvoll herausstellen sollten, auch dann noch geeignet, öffentliches Interesse hervorzurufen. Die verfassungsrechtlich anerkannte Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse (Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 6 A 2.12 - NVwZ 2013, 1006 Rn. 27) bliebe somit weiterhin gewahrt. Unzumutbar könnte für den Antragsteller ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung und die ihm hiermit abverlangte Inkaufnahme der Gefahr einer gewissen Aktualitätseinbuße in Bezug auf seine geplante Berichterstattung allenfalls dann sein, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa weil manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Für ein solches Szenarium, in dem die Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse leerliefe, wenn keine zeitnahe Berichterstattung erfolgen könnte, ergeben sich jedoch im vorliegenden Fall weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch aus anderen möglichen Blickwinkeln greifbare Hinweise. Unter diesen Umständen muss dem durch die Rechtsordnung geschützten Interesse der Antragsgegnerin Vorrang eingeräumt werden, nicht ohne ordnungsgemäße, ihre prozessualen Garantien wahrende Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gerichtlich zur Auskunftserteilung verpflichtet werden zu können.

7

Unabhängig vom Vorstehenden kann einem Begehren, eine Entscheidung zu erwirken, die eine Hauptsacheentscheidung vorwegnähme, nur stattgegeben werden, wenn eine Hauptsacheentscheidung schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde. Würde der Antragsteller mit einer einstweiligen Anordnung, wie hier, bereits das in einem Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel erreichen, ist an die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (Beschluss vom 14. Dezember 1989 a.a.O.). Der Antragsteller beruft sich auf den verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 S. 3). Dieser endet dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen der Auskunftserteilung entgegenstehen (Urteil vom 20. Februar 2013 a.a.O. Rn. 29). Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, ihre Stellungnahmen gegenüber der Bundesregierung in Ausfuhrfragen basierten auf der Erkenntnislage des Bundesnachrichtendienstes zum Thema Proliferation. Seine Erkenntnisse habe der Bundesnachrichtendienst insbesondere auch durch nachrichtendienstliche Aufklärungsaktivitäten gewonnen. Auch im Bereich der Proliferation gewinne der Bundesnachrichtendienst viele seiner Informationen mit Hilfe menschlicher Quellen, durch technische Aufklärung oder im Rahmen der informationellen Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten; die Offenlegung entsprechend gewonnener Informationen könne Rückschlüsse auf ihre Herkunft sowie auf die Aufklärungsfähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes ermöglichen. Sofern die Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes öffentlich zugänglich gemacht würden, würden hieraus überdies Rückschlüsse über Wissensstände und -defizite des Bundesnachrichtendienstes über fremde Proliferationsaktivitäten gewonnen werden können (Schriftsatz vom 4. November 2013 S. 4 f.). In Anbetracht dieser Sachlage erscheint es durchaus möglich oder sogar naheliegend, dass berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen der begehrten Auskunftserteilung an den Antragsteller entgegenstehen könnten. Ob bzw. inwieweit dies schlussendlich der Fall wäre, bedürfte der Klärung und gegebenenfalls Beweisaufnahme im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens. Dass dieses erkennbar zugunsten des Antragstellers ausgehen würde, kann jedenfalls nach derzeitigem Stand nicht angenommen werden.

8

2. Mit dem hilfsweise gestellten Antrag, der darauf hinausläuft, der Antragsgegnerin eine Auskunftserteilung aufzugeben, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen nicht entgegenstehen, begehrt der Antragsteller bei Lichte besehen nichts anderes, als die Antragsgegnerin zur rechtmäßigen Erfüllung des Presseauskunftsanspruchs gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu verpflichten. Hiermit könnte der Streit zwischen den Beteiligten nicht befriedet werden, der gerade darüber besteht, ob bzw. inwieweit im Lichte schutzwürdiger Interessen Privater oder öffentlicher Stellen eine Auskunftsverweigerung rechtens ist. Dementsprechend wäre eine einstweilige Anordnung mit dem genannten Inhalt auch nicht vollstreckungsfähig. Unabhängig hiervon erscheint im Lichte des Vortrags der Antragsgegnerin zumindest nicht ausgeschlossen, dass es zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geboten sein könnte, hinsichtlich der Mitwirkung des Bundesnachrichtendienstes an Regierungsentscheidungen über Ausfuhrfragen der hier in Rede stehenden Art jegliche Auskunftserteilung zu unterlassen. Insofern könnte auch mit Blick auf den Hilfsantrag im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit festgestellt werden, dass hinsichtlich seiner ein Hauptsacheverfahren - das vorwegzunehmen auch mit ihm erstrebt wird - zugunsten des Antragstellers ausginge.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Februar 2016 - 3 K 5325/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die Antragsgegnerin zu 2. wird im Weg der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsgegner zu 1. die in ihrem Eigentum stehende Fläche zwischen dem ... und dem Grundstück des Antragstellers ... ... bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens über die beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhobene Klage des Antragstellers (3 K 268/14) nicht mehr zum Aufstellen von Altglassammelbehältern zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegnerin zu 2. trägt die Gerichtskosten beider Rechtszüge.

Die Antragsgegnerin zu 2. trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers beider Rechtszüge. Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 1. beider Rechtszüge. Die Antragsgegnerin zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge selbst.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde in erster Linie sein Begehren weiter, dass drei vor seinem Wohnhaus aufgestellte Altglassammelbehälter entfernt werden.
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... ... in .... Zwischen dem Wohnhaus und dem ... sind auf einer im Eigentum der Antragsgegnerin zu 2. stehenden Fläche drei Altglassammelbehälter aufgestellt. Die gegen die Aufstellung gerichteten Beanstandungen des Antragstellers reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Den Standort stellt die Antragsgegnerin zu 2. dem Antragsgegner zu 1. gegen ein jährliches Entgelt zur Verfügung. Dieses Entgelt erstattet die ... . Im Februar 2014 hat der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen die Antragsgegner erhoben, mit der er u. a. begehrt, dass der Antragsgegnerin zu 2. untersagt wird, auf ihrem zwischen dem Grundstück des Antragstellers und dem Brucksteig gelegenen Grundstück Altglassammelbehälter aufzustellen. Über die Klage ist bislang noch nicht entschieden worden. Im Dezember 2015 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Die Antragsschrift vom 10.12.2015 enthält folgenden Antrag:
I. Der Antragsgegnerin [zu 2.] im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, die drei Altglascontainer vor dem Gebäude des Antragstellers auf den Verkehrsflächen des ruhenden Verkehrs der... in ... bis zum Abschluss des Klageverfahrens auf die dem Grundstück des Antragstellers gegenüber liegenden Flächen im Eigentum der Antragsgegnerin [zu 2.] umzusetzen, hilfsweise umsetzen zu lassen,
II. hilfsweise: Die Antragsgegner zu verpflichten, bezogen auf den Aufstellungsort der Altglascontainer lt. Ziff. I.), ein systematisches und mit dem Antragsteller abgestimmtes Kontroll- und Reinigungsmanagement zu erstellen sowie für die Einhaltung und Überwachung des Reinigungsplanes sowie des hiermit beauftragten Personals zu sorgen.
Mit Beschluss vom 25.02.2016 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Der Antragsteller habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er habe auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs lägen wahrscheinlich nicht vor. Die Antragsgegnerin zu 2. dürfte zwar als Zweckveranlasserin für etwaige rechtswidrige Immissionen aufgrund des Betriebs der Altglassammelbehälter verantwortlich sein. Der Antragsteller habe jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass er durch den Betrieb der Behälter unzumutbar beeinträchtigt werde. Der Standort befinde sich zwar sehr nahe an seinem Wohnhaus und der zumindest früher vom Umweltbundesamt empfohlene Mindestabstand von zwölf Metern zwischen Behälter und Immissionsort werde nicht eingehalten. Die Empfehlung beziehe sich auf „Wohngebiete“, das Grundstück des Antragstellers dürfte sich aber in einem Mischgebiet befinden, wo höhere Immissionen hinzunehmen seien. Auch in Bezug auf den Hilfsantrag habe der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass in einer der Antragsgegnerin zu 2. zurechenbaren Weise infolge des Containerstandorts auch das Privatgrundstück des Antragstellers unzumutbar verschmutzt werde.
Der Antragsteller hat gegen den ihm am 01.03.2016 zugestellten Beschluss am 15.03.2016 Beschwerde eingelegt. In seinem Schriftsatz vom 30.03.2016 beantragt er,
den […] Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.02.2016 [- 3 K 5325/15 -] abzuändern und die Beschwerdegegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
1. die drei Altglascontainer vor dem Gebäude des Antragstellers auf den Verkehrsflächen des ruhenden Verkehrs der ... in ... bis zum Abschluss des Klageverfahrens auf die dem Grundstücks des Antragstellers gegenüber liegenden Flächen im Eigentum der Antragsgegnerin [zu 2.] umzusetzen, hilfsweise umsetzen zu lassen,
2. hilfsweise: Die Antragsgegner zu verpflichten, bezogen auf den Aufstellungsort der Altglascontainer lt. Ziff. 1.), ein systematisches und mit dem Antragsteller abgestimmtes Kontroll- und Reinigungsmanagement zu erstellen sowie für die Einhaltung und Überwachung des Reinigungsplanes zu sorgen.
II.
10 
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat bereits mit seinem Hauptantrag Erfolg.
11 
1. Der auf die vorübergehende Beseitigung der drei Altglassammelbehälter gerichtete Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Gestalt einer Regelungsanordnung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er ist auch begründet.
12 
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der vom Antragsteller in der Sache geltend gemachte materielle Anspruch bei summarischer Prüfung voraussichtlich besteht. Welche Anforderungen an die Erfolgsaussichten zu stellen sind, hängt maßgeblich von der Schwere der dem Antragsteller drohenden Nachteile und ihrer Irreversibilität, aber auch davon ab, inwieweit durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Wird durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache insgesamt endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden. Dieser besonders strenge Maßstab ist hingegen abzumildern, wenn die begehrte Rechtsposition nur für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eingeräumt werden soll, um so lange einen irreversiblen Rechtsverlust abzuwenden, während über diesen Zeitpunkt hinaus keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden und die Rechtsstellung insoweit nur vorläufig gewährt wird. In diesem Fall können schon überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügen und die befürchteten wesentlichen Nachteile müssen nicht als schlechterdings unzumutbar eingestuft werden. Ist eine überwiegende Erfolgsaussicht hingegen nicht feststellbar, kann eine Regelungsanordnung nur ergehen, wenn dem Betroffenen andernfalls schwere und irreversible Nachteile, insbesondere existentielle Gefahren für Leben und Gesundheit drohen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 05.02.2015 - 10 S 2471/14 - NVwZ-RR 2015, 650, 652 = juris Rn. 22). Das Gericht hat beim Erlass einer einstweiligen Anordnung einen weiten Ermessensspielraum (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO) und ist an die Fassung des Antrags nicht gebunden (§ 88 VwGO entsprechend; vgl. Schoch in ders./Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 133 ff.).
13 
a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung ergibt, dass der Antragsteller voraussichtlich einen Anspruch auf Entfernung der vor seinem Wohnhaus aufgestellten drei Altglassammelbehälter hat, weil er durch diese unzumutbaren Immissionen ausgesetzt ist. Da die stattgebende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache nicht endgültig und irreversibel vorwegnimmt - die in Rede stehenden Behälter könnten im Fall der Abweisung der Klage ohne nennenswerten Aufwand an ihren bisherigen Standort zurückversetzt werden - bedarf es keiner schweren und unzumutbaren Nachteile auf Seiten des Antragstellers.
14 
Anspruchsgrundlage für das Begehren ist der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch. Wird jemand durch schlichtes öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung in seinen Rechten verletzt, kann er verlangen, dass diese die andauernden Folgen ihres rechtswidrigen Vorgehens rückgängig macht. Dieser Anspruch auf Folgenbeseitigung ergänzt den allgemeinen Anspruch auf Unterlassung rechtswidrigen hoheitlichen Handelns. Die Ansprüche finden ihre Grundlage in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (BVerwG, Urteil vom 29.07.2015 - 6 C 35.14 - NVwZ 2016, 541 Rn. 8 = juris Rn. 8).
15 
Der Antragsteller wendet sich gegen Beeinträchtigungen, die sich auf ein schlicht-hoheitliches Handeln der Antragsgegnerin zu 2. zurückführen lassen. Denn die Antragsgegnerin zu 2. ist bei summarischer Prüfung für die mit dem Betrieb der Altglassammelbehälter einhergehenden Lärmbeeinträchtigungen (mit-)verantwortlich. Die Verantwortlichkeit besteht aus dem Grund, dass die Antragsgegnerin zu 2. über die Standorte der in ihrem Gemeindegebiet aufgestellten Altglassammelbehälter entscheidet. Die Antragsgegnerin zu 2. hat im Verlauf der bisherigen Auseinandersetzung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt ihre Verantwortlichkeit für die Auswahl der Standorte bestritten. Von der Verantwortlichkeit geht nach Aktenlage auch der Antragsgegner zu 1. aus. So heißt es beispielsweise bereits in einem Schreiben des Landratsamts an die Antragsgegnerin zu 2. vom 08.08.2001, die Entscheidung über die Standorte liege allein bei der Antragsgegnerin zu 2. Diese dürfte mit dem Bereitstellen der Standorte nicht zuletzt der in § 2 Nr. 4 der Abfallwirtschaftssatzung des Antragsgegners zu 1. normierten - und mithin öffentlich-rechtlichen - Pflicht nachkommen, den Landkreis bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach der Satzung zu unterstützen.
16 
Mit der Auswahl der Standorte legt die Antragsgegnerin zu 2. Anknüpfungspunkte fest, aus denen sich mögliche Beeinträchtigungen der Nachbarschaft ergeben können, und trägt hiermit neben dem Betreiber der Sammelbehälter die Verantwortung dafür, dass durch diese Festlegung keine Störung verursacht wird, die von den Anwohnern nicht hingenommen werden muss (vgl. HessVGH, Urteil vom 24.08.1999 - 2 UE 2287/96 - NVwZ-RR 2000, 668, 669 = juris Rn. 41; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 - 8 A 10357/10 - BauR 2010, 1907, 1908 = juris Rn. 34).
17 
Bei summarischer Prüfung ist derzeit davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die vor dem Gebäude ... ... aufgestellten Altglassammelbehälter einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt wird.
18 
Maßstab für die Beurteilung der Lärmwirkung ist § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - wie die hier in Rede stehenden Altglassammelbehälter (vgl. nur BayVGH, Beschluss vom 27.10.1993 - 26 CE 92.2699 - juris Rn. 8; HessVGH, Urteil vom 24.08.1999 - 2 UE 2287/96 - NVwZ-RR 2000, 668, 669 = juris Rn. 44; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 - 8 A 10357/10 - BauR 2010, 1907, 1908 = juris Rn. 37) - so zu errichten und zu betreiben, dass (1.) schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, (2.) nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und (3.) die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
19 
Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist, kann nicht allein anhand der Vorgaben technischer Regelwerke beurteilt werden. Vielmehr ist die Beurteilung dieser Frage Teil einer einzelfallbezogenen tatrichterlichen Würdigung (BVerwG, Beschluss vom 03.05.1996 - 4 B 50.96 - NVwZ 1996, 1001, 1002 = juris Rn. 8). Dabei ist auch auf die soziale Adäquanz einer Lärmeinwirkung abzustellen (BVerwG a.a.O. NVwZ 1996, 1001 = juris Rn. 5). Bestimmte Verhaltensweisen oder Zustände, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und die sich möglicherweise für den Einzelnen sogar nachteilig auswirken, werden von der Bevölkerung insgesamt hingenommen, weil sich die Verhaltensweisen oder Zustände noch in den Grenzen des als sozial Üblichen oder Tolerierbaren halten.
20 
Altglassammelcontainer sind grundsätzlich innerhalb von Wohngebieten als sozial adäquat und damit als nicht erheblich störend anzusehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 - 8 A 10357/10 - BauR 2010, 1907, 1909 = juris Rn. 39). Die Sammelsysteme nach der Verpackungsverordnung genießen nach wie vor eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Für ihr Funktionieren sind sie darauf angewiesen, dass die erforderlichen Sammelbehälter in der Nähe der Haushalte aufgestellt werden. Standorte für solche Behälter sind innerhalb von Gebieten, die auch dem Wohnen dienen und in denen deshalb Altglas aus privaten Haushaltungen anfällt, als untergeordnete Nebenanlagen gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO bauplanungsrechtlich allgemein zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.10.1998 - 4 B 93.98 - NVwZ 1999, 298 = juris Rn. 4).
21 
Ein Standort eines Altglassammelbehälters erweist sich nur dann als unzulässig, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Belastung über das Maß hinaus ansteigen lassen, das typischerweise zugemutet wird (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 - 8 A 10357/10 - BauR 2010, 1907, 1909 = juris Rn. 39). Solche Umstände liegen aller Voraussicht nach im vorliegenden Fall vor.
22 
Die Rechtsprechung hat sich bislang im Hinblick auf die Bestimmung geeigneter Stellplätze für Altglassammelbehälter an Empfehlungen des Umweltbundesamts orientiert (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 - 8 A 10357/10 - BauR 2010, 1907, 1909 = juris Rn. 40). Danach ist in Wohngebieten bei Altglassammelbehältern der Geräuschklasse I/ZU 21 ein Abstand zum Immissionsort von 50 m und mehr anzustreben, wobei ein Abstand von 25 bis 12 m noch als ausreichend anzusehen ist. Zumindest im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hält der Senat eine Orientierung an diesen Vorgaben für angezeigt, auch wenn die Empfehlungen nicht mehr auf der Internetseite des Umweltbundesamts zu finden sind. Neuere Erkenntnisse liegen dem Senat nicht vor. Der Frage, ob die vor dem Wohnhaus des Antragstellers aufgestellten Altglassammelbehälter dem neuesten Stand der Technik, insbesondere den Anforderungen des Umweltzeichens RAL-ZU 21 entsprechen, braucht im vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn jedenfalls wird der vom Umweltbundesamt empfohlene Mindestabstand von 12 m deutlich unterschritten. Zwar dürfte die Behauptung des Antragstellers, die Behälter stünden rund 2,50 m von seinem Wohnhaus entfernt (Seite 9 der Klageschrift vom 07.02.2014), ausgehend von den dem Senat zur Verfügung stehenden Lichtbildern sowie den sich in den Akten befindlichen Plänen kaum zutreffen. Eher zutreffend dürfte hiervon ausgehend die Behauptung der Antragsgegnerin zu 2. sein, der Mindestabstand betrage 5,60 m (Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 24.03.2014). Doch auch dieser Abstand erreicht nicht einmal die Hälfte des empfohlenen Mindestabstands. Besondere Umstände, aufgrund deren dennoch ausnahmsweise nicht von der Unzumutbarkeit auszugehen ist, vermag der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu erkennen. Selbst der Antragsgegner zu 1. bezeichnete die Beschwerden des Antragstellers in einem an diesen gerichteten Schreiben vom 07.06.2001 als „durchaus berechtigt“.
23 
Ob sich das Grundstück des Antragstellers - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - tatsächlich in einem faktischen Mischgebiet befindet oder ob der Gebietscharakter eher dem eines allgemeinen Wohngebiets entspricht oder - was durchaus auch in Betracht kommt - gar keinem der in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Gebiete zugeordnet werden kann, lässt sich aufgrund der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisse nicht beantworten. Als entscheidungserheblich dürfte sich der Gebietscharakter wohl aber auch nicht erweisen. Soweit ersichtlich unbestritten und nach Lage der Akten naheliegend ist, dass das Wohnen in der näheren Umgebung der Altglassammelbehälter eine dominierende Rolle einnimmt, sodass eine Einordnung des Gebiets als „Wohngebiet“ im Sinne der Empfehlung des Umweltbundesamts angezeigt ist. Jedenfalls eine Unterschreitung des empfohlenen Mindestabstands um mehr als die Hälfte dürfte damit kaum gerechtfertigt sein.
24 
Dass die Antragsgegnerin zu 2. den jetzigen Standort der Altglassammelbehälter nach ihrem Vorbringen als Containerstandort „ausgewiesen“ hat, ändert nichts daran, dass der Standort zu einer unzumutbaren Belastung des Antragstellers führen dürfte. Nicht nur sind die Einzelheiten dieser Ausweisung unklar; insbesondere ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage eine solche Ausweisung erfolgt sein soll. Vielmehr entbindet die Ausweisung als Containerstandort nicht von der Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Vorgaben.
25 
Keinen Anspruch hat der Antragsteller allerdings darauf, dass die Altglassammelbehälter auf die seinem Grundstück gegenüber liegende, im Eigentum der Antragsgegnerin zu 2. stehende Fläche umgesetzt werden. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist - wie sich bereits aus seiner Bezeichnung ergibt - nur auf die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands gerichtet (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26.08.1993 - 4 C 24.91 - BVerwGE 94, 100, 119 = juris Rn. 63). Dies wird hier dadurch erreicht, dass die Behälter nicht an ihrem bisherigen Standort verbleiben. Der Senat legt das Begehren dahin aus (vgl. § 88 VwGO entsprechend), dass es dem Antragsteller entscheidend auf die Beseitigung der Behälter ankommt und die von ihm genannte Umsetzung nur einen möglichen Weg der Beseitigung aufzeigen sollte und damit nicht vom Antrag umfasst ist; deshalb bedarf es insoweit keiner Teilablehnung des Hauptantrags.
26 
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die schriftsätzlichen Ausführungen des Antragstellers und der Antragsgegnerin zu 2. zu eventuellen Alternativstandorten für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung sind. Die Aufstellung von Altglassammelbehältern erfolgt nicht im Weg einer Planfeststellung, bei der aufgrund des Abwägungsgebots als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Alternativen geprüft werden müssen; in den Blick zu nehmen ist vielmehr ausschließlich der ausgewählte (zukünftige oder schon bestehende) Standort (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 13.10.1998 - 4 B 93.98 - NVwZ 1999, 298 = juris Rn. 5). Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob der derzeitige Standort der Sammelbehälter vor dem Wohnhaus des Antragstellers schon jetzt oder gegebenenfalls nach einer straßenrechtlichen Statusentscheidung als Parkfläche genutzt werden könnte.
27 
b) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ausgehend von den derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten ist der Antragsteller aufgrund der vor seinem Wohnhaus aufgestellten Altglassammelbehälter unzumutbaren Immissionen ausgesetzt. Diesen Zustand muss er nicht bis zu dem derzeit noch nicht absehbaren Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinnehmen, der gegebenenfalls erst aufgrund einer Entscheidung des Berufungs- oder Revisionsgerichts erfolgt. Es gereicht ihm auch nicht zum Nachteil, dass er seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erst recht spät - nachdem er die Situation jahrelang hingenommen hatte - gestellt hat.
28 
2. Da der Antragsteller bereits mit seinem Hauptantrag Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung über seinen Hilfsantrag.
29 
3. Der Antrag des Antragstellers war allerdings von vornherein insoweit unzulässig, als er lediglich im Hilfsantrag gegen den Antragsgegner zu 1. gerichtet war. Bei dem Hilfsantrag handelt es sich um einen die Zahl der Beteiligten erweiternden Hilfsantrag (subjektive eventuelle Antragshäufung). Der im Verfahren über den Hauptantrag nicht beteiligte Antragsgegner zu 1. wurde mit dem Hilfsantrag unter einer Bedingung - hier der Erfolglosigkeit des ausschließlich gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. geltend gemachten Hauptantrags - in das Verfahren einbezogen. Eine derart bedingte Antragstellung ist nicht zulässig. Die Einbeziehung eines weiteren Beteiligten kann nicht unter einer Bedingung erfolgen; das gegen den weiteren Beteiligten begründete Prozessrechtsverhältnis darf nicht in der Schwebe bleiben (vgl. LAG München, Beschluss vom 07.07.2015 - 6 TaBV 73/14 - NZA-RR 2015, 639 Tz. 53 = juris Rn. 61).
30 
Nicht zuletzt da ein entsprechender Antrag über das Begehren in der Hauptsache hinausgehen würde, geht der Senat davon aus, dass trotz des möglicherweise eine gegenteilige Annahme nahelegenden Antrags im Beschwerdeverfahren der Hauptantrag nach wie vor nur gegen die Antragsgegnerin zu 2. gerichtet ist. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren eine Antragserweiterung vornehmen wollte, vermag der Senat nicht zu erkennen.
III.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dass der Antragsteller die Kosten des Antragsgegners zu 1. zu übernehmen hat, folgt aus dem § 154 Abs. 1 VwGO zugrunde liegenden Verursacherprinzip (vgl. Bader in ders./Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl., § 154 Rn. 1). Der Antragsteller hat den Antragsgegner zu 1. in unzulässiger Weise hilfsweise zum Beteiligten eines Prozesses gemacht (vgl. II. 3.). Hiergegen durfte er sich berechtigter Weise verteidigen.
32 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.
33 
Von der Festsetzung eines Streitwerts bzw. eines Gegenstandswerts hinsichtlich des bedingten Prozessrechtsverhältnisses des Antragstellers zum Antragsgegner zu 1. wird abgesehen, da von einem solchen Wert abhängige Kosten nicht entstanden sind.
34 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. November 2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Beklagten, mit der dem Kläger das Einfangen und Aneignen wildlebender Schwäne im Gebiet des beklagten Landkreises untersagt wird.

2

Der Kläger ist Vorsitzender des U. e. V., der seit dem Jahre 2004 in der Stadt T. (Ortsteil F.) in einer ehemaligen Kaserne eine Versorgungsstation für hilfsbedürftige Schwäne betrieb. Der Kläger hatte es etwa seit dieser Zeit zu seiner Aufgabe gemacht, aus seiner Sicht kranke, verletzte oder sonst hilfsbedürftige wildlebende Vögel der Art „Höckerschwan“ (Cygnus olor) u. a. im Gebiet des Beklagten einzufangen und in die Einrichtung des Vereins zum Zwecke der Gesundpflege zu verbringen. Bei verschiedenen behördlichen Kontrollen – auch durch das Veterinäramt des Beklagten – wurde wiederholt festgestellt, dass die „Schwanenstation“ des Vereins wegen der großen Zahl der dort teilweise über Monate gehaltenen Schwäne und wegen der dafür zu kleinen Auslauf- und Schwimmflächen überbesetzt war (z. B. am 18. April 2007: 35 Schwäne; am 11. Oktober 2007: 56 Schwäne; Anfang Februar 2009: 60 Schwäne; am 09. September 2009: 57 Schwäne; am 30. September 2010: 62 Schwäne; am 25. Februar 2011: 79 Schwäne); aus tierärztlicher bzw. ornithologischer Sicht war vielfach ein nicht unerheblicher Teil der über lange Zeit in Gewahrsam gehaltenen Schwäne zudem auswilderungsfähig. Mit tierschutzrechtlicher Verfügung vom 17. Januar 2008 gab die Stadt Trier dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs u. a. auf, Schwäne nach ihrer Genesung umgehend wieder auszuwildern und in der Station künftig nicht mehr als 15 Schwäne gleichzeitig unterzubringen; einem hiergegen gerichteten Eilrechtsschutzbegehren des Klägers gab das OVG Rheinland-Pfalz im Beschwerdeverfahren teilweise mit der Maßgabe statt, dass der Kläger die Belegung in der Versorgungsstation auf maximal 40 Tiere reduziert und alle gesunden und in Freiheit lebensfähigen Tiere umgehend auswildert (Beschluss vom 6. Mai 2008; Az. 7 B 10271/08.OVG). Nachdem das Mietverhältnis über die für die Schwanenstation genutzten Räumlichkeiten gekündigt worden war, wurde die Schwanenstation am 13. Juni 2012 geräumt, die noch vorhandenen Schwäne in eine Schwanenstation in Luxemburg verbracht und die Einrichtung in T. geschlossen. Nach amtstierärztlicher Feststellung waren von den an diesem Tage in der Einrichtung vorgefundenen 62 Schwänen 22 Schwäne auswilderungsfähig, während 11 Schwäne aufgrund der Haltungsbedingungen Ballenabszesse an den Füßen aufwiesen.

3

Nachdem der Kläger ausweislich eines behördlichen Vermerks am Tage der Schließung und Räumung der Station mit zwei Schwänen auf dem Weg zu der Station gesehen worden war, untersagte der Beklagte dem Kläger mit einer ohne vorherige Anhörung erlassenen Verfügung vom selben Tage unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Einfangen und Aneignen wildlebender Schwäne im Gebiet des Landkreises. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage gegen diese Verfügung, der der Beklagte in der mündlichen Verhandlung des VG Trier im Verfahren 5 K 1352/12.TR durch Aufhebung der Verfügung abhalf, nachdem das Gericht auf Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Verfügung wegen eines bislang nicht geheilten Anhörungsfehlers hingewiesen hatte.

4

Nach erfolgter Anhörung des Klägers erließ der Beklagte am 3. April 2013 eine neue Verfügung, mit der ihm unter Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 750,00 € für den Fall der Nichtbeachtung das Einfangen und Aneignen wildlebender Schwäne im Gebiet des Landkreises untersagt wurde. Die Verfügung wurde außer auf § 5 des Landesjagdgesetzes – LJG – auch auf § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - gestützt, jeweils in Verbindung mit §§ 4 und 9 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG - und §§ 62, 64 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes - LVwVG. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen gegen § 5 Abs. 1 LJG verstoßen, weil er Schwäne in Besitz genommen habe, ohne sie bei den in dieser Bestimmung genannten Personen abzugeben. Zudem habe er in der Schwanenstation in T. mehr als die Hälfte der dort vorgefundenen Schwäne unter Verstoß gegen das sich aus den §§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG i. V. m. 45 Abs. 5 BNatSchG ergebende Gebot der unverzüglichen Auswilderung gesund gepflegter wild lebender Tiere gehalten, nachdem bei Auflösung der Schwanenstation festgestellt worden sei, dass von den seinerzeit dort befindlichen 62 Schwänen 22 keine Verletzungen und weitere 11 Schwäne nicht verletzungs-, sondern haltungsbedingte Krankheitsbilder aufgewiesen hätten. Ziel der Verfügung sei es, weitere widerrechtliche Entnahmen von Tieren aus der Natur sowie weitere Verstöße gegen die jagdrechtlichen Vorschriften zu unterbinden, namentlich eine Verbringung von Schwänen in den Landkreis Merzig-Wadern, in dem der Kläger nach Kenntnis des Beklagten inzwischen eine nicht genehmigte Schwanenstation betreibe.

5

Zur Begründung seiner nach Nichtbescheidung seines gegen die Verfügung vom 3. April 2013 gerichteten Widerspruchs erhobenen Untätigkeitsklage hat der Kläger insbesondere vorgetragen: Dem Bescheid fehle die Rechtsgrundlage, denn es sei nicht nachvollziehbar, wann und wo er in einer Vielzahl von Fällen gegen § 5 Abs. 1 LJG verstoßen habe. Die Bundeswasserstraßenverwaltung habe einer Schwanenpflege durch ihn stets zugestimmt; auch seien die in § 5 LJG genannten Anzeigen stets erfolgt, eine Herausgabe der Schwäne sei nie verlangt worden. Er betreibe im Saarland keine illegale Schwanenstation. Im Übrigen hätten viele der seinerzeit vorgefundenen, äußerlich gesunden Schwäne an schweren inneren Erkrankungen gelitten. Die festgestellten Fußverletzungen könnten nicht ihm angelastet werden, sondern hätten andere Ursachen gehabt.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 3. April 2013 aufzuheben.

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Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht Trier hat der Klage durch das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2013 ergangene Urteil stattgegeben und den Bescheid vom 3. April 2013 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtene Verfügung sei rechtwidrig. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger durch sein bisheriges Verhalten Anlass gegeben habe, ihm das Einfangen und Aneignen von Schwänen zu untersagen. Als Rechtsgrundlagen für eine derartige Anordnung kämen zwar grundsätzlich sowohl § 5 Abs. 1 LJG als auch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in Betracht, allerdings jeweils nur in Verbindung mit § 9 Abs. 1 POG. Danach könne ein uneingeschränktes Verbot, wild lebende Schwäne im Gebiet des beklagten Landkreises einzufangen und sich anzueignen, indessen nur verfügt werden, wenn die Gefahr bestehe, dass der Kläger sich wildlebende und dem Jagdrecht unterliegende Schwäne unter Verstoß gegen die genannten Bestimmungen aneigne oder gesunde, dem Jagdrecht unterliegende Tiere bzw. kranke oder verletzte Tiere unter Verstoß gegen § 34 Abs. 3 LJG an sich nehme. Daran fehle es hier. Zu berücksichtigen sei, dass dem Beklagten ein Ermessensspielraum zustehe. Dabei habe er nicht von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgehen dürfen. Letzteres sei aber hier der Fall gewesen, denn es sei nicht ersichtlich, wo und wann der Kläger nach Auffassung des Beklagten konkret gegen jagd- oder tierschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen habe. Die in der Verfügung aufgestellte pauschale Behauptung, der Kläger habe in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen gegen § 5 Abs. 1 LJG verstoßen, sei nicht durch konkrete Fakten belegt worden

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Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor:

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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die Verfügung vom 3. April 2013 rechtmäßig, weil der Kläger in der Vergangenheit durch sein Handeln gegen gesetzliche Bestimmungen des Jagd-, Natur- und Tierschutzrechts verstoßen habe und derzeit keine Anhaltspunkte für eine zukünftig rechtskonforme Verhaltensweise erkennbar seien.

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So habe er zum einen gegen Tierschutzrecht verstoßen, weil von den in der Schwanenstation, für die er verantwortlich gewesen sei, vorgefundenen 62 Schwänen mindestens 11 Schwäne Ballenabszesse an Zehen und Schwimmhäuten aufgewiesen hätten, die auf einer fehlerhaften Haltung beruht hätten. Die diagnostizierten Abszesse seien darauf zurückzuführen gewesen, dass den Schwänen als Schwimmvögeln keine ihrer Art genügende Möglichkeit zum Aufenthalt im Wasser gegeben worden sei. Die in den Hallen in T.-F. untergebrachten Schwäne seien dort über viele Jahre auf Rindenmulch oder Stroh gehalten worden; die dort befindlichen Wasserflächen seien für den Aufenthalt von bis zu 60 Schwänen zu klein gewesen und hätten den Vögeln daher nur stundenweise zur Verfügung gestanden. Zur Verursachung der festgestellten Ballenabszesse durch fehlerhafte Haltung verweise er auf fachtierärztliche Stellungnahmen. Da die Ausbildung von Abszessen Schmerzen für die Tiere zur Folge habe und ein vermeidbares Leiden darstelle, hätten die zu diesen Konsequenzen führenden Haltungsbedingungen einen Verstoß gegen § 2 des Tierschutzgesetzes - TierSchG - dargestellt. Der Kläger sei diesen fachlichen Einschätzungen im Übrigen nicht fundiert entgegengetreten.

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Das Verwaltungsgericht habe ferner die Vorschrift des § 34 LJG zwar gesehen, aber zu Unrecht auf den vorliegenden Sachverhalt nicht angewendet. § 34 Abs. 3 LJG treffe eine von § 45 Abs. 5 BNatSchG abweichende Regelung zur Pflege von dem Jagdrecht unterliegenden kranken oder verletzten Tieren, indem sie verlange, dass dem Jagdrecht unterliegende Wildtiere, zu denen auch Schwäne gehörten, an die jagdausübungsberechtigte Person, eine Auffangstation für Wild oder an einen in Rheinland-Pfalz zugelassenen Tierarzt bzw. eine Tierärztin zur Pflege übergeben werden; ein Recht zur eigenhändigen Pflege durch den Finder bestehe insoweit nicht. Solange der Kläger nicht über eine Anerkennung als Auffangstation für Wild verfüge, dürfe er generell keine Schwäne pflegen. Insoweit sei die Begründung des Bescheides zu ergänzen. An dieser Rechtslage habe sich auch dadurch nichts geändert, dass nach einer Auskunft des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarlandes inzwischen für eine Schwanenstation in P. (Landkreis Merzig-Wadern) eine Genehmigung als Tiergehege nach § 43 BNatSchG mit dem Kläger als Gehegebetreuer erteilt worden sei; denn die erforderliche Zulassung als Auffang- und Pflegestation nach § 11 TierSchG stehe noch aus.

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Sofern § 45 Abs. 5 BNatSchG überhaupt Anwendung finde, habe der Kläger jedenfalls gegen die Verpflichtung aus § 45 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG zur unverzüglichen Freilassung verstoßen. Da von den bei der Räumung der Schwanenstation in T. vorgefundenen 62 Schwänen 22 auswilderungsfähig gewesen, aber nicht in die Natur entlassen worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht in der Lage sei, zu beurteilen, wann ein Tier auswilderungsfähig sei; es sei daher zu befürchten, dass er bei der Aufnahme von Tieren auch zukünftig gegen § 45 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG verstoßen werde. Die Auswilderungsfähigkeit von rund 1/3 des Gesamtbestandes sei bei der Räumung von erfahrenen Fachleuten aus Trier und Luxemburg festgestellt worden, denen als Amtstierärzten eine entsprechende Beurteilungskompetenz zukomme. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht nicht auf die Frage eingegangen, ob der Kläger – sofern § 45 Abs. 5 BNatSchG anwendbar sei – eine Einrichtung wie diejenige in T... oder jetzt in P... überhaupt betreiben dürfe. Nach einem Beschluss des VG Darmstadt vom 28.03.2013 (Az. 1/11.DA) sei eine Schwanenstation wie die vom Kläger in T... und jetzt in P... betriebene aufgrund der Vielzahl der betreuten Tiere und des auf Dauer angelegten Betriebs als „tierheimähnliche Einrichtung“ i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG anzusehen; danach werde die Einrichtung in P... derzeit noch formal illegal betrieben. Dem Beklagten stehe das Recht zu, die Entnahme von Tieren aus der Natur in seinem Zuständigkeitsbereich zu untersagen, wenn diese an anderer Stelle ohne die erforderlichen Genehmigungen betreut werden sollen.

16

Schließlich seien auch die in der Verfügung angeführten Verstöße des Klägers gegen seine Verpflichtungen aus § 5 LJG entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hinreichend ermittelt worden. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür und es sei insbesondere vom Kläger trotz entsprechender Aufforderungen nie hinreichend konkret dargelegt worden, dass er die aneignungsberechtigte Person, in Ortsgemeinden den Ortsbürgermeister, die Gemeindeverwaltung oder die nächste Polizei- oder Forstdienststelle über die von ihm aufgenommenen Tiere informiert habe. Soweit die Bundesschifffahrtsverwaltung in einem von ihm vorgelegten Schreiben vom 19. Juli 2012 als Grundstückseigentümer und Jagdausübungsberechtigter die Erlaubnis zur Pflege eines nicht mehr auswilderungsfähigen Schwans erteilt habe, sei dies rechtsirrig erfolgt.

17

Die aufgrund des somit vollständig ermittelten Sachverhalts auf der Grundlage von § 9 POG bzw. § 16 a TierSchG ergangene Verfügung sei auch ermessensfehlerfrei erlassen worden. Die Vielzahl der Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen, verbunden mit einer zumindest im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung ohne jegliche Zulassung im Saarland betriebenen Station habe ein behördliches Einschreiten gerechtfertigt.

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Der Beklagte beantragt,

19

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. November 2013 die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und führt insbesondere noch aus, der Beklagte habe auch im Berufungsverfahren keinen einzigen Fall konkret vorgetragen, in dem er bezüglich eines bestimmten Tieres gegen bestimmte gesetzliche Vorschriften verstoßen habe.

23

In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger einen an Frau M. S.-G. als Betreiberin der Auffang- und Rückbürgerungsstation für Wasservögel in P.-B. gerichteten Bescheid des Landesamtes für Verbraucherschutz – amtstierärztlicher Dienst – des Saarlandes vom 17. Oktober 2014 vorgelegt, wonach dieser die bis zum 16. Oktober 2017 befristete Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG erteilt wird, in der genannten Einrichtung anseriforme Wildvögel (Schwäne und Gänse) unter zahlreichen Nebenbestimmungen zu halten; als verantwortliche Person i. S. v. § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG wird der Kläger bestimmt. Auf die daraufhin vom Beklagtenvertreter angekündigte Bereitschaft, seinen Bescheid vom 3. April 2013 mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, sofern der Kläger verbindlich erkläre, jeden im Gebiet des Landkreises eingefangenen Höckerschwan der Kreisverwaltung zu melden und ausschließlich in die Einrichtung in P.-B. zu verbringen, erklärte der Kläger, zur Abgabe solcher Erklärungen nicht bereit zu sein.

24

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und begründet.

26

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn die angefochtene ordnungsbehördliche Verfügung des Beklagten vom 3. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Die angefochtene Verfügung, mit der dem Kläger das Einfangen und Aneignen wildlebender Schwäne im Gebiet des beklagten Landkreises untersagt wird, wurde zu Recht auf § 9 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG - i.V.m. Vorschriften des Naturschutz- und Jagdrechts gestützt. Weder das Bundesnaturschutzgesetz noch das Jagdrecht enthalten spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass ordnungsbehördlicher Verfügungen zur Unterbindung von Verstößen gegen Ge- und Verbotstatbestände des Landesjagdgesetzes oder des Bundesnaturschutzgesetzes; deshalb ist der Beklagte und ihm insoweit folgend auch das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass als Ermächtigungsgrundlage für das mit der Verfügung ausgesprochene Verbot des Einfangens und Aneignens wildlebender Schwäne nur ein Rückgriff auf die polizei- und ordnungsbehördliche Generalklausel in § 9 POG i.V.m. den jeweils verletzten Normen des Landjagdgesetzes bzw. des Bundesnaturschutzes als Bestandteilen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Betracht kommt, und dass der Kläger insoweit als Handlungsstörer i.S.v. § 4 POG in Anspruch genommen werden kann. Die Rechtmäßigkeit der Verfügung setzt danach voraus, dass dem Kläger im Zusammenhang mit dem von ihm praktizierten Einfangen und Halten von Schwänen Verstöße gegen Ge- oder Verbotsnormen des Naturschutz- und Jagdrechts vorgehalten werden können, und dass des Weiteren die Gefahr künftiger derartiger Verstöße konkret zu besorgen ist.

28

Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vorliegend zu bejahen.

29

Der Beklagte hatte zunächst im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung hinreichenden Anlass für die Annahme des Bestehens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil die von dem Kläger geübte Praxis des Einfangens und der Inbesitznahme von Schwänen Verbotsnormen des Bundesnaturschutzgesetzes sowie Ge- und Verbotsnormen des Landesjagdgesetzes verletzte und mit weiteren Verstößen dieser Art zu rechnen war.

30

Einschlägig sind zunächst die Verbotstatbestände des besonderen Artenschutzrechts nach § 44 Abs. 1 und Abs. 2 BNatSchG. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es unter anderem verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen und sie zu fangen. Keinem Zweifel unterliegt, dass es sich bei den im Gebiet des Beklagten - namentlich an den Ufern der Mosel und ihrer Nebenflüsse, aber auch an Seen und Teichen, z.B. in Parks - anzutreffenden Höckerschwänen um wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten handelt. Der Höckerschwan (Cygnus olor) ist als europäische Vogelart gemäß der Legaldefinition in § 7 Nr. 13 b) bb) BNatSchG eine besonders geschützte Art. Diesen Schutzstatus genießen pauschal sämtliche europäische Vogelarten, auch häufig verbreitete sogenannte „Allerweltsarten“ (vgl. z.B. Klages, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 1. Aufl. 2011, § 7, Rn. 26, m.w.N. sowie Müller-Walter, in: Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 44 BNatSchG, Rn. 9). Allein der Umstand, dass es sich bei Höckerschwänen häufig um halbdomestizierte Parkvögel handelt, ändert nichts an deren Einstufung als wild lebende Tiere.

31

Die von dem Kläger seit Jahren praktizierte Vorgehensweise, Schwäne in ihrem natürlichen Lebensraum zu ergreifen, abzutransportieren und nicht nur kurzfristig, sondern oft über Wochen und Monate in Gewahrsam zu nehmen, erfüllte ohne weiteres den Tatbestand des Nachstellens und Fangens. „Nachstellen“ meint sämtliche Handlungen, die insbesondere das „Fangen“ unmittelbar vorbereiten sollen; „Fangen“ bedeutet den Zugriff auf ein Tier in der Absicht, es lebend in seine Gewalt zu bekommen, ohne ihm alsbald und am Ort des Zugriffs die Freiheit wiedergeben zu wollen (vgl. dazu Müller-Walter, a.a.O., Rn. 13, m.w.N.). Dabei schließt die - bei dem Kläger zweifellos vorliegende - „gute Absicht“, ein als verletzt oder krank angesehenes Tier gesund pflegen zu wollen, den Tatbestand des Nachstellens und Fangens nicht vornherein aus; dies ergibt sich aus § 45 Abs. 5 BNatSchG, wonach insbesondere ein Fangen zu diesem Zweck nur unter den dort im Einzelnen normierten Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig ist. Darüber hinaus erfüllte die Vorgehensweise des Klägers auch den Verbotstatbestand des § 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG, wonach es verboten ist, Tiere der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen bzw. in Besitz oder Gewahrsam zu halten. Denn er hat als verantwortlicher Vorsitzender des U. e.V. und als allein unmittelbar für diesen Verein handelnde Person die von ihm eingefangenen Schwäne in der von diesem Verein betriebenen sog. Versorgungsstation für hilfsbedürftige Schwäne in Gewahrsam genommen und dort vielfach auch über längere Zeiträume in Gewahrsam gehalten.

32

Zur Rechtfertigung dieses Verhaltens konnte und kann der Kläger sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 45 Abs. 5 BNatSchG berufen. § 45 Abs. 5 BNatSchG begründet - als Ausnahme insbesondere vom Verbot des „Fangens“ nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, aber auch als Ausnahme von dem Besitzverbot des § 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG - die Befugnis zur Inbesitznahme verletzter, hilfloser oder kranker Tiere mit dem Ziel der Gesundpflege (vgl. z.B. Kratsch, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 45, Rn. 21). Danach steht grundsätzlich jedermann das Recht zu, verletzte oder kranke Tiere aus der Natur zu entnehmen, um sie gesund zu pflegen und unverzüglich wieder freizulassen (vgl. Müller-Walter, a.a.O., § 45, Rn. 12). Jedoch steht die Vorschrift unter dem ausdrücklichen Vorbehalt abweichender jagdrechtlicher Vorschriften: Sofern es sich bei den Tieren um solche handelt, die dem Jagdrecht unterliegen, besteht ein ausschließliches Aneignungsrecht des Jagdberechtigten (§ 1 Abs. 5 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG -); darüber hinaus sind die Länder gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 BJagdG ermächtigt, Vorschriften über das Aufnehmen, die Pflege und die Aufzucht verletzten oder kranken Wildes und dessen Verbleib zu erlassen. Davon hat Rheinland-Pfalz mit der Regelung besonderer Ablieferungs- und Anzeigepflichten in § 5 des Landesjagdgesetzes - LJG - und insbesondere mit der Sonderregelung des § 34 Abs. 3 und Abs. 4 LJG über das Auffinden von krankem oder verletztem Wild Gebrauch gemacht. Da es sich bei dem Höckerschwan gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG um eine dem Jagdrecht unterliegende Tierart und damit gemäß der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 BJagdG um „Wild“ handelt, greift der Vorbehalt zu Gunsten jagdrechtlicher Vorschriften hier ein. Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung des Einfangens von Schwänen somit von vornherein nicht auf das Gesundpflegeprivileg des § 45 Abs. 5 BNatSchG berufen, sondern hatte die besonderen jagdrechtlichen Vorschriften in Bezug auf die Besitzerlangung an Wild und insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit aufgefundenem krankem oder verletztem Wild zu beachten.

33

Den sich aus den Vorschriften des Landesjagdrechts ergebenden besonderen Pflichten hat der Kläger indessen in der Vergangenheit nicht Rechnung getragen, und es ist auch zu besorgen, dass er diese weiterhin nicht in jeder Hinsicht befolgen wird.

34

Einschlägig ist zunächst § 5 Abs. 1 LJG. Danach ist derjenige, der den Besitz oder den Gewahrsam an lebendem oder verendetem Wild erlangt, ohne aneignungsberechtigt zu sein, verpflichtet, das Wild der aneignungsberechtigten Person, in Ortsgemeinden der Ortsbürgermeisterin oder dem Ortsbürgermeister, der Gemeindeverwaltung oder der nächsten Polizei- oder Forstdienststelle abzugeben, soweit besondere Umstände nicht entgegenstehen. Ergänzend bestimmt § 5 Abs. 2 LJG, dass derjenige, der krankes, verletztes oder verendetes Wild in der freien Natur wahrnimmt, verpflichtet ist, dies einer in Abs. 1 genannten Person oder Dienststelle unverzüglich anzuzeigen. Diesen besonderen Anzeige- und Ablieferungspflichten in Bezug auf Wild hat der Kläger in der Zeit des Betriebs der sog. Versorgungsstation für hilfsbedürftige Schwäne in T.-F. bis zu deren endgültiger Schließung am 13. Juni 2012 nicht entsprochen. Da die vom Kläger geübte Praxis des Einfangens und der Inbesitznahme wildlebender Schwäne - wie dargelegt - die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG erfüllt und das Gesundpflegeprivileg nach § 45 Abs. 5 BNatSchG zu seiner Rechtfertigung nicht greift, hätte er darlegen müssen, dass er in allen Fällen den anstelle des § 45 Abs. 5 BNatSchG greifenden besonderen Ablieferungs- und Anzeigepflichten des § 5 Abs. 1, 2 LJG Rechnung getragen hat. Davon kann indessen keine Rede sein. Eindeutig ist zunächst, dass er die Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 1 LJG zu keinem Zeitpunkt erfüllt, sondern angetroffene Schwäne eigenmächtig in Besitz genommen und über einen längeren Zeitraum behalten hat. Darüber hinaus ist aber auch nicht erkennbar, dass er in Bezug auf von ihm wahrgenommene kranke oder verletzte (sowie gegebenenfalls in seinem Gewahrsam verendete) Schwäne der Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 2 LJG genügt hat.

35

Soweit sich der Kläger sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Anzeigepflicht als auch hinsichtlich einer „Erlaubnis“ zur Inbesitznahme von Schwänen auf ein mit der Berufungserwiderung vorgelegtes Schreiben des Wasser- und Schifffahrtsamtes Trier vom 2. August 2012 (Bl. 239 der GA) beruft, wonach ihm dieses als „Grundstückseigentümer und Schifffahrtspolizeibehörde“ bescheinigt, „in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von verletzten oder kranken Schwänen gemäß § 5 i.V.m. § 34 LJG gemeldet und die Erlaubnis zur Pflege in den vereinseigenen Pflegestationen in T. und P.-B. erhalten zu haben“, kann ihn dies nicht entlasten. Abgesehen davon, dass schon nach eigenem Bekunden des Klägers keineswegs alle von ihm eingefangene und in Gewahrsam genommene Schwäne von Wasserflächen oder Uferbereichen der Bundeswasserstraße Mosel stammten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bund als Träger des für ihn handelnden Wasser- und Schifffahrtsamtes Trier „aneignungsberechtigte Person“ i.S.v. § 5 Abs. 1 LJG in Bezug auf wildlebende Schwäne auf der Mosel und in deren Uferbereichen ist. Der Senat schließt sich der in dem vom Beklagten vorgelegten Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 30. Juni 2011 (Bl. 225 der GA) vertretenen Rechtsauffassung an, der zufolge nach der in Rheinland-Pfalz maßgeblichen Rechtslage nach § 7 Abs. 2 LJG Bundeswasserstraßen und deren Uferbereiche den benachbarten Jagdbezirken anzugliedern sind, so dass der Bund als Grundstückseigentümer sein Jagdrecht nur als Mitglied der Jagdgenossenschaft ausüben kann; folglich ist er nicht allein aneignungsberechtigter Eigentümer und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung weder tauglicher Adressat für die Erfüllung der Anzeige- und Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 1 und 2 LJG noch berechtigt, dem Kläger eine Erlaubnis zur Aufnahme der Schwäne in einer „Auffangstation für Wild“ (um die es sich bei der Station in T.-F. - wie noch auszuführen sein wird - ohnehin nicht handelte) zu erteilen. Soweit der Kläger vorträgt, wegen eines nach strompolizeilichen Vorschriften auf bundeseigenen Ufergrundstücken bestehenden Betretungsverbots müssten derartige Grundflächen als befriedete Bezirke i. S. v. § 6 BJagdG und § 8 LJG gelten, kann offenbleiben, ob dem gefolgt werden kann. Selbst wenn es sich bei Grundflächen, auf denen der Kläger Schwäne eingefangen hat, im Einzelfall um Teile befriedeter Bezirke, auf denen die Jagd ruht, gehandelt haben sollte, hätte es nach § 8 Abs. 4 LJG einer Entscheidung der zuständigen Jagdbehörde bedurft, um Eigentümern oder nutzungsberechtigten Personen in beschränktem Umfang das Fangen von Wild zu gestatten. Zumindest daran fehlte es hier.

36

Darüber hinaus kann das Wasser- und Schifffahrtsamt auch nicht als „nächstgelegene Polizeidienststelle“ i.S.v. § 5 Abs. 1 LJG angesehen werden. Dies folgt schon daraus, dass dem Landesgesetzgeber die Kompetenz fehlen würde, eine Bundesbehörde als Adressaten zur Erfüllung landesjagdrechtlicher Anzeige- und Ablieferungspflichten in Bezug auf Wild zu bestimmen und damit dessen Verpflichtung zur Entgegennahme von solchen Anzeigen sowie von Wildtieren zu begründen. Mit den „nächstgelegenen Polizeidienststellen“ können daher nur die nach den §§ 1, 75 Abs. 2, 76 ff. POG sachlich und örtlich jeweils zuständigen allgemeinen Ordnungsbehörden und Polizeidienststellen des Landes (einschließlich gegebenenfalls der Wasserschutzpolizei des Landes) gemeint sein. Mit einer „Anzeige“ eingefangener Schwäne beim Wasser- und Schifffahrtsamt Trier sowie mit einer von diesem rechtsirrig erteilten Erlaubnis zur (dauerhaften) Inbesitznahme der Schwäne und zu deren Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Pflege in der Station T.-F. durfte sich der Kläger somit keineswegs zufrieden geben.

37

Soweit es sich um kranke oder verletzte Schwäne handelte, waren von ihm des Weiteren die besonderen Bestimmungen des §§ 34 Abs. 3 LJG zu befolgen. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG ist derjenige, der krankes oder verletztes Wild auffindet, berechtigt, dieses aufzunehmen und an die jagdausübungsberechtigte Person, eine Auffangstation für Wild oder eine in Rheinland-Pfalz zugelassene Tierärztin oder einen in Rheinland-Pfalz zugelassenen Tierarzt zur Pflege zu übergeben. Nach § 34 Abs. 3 Satz 3 LJG ist Voraussetzung hierfür, dass zuvor eine der in § 5 Abs. 1 LJG genannten Personen oder Dienststellen informiert wurde und insoweit keine Hilfe erlangt werden konnte. Mit dieser Vorschrift hat der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung in § 32 Abs. 2 Nr. 2 BJagdG Gebrauch gemacht, von § 45 Abs. 5 BNatSchG abweichende Regelungen für die Aufnahme, Pflege und den Verbleib von verletztem oder krankem Wild zu erlassen. Die Abweichung von § 45 Abs. 5 BNatSchG besteht darin, dass § 34 Abs. 3 LJG jedermann, der verletztes oder krankes Wild auffindet, zwar die „Aufnahme“ (im Sinne einer vorübergehenden Inbesitznahme), aber nicht die (längere) Ingewahrsamnahme zur Durchführung einer „Gesundpflege“ in eigener Verantwortung erlaubt, sondern (zunächst) eine Informationspflicht und (sodann, bei deren Fruchtlosigkeit) eine strikte Übergabepflicht an die dort genannten Stellen bzw. Personen statuiert, damit diese die erforderliche Gesundpflege durchführen. Diesen Verpflichtungen hat der Kläger nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt genügt. Wie sich aus den obigen Ausführungen zu § 5 Abs. 1 und Abs. 2 LJG ergibt, hat er bereits die in § 34 Abs. 3 Satz 2 LJG vorausgesetzte Informationspflicht in Bezug auf wahrgenommenes krankes oder verletztes Wild nach § 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LJG nicht oder allenfalls vereinzelt erfüllt. Darüber hinaus fehlte es an der Voraussetzung der unverzüglichen Übergabe der aufgenommenen kranken oder verletzten Schwäne zur Pflege an eine der in § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG genannten Personen oder Stellen. Insbesondere handelte es sich bei der vom Kläger verantwortlich geleiteten sog. Versorgungsstation für hilfsbedürftige Schwäne in T.-F. nicht um eine „Auffangstation für Wild“ i.S.v. § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG. Zwar wird der Begriff der Auffangstation für Wild weder in § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG noch an anderer Stelle im LJG oder im BJagdG definiert; auch sieht das LJG kein förmliches Anerkennungsverfahren für derartige Einrichtungen vor. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, durch die Pflicht zur Übergabe alternativ auch an eine Auffangstation für Wild eine fachkundige Gesundpflege kranker oder verletzter Wildtiere wie bei Aufnahme durch die jagdausübungsberechtigte Person oder einen zugelassenen Tierarzt zu gewährleisten, ergibt sich jedoch, dass als Auffangstation für Wild nur solche Einrichtungen in Betracht kommen können, die bestimmte Mindestanforderungen an die Gewährleistung einer art- und tierschutzgerechten Gesundpflege erfüllen sowie auch eine unverzügliche Auswilderung der Tiere nach Wiedererlangung ihrer Fähigkeit zur selbstständigen Erhaltung in der Natur (vgl. dazu § 45 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG) erwarten lassen. Das war bei der Station in T.-F. nach den sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Erkenntnissen in mehrfacher Hinsicht nicht der Fall. So ist bereits nicht ersichtlich, dass der Betrieb der Station, wie in § 43 Abs. 3 BNatSchG in den seit dem 1. März 2010 geltenden Fassungen der Vorschrift vorgesehen, zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 1. März 2010 der zuständigen Behörde als Tiergehege förmlich angezeigt worden ist, um die Einhaltung der sich aus §§ 43 Abs. 2 i.V.m. 42 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 BNatSchG ergebenden Anforderungen an Haltung und Pflege der Tiere einschließlich der Beachtung der Vorschriften des Tier- und Artenschutzes prüfen und gegebenenfalls durch erforderliche Anordnungen sicherstellen zu können. Darüber hinaus haben die im Tatbestand aufgeführten zahlreichen behördlichen Besuche und Kontrollen - auch unter Beteiligung von Amtstierärzten - seit dem Jahre 2007 immer wieder ergeben, dass diese Anforderungen auch tatsächlich oft nicht erfüllt waren. So wurde wiederholt festgestellt, dass in der Schwanenstation eine viel zu große Anzahl von Schwänen gleichzeitig gehalten wurde, was wegen der dafür zu kleinen Auslauf- und Schwimmflächen zur Ausbildung von Ballenabszessen an den Füßen und Schwimmhäuten der Schwäne führte. Ferner wurde immer wieder ein nicht unerheblicher Teil der Schwäne auch noch nach Eintritt der Auswilderungsfähigkeit für längere Zeit weiter in Gewahrsam gehalten. Soweit der Kläger nach wie vor diese Sachverhalte bestreitet und insbesondere die festgestellten und zum Teil auch fotografisch dokumentierten Ballenabszesse auf andere Ursachen als die in der Station herrschenden Haltungsbedingungen zurückführen will, ist dem entgegenzuhalten, dass den an den Kontrollbesuchen beteiligten Amtstierärzten hinsichtlich der Frage, ob die Haltungsbedingungen tierschutzgerecht sind, von Gesetzes wegen eine den Einschätzungen des Klägers gegenüber vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (so auch OVG Nds., Urteil vom 18. Juni 2013 - 11 LC 206/12 -, NuR 2013, 584 und juris, Rn. 28); gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch für die Beurteilung der Auswilderungsfähigkeit von zum Zwecke der Gesundpflege in Gewahrsam gehaltenen Wildtieren.

38

Hat danach der Kläger in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen über Jahre hinweg mit seiner Praxis des Einfangens und der Inbesitznahme wildlebender Schwäne gegen die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG sowie gegen die Anzeige- und Ablieferungspflichten des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 LJG und zugleich gegen die besondere Übergabepflicht hinsichtlich kranker oder verletzter Wildtiere nach § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG verstoßen, so bestand angesichts der erklärten Absicht des Klägers, seine Vorgehensweise im Zuständigkeitsbereich des Beklagten fortsetzen zu wollen, eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.v. § 9 POG und damit ein hinreichender Anlass für den Beklagten zum Einschreiten.

39

Es kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Trier auch nicht festgestellt werden, dass die Verfügung vom 3. April 2013 ermessensfehlerhaft erlassen wurde. Insbesondere trifft der Vorwurf unzureichender Sachverhaltsermittlung nicht zu. Vielmehr ergibt sich aus den umfangreichen Verwaltungsakten, dass der Beklagte das Vorgehen des Klägers über Jahre beobachtet und kritisch begleitet hat; die fortlaufenden Verstöße gegen Vorschriften des Natur- und Jagdrecht sind danach offenkundig. Darüber hinaus enthält die Begründung des Bescheides hinreichende und sachgerechte Erwägungen dazu, dass der Kläger als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden konnte und ein weniger eingreifendes Mittel als das Verbot weiteren Einfangens und Aneignens wildlebender Schwäne zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht ersichtlich ist.

40

An dieser Situation hat sich auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats noch nichts Entscheidendes geändert. Zwar hat der Beklagte seine Verfügung wegen ihrer andauernden Wirkung unter Kontrolle zu halten und im Rahmen seines Ermessens bei gegebenem Anlass zu entscheiden, ob die Verfügung wegen Wegfalls der konkreten Gefahr aufgehoben oder wegen Veränderung der Gefahrensituation inhaltlich geändert, insbesondere abgemildert werden kann. Die Voraussetzungen dafür liegen jedoch derzeit (noch) nicht vor. Zwar ist eine Veränderung dadurch eingetreten, dass das saarländische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit Bescheid vom 12. Juni 2014 festgestellt hat, dass gegen die Errichtung und den Betrieb eines von Frau S.-G. gemäß § 43 Abs. 3 BNatSchG angezeigten Tiergeheges in P.-B. unter Beachtung zahlreicher Nebenbestimmungen keine Bedenken bestehen, wobei insbesondere die Zahl der zur vorübergehenden Aufnahme zum Zwecke der Gesundpflege in dieser Einrichtung befindlichen Schwäne auf maximal 20 begrenzt wurde; zu den weiteren Nebenbestimmungen gehört auch die Bestellung des Klägers als Gehegebetreuer. Darüber hinaus wurde dieser Einrichtung inzwischen mit Bescheid des saarländischen Landesamtes für Verbraucherschutz vom 17. Oktober 2014 auch die (auch aus Sicht des Senats für derartige Einrichtungen erforderliche) Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG zur Haltung anseriformer Wildvögel (insbesondere Schwäne) in einer tierheimähnlichen Einrichtung (Schwanenauffangstation) unter zahlreichen Nebenstimmungen erteilt; insoweit ist der Kläger auch als verantwortliche Person i.S.v. § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG (a. F.) bestimmt worden. Danach spricht zwar viel dafür, dass diese Einrichtung als Auffangstation für Wild i.S.v. § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG angesehen werden kann, zumal die Vorschrift nicht voraussetzt, dass sich die Einrichtung in Rheinland-Pfalz befinden muss. Demzufolge könnte der Kläger künftig seiner Übergabepflicht nach § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG wohl auch bezüglich im Gebiet des beklagten Landkreises aufgefundener kranker oder verletzter Schwäne durch Übergabe an diese Einrichtung genügen. Dennoch ist weiterhin nicht hinreichend sicher gewährleistet, dass der Kläger zum einen nunmehr - bei künftiger Erlangung des Besitzes an (gesunden) wild lebenden Schwänen im Gebiet des Landkreises - seiner Abgabepflicht nach § 5 Abs. 1 LJG bzw. - bei Wahrnehmung kranker oder verletzter Schwäne im Gebiet des Landkreises - seinen Informationspflichten nach den § 5 Abs. 2, 34 Abs. 3 Satz 2 LJG gegenüber den in § 5 Abs. 1 LJG genannten Personen oder Stellen nachkommen wird. Zum anderen besteht auch keine hinreichende Gewähr, dass er im Zuständigkeitsbereich des Beklagten angetroffene kranke oder verletzte Schwäne, die er in Besitz genommen hat, ausschließlich an die Einrichtung in P. als Auffangstation für Wild oder ersatzweise an eine der anderen in § 34 Abs. 3 Satz 1 LJG genannten Personen oder Stellen abliefern, d. h. insbesondere auf eine unzulässige Gesundpflege in eigener Regie und anderenorts verzichten wird. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung des Senats die Abgabe dahingehender verbindlicher Erklärungen, von denen der Beklagte eine Aufhebung seiner Verfügung vom 3. April 2013 mit Wirkung für die Zukunft berechtigterweise abhängig machen wollte, ausdrücklich verweigert.

41

Damit bleibt es dabei, dass weiterhin konkret zu besorgen ist, dass der Kläger wild lebende Schwäne im Bereich des beklagten Landkreises entgegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG einfangen und unter Verstoß gegen die genannten Bestimmungen des Landesjagdgesetzes in Besitz oder Gewahrsam nehmen wird.

42

Keinen Bedenken begegnet schließlich auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 62 und 64 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes - LVwVG -. Sie ist auch hinreichend bestimmt, insbesondere ohne weiteres dahin zu verstehen, dass das Zwangsgeld in Höhe von 750,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot des Einfangens und Aneignens wild lebender Schwäne im Gebiet des Landkreises angedroht wird. Gegen die Höhe des Zwangsgeldes sind Bedenken weder vom Kläger geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.

45

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Beschluss

46

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2).

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

Tatbestand

1

Die Kläger sind nach § 3 UmwRG als Naturschutzvereinigungen anerkannt. Sie wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 30. April 2012 für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede.

2

Die planfestgestellte Teilstrecke der A 20 ist die Verlängerung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 10 (Neubau der Ostseeautobahn A 20 zwischen Lübeck und Stettin). Etwa 340 km der A 20 zwischen dem Autobahnkreuz Uckermark an der A 11 nahe der polnischen Grenze (Brandenburg) und Weede bei Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) sind bereits durchgängig befahrbar. Die westlich des Autobahnkreuzes Lübeck gelegenen Abschnitte der A 20 werden unter dem Oberbegriff "Nord-West-Umfahrung Hamburg" zusammengefasst. Sie sind in Ost-West-Richtung in insgesamt acht Streckenabschnitte unterteilt, von denen die beiden ersten bereits fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben sind. Die streitgegenständliche Teilstrecke betrifft den 3. Abschnitt; erst beim 8. Abschnitt ist die Querung der Elbe zwischen der B 431 (Glückstadt) in Schleswig-Holstein und der K 28 (Drochtersen) in Niedersachsen vorgesehen. Sie soll nach derzeitiger Planung durch einen Tunnel erfolgen. Sämtliche Abschnitte der "Nord-West-Umfahrung Hamburg" sind im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der Stufe des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Darüber hinaus sind sie Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V).

3

Der planfestgestellte Abschnitt weist eine Gesamtlänge von ca. 10 km auf. Die Trassenwahl folgt der Linienbestimmung des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen vom 28. Juli 2005. Die Trasse verläuft von Bad Segeberg/Weede (B 206) in westlicher Richtung als ortsnahe Südumfahrung von Bad Segeberg, kreuzt die A 21 im Bereich der bestehenden Anschlussstellen mit den Bundesstraßen B 206 und B 432 und wird nördlich um Wittenborn bis auf die Trasse der bestehenden B 206 südlich des Standortübungsplatzes geführt. Verknüpfungen mit dem Bundesfernstraßennetz sind über das Autobahnkreuz A 20/A 21 sowie mit dem nachgeordneten Straßennetz über die Anschlussstellen A 20/K 73 (Wittenborn), A 20/K 7 (Segeberg-Ost) und im Zuge der A 21 über die Anschlussstelle A 21/K 61 (Schackendorf) vorgesehen. Zur Querung der Trave und des Travetals ist südwestlich von Bad Segeberg ein Brückenbauwerk von 250 m Länge, 55 m Breite und 19 m Höhe geplant (BW 5.08). Eine weitere Talbrücke von ca. 370 m Länge ist im Bereich der Ortsgrenze zwischen Bad Segeberg und Klein Gladebrügge nördlich des Gieselteichs vorgesehen (BW 5.12). Hierdurch sollen die Bahnstrecke Bad Segeberg - Bad Oldesloe sowie die verlegte B 206 und die L 83 gequert werden.

4

Die Trasse verläuft - ausgehend von ihrem östlichen Anfangspunkt - zunächst in einer Entfernung von ca. 1,3 bis 1,9 km südlich des 3 ha großen FFH-Gebiets DE 2027-302 "Segeberger Kalkberghöhlen", das sich im Zentrum von Bad Segeberg befindet. Die Höhlen sind das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands; in ihnen überwintern ca. 21 000 Tiere. Die Ansammlungen von Fransen- und Bechsteinfledermäusen sind die größten bekannten Vorkommen weltweit. Die Trasse schneidet dann über die vorgesehene Travebrücke in einer Gesamtbreite von etwa 90 m das FFH-Gebiet DE 2127-391 "Travetal", das über eine Gesamtlänge von etwa 20 km in Nord-Süd-Richtung verläuft und insgesamt eine Größe von 1 280 ha aufweist. Im weiteren Verlauf der Trasse liegt in etwa 2 km Entfernung südlich von Wittenborn das 311 ha große FFH-Gebiet DE 2127-333 "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und in etwa 500 m Entfernung westlich von Wittenborn das Vogelschutzgebiet DE 2026-401 "Barker und Wittenborner Heide". Es setzt sich aus 2 Teilgebieten zusammen und umfasst eine Gesamtfläche von 1 392 ha. Die kleinere, ca. 186 ha große "Barker Heide" im Süden wird von der Bundesstraße B 206 und einem ca. 370 m breiten Streifen entlang der Bundesstraße B 206 von der nördlich gelegenen, 1 206 ha umfassenden "Wittenborner Heide" getrennt. Die "Barker Heide" ist sowohl als Vogelschutzgebiet als auch als FFH-Gebiet (DE 2026-304 "Barker Heide"), die "Wittenborner Heide" nur als Vogelschutzgebiet ausgewiesen.

5

Das Verwaltungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

6

Die Linienbestimmung für den streitgegenständlichen Abschnitt erfolgte zunächst in einem eigenständigen Verfahren unter der Bezeichnung "Neubau der BAB A 20 Bad Segeberg - Lübeck, Abschnitt 5, Raum Segeberg". Die Planungsunterlagen einschließlich einer Umweltverträglichkeitsstudie, bestehend aus Raumempfindlichkeitsanalyse (UVS Teil I) und Variantenvergleich (UVS Teil II) wurden zwischen November 1994 und April 1999 erarbeitet (sog. "Voruntersuchung Streckenabschnitt 5"). Gegenstand des Hauptvariantenvergleichs waren drei sich deutlich unterscheidende Trassenverläufe: eine kombinierte Ausbau-/Neubauvariante (Ausbau der B 206 östlich Bad Segebergs und der Ortsdurchfahrt Bad Segebergs sowie Neubau westlich der Ortslage Bad Segeberg, Variante 1), eine ortsnahe Südumfahrung Bad Segebergs als Neubauvariante (Variante 2) sowie eine weite Südumfahrung Bad Segebergs als Neubauvariante mit Versatz auf der A 21 (Variante 3, sog. Schwissellinie). Nach Abschluss der Voruntersuchungen wurden die Unterlagen in der Zeit vom 7. Juni bis zum 7. Juli 1999 in der Stadt Bad Segeberg sowie in den Ämtern Segeberg-Land und Leezen öffentlich ausgelegt.

7

Für den sich westlich an den streitgegenständlichen Abschnitt anschließenden deutlich längeren Abschnitt gab es ein separates Linienbestimmungsverfahren unter der Bezeichnung "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Für diesen Abschnitt fand eine großräumige Variantenprüfung zur Linienfindung statt. Die Unterlagen (Untersuchung zur Linienfindung von Oktober 2002) wurden vom 6. Januar bis 6. Februar 2003 in 30 Städten, amtsfreien Gemeinden und Amtsverwaltungen öffentlich ausgelegt, darunter auch im Rathaus der Stadt Bad Segeberg, der Amtsverwaltung Leezen und der Amtsverwaltung Segeberg-Land (heute: Trave-Land). Die Kläger nahmen zu der Planung jeweils Stellung.

8

Nachdem das Landesverkehrsministerium Schleswig-Holstein zunächst im März und Juli 2004 zwei getrennte Anträge auf Linienbestimmung nach § 16 FStrG gestellt hatte, forderte das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (künftig: Bundesverkehrsministerium) das Landesverkehrsministerium Schleswig-Holstein unter dem 20. Oktober 2004 zur Überarbeitung der Unterlagen auf. Zur Begründung wurde u.a. darauf hingewiesen, dass im Bereich Wahlstedt der Netzanschluss fehle; ohne den anschließenden Abschnitt Wahlstedt - Weede sei die weitere Bearbeitung nicht möglich. Auch habe sich gezeigt, dass die Linienbestimmungsabschnitte A 26, Wahlstedt und Wahlstedt - Weede "sich überlappen, im Überlappungsbereich aber nicht deckungsgleich" seien; außerdem genüge die Begründung und Darstellung der Linienfindung nicht den Anforderungen des Linienbestimmungsverfahrens für eine Bundesautobahn, da sie im Wesentlichen auf Ortsentlastungseffekte für Bad Segeberg abziele. Darüber hinaus sei die Auswahl der Varianten nicht nachvollziehbar dargestellt. Des Weiteren wurde angekündigt, dass das Linienbestimmungsverfahren künftig für beide Abschnitte gemeinsam fortgeführt werde.

9

Im November 2004 stellten daraufhin die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen beim Bundesverkehrsministerium unter Vorlage eines gemeinsamen Erläuterungsberichts den formellen Antrag nach § 16 FStrG auf Bestimmung der Linie für die "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Weede, östlich Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Der Antrag umfasste eine Strecke mit einer Gesamtlänge von ca. 95 km. Aufgrund deutlicher Vorteile in verkehrlicher und städtebaulicher Hinsicht hatte man für den streitgegenständlichen Abschnitt - den früheren "Streckenabschnitt 5" - die Variante 2 (ortsnahe Südumfahrung Bad Segebergs) in der Untervariante 2.1 als Vorzugsvariante ermittelt. Eine erhebliche Beeinträchtigung gemeldeter FFH- oder Vogelschutzgebiete wurde verneint. Mit Schreiben vom 28. Juli 2005 bestimmte das Bundesverkehrsministerium im Benehmen mit den obersten Landesplanungsbehörden der beiden Länder die beantragte Linienführung mit verschiedenen Anmerkungen und Maßgaben.

10

Die Vorhabenträgerin beantragte im September 2006 die Durchführung des Anhörungsverfahrens für eine im Wesentlichen der Linienbestimmung entsprechende Trassenführung. Die Planunterlagen wurden vom 14. November bis 14. Dezember 2006 ausgelegt. Einwendungen konnten bis einschließlich 11. Januar 2007 erhoben werden. Zwischen Februar und Mai 2008 fanden verschiedene Erörterungstermine statt. Im August 2009 beantragte die Vorhabenträgerin die Durchführung eines Planänderungsverfahrens. Die geänderten Unterlagen und Pläne lagen in der Zeit vom 19. Oktober bis 19. November 2009 bzw. vom 9. November bis 9. Dezember 2009 öffentlich aus. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme endete am 17. Dezember 2009 bzw. am 6. Januar 2010. Im Juni/Juli 2010 fanden weitere Erörterungstermine statt. Im August 2011 beantragte die Vorhabenträgerin die Durchführung eines 2. Planänderungsverfahrens. Die erneut geänderten Unterlagen und Pläne lagen in der Zeit vom 19. September bis 19. Oktober 2011 öffentlich aus. Die Einwendungsfrist endete am 16. November 2011. Auf die Festsetzung weiterer Erörterungstermine wurde verzichtet. Beide Kläger nahmen zu der vorgenannten Planung einschließlich der verschiedenen Planänderungen Stellung.

11

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens teilte die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme vom 11. Juni 2010 der Bundesrepublik Deutschland auf deren Ersuchen nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABI EG Nr. L 206 S. 7 - FFH-RL) ihre Auffassung mit, dass die nachteiligen Auswirkungen des Baus der Autobahn A 20 auf das Natura 2000-Gebiet DE 2127-391 "Travetal" aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt seien.

12

Mit Beschluss vom 30. April 2012 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 20, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede fest. Wesentliche Bestandteile des Vorhabens sind neben der Trasse der Bau des Autobahnkreuzes A 21/A 20, verschiedene Anschlussstellen, zwei Brückenbauwerke, Lärmschutzwälle und -wände sowie Gestaltungswälle im Bereich verschiedener Ortslagen. Gegenstand der Planung sind ferner naturschutzfachliche Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sowie zur Kompensation der mit dem Vorhaben verbundenen unvermeidbaren Eingriffe. Umstufungen sind ausdrücklich nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses. Über den Neubau der Teilstrecke der A 20 hinaus ist der Ausbau der bestehenden Bundesautobahn A 21 von Betriebs-km 42+500 bis Betriebs-km 46+348,959 mit Anbau von Standstreifen vorgesehen.

13

Hinsichtlich des FFH-Gebiets DE 2027-302 "Segeberger Kalkberghöhlen" und des Europäischen Vogelschutzgebiets DE 2026-401 "Barker und Wittenborner Heide" verneint der Planfeststellungsbeschluss eine erhebliche Beeinträchtigung. Demgegenüber nimmt er hinsichtlich des FFH-Gebiets DE 2127-391 "Travetal" eine erhebliche Beeinträchtigung des Waldgürtels am Osthang der Trave (Lebensraumtypen 9130, 9160, *9180, *7220 und *91E0) durch verschiedene Wirkfaktoren (Flächenverlust, Zerschneidung, Störungen und Stickstoffbelastungen) an, lässt das Vorhaben aber nach § 34 Abs. 3 BNatSchG unter Hinweis auf verkehrliche Belange zu. Zum Ausgleich sind zwei Kohärenzsicherungsmaßnahmen festgelegt. Diese sind nach Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 9 des Planfeststellungsbeschlusses entsprechend der Beschreibung in den Unterlagen, die die deutschen Behörden der Europäischen Kommission übermittelt haben, durchzuführen und zu überwachen. Der Kommission ist zudem ein ausführlicher Bericht vorzulegen.

14

Die Kläger haben fristgerecht Klage erhoben.

15

Sie halten den Planfeststellungsbeschluss für materiell rechtswidrig. Zur Begründung führen sie aus: Schon das Linienbestimmungsverfahren sei unter verschiedenen Gesichtspunkten nicht ordnungsgemäß erfolgt. Des Weiteren fehle die Planrechtfertigung, da die Fortführung der Nord-West-Umfahrung Hamburgs wegen der absehbar fehlenden Finanzierbarkeit eines Elbtunnels höchst ungewiss sei. Das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" werde entgegen der Auffassung des Beklagten erheblich beeinträchtigt; insoweit bemängeln die Kläger insbesondere die Methodik der Fledermauserfassung sowie die Prüfung der charakteristischen Arten. Die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" werde unterschätzt. Das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" sowie das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" seien zudem unzutreffend abgegrenzt. Die Abweichungsprüfung sei zu beanstanden, da es an zwingenden Gründen fehle und zudem vorzugswürdige Varianten zur Verfügung stünden. Auch sei die Kohärenz des Netzes "Natura 2000" durch die festgesetzten Maßnahmen nicht gesichert. Darüber hinaus verstoße der Planfeststellungsbeschluss gegen Artenschutzrecht. Schließlich fehle eine ordnungsgemäße Abwägung.

16

Der Beklagte hat mit Planänderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 den Planfeststellungsbeschluss um Ausnahmen für vereinzelte Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot für die Haselmaus und verschiedene Fledermausarten ergänzt. Des Weiteren hat er den Planfeststellungsbeschluss in der mündlichen Verhandlung in verschiedenen Punkten ergänzt.

17

Die Kläger beantragen,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede vom 30. April 2012 in der Fassung des Planänderungsbescheides vom 16. Oktober 2013 und der in der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Oktober 2013 erklärten Ergänzungen aufzuheben,

2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,

3. weiter hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, dem Träger des Vorhabens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geeignete Vorkehrungen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzugeben, die zur weitergehenden Vermeidung bzw. zur Kompensation nachteiliger Umweltauswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses erforderlich sind.

18

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Er hält den Planfeststellungsbeschluss für rechtmäßig.

20

Der Beklagte hat auf Anregung des Senats eine Stellungnahme des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur Frage der Methodik der Fledermauserfassung eingeholt. Die Stellungnahme datiert vom 14. Oktober 2013.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 2012 in der Gestalt der Planänderung vom 16. Oktober 2013 sowie der in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen verstößt in Teilen gegen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes und damit gegen Vorschriften, deren Verletzung die Kläger als anerkannte Naturschutzvereinigungen gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG 2010 rügen können.

22

Der Vortrag der Kläger umfasst neben unberechtigten Einwänden auch solche Rügen, die auf Mängel bei der Behandlung des Habitatschutzes, der FFH-rechtlichen Ausnahmeprüfung und des Artenschutzes (A) sowie - infolge der vorgenannten Mängel - der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und der fachplanerischen Abwägung führen (B). Diese Mängel rechtfertigen nicht die Aufhebung, sondern nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weil Heilungsmöglichkeiten in einem ergänzenden Verfahren verbleiben (C).

23

A. Ohne Erfolg machen die Kläger das Fehlen einer Planrechtfertigung (I.) sowie Mängel des Linienbestimmungsverfahrens (II.) geltend. Demgegenüber beanstanden sie zu Recht die Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen", und zwar hinsichtlich der angewandten Methodik der Fledermauserfassung sowie hinsichtlich der Prüfung der charakteristischen Arten (III.). Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" (IV.). In Bezug auf das FFH-Gebiet "Travetal" ist die Prüfung der Verträglichkeit ebenfalls rechtens (V.). Einen beachtlichen Fehler enthält der Planfeststellungsbeschluss aber im Zusammenhang mit der Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG. Zwar fehlt es insoweit nicht an zwingenden Gründen, auch greift die hinsichtlich der Kohärenzsicherungsmaßnahmen geäußerte Kritik der Kläger im Ergebnis nicht durch; jedoch kann die Alternativenprüfung nicht vollständig überzeugen (VI.). Insbesondere wegen der bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz festgestellten methodischen Mängel bei der Erfassung der Fledermäuse erweist sich auch die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens als fehlerhaft (VII.).

24

I. Die Planrechtfertigung ist gegeben.

25

Ob das Erfordernis der Planrechtfertigung für ein Vorhaben auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin trotz dessen beschränkter Rügebefugnis zu prüfen ist, kann (weiterhin) offenbleiben (vgl. hierzu Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 42 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 und vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 28). Denn die Planrechtfertigung ist für das planfestgestellte Vorhaben gegeben. Es ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 20. Januar 2005 (BGBl I S. 201) - FStrAbG - als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten und damit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG, gemessen an den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG, vernünftigerweise geboten. Die gesetzliche Feststellung des Bedarfs ist für die Planfeststellung wie auch das gerichtliche Verfahren verbindlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung für die A 20 die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind nicht ersichtlich. Das wäre nur der Fall, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raums an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (stRspr; vgl. nur Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 43).

26

Davon ist bei der geplanten Autobahn nicht auszugehen. Hiergegen spricht schon die aktuelle Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen vom 11. November 2010, die ergeben hat, dass Anpassungen nicht erforderlich sind. Zwar wurde die Überprüfung aufgrund der Vielzahl der Projekte nicht für Einzelmaßnahmen vorgenommen. Allerdings wurde - der hier vorliegenden Fragestellung entsprechend - untersucht, ob sich die seinerzeit der Bewertung zugrunde gelegten verkehrlichen Rahmenbedingungen so gravierend verändert haben, dass der Projektbedarf grundsätzlich in Frage gestellt werden muss. Dies wurde verneint. Die Analysen führten vielmehr im Ergebnis zu einer Bestätigung aller im geltenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgewiesenen Straßenbauprojekte. An der Verwertbarkeit dieses Ergebnisses ändert sich nichts durch die Kritik der Kläger, dass - anders als bei der Aufstellung des Bedarfsplans im Jahre 2004 - bei dessen Überprüfung entgegen § 4 Satz 1 Halbs. 2 FStrAbG nur die global-verkehrlichen Belange, nicht aber die Belange des Umweltschutzes einbezogen worden seien und zudem keine strategische Umweltprüfung nach § 14b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 3 Nr. 1.1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) stattgefunden habe. Solange sich die Verhältnisse nicht grundlegend gewandelt haben, wird der gesetzliche Bedarfsplan nicht dadurch automatisch gegenstandslos, dass die Prüfung eines etwaigen Anpassungsbedarfs nicht rechtzeitig oder nicht in jeder Hinsicht vollständig stattgefunden hat (vgl. auch Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <149> = Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 S. 10).

27

Die Planrechtfertigung fehlt auch nicht mit Blick auf die Finanzierungsprobleme eines Elbtunnels. Dieser Tunnel betrifft erst den 8. Abschnitt des Gesamtvorhabens. Im Übrigen sind sämtliche schleswig-holsteinischen Abschnitte der A 20 im Bedarfsplan als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Diese Ausweisung unterstreicht nicht nur die Dringlichkeit der Planung, sondern auch die Vorrangigkeit der Finanzierung (Urteil vom 20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 32). Die Planfeststellungsbehörden haben lediglich vorausschauend zu beurteilen, ob dem Vorhaben "unüberwindliche" finanzielle Schranken entgegenstehen (stRspr, vgl. nur Urteil vom 20. Mai 1999 a.a.O. S. 31; Beschluss vom 15. Januar 2008 - BVerwG 9 B 7.07 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 48). Davon kann hier keine Rede sein. Es steht keineswegs fest, dass die Finanzierung, ggf. auch unter Beteiligung Privater, auf Dauer ausgeschlossen ist.

28

Dem planfestgestellten Abschnitt kommt auch ein eigenständiger Verkehrswert zu (vgl. zu diesem Kriterium Urteil vom 7. März 1997 - BVerwG 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 <152 f.> m.w.N.). Es ist nicht zu erkennen, dass im Falle des Scheiterns der Gesamtplanung die Verwirklichung des Projekts nicht sinnvoll bliebe und lediglich einen Planungstorso darstellen würde. Der Planfeststellungsbeschluss geht - gestützt auf Verkehrsprognosen - nachvollziehbar davon aus, dass ein erhebliches Entlastungspotential für Bad Segeberg sowie für die an der B 206 zwischen der A 21 und der L 78 liegenden Ortschaften sowohl bei einem Ende der A 20 westlich des Autobahnkreuzes A 21/A 20 als Kurztrasse (Netzfall 2a) als auch bei einem Ende der A 20 westlich von Wittenborn mit Einbindung in die vorhandene B 206 (Netzfall 2b) besteht. Würde die A 20 bis zur A 7 weitergebaut (Planfall 3), würde sich der Entlastungseffekt noch weiter verstärken (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 336 ff. und S. 425 ff. sowie Anlage B 1 "Karte Prognosebelastungen 2025 im Planfall 3" zur Klageerwiderung im früher selbständigen - inzwischen verbundenen - Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

29

II. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht infolge der von den Klägern aufgezeigten Fehler des Linienbestimmungsverfahrens rechtswidrig. Aufgrund der nur verwaltungsinternen Bedeutung der Linienbestimmung können Fehler des Linienbestimmungsverfahrens nur unter engen Voraussetzungen auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durchschlagen (1.); solche Fehler sind hier nicht festzustellen (2.).

30

1. Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung enthält in Bezug auf die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG bestimmte formelle und inhaltliche Vorgaben: Die Linienbestimmung ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 UVPG UVP-pflichtig, es sei denn, die Umweltverträglichkeitsprüfung hat bereits in einem Raumordnungsverfahren stattgefunden (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 UVPG). Zudem ist eine vereinfachte Öffentlichkeitsbeteiligung - ohne Durchführung eines Erörterungstermins - vorgeschrieben. Die Umweltverträglichkeit wird "nach dem jeweiligen Planungsstand des Vorhabens" geprüft. Alle ernsthaft in Betracht kommenden Trassenvarianten sind einzubeziehen (vgl. § 9 und § 15 Abs. 1 und 2 UVPG).

31

Fehler, die die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG betreffen, können nach § 15 Abs. 5 UVPG nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die nachfolgende Zulassungsentscheidung - also im Rahmen der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss - überprüft werden. Aufgrund der nur verwaltungsinternen Bedeutung der Linienbestimmung sind aber nur wenige Fehler vorstellbar, die ohne Weiteres auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durchschlagen. Die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG ist weder eine formelle noch eine materielle Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung. Sie ist nicht auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet, sondern hat innerhalb des Planungsverlaufs den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung mit allein verwaltungsinterner Bedeutung. Rechtliche Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Straßenbaulast und gegenüber Dritten erlangt sie erst dadurch, dass sie in den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses ihren Niederschlag findet (stRspr; vgl. nur Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 26 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203). Da die Linienbestimmung nicht Teil eines gestuften Verfahrens mit einer der Bestandskraft fähigen Vorabentscheidung ist, sondern lediglich verwaltungsinterne Bedeutung entfaltet, können Fehler auf dieser vorgelagerten Ebene regelmäßig im nachfolgenden Verfahren, in dem "alle Optionen noch offen sind" und "eine im Hinblick auf den Ausgang des Entscheidungsverfahrens effektive Öffentlichkeitsbeteiligung" noch möglich ist, geheilt werden (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - Rs. C-416/10, Krizan - NVwZ 2013, 347 Rn. 85 ff., 88 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allerdings gelten, soweit die Prüfung der Umweltverträglichkeit gemäß § 15 Abs. 4 UVPG im nachfolgenden Verfahren ausdrücklich auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt wurde. Denn in diesem Fall setzt sich ein Fehler, der im abgeschichteten Teil der auf die Linienbestimmung bezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung aufgetreten ist, bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses fort.

32

2. Vorliegend sind bereits keine Fehler des Verfahrens der Linienbestimmung feststellbar.

33

a) Die Kläger beanstanden zum einen, dass die einheitliche Linienbestimmungsentscheidung des Bundesverkehrsministeriums vom 28. Juli 2005 auf zwei eigenständigen Verfahren beruhte (A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg einerseits und A 20, Südumfahrung Segeberg-Wittenborn bis Weede andererseits); diese Verklammerung habe zu Beteiligungsausfällen geführt. Die Beteiligten des einen Abschnitts seien am jeweils anderen nicht beteiligt worden; insbesondere habe die Öffentlichkeit nicht zum Gesamtkonzept Stellung nehmen können.

34

Die Kritik trifft nicht zu. Dass die Öffentlichkeit bei einem abschnittsweise geplanten Vorhaben im Regelfall nur in dem jeweiligen Abschnitt beteiligt wird, ist kein Verfahrensfehler; vielmehr liegt dies in der Natur jeder Abschnittsbildung. Im vorliegenden Fall wurde die von dem planfestgestellten Abschnitt betroffene Öffentlichkeit allerdings doppelt angehört, nämlich zunächst im Rahmen des Linienbestimmungsverfahrens zur Teilstrecke 5 (Auslegung der Unterlagen im Jahre 1999), sodann später erneut im Rahmen der Linienfindung für die großräumigere Nord-West-Umfahrung Hamburg (Auslegung der Unterlagen im Jahre 2003). Da die Auslegung jeweils übereinstimmend im Rathaus der Stadt Bad Segeberg, der Amtsverwaltung Leezen und der Amtsverwaltung Segeberg-Land (heute: Trave-Land) erfolgte, konnte die Öffentlichkeit zu dem später linienbestimmten Gesamtvorhaben Stellung nehmen.

35

b) Ebenso wenig greift die Kritik durch, es habe im Linienbestimmungsverfahren an ausreichenden Dokumenten nach §§ 11, 12 UVPG gefehlt. Nach § 11 Satz 4 UVPG kann die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen auch in der Zulassungsentscheidung selbst erfolgen, d.h. die Erstellung einer besonderen Unterlage ist nicht erforderlich. Gleiches gilt für die Bewertung der Umweltauswirkungen (§ 12 UVPG); auch insoweit ist keine besondere Form vorgeschrieben (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 11 Rn. 29 ff. und § 12 Rn. 18 ff.). Von daher ist es nicht zu beanstanden, dass im großräumigen Linienbestimmungsverfahren für die Nord-West-Umfahrung Hamburg auf die entsprechenden Unterlagen aus dem früher selbständigen Verfahren zur Teilstrecke 5 zurückgegriffen und nicht eine neue Gesamtunterlage nach §§ 11, 12 UVPG erstellt wurde.

36

c) Auch der Vorwurf der Kläger, die in der Linienbestimmungsentscheidung vom 28. Juli 2005 erwähnten FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen seien zeitlich erst nach der Öffentlichkeitsbeteiligung erstellt worden, führt nicht auf einen Fehler.

37

Es steht dem nationalen Gesetzgeber frei, auf ein vorgelagertes Verfahren der Linienbestimmung zu verzichten. Eine Pflicht zur Durchführung eines derartigen Verfahrens ergibt sich weder aus der UVP-Richtlinie (Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl EU Nr. L 26 S. 1) noch aus der SUP-Richtlinie (Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl EG Nr. L 197 S. 30). Beide Richtlinien regeln nur, dass bestimmte Projekte bzw. bestimmte Pläne oder Programme auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersucht werden müssen; zu der davon zu unterscheidenden Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten Pläne oder Programme erlassen müssen, verhalten sich beide Richtlinien nicht. Infolgedessen besteht keine Pflicht zur Wiederholung des Verfahrens, wenn ein vorgelagertes Linienbestimmungsverfahren zu einer Zeit durchgeführt worden ist, zu der Art. 6 Abs. 3 FFH-RL mangels Listung der betroffenen Gebiete noch nicht anwendbar war. Den Anforderungen des FFH-Rechts ist dann allerdings im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Rechnung zu tragen, d.h. der jeweilige Abschnitt - das Projekt i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL - ist mit seinen Auswirkungen auf die von ihm betroffenen FFH-Gebiete in den Blick zu nehmen (Urteil vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 20). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Zwar bestand hier zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Linienbestimmung (2005) nicht nur eine Pflicht zur Prüfung der Umweltverträglichkeit, sondern nach § 35 Satz 1 i.V.m. § 34 BNatSchG auch eine solche zur Prüfung der Verträglichkeit mit Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung i.S.d. Art. 4 FFH-Richtlinie. Auch hatte die Kommission im Jahr 2004 bereits eine - wenn auch noch vorläufige - Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung veröffentlicht. Da die vorgeschaltete Öffentlichkeitsbeteiligung aber schon in den Jahren 1999 und 2003 stattgefunden hatte, konnte in diese die Prüfung der FFH-Verträglichkeit etwaiger Schutzgebiete noch nicht einbezogen werden. Auch in der hier vorliegenden Konstellation besteht keine Pflicht zur Wiederholung des Linienbestimmungsverfahrens bzw. zur erneuten Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern es genügt, dass dem FFH-Recht im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Rechnung getragen wurde. Ob dies der Fall ist, wird im Folgenden ausgeführt.

38

III. Den besonderen Anforderungen an den Schutz von FFH-Gebieten trägt der Planfeststellungsbeschluss in Bezug auf das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" nicht vollständig Rechnung.

39

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen. Sie dürfen nach § 34 Abs. 2 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Abweichend von § 34 Abs. 2 BNatSchG darf ein Projekt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BNatSchG zugelassen werden.

40

Die Verträglichkeitsprüfung, die ergeben hat, dass es nicht zu vorhabenbedingten erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Segeberger Kalkberghöhlen" kommen wird, enthält durchgreifende Mängel, so dass die Zulassung des Vorhabens nicht auf sie gestützt werden kann. Zwar ist die Gebietsabgrenzung entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu beanstanden (1.). Die der Verträglichkeitsprüfung zugrunde gelegte Methode der Fledermauserfassung entspricht aber nicht den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen (2.), zudem ist der gewählte Prüfungsmaßstab in Bezug auf die charakteristischen Arten zu eng (3.). Nicht durchsetzen können die Kläger sich hingegen mit ihrer grundsätzlichen Kritik hinsichtlich des Schutzkonzepts (4.) und der Monitoringbestimmungen (5.).

41

1. Die Gebietsabgrenzung ist nicht zu beanstanden. Das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" umfasst 3 ha; die eigentliche Höhle selbst ist ca. 2 km lang; davon sind 300 m für Schauzwecke geöffnet. Die Höhle stellt laut Standarddatenbogen das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands dar. Nach der Installation neuer automatischer Erfassungsanlagen ergaben die Zählungen, dass im Jahr 2007 weit mehr als 21 000 Individuen die Höhle bewohnt haben.

42

Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-RL. Diese Regelung ist nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung anzuwenden. Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; den zuständigen Stellen ist insoweit ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der Habitatrichtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität aufweisen. Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsabgrenzung. Deshalb bedürfen Einwände dagegen einer besonderen Substantiierung; sie müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen (stRspr, vgl. nur Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 36 und vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 38 ff. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45).

43

Das ist den Klägern hier nicht gelungen. Sie halten das FFH-Gebiet für zu eng abgegrenzt und meinen, richtigerweise hätte zumindest der Segeberger Forst als Lebensraum für die Bechsteinfledermaus und das Gebiet der Trave für die Teichfledermaus miteinbezogen werden müssen. Das ist, geht man von den Erhaltungszielen des in dem FFH-Gebiet geschützten Lebensraumtyps 8310 aus, nicht überzeugend. Unter dem Lebensraumtyp (LRT) 8310 "nicht touristisch erschlossene Höhlen" sind Höhlen und Balmen (Halbhöhlen), soweit sie nicht touristisch erschlossen oder genutzt sind, einschließlich ihrer Höhlengewässer zu verstehen. In bestimmten Höhlensystemen kommen sogenannte endemische Arten vor, also Arten, die auf das betreffende Höhlensystem beschränkt sind. Hier wurde nur eine nicht zu den Anhang-II-Arten zählende endemische Käferart (Chlidera holsatica, vgl. Fachgutachten zur FFH-Verträglichkeitsprüfung "Segeberger Kalkberghöhlen" 2009, aktualisiert Juni 2011, S. 7, künftig: FFH-VP "Kalkberghöhlen") nachgewiesen, die eine Gebietserweiterung nicht erfordert. Höhlen werden zudem als Winterquartier von den meisten einheimischen Fledermausarten genutzt. Gefährdet sind Höhlen vor allem durch die touristische Nutzung, die z.B. zur Veränderung des Höhlenklimas führt und störungsempfindliche Arten wie Fledermäuse bei ihrer Winterruhe beeinträchtigt. Auch die Fledermäuse, die die im Stadtgebiet liegenden Segeberger Kalkberghöhlen bevölkern, nutzen diese in erster Linie als Winterquartier; die Sommerquartiere sind zum Teil weit entfernt, so dass eine Gebietserweiterung nicht nahe liegt, auch nicht eine Einbeziehung der Gebiete "Segeberger Forst" und "Trave". Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Gebietsschutz auf die Höhlen selbst und die unmittelbare nähere Umgebung beschränkt wird.

44

2. Die der Verträglichkeitsprüfung zugrunde gelegte Methode der Bestandserfassung der als Erhaltungsziel geschützten Fledermausarten nach Anhang II FFH-RL (Bechsteinfledermaus, Teichfledermaus und Großes Mausohr) entspricht nicht dem Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" und reicht deshalb als Grundlage für die Verträglichkeitsprüfung nicht aus.

45

Für die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL hat eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung in einem Umfang zu erfolgen, der es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (stRspr, vgl. nur Urteile vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 41 und vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 35; EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 54).

46

Das kann hier nicht festgestellt werden. Die geplante Autobahn soll in einem Abstand von nur ca. 1,3 km an dem FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen", das sich im Zentrum von Bad Segeberg befindet, vorbeiführen. Bei diesen Höhlen handelt es sich - wie bereits oben erwähnt - um das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands, dem deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil Überwinterungsquartiere bei Fledermäusen zugleich als Balz- und Paarungsquartiere dienen. Für die Bechsteinfledermaus besitzt das Winterquartier Bedeutung für die gesamte schleswig-holsteinische Population, da hier der Genaustausch während der Überwinterung stattfindet (vgl. zum Vorstehenden FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 2 und 17 f., sowie Stellungnahme des BfN vom 14. Oktober 2013 S. 2, künftig: BfN-Stellungnahme).

47

In sämtlichen einschlägigen Arbeitshilfen und Leitfäden ist als Standardmethode zur Bestandserfassung von Fledermäusen ein Methodenmix aus Habitatanalyse und Geländeuntersuchungen unter Einsatz von Detektoren, Horchboxen, Netzfängen etc. vorgesehen (vgl. nur "Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Entwurf Oktober 2011, S. 14 ff., künftig: Arbeitshilfe Fledermäuse; Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, "Fledermäuse und Straßenbau, Arbeitshilfe zur Beachtung der artenschutzrechtlichen Belange bei Straßenbauvorhaben in Schleswig-Holstein", Juli 2011, S. 10 ff.; Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, "Planung und Gestaltung von Querungshilfen für Fledermäuse - Eine Arbeitshilfe für Straßenbauvorhaben im Freistaat Sachsen" S. 42 ff.; weitere Nachweise finden sich in der BfN-Stellungnahme S. 3).

48

Von der beschriebenen Standardmethode ist der Gutachter des Vorhabenträgers, Dr. M., mit der von ihm gewählten Methode (sog. faunistische Potentialanalyse ohne nähere Vorort-Untersuchungen, kombiniert mit einem "Worst-Case-Ansatz") ausdrücklich abgewichen (vgl. zu den Einzelheiten der Methode Planfeststellungsbeschluss S. 621 f.; Anlage 12.0 der Planfeststellungsunterlagen, Kap. 3.5.1.7 S. 117; FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 39 ff. sowie Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 S. 1 - 11). Dabei ist er - zusammengefasst - von folgenden Annahmen ausgegangen:

49

Bei dem Planungsraum handele es sich um ein Gebiet, dessen sehr hohe Bedeutung für die Fledermausfauna schon seit langem bekannt sei. So habe der Vorhabenträger bereits im Jahre 1995 eine umfassende Untersuchung zur Bedeutung des Raums Segeberg für Fledermäuse in Auftrag gegeben, die von ortskundigen Fachleuten (O. und L.) durchgeführt worden sei. In den folgenden Jahren seien im Rahmen anderer Projekte oder zu Forschungszwecken weitere fledermauskundliche Untersuchungen zu unterschiedlichen Fragestellungen und mit unterschiedlichen Methodenansätzen hinzugekommen. Das Artenspektrum im Raum Segeberg sei infolge dieser Arbeiten mittlerweile hinreichend erfasst. Eine Auswertung der Untersuchungen habe gezeigt, dass das Raumnutzungsmuster eines bestimmten Gebiets sehr komplex sein könne. Wolle man es vollständig erfassen, wäre angesichts der Anzahl der Fledermäuse im Umfeld der Segeberger Höhlen ein Aufwand notwendig, der einem Forschungsvorhaben gleichkomme. Eine auch nur annähernd vollständige Kartierung des Raumnutzungsmusters setze eine intensive, alle Entwicklungsphasen sowohl der Fledermäuse wie auch ihrer Beutetiere berücksichtigende Untersuchung voraus, die zudem artspezifische Verhaltensweisen und insbesondere wechselnde Witterungsverläufe einbeziehen müsse. Hiervon ausgehend habe man sich für eine faunistische Potentialanalyse entschieden, die alle vorliegenden Daten berücksichtige und davon ausgehe, dass alle geeigneten Habitate und Strukturen im Laufe der Zeit von allen dort zu erwartenden Fledermausarten zumindest zeitweilig genutzt werden. Diese Methode stelle eine deutlich bessere Basis für die Entwicklung eines Maßnahmenkonzepts zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände bzw. erheblicher Beeinträchtigungen der FFH-Gebiete dar, als weitere "Momentaufnahmen" durch zeitlich begrenzte Geländekartierungen.

50

Das genaue methodische Vorgehen beschreibt der Gutachter in folgenden Schritten: 1. Auswertung aller bereits vorliegenden Untersuchungen sowie der einschlägigen Literatur, 2. flächendeckende Begehungen des Trassenbereichs zur Erfassung aller fledermausrelevanten Strukturen einschließlich ihrer landschaftlichen Einbindung, 3. im Jahr 2009 flächendeckende Suche nach potentiellen Quartieren in einem ca. 200 m breiten Korridor entlang der geplanten Trasse, 4. Durchführung der eigentlichen Potentialanalyse, d.h. Bewertung des vom Vorhaben betroffenen Raums hinsichtlich seiner potentiellen Nutzung durch die Fledermausarten; Methode: "Verschneiden" der Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen aller im Raum Segeberg nachgewiesenen Arten mit den im Gelände vorgefundenen Habitatstrukturen unter Berücksichtigung der räumlichen Einbindung dieser Strukturen in die Landschaft (Worst-Case-Ansatz), 5. Konfliktermittlung und 6. Entwicklung eines Maßnahmekonzepts.

51

Der Senat vermochte sich auch und gerade wegen der besonderen Bedeutung des betroffenen Fledermaushabitats nicht davon zu überzeugen, dass diese Methode den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Zwar sind Worst-Case-Annahmen nach der Rechtsprechung - auch bei der Bestandsaufnahme - grundsätzlich zulässig, sofern hierdurch ein Ergebnis erzielt wird, das hinsichtlich der untersuchten Fragestellung auf der "sicheren Seite" liegt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 und vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 64 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26). Auch kann dem Gutachter noch darin gefolgt werden, dass das Artenspektrum und die Häufigkeit der Arten im Untersuchungsraum, insbesondere im Nahbereich der Höhlen, bereits hinreichend erforscht sind. Nicht gefolgt werden kann ihm aber in der Annahme, durch eine Potentialanalyse ließen sich Flugrouten, Jagd-/Nahrungshabitate und Quartiere hinreichend sicher ermitteln, um darauf aufbauend ein Schutzkonzept zu entwickeln. Die hier angewandte Methode der faunistischen Potentialanalyse birgt schon von ihrem theoretischen Ansatz her die Gefahr, dass scheinbar geeignete Habitate von den Tieren nicht genutzt werden und dass andererseits Arten in Bereichen vorkommen, die dafür eigentlich nicht prädestiniert sind, kurz gesagt: In der Landschaft vorgefundene Strukturen können über- oder unterschätzt werden (vgl. hierzu mit näherer Begründung Stellungnahme des Klägers zu 1, Verfasser: Stefan Lüders, vom 12. Juli 2013 S. 13 f., künftig: Stellungnahme Lüders sowie BfN-Stellungnahme S. 8). Hierzu trägt auch der Umstand bei, dass neben der Habitatstruktur eines Lebensraums insbesondere dessen Lage im Raum entscheidend ist; diese zu bewerten fällt allerdings schwer, wenn etwa die Lage der Sommerlebensräume nicht ermittelt worden ist (vgl. hierzu Stellungnahme Lüders S. 13). Zu kritisieren ist zudem, dass der behauptete Worst-Case-Ansatz nicht konsequent durchgehalten wird, denn die vorgefundenen Strukturen werden drei verschiedenen Bewertungsstufen zugeordnet (gering = Flugrouten nicht auszuschließen, mittel = Flugrouten möglich und hoch = bedeutende Flugrouten wahrscheinlich; vgl. hierzu Stellungnahme Lüders S. 12 und 20 f.). Im Übrigen erscheint eine Worst-Case-Betrachtung, bei der wie hier keine Unterschiede in der räumlichen Betroffenheit von Arten bzw. unterschiedliche räumliche Konfliktgrade herausgearbeitet werden, vor dem Hintergrund problematisch, dass diese Angaben als Grundlage zur Bewertung von Beeinträchtigungen notwendig sein können. Die räumliche Differenzierung ist zudem notwendig, um zielgerichtet Maßnahmen zur Schadensbegrenzung konzipieren zu können (vgl. hierzu genauer BfN-Stellungnahme S. 9 f.; vgl. zudem Stellungnahme Lüders S. 13 f. zum weiteren Problem des Fehlens einer Skala mit einem absoluten Bezugspunkt). Die herkömmliche Methode verlangt entgegen der Darstellung des Gutachters Dr. M. auch keinen Aufwand, der einem Forschungsvorhaben gleichkommt. Das zeigen zum einen die dem Senat aus anderen Verfahren bekannten Bestandsaufnahmen von Fledermäusen; zum anderen weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass diese Methode - wenn auch eingeschränkt im Rahmen der durchgeführten Nullaufnahme - auch im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren bereits ohne Probleme angewandt wurde.

52

Dass die Gefahr der Fehleinschätzung der in der Landschaft vorgefundenen Strukturen tatsächlich besteht, hat sich nicht zuletzt daran gezeigt, dass der Gutachter des Vorhabenträgers, Dr. M., in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich einräumen musste, eine von den Klägern mit herkömmlicher Methode ermittelte "lokal besonders bedeutsame Fledermaus-Flugroute" wenige Kilometer südöstlich der Kalkberghöhlen mit der Potentialanalyse nicht erkannt zu haben. Er hat dies damit erklärt, dass er die entsprechenden Knicks "in ihrer Bedeutung unterschätzt" habe. Sie hätten "scheinbar im Nirgendwo geendet"; nach Norden hin habe man "keine Struktur, insbesondere keine Gehölze" erkannt. Diese Fehleinschätzung stellt keinen Anwendungsfehler im Rahmen eines ansonsten methodengerechten Vorgehens dar, sondern verdeutlicht die konzeptionelle Schwäche einer auf Vor-Ort-Ermittlungen der Fledermausvorkommen und -bewegungen gänzlich verzichtenden Potentialanalyse. Eine vergleichbare Fehleinschätzung wäre bei sorgfältiger, den einschlägigen Arbeitshilfen entsprechender Durchführung der Standardmethode unterblieben. Denn danach ist insbesondere in der näheren Umgebung eines europaweit bedeutsamen Winterhabitats - wie hier der Kalkberghöhlen - eine besonders gründliche Untersuchung mittels verschiedener Erfassungsmethoden erforderlich.

53

3. Ebenfalls zu beanstanden ist der gewählte Prüfungsmaßstab in Bezug auf die charakteristischen Arten des FFH-Gebiets "Segeberger Kalkberghöhlen".

54

Für die Verträglichkeitsprüfung sind auch die in den einschlägigen Lebensraumtypen vorkommenden charakteristischen Arten maßgeblich (Art. 1 Buchst. e FFH-RL). Charakteristische Arten sind solche Pflanzen- und Tierarten, anhand derer die konkrete Ausprägung eines Lebensraums und dessen günstiger Erhaltungszustand in einem konkreten Gebiet und nicht nur ein Lebensraumtyp im Allgemeinen gekennzeichnet wird. Es sind deshalb diejenigen Arten auszuwählen, die einen deutlichen Vorkommensschwerpunkt im jeweiligen Lebensraumtyp aufweisen bzw. bei denen die Erhaltung der Populationen unmittelbar an den Erhalt des jeweiligen Lebensraumtyps gebunden ist und die zugleich eine Indikatorfunktion für potentielle Auswirkungen des Vorhabens auf den Lebensraumtyp besitzen (Urteile vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 52, vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 55 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 79 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Richtigerweise hätte deshalb untersucht werden müssen, welche Arten charakteristische Arten der Segeberger Kalkberghöhlen sind und ob diese aufgrund des Vorhabens erheblich beeinträchtigt werden. Dass hierzu auch Anhang IV-Arten - wie etwa die von den Klägern genannte Wasserfledermaus, Fransenfledermaus und das Braune Langohr - gehören können, ergibt sich bereits daraus, dass die Erhaltung der einzigen Gips-Großhöhle Norddeutschlands als herausragender Lebensraum für zahlreiche Fledermausarten der Anhänge II und IV FFH-RL "übergreifendes" Erhaltungsziel des FFH-Gebiets ist. Stattdessen hat sich die Verträglichkeitsprüfung hier ausdrücklich darauf beschränkt, die ungestörte Erreichbarkeit der Höhlen nur für die drei ausdrücklich als Erhaltungsziele genannten Fledermausarten (Teichfledermaus, Bechsteinfledermaus und Großes Mausohr) zu prüfen (FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 37 f.). Soweit der Beklagte sein Vorgehen damit rechtfertigt, dass die Höhlen gerade für diese Arten eine besondere Bedeutung hätten und es keine weiteren Arten gebe, die noch empfindlicher gegenüber Zerschneidungswirkungen seien als die drei geprüften Arten, hätte dies näherer Begründung bedurft. Der knappe Hinweis (vgl. FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 42), eine eigenständige Prüfung der sonstigen Fledermausarten als charakteristische Arten des LRT 8310 erübrige sich deshalb, weil diese Fledermausarten durch die gleichen Wirkprozesse beeinträchtigt würden, kann angesichts der gegenteiligen Einschätzung der Kläger nicht genügen.

55

4. Aus dem Vorstehenden folgt, dass auch das Schutzkonzept, das zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen von Fledermäusen entwickelt worden ist, keinen Bestand haben kann, denn es setzt genauere Kenntnisse über Flugrouten, Jagdreviere etc. sowie ggf. die Einbeziehung weiterer charakteristischer Arten voraus. Hiervon abgesehen sind grundsätzliche Mängel des Schutzkonzepts entgegen der Auffassung der Kläger nicht feststellbar.

56

Der Planfeststellungsbeschluss ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die prognostizierten Beeinträchtigungen der Fledermäuse durch Schadensvermeidungsmaßnahmen der hier vorgesehenen Art verhindert werden können. Nach der Arbeitshilfe Fledermäuse (S. 51), der als Ergebnis sachverständiger Erkenntnisse besondere Bedeutung bei der Bewertung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen zukommt, hängt die Wirksamkeit vieler Maßnahmen in hohem Maß von ihrer Einbettung in ein Gesamtkonzept ab. Ein solches Gesamtkonzept, bestehend aus Querungshilfen in Verbindung mit entsprechenden Leit- und Sperreinrichtungen wurde hier entwickelt und im Planfeststellungsbeschluss festgelegt. Die Prognosesicherheit bezüglich der Wirksamkeit ist bei Unterführungen mit geeignetem Querschnitt sehr hoch (Arbeitshilfe Fledermäuse S. 56). Soweit in Bezug auf die Wirksamkeit der Leit- und Sperreinrichtungen wissenschaftlich bisher nicht zu beseitigende Unsicherheiten bestehen (vgl. hierzu Arbeitshilfe Fledermäuse S. 68), hat der Planfeststellungsbeschluss dem durch die Anordnung eines Risikomanagements in Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 4 Rechnung getragen (vgl. genauer zum Risikomanagement Urteile vom 6. November 2012 a.a.O. Rn. 48 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 105). Soweit die Kläger unter Hinweis auf die Studie von Berthinussen und Altringham die Auffassung vertreten haben, die geplanten Leitstrukturen durch Anpflanzungen seien nicht wirksam, ist der Beklagte dem überzeugend entgegengetreten. Danach werden die in der Studie beschriebenen Fledermausbrücken und Ablenkungspflanzungen an der A 20 nicht eingesetzt, da ihre Funktionslosigkeit in Deutschland bekannt sei. Von den drei in der Studie untersuchten Tunneln habe einer einen sehr hohen Wirkungsgrad aufgewiesen. Dieser Tunnel habe auf einer traditionellen Flugroute gelegen und eine hohe Durchlasshöhe aufgewiesen. Die beiden anderen Tunnel könnten nicht mit den an der A 20 geplanten verglichen werden, denn sie seien niedriger, insbesondere fehle ihnen eine funktionsfähige Anbindung an Leitstrukturen.

57

Bezüglich der Wirksamkeit von Fledermauskästen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Rechtsprechung Bezug (Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - NuR 2013, 565 Rn. 128 und vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 83).

58

5. Auch die Kritik der Kläger in Bezug auf Einzelheiten des Monitorings kann nicht überzeugen.

59

Die Kläger wenden sich zum einen dagegen, dass das Monitoring nach der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 1 erst in der Ausführungsplanung näher festgelegt werden soll. Diese Regelung ist nicht zu beanstanden. Sämtliche Grundbedingungen des Monitorings (Art der Maßnahmen, Untersuchungsbereiche, Zeitpunkt der Untersuchungen und Untersuchungsstandard) sind in der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 4 festgelegt worden. Auch die Möglichkeit der Nachsteuerung ist bereits in den Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 1 und 2 geregelt; zudem hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die letztgenannte Nebenbestimmung um einen allgemeinen Auflagenvorbehalt ergänzt. Die Verlagerung der konkreten Ausgestaltung auf die spätere Abstimmung mit den Beteiligten in der Ausführungsplanung ist angesichts dessen ausreichend. Sie ist darüber hinaus auch sinnvoll, weil aus den Ergebnissen der Nullaufnahme noch nicht absehbare Erkenntnisse folgen können. Der Beklagte hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht möglich gewesen sei, konkrete Nachsteuerungsmaßnahmen für den Fall der Zielverfehlung festzulegen. Wäre dies der Fall gewesen, wären sie bereits Bestandteil des Schutzkonzepts geworden.

60

Soweit die Kläger zum anderen beanstanden, dass sie bei der Nullaufnahme zu den Fledermäusen nicht beteiligt wurden, ist nicht erkennbar, aus welcher Rechtsnorm sich ein Beteiligungsrecht der Kläger ergeben soll.

61

IV. In Bezug auf das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" können die Kläger weder mit ihrer Kritik an der Gebietsabgrenzung (1.) noch an der Verträglichkeitsprüfung (2.) durchdringen.

62

1. Die Gebietsabgrenzung ist nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Anforderungen an die Gebietsabgrenzung kann auf die Ausführungen unter A.III.1. verwiesen werden; Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Der Senat ist der Behauptung der Kläger nachgegangen, der gesamte Bereich des ehemaligen Standortübungsplatzes Wittenborner Heide habe - insbesondere wegen seiner Bedeutung für den Ziegenmelker und die Heidelerche - als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen. Die Planung wäre jedenfalls in Bezug auf die Überschreitung der Critical Loads zu einem anderen Ergebnis gekommen, ginge man von einem unmittelbar an ein Vogelschutzgebiet angrenzenden Trassenverlauf aus (vgl. hierzu Planfeststellungsbeschluss S. 517 unten mit näherer Begründung). Der Beklagte hat jedoch in seinem Schriftsatz vom 29. August 2013 (S. 3 ff.) unter Hinweis auf die Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 (S. 12 ff.), auf die der Senat hinsichtlich der Einzelheiten Bezug nimmt, ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass die vorgenommene Gebietsabgrenzung fachlich gerechtfertigt ist und für eine Nachmeldung angrenzender Gebiete keine Veranlassung besteht. Die Kläger sind dem nicht entgegengetreten.

63

2. Auch die Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" aus November 2010 (künftig: VP-VSG) weist keine Fehler auf. Sie hat alle aktuellen Brutvogelvorkommen behandelt, soweit sie für das Vogelschutzgebiet als Erhaltungsziel benannt sind (Neuntöter, Heidelerche, Raufußkauz und Schwarzspecht) sowie den im Gebiet nachgewiesenen Sperlingskauz (VP-VSG S. 12). Der Ziegenmelker wurde zu Recht nicht mituntersucht. Er stellt kein Erhaltungsziel mehr dar, da er im Gebiet nicht mehr vorkommt und auch keine Wiederansiedlung als Schutzziel formuliert worden ist (vgl. hierzu Planfeststellungsbeschluss S. 518). Dass der Brutbestand der Heidelerche im Vogelschutzgebiet in den Jahren 1999 bis 2008 von 17 auf 7 Brutpaare zurückgegangen ist, wird in der Verträglichkeitsprüfung nachvollziehbar auf die Entwicklung der Wald- und Vegetationsbestände (Neubepflanzung nach Windbrüchen) zurückgeführt; diese Flächen sind aktuell nicht mehr durch die Heidelerche besiedelbar. Gleiches gilt für Heideflächen, die aufgrund ihrer Vegetationsentwicklung nicht mehr für die Art geeignet sind (VP-VSG S. 21 f.; vgl. zum Bestandsrückgang der Heidelerche auch Stellungnahme Dr. M. vom 27. August 2013 S. 21 ff.). Auch die weiteren Annahmen sind nicht zu beanstanden: Erhebliche Beeinträchtigungen durch Lärm können für die zu prüfenden fünf Vogelarten ausgeschlossen werden. Mögliche Beeinträchtigungen durch Stickstoffeinträge werden zwar für die Heidelerche und den Neuntöter als relevant eingestuft; dies ist aber im Ergebnis unproblematisch, da der Bagatellwert von 3 % des Critical Load bei der prognostizierten Verkehrsmenge in einem Abstand von 300 m zur Trasse unterschritten wird. Damit können relevante Einträge in das mindestens 500 m entfernte Vogelschutzgebiet ausgeschlossen werden (vgl. hierzu Planfeststellungsbeschluss S. 517 sowie VP-VSG S. 35 ff.).

64

V. Die Verträglichkeitsprüfung hinsichtlich des FFH-Gebiets "Travetal", das durch die Trasse gequert wird, ist nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Planfeststellungsbeschluss eine erhebliche - nicht vermeidbare - Beeinträchtigung des Waldgürtels am Osthang der Trave (LRT 9130, 9160, *9180, *7220 und *91E0) durch verschiedene Wirkfaktoren (Flächenverlust, Zerschneidung, Störung von charakteristischen Vogelarten und Stickstoffbelastung) an, lässt das Vorhaben aber nach § 34 Abs. 3 BNatSchG unter Hinweis auf verkehrliche Belange zu. Weitere erhebliche Beeinträchtigungen - u.a. der Teichfledermaus - werden unter Einbeziehung verschiedener Maßnahmen zur Schadensbegrenzung verneint (Planfeststellungsbeschluss S. 220 f.).

65

Die Kläger halten die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" insgesamt für schwerwiegender als vom Planfeststellungsbeschluss angenommen. Soweit sich diese Einschätzung darauf stützt, dass bestimmte Gefahren für Fledermäuse - genannt werden insbesondere Teichfledermaus und Bechsteinfledermaus - unterschätzt werden, haben sie allerdings die gegenteilige Bewertung der Planfeststellungsbehörde nicht substantiiert in Frage gestellt. Unbeschadet der im Grundsatz berechtigten Kritik an der Methode der Fledermauserfassung (s.o.) durfte die Behörde angesichts der Größe und Längenausdehnung des dem Flusslauf folgenden, von dem Autobahnvorhaben mittels einer Hochbrücke überspannten FFH-Gebiets "Travetal" zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der dort geschützten Fledermausarten nicht ernsthaft zu besorgen ist. Soweit die Kläger weitergehende Beeinträchtigungen durch Schadstoffeinträge in Folge zu niedrig angesetzter Lkw-Anteile in den Verkehrsprognosen mit der Begründung annehmen, die in der Schalltechnischen Untersuchung angegebenen Werte lägen erheblich unter den Standardwerten der 16. BImSchV (dort: Tabelle A), im Anwendungsbereich des europäischen Naturschutzrechts seien Abweichungen von der einzig vorhandenen gesetzlichen Wertung aber nicht zulässig, kann ihnen nicht gefolgt werden. Der Planfeststellungsbeschluss (vgl. S. 330) verweist insoweit zutreffend auf Anlage 1 der 16. BImSchV, die auf die Werte der Tabelle A Bezug nimmt, "sofern keine geeigneten projektbezogenen Untersuchungsergebnisse vorliegen" (genauer zu diesen Voraussetzungen Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 9 A 19.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 28 ff.). Auf solche projektbezogenen Untersuchungsergebnisse beruft sich die Planung hier. Eine Abweichung von normativen Vorgaben ist daher nicht erkennbar.

66

VI. Einen beachtlichen Fehler enthält der Planfeststellungsbeschluss im Zusammenhang mit der Ausnahmeprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG. Zwar fehlt es insoweit nicht an zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses i.S.d. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG (1.), die die konkrete Beeinträchtigung überwiegen (2.). Nicht vollständig überzeugen kann aber die Alternativenprüfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG (3.). Die Kohärenzsicherungsmaßnahmen sind nicht zu beanstanden (4.).

67

1. Für das planfestgestellte Vorhaben streiten zwingende verkehrliche Gründe innerhalb des deutschen wie des europäischen Netzes.

68

Als Abweichungsgründe kommen nach § 34 Abs. 4 BNatSchG für ein Vorhaben, das - wie hier - prioritäre Lebensraumtypen erheblich beeinträchtigen kann, grundsätzlich nur zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt in Betracht. Sonstige Gründe im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG (Gründe sozialer oder wirtschaftlicher Art) können allerdings dann berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde - wie hier - zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

69

Mit dem Vorhaben werden überregional bedeutsame verkehrliche Ziele verfolgt, wie sich aus der Aufnahme sämtlicher Abschnitte der "Nord-West-Umfahrung Hamburg" bis zur Elbquerung westlich Hamburg in den vordringlichen Bedarf und in das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) ergibt. Zwar entspricht die Vorzugstrasse nicht exakt dem Bedarfsplan und dem TEN-V. Der Aufnahme der A 20 in den Bedarfsplan und in das TEN-V-Netz lag ursprünglich eine andere Linienführung (sog. Krausebogen) zugrunde. Diese leichte Abweichung im Trassenverlauf ändert aber im Ergebnis nichts an der Bedeutung, die der Planfeststellungsbeschluss dem Vorhaben zu Recht zumisst. Der Bedarfsplan belässt - entsprechend seiner Unbestimmtheit als grobmaschiges Konzept - den nachfolgenden Verfahren der Linienbestimmung und der Planfeststellung planerische Spielräume (vgl. auch Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 62 m.w.N.). Auch auf die Qualifizierung als potentielles "Vorhaben von gemeinsamem Interesse" (i.S.v. Art. 7 der TEN-V-Leitlinien - Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABI EG Nr. L 228 S. 1, geändert mit Entscheidung Nr. 1346/2001/EG vom 22. Mai 2001, ABI EG Nr. L 185 S. 1 und Entscheidung Nr. 884/2004/EG vom 29. April 2004, ABI EG Nr. L 167 S. 1) hat die geänderte Linienführung keine Auswirkung (vgl. genauer Tausch, Gestufte Bundesfernstraßenplanung, Diss. Hamburg 2011, S. 11 ff.).

70

Darüber hinaus werden regional bedeutsame Planungsziele (Förderung und Entwicklung der verkehrlichen Wechselbeziehungen zwischen den Bundesländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, wirtschaftliche und touristische Erschließung des gesamten Ostseeraums, verbesserte Verkehrsanbindung Bad Segebergs an die schleswig-holsteinischen Oberzentren Lübeck und Kiel, Entlastung der Ortslage von Bad Segeberg sowie regionale Erschließung und Wirtschaftsförderung) verfolgt. Das Projekt ist zudem im aktuellen Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein als vordringliches Infrastrukturprojekt vorgesehen und damit als Ziel der Raumordnung zwingend zu beachten.

71

2. Die vorgenannten Gründe des öffentlichen Interesses überwiegen das Interesse an der Integrität des FFH-Gebiets. Der Beklagte hat festgestellt, dass der Waldgürtel am Osthang der Trave, ein gebietsweit seltener Komplex aus prioritären und nicht prioritären Lebensraumtypen, durch das Vorhaben in Gestalt von vier kumulativen Beeinträchtigungen betroffen wird, nämlich durch Flächenverlust, Zerschneidung, Zunahme von Störungen und Stickstoffbelastung (Planfeststellungsbeschluss S. 233). Ob er bei der Gewichtung des Ausmaßes dieser Beeinträchtigungen die vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen mindernd berücksichtigen durfte (unter bestimmten Voraussetzungen bejahend: Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 28; offen lassend demgegenüber: Urteil vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 100), kann unter den hier gegebenen Umständen dahinstehen. Ein etwaiger Fehler könnte sich auf das Ergebnis der Abwägung nicht ausgewirkt haben. Denn der Beklagte hat auf die seiner Auffassung nach mit der Kohärenzsicherungsmaßnahme einhergehende Minderung des Integritätsinteresses nicht entscheidend abgehoben, sondern vielmehr unbeschadet dessen die besondere Schwere der Beeinträchtigung ausdrücklich festgestellt (Planfeststellungsbeschluss S. 235).

72

Hiervon ausgehend hält die Abwägung des Beklagten, wonach das Integritätsinteresse trotz des Ausmaßes seiner Beeinträchtigung hinter das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens zurückzutreten hat, der Überprüfung stand. Insoweit müssen nach ständiger Rechtsprechung keine Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann; Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzt lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus, wobei allerdings Gemeinwohlbelange minderen Gewichts wie freizeitbedingte Bedürfnisse in Gebieten mit prioritären Arten ausscheiden (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 129 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26 und vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 99 m.w.N.). Der Beklagte durfte dem Konzept einer weiträumigen grenzüberschreitenden Küstenautobahn, die mehrere regionale Zentren und strukturschwache Räume an die Seehäfen anbindet und innerorts zu einer Entlastung von nachteiligen verkehrlichen Auswirkungen wie Lärm und Luftschadstoffen führt, in der Gesamtschau den Vorrang gegenüber den Nachteilen für den FFH-Gebietsschutz einräumen.

73

3. Die Prüfung, ob nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zumutbare Alternativen gegeben sind, mit denen der mit dem Projekt verfolgte Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreicht werden kann, enthält Mängel. An die Alternativenprüfung für ein Vorhaben, das wie hier mehrere prioritäre Vorkommen erheblich beeinträchtigt, sind besonders strenge Anforderungen zu stellen (a). In Bezug auf die Variante einer Stadtautobahn wird der Planfeststellungsbeschluss diesen strengen Anforderungen gerecht (b); demgegenüber durfte er weiträumige Südumfahrungen nicht ohne nähere Untersuchung aufgrund einer bloßen Grobanalyse verwerfen (c).

74

a) Mit § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG wird Art. 6 Abs. 4 FFH-RL umgesetzt. Der Begriff der Alternative ist deshalb aus der Funktion des durch Art. 4 FFH-RL begründeten Schutzregimes zu verstehen. Er steht in engem Zusammenhang mit den mit einem Vorhaben verfolgten Planungszielen. Zwar darf eine Autobahn nach der vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 FStrG getroffenen Grundentscheidung grundsätzlich nur gebaut werden, wenn für sie ein überörtlicher Verkehrsbedarf besteht. Eine Bündelung mit anderen - lokalen oder regionalen - Zielen ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <260 ff.> m.w.N. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 7 S. 25 f.). Lässt sich das Planungsziel bzw. das Planungszielbündel an einem günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein Ermessen wird ihm insoweit nicht eingeräumt. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL bzw. § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG enthalten ein strikt zu beachtendes Vermeidungsgebot. Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 33; Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62 § 8 luftvg nr. 34> und vom 16. Juli 2007 - BVerwG 4 B 71.06 - juris Rn. 42). Nur gewichtige naturschutzexterne Gründe können es danach rechtfertigen, zulasten des Integritätsinteresses des durch Art. 4 FFH-RL festgelegten kohärenten Systems eine Alternativlösung auszuschließen. Der Vorhabenträger darf von einer ihm technisch an sich möglichen Alternative erst Abstand nehmen, wenn diese ihm unverhältnismäßige Opfer abverlangt oder andere Gemeinwohlbelange erheblich beeinträchtigt; hierzu zählen auch Kostengründe. Der Vorhabenträger braucht sich nicht auf eine Alternativlösung verweisen zu lassen, wenn diese auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten, oder auf eine Alternative, bei der sich die naturschutzrechtlichen Schutzvorschriften als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 105 und vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 70, jeweils m.w.N.; vgl. zur Alternativenprüfung auch EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-239/04, Castro Verde - Slg. 2006, I-10183 Rn. 38).

75

Berühren sowohl die planfestgestellte Lösung als auch eine Planungsalternative FFH-Gebiete, so ist im Rahmen einer Grobanalyse allein auf die Schwere der Beeinträchtigung nach Maßgabe der Differenzierungsmerkmale des Art. 6 FFH-RL abzustellen, d.h. es ist nur zu untersuchen, ob Lebensraumtypen des Anhangs I oder Tierarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie beeinträchtigt werden und ob die beeinträchtigten Lebensraumtypen prioritär oder nicht prioritär sind. Demgegenüber haben die bei der Gebietsmeldung zu beachtenden Feindifferenzierungskriterien (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL i.V.m. Anhang III Phase 1) beim Trassenvergleich außer Betracht zu bleiben; innerhalb der genannten Gruppen ist also nicht nochmals nach der Wertigkeit und der Anzahl der betroffenen Lebensraumtypen oder Arten sowie der jeweiligen Beeinträchtigungsintensität zu differenzieren (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 170 f. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Die Alternativenprüfung darf auch dann, wenn auf den vorgelagerten Planungsstufen noch keine korridorübergreifende FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden musste, nicht auf den "Planungskorridor" beschränkt werden. Vielmehr kommen grundsätzlich auch Trassen in einem Alternativkorridor in Betracht. Da solche Trassen außerhalb des Planungskorridors regelmäßig nicht im Einzelnen untersucht worden sind, reicht insoweit eine summarische Würdigung des Beeinträchtigungspotentials aus (Urteil vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 106 unter Hinweis auf Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 270 zur Vorausschau der habitatrechtlichen Realisierbarkeit der Folgeabschnitte nach Art eines "vorläufigen positiven Gesamturteils").

76

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat sich die Planfeststellungsbehörde abwägungsfehlerfrei gegen die Variante einer Stadtautobahn entschieden.

77

aa) Der Senat braucht nicht der zwischen den Beteiligten streitigen Frage nachzugehen, ob für die Variante einer Stadtautobahn eine zweite Travequerung erforderlich wäre und ob mit dieser zwingend die Inanspruchnahme des prioritären LRT *91E0 (Auenwälder) verbunden wäre. Denn der Planfeststellungsbeschluss hat entscheidungstragend auch auf die negativen städtebaulichen Auswirkungen auf die Stadt Bad Segeberg sowie auf verkehrliche Erwägungen abgestellt (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 226 und S. 413 f.). Der Senat hält diesen Teil der Abwägung für überzeugend begründet. Die beiden genannten Aspekte stellen - jedenfalls zusammen betrachtet - so gewichtige naturschutzexterne Gründe dar, dass sie einer Stadtautobahn selbst dann entgegenstehen, wenn - wovon die Kläger ausgehen - mit der Stadtautobahn eine Inanspruchnahme prioritärer Vorkommen gänzlich vermieden werden könnte.

78

bb) Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass mit einer Stadtautobahn gleich mehrere wichtige Teilziele, die mit dem Autobahnprojekt verfolgt werden, nicht - jedenfalls nicht vollständig - erreicht werden könnten. So könnte insbesondere die für eine Fernautobahn geforderte Verbindungsqualität bei einer Führung durch die Innenstadt von Bad Segeberg nicht eingehalten werden. Ursächlich hierfür sind einerseits die Überlagerung innerstädtischer Verkehrsfunktionen mit den Ansprüchen des Fernverkehrs und andererseits die Abstände zwischen den Anschlussstellen. Diese Abstände - im Mittel in Deutschland etwa alle 10 km - müssten auf 2 km reduziert werden. Im Übrigen müsste die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h festgelegt werden. Zugleich würde die angestrebte gleichbleibende Streckencharakteristik für die A 20, die in ihrer gesamten Streckenführung überwiegend außerhalb bebauter Gebiete verläuft, durchbrochen. Auch würde die Verkehrsstärke infolge verdrängten Stadtverkehrs sprunghaft ansteigen. Nicht erreichen ließe sich auch eine Entlastung der Ortsdurchfahrt von Bad Segeberg; diese würde im Gegenteil sogar zusätzlich belastet, weil auf den parallel zur A 20 verlaufenden Innerortsstrecken der Verkehr zunehmen würde (vgl. genauer Anhang I zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 9 ff. = "Fachbeitrag: Verkehr" von S. Consult aus Mai 2009; Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 30 f. = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12; Planfeststellungsbeschluss S. 375 ff. und S. 413).

79

Ob die Rechtsauffassung des Beklagten zutrifft, dass die vorgenannten Umstände die Variante einer Stadtautobahn bereits als ein "anderes Projekt" im Sinne der oben unter 3a) genannten Rechtsprechung erscheinen lassen (so Planfeststellungsbeschluss S. 399; ähnlich Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung, Juni 2009, S. 63 "keine Alternativen im Rechtssinne"), ist dennoch zweifelhaft, im Ergebnis aber unerheblich. Da das strikte Vermeidungsgebot des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nur durchbrochen werden darf, soweit dies mit dem Zweck der größtmöglichen Schonung der durch die FFH-Richtlinie geschützten Rechtsgüter vereinbar ist, bedarf es einer sorgfältigen Untersuchung im Einzelfall, welche Bedeutung einem Teilziel und seiner etwaigen Nichterreichung oder nicht vollständigen Erreichung nach der Planungskonzeption zukommen (Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166; vgl. auch Winter, NuR 2010, 601 <605>). Gegen die Bewertung als "anderes Projekt" spricht, dass eine Stadtautobahn, auch wenn sie nicht durchgehend sämtliche Entwurfs- und Betriebsmerkmale einer Fernautobahn aufweist, in das Netz der Fern- oder Überregionalautobahnen integriert sein kann (vgl. Richtlinien für die Anlage von Autobahnen, Ausgabe 2008, S. 16). Insoweit spricht einiges dafür, dass es sich bei den vom Beklagten herausgestellten Nachteilen der Stadtautobahnvariante lediglich um Abstriche von Planungszielen handelt, denen allerdings unter den hier gegebenen Umständen in der Gesamtabwägung ein erhebliches Gewicht zukommt.

80

Unter dieser Prämisse lässt sich als ein weiteres wesentliches Argument gegen die Stadtautobahn ins Feld führen, dass sie die Zerschneidungswirkung für die Stadt Bad Segeberg verfestigen würde, deren Südstadt schon jetzt durch die Ortsdurchfahrt der B 206 von der Altstadt getrennt wird. Aufgrund der erforderlichen Immissionsschutzbauwerke würde sich diese Zäsur noch deutlich verstärken. Die Lärmschutzwände müssten in der Ortslage von Bad Segeberg eine Höhe von durchgehend 4 m bzw. aufgrund der Überschreitung des Grenzwertes für PM10 sogar teilweise von 6 m haben (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 377 ff. unter Hinweis auf den im Linienbestimmungsverfahren erstellten Städtebaulichen Fachbeitrag von B.-P.-W. zur UVS aus dem Jahre 1999 sowie Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 78 f.). Hinzu kämen weitere negative städtebauliche Folgen. Durch die mit dem Ausbau der B 206 verbundenen Verkehrsverlagerungen würden Planungsziele des Bebauungsplans Nr. 69 der Stadt Bad Segeberg aus dem Jahr 2005 sowie das städtebauliche Entwicklungsziel einer Entlastung der Kurhausstraße konterkariert. Zudem würde sich die Luftschadstoffsituation verschlechtern, wodurch nach Einschätzung der Stadt Bad Segeberg Status und Entwicklungspotential des Luftkurortes und Heilbades in Frage gestellt würden; hiervon betroffen wären gerade auch schutzwürdige Nutzungen im Stadtgebiet wie Schulen und Wohngebäude. Von den im Falle einer Stadtautobahn sogar ansteigenden Verkehrsstärken in der Ortslage wäre vor allem die Wohnsiedlung Christiansfelde (mit über 31 000 Kfz/d) betroffen; dies ginge voraussichtlich mit einer Lärmpegelerhöhung nachts von rund 3 dB(A) einher. Zwar führt auch die Vorzugstrasse zur Neubelastung von Wohnbereichen von Klein Gladebrügge; diese Belastung beträfe aber mit 100 m gegenüber 1,2 km eine deutlich kürzere Strecke (vgl. genauer Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 24, 28 = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

81

cc) Die Kläger können dagegen nicht einwenden, die Planung stütze sich hinsichtlich der negativen städtebaulichen Folgen auf den Städtebaulichen Fachbeitrag zur UVS aus Mai 1999; diese Unterlage sei jedoch veraltet, genüge keinen wissenschaftlichen Anforderungen und sei sachlich weitgehend falsch. Die Planfeststellungsbehörde ist der Frage nachgegangen, ob sich an den Kernaussagen zur städtebaulichen Situation, insbesondere der dauerhaften Zerschneidungs- und Barrierewirkung für die Stadt Bad Segeberg und der Einschränkung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten, etwas geändert hat. Dies wurde mit nachvollziehbarer Begründung unter Auswertung neuerer Erkenntnisse verneint; der Planfeststellungsbeschluss kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die städtebaulichen Veränderungen seit der Linienbestimmung einer Stadtautobahn noch stärker entgegenstehen.

82

Eine aktuelle und nachvollziehbare Kostenaufstellung liegt entgegen der Auffassung der Kläger vor (vgl. Anhang VII zur FFH-Ausnahmeprüfung "Fachbeitrag: Aktualisierung der Baukosten" von S. Consult aus Mai 2009 sowie Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 31 ff. = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

83

Die Kläger können die Abwägungsentscheidung auch nicht erfolgreich mit dem Hinweis darauf angreifen, dass ein Rückbau der B 206 angesichts der in der Innenstadt verbleibenden Verkehrsmengen ausgeschlossen sei. Von einem sicheren Rückbau der B 206 geht der Planfeststellungsbeschluss schon nicht aus (vgl. nur S. 415: "realistische Chance", "möglicher Rückbau"). Zwar teilt der Senat die Bedenken der Kläger, dass selbst die angenommene Möglichkeit eines Rückbaus angesichts der prognostizierten Verkehrszahlen eher unrealistisch erscheint. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn die Frage des Rückbaus ändert im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung nichts an dem Gewicht der beschriebenen negativen Folgen der Stadtautobahn; demgegenüber liegt es auf der Hand, dass jede Trasse - so auch die Vorzugstrasse -, die zu einer nennenswerten Verkehrsentlastung in der Ortslage Bad Segebergs führt, schon angesichts der Reduzierung von Lärm und Schadstoffen mit Vorteilen für die städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden ist, und zwar unabhängig davon, ob dieser Vorteil tatsächlich gerade in dem Rückbau der innerstädtischen Haupt-Durchgangsstraße liegt.

84

dd) Schließlich führen auch die weiteren Argumente der Kläger zu keiner anderen Einschätzung. Den Vorschlag eines Kurztunnels von 30 m Länge mit jeweils anschließendem zweimal 200 m langem Trogbauwerk zwischen dem Knotenpunkt Bahnhofstraße/Burgfeldstraße und der Abfahrt "Am Landratspark" (vgl. hierzu Stellungnahme von R.Consult "Alternativen zur planfestgestellten Variante der A 20 und Variantenvergleich" aus Mai 2012 S. 12 ff., vorgelegt im Parallelverfahren BVerwG 9 A 9.12) hat der Beklagte mit nachvollziehbaren Erwägungen zurückgewiesen: Die Belastung der Wohngebiete mit Lärm und Schadstoffen würde im Zentrum von Bad Segeberg extrem ansteigen, da über die Kurztunnel-/Troglösung der gesamte innerstädtische Verkehr abgewickelt werden müsste. Zudem lägen die vorgesehenen Anschlussstellen der A 20 im Ortsbereich zu eng beieinander und stellten eine erhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit dar. Auch erschienen die von R.Consult angesetzten Troglängen und daran anknüpfend die Baukosten nicht plausibel, zudem würden keine Kosten für die erforderlichen Arbeiten an Versorgungsleitungen, die zwischen der Nord- und Südstadt von Bad Segeberg verlaufen und insofern einen infrastrukturellen Riegel bilden, sowie für Ausbaumaßnahmen im nachgelagerten Straßennetz veranschlagt. Auf die Varianten B und C aus dem Gutachten R.Consult kommt es nach dem Vorstehenden schon deshalb nicht an, weil diese nur den westlichen Anschluss an die problematische Stadtdurchfahrt betreffen. Hiervon ausgehend muss auch der Frage nicht weiter nachgegangen werden, ob eine Inanspruchnahme des bestehenden Kasernengeländes (Lettow-Vorbeck-Kaserne) in Betracht gekommen wäre.

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c) Der Beklagte durfte aber eine weiter südliche Umfahrung von Bad Segeberg nicht im Wege einer Grobanalyse verwerfen.

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Insoweit stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 224 und S. 353 f.) darauf ab, dass die Trasse im Falle einer weiträumigen Südumfahrung Bad Segebergs in einem weiten Bogen um das FFH-Gebiet DE 2127-333 "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und um den Neversdorfer See geführt werden müsste, um ohne Zerschneidung weiterer Natura 2000-Gebiete und ohne Versatz auf der A 21 weiter in Richtung Westen verlaufen zu können. Eine so weit südliche Trassenführung wäre verkehrlich aber nicht mehr sinnvoll; sie würde die Ost-West-Orientierung der A 20 für ein erhebliches Teilstück in eine Nord-Süd-Richtung verschwenken und zugleich die Gesamtstrecke erheblich verlängern. Alle denkbaren Varianten wären mit einem größeren Flächenverbrauch, einer Zerschneidung von verkehrsarmen Räumen und - wegen der erheblichen Streckenverlängerung - mit höheren Gesamtimmissionen verbunden. Dies widerspreche den selbständigen Planungszielen der Sicherung und Gewährleistung einer angemessenen Verbindungsqualität und der Minimierung von Fahrtzeit und Transportkosten. Auch könnten die selbständigen Planungsziele der Entlastung der B 206 westlich von Bad Segeberg und der Ortsdurchfahrt nicht mehr erreicht werden. Eine geradlinige Fortführung auf der sog. "Schwissellinie" über die A 21 hinweg scheide aufgrund des erheblichen Konfliktpotentials im Hinblick auf den Mözener See und das FFH-Gebiet "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" von vornherein aus.

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Diese Begründung greift zu kurz. Insbesondere durchlaufende, d.h. einen Versatz vermeidende Trassenvarianten in dem Korridor zwischen einer derart weiträumigen Südumfahrung und der Plantrasse durften nicht von vornherein ausgeblendet werden. Der Umstand allein, dass eine in diesem Korridor verlaufende Trasse neben dem FFH-Gebiet "Travetal" ein weiteres FFH-Gebiet queren müsste, reicht nicht als Ausschlussgrund. Vielmehr hätte - wie sich aus der oben angegebenen Rechtsprechung zu den Differenzierungsmerkmalen des Art. 6 FFH-RL ergibt - näher untersucht werden müssen, ob die jeweilige Alternativtrasse, und zwar unter Einbeziehung von Schadensvermeidungsmaßnahmen, ebenso wie die Vorzugstrasse zwingend prioritäre Vorkommen in Anspruch nehmen müsste. Das liegt bei einer großräumigen Südumfahrung trotz der Querung eines weiteren FFH-Gebiets nicht ohne Weiteres auf der Hand. Denn das FFH-Gebiet "Travetal" könnte bei einem südlicheren Trassenverlauf möglicherweise an einer weniger empfindlichen Stelle gequert werden, so dass nicht - wie bei der jetzigen Vorzugstrasse - drei prioritäre LRT in einer besonders seltenen Kombination und Ausprägung (vgl. genauer hierzu Anhang V zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 6 ff.) beeinträchtigt werden müssten. Ebenso hätte näher untersucht werden müssen, ob die Querung des FFH-Gebiets "Leezener Au-Niederung und Hangwälder", zu dessen Erhaltungszielen der prioritäre LRT *91E0 (Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior) gehört, zwingend mit der Inanspruchnahme gerade dieses prioritären Vorkommens verbunden wäre oder ob auch insoweit ein schonenderer Trassenverlauf in Betracht käme.

88

Eine solche Untersuchung hat nicht stattgefunden. Im Rahmen der sog. "Voruntersuchung Streckenabschnitt 5" wurden zwischen November 1994 und April 1999 verschiedene Planungsunterlagen erarbeitet, darunter eine Umweltverträglichkeitsstudie, bestehend aus Raumempfindlichkeitsanalyse (UVS Teil I) und Variantenvergleich (UVS Teil II). Dabei war der Untersuchungsbereich beider Teile aufgrund eines vorangegangenen Scopings von vornherein deutlich eingegrenzt, d.h. südlichere Varianten als die sog. Schwissellinie schieden von vornherein aus. Selbst die Schwissel-Variante ist erst aufgrund einer nachträglichen Erweiterung des Untersuchungsraums hinzugenommen worden (vgl. Voruntersuchung UVS I S. 5 unten ).

89

Im Planfeststellungsverfahren hat der Vorhabenträger zwar, nachdem sich die erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" herausgestellt hatte, eine spezielle Abweichungsprüfung durchgeführt (vgl. Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 46 ff. sowie Anhang II zur FFH-Ausnahmeprüfung "Beurteilung der Alternativen aus Sicht der Belange von Natura 2000"). Hierbei hat er aber nur die bereits im Linienbestimmungsverfahren untersuchten Varianten nochmals näher betrachtet, also die Stadtautobahn (Variante 1), die sog. Schwissellinie (Variante 3), die aber einen verkehrstechnisch von vornherein ungünstigen Versatz auf der A 21 aufweist, sowie eine Untervariante (2.2) der Vorzugstrasse, die sich von der Vorzugslinie (Untervariante 2.1) vor allem dadurch unterscheidet, dass die Querung der Trave etwa 230 m südlich liegt und die Hangbereiche der Trave schräg und nicht rechtwinklig gequert werden. Hinsichtlich der weiträumigen südlichen Varianten enthält die spezielle Alternativenprüfung lediglich einen knappen Hinweis darauf, dass die Trasse nach Süden hin in einem weiten Bogen um das FFH-Gebiet "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und um den Bebensee (gemeint ist offenbar der Neversdorfer See in der Gemeinde Bebensee) geführt werden müsste. Da die Niederung der Leezener Au von Hangwäldern umrahmt werde und auf dem Talgrund stellenweise Übergangsmoore (LRT 7140) sowie quellige Feuchtgrünländer ausgebildet seien, sei eine Querung der Niederung der Leezener Au - zusätzlich zur ohnehin notwendigen Querung des Travetals - als kritisch zu bewerten (Anhang II zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 6).

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Die genauere Untersuchung anderer südlicher Trassenvarianten war auch nicht deshalb von vornherein entbehrlich, weil naturschutzexterne, insbesondere verkehrstechnische Gegenargumente ohne Weiteres den Vorzug verdienten. Der pauschale Hinweis darauf, dass die verkehrliche Entlastung Bad Segebergs umso geringer ausfällt, je weiter von der Plantrasse nach Süden abgewichen wird, genügt nicht. Er verkennt zum einen, dass auch eine durchgehende südlichere Trasse den Fernverkehr in Ost-West-Richtung aufnehmen und einer Entlastung von Wahlstedt und Fahrenkrug über den bestehenden Anschluss an die A 21 herbeiführen würde. Zum anderen wird übersehen, dass nach den bisher vorliegenden Untersuchungen auch die Vorzugstrasse aufgrund des starken Quell- und Zielverkehrs in Bad Segeberg nur eine relativ geringe Entlastung der Ortslage bewirkt.

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Je nach dem Ergebnis der danach erforderlichen naturschutzfachlichen und verkehrlichen Untersuchung einer weiträumigen Südumfahrung wird sich herausstellen, ob es weiterhin sinnvoll erscheint, die Trasse - wie bislang geplant - westlich der A 21-Querung an der "Gelenkstelle Wittenborn" auf die B 206 zurückzuführen. Zwar ist den Klägern zuzugestehen, dass dieser Gelenkpunkt vor dem Hintergrund der geänderten Trassierung (nicht mehr entlang der B 206 durch den Segeberger Forst) nicht mehr zwingend erscheint. Dennoch mag ein Festhalten an dem Gelenkpunkt plausibel sein, um die angestrebten Entlastungswirkungen im Zentrum sowie im Westen von Bad Segeberg bestmöglich zu erreichen. Dass die mit einer Straßenplanung verfolgten Teilziele auch regionale und lokale Ziele einschließen dürfen, ergibt sich aus der o.g. Rechtsprechung. Daher darf sich der Beklagte im Grundsatz auch auf die stark auf Bad Segeberg zugeschnittenen Teilziele, also die Entlastung der Ortsdurchfahrt, die Entlastung der B 206 westlich von Bad Segeberg, die verbesserte Verkehrsanbindung Bad Segebergs an Lübeck und Kiel und die Verknüpfung mit dem nachgeordneten Straßennetz von Bad Segeberg berufen, ohne dass ihm der von den Klägern erhobene Vorwurf einer "unionsrechtswidrigen Verengung der Planungsziele" gemacht werden kann. Gerade die Entlastung des Großraums Bad Segeberg, insbesondere der Ortsdurchfahrt, gehörte bereits in der "Voruntersuchung zum Streckenabschnitt 5" seit Mitte der 90er Jahre zu den beabsichtigten Zielen (vgl. Allgemeinverständliche Zusammenfassung gemäß § 6 UVPG S. 4 f. und UVS I S. 33), die mit der jetzigen Planung weiterverfolgt werden sollen. Ob die genannten Ziele sowie insbesondere das übergeordnete Planungsziel einer Trassenbündelung zur Vermeidung der Zerschneidung bislang unzerschnittener Räume die bisherige Plantrasse rechtfertigen können, kann allerdings abschließend erst auf einer vollständigen Tatsachengrundlage entschieden werden.

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4. Die nach § 34 Abs. 5 BNatSchG festgesetzten Maßnahmen sichern die Kohärenz des FFH-Gebietsnetzes.

93

Wird ein Projekt nach § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG zugelassen, sind nach § 34 Abs. 5 BNatSchG die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die durch die Beeinträchtigung entstehende Funktionseinbuße im FFH-Gebiet ist durch Maßnahmen, die zu dem Projekt hinzutreten, zu kompensieren. Die Ausgestaltung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen hat sich funktionsbezogen an der jeweiligen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie ergriffen wird. Sie muss die beeinträchtigten Lebensräume und Arten in vergleichbaren Dimensionen erfassen, sich auf die gleiche biogeographische Region im gleichen Mitgliedstaat beziehen und Funktionen vorsehen, die mit den Funktionen, aufgrund deren die Auswahl des ursprünglichen Gebiets begründet war, vergleichbar sind (EU-Kommission, Natura 2000 - Gebietsmanagement - Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2000, S. 49 ff.). Zu den Maßnahmen gehören die Wiederherstellung oder die Verbesserung des verbleibenden Lebensraums oder die Neuanlage eines Lebensraums, der in das Netz "Natura 2000" einzugliedern ist (EU-Kommission, Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der "Habitat-Richtlinie" 92/43/EWG, Januar 2007, S. 11, 16 und 21, künftig: EU-Auslegungsleitfaden; vgl. auch Urteile vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 82 f. und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 199 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Der Ausgleich zur Kohärenzsicherung muss nicht notwendig unmittelbar am Ort der Beeinträchtigung erfolgen; es reicht vielmehr aus, dass die Einbuße ersetzt wird, die das Gebiet hinsichtlich seiner Funktion für die biogeographische Verteilung der beeinträchtigten Lebensräume und Arten erleidet (EU-Auslegungsleitfaden S. 20 f.). In zeitlicher Hinsicht muss zumindest sichergestellt sein, dass das Gebiet unter dem Aspekt des beeinträchtigten Erhaltungsziels nicht irreversibel geschädigt wird (Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 148 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26). Ist das gewährleistet, lässt sich die Beeinträchtigung aber - wie im Regelfall - nicht zeitnah ausgleichen, so ist es hinnehmbar, wenn die Kohärenzsicherungsmaßnahmen rechtzeitig bis zur Vollendung des Vorhabens ergriffen, die Funktionseinbußen hingegen erst auf längere Sicht wettgemacht werden (Urteile vom 6. November 2012 a.a.O. Rn. 82 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 200).

94

Die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme ist ausschließlich nach naturschutzfachlichen Maßstäben zu beurteilen. An die Beurteilung sind weniger strenge Anforderungen zu stellen als an diejenigen der Eignung von Schadensvermeidungs- und Minderungsmaßnahmen. Während für letztere der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit zu fordern ist, weil sich nur so die notwendige Gewissheit über die Verträglichkeit eines Plans oder Projekts gewinnen lässt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 54 ff.), genügt es für die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht. Anders als bei der Schadensvermeidung und -minderung geht es bei der Kohärenzsicherung typischerweise darum, Lebensräume oder Habitate wiederherzustellen oder neu zu entwickeln. Dieser Prozess ist in aller Regel mit Unwägbarkeiten verbunden. Deshalb lässt sich der Erfolg der Maßnahme nicht von vornherein sicher feststellen, sondern nur prognostisch abschätzen. Würde man gleichwohl die Gewissheit des Erfolgseintritts fordern, müsste eine positive Abwägungsentscheidung regelmäßig am Kohärenzerfordernis scheitern. Das widerspräche dem Regelungszweck des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL. Schon mit Rücksicht auf den prognostischen Charakter der Eignungsbeurteilung verfügt die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über Kohärenzsicherungsmaßnahmen über eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative. Das Gericht hat seine Prüfung insoweit auf eine Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken. Um sie vornehmen zu können, muss die Eingriffs- und Kompensationsbilanz im Planfeststellungsbeschluss nachvollziehbar offengelegt werden. Dafür genügt eine verbal-argumentative Darstellung, sofern sie rational nachvollziehbar ist und erkennen lässt, ob der Bilanzierung naturschutzfachlich begründbare Erwägungen zugrunde liegen (Urteil vom 6. November 2012 a.a.O. Rn. 83 m.w.N.).

95

Diesen Grundsätzen genügen die planfestgestellten Kohärenzsicherungsmaßnahmen, mit denen der erhebliche Eingriff in das FFH-Gebiet "Travetal" ausgeglichen werden soll. Die Kritik der Kläger greift weder hinsichtlich der Kohärenzsicherungsmaßnahme "Seitental der Trave" (a), noch bezüglich der Kohärenzsicherungsmaßnahme "Süderbeste" (b) durch. Die naturschutzfachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, dass durch beide Maßnahmen gemeinsam der Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" gesichert wird, ist vertretbar (c).

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a) Die Kohärenzsicherungsmaßnahme "Seitental der Trave" ist am Höftgraben in einer Entfernung von ca. 1,5 km Luftlinie vom Eingriffsort geplant. Die derzeit am Maßnahmeort vorhandenen LRT *91E0 (Ausprägung als Quellwald), *9180 sowie LRT 9130 und 9160 sind hinsichtlich Alter und Entwicklungsstadien mit denen des Eingriffsgebiets vergleichbar. Durch ihre Lage im Biotopverbund der Trave haben sie sehr gute standörtliche Voraussetzungen, damit hier ein Lebensraumkomplex, bestehend aus LRT 9130, 9160 und *9180 durch Waldumbau und Waldentwicklungsmaßnahmen entstehen kann; der bereits vorhandene LRT *91E0 soll durch Umwandlung einer artenarmen Feuchtgrünlandfläche mit Flutrasenvegetation in einen Quell- und Auenwald entwickelt werden. Nach Durchführung der erforderlichen Entwicklungsmaßnahmen sollen die Wald-Lebensraumtypen sämtlich aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden. Da die für die Kohärenzsicherung vorgesehene Fläche zugleich im Beeinträchtigungsband der A 20 liegen wird - der überwiegende Teil des Maßnahmegebiets befindet sich in einem Abstand von weniger als 100 m zur geplanten Trasse -, sieht die Planung verschiedene Maßnahmen vor, um der Stickstoffbelastung durch die Autobahn entgegenzuwirken. So ist nach Norden, also zur Trasse hin, die Anlage eines Immissionsschutzwalls sowie einer Immissionsschutzpflanzung vorgesehen. Zur südlich angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Offenlandschaft hin ist die Entwicklung einer Pufferzone (Anlage eines Knicks und eines Unterhaltungswegs) geplant, um stoffliche Einträge durch Einschwemmung und Einwehung von Ackerboden sowie Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu senken. Zur Sicherstellung des Erfolgs der Kohärenzsicherungsmaßnahme ist ein umfangreiches Monitoring vorgesehen, bei dem u.a. die Entwicklung und Funktionsfähigkeit der Immissionsschutzpflanzungen überprüft wird (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 236 f. sowie Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 11 und 12, Maßnahmenblätter A 9.2, 9.4, 9.5, 10.3 und 10.4 sowie Anhang IV zur FFH-Ausnahmeprüfung "Maßnahmen zur Kohärenzsicherung" Mai 2009, künftig: Unterlage Kohärenzsicherung).

97

Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Stickstoffreduzierung nicht als Schadensvermeidungsmaßnahmen für die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" geplant sind. Als solche Schadensvermeidungsmaßnahme wurde allerdings - neben einer Einhausung - eine vergleichbare Maßnahme, nämlich eine beidseitige Verwallung mit einer Höhe von 10 m über Gradiente entlang der geplanten Trasse östlich der Travequerung näher untersucht. Letzteres wurde verworfen, weil deutliche Reduzierungen nur im absoluten Trassennahbereich erzielt werden könnten und derartige Anlagen zudem aus landschaftsplanerischen und Kostengründen kaum vertretbar seien (vgl. Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 37 f.). Die hier in Rede stehenden Maßnahmen im Traveseitental (Immissionsschutzwall sowie Immissionsschutzpflanzung) können und sollen indes keinen unmittelbaren Ausgleich für im FFH-Gebiet "Travetal" entstehende vorhabenbedingte Stickstoffbelastungen bewirken; schon wegen ihrer Entfernung zum Eingriffsort scheiden sie als Schadensvermeidungsmaßnahme aus. Sie sind vielmehr Bestandteil der Kohärenzsicherungsmaßnahme "Traveseitental", die zum Ziel hat, den Habitatverbund des betroffenen Traveabschnitts durch die Integration des Seitentals der Trave in das Netz "Natura 2000" zu erweitern. Dabei sollen Wall und Pflanzungen - sozusagen als Schadensvermeidungsmaßnahmen im Rahmen einer Kohärenzsicherungsmaßnahme - langfristig dafür sorgen, dass die Stickstoffeinträge zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des neu zu meldenden FFH-Gebiets führen.

98

Die pauschale Kritik der Kläger, die vorgesehenen Schutzstreifen seien zu schmal, kann nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass die in den Maßnahmenblättern A 9.4 und A 10.3 festgesetzten Schutzstreifen teilweise bis zu 20 m breit sind, wird in den Planungsunterlagen nachvollziehbar dargelegt, dass gerade in den ersten 50 bis 100 m vom Trassenbereich, d.h. unmittelbar hinter dem Gestaltungswall, die höchste Abschirmungswirkung gegeben ist. Da das Tal sehr schmal ist (50 bis 100 m) und weitgehend trassenparallel verläuft, wird der überwiegende Teil des Kohärenzgebiets in dem Bereich dieser größten Abschirmungswirkung liegen (Unterlage Kohärenzsicherung S. 10, 13). Zwar wurde die Stickstoffbelastung bzw. die aufgrund von Immissionsschutzwall und -pflanzungen zu erreichende Reduzierung nicht im Einzelnen untersucht; es lassen sich aber hinreichend aussagekräftige Rückschlüsse aus der bereits erwähnten Untersuchung zur Einhausung bzw. Verwallung ziehen.

99

b) Die Kohärenzsicherungsmaßnahme "Süderbeste" ist ca. 30 km vom Eingriffsort entfernt im Tal der Süderbeste, einem Zufluss der Trave, in Lasbek im Kreis Stormarn geplant. Die große Entfernung hängt damit zusammen, dass die im Travetal beeinträchtigten Lebensraumtypen zum Teil sehr selten und in der Kombination der LRT 3260, *7220, 9130, *9180 und *91E0 in Schleswig-Holstein bisher nur im Travetal vertreten sind. Daher wurde für die Kohärenzsicherung eine landesweite Standortsuche durchgeführt. Die Maßnahmefläche ist insgesamt 19,2 ha groß, davon entfallen 17 ha auf alte Waldstandorte. Das Maßnahmegebiet umfasst eine in einen größeren Wald eingebettete Bachschlucht der Süderbeste; hier sind auf einer Fläche von 0,21 ha gut ausgebildete Kalktuffquellen des prioritären LRT *7220, sowie darüber hinaus der LRT 9130, grundwassergeprägte Eichen-Hainbuchenwälder des LRT 9160 sowie prioritäre Auenwälder des Typs *91E0 (Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxus excelsior ) in quelliger und bachbegleitender Ausprägung vorhanden. Sämtliche Lebensraumtypen sind in ausgereiftem Zustand vorhanden. Auf dem nicht bewaldeten Teil des Flurstücks 10/2 ist zudem ein unter Biotopschutz stehender Binsen- und Simsenried auf einer Nasswiese ausgebildet sowie an den Grenzen zur landwirtschaftlichen Nutzung eine Feldhecke bzw. ein Knick mit waldmantelähnlichem Bestand, ebenfalls ein gesetzlich geschütztes Biotop. Herausragendes Merkmal des gesamten Maßnahmegebiets ist die Störungsarmut. Der vom Vorhaben ebenfalls beeinträchtigte LRT *9180 Schlucht- und Hangmischwälder ist an der Süderbeste zurzeit nicht ausgeprägt, aber standörtlich möglich. Die Bodenverhältnisse und die Krautschicht zeigen nach Einschätzung der Gutachter an, dass die typkennzeichnende Linde dort vorkommen könnte; die aktuelle Dominanz der Buche sei das Ergebnis der selektiven Buchenförderung durch Forstwirtschaft. Die Planung geht davon aus, dass sich die gewünschte Verbesserung des Erhaltungszustands im Umfeld der Kalktuffquellen durch den natürlichen Abgang der dort noch vorhandenen Fichten von selbst einstellen wird; die forstwirtschaftliche Nutzung sowie die Gewässerunterhaltung soll vollständig eingestellt werden (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 237 f. und S. 852 sowie Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 13, Maßnahmenblatt A 32.1; sowie Unterlage Kohärenzsicherung S. 6 f. und S. 15 ff.).

100

Auch in Bezug auf diese Maßnahme greift die Kritik der Kläger nicht durch. Dass die Flächen bereits jetzt unter gesetzlichem Biotopschutz nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG bzw. § 21 Abs. 1 Nr. 5 LNatSchG SH stehen, betrifft zum einen nur einen Teil der Maßnahmefläche; im Übrigen haben die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass der FFH-Gebietsschutz über den Biotopschutz hinausgehen kann (vgl. § 30 Abs. 8 BNatSchG). Im Hinblick auf die vollständige Einstellung der forstwirtschaftlichen Nutzung ist das hier auch tatsächlich der Fall.

101

Soweit die Kläger beanstanden, dass Aufwertungsmaßnahmen fehlen, kann der Senat offenlassen, ob solche Maßnahmen für eine Kohärenzsicherungsmaßnahme unabdingbar sind. Dafür spricht der ausdrückliche Hinweis im EU-Auslegungsleitfaden (S. 15 Mitte), wonach die Ausweisung neuer Natura 2000-Gebiete zwar Teil eines Ausgleichspakets sein könne, allerdings reiche "eine Ausweisung allein, ohne entsprechende Begleitmaßnahmen, nicht aus". Dagegen spricht der auf derselben Seite enthaltene Hinweis, der Ausgleich könne in der Eingliederung eines neuen Gebiets in das Netz "Natura 2000" bestehen, das ähnliche Eigenschaften wie das ursprüngliche Gebiet aufweise; denn das Projekt würde zwar zu einem Verlust bei diesem Lebensraumtyp auf der Ebene des Mitgliedstaates führen, auf der Ebene der Gemeinschaft komme aber ein neues Gebiet in den Genuss des in Art. 6 FFH-RL vorgesehenen Schutzes. Der zuletzt beschriebene Fall liegt hier aus Sicht des Senats vor. Die Frage des Erfordernisses von Aufwertungsmaßnahmen kann aber dahinstehen, da die geplante Herausnahme aus der forstlichen Nutzung, die den Zweck verfolgt, die aktuelle Dominanz der Buche zurückzudrängen, in Verbindung mit der Absicht, die Lebensraumflächen der natürlichen Sukzession zu überlassen, damit sich die bereits im Unterwuchs vorhandenen standortgerechten Laubhölzer entwickeln können, als eine solche Aufwertungsmaßnahme angesehen werden kann.

102

c) Die naturschutzfachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, dass durch beide Maßnahmen gemeinsam der Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" gesichert wird, ist vertretbar.

103

Der Eingriff besteht hier in einer erheblichen Beeinträchtigung des Waldgürtels am Osthang der Trave (LRT 9130, 9160, *9180, *7220 und *91E0) durch verschiedene Wirkfaktoren (Flächenverlust, Zerschneidung, Störung von charakteristischen Vogelarten und Stickstoffbelastung); der Eingriffsumfang wird in den verschiedenen Planungsunterlagen näher beschrieben und soweit möglich, d.h. in Bezug auf die Stickstoffbelastung (5,55 ha) sowie in Bezug auf den Flächenverlust durch Überbauung (1 027 qm durch das Brückenwiderlager) quantifiziert (vgl. Fachgutachten zur FFH-Verträglichkeitsprüfung "Travetal", aktualisiert 2011, S. 141 ff. und S. 153; Anhang V zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 5 ff.). Diesem Eingriff stehen insgesamt ausreichend Kompensationsmaßnahmen gegenüber. Für den überbauten Eichen-Hainbuchenwald (LRT 9160) steht ein Kohärenzausgleich im Verhältnis von 1:12, für den nicht überbauten Komplex der Quell- und Auenwälder (LRT *7220 und *91E0) im Umfang von 1:2,5 und für den nicht überbauten Komplex der Laubwälder (LRT 9130, 9160 und *9180) im Umfang von 1:8 zur Verfügung. Dieses Verhältnis erscheint ausreichend, um den im Bereich der zu entwickelnden Lebensraumtypen im Seitental der Trave entstehenden Zeitversatz und die Problematik der Bewältigung der bereits bestehenden hohen Hintergrundbelastung durch Stickstoff, die in Schleswig-Holstein mehrfach die Critical Loads für naturnahe Laubwälder überschreitet, aufzufangen (vgl. genauer Planfeststellungsbeschluss S. 238, Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 39).

104

Beide außerhalb des bisherigen FFH-Gebiets "Travetal" neu entwickelten Flächen werden entsprechend den oben beschriebenen Anforderungen in das FFH-Gebiet einbezogen und die Änderung der Grenzziehung an die EU-Kommission bekannt gegeben. Soweit die Kläger Bedenken hinsichtlich der fehlenden Kompetenz des Beklagten zur Meldung sowie hinsichtlich des Meldezeitpunkts geäußert haben, sind diese inzwischen ausgeräumt. Hinsichtlich des Meldezeitpunkts hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch Protokollerklärung die Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 10 dahin geändert, dass die Gebiete nunmehr "sogleich nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses" (statt "in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang mit der Projektumsetzung und der Durchführung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen") zu melden sind. Zudem haben die Vertreter des Beklagten erläutert, dass es im Zusammenhang mit der Ausnahmeprüfung bereits Absprachen mit dem zuständigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegeben habe. Danach steht hinreichend sicher fest, dass eine Meldung rechtzeitig erfolgen wird.

105

Für die Übergangszeit ist die erforderliche rechtliche Sicherung der Maßnahme gegenüber der Flächeneigentümerin durch den Eintrag einer Grunddienstbarkeit gewährleistet (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 238, 572). Ein Monitoring wurde festgelegt (siehe Nebenbestimmungen 2.3.8 = Planfeststellungsbeschluss S. 25 ff.).

106

VII. Die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens enthält zum Teil Mängel.

107

Bei der Prüfung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, steht der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative sowohl bei der ökologischen Bestandsaufnahme als auch bei deren Bewertung zu, namentlich bei der Quantifizierung möglicher Betroffenheiten und bei der Beurteilung ihrer populationsbezogenen Wirkungen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen (stRspr, vgl. nur Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 114 und vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 100). Wegen der bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz festgestellten methodischen Mängel bei der Erfassung der Fledermäuse erweist sich diesbezüglich auch die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme - und infolgedessen auch die artenschutzrechtliche Bewertung etwaiger Verbotstatbestände - als fehlerhaft; hiervon abgesehen bleibt die allgemeine Kritik der Kläger hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme sowie hinsichtlich der Bauzeitenregelungen zu vage (1.). Die artenschutzrechtliche Behandlung der Haselmaus erweist sich als unzureichend (2.); demgegenüber ist diejenige der Reptilien (3.), der europäischen Vogelarten (4.), der Schmetterlinge (5.) und der Amphibien (6.) nicht zu beanstanden.

108

1. Die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme beruht hinsichtlich der Fledermäuse auf methodischen Mängeln; insofern kann auch die Bewertung etwaiger Verbotstatbestände nicht gerichtlich bestätigt werden. Hinsichtlich der übrigen artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme, die die Kläger ebenfalls für unzureichend halten, bleibt ihre Kritik zu allgemein. Gleiches gilt für die Bauzeitenregelungen.

109

Regelmäßig speisen sich die erforderlichen fachgutachtlichen Untersuchungen zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten im Planungsraum aus zwei wesentlichen Quellen: der Bestandserfassung vor Ort sowie der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur. Eine aus beiden Quellen gewonnene, sich wechselseitig ergänzende Gesamtschau wird der Planfeststellungsbehörde regelmäßig die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage verschaffen können (Beschluss vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 67; ausführlich zur artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 63 ff. = Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6). Wegen der bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz festgestellten methodischen Mängel bei der Erfassung der Fledermäuse erweist sich die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme insoweit - und infolgedessen auch die Bewertung etwaiger Verbotstatbestände - als fehlerhaft. Namentlich im Hinblick darauf, dass die Autobahntrasse den südöstlichen Teil des Segeberger Forstes durchschneidet, genügt das Vorgehen des Beklagten, eine "flächendeckende Nutzung aller geeigneten Waldbereiche durch die wertgebenden Fledermausarten" zu unterstellen und auf diese Annahme - ohne konkrete Erfassung der Quartiere - ein Maßnahmekonzept aufzubauen, das die "nicht ausgeschlossenen Konflikte" maßgeblich mindern soll (Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 S. 40 f.), auch in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht den methodischen Anforderungen. Anders ist die Situation freilich im Bereich der Travequerung. Angesichts des die Flugrouten weiträumig überspannenden, mit Kollisionsschutzwänden ausgestatteten Brückenbauwerks (BW 5.08) hat der Beklagte insoweit ein signifikantes Kollisionsrisiko im Ergebnis zu Recht ausgeschlossen.

110

Hinsichtlich aller übrigen Tierarten, bei denen es "Datenlücken" gab, durfte die Bestandserfassung auf eine Potentialanalyse beschränkt werden. Der Beklagte hat dieses methodische Vorgehen nachvollziehbar damit gerechtfertigt, dass es in den Jahren 2003 ausreichende faunistische Erfassungen der Tiergruppen Brutvögel, Amphibien, Libellen, Heuschrecken, Tagfalter und Nachtfalter gegeben habe; die Auswahl dieser Indikatorengruppen sowie die Methodik der Erfassung werde im biologischen Fachbeitrag und in seiner Aktualisierung (KIFL 2005 und 2009) näher beschrieben und begründet. Eine nochmalige Aktualisierung sei im Rahmen der 2. Planänderung im Jahre 2011 nicht erforderlich gewesen. Die Kläger haben sich nur in allgemeiner Form gegen dieses methodische Vorgehen gewandt, ohne der Argumentation des Beklagten etwas Konkretes entgegenzusetzen. Infolgedessen muss der Senat der Frage der Bestandsaufnahme - mit Ausnahme der nachfolgend speziell geprüften Arten - nicht weiter nachgehen.

111

Ähnlich allgemein bleibt die Kritik in Bezug auf die für verschiedene Arten festgesetzten Bauzeitenregelungen. Diese können nicht pauschal mit dem Argument mangelnder Durchsetzbarkeit in Frage gestellt werden. Bauzeitenregelungen stellen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich wirksame Maßnahmen dar. Allerdings ist im Einzelfall zu untersuchen, ob die Regelung artangemessen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Einhaltung der Bauzeitenregelungen nicht - wie in Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 7 vorgesehen - durch die Umweltbaubegleitung überwacht wird, werden von den Klägern nicht benannt; solche Anhaltspunkte sind auch im Übrigen nicht erkennbar. Auch der Umstand, dass hiervon bereits im Planfeststellungsbeschluss selbst Ausnahmen vorgesehen und im näher begründeten Einzelfall etwa Vergrämungsmaßnahmen zugelassen werden (vgl. Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 30), steht der grundsätzlichen Wirksamkeit nicht entgegen.

112

2. Der Bestand der Haselmaus wurde in einem zu engen Untersuchungskorridor erfasst (a); auch die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände (b) kann wegen der auch vom Planfeststellungsbeschluss selbst erkannten Probleme der räumlichen Entfernung der Umsiedlungsflächen nicht überzeugen (c).

113

a) Die im Herbst 2008 durchgeführte systematische Erfassung des Eingriffsbereichs nach Kobeln (Nestern) und Fraßspuren, die insgesamt 29 Nachweise (22 durch Kobel und 7 durch Fraßspuren) erbracht hat, stellt wegen des zu engen Untersuchungskorridors von nur 50 m beidseits der Trasse keine ausreichende Bestandsaufnahme dar. Der Gutachter hat hierzu auf gerichtliche Nachfrage erläutert, dass der Untersuchungsraum aufgrund der konkreten Lebensraumstruktur der Habitate im Umfeld des Eingriffs auf diese Breite festgelegt worden sei. Die Haselmaus besiedele im Raum Segeberg vorwiegend lineares Straßenbegleitgrün sowie Knicks, nur in Einzelfällen flächige Gehölze. Die Konzentration auf Straßenbegleitgrün erkläre sich aus dem sehr geringen Nahrungsangebot in den intensiv "gepflegten" und dadurch weitgehend degradierten Knicks in der im Raum Segeberg vorherrschenden Agrarlandschaft (Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 S. 30 f.; vgl. im Übrigen Planfeststellungsbeschluss S. 565 f.; Fachgutachten zur Prüfung der Artenschutzrechtlichen Belange nach § 42 BNatSchG, 2009, aktualisiert Juni 2011, S. 38, künftig: Artenschutzbeitrag, sowie Formblatt A-5; Biologischer Fachbeitrag aus August 2009 S. 9 und Blatt 1.1). Dieses Vorgehen erscheint fachlich nicht vertretbar. Dass Haselmäuse im Straßenbegleitgrün teilweise in hohen Dichten auftreten können, wird auch von den Klägern nicht bestritten. Da es hier aber um einen Neubau und nicht etwa um eine nachträgliche Maßnahme an einer bestehenden Straße geht, gibt es noch kein Straßenbegleitgrün. Vielmehr muss sich der Untersuchungsraum nach dem typischen Aktionsradius der Art richten. Zwar hat die Haselmaus einen vergleichsweise geringen Aktionsradius. Die Weibchen legen meist nur Entfernungen von weniger als 50 m zurück, während die Männchen größere Ortswechsel bis über 300 m in einer Nacht vornehmen können (vgl. Infosysteme und Datenbanken des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen "Geschützte Arten in NRW", Stichwort Haselmaus ; etwas größere Radien ergeben sich aus dem Endbericht zum FuE-Vorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz "Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben", künftig: Endbericht Rahmenbedingungen, Artensteckbrief zur Haselmaus A 102, sowie aus den Angaben auf S. 150 der Klagebegründungsschrift im Verfahren BVerwG 9 A 15.12). Vor diesem Hintergrund bedürfte die Bemessung des Untersuchungsraums, jedenfalls soweit er einen Korridor von 100 m beidseits der Trasse unterschreitet, einer plausiblen naturschutzfachlichen Begründung, an der es bislang fehlt. Ob sogar der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung geforderte 500 m-Korridor beidseits der Trasse geboten ist, mag der Beklagte im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens fachlich bewerten.

114

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand des Tötungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit Kraftfahrzeugen erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht (stRspr, vgl. nur Urteile vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 99 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 = Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden können, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG kann vor allem durch bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der geschützten Tierarten in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen (Urteile vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 49 und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 104 f.), aber auch durch Trennwirkungen erfüllt werden, die von der vorgesehenen Trasse ausgehen (Urteile vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 114 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45 und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 105). Dabei enthält das Störungsverbot bereits im Wortlaut einen populationsbezogenen Ansatz. Eine erhebliche Störung liegt nach der Definition des § 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BNatSchG vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (s. dazu Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 258 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Der Begriff der "Fortpflanzungsstätte" in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist eng auszulegen. Dies folgt zum einen aus der scharfen systematischen Trennung zwischen der Teilregelung des Beschädigungs- und Zerstörungstatbestandes in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, der die eingriffsbetroffenen Lebensstätten nennt, und der ergänzenden Regelung in § 44 Abs. 5 BNatSchG, die im Rahmen einer funktionalen Betrachtung den räumlichen Zusammenhang einbezieht. Dasselbe folgt zum anderen daraus, dass es § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auch verbietet, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, und damit dem Wortlaut nach eine enge Auslegung des Begriffs der Fortpflanzungs- oder Ruhestätte nahelegt, die jeden einer solchen Entnahme zugänglichen, als Ort der Fortpflanzung oder Ruhe dienenden Gegenstand - wie einzelne Nester oder Höhlenbäume - einschließt. In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär die Phase aktueller Nutzung der Lebensstätte. Unter Berücksichtigung des verfolgten Zwecks der Regelung, die Funktion der Lebensstätte für die geschützte Art zu sichern, ist dieser Schutz aber auszudehnen auf Abwesenheitszeiten der sie nutzenden Tiere einer Art, sofern nach deren Lebensgewohnheiten eine regelmäßig wiederkehrende Nutzung zu erwarten ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 66).

115

c) Hiervon ausgehend sind dem Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Oktober 2013 bei der Prüfung der Verbotstatbestände teilweise Fehler unterlaufen.

116

aa) Der mit der Baufeldfreimachung einhergehende Tötungstatbestand sowie die Zerstörung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Haselmaus soll durch artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen (Fangen und Umsiedlung in besonders zu sichernde Maßnahmegebiete; Festlegung artspezifischer Fällzeitpunkte) sowie durch vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen (langfristige Entwicklung neuer Knickanlagen) vermieden werden (vgl. genauer Planfeststellungsbeschluss S. 32 ff. und S. 565 sowie Artenschutzbeitrag S. 38 ff.). Das Umsiedlungskonzept ist im Grundsatz nicht zu beanstanden; die Ersatzlebensräume sind allerdings überwiegend so weit entfernt, dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten entgegen der Annahme im Planfeststellungsbeschluss nicht im räumlichen Zusammenhang i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG erhalten bleibt; zudem ist die vorgesehene Funktionskontrolle ergänzungsbedürftig.

117

(1) Der Senat lässt weiterhin offen, ob das der Umsiedlung vorangehende Fangen wild lebender Tiere neben dem Entzug der Bewegungsfreiheit als solchem eine gewisse Dauer des Entzugs voraussetzt (Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 130 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13). Denn insoweit läge eine objektive Ausnahmelage vor, sodass der etwaige Mangel unerheblich wäre (vgl. Urteil vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - NuR 2013, 565 Rn. 143 unter Hinweis auf Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 147 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45).

118

Die Umsiedlung der Haselmaus wird in den Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 20 und 21 näher geregelt. Danach sind im Jahr der Baufeldfreimachung im April geeignete Kunstnester auszubringen und im September auf Besatz zu kontrollieren. Besiedelte Kobel und Kunstnester sind zu verschließen und in die hierfür vorgesehenen Ersatzlebensräume zu versetzen; der Vorgang ist mehrfach zu wiederholen, bis davon ausgegangen werden kann, dass sich keine Haselmaus mehr im Baufeld aufhält. Die betroffenen Gehölze sollen unmittelbar nach der Umsiedlung der Tiere - Anfang bis Mitte Oktober - gefällt, gerodet und abtransportiert werden, um eine kurzfristige Wiederbesiedlung der Standorte durch die Haselmaus, deren Winterruhe Ende Oktober einsetzt, zu verhindern. Zwar ist nicht auszuschließen, dass sich vereinzelt noch gehölzbewohnende Fledermäuse, deren Winterschlaf ebenfalls noch nicht begonnen hat, in den Bäumen befinden und sich, statt zu fliehen, noch tiefer in die Spalten und Höhlen verkriechen. Diese vereinzelt möglichen Tötungen der Fledermaus nimmt der Planfeststellungsbeschluss aber zugunsten der Haselmaus ausdrücklich hin. Lediglich für den Bereich des Segeberger Forstes, dem für die Fledermäuse eine herausragende Bedeutung zukomme, nimmt der Planfeststellungsbeschluss eine andere Wertung vor. Hier ist zum Schutz der Fledermäuse eine Fällung der Gehölze erst ab 1. Dezember, also dem endgültigen Beginn der Winterruhe der Fledermäuse, zulässig (vgl. Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 24). Hierdurch besteht eine Tötungsgefahr für die Haselmaus, da nicht auszuschließen ist, dass sie vereinzelt nach erfolgter Umsiedlung in das Baufeld zurückwandert und sich im Winterversteck oder im Boden aufhält. Angesichts dieser Konfliktlage hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 die Nebenbestimmung 2.3.5 dahin neu gefasst, dass nunmehr für 14 näher bezeichnete Fledermausarten außerhalb des Segeberger Forstes sowie für die Haselmaus im Segeberger Forst nach § 45 Abs. 7 BNatSchG eine artenschutzrechtliche Ausnahme von dem Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt wird.

119

Der festgesetzte Pflegezeitraum, der einen Verzicht auf einen Gehölzrückschnitt für zwei Vegetationsperioden vorsieht, ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu kurz bemessen. Vielmehr hat ihn der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 (S. 30 f.) überzeugend begründet: Knicks, die in Schleswig-Holstein verbreitet Ersatzlebensräume der Haselmäuse sind, werden traditionell alle 8 bis 15 Jahre auf den Stock gesetzt, wobei die Gehölze rasch wieder ausschlagen. Ohne dieses "Knicken" verarmen die Knicks langfristig. Haselmäuse sind zwar an diese Vorgänge gewöhnt; da die beabsichtigte Umsiedlung für sie aber eine besondere Stresssituation darstellt, soll der neue Lebensraum zumindest die halbe normale Lebensspanne einer Haselmaus optimale Bedingungen bieten, bevor der Knick dann - aus Gründen der langfristigen Erhaltung - mit Eintritt der Winterruhe der Haselmaus erneut auf den Stock gesetzt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt werden sich umgesetzte Haselmäuse in ihrem neuen Lebensraum bereits ein- bis mehrfach reproduziert haben (erster Wurf normalerweise nach einem Jahr, ein bis drei Würfe pro Jahr).

120

Auch der angenommene Ausgleichsbedarf ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Die Knicklänge von 50 m pro Haselmaus soll neben der Sicherstellung des Ersatzlebensraums zugleich den Verlust der Lebensstätten ausgleichen. Durch das Einbringen zusätzlicher Nistkästen wird zudem die Attraktivität des Lebensraums gesteigert; die neuen Lebensräume sollen in das bestehende und für die Art geeignete Knicknetz eingebunden werden. Zusätzlich werden weitere Knicks in einem Umfang von 6,6 km als artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen neu angelegt, diese können langfristig u.a. auch der Haselmaus als Lebensräume dienen. Die neuen Knickanlagen sollen möglichst frühzeitig, jedoch nicht vor der Baufeldfreimachung hergestellt werden, um Haselmäuse nicht in den Baustellenbereich zu locken. Zwar ist insoweit nicht sichergestellt, dass die Ersatzflächen rechtzeitig hergestellt werden. Dennoch hat die Planung den Konflikt aus Sicht des Senats angemessen gelöst, da eine Rückwanderung der Haselmaus in den Baustellenbereich verhindert werden soll. Der entstehende Zeitverzug muss im Rahmen der Kompensationsbilanz berücksichtigt werden.

121

(2) Die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten bleibt aber für einen überwiegenden Teil der Maßnahme nicht im räumlichen Zusammenhang i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG erhalten.

122

Die vorgesehenen Umsiedlungsflächen befinden sich nur zu einem geringen Teil in Vorhabennähe, im Übrigen liegen sie im Bereich der 15 km entfernten Kompensationsflächen am Zarpener Oser, da eingriffsnähere Maßnahmeorte für den Vorhabenträger nicht verfügbar waren. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 566) geht zu Recht davon aus, dass bei dieser Entfernung kein Zusammenhang mehr zwischen der lokalen Population des Eingriffgebiets und der Population des Umsiedlungsgebiets besteht. Die Planfeststellungsbehörde will die Maßnahme dennoch in Abstimmung mit dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume als CEF-Maßnahme anerkennen, weil die Umsiedlungsmaßnahmen und die geplanten Ausgleichsmaßnahmen "in Kombination" dazu führten, dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Haselmaus im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibt (Planfeststellungsbeschluss S. 32 ff. und S. 566). Das vermag nicht zu überzeugen. Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen - Herstellung neuer Knickanlagen - können den Verlust der Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht kompensieren; denn auch bei der Vernetzung kleiner Teilhabitate darf die Entfernung zwischen der zentralen Population und kleineren Teilpopulationen nicht mehr als 500 m betragen (Endbericht Rahmenbedingungen, Artensteckbrief zur Haselmaus A 103). Konsequenterweise hätte der Beklagte daher - wie von den Klägern gefordert - die Erteilung einer Ausnahme erwägen müssen.

123

(3) Die schon jetzt im Planfeststellungsbeschluss umfassend vorgesehene Funktionskontrolle i.S.d. § 17 Abs. 7 BNatSchG (vgl. Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 2 und 7 sowie der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärte allgemeine Auflagenvorbehalt) bedarf der Ergänzung. Angesichts der mit der geplanten Umsiedlung verbundenen Unsicherheiten genügt es nicht, die Funktionalität der Ersatz-Lebensstätten zu prüfen. Vielmehr erscheint es geboten, die Ersatzlebensräume in einem festgelegten Turnus nach der Umsiedlung auf Besatz durch die Haselmaus zu kontrollieren. In diesem Zuge sollten auch die Nisthilfen instandgehalten und gesäubert werden (vgl. Endbericht Rahmenbedingungen, Artensteckbrief zur Haselmaus A 104). Einer aufwändigen Fang-Wiederfangmethode mit markierten Haselmäusen, wie sie der Gutachter Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 (S. 31) als Gegenargument für eine Populationsüberwachung anführt und wie sie offenbar auch die Kläger für geboten halten (vgl. hierzu zuletzt in der mündlichen Verhandlung überreichte Folie Nr. 41 "Risikomanagement"), bedarf es hingegen nicht.

124

bb) Soweit, wie oben beschrieben, aus Gründen des Fledermausschutzes im Segeberger Forst eine Tötung der Haselmaus während des Winterschlafs nicht ausgeschlossen werden kann, durfte der Beklagte - ebenso wie außerhalb des Forstes für den umgekehrten Fall vereinzelter Tötungen von Fledermäusen zu Gunsten der Haselmaus - mit Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 grundsätzlich eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BNatSchG zulassen.

125

(1) Der die Ausnahmeregelung enthaltende Änderungsbescheid ist formell rechtmäßig.

126

Nach § 76 Abs. 2 VwVfG, der hier über die Verweisung des § 17d FStrG Anwendung findet, da es um eine Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens geht, kann die Planfeststellungsbehörde bei Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, wenn die Belange anderer nicht berührt werden oder wenn die Betroffenen der Änderung zugestimmt haben. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor. Eine Planänderung ist gegeben, da es um eine nachträgliche Änderung des festsetzenden Teils (hier: inhaltliche Änderung der Nebenbestimmung 2.3.5) und nicht nur um eine bloße Änderung der Begründung geht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 76 Rn. 5 m.w.N.). Dass die Planänderung von unwesentlicher Bedeutung ist, wird im Änderungsbescheid (S. 7 f.) zutreffend damit begründet, dass sie im Verhältnis zur abgeschlossenen Gesamtplanung unerheblich ist, also Umfang, Zweck und Auswirkungen des Vorhabens gleich bleiben. Die Erteilung der artenschutzrechtlichen Ausnahme führt nicht einmal zu einer Änderung des Schutzkonzepts für die von der Ausnahme betroffenen Arten; es wird lediglich der bereits im Planfeststellungsbeschluss beschriebene artenschutzrechtliche Konflikt rechtlich anders bewertet. Hieraus folgt zugleich, dass auch "die Belange anderer" nicht berührt werden. Der Beklagte hat auch von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht; dass er sich hierbei statt auf § 76 Abs. 2 VwVfG irrtümlich auf die wortgleiche Vorschrift des § 143 Abs. 2 LVwG gestützt hat, ist unschädlich.

127

Entgegen der Auffassung der Kläger mussten sie nicht an dem Änderungsbescheid beteiligt werden. Selbst wenn die Planfeststellungsbehörde hier statt einer Planänderung nach § 76 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 17d FStrG ein vereinfachtes Planfeststellungsverfahren durchgeführt hätte, hätte es nach § 76 Abs. 3 VwVfG keines Anhörungsverfahrens und keiner öffentlichen Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses und nach § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG auch keiner Beteiligung der nach § 3 UmwRG anerkannten Naturschutzvereinigungen bedurft. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Planänderung zu neuen oder zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft geführt hätte (vgl. Hüting/Hopp, UPR 2003, 1 <6> m.w.N.), zumindest hätten sich durch die Planänderung zusätzliche naturschutzrechtliche Fragen stellen müssen, zu deren Beantwortung der sachverständige Rat der Naturschutzverbände geboten erscheint (vgl. zur Funktion des Beteiligungsrechts Urteil vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - BVerwGE 105, 348 <350 f.> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 16 S. 41 f.). Das ist hier nicht der Fall.

128

Die Planfeststellungsbehörde hat auch keine neuen Untersuchungen angestellt (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 12 S. 25 f.), sondern ist lediglich zu einer anderen rechtlichen Bewertung gelangt.

129

(2) Die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG liegen grundsätzlich vor. Ob eine zumutbare Alternative im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG gegeben ist, kann jedoch mit Blick auf die Ausführungen zu einer großräumigen Südumfahrung (s. dazu oben unter A.VI.3.c) derzeit nicht abschließend festgestellt werden.

130

Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG können die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden - wegen der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses also auch die Planfeststellungsbehörden - im Einzelfall Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art zulassen. Darüber hinaus erfordert eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, dass zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Anders als beim Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist im Rahmen der Ausnahme nicht der Erhaltungszustand des von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen lokalen Vorkommens maßgeblich, sondern eine gebietsbezogene Gesamtbetrachtung anzustellen, die auch die anderen (Teil-)Populationen der Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in den Blick nimmt. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt. Diese Voraussetzung wurde von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen des ihr dabei zustehenden Beurteilungsspielraums (s. Urteile vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 60 und vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 133 ff.) fehlerfrei angenommen.

131

Ob im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung eine zumutbare Alternative besteht, kann hingegen nicht abschließend beurteilt werden. Zu den möglichen anderen zufriedenstellenden Lösungen i.S.d. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL können alternative Standorte (oder Trassen), andere Größenordnungen oder alternative Aktivitäten, Prozesse oder Methoden gehören (vgl. Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG, Februar 2007, III.2.2 Rn. 37). Andere Trassenalternativen hat der Beklagte hier mit der Erwägung verworfen, dass damit keine grundsätzlich bessere Lösung des unvermeidbaren Konflikts zu erwarten sei (Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 S. 5). Diese Aussage kann angesichts der obigen Ausführungen zu einer denkbaren großräumigen Südumfahrung - jedenfalls derzeit - nicht bestätigt werden; eine Südumfahrung würde gerade den Segeberger Forst und damit den konkret betroffenen Konfliktraum unter Umständen meiden. Dass für den in Rede stehenden Prozess - die Freimachung des Baufeldes - weniger eingreifende Varianten zur Verfügung stünden, ist hingegen weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Planfeststellungsbehörde hat hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass eine Änderung des Schutzkonzepts das Tötungsrisiko für eine andere Art - verschiedene Fledermausarten - erhöhen würde; auch die Höhergewichtung der Schutzbelange dieser betroffenen Fledermausarten hält der Senat für überzeugend begründet. Schließlich wird sich auch der Erhaltungszustand der betroffenen Populationen aufgrund der vereinzelt möglichen Tötungen von Haselmäusen im Segeberger Forst nicht verschlechtern. Der Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 geht davon aus, dass hierzu auch das festgesetzte Schutzkonzept beitragen wird. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden, zumal sich - bezogen auf die hier in Rede stehende Konfliktsituation - auch CEF-Maßnahmeflächen in enger räumlicher Verbindung zu den Eingriffsflächen befinden.

132

3. Hinsichtlich der Reptilien (Zauneidechse und Schlingnatter) ist die artenschutzrechtliche Prüfung nicht zu beanstanden.

133

a) Die Kläger wenden sich ohne Erfolg gegen die artenschutzrechtliche Datenerfassung, die auf einer Potentialanalyse aufbaut und eine Sichtbeobachtung der Zauneidechse einschließt.

134

Die Kriterien für die Annahme potentiell geeigneter Lebensräume für Zauneidechse und Schlingnatter hat der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 (S. 32 f.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, näher dargelegt; sie sind nicht zu beanstanden. Auch gegen die hieraus abgeleiteten weiteren Untersuchungen und Annahmen ist nichts zu erinnern: Die für die Zauneidechse potentiell geeigneten Flächen westlich bzw. nordwestlich der geplanten A 20 im Bereich des Rummelsberges im Segeberger Forst wurden im Sommer 2008 (Juni bis September) mehrfach abgesucht, ohne dass ein Nachweis erbracht werden konnte. Da die Witterungsbedingungen dabei ungünstig waren (kühl und nass), fand eine zusätzliche Begehung im Juli 2009 - ebenfalls ohne Nachweis - statt. Da zum Zeitpunkt der Untersuchung der Zauneidechse in 2008/2009 kein rezentes Schlingnattervorkommen aus dem Raum Bad Segeberg bekannt war, wurde zwar nicht gezielt nach der Schlingnatter gesucht. Der Gutachter konnte aber davon ausgehen, dass sie bei der Suche mit angetroffen worden wäre, da sie die gleichen Habitate besiedelt wie die Zauneidechse. Die Schlingnatter wurde erst 2010 auf einer größeren Heidefläche westlich des Standortübungsplatzes (StÜP) Wittenborn, ca. 400 m nördlich der Ausgleichsfläche A 22.1 nachgewiesen. Der Artenschutzbeitrag schließt weitere Vorkommen beider Reptilien in weiteren Offenlandbereichen und an Saumstrukturen in Waldbereichen nicht aus; er nimmt potentielle Lebensräume im Umfeld des Rummelsberges (Binnendüne) und auf der Ausgleichsfläche im Segeberger Forst an (vgl. zum Vorstehenden Biologischer Fachbeitrag aus August 2009 S. 24 f., Artenschutzbeitrag S. 48 f. sowie Stellungnahme Dr. M. vom 27. August 2013 S. 31 f.).

135

b) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Prüfung der Verbotstatbestände.

136

Der Artenschutzbeitrag (S. 48) geht davon aus, dass eine Baufeldfreiräumung außerhalb der Reproduktions- und Ruhezeit der Zauneidechse nicht möglich ist, da diese ihre Lebensräume ganzjährig besiedele und sehr ortstreu sei. Als Vermeidungsmaßnahme ist eine näher beschriebene temporäre Sperreinrichtung sowie das Einfangen und Umsiedeln in geeignete Ersatzhabitate vorgesehen; der Beitrag enthält genauere Angaben zum Zeitpunkt der Aufstellung des Zauns und zur Anzahl der Begehungen (sechs). Eine Rückwanderung werde durch die Dauer der Sperre - gesamte Bauzeit - verhindert. Da im Umfeld der Maßnahme (Binnendüne beim Rummelsberg sowie StÜP Wittenborn) geeignete Ersatz-Lebensräume ausgebildet seien, die sich in einem ausreichenden Abstand zum Baufeld befinden, könnten die Zauneidechsen dorthin umgesiedelt werden (Maßnahme S 2.1); zusätzliche CEF-Maßnahmen seien nicht erforderlich. Relevante Zerschneidungseffekte seien nicht zu erwarten.

137

Die Ausführungen zur Schlingnatter sind vergleichbar (Artenschutzbeitrag S. 48a f.); hier sind allerdings zehn Begehungen sowie die Einrichtung detailliert beschriebener, dauerhafter Ersatzlebensstätten als CEF-Maßnahme (Ausgleichsfläche A 22.1) vorgesehen. Als Entwicklungszeit werden - bei ausreichender Einbringung reptiliengeeigneter Strukturen - zwei Jahre als ausreichend angesehen; die Entwicklung sei durch Fachleute zu begleiten und ggf. durch die Einbringung weiterer Kleinstrukturen zu fördern.

138

Die genannten Vorschläge werden im Planfeststellungsbeschluss in den Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 22 und 23 (Planfeststellungsbeschluss S. 34 f., 243 f.) im Einzelnen umgesetzt.

139

Die unter verschiedenen Gesichtspunkten geübte Kritik der Kläger an diesem Konzept greift nicht durch. Ihnen kann zunächst nicht darin gefolgt werden, dass das Aufstellen eines mobilen Absperrzauns keinen ausreichenden Schutz biete. Der Zaun soll nach der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 22 mindestens 70 cm über Geländeoberkante hoch und mindestens 30 cm in den Boden eingegraben sein, aus glattem Material bestehen und einen Überkletterschutz nach außen aufweisen und damit die Anforderungen der beiden einschlägigen Merkblätter (Merkblatt zur Anlage Querungshilfen für Tiere, Ausgabe 2008 sowie Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen, Ausgabe 2000) erfüllen. Ebenso wenig überzeugt das klägerische Argument, die Termine zum Abfangen der Schlingnatter seien unzureichend, der Zeitraum sei falsch gewählt und die Wirksamkeit der Maßnahme sei unsicher. Der Gutachter hat sich hierzu in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 ausführlich geäußert und die einzelnen Maßnahmen nachvollziehbar erläutert. Danach bestehen gegen die Wirksamkeit des Maßnahmekonzeptes keine durchgreifenden Bedenken. Der Umsiedlung von Reptilien wird im Übrigen auch im Endbericht Rahmenbedingungen des o.g. FuE-Vorhabens eine "sehr hohe Erfolgswahrscheinlichkeit als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme" zugebilligt (Artensteckbrief zur Zauneidechse A 173). Soweit die Kläger schließlich bemängeln, sämtliche Zeitfaktoren (Waldrodung, Wirksamkeit) seien unspezifiziert und nicht auf einen quantitativen Erfolg hin ausgelegt, ist auch dem zu widersprechen. Die Formulierung in der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 23 ("Die CEF-Maßnahme A 22.1 im Segeberger Forst ist mindestens drei Vegetationsperioden vor Beginn der Waldrodung und Baufeldfreimachung ...durchzuführen") ist hinreichend bestimmt. Sofern die Kläger eine genaue zeitliche Eingrenzung der Waldrodung für erforderlich halten, ist diese nun in der überarbeiteten Fassung des Maßnahmenblattes (planfestgestellte Unterlage 12.0 S. 587) enthalten ("Waldrodung vom 01.09. - 28.02.").

140

4. Bezogen auf die verschiedenen Vogelarten ergeben sich ebenfalls keine Verstöße gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen. Sowohl die Bestandsaufnahme (a) als auch der Prüfungsmaßstab in Bezug auf die Lärmauswirkungen (b) sowie die Prüfung der einzelnen Verbotstatbestände (c) halten einer gerichtlichen Prüfung stand.

141

a) Die Bestandsaufnahme hat in einem vertretbaren Umfang stattgefunden. Die Brutvögel wurden im Jahre 2009 erstmals flächendeckend erfasst, und zwar in einem Korridor um die Vorzugstrasse von 600 m Breite bzw. bei Offenlandschaften bis zu 1 000 m Breite (Biologischer Fachbeitrag aus August 2009 S. 27). Soweit die Kläger den gewählten Korridor für zu klein halten, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der "Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr", herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ausgabe 2010, bearbeitet von A. Garniel und Dr. U. Mierwald, S. 6, künftig: Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr, liegen die empirisch festgestellten Effektdistanzen in der Größenordnung von 100 m bis max. 500 m, im Übrigen bei max. 300 m (S. 6 ff.). Der einzige hier vorkommende Vogel mit einer Effektdistanz von 500 m ist die Feldlerche, die weite Offenflächen bewohnt; auch für sie ist deshalb der gewählte Korridor ausreichend groß.

142

b) Die Lärmauswirkungen auf die Vögel wurden nicht unterschätzt. Hinsichtlich des aus Sicht der Kläger zu niedrig angesetzten Lkw-Anteils kann auf die Ausführungen zu V. verwiesen werden. Soweit die Kläger sich unter Hinweis auf das mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 22/2010 (VkBl 2010, 397) veröffentlichte sog. "Statuspapier Gussasphalt" der Bundesanstalt für Straßenwesen darauf berufen, der sog. Referenzpegel liege um 0,6 dB(A) zu niedrig, was zumindest bei naturschutzfachlichen Betrachtungen hätte berücksichtigt werden müssen, nimmt der Senat auf die umfangreiche Erwiderung des Beklagten im Schriftsatz vom 29. August 2013 Bezug. Darin wird unter Hinweis auf die beigefügte Stellungnahme des Ingenieurbüros Förster & Wolgast vom 27. August 2013 (Anlage B 7) ausgeführt, dass die Lärmimmissionen eines Straßenbauprojektes - wie hier geschehen - nach der RLS-90 zu berechnen sind (vgl. Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr S. 4). Die Aussagen des sog. "Statuspapier Gussasphalt" haben in das dort festgelegte Verfahren keinen Eingang gefunden. Hiervon unabhängig wird die in dem Papier geäußerte Schlussfolgerung, dass bei Fortschreibung des Trends zwischen 1990 und 1998 der Referenzwert heute um 0,6 dB(A) höher liege als 1998 insofern relativiert, als eingeräumt wird, dass genauere Untersuchungen dazu nicht vorlägen; messtechnisch ist also der höhere Referenzpegel nicht belegt.

143

c) Auch die Prüfung der einzelnen Verbotstatbestände ist hinsichtlich der Vögel nicht zu beanstanden.

144

Der Artenschutzbeitrag (S. 65) kommt zu dem Ergebnis, dass bezüglich aller in Schleswig-Holstein gefährdeten, seltenen oder im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie geführten Brutvögel (Eisvogel, Feldlerche, Fichtenkreuzschnabel, Heidelerche, Kiebitz, Kranich, Neuntöter, Schwarzspecht und Trauerschnäpper) sowie hinsichtlich der ungefährdeten europäischen Brutvogelarten, die in ihren nach Bruthabitaten unterschiedenen Artengilden betrachtet wurden (etwa Koloniebrüter, Gehölzbrüter etc.), die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG generell oder jedenfalls unter Berücksichtigung artspezifischer Schutz-, Vermeidungs-, Ausgleichsmaßnahmen oder CEF-Maßnahmen ausgeschlossen werden können. Der Planfeststellungsbeschluss schließt sich dieser Einschätzung an (S. 249 ff.). Insbesondere die verschiedenen Bauzeitenregelungen (vgl. Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 29 ff.) gewährleisteten, dass Tötungen vermieden werden können. Auch gegen das Zugriffsverbot der Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG werde nicht verstoßen. Zwar sei mit dem Verlust verschiedener Brutreviere, etwa der Heidelerche, der Feldlerche und des Neuntöters zu rechnen. Die Vögel könnten aber teilweise in angrenzende geeignete Habitate ausweichen; teilweise werde durch verschiedene vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) sichergestellt, dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibe.

145

Die Kritik der Kläger an dieser Bewertung greift nicht durch. Soweit sie CEF-Maßnahmen zugunsten der Feldlerche vermissen, was im Widerspruch zum Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (Formblatt Feldlerche, dort S. A-121 und A-122) stehe, kann ihre Kritik nicht nachvollzogen werden. Denn solche CEF-Maßnahmen sind vorgesehen (vgl. Artenschutzbeitrag S. 26, 51 ff. sowie Formblatt Feldlerche). So soll dem dauerhaften Verlust von fünf Revieren durch die Einrichtung von Ersatzhabitaten begegnet werden (Maßnahmen A 19.1, A 21.1 und E 28.1), davon ein Revier vor Baubeginn und vier Reviere vor Betriebsbeginn. Die Lage, weitere Voraussetzungen (wie Art der Bepflanzung und Pflege) sowie in Betracht kommende Ausgleichsflächen werden im Artenschutzbeitrag näher beschrieben. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden im Planfeststellungsbeschluss (Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 34 und 35) sowie in den genannten Maßnahmenblättern umgesetzt. Ebenso wenig ist die Kritik bezüglich der Heidelerche nachvollziehbar. Hier wird gerügt, die Maßnahme A 22.1 (Umfeldaufwertung Segeberger Forst) sei unspezifisch und nicht - wie erforderlich - auf einen quantitativen Erfolg hin ausgelegt. Aus dem Formblatt Heidelerche (S. A-131) ergibt sich jedoch, dass durch die Maßnahme u.a. ein Ersatzhabitat für ein Revier der Heidelerche geschaffen werden soll. Sowohl das Formblatt als auch das Maßnahmenblatt wurden überarbeitet; es wird jetzt genauer beschrieben, welche gestalterischen Maßnahmen (insbesondere Abschieben des Oberbodens zur Schaffung von Rohbodenstandorten) und Pflegemaßnahmen durchzuführen sind. Ohne Substanz bleibt schließlich auch die Kritik in Bezug auf den Ziegenmelker, den Raufußkauz, den Schwarzspecht und den Neuntöter. Hinsichtlich des Ziegenmelkers - einer Nachtschwalbe - beanstanden die Kläger, dass er im Artenschutzbeitrag - und konsequenterweise in den Maßnahmenblättern - fehle. Gleiches gelte für den Raufußkauz, eine Eulenart. Diese Kritik ist nicht berechtigt. Der Raufußkauz wird im Artenschutzbeitrag behandelt (dort S. 28 f.). Da er im Untersuchungsraum aber aktuell nicht nachgewiesen werden konnte, geht der Gutachter aufgrund des Vorkommens des Schwarzspechts nur vom potentiellen Vorkommen des Raufußkauzes aus. Konkrete Maßnahmen werden daher nicht abgeleitet. Das erscheint konsequent. Hinsichtlich des Ziegenmelkers gilt dasselbe: Er wurde im Untersuchungsraum nicht nachgewiesen, so dass keine Maßnahmen abzuleiten sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Schwarzspecht und dem Neuntöter; auch für diese reklamieren die Kläger Maßnahmen, da diese im Formblatt-Teil des Artenschutzrechtlichen Fachbeitrages (A-154 ff. und A-150 ff.) verlangt würden. Auch hier trifft die Kritik nicht zu, denn die im Artenschutzbeitrag lediglich geforderten Bauzeitenregelungen werden im Planfeststellungsbeschluss umgesetzt.

146

5. Soweit die Kläger geltend machen, auch der Nachtkerzenschwärmer, eine Schmetterlingsart, der im Untersuchungsgebiet nicht nachgewiesen wurde (vgl. Artenschutzbeitrag S. 25), habe in die Prüfung miteinbezogen werden müssen, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

147

6. Auch in Bezug auf Amphibien enthält der Planfeststellungsbeschluss keine durchgreifenden Mängel. Die Bestandsaufnahme hat in einem vertretbaren Umfang stattgefunden; auch die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen sind nicht zu beanstanden.

148

Bereits 1996 wurden die Amphibien flächendeckend in den Korridoren der drei Trassenalternativen (Untersuchungsraum: 350 m beidseitig der jeweiligen Trassenlinie) untersucht. Damals wurden drei Begehungen zur Erfassung der Amphibien durchgeführt. Dabei wurde nur in einem Gewässer (seinerzeit Biotop 1706) der Kammmolch nachgewiesen. Im Jahre 2003 wurden erneut alle potentiell als Laichhabitat geeigneten Gewässer (insgesamt 60) im Zeitraum von April bis einschließlich August 2003 innerhalb des faunistischen Untersuchungsraums (Streifen von beidseitig jeweils mindestens 100 m ab Trassenrand aller untersuchten Trassenvarianten) bis zu sechsmal begangen; dies wurde durch eine Potentialabschätzung der Landlebensräume ergänzt. Dominant waren die drei ungefährdeten Arten Grasfrosch, Teichmolch und Erdkröte; die seltenste Amphibienart ist der Kammmolch mit nur einem Nachweis (Gewässer Nr. 115, Lage im Bereich einer alternativen Trasse und mindestens 600 m vom planfestgestellten Eingriff entfernt). Die Knoblauchkröte wurde nicht nachgewiesen. Da die streng geschützten Arten (Kammmolch in einem Gewässer und Moorfrosch in fünf Gewässern) sämtlich außerhalb des 200 m-Korridors festgestellt wurden, werden artenschutzrechtliche Konflikte für diese beiden Arten im Artenschutzbeitrag verneint. Beide Arten verblieben in der Nähe ihres Laichplatzes und fänden im Übrigen in trassenabgewandter Nähe optimale Landlebensräume vor (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 497, 557, 608). Zum Schutz der betroffenen Amphibienbestände sieht der Planfeststellungsbeschluss ausreichende Sicherungsmaßnahmen vor: Während der Bauphase sind nach Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 41 Amphibienschutzzäune geplant, die dem Schutz vorhandener großer Amphibienpopulationen von Erdkröte, Grasfrosch und Teichmolch dienen sollen. Da Wanderbewegungen bislang nicht erfasst wurden, wird dies während der Bauphase nachgeholt; ggf. werden dauerhafte Amphibiensperranlagen errichtet (Planfeststellungsbeschluss S. 40, 260). Darüber hinaus sollen die Querungshilfen (Fahrenkruger Moorgraben, Trave, Nelkengraben und Gieselteich) auch den Amphibien dienen (Planfeststellungsbeschluss S. 501).

149

Hiervon ausgehend trifft der Vorwurf der Kläger, für die Amphibien werde fehlerhaft die Planungsrelevanz verneint, nicht zu. Dass weitere Vorkommen des Kammmolchs außerhalb des Untersuchungsraums seinerzeit wegen ihrer Lage - zu große Entfernung vom Vorhabenort - nicht systematisch erfasst wurden, ist nicht zu beanstanden. Die von den Klägern unter Hinweis auf ihr früheres Vorbringen im Linienbestimmungsverfahren behauptete Kammmolchpopulation mit insgesamt sechs Laichgewässern gehört offenbar zu diesen nicht weiter untersuchten Vorkommen. Auch der Umstand, dass im Jahre 1999 sowie offenbar erneut bei einer aktuellen Erhebung eine Knoblauchkröte gefunden wurde, stellt die methodische Angemessenheit der Amphibienkartierung nicht grundsätzlich in Frage. Im Übrigen hat der Planfeststellungsbeschluss sich bereits mit dem Vorbringen der Kläger auseinandergesetzt (vgl. S. 648); auf diese aus Sicht des Senats nicht zu beanstandenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Soweit die Kläger schließlich erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, die Planung weiche vom Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen (MAmS 2000) ab, das eine mindestens zweijährige Überprüfung der Wanderwege zwischen den Lebensräumen vorsieht, hat der Beklagte, sollte es ihm nicht gelingen, sein Vorgehen nachträglich zu plausibilisieren, die im Merkblatt vorgesehenen Untersuchungen im ergänzenden Verfahren vorzunehmen.

150

B. Die vorgenannten Mängel der Verträglichkeitsuntersuchung und der artenschutzrechtlichen Prüfung infizieren nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 67, 96 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13) auch die behördliche Beurteilung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und die planerische Abwägung (§ 17 Satz 2 FStrG). Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass die Planfeststellungsbehörde aufgrund des Ergebnisses einer ordnungsgemäßen Verträglichkeitsprüfung eine veränderte Feintrassierung und/oder andere Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen angeordnet hätte.

151

Demgegenüber begegnet die Abschnittsbildung keinen Bedenken. Die Kläger stellen diese in Frage, weil die Trasse in späteren Abschnitten auf erhebliche, teilweise rechtlich unüberwindliche Widerstände stoße. So stelle der spätere Abschnitt "Elbquerung" ein Rastgebiet für Nonnengänse dar, das als Ramsar-Gebiet auszuweisen sei; im Abschnitt "Krempermarsch" führe die A 20 am FFH-Gebiet "Wetternsystem Kollmarer Marsch" entlang, das bei zutreffender Gebietsabgrenzung sogar gekreuzt werde; eine weitere Durchschneidung erfolge im Abschnitt A 23 bis L 114 ("Westerhorn"), dort gebe es Konflikte mit Ausgleichsflächen im Zusammenhang mit der Dasa-Erweiterung. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats erfährt die grundsätzliche Zulässigkeit der Abschnittsbildung auch durch das Habitatrecht keine Einschränkung; für das Artenschutzrecht gilt nichts anderes. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils. Die Prognose muss ergeben, dass nach summarischer Prüfung der Verwirklichung des Vorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Diese Prognose fällt nicht schon deshalb negativ aus, weil das Vorhaben im weiteren Verlauf voraussichtlich nachteilige Auswirkungen auf ein FFH-Gebiet haben kann oder haben wird; vielmehr ist auch zu berücksichtigen, ob es möglich erscheint, mit Hilfe von Schutzmaßnahmen die Verträglichkeit zu gewährleisten oder aufgrund einer Abweichungsprüfung zur Zulässigkeit des Vorhabens zu gelangen (vgl. zum Ganzen Urteile vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 114 f. = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 270 f. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Nach diesem Maßstab ist die Abschnittsbildung hier auch nicht aus naturschutzrechtlichen Gründen zu beanstanden. Es wird nicht substantiiert dargetan, dass dem Gesamtvorhaben der A 20 in den Nachbarabschnitten ein unüberwindbares naturschutzrechtliches Planungshindernis entgegensteht.

152

Nicht gefolgt werden kann den Klägern auch darin, dass die Planung zu Unrecht die Gesichtspunkte Biodiversität/Klimaschutz nicht geprüft habe, obwohl das Projekt insbesondere durch die Zerschneidungswirkung und die Stickstoffeinträge wesentlich zu einer Verschlechterung beitrage. Der Planfeststellungsbeschluss hält die Biodiversitätskonvention entgegen der Darstellung der Kläger nicht für unanwendbar; vielmehr geht er - zutreffend - davon aus, dass die Konvention durch die bestehenden Richtlinien der Europäischen Union und durch das nationale Recht, etwa durch den auch von den Klägern zitierten § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG, umgesetzt worden ist. Der Sache nach sind die genannten Punkte daher durchaus geprüft worden (so auch Planfeststellungsbeschluss S. 616 f.).

153

C. Die aufgezeigten Fehler nötigen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Es genügt, ihn für rechtswidrig und nichtvollziehbar zu erklären. Die in § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG getroffene Fehlerfolgenregelung findet nicht nur auf den Abwägungsmangel, sondern - entsprechend - auch auf Verstöße gegen Vorschriften strikten Rechts Anwendung, die wie die hier festgestellten Verstöße gegen die FFH-Richtlinie der Abwägung Schranken setzen (vgl. Urteile vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 68 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 und vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <268>). Die festgestellten Fehler sind nicht von solcher Art, dass sie die Planung von vornherein als Ganzes in Frage stellen. Vielmehr besteht die konkrete Möglichkeit, dass die erforderlichen zusätzlichen Ermittlungen und Bewertungen in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

Der Bund und die Länder erfüllen die sich aus den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG ergebenden Verpflichtungen zum Aufbau und Schutz des zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie 92/43/EWG.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.