Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Juni 2018 - M 6 K 18.1261
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
-
1.den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2017 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2018 aufzuheben,
-
2.festzustellen, dass der Kläger von Mai 2015 an bis einschließlich Juni 2018 für sein Appartement im „...Hotel“, ... Str. ..., A..., keinen Rundfunkbeitrag zu zahlen hat,
-
3.festzustellen, dass die für sein Appartement unter oben genannter Adresse „...Hotel“ aufgelaufenen Rückstände von ihm nicht zu zahlen sind.
die Klage abzuweisen.
Gründe
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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Abweichend von den geänderten Bescheiden für 2010 bis 2012 über Umsatzsteuer vom 20. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2016 wird die Umsatzsteuer für 2010 auf XXXX Euro, für 2011 auf XXXX Euro und für 2012 auf XXXX Euro festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Streitwert wird auf XXXX Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger steuerfreie Vermietungsleistungen erbringt und ob der Kläger die Ausübung eines ihm gegebenenfalls zustehenden Optionsrechtes wirksam widerrufen hat.
- 2
Der Kläger vermietet in Form von Untervermietungen (Wohnraummiete) von ihm selbst angemietete Wohnungen in den ostdeutschen Ländern und Berlin als sogenannte Modelwohnungen ausschließlich an Prostituierte zu regelmäßigen Tagespreisen von 30,00 Euro und 57,00 Euro. Die Vermietung erfolgt regelmäßig für eine Woche. Die Mieterinnen wechseln danach in andere Wohnungen – auch in anderen Orten – und bieten dort ihre Dienste an. Der Kläger vermietete 2010 11 Wohnungen, 2011 18 Wohnungen und 2012 24 Wohnungen in verschiedenen Gebäuden.
- 3
Die Ausstattung der Wohnungen ist unterschiedlich. Grundsätzlich sind ein Doppelbett, ein Tisch, ein Stuhl und ein Schrank vorhanden. In den Wohnungen befinden sich ein Bad und eine Küche oder eine Kochecke. Teilweise sind die Wohnungen mit einer Waschmaschine und/oder einem Trockner ausgestattet. Die Wohnungen sind vor Einblicknahme geschützt, die Fenster sind verdunkelt und die Eingänge befinden sich regelmäßig auf dem Hinterhof. Zur Vermietung gehören Nebenleistungen, wie die Lieferung von Wasser und Wärme sowie die Müllentsorgung. Der Kläger liefert weder Bettwäsche noch Handtücher noch ist er für die Reinigung der Wohnungen zuständig.
- 4
Auf Rotlichtportalen im Internet auf der Internetseite www.XY.de gibt es eine Rubrik "Zimmer frei", mit Informationen zu freien Wohnungen und Zimmern, welche mit Telefonnummern hinterlegt sind. Unter dieser werden unter anderem freie Appartements/Modelwohnungen angeboten. Bezüglich einer Annonce ist als Kontakt die Telefonnummer des Klägers vermerkt. Auch auf der Internetseite www.YZ.de gibt es ein Feld „Termine frei“. Hier ist ebenfalls der Telefonanschluss des Klägers vermerkt.
- 5
Neben der Vermietung erbringt der Kläger laut Akteninhalt keine weiteren Leistungen. Der Steuerfahndungsdienst Mecklenburg-Vorpommern hat im Rahmen von Steueraufsichtsverfahren gem. § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 der Abgabenordnung - AO - verschiedene Mieterinnen mit einem standardisierten Fragebogen befragt. In den Verwaltungsakten des Beklagten (vgl. Bl. 26 ff Sonderakten) befinden sich 9 ausgefüllte Fragebögen.
- 6
Danach gab es in den meisten Fällen schriftliche Mietverträge (vgl. auch Untermietverträge Bl. 78 ff Rb-Akte). Die Miete wurde regelmäßig in bar an den Kläger persönlich oder – in einem Fall – an Dritte gezahlt. Der Kläger selbst hat aufgrund seines Fahrtenbuches eine Vielzahl von Fahrten zur Entgegennahme der Mieten nachgewiesen (vgl. Bl. 36 ff Bilanz- Gewinn- und Verlustrechnungsakte). Aus den Fragebögen ergibt sich weiterhin, dass die Kunden bei den Prostituierten direkt bezahlen, dass es keine vorgegebenen, aber „marktübliche“ Preise gibt. Die Frage, ob sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit kontrolliert werden, wurde verneint, die Frage, ob sie die Arbeitszeiten selbst bestimmen können, bejaht. Auf die Frage, wer in dem Objekt das Sagen hat, wird in einem Fall der Name des Klägers genannt, in 2 Fällen wird der Kläger als Ansprechpartner in dem Objekt benannt. Die Frage nach selbstbestimmten Arbeitszeiten wird – soweit nachgefragt – in allen Fällen bejaht. Ansprüche auf Urlaub werden verneint. In zwei Fällen wird angegeben, dass der Vermieter im Falle einer Erkrankung informiert wird. In einem weiteren Fall wird angegeben, dass im Falle von Urlaub „jemand“ informiert werden muss. In den übrigen Fragebögen wird – soweit nachgefragt - angegeben, dass im Falle eines Urlaubs oder einer Erkrankung niemand informiert werden muss. Die befragten Frauen haben alle angegeben, dass sie ihre Anzeigen selbst geschaltet haben.
- 7
Am 2. Juni 2015 teilte ein Mitarbeiter des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen – Steuerfahndungsstelle AG Rotlicht -, Berlin dem Beklagten mit, dass der Kläger als Betreiber der „A“ in Berlin der AG Rotlicht zukünftig monatliche Aufstellungen übersenden werde, aus denen die Mieterinnen des jeweiligen Monats hervorgehen würden.
- 8
In den Feststellungakten des Beklagten (Bl. 116 ff.) befindet sich eine Vielzahl von Quittungskopien aus den Jahren 2012 und 2013, in denen die Mieteinnahmen unter Angabe der Wohnung, des Namens der Mieterin und dem Vermietungszeitraum sowie die vereinnahmte Miete aufgeführt sind. Umsatzsteuer wurde in keinem Fall gesondert ausgewiesen.
- 9
Der Kläger meldete steuerlich am 5. Mai 2009 eine gewerbliche Tätigkeit mit dem Gegenstand "Vermietung/Beherbergung von Wohnraum" zum 1. März 2003 an. Die Art seiner Tätigkeit gab er in seinen Umsatzsteuererklärungen und – Voranmeldungen „Beherbergung“ und "kurzfristige Vermietung von Wohnraum" an. Er beantragte die Ist-Versteuerung. Der Beklagte gestattete ihm mit dem Schreiben vom 14. Mai 2009 ab 1. Januar 2009 die Umsatzsteuer nach den vereinnahmten Entgelten (Ist-Einnahmen) gemäß § 20 UStG zu berechnen.
- 10
Der Kläger ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Absatz 3 Einkommensteuergesetz - EStG -. Die Erlöse aus der Vermietung der Wohnräume betrugen 2010 XXXX Euro, 2011 XXXX Euro und 2012 XXXX Euro. Die erstattete Umsatzsteuer wird in den Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesen.
- 11
In seinen am 10. Mai 2011 (für 2010), 30. August 2012 (für 2011) und 24. Oktober 2013 (für 2012) eingereichten Umsatzsteuererklärungen unterwarf der Kläger diese Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 7%. Daneben erklärte er Umsätze zum allgemeinen Steuersatz, unter anderem auch aufgrund unentgeltlicher Wertabgaben und errechnete die Umsatzsteuer wie folgt: …
- 12
Nach einer im Dezember 2013 abgeschlossenen Steuerfahndungsprüfung, kam der Beklagte zu dem Ergebnis, dass im Streitfall keine Beherbergungsumsätze vorliegen. Es würden vielmehr kurzfristig Räumlichkeiten an Prostituierte zur Ausübung deren gewerblicher Tätigkeit überlassen, was die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausschließe.
- 13
Mit seinen nach § 164 Absatz 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 20. Januar 2014 unterwarf der Beklagte die Vermietungsumsätze dem Regelsteuersatz von 19% und setzte unter Beibehaltung aller übrigen erklärten Beträge die Umsatzsteuer für 2010 auf XXXX Euro, für 2011 auf XXXX Euro und für 2012 auf XXXX Euro fest. Die Bescheide stehen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
- 14
Hiergegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein und wandte sich zunächst gegen die Nichtberücksichtigung des ermäßigten Steuersatzes. Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens beantragte er die Steuerfreiheit der Umsätze aus der entgeltlichen Überlassung der Wohnungen. Er begründete seinen Einspruch damit, dass aus seiner Sicht kein Vertrag besonderer Art vorläge, weil er keine Maßnahmen ergriffen oder Einrichtungen geschaffen habe, die die Ausübung des Gewerbes der Bewohnerinnen fördere.
- 15
Auf die Steuerfreiheit der Vermietungsleistungen habe er nicht gem. § 9 Absatz 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – verzichtet, weil er bei der Besteuerung seiner Umsätze von einem anderen gesetzlichen Tatbestand, nämlich der – steuerpflichtigen - kurzfristigen Überlassung von Wohnräumen zur Beherbergung Fremder, ausgegangen sei. Er habe in keiner Jahreserklärung erklärt, dass er eine Option für eigentlich umsatzsteuerfreie Umsätze ausübe, denn er habe die Vermietungsumsätze aus einem anderen Grund als steuerpflichtig behandelt. Hilfsweise erkläre er nunmehr, dass er den Verzicht auf die Steuerfreiheit nicht in Anspruch nehme. Um die Rücknahme des Verzichts wirksam zu erklären, reichte der der Kläger am 28. Juli 2014 berichtigte Umsatzsteuererklärungen ein (Bl. 50 ff Rb-Akte), in denen er die Umsatzsteuer wie folgt berechnete: ...
- 16
Der Beklagte berücksichtigte die berichtigen Erklärungen nicht und wies den Einspruch des Klägers gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2016 als unbegründet zurück. Er begründete seine Entscheidung unter Berufung auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. August 1961 sowie dessen ständige Rechtsprechung, wonach bei der Überlassung von Zimmern an Prostituierte gegen Entgelt kein Mietvertrag, sondern ein Vertrag besonderer Art vorliege, wenn der Vermieter durch Maßnahmen oder Einrichtungen eine Organisation schaffe und unterhalte, die die Ausübung der Prostitution fördere. Dies sei hier gegeben, weil der Kläger die Wohnungen für die Mieterinnen zur Ausübung ihres Gewerbes eingerichtet habe. Die Wohnungen seien durch den Kläger möbliert vermietet worden. Er habe den Damen als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden. Er nehme Krankmeldungen entgegen, um die Wohnungen neu belegen zu können. Die Prostituierten würden in regelmäßigen Abständen in die Wohnungen des Klägers kommen. Die Wohnungen seien mit diversen Klingeln gekennzeichnet. Laut den Feststellungen der Steuerfahndung seien die Wohnungen vor Einblicknahme geschützt, die Fenster seien verdunkelt und die Eingänge würden sich auf dem Hinterhof befinden. In den Rotlichtportalen www.XY.de und www.YZ.de werde die Telefonnummer des Klägers in der Rubrik "Zimmer frei" angegeben
- 17
Der Kläger hat am 7. März 2016 Klage erhoben.
- 18
Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinem Vorbringen im außergerichtlichen Vorverfahren vor, dass seine erbrachten Leistungen gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei seien, weil es sich um Vermietungsleistungen an Gewerbetreibende handele. Er erbringe insoweit über die typischerweise im Gefolge einer Gewerberaumvermietung üblicherweise vorkommenden Nebenleistungen hinaus keine weiteren gesonderten Leistungen an die Mieter. Auch das Mitvermieten von einfachen Einrichtungsgegenständen würde als typische Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilen. Insoweit liege kein Vertrag besonderer Art vor. Der Kläger ist - unter Bezugnahme auf Artikel 135 Absatz 1 Buchst. I der, Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) - der Ansicht, dass die Auffassung des Beklagten weder mit dem geltenden Recht, noch mit der Rechtsprechung des BFH vereinbar sei. Soweit er auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichtet haben sollte, was er weiterhin bestreite, habe er diesen Verzicht mit seinen geänderten Umsatzsteuerklärungen wirksam zurückgenommen, weil die Steuerfestsetzung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden habe.
- 19
Der Kläger beantragt,
abweichend von den Bescheiden über Umsatzsteuer für 2010, 2011 und 2012 jeweils vom 20. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2016 die Umsatzsteuer für 2010 auf XXXX Euro, für 2011 auf XXXX Euro und für 2012 auf XXXX Euro festzusetzen sowie
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
- 20
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 21
Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
- 22
Dem Gericht lagen je ein Band Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer-, Feststellungs-, Sonder-, Rechtsbehelfs-, Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnungsakten sowie ein Ordner „B“ vor.
Entscheidungsgründe
- 23
Die zulässige Klage ist begründet.
- 24
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
- 25
Die Leistungen des Klägers sind nach § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG steuerfrei, denn der Kläger hat Vermietungsleistungen im Sinne dieser Vorschrift erbracht (1.) und seinen Verzicht auf die Steuerbefreiung wirksam widerrufen (2.).
1.
- 26
Steuerfrei ist nach § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzung von Grund und Boden betreffen. Unionsrechtlich befreit Art. 135 Absatz 1 Buchst. I MwStSystRL die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Die Steuerfreiheit erstreckt sich dabei auch auf die Vermietung einzelner Räume (vgl. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBI. II 1992, 209; vom 21. April 1993 XI R 55/90, BFHE 172,141 BStBl. II1994,266; vom 24. April 2014 V R 27/13, BFHE 245,404, BStBl. II 2014, 732; vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BFHE 248,436, BStBl. II 2015, 427).
- 27
Ob eine Vermietungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich aufgrund richtlinienkonformer Auslegung nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach dem Unionsrecht (vgl. EuGH-Urteil vom 16. Januar 2003 C-315/00, Maierhofer, Sig. 2003,1-563, BFH/NV Beilage 2003,104; BFH-Urteile vom 7. Juli 2011 V R 41/09, BFHE 234,513; BStBl. II 2014, 73; vom 21. Februar 2013 V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635; vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BFHE 245,92, BFH/NV 2014, 1159).
- 28
Wesentliches Merkmal der steuerfreien Vermietung im Sinne von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG ist nach der Rechtsprechung des BFH, dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. BFH-Urteile vom 13. Februar 2014 V R 10/12, a.a.O.; vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398, juris; vom 24. September 2015 V R 30/14, BFHE 251, 456, BStBl. II 2017, 132 ).
- 29
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Indem der Kläger den Mieterinnen die Wohnungen überließ, räumte er ihnen eine Besitzposition dergestalt ein, dass sie während der Berechtigungszeit mit den Räumlichkeiten "wie ein Eigentümer" verfahren konnten und andere von der Inbesitznahme derselben nach eigenem Belieben ausschließen konnten.
1.1
- 30
Dass der Kläger die Wohnungen in der Regel nur über einen Zeitraum von einer Woche vermietete, ist unschädlich.
- 31
Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG für die Vermietung möblierter Räume oder Gebäude bejaht, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte und nicht um eine kurzfristige Überlassung handelt (vgl. BFH-Urteile vom 20. August 2009 V R 21/08, BFH/NV 2010, 473; vom 8. August 2013 V R 7/13, BFH/NV 2013, 1952; vom 22. August 2013 V R 18/12, BFHE 243, 32, BStBl. II 2013, 1058; vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, a.a.O.). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu Artikel 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, wonach "die Dauer der Grundstücksnutzung ein Hauptelement eines Mietvertrags" bildet (vgl. EuGH-Urteile vom 12. Februar 1998 C-346/95, Blasi, Sig. 1998, 1-481, UR 1998, 189, und Stockholm Lindöpark vom 18. Januar 2001 C-150/99 in Slg. 2001, 1-493, BFH/NV Beilage 2001, 44, UR 2001, 153).
- 32
Das Merkmal der "nicht nur kurzfristigen Überlassung" von möblierten Räumlichkeiten respektive der "auf Dauer angelegten Vermietung" dient aber lediglich zur Abgrenzung der gemäß § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG steuerfreien Vermietung von Grundstücken von der gemäß § 4 Nummer 12 Satz 2 UStG nicht von der Umsatzsteuer befreiten Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Die Dauer der Beherbergung ist damit geeignetes Kriterium zur Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe (als steuerpflichtigem Umsatz) einerseits und der Vermietung von Wohnräumen (als befreitem Umsatz) andererseits, da sich die Beherbergung im Hotel u. a. gerade bezüglich der Verweildauer von der Vermietung eines Wohnraums unterscheidet (vgl. BFH-Urteile vom 22. August 2013 V R 18/12, a.a.O., vom 8. August 2013 V R 7/13, a.a.O.).
- 33
Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 135 Absatz 2 Buchst. a MwStSystRL. Danach ist insbesondere "die Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern" von der Steuerfreiheit für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 2015 V R 30/14, BFHE 251, 456, BStBl. II 2017, 132).
- 34
Bei den vom Kläger wochenweise vermieteten Wohnungen handelt es sich aber nicht um Wohn- oder Schlafräume, die der Kläger zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithielt, denn es ist rechtlich geklärt, dass die Vermietung von Räumen an Prostituierte zum Zweck der Ausübung der Prostitution keine kurzfristige Beherbergung von bereitgehaltenen Wohn- und Schlafräumen an Fremde darstellt (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Januar 2015 XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864; Urteil vom 24. September 2015 V R 30/14, a.a.O. m.w.N.).
1.2
- 35
Die Vermietung der Wohnungen war auch nicht derart mit zusätzlichen Leistungen verbunden, dass die weiteren Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge gegeben haben.
- 36
Eine Grundstücksvermietung im Sinne des § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG ist dann nicht anzunehmen, wenn nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, eine bestimmte Betätigung auszuüben, aus Sicht des Leitungsempfängers im Vordergrund steht, es sich mithin um einen Vertrag besonderer Art handelt und zusätzliche Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, a.a.O., Beschluss vom 13. September 2002 V B 51/02, BFH/NV 2003, 212, juris).
- 37
Eine gegenüber der Vermietung andersartige Leistung hat der EuGH (Urteil Stockholm Lindöpark vom 18.Januar 2001 C-150/99, a.a.O.) unter anderem bei der Überlassung eines Golfplatzes für den Golfsport dann angenommen, wenn neben die kurzfristige Grundstücksüberlassung eine Vielzahl zusätzlicher geschäftlicher Aktivitäten wie Aufsicht, Verwaltung, Unterhaltung sowie die Zurverfügungstellung anderer Anlagen tritt, die der Grundstücksüberlassung ein anderes Gepräge geben. Von einer andersartigen Leistung ist der BFH auch bei der Vermietung in einem "Bordell" ausgegangen (vgl. BFH- Urteile vom 22. August 2013 V R 18/12, a.a.O. und vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, a.a.O.). Im Übrigen hat die Rechtsprechung andersartige Leistungen dann angenommen, wenn den Prostituierten Kontaktmöglichkeiten durch eine im Gebäude befindliche Bar erleichtert wurden, die Besucher kontrolliert werden konnten, behördliche Beziehungen durch Einbehaltung der Einkommensteuer – „Düsseldorfer Modell“ – erleichtert wurden (vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 24. April 2001 2 K 1998/99, „Eroscenter“, juris; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 1. Juni 2012 1 K 2723/10, juris), wenn ein spezieller Raum zur Kontaktaufnahme und Vertragsanbahnung zur Verfügung stand, die Prostituierten sich in sogenannten „Koben“ zur Schau stellen konnten, die vermieteten Räumlichkeiten mit einem Alarmknopf und einer Gegensprechanlage ausgestattet waren, die Reinigung der Zimmer übernommen und den Prostituierten die Nutzung von Gemeinschaftsanlagen wie beispielsweise einer Küche ermöglicht wurde (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 2. Dezember 2010 5 K 387/07, juris)
- 38
Vergleichbare Leistungen hat der Kläger nicht erbracht.
- 39
Der Kläger vermietete Wohnungen, die sich ihrer Ausstattung nach nicht von vergleichbaren zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen unterschieden. Weder das Vorhandensein eines Bettes, eines Schranks, einer Waschmaschine, eines Trockners, einer Küche oder eines Bades geben der Vermietungsleistung ein anderes Gepräge. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Finanzgericht Hamburg (vgl. Urteil vom 17. September 2015 2 K 253/14, EFG 2016,243) selbst dann keine andersartige Leistung angenommen hat, obwohl bei den dortigen Begebenheiten die Eingangstür per Videokamera überwacht worden war, jedes Zimmer ein Klingelschild hatte und wie bei einem hotelähnlichen Betrieb Handtücher und Bettwäsche gestellt worden waren. Das Finanzgericht Hamburg hielt entsprechende Ausstattungsmerkmale auch bei einer Wohnraumvermietung für denkbar und nicht unüblich. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
- 40
Dass die Wohnungen von außen nicht einsehbar sind und sich deren Zugänge überwiegend im Hinterhof befinden, rechtfertig keine andere Annahme, da auch vergleichbare Wohnungen, die ausschließlich zu Wohnzwecken verwendet werden, entsprechend belegen sein können bzw. teilweise von Mietern - zum Schutze ihrer Privatsphäre und Anonymität - bevorzugt werden. Entsprechendes gilt für die Annahme des Beklagten, dass die Tatsache, dass der Kläger sich den Mietzins in bar übergeben lasse, für eine andersartige Leistung des Klägers spreche. So ist es zwar bei Dauerschuldverhältnissen unüblich, dass die Geldleistung in bar entrichtet wird, bei einer Vermietungsleistung von einem Zeitraum von lediglich einer Woche aber gleichwohl nicht.
- 41
Im Übrigen spricht die Tatsache, dass der Kläger auf Onlineportalen unter Angabe seiner Telefonnummer für die Anmietung der Wohnungen wirbt, nicht für die Erbringung einer sonstigen Dienstleistung, die der Vermietung ein anderes Gepräge gibt. So obliegt es dem Steuerpflichtigen, der eine Vermietungsleistung erbringen möchte, ob und wo er für diese wirbt. Da der Kläger die Wohnungen ausschließlich an Prostituierte vermietet, erscheint es nur sachgerecht, dass er seine Leistung auch auf den einschlägigen Internetseiten anbietet.
- 42
Letztlich kann auch die Behauptung des Beklagten, dass der Kläger Krankmeldungen von seinen Mieterinnen entgegen nehme, keine andere Beurteilung des Streitfalls rechtfertigen. Selbst bei unterstellter Richtigkeit der Tatsache läge gleichwohl keine andersartige Leistung des Klägers vor. So sind im Rahmen einer nicht auf Dauer angelegten Vermietungsleistung zu gewerblichen Zwecken in der Regel beide Parteien gleichermaßen daran interessiert, dass die Leistung entsprechend nur erbracht werde, sofern kein Hinderungsgrund für dieselbe besteht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Mieterinnen den Mietzins durch die Ausübung ihres Gewerbes erst erwirtschaften. Hieran ist letztlich auch der Vermieter interessiert, zumal er bei einer nur kurzfristigen Vermietung auf den Abschluss eines erneuten Mietvertrages zielt. Selbst bei Beherbergungen - wo ein gewerblicher Abschluss des Vertrages seitens der Mieter in der Regel nicht gegeben ist - räumt der Vermieter aus Kulanzgründen regelmäßig großzügige Stornierungsmöglichkeiten ein, da er an einer langfristigen Geschäftsbeziehung interessiert ist. Entsprechend erscheint es insoweit nicht ungewöhnlich, dass die Mieterinnen dem Kläger eine Erkrankung melden, sodass er das Zimmer erneut vermieten, eine Aufhebung des bereits geschlossenen Vertragsverhältnisse mithin erfolgen kann.
- 43
Dass der Kläger die behördlichen Beziehungen unter Anwendung des sogenannten Düsseldorfer Modells erleichtert hat, ist für die Streitjahre nicht feststellbar. Erst ab 2015 hat der Kläger mit der Berliner Finanzverwaltung eine Vereinbarung geschlossen, wonach er monatlich Namenslisten seiner Mieterinnen überreicht. Rückschlüsse auf das Streitjahr erlaubt diese Vereinbarung aber nicht.
2.
- 44
Zwar hat der Kläger wirksam gem. § 9 Absatz 1 UStG auf die Steuerfreiheit verzichtet (2.1), diesen Verzicht aber durch Abgabe berichtigter Umsatzsteuererklärungen während des Einspruchsverfahrens wirksam widerrufen (2.2).
2.1
- 45
Der Kläger hat auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze gem. § 9 Absatz 1 UStG verzichtet. Danach kann der Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nummer 12 UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der Kläger erbringt Vermietungsleistungen an einen anderen Unternehmer, denn nach dem Beschluss des Großen Senats vom 20. Februar 2013 (GrS 1/12, BFHE 140, 282, BStBl. II 2013, 441) erzielen selbständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 46
Die Optionsausübung bedarf keiner Form und kann durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Üblicherweise geschieht dies durch den Umsatzsteuerausweis in Rechnungen oder durch die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen. Im Streitfall hat der Kläger durch den Antrag auf Ist-Besteuerung, die schriftlichen Angaben in seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen und in den Gewinnermittlungen eindeutig zu erkennen gegeben, dass er die Vermietungsleistungen als steuerpflichtig behandeln wollte. Dass er dabei von Vermietungsleistungen nach § 4 Nummer 12 Satz 2 UStG ausgegangen ist, ist für die Annahme einer wirksamen Option unerheblich, denn systematisch ist § 4 Nummer 12 Satz 2 UStG lediglich ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 18/12, a.a.O.).
2.2
- 47
Der Kläger hat den Verzicht auf die Steuerbefreiung durch Einreichung berichtigter Umsatzsteuererklärungen wirksam widerrufen.
- 48
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung bis zur Unanfechtbarkeit oder solange der Bescheid aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gem. § 164 AO noch änderbar ist, rückgängig gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 2013 V R 6/12, BFHE 245, 71; vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl. II 2003, 673). Die Rückgängigmachung wirkt auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurück.
- 49
Die hier streitigen Bescheide stehen nach wie vor unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Absatz 1 AO.
- 50
Durch Abgabe berichtigter Umsatzsteuererklärungen, in denen der Kläger die Vermietungsumsätze nicht mehr aufgeführt hat, hat er seine Verzichtserklärung wirksam widerrufen. Dass er weiterhin der Auffassung ist, nicht wirksam auf die Steuerbefreiung verzichtet zu haben, ist dabei unschädlich, denn insoweit ist der Verzicht hilfsweise erklärt worden.
- 51
Im Streitfall bedurfte es keiner berichtigten Rechnungen, um die Rücknahme des Verzichts in formaler und zeitlicher Hinsicht wirksam zum machen (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 19. Dezember 2013 V R 6/12, a.a.O. und vom 1. Februar 2001 V R 23/00, a.a.O.), denn der Kläger hat – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – in den Abrechnungspapieren über seine Vermietungsleistungen keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen.
3.
- 52
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit der entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nummer 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO -. Die Revision hat das Gericht gem. § 115 Absatz 2 Nummer 1 FGO zugelassen. Die Streitwertberechnung beruht auf §§ 52, 63 Gerichtskostengesetz – GKG -.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.