nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 3 ZB 15.1567, 06.10.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 5 K 14.1598

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 9. Juni 2015 (§§ 116 Abs. 1, 117 Abs. 6 VwGO)

5. Kammer

Sachgebiets-Nr. 1330

Hauptpunkte:

Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe;

Lehrerin;

fachliche Nichteignung;

Kündigungsverbot;

Mutterschutzverordnung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat Bayern vertreten durch: Regierung von Oberbayern Prozessvertretung Bayerstr. 30, 80335 München

- Beklagter -

wegen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 5. Kammer,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die am ... 1970 geborene Klägerin stand seit dem 6. November 2006 als Lehrerin für das Lehramt an Grundschulen an der M.-J.-Schule in G. in den Diensten des Beklagten. Sie war zuletzt mit einem Lehrdeputat von 8 Stunden beschäftigt.

In den Probezeitbeurteilungen vom 23. April sowie vom 25. November 2010 wurde der Klägerin jeweils das abschließende Urteil „noch nicht geeignet“ vergeben. Die Probezeit wurde mit Bescheid vom ... September 2010 bis zum 28. Januar 2011 und mit Bescheid vom ... Januar 2011 bis zum 31. Juli 2011 verlängert.

In der Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011, die den Beurteilungszeitraum vom 6. November 2006 bis zum 31. Juli 2011 umfasst, der Klägerin am 9. August 2011 eröffnet, wurde ausgesprochen, dass sich die Klägerin in der Probezeit hinsichtlich ihrer Leistung, Eignung und Befähigung nicht bewährt habe und daher nicht in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden könne. Gegen die Probezeitbeurteilung hat die Klägerin Klage erhoben (M 5 K 14.4589), über die mit Urteil vom 9. Juni 2015 entschieden wurde.

Mit Schreiben vom ... August 2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre Entlassung beabsichtigt sei und mit Bescheid vom ... September 2011 ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen, das die Klägerin nicht angegriffen hat. Bei einer Fortsetzung der Lehrtätigkeit sei zu befürchten, dass die Schüler einer fachlich und pädagogisch unzureichenden Unterrichtsversorgung ausgesetzt seien und in ihrer Entwicklung nicht genügend gefordert würden. Ein weiterer Verbleib der Klägerin im Unterricht könne den Schülern nicht zugemutet werden.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom ... Oktober 2011 Einwendungen gegen die beabsichtigte Entlassung, da sie zu wenig Unterstützung und Anleitung erfahren habe.

Der Personalrat wurde mit Schreiben vom ... November 2011 beteiligt und stimmte der beabsichtigten Entlassung mit Schreiben vom ... November 2011 zu.

In einer Stellungnahme vom ... November 2011 führte Rektor F. der M.-J.-Schule aus, dass er bei seinen Unterrichtsbesuchen bei der Klägerin gravierende Mängel festgestellt habe. Es seien Überforderungen der Schüler festzustellen, falsche Tafelbilder seien verwendet worden, die Schülerinnen und Schüler würden sich massiv fehlverhalten, ohne dass die Klägerin nachhaltig auf diese einwirke und es herrschten des Öfteren chaotische Zustände in der Klasse. Er habe nach den jeweiligen Unterrichtsbesuchen Nachbesprechungen durchgeführt und der Klägerin Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt. Mit Schreiben vom ... November 2011 legte der damalige Schulrat M. des Schulamts R. dar, dass mit der Klägerin vor dem Ablauf des Beurteilungszeitraums der dritten Probezeitbeurteilung am 25. November 2010 eine Zielvereinbarung geschlossen worden sei, weshalb die Probezeit bis zum 31. Juli 2011 verlängert worden sei. Aus den Probezeitbeurteilungen und den Anlagen sei ersichtlich, dass trotz intensiver Betreuung seit 2007 die damals schon aufgetretenen Mängel nicht hätten beseitigt werden können. Um den Unterrichtserfolg zu sichern, habe die Klassenlehrerin, in deren Klasse die Klägerin unterrichte, regulierend eingreifen müssen. Die Klägerin habe ihre Klasse nicht im Griff und lehre deshalb nur zu einem Teil der Unterrichtszeit. Sie beurteile die Situation in der Klasse falsch und könne ihr eigenes Verhalten nicht genügend reflektieren. Daher habe die lange intensive Betreuung von Schulräten, Schulleitern und erfahrenen Kolleginnen bei der Klägerin nicht zum Erfolg geführt. Eine weitere Verlängerung der Probezeit sei nicht sinnvoll, weil auch zukünftig nicht zu erwarten sei, dass die Mängel behoben werden könnten.

Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom ... November 2011 wurde die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Ablauf des 31. Dezember 2011 verfügt. Die Klägerin sei fachlich nicht geeignet. Sie hätte ausreichend Unterstützung und Anleitung erfahren. Es habe Elternbeschwerden gegeben und in der Klasse der Klägerin hätten chaotische Zustände geherrscht. Darauf sei die Klägerin in Gesprächen vor und nach der Erstellung der Probezeitbeurteilungen hingewiesen worden.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom ... Dezember 2011 Widerspruch ein, der am ... November 2013 begründet wurde. Die Regierung gehe von falschen Tatsachen aus, außerdem seien ihre Einwendungen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom ... März 2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Im Hinblick auf die mangelnde Bewährung der Klägerin sei die Probezeit bereits zweimal verlängert worden. Auch die Dauer der Probezeit sei richtig berechnet worden.

Mit Schriftsatz vom 16. April 2014, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom ... November 2011 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Regierung vom ... März 2013 aufzuheben.

Die Probezeit der Klägerin habe frühestens am 24. September 2012 geendet, sie sei daher zu Unrecht vor Ablauf der Probezeit entlassen worden. Die Probezeit hätte vielmehr verlängert werden müssen. Auch Mutterschutz und die Elternzeit der Klägerin seien zu berücksichtigen. Überdies seien die aufgetretenen Schwierigkeiten nicht so gravierend gewesen. Zudem sei die Entlassungsverfügung rechtswidrig, da sie innerhalb der Vier-Monats-Frist des § 11 der Bayerischen Mutterschutzverordnung/BayMuttSchuV ausgesprochen worden und die Klägerin seinerzeit im dritten Monat schwanger gewesen sei. Sie habe ihr Kind am ... August 2011 verloren. Ein Gewicht des Fötus unter 500 g könne zum Zeitpunkt des Verlustes des Kindes nicht mehr festgestellt werden. Im Übrigen habe die Probezeitbeurteilung als Grundlage für die Entlassung nicht herangezogen werden dürfen.

Die Regierung von Oberbayern hat mit Schreiben vom 11. Februar 2015 für den Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Probezeit sei ordnungsgemäß berechnet worden. Die Nichteignung der Klägerin habe nach der letzten Probezeitbeurteilung endgültig festgestanden, so dass der genaue Ablaufzeitpunkt der Probezeit nicht maßgeblich sei. Eine Verlängerung sei nicht möglich gewesen. Auch die Ansichten der Kolleginnen der Klägerin seien bei der Entlassungsentscheidung berücksichtigt worden, hätten jedoch zu keiner anderen Einschätzung geführt. Auch die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin sei in den Blick genommen worden. Die angeführten Defizite und Mängel seien auch ausreichend dokumentiert. Darüber hinaus hätten die Voraussetzungen der Entbindungsdefinition nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Zeitpunkt der Entlassungsverfügung nicht vorgelegen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift vom 9. Juni 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Entlassungsverfügung der Regierung von Oberbayern ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtlicher Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung ist im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Beamtenstatusgesetzes/BeamtStG i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Leistungslaufbahngesetzes /LlbG. Danach können Beamtinnen und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Allerdings besteht für den Dienstherrn im Rahmen der „Kann - Regelung“ des § 23 Abs. 3 BeamtStG kein Handlungsermessen mehr, wenn die mangelnde Bewährung eines Beamten auf Probe feststeht, vgl. Art. 12 Abs. 5 LlbG.

Diese Entscheidung ist gerichtlich nur dahingehend überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden fachlichen Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BVerwG, U. v. 18.7.2001 - 2 A 5/00 - ZBR 2002, 184). Die beamtenrechtliche Probezeit soll dem Beamten die Möglichkeit geben, während des gesamten Laufs der Probezeit seine Eignung und Befähigung zu beweisen. Eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung ist sachlich bereits dann gerechtfertigt, wenn sich während der Probezeit Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten ergeben (BVerwG, U. v. 29.9.1960 - II C 79.59 - BVerwGE 11, 139/140). Der Feststellung der Bewährung während der Probezeit kommt als Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der Charakter einer Prognose im Hinblick darauf zu, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird. Eine mangelnde Bewährung liegt also nicht erst dann vor, wenn endgültig die fehlende Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung erwiesen ist, sondern schon dann, wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Beamte den an ihn zu stellenden Anforderungen persönlich oder fachlich gewachsen sein wird (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand März 2015, § 23 BeamtStG Rn. 136 m. w. N.). Bei der Feststellung der Bewährung oder mangelnden Bewährung, die von den zahlreichen Anforderungen des konkreten Aufgabengebiets sowie von der Beurteilung der Persönlichkeit des Beamten abhängt, handelt es sich um ein an den Anforderungen der konkreten Laufbahn auszurichtendes, persönlichkeitsbedingtes Werturteil. Letztlich kann nur die Dienstbehörde sachverständig und zuverlässig beurteilen, welche fachlichen und persönlichen Anforderungen an ein konkretes Aufgabengebiet zu stellen sind und ob ein Beamter diesen Anforderungen gewachsen ist (VG München, B. v. 24.6.2013 - M 5 S 13.2475 - juris).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist gegen die Entlassungsverfügung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe rechtlich nichts zu erinnern.

a) Insbesondere haftet der Entlassungsverfügung kein formaler Mangel an. Der Hauptpersonalrat ist auf Antrag der Klägerin nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) beteiligt worden. Auch die in Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) genannten Entlassungsfristen sind eingehalten. Die Anhörung (Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes /BayVwVfG) der Klägerin ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Nach dieser Bestimmung ist dem Beteiligten an einem Verwaltungsverfahren vor Erlass eines in dessen Rechte eingreifenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Der Klägerin wurde mit Schreiben vom ... August 2011 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entlassung gegeben. Als Grund waren ihre mangelnden Leistungen während der Probezeit genannt, die sich aus der Probezeitbeurteilung ergäben.

b) Der Entlassungsbescheid ist auch im Rahmen der dem Gericht zukommenden Prüfung materiell nicht zu beanstanden.

Die Regierung von Oberbayern hat die Klägerin ohne Rechtsfehler wegen fehlender fachlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Aus der Begründung des Entlassungsbescheids sowie des Widerspruchsbescheids ergibt sich, dass der Beklagte nach der ihm als Dienstherr zukommenden Einschätzung davon ausgegangen ist, dass die Klägerin sich während der Probezeit nach den insofern maßgeblichen Kriterien der fachlichen Eignung nicht bewährt hat, somit nach § 10 Satz 1 BeamtStG die Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nicht erfüllt und nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BeamtStG zu entlassen war.

Formale Grundlage für die Feststellung der fachlichen Bewährung ist in erster Linie die Probezeitbeurteilung (vgl. Zängl in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand März 2015, § 23 BeamtStG Rn. 146). Der Umstand, dass die Probezeitbeurteilung angegriffen wurde, hindert ihre Verwertung nicht (BayVGH, B. v. 30.11.2009 - 3 Cs 09.1773 - juris). Die Beurteilung erwies sich im Verfahren M 5 K 14.4589 als rechtmäßig.

Auf die Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011 bezieht sich der angefochtene Bescheid ausdrücklich. Darin wurde ausgeführt, an welchen Stellen sich die Defizite der Klägerin offenbarten. In allen Beurteilungsmerkmalen wurden Mängel und Fehler aufgezeigt und durch ausführliche textliche Erläuterungen verdeutlicht.

Die Rüge der Klägerin, wonach die seitens des Beklagten erhobenen Vorwürfe sich als pauschal oder unwahr darstellten bzw. nicht so gravierend gewesen seien, greift nicht durch. Der Beklagte hat seiner der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht entspringenden Aufgabe, die Grundlage seiner Entscheidung transparent zu machen (BVerfG, B. v. 15.12.1976 - 2 BvR 841/73, BVerfGE 43, 154 = NJW 1077, 1189; so auch Voitl/Luber, Leistungslaufbahngesetz, Art. 12 Rn. 34), hinreichend entsprochen (vgl. BayVGH, B. v. 30.11.2009 - 3 CS 09.1773 - juris). Sowohl die Vorfälle in der Klasse der Klägerin als auch die Versäumnisse in der Unterrichtsplanung und -gestaltung wurden nach den Unterrichtsbesuchen durch den damaligen Schulrat M. sowie den Rektor F. mit der Klägerin besprochen. Nach deren Aussagen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2015 ließen sie der Klägerin eine intensive Betreuung zukommen und gaben Anleitung zur Verbesserung. Auch elf Hospitationen von Kolleginnen blieben fruchtlos.

Im vorliegenden Fall offenbaren ferner die dem Entlassungsbescheid zugrunde gelegten Defizite und Mängel der Klägerin, dass die Zweifel des Beklagten an der fachlichen Eignung für den Beruf einer Lehrerin und die Feststellung über den Ausschluss einer positiven Prognose gerechtfertigt sind. Dass bei der Klägerin gravierende Fehler im Unterricht auftraten, steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Aussagen der Zeugen R. und M. in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2015, an deren Glaubwürdigkeit das Gericht keine Zweifel hegt.

c) Der Einwand der Klägerin, die Probezeit hätte verlängert werden müssen, greift nicht durch. Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 LlbG dauert die regelmäßige Probezeit zwei Jahre. Diese kann nach Art. 12 Abs. 4 Satz 1 LlbG auf bis zu fünf Jahre verlängert werden, wenn der Beamte sich nicht bewährt hat. Die Verlängerung steht jedoch - entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten - im Ermessen des Dienstherr (Voitl/Luber, Leistungslaufbahngesetz, Art. 12 Rn. 34). Eine Pflicht des Dienstherrn, die Probezeit bei mangelnder Bewährung auf bis zu fünf Jahre auszudehnen, besteht hingegen nicht. Auch Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Verlängerung sind weder vorgetragen noch ersichtlich (Voitl/Luber, a. a. O.). Vielmehr eröffnet Art. 12 Abs. 5 LlbG keinen Ermessensspielraum, wenn die mangelnde Bewährung feststeht.

Der Beklagte hat im Bescheid und Widerspruchsbescheid dargelegt, dass bei der Klägerin Defizite in solchem Ausmaß vorliegen, dass sie nicht behoben werden könnten (vgl. dazu Zängl in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand März 2015, Art. 12 LlbG Rn. 29). Eine nochmalige Verlängerung der Probezeit war daher nicht angezeigt. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass der Dienstherr mit bestandskräftigem Bescheid vom ... September 2011 ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen hat.

Der Pflicht, dem Beamten jeweils mitzuteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Probezeit verlängert wird (Zängl in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand März 2015, Art. 12 LlbG, Rn. 34), hat der Beklagte ferner Genüge getan. In den Bescheiden vom ... September 2010 sowie vom ... Januar 2011 wurde der Klägerin jeweils nicht nur die Verlängerung der Probezeit, sondern auch bis zu welchem Zeitpunkt dies erfolgen solle, mitgeteilt (jeweils bis zum 28.1. bzw. bis zum 31.7.2011).

d) Soweit die Klägerin rügt, der Beklagte hätte aufgrund ihrer Schwangerschaft eine Entlassung nicht aussprechen dürfen, vermag sie damit nicht durchzudringen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BayMuttSchV darf eine Probebeamtin während der Schwangerschaft oder vier Monate nach der Entbindung nicht entlassen werden. Nachdem die Klägerin ihr Kind am ... August 2011 verloren hatte, war sie zum Zeitpunkt der Entlassung mit Bescheid vom ... November 2011 nicht schwanger. Auch die Definition einer Entbindung ist vorliegend nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (U. v. 12.12.2013 - 8 AZR 838/12 - juris), die sich auf den insofern gleich lautenden § 9 Abs. 1 Satz 1 des Mutterschutzgesetzes/MuSchG bezieht, nicht erfüllt. Unter „Entbindung“ ist grundsätzlich die „Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib“ zu verstehen, was bei einer Lebendgeburt vollkommen unproblematisch ist (vgl. BAG, U. v. 16.2.1973 - 2 AZR 138/72 - BAGE 25, 70; Schlachter in Erfurter Kommentar, 15. Auflage 2015, § 6 MuSchG, Rn. 2).

Für die Beurteilung, ob auch eine anderweitige Beendigung der Schwangerschaft als „Entbindung“ im Rechtssinne zu werten ist, kann § 31 Abs. 2 der Personenstandsverordnung/PStV (BGBl. I 2008 S. 2263) herangezogen werden. Danach gilt die „Leibesfrucht“ entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1977 als (tot geborenes oder in der Geburt verstorbenes) Kind, wenn sie mindestens 500g wiegt (BAG, U. v. 15.12.2005 - 2 AZR 462/04 - juris). Auch in einem solchen Fall ist von einer Entbindung auszugehen (BAG, U. v. 12.12.2013 - 8 AZR 838/12 - juris). Ein tot geborenes Kind von geringerem Körpergewicht als 500g gilt dagegen als Fehlgeburt, § 31 Abs. 3 PStV, was keine Entbindung im Sinne des Mutterschutzgesetzes darstellt. In diesem Fall einer Fehlgeburt besteht der Schutz vor Kündigungen nur während der Schwangerschaft. Dem entspricht die medizinische Terminologie und Einteilung. In der medizinischen Wissenschaft wird erstmals ab einem Gewicht des Kindes von 500g und mehr von eine Totgeburt anerkannt. Dieses Gewicht ist erst ab der 22. Schwangerschaftswoche zu erwarten (Runnebaum/Rabe, Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin Bd. 2, S. 414; Hadlock/Harrist, In utero analysis of fetal growth: a sonographic weight standard, Radiology, Oct. 1991, 181(1):129-33; Tabelle im Internet verfügbar unter http://www.bluni.de/index.php/a/schwanger_bio_gewicht; vgl. BAG, U. v. 12.12.2013 - 8 AZR 838/12 - juris).

Nach dem Vortrag der Klägerin befand sie sich Anfang August 2011 im dritten Schwangerschaftsmonat, mithin in der 8. bis 15. Schwangerschaftswoche. Daher ist nicht davon auszugehen, dass das Gewicht des Kindes mehr als 500g betrug. Dies wurde von ihr auch nicht substantiiert vorgetragen. Da es sich um eine für die Klägerin günstige Tatsache handelt, obliegt ihr insofern die materielle Beweislast. Es ist dem Beklagten weder möglich noch zumutbar, den Beweis für das damalige Gewicht des Kindes der Klägerin zu erbringen. Das liegt vielmehr ausschließlich in der Sphäre der Klägerin.

3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.151,05 festgesetzt (§ 52 Abs. 6 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 5 K 14.1598 Im Namen des Volkes Urteil vom 9. Juni 2015 (§§ 116 Abs. 1, 117 Abs. 6 VwGO) 5. Kammer Sachgebiets-Nr. 1330 Hauptpunkte: En

Verwaltungsgericht München Urteil, 14. Juni 2016 - M 5 K 16.453

bei uns veröffentlicht am 14.06.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder H

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(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.

(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die am ... 1970 geborene Klägerin stand als Lehrerin (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten des Beklagten und war als Lehrerin an der ...-Schule in ... tätig. In der Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011 für den Beurteilungszeitraum vom 6. November 2006 bis zum 31. Juli 2011 (eröffnet am 9.8.2011) wurde die Klägerin als „nicht geeignet“ für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit angesehen. Inhaltlich wurde u. a. ausgeführt, dass die Klägerin die Zeitplanung der Stoffverteilungspläne nicht einhielte, die Tagesvorbereitungen entsprächen nicht den gehaltenen Stunden und die praktische Umsetzung des geplanten Unterrichts gelänge der Klägerin ebenfalls nicht. Auch das Vorgehenstempo und der Anspruch seien nicht altersgemäß.

Mit Schreiben vom ... August 2011 wurde ihr mitgeteilt, dass ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe beabsichtigt sei. Ebenso wurde mit Bescheid vom ... September 2011 ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte für die Klägerin ausgesprochen, gegen das diese nicht vorging.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom ... Oktober 2011 gegen ihre Entlassung Einwendungen und führte aus, dass sie zu wenig Unterstützung und Anleitung erhalten habe. Mit Bescheid vom ... November 2011 wurde die Entlassung der Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aufgrund ihrer fachlichen Nichteignung verfügt.

Dagegen wendete sie sich mit Widerspruch vom ... Dezember 2011, der mit Widerspruchsbescheid vom ... März 2014 zurückgewiesen wurde.

Gegen die Entlassung hat die Klägerin Klage erhoben (M 5 K 14.1598), über die mit Urteil vom 9. Juni 2015 entschieden wurde.

Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2014, bei Gericht eingegangen einen Tag später, hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,

die dienstliche Beurteilung vom 8. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die Klägerin eine neue Beurteilung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erstellen.

Die Probezeitbeurteilung der Klägerin sei rechtswidrig, weil ihr unvollständige und unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt worden seien. Die Klägerin habe sowohl mit der Klassenlehrerin als auch mit anderen Kollegen gut zusammenarbeiten können. Auch ihre Tafelbilder und Arbeitsblätter seien zum Beispiel sinnvoll aufgebaut gewesen. Über Elternbeschwerden sei die Klägerin nicht informiert worden. Im Übrigen dürfe das lebendige Verhalten der Schüler der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.

Die Regierung von Oberbayern hat für den Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beurteilung sei sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht rechtmäßig. Es stelle sich außerdem die Frage, ob die Klage überhaupt zulässig sei, da die Beurteilung vom August 2011 stamme und die Klägerin ihr Recht, dagegen vorzugehen, inzwischen verwirkt habe. Auch die Einwendungen der Klägerin seien bereits ausreichend gewürdigt worden.

Das Gericht hat zur Frage des Zustandekommens der Probezeitbeurteilung für die Klägerin vom 8. August 2011 Beweis erhoben durch Einvernahme von Rektor F. sowie von Schulamtsdirektor M. als Zeugen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 9. Juni 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011 für den Beurteilungszeitraum 6. November 2006 bis zum 31. Juli 2011 und Erstellung einer neuen Anlassbeurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Beurteilung vom 8. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - analog, da einer dienstlichen Beurteilung keine Verwaltungsaktqualität zukommt).

1. Die Klägerin hat das Recht, gegen ihre Beurteilung vorzugehen, nicht verwirkt.

Der Einwand der Verwirkung setzt neben dem Zeitablauf voraus, dass der Inhaber eines materiellen oder prozessualen Anspruchs oder Gestaltungsrechts innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 2 B 75.13 - DokBer 2014, 314 Rn. 15). Zwar datiert die Beurteilung vom 8. August 2011, Klageerhebung erfolgte erst unter dem 9. Oktober 2014, mithin mehr als drei Jahre nach deren Eröffnung. Auch die im Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (ausgesprochen mit Bescheid vom ... September 2011) festgehaltenen Mängel, die sich in der Beurteilung wieder finden, hat die Klägerin nicht angegriffen. Allerdings hat die Klägerin gegen die mit Bescheid vom ... November 2011 verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe Einwendungen erhoben, die sich auch auf die in der Beurteilung angesprochenen Mängel und Defizite beziehen. Dabei ist von Bedeutung, dass der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern erst vom ... März 2014 datiert. Folglich können Zeit- und Umstandsmoment nicht als erfüllt betrachtet werden, da die Beamtin durch ihr Vorgehen angezeigt hat, dass sie die Feststellungen der Probezeitbeurteilung ebenfalls nicht bestehen lassen möchte.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 13.5.1965 - II C 146.62 - BVerwGE 21, 127/129; U. v. 26.6.1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245 st. Rspr.). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherren zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherren vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (BVerwG, U. v. 11.1.1999 - 2 A 6/98 - ZBR 2000, 269). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherren in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt.

3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Beurteilung rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zugrunde zu legen sind vorliegend die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG), die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 /VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung - materielle Beurteilungsrichtlinien), sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und den Leistungsbericht für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus v. 11. April 2005, KWMBl. S. 132, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 15. Juli 2009, KWMBl. S. 253).

b) Die Vorgaben dieser Bestimmungen sind eingehalten. Auch im Übrigen erweist sich die dienstliche Beurteilung als rechtsfehlerfrei.

aa) Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere wurde die Beurteilung durch den nach Ziffer 4.4 i.V.m 4.5.2 lit. a) der Richtlinien zuständigen Rektor - den Zeugen F. - der Volksschule erstellt und unterzeichnet. Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Beteiligung der fachlichen Leitung des Schulamts erfolgte ebenfalls durch Einbeziehung des damaligen Schulrats und Zeugen M.

bb) Auch in materieller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung. Angesichts der von den Zeugen, wobei an der Glaubhaftigkeit der Aussagen kein Anlass zu Zweifeln besteht, geschilderten eklatanten Mängel vor allem im pädagogischen und didaktischen Bereich - dem Kern der Tätigkeit eines Lehrers - ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gesamtergebnis der Probezeitbeurteilung auf „nicht geeignet“ lautet.

Der als Zeuge in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2015 vernommene Rektor F., hat im Einzelnen erläutert, aus welchen Gründen er zu der Einschätzung und Bewertung in der Probezeitbeurteilung gelangte, die Klägerin sei für eine Übernahme ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht geeignet. Diese Feststellung konnte er anhand der acht durchgeführten Unterrichtsbesuche treffen. Der Zeuge hat angegeben, dass er bei der Klägerin vor allem im didaktischen wie auch pädagogischen Bereich erhebliche Schwächen gesehen habe. Aufgrund der disziplinarischen Probleme, die im Unterricht der Klägerin zutage traten sowie der methodischen und didaktischen Mängel sei ein weiteres erzieherisches Tätigwerden der Klägerin nicht vorstellbar. Hinzu komme, dass sich die Schwächen über einen sehr langen Zeitraum während der Probezeit gezeigt hätten. Die aufgetretenen Defizite habe er nach den jeweiligen Unterrichtsbesuchen mit der Klägerin besprochen und ihr Anleitung zur Verbesserung gegeben. Dies habe er beispielsweise im Vermerk vom ... November 2011 dokumentiert. Dort wurden insbesondere die chaotischen Zustände in der Klasse, falsche Tafelbilder und die Tatsache, dass Schüler vom Unterricht überfordert seien, dargelegt.

Bei ihm hätten sich ferner sowohl Kollegen als auch Eltern über den Unterricht der Klägerin beschwert. Das hält sich innerhalb des dem Beurteiler der dienstlichen Beurteilung zukommenden Beurteilungsspielraums, der vom Gericht nicht überprüft werden darf.

Die fachliche Eignung sei nicht gegeben, da die Beamtin aufgrund der dokumentierten und in der Beurteilung auch angesprochenen Mängel bei den Gesichtspunkten der Unterrichtsplanung und -gestaltung, des erzieherischen Wirkens sowie des Unterrichtserfolges den Anforderungen nicht zuverlässig gerecht werde. Auch die Zusammenarbeit mit Kollegen gestalte sich schwierig.

Der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vernommene Leitende Schulamtsdirektor M. gab an, dass bei der Klägerin große Mängel in der Unterrichtsgestaltung vorgelegen hätten. Bei seinen Unterrichtsbesuchen sei auch ihm die mangelnde Disziplin in der Klasse aufgefallen. Er habe die Mängel nach den Unterrichtsbesuchen stets mit der Klägerin besprochen.

Soweit die Klägerin vorbringt, es habe sich um eine besonders lebhafte und schwierige Klasse gehandelt, steht dem die Aussage des Zeugen F. entgegen, der schilderte, dass es sich um eine durchschnittlich große Klasse gehandelt habe, die keine Unterschiede zu anderen Schulklassen aufwies.

4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie

1.
den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,
2.
nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist,
3.
dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet,
4.
die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder
5.
nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 ist § 26 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs. 2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes verlieren.

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,

1.
wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2.
wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3.
wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können durch Landesrecht Ausnahmen bestimmt werden.

(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie

1.
den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,
2.
nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist,
3.
dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet,
4.
die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder
5.
nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 ist § 26 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs. 2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes verlieren.

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,

1.
wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2.
wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3.
wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die am ... 1970 geborene Klägerin stand als Lehrerin (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten des Beklagten und war als Lehrerin an der ...-Schule in ... tätig. In der Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011 für den Beurteilungszeitraum vom 6. November 2006 bis zum 31. Juli 2011 (eröffnet am 9.8.2011) wurde die Klägerin als „nicht geeignet“ für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit angesehen. Inhaltlich wurde u. a. ausgeführt, dass die Klägerin die Zeitplanung der Stoffverteilungspläne nicht einhielte, die Tagesvorbereitungen entsprächen nicht den gehaltenen Stunden und die praktische Umsetzung des geplanten Unterrichts gelänge der Klägerin ebenfalls nicht. Auch das Vorgehenstempo und der Anspruch seien nicht altersgemäß.

Mit Schreiben vom ... August 2011 wurde ihr mitgeteilt, dass ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe beabsichtigt sei. Ebenso wurde mit Bescheid vom ... September 2011 ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte für die Klägerin ausgesprochen, gegen das diese nicht vorging.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom ... Oktober 2011 gegen ihre Entlassung Einwendungen und führte aus, dass sie zu wenig Unterstützung und Anleitung erhalten habe. Mit Bescheid vom ... November 2011 wurde die Entlassung der Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aufgrund ihrer fachlichen Nichteignung verfügt.

Dagegen wendete sie sich mit Widerspruch vom ... Dezember 2011, der mit Widerspruchsbescheid vom ... März 2014 zurückgewiesen wurde.

Gegen die Entlassung hat die Klägerin Klage erhoben (M 5 K 14.1598), über die mit Urteil vom 9. Juni 2015 entschieden wurde.

Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2014, bei Gericht eingegangen einen Tag später, hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,

die dienstliche Beurteilung vom 8. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die Klägerin eine neue Beurteilung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erstellen.

Die Probezeitbeurteilung der Klägerin sei rechtswidrig, weil ihr unvollständige und unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt worden seien. Die Klägerin habe sowohl mit der Klassenlehrerin als auch mit anderen Kollegen gut zusammenarbeiten können. Auch ihre Tafelbilder und Arbeitsblätter seien zum Beispiel sinnvoll aufgebaut gewesen. Über Elternbeschwerden sei die Klägerin nicht informiert worden. Im Übrigen dürfe das lebendige Verhalten der Schüler der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.

Die Regierung von Oberbayern hat für den Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beurteilung sei sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht rechtmäßig. Es stelle sich außerdem die Frage, ob die Klage überhaupt zulässig sei, da die Beurteilung vom August 2011 stamme und die Klägerin ihr Recht, dagegen vorzugehen, inzwischen verwirkt habe. Auch die Einwendungen der Klägerin seien bereits ausreichend gewürdigt worden.

Das Gericht hat zur Frage des Zustandekommens der Probezeitbeurteilung für die Klägerin vom 8. August 2011 Beweis erhoben durch Einvernahme von Rektor F. sowie von Schulamtsdirektor M. als Zeugen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 9. Juni 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer Probezeitbeurteilung vom 8. August 2011 für den Beurteilungszeitraum 6. November 2006 bis zum 31. Juli 2011 und Erstellung einer neuen Anlassbeurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Beurteilung vom 8. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - analog, da einer dienstlichen Beurteilung keine Verwaltungsaktqualität zukommt).

1. Die Klägerin hat das Recht, gegen ihre Beurteilung vorzugehen, nicht verwirkt.

Der Einwand der Verwirkung setzt neben dem Zeitablauf voraus, dass der Inhaber eines materiellen oder prozessualen Anspruchs oder Gestaltungsrechts innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 2 B 75.13 - DokBer 2014, 314 Rn. 15). Zwar datiert die Beurteilung vom 8. August 2011, Klageerhebung erfolgte erst unter dem 9. Oktober 2014, mithin mehr als drei Jahre nach deren Eröffnung. Auch die im Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (ausgesprochen mit Bescheid vom ... September 2011) festgehaltenen Mängel, die sich in der Beurteilung wieder finden, hat die Klägerin nicht angegriffen. Allerdings hat die Klägerin gegen die mit Bescheid vom ... November 2011 verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe Einwendungen erhoben, die sich auch auf die in der Beurteilung angesprochenen Mängel und Defizite beziehen. Dabei ist von Bedeutung, dass der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern erst vom ... März 2014 datiert. Folglich können Zeit- und Umstandsmoment nicht als erfüllt betrachtet werden, da die Beamtin durch ihr Vorgehen angezeigt hat, dass sie die Feststellungen der Probezeitbeurteilung ebenfalls nicht bestehen lassen möchte.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 13.5.1965 - II C 146.62 - BVerwGE 21, 127/129; U. v. 26.6.1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245 st. Rspr.). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherren zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherren vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (BVerwG, U. v. 11.1.1999 - 2 A 6/98 - ZBR 2000, 269). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherren in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt.

3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Beurteilung rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zugrunde zu legen sind vorliegend die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG), die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 /VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung - materielle Beurteilungsrichtlinien), sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und den Leistungsbericht für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus v. 11. April 2005, KWMBl. S. 132, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 15. Juli 2009, KWMBl. S. 253).

b) Die Vorgaben dieser Bestimmungen sind eingehalten. Auch im Übrigen erweist sich die dienstliche Beurteilung als rechtsfehlerfrei.

aa) Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere wurde die Beurteilung durch den nach Ziffer 4.4 i.V.m 4.5.2 lit. a) der Richtlinien zuständigen Rektor - den Zeugen F. - der Volksschule erstellt und unterzeichnet. Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Beteiligung der fachlichen Leitung des Schulamts erfolgte ebenfalls durch Einbeziehung des damaligen Schulrats und Zeugen M.

bb) Auch in materieller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung. Angesichts der von den Zeugen, wobei an der Glaubhaftigkeit der Aussagen kein Anlass zu Zweifeln besteht, geschilderten eklatanten Mängel vor allem im pädagogischen und didaktischen Bereich - dem Kern der Tätigkeit eines Lehrers - ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gesamtergebnis der Probezeitbeurteilung auf „nicht geeignet“ lautet.

Der als Zeuge in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2015 vernommene Rektor F., hat im Einzelnen erläutert, aus welchen Gründen er zu der Einschätzung und Bewertung in der Probezeitbeurteilung gelangte, die Klägerin sei für eine Übernahme ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht geeignet. Diese Feststellung konnte er anhand der acht durchgeführten Unterrichtsbesuche treffen. Der Zeuge hat angegeben, dass er bei der Klägerin vor allem im didaktischen wie auch pädagogischen Bereich erhebliche Schwächen gesehen habe. Aufgrund der disziplinarischen Probleme, die im Unterricht der Klägerin zutage traten sowie der methodischen und didaktischen Mängel sei ein weiteres erzieherisches Tätigwerden der Klägerin nicht vorstellbar. Hinzu komme, dass sich die Schwächen über einen sehr langen Zeitraum während der Probezeit gezeigt hätten. Die aufgetretenen Defizite habe er nach den jeweiligen Unterrichtsbesuchen mit der Klägerin besprochen und ihr Anleitung zur Verbesserung gegeben. Dies habe er beispielsweise im Vermerk vom ... November 2011 dokumentiert. Dort wurden insbesondere die chaotischen Zustände in der Klasse, falsche Tafelbilder und die Tatsache, dass Schüler vom Unterricht überfordert seien, dargelegt.

Bei ihm hätten sich ferner sowohl Kollegen als auch Eltern über den Unterricht der Klägerin beschwert. Das hält sich innerhalb des dem Beurteiler der dienstlichen Beurteilung zukommenden Beurteilungsspielraums, der vom Gericht nicht überprüft werden darf.

Die fachliche Eignung sei nicht gegeben, da die Beamtin aufgrund der dokumentierten und in der Beurteilung auch angesprochenen Mängel bei den Gesichtspunkten der Unterrichtsplanung und -gestaltung, des erzieherischen Wirkens sowie des Unterrichtserfolges den Anforderungen nicht zuverlässig gerecht werde. Auch die Zusammenarbeit mit Kollegen gestalte sich schwierig.

Der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vernommene Leitende Schulamtsdirektor M. gab an, dass bei der Klägerin große Mängel in der Unterrichtsgestaltung vorgelegen hätten. Bei seinen Unterrichtsbesuchen sei auch ihm die mangelnde Disziplin in der Klasse aufgefallen. Er habe die Mängel nach den Unterrichtsbesuchen stets mit der Klägerin besprochen.

Soweit die Klägerin vorbringt, es habe sich um eine besonders lebhafte und schwierige Klasse gehandelt, steht dem die Aussage des Zeugen F. entgegen, der schilderte, dass es sich um eine durchschnittlich große Klasse gehandelt habe, die keine Unterschiede zu anderen Schulklassen aufwies.

4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. Juli 2012 - 3 Sa 129/12 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

2

Die 1978 geborene, geschiedene und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist bei der Beklagten, die regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, seit dem 1. September 2010 bei einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden und einem monatlichen Bruttoentgelt von 750,00 Euro als Vertriebsmitarbeiterin angestellt. In der Jahresmitte 2011 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft mit voraussichtlichem Entbindungstermin am 16. Januar 2012 festgestellt. Am 4. Juli 2011 bescheinigte ihr Gynäkologe ein sofortiges, generelles Beschäftigungsverbot iSd. § 3 Abs. 1 MuSchG. Davon unterrichtete die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten, der verärgert reagierte und die Klägerin drängte, weiter zu arbeiten. Die Klägerin lehnte dies ab.

3

Durch eine weitere Untersuchung wurde am 14. Juli 2011 festgestellt, dass die Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendigen Eingriff wurde die Klägerin für den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Darüber informierte die Klägerin noch am 14. Juli 2011 ihre Vorgesetzte, die Innendienstleiterin S der Beklagten. Nach dem Eingriff stehe sie wieder zur Verfügung. Frau S informierte den Geschäftsführer der Beklagten.

4

Dieser verfasste noch am 14. Juli 2011 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2011 „aus betriebsbedingten Gründen“ und ließ diese am Abend desselben Tages in den Briefkasten der Klägerin einwerfen.

5

Am 15. Juli 2011 wurde die Klägerin stationär im Klinikum G aufgenommen. Die Diagnose lautete „missed abortion Mens IV“, dh. fehlender Abgang der (toten) Leibesfrucht im vierten Schwangerschaftsmonat. Die Frucht wurde durch Vakuumextraktion entfernt, danach wurde eine Ausschabung vorgenommen. Am 16. Juli 2011 wurde die Klägerin aus der Klinik entlassen; bei ihrer Rückkehr fand sie in ihrem Hausbriefkasten die Kündigung vom 14. Juli 2011.

6

Unter dem 9. August 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal „aus betriebsbedingten Gründen“, diesmal zum 15. September 2011. Die Beklagte hat dazu vortragen lassen, dass diese zweite Kündigung erfolgte, da sie nicht wusste, ob bei der Klägerin die Schutzvorschriften zum Mutterschutz noch galten oder nicht. Zu betriebsbedingten Kündigungen anderer Arbeitnehmer kam es nicht. Im Zeitraum der ersten Kündigung wurde mit einem anderen Mitarbeiter auf dessen Wunsch ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Die Klägerin hat mittlerweile nach Zustellung des Berufungsurteils das Arbeitsverhältnis unter dem 30. August 2012 außerordentlich zum 31. August 2012 gekündigt.

7

Die Klägerin hat beide Kündigungen der Beklagten mit fristgerechten Feststellungsklagen angegriffen. Die Beklagte habe keine billigenswerten Motive für ihre Kündigungen gehabt, vielmehr ergebe sich schon aus der zeitlichen Nähe zum Ende ihrer Schwangerschaft und aus der Verärgerung des Geschäftsführers über ihr vorausgegangenes Beschäftigungsverbot eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Kündigung sei zur Unzeit erfolgt, die zweite Kündigung stelle darüber hinaus eine Maßregelung wegen Erhebung der Klage gegen die erste Kündigung, verbunden mit einem Antrag auf Entschädigung, dar. Sie sei der Beklagten am 9. August 2011 zugestellt worden.

8

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 AGG für die mit Datum vom 14. Juli 2011 ausgesprochene Kündigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 3.000,00 Euro nicht unterschreiten darf.

9

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass die Kündigung nur zufällig eine zeitliche Nähe zur Beendigung der Schwangerschaft aufweise. Die Kündigung beruhe auf unternehmerischer Entscheidung und sei von normalen geschäftlichen Überlegungen getragen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung vom 14. Juli 2011 für unwirksam befunden, die Klage gegen die Kündigung vom 9. August 2011 sowie den Klageantrag auf Zahlung einer Entschädigung hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht auch in diesen beiden Anträgen Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht für die Beklagte im Hinblick auf die ausgeurteilte Entschädigung zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit das Ziel einer Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 3.000,00 Euro zugesprochen.

12

A. Seine Entscheidung zum Anspruch der Klägerin auf Entschädigung hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe ausreichend Tatsachen vorgetragen, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass sie durch die Beklagte eine Benachteiligung wegen ihrer Schwangerschaft und damit unmittelbar wegen ihres Geschlechts erfahren habe. Die Beklagte habe nur der Klägerin gekündigt. Ihr Vorbringen, noch eine weitere Kündigung ausgesprochen zu haben, habe sie nicht substanziiert. Vielmehr habe sie den Vortrag der Klägerin, es sei ein Aufhebungsvertrag auf Wunsch eines Arbeitnehmers abgeschlossen worden, unbestritten gelassen. Die Umstände zu diesem Aufhebungsvertrag habe die Beklagte nicht dargelegt. Damit könne nicht von einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung zum Personalabbau ausgegangen werden.

13

Der Geschäftsführer der Beklagten habe auf das Beschäftigungsverbot verärgert reagiert und die Klägerin gedrängt, weiter zu arbeiten. Schließlich sei der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Wegfall des Mutterschutzes und dem Kündigungsausspruch am 14. Juli 2011 zu berücksichtigen. Damit lägen hinreichende Indizien für die Annahme vor, dass die Kündigung vom 14. Juli 2011 eine Reaktion der Beklagten auf das Beschäftigungsverbot gewesen sei und dessen Einhaltung durch die Klägerin. Es sei zu vermuten, dass die Beklagte gegenüber einer nicht schwangeren und von keinem Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG betroffenen Arbeitnehmerin eine Kündigung nicht ausgesprochen hätte. Die Beklagte habe der ihr nach § 22 AGG obliegenden Darlegungslast, die Schwangerschaft der Klägerin sei in ihrem Motivbündel nicht enthalten gewesen, nicht entsprochen. Vielmehr habe sie nur pauschal auf die „Betriebsbedingtheit“ der Kündigungen verwiesen und auf eine unternehmerische Entscheidung, wegen rückläufigen Arbeitsanfalls das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Dies stehe aber in Widerspruch zu den sonstigen Umständen und sei von der Beklagten nicht weiter substanziiert worden. Damit sei die Klägerin wegen des Beschäftigungsverbots, mithin wegen ihrer Schwangerschaft und folglich wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Diese Benachteiligung wiege schwer, zumal sie bewusst und gewollt geschehen sei, worauf auch der Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hindeute. Unter dem Gesichtspunkt einer fühlbaren Sanktion, aber auch zur Abschreckung hinsichtlich künftigen Fehlverhaltens sei unter Berücksichtigung der geringen Betriebsgröße der Beklagten ein Betrag von 3.000,00 Euro angemessen, aber auch ausreichend. § 2 Abs. 4 AGG stehe dem nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht habe bereits Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung ausdrücklich für möglich gehalten.

14

B. Diese Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Die Klägerin wurde wegen ihrer Schwangerschaft und daher wegen ihres Geschlechts ungünstiger behandelt, § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 AGG. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wird nicht durch § 2 Abs. 4 AGG ausgeschlossen.

15

I. Der Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Als Arbeitnehmerin ist die Klägerin „Beschäftigte“ iSd. AGG, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG. Die Beklagte, die die Klägerin beschäftigt hat, ist Arbeitgeberin, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

16

II. Den Entschädigungsanspruch hat die Klägerin rechtzeitig nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht. Bereits die am 5. August 2011 beim Arbeitsgericht Z eingegangene Klage gegen die Kündigung vom 14. Juli 2011 enthielt unter Ziff. 2 den Antrag auf Entschädigung. Damit hat die Klägerin sowohl die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.

17

III. Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann die Klägerin grundsätzlich auch in Ansehung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG geltend machen.

18

1. Der Wortlaut von § 2 Abs. 4 AGG bestimmt, dass „für Kündigungen“ ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Der Wortlaut dieser verabschiedeten Gesetzesfassung geht auf einen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags zurück (BT-Drucks. 16/2022 S. 6). Der Regierungsentwurf hatte noch vorgesehen, dass für Kündigungen „vorrangig“ die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes zu gelten hätten (BT-Drucks. 16/1780 S. 7). Für die Beurteilung von Kündigungen hat dies in der Rechtslehre den Streit ausgelöst, ob § 2 Abs. 4 AGG auch primärrechtswidrig die „Kündigung“ aus dem Anwendungsbereich des AGG ausklammere(zB Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 260, 262 unter Verweis auf EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981), oder ob mit der Norm nur ein „doppelter Kündigungsschutz“ vermieden werden sollte (zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59). Für Kündigungen hat die Rechtsprechung diesen Streit dahin gehend aufgelöst, dass die Diskriminierungsverbote des AGG einschließlich der im Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten sind, als sie Konkretisierungen des Sozialwidrigkeitsbegriffs darstellen. Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Benachteiligungsverbote des AGG, so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - BAGE 128, 238; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 -).

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2. Ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung sperrt § 2 Abs. 4 AGG weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht. Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung wegen Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, auch im Fall einer sozial nicht gerechtfertigten, diskriminierenden Kündigung grundsätzlich zuzulassen, ist nicht systemwidrig. Auch bisher waren etwa auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht ausgeschlossen(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15 f.; 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20). Dies wird auch von der überwiegenden Meinung in der Rechtslehre so gesehen (zB KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 27; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 50; Meinel/Heyn/Herms AGG § 2 Rn. 66 und § 15 Rn. 55; Schleusener/Suckow/Voigt/Schleusener 3. Aufl. § 2 Rn. 30; ebenso - im Hinblick auf das unionsrechtliche Sanktionsgebot in der Form eines Schadensausgleichs - Jacobs RdA 2009, 193, 196 und Stoffels RdA 2009, 204; aA zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59; Sagan NZA 2006, 1257). Dabei ist zu berücksichtigen, dass erklärte Kündigungen oft Bezüge zu den Anknüpfungsmerkmalen des AGG aufweisen. Im Normalfall wird eine ungerechtfertigte Belastung durch die Überprüfung der Kündigung anhand der Bestimmungen des allgemeinen und des besonderen Kündigungsschutzes ausgeräumt. Eine merkmalsbezogene Belastung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn die Belastung - wie bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung - über das Normalmaß hinausgeht.

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3. Es ist nicht zu entscheiden, ob bei diskriminierenden Kündigungssachverhalten weitere Ansprüche auf Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG in Betracht kommen können. Grundsätzlich wird bei einer für unwirksam befundenen Kündigung der materielle Schaden, was die Kündigung selbst angeht, im Wege der Naturalrestitution ausgeglichen, für weitere materielle Folgen von Kündigungen stehen die Anspruchsgrundlagen des bürgerlichen Rechts unabhängig von § 15 Abs. 1 AGG seit jeher zur Verfügung, zB § 615 BGB.

21

IV. Durch die Kündigungen hat die Klägerin eine weniger günstige Behandlung erfahren als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten, denen nicht gekündigt wurde. Die Klägerin hat eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen ihres Geschlechts als einem der in § 1 AGG genannten, verbotenen Merkmale erfahren, weil sie als Frau wegen ihrer Schwangerschaft ungünstiger behandelt worden ist, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG.

22

1. Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „Schwangerschaft/Geschlecht“ ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Schwangerschaft - das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, BAGE 142, 158 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - aaO). Die Schwangerschaft muss mithin nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt.

23

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

24

2. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von der Klägerin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem Anknüpfungsmerkmal - hier die Schwangerschaft oder das Geschlecht - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158 = AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16).

25

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Kausalität zwischen der Schwangerschaft der Klägerin und dem Kündigungsverhalten der Beklagten im Ergebnis rechtsfehlerfrei bejaht.

26

a) Die Kündigung vom 14. Juli 2011 ist der Klägerin während ihrer noch bestehenden Schwangerschaft zugegangen. Damit verstieß sie objektiv gegen das Verbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, wonach die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig ist, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war.

27

aa) Die Klägerin hatte am 14. Juli 2011 erfahren, dass ihre Leibesfrucht abgestorben ist. Eine natürliche Fehlgeburt war bis dahin nicht erfolgt, weswegen sie auf den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt worden war, um eine solche Fehlgeburt künstlich einzuleiten oder durch einen entsprechenden Eingriff zu ersetzen. Hierüber unterrichtete die Klägerin die Beklagte über ihre Vorgesetzte Frau S noch am 14. Juli 2011. Daraufhin setzte der Geschäftsführer der Beklagten sofort ein Kündigungsschreiben auf und ließ dieses noch am 14. Juli 2011 in den Hausbriefkasten der Klägerin einwerfen. Dadurch ging die Kündigung der Klägerin spätestens am Morgen des 15. Juli 2011 zu, als die Schwangerschaft noch bestand.

28

bb) § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - Kündigungsverbot - wie § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - Beschäftigungsverbot - stellen auf den Begriff der Schwangerschaft und auf deren Ende durch „Entbindung“ ab. Unter „Entbindung“ ist grundsätzlich die „Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib“ zu verstehen, was bei einer Lebendgeburt vollkommen unproblematisch ist (vgl. BAG 16. Februar 1973 - 2 AZR 138/72 - BAGE 25, 70; ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 6 MuSchG Rn. 2). Im Falle einer Totgeburt wurde bis 1994 von einer Entbindung gesprochen, wenn die Frucht eine Körperlänge von 35 cm hatte (vgl. BAG 16. Februar 1973 - 2 AZR 138/72 - zu II 1 der Gründe, aaO). Nach einer Änderung der Personenstandsverordnung (§ 29 Abs. 2 PStV aF, gültig ab 1. April 1994; seit 1. Januar 2009 § 31 Abs. 2 PStV) entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1977 gelten nunmehr Kinder als tot geboren oder in der Geburt verstorben, wenn das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500 g betragen hat (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 462/04 - zu B I 1 d der Gründe). Auch eine solche Totgeburt ist als Entbindung anzusehen. Dies gilt auch im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs, wenn sich das Kind schon bis zu einem Stadium entwickelt hatte, in dem es zu einem selbständigen Leben - wenn auch nur kurz - grundsätzlich fähig war (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 462/04 - zu B I 1 der Gründe). Eine tot geborene Leibesfrucht von geringerem Körpergewicht als 500 g gilt dagegen als Fehlgeburt, § 31 Abs. 3 PStV, die keine Entbindung im Sinne des Mutterschutzgesetzes bedeutet. Bei einer Fehlgeburt besteht der Schutz vor Kündigungen nur, aber eben auch bis zum Zeitpunkt der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib.

29

cc) Dem entspricht die medizinische Terminologie und Einteilung. Ärzte sprechen bei einem Gewicht des Fötus von 500 g und mehr von einer Totgeburt. Dieses Gewicht ist ab der 22. Schwangerschaftswoche zu erwarten (Runnebaum/Rabe Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin Bd. 2, S. 414). Generell wird zwischen Fehlgeburten aus natürlicher Ursache (Spontanaborten) und Schwangerschaftsabbrüchen (artifizielle Aborte) unterschieden. Bei einer „missed abortion“, also einem verhaltenen Abort, ist die Fruchtanlage abgestorben, wird aber nicht aus der Gebärmutter ausgestoßen. Es gibt außer fehlenden Vitalitätszeichen keine äußeren Anhaltspunkte wie eine Blutung oder Gewebsabgang. Der Zervikalkanal ist geschlossen. Eine sicher diagnostizierte missed abortion muss mit einem artifiziellen Abort therapiert werden, um möglicherweise letale Komplikationen wie das Dead-Fetus-Syndrom zu vermeiden. Dies bedeutet, dass auch medizinisch der Abort „verhalten“, also vom Körper nicht natürlich vorgenommen wird und die Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib erst durch den artifiziell herbeigeführten Abort erfolgt. Erst in diesem Zeitpunkt ist auch aus medizinischer Sicht die Schwangerschaft beendet.

30

dd) Juristisch wie medizinisch hat daher die Schwangerschaft der Klägerin nicht mit dem Absterben des Kindes in der Gebärmutter geendet. Entscheidend war vielmehr die Trennung der toten Leibesfrucht vom Mutterleib, die erst im Verlauf des 15. Juli 2011 erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war die Kündigung der Klägerin schon zugegangen (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 21 und 22, EzA KSchG § 5 Nr. 41). Wann die Klägerin als Empfängerin die Kündigung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist unerheblich. Es kommt nicht darauf an, dass dies - aus individuell verständlichen Gründen - erst am 16. Juli 2011 nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus geschah. Da die Kündigung mit Zugang wirksam wurde und die Klägerin in diesem Zeitpunkt noch schwanger war, verstieß die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2011 gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.

31

b) Die Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zu Gunsten der werdenden Mutter bei Erklärung der ersten Kündigung indiziert eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG iVm. § 1 AGG. Die Beklagte kann diesen Kausalzusammenhang nicht dadurch mit Erfolg bestreiten, dass sie auf eine am 14./15. Juli 2011 bestehende komplizierte kündigungs- und mutterschutzrechtliche Konstellation verweist. Im Gegenteil: Ihr Hinweis in der Revisionsbegründung, sie habe nicht gewusst, ob „bei der Klägerin die Schutzvorschriften zum Mutterschutz noch gelten oder nicht“ und deswegen das Arbeitsverhältnis am 9. August 2011 nochmals gekündigt, wirkt verstärkend: Ein Arbeitgeber, der die Möglichkeit eines geschlechtsspezifischen Kündigungsverbotes erkennt und gleichwohl eine Kündigung ausspricht oder die Kündigung aus genau dieser Überlegung wiederholt, will „erst recht“ wegen des Geschlechts der Arbeitnehmerin benachteiligen. Im Übrigen deutet diese Argumentation der Beklagten darauf hin, dass weder ein neuer, vom Geschlecht der Klägerin unabhängiger Kündigungsentschluss bei der Kündigung vom 9. August 2011 zugrunde lag noch, dass der ersten Kündigung „betriebsbedingte“ Motivationen zugrunde gelegen hätten.

32

c) Die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch die Tatsache, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten über das Beschäftigungsverbot vom 4. Juli 2011 verärgert gezeigt und die Klägerin - erfolglos - zur Weiterarbeit gedrängt habe, deute darauf hin, dass die nur zehn Tage später ausgesprochene Kündigung eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft gewesen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Würdigung ist möglich, in sich widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Erfahrungssätze, zumal die Klägerin bei ihrer Nachricht an Frau S am 14. Juli 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, nach dem Eingriff stehe sie wieder zur Verfügung und damit - juristisch korrekt - das Ende des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes mit dem Abschluss der artifiziellen Fehlgeburt mitgeteilt hatte.

33

d) Darüber hinaus ist die Kündigung vom 14. Juli 2011 „zur Unzeit“ erklärt worden. Die Art der Treuwidrigkeit ist wiederum geschlechtsspezifisch diskriminierend. Es verstößt grob gegen die Pflicht der Beklagten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin, ihr noch vor dem Weg ins Krankenhaus, wo sie - für die Beklagte bekannt - einen artifiziellen Abort vornehmen lassen musste, die Kündigungserklärung zukommen zu lassen. Dies kann nur als absichtliche Missachtung der persönlichen Belange der Klägerin angesehen werden, die sich in einer lebensbedrohlichen Situation sah und darüber hinaus den Tod ihres Kindes zu verarbeiten hatte. Die Beklagte hat bewusst einen Zugangszeitpunkt gewählt, der die Klägerin besonders beeinträchtigen musste (vgl. BAG 14. November 1984 - 7 AZR 174/83 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 88; 12. Juli 1990 - 2 AZR 39/90 - zu B IV 2 a der Gründe; 5. April 2001 - 2 AZR 185/00 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 97, 294).

34

V. Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Bestimmung der Höhe der ausgeurteilten Entschädigung sind nicht erkennbar. Entgegen der mit der Revision vertretenen Meinung liegt auch kein Anwendungsfall des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vor.

35

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    Wroblewski    

                 

(1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, ist der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden.

(2) Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.

(3) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Er hat darüber hinaus sicherzustellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann.

(4) Alle Maßnahmen des Arbeitgebers nach diesem Unterabschnitt sowie die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 müssen dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat bei seinen Maßnahmen die vom Ausschuss für Mutterschutz ermittelten und nach § 30 Absatz 4 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen; bei Einhaltung dieser Regeln und bei Beachtung dieser Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in diesem Gesetz gestellten Anforderungen erfüllt sind.

(5) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Unterabschnitt in eigener Verantwortung wahrzunehmen.

(6) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Personen auferlegen, die bei ihm beschäftigt sind. Die Kosten für Zeugnisse und Bescheinigungen, die die schwangere oder stillende Frau auf Verlangen des Arbeitgebers vorzulegen hat, trägt der Arbeitgeber.

(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigen. Er darf sie an Sonn- und Feiertagen nur dann beschäftigen, wenn

1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt,
2.
eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 10 des Arbeitszeitgesetzes zugelassen ist,
3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und
4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
Die schwangere oder stillende Frau kann ihre Erklärung nach Satz 2 Nummer 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.

(2) Die Ausbildungsstelle darf eine schwangere oder stillende Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 nicht an Sonn- und Feiertagen im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen. Die Ausbildungsstelle darf sie an Ausbildungsveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen teilnehmen lassen, wenn

1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt,
2.
die Teilnahme zu Ausbildungszwecken zu dieser Zeit erforderlich ist,
3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und
4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
Die schwangere oder stillende Frau kann ihre Erklärung nach Satz 2 Nummer 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.

(1) Eine Lebendgeburt liegt vor, wenn bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat.

(2) Hat sich keines der in Absatz 1 genannten Merkmale des Lebens gezeigt, gilt die Leibesfrucht als ein tot geborenes Kind im Sinne des § 21 Absatz 2 des Gesetzes, wenn

1.
das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt oder
2.
das Gewicht des Kindes unter 500 Gramm beträgt, aber die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde,
im Übrigen als Fehlgeburt. Eine Fehlgeburt wird nicht im Personenstandsregister beurkundet. Sie kann von einer Person, der bei Lebendgeburt die Personensorge zugestanden hätte, dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich die Fehlgeburt erfolgte, angezeigt werden. In diesem Fall erteilt das Standesamt dem Anzeigenden auf Wunsch eine Bescheinigung mit einem Formular nach dem Muster der Anlage 11.

(3) Eine Fehlgeburt ist abweichend von Absatz 2 Satz 2 als ein tot geborenes Kind zu beurkunden, wenn sie Teil einer Mehrlingsgeburt ist, bei der mindestens ein Kind nach Absatz 1 oder 2 zu beurkunden ist; § 21 Absatz 2 des Gesetzes gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. Juli 2012 - 3 Sa 129/12 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

2

Die 1978 geborene, geschiedene und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist bei der Beklagten, die regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, seit dem 1. September 2010 bei einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden und einem monatlichen Bruttoentgelt von 750,00 Euro als Vertriebsmitarbeiterin angestellt. In der Jahresmitte 2011 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft mit voraussichtlichem Entbindungstermin am 16. Januar 2012 festgestellt. Am 4. Juli 2011 bescheinigte ihr Gynäkologe ein sofortiges, generelles Beschäftigungsverbot iSd. § 3 Abs. 1 MuSchG. Davon unterrichtete die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten, der verärgert reagierte und die Klägerin drängte, weiter zu arbeiten. Die Klägerin lehnte dies ab.

3

Durch eine weitere Untersuchung wurde am 14. Juli 2011 festgestellt, dass die Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendigen Eingriff wurde die Klägerin für den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Darüber informierte die Klägerin noch am 14. Juli 2011 ihre Vorgesetzte, die Innendienstleiterin S der Beklagten. Nach dem Eingriff stehe sie wieder zur Verfügung. Frau S informierte den Geschäftsführer der Beklagten.

4

Dieser verfasste noch am 14. Juli 2011 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2011 „aus betriebsbedingten Gründen“ und ließ diese am Abend desselben Tages in den Briefkasten der Klägerin einwerfen.

5

Am 15. Juli 2011 wurde die Klägerin stationär im Klinikum G aufgenommen. Die Diagnose lautete „missed abortion Mens IV“, dh. fehlender Abgang der (toten) Leibesfrucht im vierten Schwangerschaftsmonat. Die Frucht wurde durch Vakuumextraktion entfernt, danach wurde eine Ausschabung vorgenommen. Am 16. Juli 2011 wurde die Klägerin aus der Klinik entlassen; bei ihrer Rückkehr fand sie in ihrem Hausbriefkasten die Kündigung vom 14. Juli 2011.

6

Unter dem 9. August 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal „aus betriebsbedingten Gründen“, diesmal zum 15. September 2011. Die Beklagte hat dazu vortragen lassen, dass diese zweite Kündigung erfolgte, da sie nicht wusste, ob bei der Klägerin die Schutzvorschriften zum Mutterschutz noch galten oder nicht. Zu betriebsbedingten Kündigungen anderer Arbeitnehmer kam es nicht. Im Zeitraum der ersten Kündigung wurde mit einem anderen Mitarbeiter auf dessen Wunsch ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Die Klägerin hat mittlerweile nach Zustellung des Berufungsurteils das Arbeitsverhältnis unter dem 30. August 2012 außerordentlich zum 31. August 2012 gekündigt.

7

Die Klägerin hat beide Kündigungen der Beklagten mit fristgerechten Feststellungsklagen angegriffen. Die Beklagte habe keine billigenswerten Motive für ihre Kündigungen gehabt, vielmehr ergebe sich schon aus der zeitlichen Nähe zum Ende ihrer Schwangerschaft und aus der Verärgerung des Geschäftsführers über ihr vorausgegangenes Beschäftigungsverbot eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Kündigung sei zur Unzeit erfolgt, die zweite Kündigung stelle darüber hinaus eine Maßregelung wegen Erhebung der Klage gegen die erste Kündigung, verbunden mit einem Antrag auf Entschädigung, dar. Sie sei der Beklagten am 9. August 2011 zugestellt worden.

8

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 AGG für die mit Datum vom 14. Juli 2011 ausgesprochene Kündigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 3.000,00 Euro nicht unterschreiten darf.

9

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass die Kündigung nur zufällig eine zeitliche Nähe zur Beendigung der Schwangerschaft aufweise. Die Kündigung beruhe auf unternehmerischer Entscheidung und sei von normalen geschäftlichen Überlegungen getragen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung vom 14. Juli 2011 für unwirksam befunden, die Klage gegen die Kündigung vom 9. August 2011 sowie den Klageantrag auf Zahlung einer Entschädigung hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht auch in diesen beiden Anträgen Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht für die Beklagte im Hinblick auf die ausgeurteilte Entschädigung zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit das Ziel einer Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 3.000,00 Euro zugesprochen.

12

A. Seine Entscheidung zum Anspruch der Klägerin auf Entschädigung hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe ausreichend Tatsachen vorgetragen, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass sie durch die Beklagte eine Benachteiligung wegen ihrer Schwangerschaft und damit unmittelbar wegen ihres Geschlechts erfahren habe. Die Beklagte habe nur der Klägerin gekündigt. Ihr Vorbringen, noch eine weitere Kündigung ausgesprochen zu haben, habe sie nicht substanziiert. Vielmehr habe sie den Vortrag der Klägerin, es sei ein Aufhebungsvertrag auf Wunsch eines Arbeitnehmers abgeschlossen worden, unbestritten gelassen. Die Umstände zu diesem Aufhebungsvertrag habe die Beklagte nicht dargelegt. Damit könne nicht von einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung zum Personalabbau ausgegangen werden.

13

Der Geschäftsführer der Beklagten habe auf das Beschäftigungsverbot verärgert reagiert und die Klägerin gedrängt, weiter zu arbeiten. Schließlich sei der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Wegfall des Mutterschutzes und dem Kündigungsausspruch am 14. Juli 2011 zu berücksichtigen. Damit lägen hinreichende Indizien für die Annahme vor, dass die Kündigung vom 14. Juli 2011 eine Reaktion der Beklagten auf das Beschäftigungsverbot gewesen sei und dessen Einhaltung durch die Klägerin. Es sei zu vermuten, dass die Beklagte gegenüber einer nicht schwangeren und von keinem Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG betroffenen Arbeitnehmerin eine Kündigung nicht ausgesprochen hätte. Die Beklagte habe der ihr nach § 22 AGG obliegenden Darlegungslast, die Schwangerschaft der Klägerin sei in ihrem Motivbündel nicht enthalten gewesen, nicht entsprochen. Vielmehr habe sie nur pauschal auf die „Betriebsbedingtheit“ der Kündigungen verwiesen und auf eine unternehmerische Entscheidung, wegen rückläufigen Arbeitsanfalls das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Dies stehe aber in Widerspruch zu den sonstigen Umständen und sei von der Beklagten nicht weiter substanziiert worden. Damit sei die Klägerin wegen des Beschäftigungsverbots, mithin wegen ihrer Schwangerschaft und folglich wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Diese Benachteiligung wiege schwer, zumal sie bewusst und gewollt geschehen sei, worauf auch der Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hindeute. Unter dem Gesichtspunkt einer fühlbaren Sanktion, aber auch zur Abschreckung hinsichtlich künftigen Fehlverhaltens sei unter Berücksichtigung der geringen Betriebsgröße der Beklagten ein Betrag von 3.000,00 Euro angemessen, aber auch ausreichend. § 2 Abs. 4 AGG stehe dem nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht habe bereits Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung ausdrücklich für möglich gehalten.

14

B. Diese Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Die Klägerin wurde wegen ihrer Schwangerschaft und daher wegen ihres Geschlechts ungünstiger behandelt, § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 AGG. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wird nicht durch § 2 Abs. 4 AGG ausgeschlossen.

15

I. Der Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Als Arbeitnehmerin ist die Klägerin „Beschäftigte“ iSd. AGG, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG. Die Beklagte, die die Klägerin beschäftigt hat, ist Arbeitgeberin, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

16

II. Den Entschädigungsanspruch hat die Klägerin rechtzeitig nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht. Bereits die am 5. August 2011 beim Arbeitsgericht Z eingegangene Klage gegen die Kündigung vom 14. Juli 2011 enthielt unter Ziff. 2 den Antrag auf Entschädigung. Damit hat die Klägerin sowohl die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.

17

III. Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann die Klägerin grundsätzlich auch in Ansehung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG geltend machen.

18

1. Der Wortlaut von § 2 Abs. 4 AGG bestimmt, dass „für Kündigungen“ ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Der Wortlaut dieser verabschiedeten Gesetzesfassung geht auf einen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags zurück (BT-Drucks. 16/2022 S. 6). Der Regierungsentwurf hatte noch vorgesehen, dass für Kündigungen „vorrangig“ die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes zu gelten hätten (BT-Drucks. 16/1780 S. 7). Für die Beurteilung von Kündigungen hat dies in der Rechtslehre den Streit ausgelöst, ob § 2 Abs. 4 AGG auch primärrechtswidrig die „Kündigung“ aus dem Anwendungsbereich des AGG ausklammere(zB Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 260, 262 unter Verweis auf EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981), oder ob mit der Norm nur ein „doppelter Kündigungsschutz“ vermieden werden sollte (zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59). Für Kündigungen hat die Rechtsprechung diesen Streit dahin gehend aufgelöst, dass die Diskriminierungsverbote des AGG einschließlich der im Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten sind, als sie Konkretisierungen des Sozialwidrigkeitsbegriffs darstellen. Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Benachteiligungsverbote des AGG, so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - BAGE 128, 238; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 -).

19

2. Ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung sperrt § 2 Abs. 4 AGG weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht. Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung wegen Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, auch im Fall einer sozial nicht gerechtfertigten, diskriminierenden Kündigung grundsätzlich zuzulassen, ist nicht systemwidrig. Auch bisher waren etwa auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht ausgeschlossen(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15 f.; 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20). Dies wird auch von der überwiegenden Meinung in der Rechtslehre so gesehen (zB KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 27; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 50; Meinel/Heyn/Herms AGG § 2 Rn. 66 und § 15 Rn. 55; Schleusener/Suckow/Voigt/Schleusener 3. Aufl. § 2 Rn. 30; ebenso - im Hinblick auf das unionsrechtliche Sanktionsgebot in der Form eines Schadensausgleichs - Jacobs RdA 2009, 193, 196 und Stoffels RdA 2009, 204; aA zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59; Sagan NZA 2006, 1257). Dabei ist zu berücksichtigen, dass erklärte Kündigungen oft Bezüge zu den Anknüpfungsmerkmalen des AGG aufweisen. Im Normalfall wird eine ungerechtfertigte Belastung durch die Überprüfung der Kündigung anhand der Bestimmungen des allgemeinen und des besonderen Kündigungsschutzes ausgeräumt. Eine merkmalsbezogene Belastung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn die Belastung - wie bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung - über das Normalmaß hinausgeht.

20

3. Es ist nicht zu entscheiden, ob bei diskriminierenden Kündigungssachverhalten weitere Ansprüche auf Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG in Betracht kommen können. Grundsätzlich wird bei einer für unwirksam befundenen Kündigung der materielle Schaden, was die Kündigung selbst angeht, im Wege der Naturalrestitution ausgeglichen, für weitere materielle Folgen von Kündigungen stehen die Anspruchsgrundlagen des bürgerlichen Rechts unabhängig von § 15 Abs. 1 AGG seit jeher zur Verfügung, zB § 615 BGB.

21

IV. Durch die Kündigungen hat die Klägerin eine weniger günstige Behandlung erfahren als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten, denen nicht gekündigt wurde. Die Klägerin hat eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen ihres Geschlechts als einem der in § 1 AGG genannten, verbotenen Merkmale erfahren, weil sie als Frau wegen ihrer Schwangerschaft ungünstiger behandelt worden ist, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG.

22

1. Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „Schwangerschaft/Geschlecht“ ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Schwangerschaft - das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, BAGE 142, 158 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - aaO). Die Schwangerschaft muss mithin nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt.

23

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

24

2. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von der Klägerin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem Anknüpfungsmerkmal - hier die Schwangerschaft oder das Geschlecht - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158 = AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16).

25

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Kausalität zwischen der Schwangerschaft der Klägerin und dem Kündigungsverhalten der Beklagten im Ergebnis rechtsfehlerfrei bejaht.

26

a) Die Kündigung vom 14. Juli 2011 ist der Klägerin während ihrer noch bestehenden Schwangerschaft zugegangen. Damit verstieß sie objektiv gegen das Verbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, wonach die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig ist, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war.

27

aa) Die Klägerin hatte am 14. Juli 2011 erfahren, dass ihre Leibesfrucht abgestorben ist. Eine natürliche Fehlgeburt war bis dahin nicht erfolgt, weswegen sie auf den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt worden war, um eine solche Fehlgeburt künstlich einzuleiten oder durch einen entsprechenden Eingriff zu ersetzen. Hierüber unterrichtete die Klägerin die Beklagte über ihre Vorgesetzte Frau S noch am 14. Juli 2011. Daraufhin setzte der Geschäftsführer der Beklagten sofort ein Kündigungsschreiben auf und ließ dieses noch am 14. Juli 2011 in den Hausbriefkasten der Klägerin einwerfen. Dadurch ging die Kündigung der Klägerin spätestens am Morgen des 15. Juli 2011 zu, als die Schwangerschaft noch bestand.

28

bb) § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - Kündigungsverbot - wie § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - Beschäftigungsverbot - stellen auf den Begriff der Schwangerschaft und auf deren Ende durch „Entbindung“ ab. Unter „Entbindung“ ist grundsätzlich die „Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib“ zu verstehen, was bei einer Lebendgeburt vollkommen unproblematisch ist (vgl. BAG 16. Februar 1973 - 2 AZR 138/72 - BAGE 25, 70; ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 6 MuSchG Rn. 2). Im Falle einer Totgeburt wurde bis 1994 von einer Entbindung gesprochen, wenn die Frucht eine Körperlänge von 35 cm hatte (vgl. BAG 16. Februar 1973 - 2 AZR 138/72 - zu II 1 der Gründe, aaO). Nach einer Änderung der Personenstandsverordnung (§ 29 Abs. 2 PStV aF, gültig ab 1. April 1994; seit 1. Januar 2009 § 31 Abs. 2 PStV) entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1977 gelten nunmehr Kinder als tot geboren oder in der Geburt verstorben, wenn das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500 g betragen hat (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 462/04 - zu B I 1 d der Gründe). Auch eine solche Totgeburt ist als Entbindung anzusehen. Dies gilt auch im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs, wenn sich das Kind schon bis zu einem Stadium entwickelt hatte, in dem es zu einem selbständigen Leben - wenn auch nur kurz - grundsätzlich fähig war (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 462/04 - zu B I 1 der Gründe). Eine tot geborene Leibesfrucht von geringerem Körpergewicht als 500 g gilt dagegen als Fehlgeburt, § 31 Abs. 3 PStV, die keine Entbindung im Sinne des Mutterschutzgesetzes bedeutet. Bei einer Fehlgeburt besteht der Schutz vor Kündigungen nur, aber eben auch bis zum Zeitpunkt der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib.

29

cc) Dem entspricht die medizinische Terminologie und Einteilung. Ärzte sprechen bei einem Gewicht des Fötus von 500 g und mehr von einer Totgeburt. Dieses Gewicht ist ab der 22. Schwangerschaftswoche zu erwarten (Runnebaum/Rabe Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin Bd. 2, S. 414). Generell wird zwischen Fehlgeburten aus natürlicher Ursache (Spontanaborten) und Schwangerschaftsabbrüchen (artifizielle Aborte) unterschieden. Bei einer „missed abortion“, also einem verhaltenen Abort, ist die Fruchtanlage abgestorben, wird aber nicht aus der Gebärmutter ausgestoßen. Es gibt außer fehlenden Vitalitätszeichen keine äußeren Anhaltspunkte wie eine Blutung oder Gewebsabgang. Der Zervikalkanal ist geschlossen. Eine sicher diagnostizierte missed abortion muss mit einem artifiziellen Abort therapiert werden, um möglicherweise letale Komplikationen wie das Dead-Fetus-Syndrom zu vermeiden. Dies bedeutet, dass auch medizinisch der Abort „verhalten“, also vom Körper nicht natürlich vorgenommen wird und die Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib erst durch den artifiziell herbeigeführten Abort erfolgt. Erst in diesem Zeitpunkt ist auch aus medizinischer Sicht die Schwangerschaft beendet.

30

dd) Juristisch wie medizinisch hat daher die Schwangerschaft der Klägerin nicht mit dem Absterben des Kindes in der Gebärmutter geendet. Entscheidend war vielmehr die Trennung der toten Leibesfrucht vom Mutterleib, die erst im Verlauf des 15. Juli 2011 erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war die Kündigung der Klägerin schon zugegangen (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 21 und 22, EzA KSchG § 5 Nr. 41). Wann die Klägerin als Empfängerin die Kündigung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist unerheblich. Es kommt nicht darauf an, dass dies - aus individuell verständlichen Gründen - erst am 16. Juli 2011 nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus geschah. Da die Kündigung mit Zugang wirksam wurde und die Klägerin in diesem Zeitpunkt noch schwanger war, verstieß die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2011 gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.

31

b) Die Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zu Gunsten der werdenden Mutter bei Erklärung der ersten Kündigung indiziert eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG iVm. § 1 AGG. Die Beklagte kann diesen Kausalzusammenhang nicht dadurch mit Erfolg bestreiten, dass sie auf eine am 14./15. Juli 2011 bestehende komplizierte kündigungs- und mutterschutzrechtliche Konstellation verweist. Im Gegenteil: Ihr Hinweis in der Revisionsbegründung, sie habe nicht gewusst, ob „bei der Klägerin die Schutzvorschriften zum Mutterschutz noch gelten oder nicht“ und deswegen das Arbeitsverhältnis am 9. August 2011 nochmals gekündigt, wirkt verstärkend: Ein Arbeitgeber, der die Möglichkeit eines geschlechtsspezifischen Kündigungsverbotes erkennt und gleichwohl eine Kündigung ausspricht oder die Kündigung aus genau dieser Überlegung wiederholt, will „erst recht“ wegen des Geschlechts der Arbeitnehmerin benachteiligen. Im Übrigen deutet diese Argumentation der Beklagten darauf hin, dass weder ein neuer, vom Geschlecht der Klägerin unabhängiger Kündigungsentschluss bei der Kündigung vom 9. August 2011 zugrunde lag noch, dass der ersten Kündigung „betriebsbedingte“ Motivationen zugrunde gelegen hätten.

32

c) Die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch die Tatsache, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten über das Beschäftigungsverbot vom 4. Juli 2011 verärgert gezeigt und die Klägerin - erfolglos - zur Weiterarbeit gedrängt habe, deute darauf hin, dass die nur zehn Tage später ausgesprochene Kündigung eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft gewesen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Würdigung ist möglich, in sich widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Erfahrungssätze, zumal die Klägerin bei ihrer Nachricht an Frau S am 14. Juli 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, nach dem Eingriff stehe sie wieder zur Verfügung und damit - juristisch korrekt - das Ende des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes mit dem Abschluss der artifiziellen Fehlgeburt mitgeteilt hatte.

33

d) Darüber hinaus ist die Kündigung vom 14. Juli 2011 „zur Unzeit“ erklärt worden. Die Art der Treuwidrigkeit ist wiederum geschlechtsspezifisch diskriminierend. Es verstößt grob gegen die Pflicht der Beklagten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin, ihr noch vor dem Weg ins Krankenhaus, wo sie - für die Beklagte bekannt - einen artifiziellen Abort vornehmen lassen musste, die Kündigungserklärung zukommen zu lassen. Dies kann nur als absichtliche Missachtung der persönlichen Belange der Klägerin angesehen werden, die sich in einer lebensbedrohlichen Situation sah und darüber hinaus den Tod ihres Kindes zu verarbeiten hatte. Die Beklagte hat bewusst einen Zugangszeitpunkt gewählt, der die Klägerin besonders beeinträchtigen musste (vgl. BAG 14. November 1984 - 7 AZR 174/83 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 88; 12. Juli 1990 - 2 AZR 39/90 - zu B IV 2 a der Gründe; 5. April 2001 - 2 AZR 185/00 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 97, 294).

34

V. Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Bestimmung der Höhe der ausgeurteilten Entschädigung sind nicht erkennbar. Entgegen der mit der Revision vertretenen Meinung liegt auch kein Anwendungsfall des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vor.

35

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    Wroblewski    

                 

(1) Eine Lebendgeburt liegt vor, wenn bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat.

(2) Hat sich keines der in Absatz 1 genannten Merkmale des Lebens gezeigt, gilt die Leibesfrucht als ein tot geborenes Kind im Sinne des § 21 Absatz 2 des Gesetzes, wenn

1.
das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt oder
2.
das Gewicht des Kindes unter 500 Gramm beträgt, aber die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde,
im Übrigen als Fehlgeburt. Eine Fehlgeburt wird nicht im Personenstandsregister beurkundet. Sie kann von einer Person, der bei Lebendgeburt die Personensorge zugestanden hätte, dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich die Fehlgeburt erfolgte, angezeigt werden. In diesem Fall erteilt das Standesamt dem Anzeigenden auf Wunsch eine Bescheinigung mit einem Formular nach dem Muster der Anlage 11.

(3) Eine Fehlgeburt ist abweichend von Absatz 2 Satz 2 als ein tot geborenes Kind zu beurkunden, wenn sie Teil einer Mehrlingsgeburt ist, bei der mindestens ein Kind nach Absatz 1 oder 2 zu beurkunden ist; § 21 Absatz 2 des Gesetzes gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. Juli 2012 - 3 Sa 129/12 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

2

Die 1978 geborene, geschiedene und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist bei der Beklagten, die regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, seit dem 1. September 2010 bei einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden und einem monatlichen Bruttoentgelt von 750,00 Euro als Vertriebsmitarbeiterin angestellt. In der Jahresmitte 2011 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft mit voraussichtlichem Entbindungstermin am 16. Januar 2012 festgestellt. Am 4. Juli 2011 bescheinigte ihr Gynäkologe ein sofortiges, generelles Beschäftigungsverbot iSd. § 3 Abs. 1 MuSchG. Davon unterrichtete die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten, der verärgert reagierte und die Klägerin drängte, weiter zu arbeiten. Die Klägerin lehnte dies ab.

3

Durch eine weitere Untersuchung wurde am 14. Juli 2011 festgestellt, dass die Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendigen Eingriff wurde die Klägerin für den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Darüber informierte die Klägerin noch am 14. Juli 2011 ihre Vorgesetzte, die Innendienstleiterin S der Beklagten. Nach dem Eingriff stehe sie wieder zur Verfügung. Frau S informierte den Geschäftsführer der Beklagten.

4

Dieser verfasste noch am 14. Juli 2011 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2011 „aus betriebsbedingten Gründen“ und ließ diese am Abend desselben Tages in den Briefkasten der Klägerin einwerfen.

5

Am 15. Juli 2011 wurde die Klägerin stationär im Klinikum G aufgenommen. Die Diagnose lautete „missed abortion Mens IV“, dh. fehlender Abgang der (toten) Leibesfrucht im vierten Schwangerschaftsmonat. Die Frucht wurde durch Vakuumextraktion entfernt, danach wurde eine Ausschabung vorgenommen. Am 16. Juli 2011 wurde die Klägerin aus der Klinik entlassen; bei ihrer Rückkehr fand sie in ihrem Hausbriefkasten die Kündigung vom 14. Juli 2011.

6

Unter dem 9. August 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal „aus betriebsbedingten Gründen“, diesmal zum 15. September 2011. Die Beklagte hat dazu vortragen lassen, dass diese zweite Kündigung erfolgte, da sie nicht wusste, ob bei der Klägerin die Schutzvorschriften zum Mutterschutz noch galten oder nicht. Zu betriebsbedingten Kündigungen anderer Arbeitnehmer kam es nicht. Im Zeitraum der ersten Kündigung wurde mit einem anderen Mitarbeiter auf dessen Wunsch ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Die Klägerin hat mittlerweile nach Zustellung des Berufungsurteils das Arbeitsverhältnis unter dem 30. August 2012 außerordentlich zum 31. August 2012 gekündigt.

7

Die Klägerin hat beide Kündigungen der Beklagten mit fristgerechten Feststellungsklagen angegriffen. Die Beklagte habe keine billigenswerten Motive für ihre Kündigungen gehabt, vielmehr ergebe sich schon aus der zeitlichen Nähe zum Ende ihrer Schwangerschaft und aus der Verärgerung des Geschäftsführers über ihr vorausgegangenes Beschäftigungsverbot eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Kündigung sei zur Unzeit erfolgt, die zweite Kündigung stelle darüber hinaus eine Maßregelung wegen Erhebung der Klage gegen die erste Kündigung, verbunden mit einem Antrag auf Entschädigung, dar. Sie sei der Beklagten am 9. August 2011 zugestellt worden.

8

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 AGG für die mit Datum vom 14. Juli 2011 ausgesprochene Kündigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 3.000,00 Euro nicht unterschreiten darf.

9

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass die Kündigung nur zufällig eine zeitliche Nähe zur Beendigung der Schwangerschaft aufweise. Die Kündigung beruhe auf unternehmerischer Entscheidung und sei von normalen geschäftlichen Überlegungen getragen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung vom 14. Juli 2011 für unwirksam befunden, die Klage gegen die Kündigung vom 9. August 2011 sowie den Klageantrag auf Zahlung einer Entschädigung hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht auch in diesen beiden Anträgen Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht für die Beklagte im Hinblick auf die ausgeurteilte Entschädigung zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit das Ziel einer Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 3.000,00 Euro zugesprochen.

12

A. Seine Entscheidung zum Anspruch der Klägerin auf Entschädigung hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe ausreichend Tatsachen vorgetragen, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass sie durch die Beklagte eine Benachteiligung wegen ihrer Schwangerschaft und damit unmittelbar wegen ihres Geschlechts erfahren habe. Die Beklagte habe nur der Klägerin gekündigt. Ihr Vorbringen, noch eine weitere Kündigung ausgesprochen zu haben, habe sie nicht substanziiert. Vielmehr habe sie den Vortrag der Klägerin, es sei ein Aufhebungsvertrag auf Wunsch eines Arbeitnehmers abgeschlossen worden, unbestritten gelassen. Die Umstände zu diesem Aufhebungsvertrag habe die Beklagte nicht dargelegt. Damit könne nicht von einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung zum Personalabbau ausgegangen werden.

13

Der Geschäftsführer der Beklagten habe auf das Beschäftigungsverbot verärgert reagiert und die Klägerin gedrängt, weiter zu arbeiten. Schließlich sei der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Wegfall des Mutterschutzes und dem Kündigungsausspruch am 14. Juli 2011 zu berücksichtigen. Damit lägen hinreichende Indizien für die Annahme vor, dass die Kündigung vom 14. Juli 2011 eine Reaktion der Beklagten auf das Beschäftigungsverbot gewesen sei und dessen Einhaltung durch die Klägerin. Es sei zu vermuten, dass die Beklagte gegenüber einer nicht schwangeren und von keinem Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG betroffenen Arbeitnehmerin eine Kündigung nicht ausgesprochen hätte. Die Beklagte habe der ihr nach § 22 AGG obliegenden Darlegungslast, die Schwangerschaft der Klägerin sei in ihrem Motivbündel nicht enthalten gewesen, nicht entsprochen. Vielmehr habe sie nur pauschal auf die „Betriebsbedingtheit“ der Kündigungen verwiesen und auf eine unternehmerische Entscheidung, wegen rückläufigen Arbeitsanfalls das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Dies stehe aber in Widerspruch zu den sonstigen Umständen und sei von der Beklagten nicht weiter substanziiert worden. Damit sei die Klägerin wegen des Beschäftigungsverbots, mithin wegen ihrer Schwangerschaft und folglich wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Diese Benachteiligung wiege schwer, zumal sie bewusst und gewollt geschehen sei, worauf auch der Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hindeute. Unter dem Gesichtspunkt einer fühlbaren Sanktion, aber auch zur Abschreckung hinsichtlich künftigen Fehlverhaltens sei unter Berücksichtigung der geringen Betriebsgröße der Beklagten ein Betrag von 3.000,00 Euro angemessen, aber auch ausreichend. § 2 Abs. 4 AGG stehe dem nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht habe bereits Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung ausdrücklich für möglich gehalten.

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B. Diese Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Die Klägerin wurde wegen ihrer Schwangerschaft und daher wegen ihres Geschlechts ungünstiger behandelt, § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 AGG. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wird nicht durch § 2 Abs. 4 AGG ausgeschlossen.

15

I. Der Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Als Arbeitnehmerin ist die Klägerin „Beschäftigte“ iSd. AGG, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG. Die Beklagte, die die Klägerin beschäftigt hat, ist Arbeitgeberin, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

16

II. Den Entschädigungsanspruch hat die Klägerin rechtzeitig nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht. Bereits die am 5. August 2011 beim Arbeitsgericht Z eingegangene Klage gegen die Kündigung vom 14. Juli 2011 enthielt unter Ziff. 2 den Antrag auf Entschädigung. Damit hat die Klägerin sowohl die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.

17

III. Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann die Klägerin grundsätzlich auch in Ansehung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG geltend machen.

18

1. Der Wortlaut von § 2 Abs. 4 AGG bestimmt, dass „für Kündigungen“ ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Der Wortlaut dieser verabschiedeten Gesetzesfassung geht auf einen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags zurück (BT-Drucks. 16/2022 S. 6). Der Regierungsentwurf hatte noch vorgesehen, dass für Kündigungen „vorrangig“ die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes zu gelten hätten (BT-Drucks. 16/1780 S. 7). Für die Beurteilung von Kündigungen hat dies in der Rechtslehre den Streit ausgelöst, ob § 2 Abs. 4 AGG auch primärrechtswidrig die „Kündigung“ aus dem Anwendungsbereich des AGG ausklammere(zB Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 260, 262 unter Verweis auf EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981), oder ob mit der Norm nur ein „doppelter Kündigungsschutz“ vermieden werden sollte (zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59). Für Kündigungen hat die Rechtsprechung diesen Streit dahin gehend aufgelöst, dass die Diskriminierungsverbote des AGG einschließlich der im Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten sind, als sie Konkretisierungen des Sozialwidrigkeitsbegriffs darstellen. Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Benachteiligungsverbote des AGG, so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - BAGE 128, 238; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 -).

19

2. Ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung sperrt § 2 Abs. 4 AGG weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht. Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung wegen Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, auch im Fall einer sozial nicht gerechtfertigten, diskriminierenden Kündigung grundsätzlich zuzulassen, ist nicht systemwidrig. Auch bisher waren etwa auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht ausgeschlossen(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15 f.; 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20). Dies wird auch von der überwiegenden Meinung in der Rechtslehre so gesehen (zB KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 27; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 50; Meinel/Heyn/Herms AGG § 2 Rn. 66 und § 15 Rn. 55; Schleusener/Suckow/Voigt/Schleusener 3. Aufl. § 2 Rn. 30; ebenso - im Hinblick auf das unionsrechtliche Sanktionsgebot in der Form eines Schadensausgleichs - Jacobs RdA 2009, 193, 196 und Stoffels RdA 2009, 204; aA zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59; Sagan NZA 2006, 1257). Dabei ist zu berücksichtigen, dass erklärte Kündigungen oft Bezüge zu den Anknüpfungsmerkmalen des AGG aufweisen. Im Normalfall wird eine ungerechtfertigte Belastung durch die Überprüfung der Kündigung anhand der Bestimmungen des allgemeinen und des besonderen Kündigungsschutzes ausgeräumt. Eine merkmalsbezogene Belastung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn die Belastung - wie bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung - über das Normalmaß hinausgeht.

20

3. Es ist nicht zu entscheiden, ob bei diskriminierenden Kündigungssachverhalten weitere Ansprüche auf Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG in Betracht kommen können. Grundsätzlich wird bei einer für unwirksam befundenen Kündigung der materielle Schaden, was die Kündigung selbst angeht, im Wege der Naturalrestitution ausgeglichen, für weitere materielle Folgen von Kündigungen stehen die Anspruchsgrundlagen des bürgerlichen Rechts unabhängig von § 15 Abs. 1 AGG seit jeher zur Verfügung, zB § 615 BGB.

21

IV. Durch die Kündigungen hat die Klägerin eine weniger günstige Behandlung erfahren als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten, denen nicht gekündigt wurde. Die Klägerin hat eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen ihres Geschlechts als einem der in § 1 AGG genannten, verbotenen Merkmale erfahren, weil sie als Frau wegen ihrer Schwangerschaft ungünstiger behandelt worden ist, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG.

22

1. Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „Schwangerschaft/Geschlecht“ ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Schwangerschaft - das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, BAGE 142, 158 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - aaO). Die Schwangerschaft muss mithin nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt.

23

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

24

2. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von der Klägerin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem Anknüpfungsmerkmal - hier die Schwangerschaft oder das Geschlecht - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158 = AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16).

25

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Kausalität zwischen der Schwangerschaft der Klägerin und dem Kündigungsverhalten der Beklagten im Ergebnis rechtsfehlerfrei bejaht.

26

a) Die Kündigung vom 14. Juli 2011 ist der Klägerin während ihrer noch bestehenden Schwangerschaft zugegangen. Damit verstieß sie objektiv gegen das Verbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, wonach die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig ist, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war.

27

aa) Die Klägerin hatte am 14. Juli 2011 erfahren, dass ihre Leibesfrucht abgestorben ist. Eine natürliche Fehlgeburt war bis dahin nicht erfolgt, weswegen sie auf den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt worden war, um eine solche Fehlgeburt künstlich einzuleiten oder durch einen entsprechenden Eingriff zu ersetzen. Hierüber unterrichtete die Klägerin die Beklagte über ihre Vorgesetzte Frau S noch am 14. Juli 2011. Daraufhin setzte der Geschäftsführer der Beklagten sofort ein Kündigungsschreiben auf und ließ dieses noch am 14. Juli 2011 in den Hausbriefkasten der Klägerin einwerfen. Dadurch ging die Kündigung der Klägerin spätestens am Morgen des 15. Juli 2011 zu, als die Schwangerschaft noch bestand.

28

bb) § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - Kündigungsverbot - wie § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - Beschäftigungsverbot - stellen auf den Begriff der Schwangerschaft und auf deren Ende durch „Entbindung“ ab. Unter „Entbindung“ ist grundsätzlich die „Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib“ zu verstehen, was bei einer Lebendgeburt vollkommen unproblematisch ist (vgl. BAG 16. Februar 1973 - 2 AZR 138/72 - BAGE 25, 70; ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 6 MuSchG Rn. 2). Im Falle einer Totgeburt wurde bis 1994 von einer Entbindung gesprochen, wenn die Frucht eine Körperlänge von 35 cm hatte (vgl. BAG 16. Februar 1973 - 2 AZR 138/72 - zu II 1 der Gründe, aaO). Nach einer Änderung der Personenstandsverordnung (§ 29 Abs. 2 PStV aF, gültig ab 1. April 1994; seit 1. Januar 2009 § 31 Abs. 2 PStV) entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1977 gelten nunmehr Kinder als tot geboren oder in der Geburt verstorben, wenn das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500 g betragen hat (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 462/04 - zu B I 1 d der Gründe). Auch eine solche Totgeburt ist als Entbindung anzusehen. Dies gilt auch im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs, wenn sich das Kind schon bis zu einem Stadium entwickelt hatte, in dem es zu einem selbständigen Leben - wenn auch nur kurz - grundsätzlich fähig war (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 462/04 - zu B I 1 der Gründe). Eine tot geborene Leibesfrucht von geringerem Körpergewicht als 500 g gilt dagegen als Fehlgeburt, § 31 Abs. 3 PStV, die keine Entbindung im Sinne des Mutterschutzgesetzes bedeutet. Bei einer Fehlgeburt besteht der Schutz vor Kündigungen nur, aber eben auch bis zum Zeitpunkt der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib.

29

cc) Dem entspricht die medizinische Terminologie und Einteilung. Ärzte sprechen bei einem Gewicht des Fötus von 500 g und mehr von einer Totgeburt. Dieses Gewicht ist ab der 22. Schwangerschaftswoche zu erwarten (Runnebaum/Rabe Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin Bd. 2, S. 414). Generell wird zwischen Fehlgeburten aus natürlicher Ursache (Spontanaborten) und Schwangerschaftsabbrüchen (artifizielle Aborte) unterschieden. Bei einer „missed abortion“, also einem verhaltenen Abort, ist die Fruchtanlage abgestorben, wird aber nicht aus der Gebärmutter ausgestoßen. Es gibt außer fehlenden Vitalitätszeichen keine äußeren Anhaltspunkte wie eine Blutung oder Gewebsabgang. Der Zervikalkanal ist geschlossen. Eine sicher diagnostizierte missed abortion muss mit einem artifiziellen Abort therapiert werden, um möglicherweise letale Komplikationen wie das Dead-Fetus-Syndrom zu vermeiden. Dies bedeutet, dass auch medizinisch der Abort „verhalten“, also vom Körper nicht natürlich vorgenommen wird und die Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib erst durch den artifiziell herbeigeführten Abort erfolgt. Erst in diesem Zeitpunkt ist auch aus medizinischer Sicht die Schwangerschaft beendet.

30

dd) Juristisch wie medizinisch hat daher die Schwangerschaft der Klägerin nicht mit dem Absterben des Kindes in der Gebärmutter geendet. Entscheidend war vielmehr die Trennung der toten Leibesfrucht vom Mutterleib, die erst im Verlauf des 15. Juli 2011 erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war die Kündigung der Klägerin schon zugegangen (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 21 und 22, EzA KSchG § 5 Nr. 41). Wann die Klägerin als Empfängerin die Kündigung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist unerheblich. Es kommt nicht darauf an, dass dies - aus individuell verständlichen Gründen - erst am 16. Juli 2011 nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus geschah. Da die Kündigung mit Zugang wirksam wurde und die Klägerin in diesem Zeitpunkt noch schwanger war, verstieß die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2011 gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.

31

b) Die Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zu Gunsten der werdenden Mutter bei Erklärung der ersten Kündigung indiziert eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG iVm. § 1 AGG. Die Beklagte kann diesen Kausalzusammenhang nicht dadurch mit Erfolg bestreiten, dass sie auf eine am 14./15. Juli 2011 bestehende komplizierte kündigungs- und mutterschutzrechtliche Konstellation verweist. Im Gegenteil: Ihr Hinweis in der Revisionsbegründung, sie habe nicht gewusst, ob „bei der Klägerin die Schutzvorschriften zum Mutterschutz noch gelten oder nicht“ und deswegen das Arbeitsverhältnis am 9. August 2011 nochmals gekündigt, wirkt verstärkend: Ein Arbeitgeber, der die Möglichkeit eines geschlechtsspezifischen Kündigungsverbotes erkennt und gleichwohl eine Kündigung ausspricht oder die Kündigung aus genau dieser Überlegung wiederholt, will „erst recht“ wegen des Geschlechts der Arbeitnehmerin benachteiligen. Im Übrigen deutet diese Argumentation der Beklagten darauf hin, dass weder ein neuer, vom Geschlecht der Klägerin unabhängiger Kündigungsentschluss bei der Kündigung vom 9. August 2011 zugrunde lag noch, dass der ersten Kündigung „betriebsbedingte“ Motivationen zugrunde gelegen hätten.

32

c) Die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch die Tatsache, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten über das Beschäftigungsverbot vom 4. Juli 2011 verärgert gezeigt und die Klägerin - erfolglos - zur Weiterarbeit gedrängt habe, deute darauf hin, dass die nur zehn Tage später ausgesprochene Kündigung eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft gewesen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Würdigung ist möglich, in sich widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Erfahrungssätze, zumal die Klägerin bei ihrer Nachricht an Frau S am 14. Juli 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, nach dem Eingriff stehe sie wieder zur Verfügung und damit - juristisch korrekt - das Ende des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes mit dem Abschluss der artifiziellen Fehlgeburt mitgeteilt hatte.

33

d) Darüber hinaus ist die Kündigung vom 14. Juli 2011 „zur Unzeit“ erklärt worden. Die Art der Treuwidrigkeit ist wiederum geschlechtsspezifisch diskriminierend. Es verstößt grob gegen die Pflicht der Beklagten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin, ihr noch vor dem Weg ins Krankenhaus, wo sie - für die Beklagte bekannt - einen artifiziellen Abort vornehmen lassen musste, die Kündigungserklärung zukommen zu lassen. Dies kann nur als absichtliche Missachtung der persönlichen Belange der Klägerin angesehen werden, die sich in einer lebensbedrohlichen Situation sah und darüber hinaus den Tod ihres Kindes zu verarbeiten hatte. Die Beklagte hat bewusst einen Zugangszeitpunkt gewählt, der die Klägerin besonders beeinträchtigen musste (vgl. BAG 14. November 1984 - 7 AZR 174/83 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 88; 12. Juli 1990 - 2 AZR 39/90 - zu B IV 2 a der Gründe; 5. April 2001 - 2 AZR 185/00 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 97, 294).

34

V. Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Bestimmung der Höhe der ausgeurteilten Entschädigung sind nicht erkennbar. Entgegen der mit der Revision vertretenen Meinung liegt auch kein Anwendungsfall des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vor.

35

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    Wroblewski    

                 

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.