Verwaltungsgericht München Urteil, 27. März 2018 - M 28 K 17.1289

published on 27/03/2018 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 27. März 2018 - M 28 K 17.1289
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 760/3 (Gemarkung ...) im Gebiet der Beklagten. Er wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2015 setzte die Beklagte für das Grundstück des Klägers eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Erschließungsanlage „H...Straße“ in Höhe von 25.400,00 € fest.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt ... mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2016, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 25. Februar 2017, zurück.

Am 27. März 2017 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2016 aufzuheben.

Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, das Grundstück des Klägers liege in einem Gebiet, das bereits Anfang der 1960er Jahre gehäuft bebaut worden sei. Die das Grundstück des Klägers erschließende Straße sei schon vor den aktuellen Baumaßnahmen endgültig hergestellt gewesen und es sei dafür ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 1.026,00 DM festgesetzt und bezahlt worden. Dies sei in einer Straßenanliegerbescheinigung der Beklagten aus dem Jahr 1960 selbst bestätigt. Es handle sich dabei um eine öffentliche Urkunde, die den Beweis der Richtigkeit ihres Inhalts erbringe. Die Erschließungsanlage sei nun fast 60 Jahre beanstandungsfrei genutzt worden. Es habe keine Frostaufbrüche, keine Bodenabsenkungen, keine Überflutungen oder sonstige Unannehmlichkeiten gegeben. Die Entwässerung der Straße sei über eine Seitenversickerung in den Untergrund erfolgt und von dort in einen Vorfluter auf der Rückseite des klägerischen Grundstücks. Durch den wasserdurchlässigen Untergrund der Straße und der anliegenden Grundstücke habe das Wasser planvoll in den Vorfluter sickern können. Eine Seitenrandversickerung sei im ländlichen Bereich weiterhin Stand der Technik für die Oberflächenentwässerung. Bei den Baumaßnahmen sei eine „sinnfreie Bordsteinkante“ neben die Fahrbahn gesetzt worden, der neue Straßenkörper sei genauso breit wie der alte. Die Oberflächenentwässerung finde nun über ein Rohr statt, das zum vorhandenen Vorfluter führe. Von einer Erstmaligkeit der Erschließung könne bei diesen Maßnahmen nicht die Rede sein, allenfalls liege ein Ausbau vor. Im Übrigen habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Kostenumlage bestehe. Bei der Erneuerung von Nachbarstraßen zur H...Straße hätten sich Beiträge errechnet, die pro Quadratmeter Straßenfläche weniger als 1/3 von dem ausmachten, was die Beklagte beim klägerischen Grundstück ansetze. Die Beklagte verletze den Grundsatz der Belastungsgerechtigkeit dadurch, dass sie ohne Vorliegen eines Sachgrundes das gesamte Baugebiet nicht nach einem einheitlichen Maßstab heranziehe. Im Übrigen sehe sich der schwerbehinderte Kläger nicht in der Lage, die Forderung der Beklagten ohne Gefährdung seiner Altersvorsorge zu bedienen. Mit Schriftsatz vom 26. März 2018 wurde noch ergänzend ausgeführt, dass die heutigen Grundstücke H...Straße 1 - 7 Anfang der 1960er Jahre durch eine asphaltierte Straße mit dem Namen R...Straße erschlossen worden seien, die es immer noch gebe und die von der Beklagten als „Ausbaustraße“ behandelt werde. Eine Begründung für die Ungleichbehandlung mit der H...Straße gebe es nicht.

Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen, und führte zur Begründung mit Schriftsatz vom 1. August 2017 insbesondere aus:

Bei der abrechneten Erschließungsanlage handle es sich nicht um eine vor dem 30. Juni 1961 bereits vorhandene oder später entsprechend den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung erstmalig endgültig hergestellte Erschließungsanlage. Unstreitig habe die Straße über keine ordnungsgemäße Oberflächenentwässerung verfügt. Es hätten auch die Randsteine gefehlt. Die Versickerung des Oberflächenwassers innerhalb des Straßenbereichs oder das Abfließen des Regenwassers in angrenzende Grundstücke sei bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht ausreichend gewesen. Die Straßenanliegerbescheinigung habe der Vorlage bei einer Bausparkasse gedient und stehe der Beitragserhebung nicht entgegen. Hinsichtlich persönlicher finanzieller Gesichtspunkte müsse der Kläger gegebenenfalls gesondert Billigkeitsmaßnahmen beantragen.

Am 27. März 2018 fand mit den Beteiligten eine mündliche Verhandlung statt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten der Beklagten und der Widerspruchsbehörde verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2015 und des zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 21. November 2016 greifen nicht durch (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Vorausleistungsbescheid beruht auf Art. 5a BayKAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Satzung für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt ... (EBS) vom 25. November 1988.

Nach diesen Vorschriften erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind u.a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bzw. Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 BayKAG). Der Erschließungsaufwand umfasst dabei u.a. die Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und Beleuchtung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Beiträge können gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (beitragsfähiger Erschließungsaufwand). Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand ist nach Abzug eines Gemeindeanteils (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB i.V.m. § 4 EBS) auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Beitragspflicht entsteht unbeschadet weiterer Voraussetzungen mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist (§ 133 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 10 EBS).

2. Für die streitgegenständlichen Straßenbaumaßnahmen in der H...Straße konnte rechtmäßig eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag – und nicht etwa nur eine Vorauszahlung auf einen Straßenausbaubeitrag – festgesetzt werden, denn bei dieser Erschließungsanlage handelt es sich weder um eine sog. „historische Straße“, die als vorhandene Erschließungsanlage gemäß Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG (vgl. auch § 242 Abs. 1 BauGB) dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts entzogen wäre, noch wurde die Anlage nach In-Kraft-Treten von BBauG/BauGB am 30. Juni 1961 bereits ohne die nun abgerechneten Maßnahmen bereits erstmalig endgültig hergestellt.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die H...Straße Anfang der 1960er Jahre Erschließungsfunktion erlangte (nach st. Rspr. des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, z.B. U.v. 22.7.2010 – 6 B 09.584 – juris Rn. 37 m.w.N., erhält eine Straße in unbeplanten Gebieten die Funktion einer Erschließungsanlage nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut werden, sondern sie ändert ihre rechtliche Qualität vielmehr erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt, d.h. – zumindest für eine Straßenseite – bauplanungsrechtlich Innenbereichslage im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB zu bejahen ist). Eine genauere Überprüfung, ob dies noch vor dem 30. Juni 1961 der Fall war oder erst danach, erübrigt sich aus folgenden Gründen:

Die Frage, welche Merkmale eine Straße vor In-Kraft-Treten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 aufweisen musste, um als vorhandene Straße i.S. des Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG/§ 242 Abs. 1 BauGB beurteilt werden zu können, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 5.6.2008 – 6 ZB 06.2721 – juris Rn. 5 m.w.N.) nach den zuvor geltenden landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkostensicherungsverträgen, nach einer erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen. Jedenfalls in den 1950er Jahren war aber auch schon in kleineren ländlichen Gemeinden eine durchgehende, gezielte und funktionierende Ableitung des Straßenoberflächenwassers (mit notwendiger Abgrenzung zu den anliegenden Grundstücken, d.h. keine bloße Versickerung über die angrenzenden Grundstücke) zur endgültigen Herstellung einer Erschließungsstraße unerlässlich (BayVGH, B.v. 3.8.1994 – 6 CS 94.2170 u.a. – n.v.; U.v. 4.5.1982 – 6 B 81 A.51 – n.v., UA S. 9; U.v. 9.10.1980 – 6 B 2245/79 – n.v., UA S. 5; vgl. ferner: Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand November 2017, Rn. 181 c; BayVGH, B.v. 24.5.2005 – 6 ZB 02.797 – juris Rn. 8).

Nach In-Kraft-Treten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 ist eine Anbaustraße erschließungsbeitragsrechtlich erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und dem (dieses bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (BVerwG, U. v. 10.10.1995 – 8 C 13/94 – juris Rn. 19; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 11 Rn. 50), wobei die Gemeinde das Bauprogramm im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (z.B. § 125 BauGB, Anforderungen nach dem Landesstraßenrecht) frei gestalten kann (Driehaus, a.a.O., § 13 Rn. 54). Insoweit ist vorliegend festzustellen, dass bereits in der ersten Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 2. Juni 1961 und in den nachfolgenden Satzungen jeweils eine Straßenentwässerung als Merkmal der endgültigen Herstellung von Erschließungsanlagen bestimmt wurde.

Vorliegend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Straßenentwässerung in der H...Straße vor den streitgegenständlichen Straßenbaumaßnahmen dadurch erfolgte, dass das auf der asphaltierten Straße anfallende Oberflächenwasser auf angrenzenden Flächen versickerte (vgl. Klageschrift vom 27. März 2017: Seitenrandversickerung in den Untergrund). Dabei handelt es sich (nach Beschreibung der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, denen die Klägerseite nicht substantiiert entgegengetreten ist und die auch von den dem Gericht vorliegenden Licht- und Luftbildern bestätigt werden) jedenfalls ganz überwiegend um in Privateigentum stehende Flächen der Straßenanlieger. Eine gezielte Ableitung durch Straßenprofil und -neigung sowie eine Fassung in Entwässerungsleiteinrichtungen wie Randsteinen oder Rinnen fand nicht statt (vgl. auch die Fotos Blatt 52 und 53 der Akte der Beklagten).

Diese Art der Straßenentwässerung erfüllte nicht die vorgenannten Anforderungen: Eine Straßenentwässerung in diesem Sinn stellt schon begrifflich eine technisch abgrenzbare Teileinrichtung dar, das bloße Abfließen des Regenwassers aufgrund der Straßendeckenwölbung genügt hierfür nicht (BayVGH, B.v. 6.3.2006 – 6 ZB 03.2961 – juris Rn. 9), dies gilt erst recht, wenn wie vorliegend für die Entwässerung notwendig Privatgrundstücke in Anspruch genommen werden müssen und die Beklagte sich dadurch möglichen Abwehransprüchen der Anlieger, die diese Beeinträchtigung ihres Privateigentums nicht hinzunehmen haben, aussetzt. Erforderlich sind vielmehr Entwässerungseinrichtungen wie Randsteine und/oder Rinnen (BayVGH, U.v. 5.11.2007 – 6 B 05.2551 – juris Rn. 33), durch die das Oberflächenwasser gezielt und ohne Inanspruchnahme von Privateigentum abgeleitet wird.

Das Gericht schließt nicht aus, dass im Einzelfall (u.a. bei geeigneten örtlichen Verhältnissen, gezielter Planung und Ausführung auf gemeindlichem Grund sowie Einhaltung der diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben) auch eine Versickerung des Oberflächenwassers durch ober- oder unterirdische Versickerungsanlagen (wie z.B. Muldenversickerung, Rigolen etc.) eine satzungskonforme Art der Straßenentwässerung darstellen kann. Der bis zu den Baumaßnahmen in der H...Straße bestehende Zustand eines gänzlich ungeordneten Abfließens und Versickerns über/durch Grundstücke privater Anlieger genügte dem jedoch nicht ansatzweise. Deshalb brauchte das Gericht auch den unterschiedlichen Ansichten der Beteiligten, ob und inwieweit der Untergrund vor Ort eine Versickerung von Oberflächenwasser besonders gut oder gerade nicht ermöglichte, nicht weiter nachgehen.

3. Die von der Klägerseite vorgelegte Kopie einer „Straßenanlieger-Bescheinigung“ steht der nunmehrigen Festsetzung und Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Erschließungsanlage „H...Straße“ oder einer Vorausleistung darauf unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt entgegen.

Ausweislich dieses Dokuments wurde dem früheren Grundstückseigentümer des klägerischen Grundstücks im Jahr 1960 von der Beklagten „zum Zwecke der Aufnahme eines Darlehens bei der Bayerischen Landesbausparkasse, ..., bescheinigt, dass das Grundstück Plan-Nr. 760/3 ... an einer öffentlichen Straße liegt, die endgültig ausgebaut ist. Die anteiligen Kosten für den endgültigen Ausbau sind bezahlt mit ca. DM 1026,-“.

Dass sich mit derartigen sog. Anliegerbescheinigungen in aller Regel – und auch vorliegend – kein Verzicht einer Gemeinde auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen begründen lässt, ist geklärt und bedarf keiner weiteren Ausführungen (BayVGH, U.v. 29.2.2000 – 6 B 96.360 – juris Rn. 37 f.; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 1550, 1580, jeweils m.W.n.).

Auch die von der Klägerseite intendierte Wirkung einer die Beklagte bindenden Feststellung einer früheren erstmaligen und endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage lässt sich dem vorgelegten Dokument nicht beimessen. Hinsichtlich der geltend gemachten Eigenschaft als öffentliche Urkunde gilt dies schon deshalb, da – eine öffentliche Urkunde i.S.v. § 417 ZPO unterstellt – deren formelle Beweiswirkung keine Bedeutung für die Frage der sachlich-inhaltlichen Richtigkeit der in der Urkunde beschriebenen Umstände hat. Die sog. Anliegerbescheinigungen wurden von den Gemeinden zugunsten der Grundstückseigentümer regel- und routinemäßig ausgestellt; aus ihnen kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Gemeinde die oft schwierige, ggf. umfassende tatsächliche und rechtliche Bewertungen erfordernde Frage, ob es sich bei der betreffenden Straße um eine sog. „historische Straße“ handelt und ggf. ob sie erschließungsbeitragsrechtlich bereits erstmalig endgültig hergestellt war, einer gründlichen Prüfung unterzogen hat (VG Freiburg, U.v. 11.7.2012 – 4 K 1621/10 – juris Rn. 31 m.W.n.; vgl. ferner VG München, U.v. 6.3.2001 – M 2 K 00.2784 – juris Rn. 39; zur Praxis der Anliegerbescheinigungen ausführlich: Hesse, Erschließungsbeitrag, Stand Februar 2018, Anh. BBauG § 135 Ziff. 5).

Bei der als Anlage K1 vorgelegten Anliegerbescheinigung sind zusätzlich auch der Ausstellungszeitpunkt (vor In-Kraft-Treten des Erschließungsbeitragsrechts durch das BBauG/BauGB und vor dem ersten Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung durch die Beklagte im Juni 1961, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Merkmale der erstmaligen endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage noch gar nicht beurteilt werden konnten) und der klar begrenzte Zweck der Bescheinigung („...zum Zwecke der Aufnahme eines Darlehens bei...“) zu beachten. Wenn im Übrigen schon für bestandskräftige Beitragsbescheide anerkannt ist, dass diesen keine Tatbestandswirkung zukommt, d.h. dass ihre rechtlichen Voraussetzungen wie die Endgültigkeit der Herstellung nicht an der Bestandskraft teilnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2011 – 6 CS 11.1241 – juris Rn. 12), muss dies für Anliegerbescheinigungen der vorliegenden Art erst recht gelten.

4. Der Einwand der Klägerseite, die Beklagte verletze den Grundsatz der Belastungsgerechtigkeit dadurch, dass sie ohne Vorliegen eines Sachgrundes das gesamte Baugebiet nicht nach einem einheitlichen Maßstab heranziehe, weshalb sich in Nachbarstraßen Beiträge ergäben, die pro Quadratmeter Straßenfläche weniger als 1/3 von dem ausmachten, was die Beklagte beim klägerischen Grundstück ansetze, verhilft der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg.

Dabei brauchte die nicht weiter substantiierte Behauptung der Klägerseite in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter überprüft werden. Es ist gemessen an den konkreten örtlichen Verhältnissen vorliegend weder ersichtlich, noch schlüssig vorgetragen, dass und weshalb von dem in § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Ausdruck kommenden erschließungsbeitragsrechtlichen Grundsatz der Bestimmung des Verteilungsgebiets durch die jeweilige („eine“) Erschließungsanlage mit dem Ergebnis einer mit dem Vorteilsprinzip kollidierenden Nivellierung der Beitragshöhe abgewichen werden dürfte oder gar müsste. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB, unter denen – ausnahmsweise – mehrere Anlagen zur gemeinsamen Aufwandsermittlung und Abrechnung zusammengefasst werden dürfen, erfüllt sein könnten.

5. Der Hinweis der Klägerseite im Schriftsatz vom 26. März 2018, die abgerechnete Erschließungsanlage sei im Bereich der heutigen Anwesen H...Straße 1 - 7 Anfang der 1960er Jahre noch Teil der heute immer noch bestehenden und als „Ausbaustraße“ behandelten R...Straße gewesen, worin eine Ungleichbehandlung liege, begründet ebenfalls keine Zweifel des Gerichts an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids. Es ist weder ersichtlich noch schlüssig vorgetragen, dass das vom Kläger beschriebene Straßenteilstück entgegen der o.g. Ausführungen seinerzeit bereit in einer Weise hergestellt gewesen wäre und dass es seinerzeit mit der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden R...Straße in einer rechtlichen und tatsächlichen Verbindung (etwa als unselbständige Stichstraße) dergestalt gestanden wäre, dass eine Berufung auf eine möglicherweise frühere erstmalige endgültige Herstellung der R...Straße zulässig wäre.

6. Soweit schließlich in der Klageschrift auf die finanzielle Belastung des Klägers durch den festgesetzten Beitrag hingewiesen und die Gefährdung seiner Altersvorsorge geltend gemacht wird, ist die Klägerseite darauf zu verweisen, ggf. Billigkeitsmaßnahmen (vgl. hierzu im Einzelnen: Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 1700 ff.) in einem eigenen Verwaltungsverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2010 – 9 B 58/10 – juris Rn. 5; B.v. 8.1.2001 – 11 B 59/00 – juris Rn. 9) zu beantragen. Selbst wenn ein Grund für Billigkeitsmaßnahmen vorliegen würde, wäre die Vorausleistung von der Beklagten zunächst ohne Rücksicht auf die Billigkeitsgründe festzusetzen.

Nachdem das Gericht auch keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aus anderen als den von dem Kläger vorgetragenen Gründen erkennen konnte, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2

Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 14/12/2010 00:00

Gründe 1 Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
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published on 15/11/2018 00:00

Tenor I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. März 2018 - M 28 K 17.1289 - wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind

1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze;
2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege);
3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind;
4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind;
5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.

(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).

(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.

(1) Der Erschließungsaufwand nach § 127 umfasst die Kosten für

1.
den Erwerb und die Freilegung der Flächen für die Erschließungsanlagen;
2.
ihre erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung;
3.
die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanlagen.
Der Erschließungsaufwand umfasst auch den Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung. Zu den Kosten für den Erwerb der Flächen für Erschließungsanlagen gehört im Falle einer erschließungsbeitragspflichtigen Zuteilung im Sinne des § 57 Satz 4 und des § 58 Absatz 1 Satz 1 auch der Wert nach § 68 Absatz 1 Nummer 4.

(2) Soweit die Gemeinden nach Landesrecht berechtigt sind, Beiträge zu den Kosten für Erweiterungen oder Verbesserungen von Erschließungsanlagen zu erheben, bleibt dieses Recht unberührt. Die Länder können bestimmen, dass die Kosten für die Beleuchtung der Erschließungsanlagen in den Erschließungsaufwand nicht einzubeziehen sind.

(3) Der Erschließungsaufwand umfasst nicht die Kosten für

1.
Brücken, Tunnels und Unterführungen mit den dazugehörigen Rampen;
2.
die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen sowie von Landstraßen I. und II. Ordnung, soweit die Fahrbahnen dieser Straßen keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern.

(1) Zur Deckung des anderweitig nicht gedeckten Erschließungsaufwands können Beiträge nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (beitragsfähiger Erschließungsaufwand). Soweit Anlagen nach § 127 Absatz 2 von dem Eigentümer hergestellt sind oder von ihm auf Grund baurechtlicher Vorschriften verlangt werden, dürfen Beiträge nicht erhoben werden. Die Gemeinden tragen mindestens 10 vom Hundert des beitragsfähigen Erschließungsaufwands.

(2) Kosten, die ein Eigentümer oder sein Rechtsvorgänger bereits für Erschließungsmaßnahmen aufgewandt hat, dürfen bei der Übernahme als gemeindliche Erschließungsanlagen nicht erneut erhoben werden.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.

(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.

(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.

(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.

(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn

1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder
2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.

(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).

(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.

(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.

(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts.

(1) Der Beitrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig.

(2) Die Gemeinde kann zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall, insbesondere soweit dies zur Durchführung eines genehmigten Bauvorhabens erforderlich ist, zulassen, dass der Erschließungsbeitrag in Raten oder in Form einer Rente gezahlt wird. Ist die Finanzierung eines Bauvorhabens gesichert, so soll die Zahlungsweise der Auszahlung der Finanzierungsmittel angepasst, jedoch nicht über zwei Jahre hinaus erstreckt werden.

(3) Lässt die Gemeinde nach Absatz 2 eine Verrentung zu, so ist der Erschließungsbeitrag durch Bescheid in eine Schuld umzuwandeln, die in höchstens zehn Jahresleistungen zu entrichten ist. In dem Bescheid sind Höhe und Zeitpunkt der Fälligkeit der Jahresleistungen zu bestimmen. Der jeweilige Restbetrag ist mit höchstens 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Jahresleistungen stehen wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes gleich.

(4) Werden Grundstücke landwirtschaftlich oder als Wald genutzt, ist der Beitrag so lange zinslos zu stunden, wie das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt werden muss. Satz 1 gilt auch für die Fälle der Nutzungsüberlassung und Betriebsübergabe an Familienangehörige im Sinne des § 15 der Abgabenordnung. Der Beitrag ist auch zinslos zu stunden, solange Grundstücke als Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes genutzt werden.

(5) Im Einzelfall kann die Gemeinde auch von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Die Freistellung kann auch für den Fall vorgesehen werden, dass die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist.

(6) Weitergehende landesrechtliche Billigkeitsregelungen bleiben unberührt.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer Erschließungsanlagen festzusetzen.

(2) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.