Verwaltungsgericht München Urteil, 17. Mai 2018 - M 11 K 16.3185

bei uns veröffentlicht am17.05.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid vom 16. Juni 2016 wird aufgehoben, soweit darin Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens getroffen wurden.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Herr ... (im Folgenden: Kläger) wendet sich als Gesamtrechtsnachfolger des während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens verstorbenen bisherigen Klägers Herrn ... (im Folgenden: vormaliger Kläger) gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid.

Der Beigeladene beantragte unter dem 23. Februar 2015 die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Wohnhauses mit Garagen und Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. ..., Gem. ... In den Fragen in der Anlage zum Antrag war u.a. darauf hingewiesen, die Abstandsfläche nach Norden werde auf dem Grundstück eingehalten. Die Abstandsfläche nach Süden komme teilweise auf dem Grundstück FlNr. ... zu liegen und werde im Rahmen des Bauantrags durch Abstandsflächenübernahme gesichert. Eine entsprechende Absichtserklärung des vormaligen Klägers war als Anlage beigelegt.

Laut Aktenvermerk vom 6. Juli 2015 wurde der Beigeladene im Rahmen einer Vorsprache von Seiten des Landratsamtes ... (im Folgenden: Landratsamt) darüber informiert, dass derzeit eine Genehmigung aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei, da die Abstandsflächen nicht eingehalten würden und die Barrierefreiheit nicht nachgewiesen sei. Der Planer werde diesbezüglich geänderte Unterlagen vorlegen. Am 4. August 2015 gingen beim Landratsamt ein als Anlage zum Vorbescheid bezeichneter Plausibilitätsnachweis zur Barrierefreiheit sowie eine vom vormaligen Kläger unterschriebene Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme vom 24. Juli 2015 ein.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 wandte sich der Kläger als eingetragener Erbe des vormaligen Klägers und in dessen Auftrag an das Landratsamt und teilte mit, die Bauvorschläge des Vorhabens würden von den bei der Abstandsflächenübernahme unterzeichneten Plänen deutlich abweichen. Dem Vorhaben werde in dieser Form nicht zugestimmt. Mit Schreiben vom 2. März 2016 zeigte der Bevollmächtigte die anwaltliche Vertretung des vormaligen Klägers an und teilte mit Schreiben vom 4. März 2016 mit, er gehe davon aus, dass das Abstandsflächenrecht nicht Gegenstand des Vorbescheidsverfahrens sei. Nach einer Rückmeldung des Landratsamtes widerrief er mit Schreiben vom 15. März 2016 die am 30. Januar 2015 erteilte Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme. Zudem nahm er mit weiterem Schreiben vom 15. März 2016 gegenüber dem Landratsamt Stellung und wies darauf hin, Abstandsflächenrecht sei im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nicht Prüfungsgegenstand. Ein Vorbescheid dürfe nicht in Bezug auf Abstandsflächenrecht ergehen. Ein Abweichungsantrag sei nicht gestellt worden.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 (dem Bevollmächtigten des vormaligen Klägers zugestellt am 20.6.2016) erließ das Landratsamt folgenden Vorbescheid:

„1. Folgendes Vorhaben:

– Errichten eines Wohnhauses (mit vier Woheinheiten) mit Garagen und Stellplätzen ist zulässig, wenn die nachstehenden Auflagen beachtet werden:

1.1...

1.2 Die Lage und die Größe des Baukörpers (14,00 m x 9,24 m) und die Firstrichtung des Wohnhauses bestimmen sich nach der beiliegenden Planskizze und dem Schemaschnitt je vom 16.11.2015, die mit einem Bestandteilvermerk versehen sind.

...

1.5 Die Wandhöhe darf – gemessen von der Oberkante des Geländes bis zur Oberkante der Dachhaut entlang der Gebäudeaußenwand – 6,50 m (vgl. auch den o.g. Schemaschnitt) nicht übersteigen. Sofern die Wandhöhe nach Satz 1 unter Berücksichtigung der Abstandsflächenregelungen und übernommener Abstandsflächen nicht eingehalten werden kann, ist die Wandhöhe entsprechend zu reduzieren. Ein Kniestock ist soweit zulässig, als er nicht zu einer Überschreitung der Wandhöhe nach Satz 1 führt. Die nähere Überprüfung bleibt dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten.

1.6 Sofern die Abstandsflächen nicht schon auf anderen Grundstücken übernommen wurden, sind die Abstandsflächen nach der Bayer. Bauordnung einzuhalten. Dies gilt auch für die erdgeschossigen Erker, insbesondere den nach Südosten. Abweichungen von den Vorschriften über das Einhalten von Abstandsflächen werden nicht in Aussicht gestellt.“

In den – durch Schreiben vom 27. Juni 2016 ergänzten - Gründen des Bescheids wurde ausgeführt, der Beigeladene habe die Klärung von einzelnen Fragen beantragt. Darüber hinaus hätten auch Abstandsflächen – soweit anhand der Unterlagen möglich – geprüft werden können. Dies sei auch im Vorbescheidsverfahren möglich. Gerade das Einhalten der Abstandsflächen sei wesentlich für die rechtliche (Ge-samt-) Zulässigkeit des Vorhabens. Ein Indiz dafür, dass auch die Abstandsflächen mit geprüft werden sollten, sei auch die vorgelegte Erklärung für die Übernahme der Abstandsfläche auf FlNr. ... Mit den Auflagen Nrn. 1.5 und 1.6 werde auch das Einhalten der Abstandsflächen angemessen geregelt. Zur Abstandsfläche zur FlNr. ... gelte weiterhin die Erklärung vom 24. Juli 2015 zur Duldung einer Abstandsfläche auf einer Tiefe von 2,40 m. Darin werde nicht nur die Absicht der Übernahme, sondern die Übernahme unmittelbar erklärt. Die Erklärung sei wirksam und habe nach ihrem Eingang beim Landratsamt nicht mehr widerrufen werden können. Eine erforderliche Abweichung vom Einhalten der Vorschriften über Abstandsflächen sei aufgrund der Auflagen im Vorbescheid nicht erforderlich.

Der vormalige Kläger hat gegen den Bescheid durch seinen Bevollmächtigten am 20. Juli 2016 Klage erheben lassen. Mit Schriftsatz vom 30. November 2016 wurde die Klage begründet und beantragt,

den Bescheid des Landratsamtes ... vom 16. Juni 2016, berichtigt mit Schreiben des Landratsamtes ... vom 27. Juni 2016, insoweit aufzuheben, als mit Ziffer 1.5 und 1.6 Auflagen festgesetzt worden sind, die eine wirksame Erklärung der Übernahme einer Abstandsfläche durch den Kläger zum Gegenstand haben,

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid insoweit nichtig ist, als mit Ziffer 1.5 und 1.6 Auflagen festgesetzt worden sind, die eine wirksame Erklärung der Übernahme einer Abstandsfläche durch den Kläger zum Gegenstand haben,

hilfsweise festzustellen, dass die Erklärungen der Übernahme einer Abstandsfläche vom 30. Januar 2015 und 24. Juli 2015 zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen nicht wirksam seien.

In der mündlichen Verhandlung wurde ergänzend als erster Hilfsantrag beantragt,

den Bescheid zur Gänze aufzuheben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die angefochtenen Auflagen werde das geltende Abstandsflächenrecht verletzt. Eine wirksame Übernahmeerklärung liege wegen des wirksamen Widerrufs nicht vor. Zudem entspreche das in der Übernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 dargestellte Vorhaben nicht dem im Vorbescheid gegenständlichen Vorhaben und unterscheide sich insbesondere in der Kubatur grundlegend. Die Übernahmeerklärung entfalte damit keine Wirkung. Das Landratsamt habe sich über das Prüfprogramm des vereinfachten Genehmigungsverfahrens hinweggesetzt und dadurch gegen ein tragendes Prinzip der Bayerischen Bauordnung und gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes verstoßen. Das Prüfprogramm und der Umfang der Feststellungswirkung werde auch nicht durch die Vorschrift des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO erweitert. Die Verfahrensökonomie rechtfertige keine Erweiterung des Prüfungsumfangs. Die Beschränkung des Prüfprogramms gelte auch für den Fall, dass der Antragsteller eine Erweiterung des Prüfprogramms ausdrücklich wünsche. Zudem habe der Beigeladene durch die Formulierung in der Anlage zum Vorbescheidsantrag unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Prüfung des Abstandsflächenrechts dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben solle.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage auf Gesichtspunkte der Anfechtbarkeit von Auflagen hin. In der Sache macht er geltend, es sei zulässig, in einem Vorbescheidsverfahren das Abstandsflächenrecht zu prüfen. Gründe der Verfahrensökonomie sprächen dafür, im Einzelfall das Einhalten von Rechtsvorschriften, die zunächst nicht im jeweiligen Verfahren zu prüfen seien, mit zu berücksichtigen. Die Klägerseite habe nicht darauf vertrauen können, dass bei einem späteren Baugenehmigungsverfahren die Einhaltung von Abstandsflächen geprüft werde. Das Einhalten der Abstandsflächen wäre bei konsequenter Beachtung des vereinfachten Verfahrens erst nach Baubeginn zu prüfen. Dazu hätte die Klägerseite einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen müssen. Um ein solches aufwendiges Verfahren zu vermeiden, sei es zulässig, Abstandsflächen im vereinfachten Verfahren oder im Vorbescheidsverfahren zu prüfen. Dabei sei es möglich, bestimmte rechtliche Probleme auch in die Prüfung miteinzubeziehen. Das sei hier erfolgt. Eine Abstandsflächenübernahmeerklärung sei auch im Vorbescheidsverfahren möglich. Der Beigeladene habe damit und mit den übrigen Unterlagen die im Vorbescheidsverfahren erforderlichen Unterlagen vorgelegt. In der Erklärung vom 24. Juli 2015 seien die Lage und die genaue Größe des Vorhabens eindeutig bestimmt. Bei den Abweichungen zwischen dem Vorhaben der Abstandsübernahmeerklärung und dem durch den Vorbescheid für zulässig erklärten Vorhaben gehe es im Wesentlichen um Erker, die Gegenstand der Auflagen seien. Mit den Auflagen werde erreicht, dass zum Kläger das Abstandsflächenrecht eingehalten werde, soweit er nicht schon Abstandsflächen wirksam übernommen habe.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Mit Schriftsatz von 25. Juli 2017 teilte der Bevollmächtigte mit, dass der Rechtsstreit nach dem Tod des vormaligen Klägers durch den Kläger als dessen Erben fortgeführt wird und legte einen Erbschein vor, wonach der vormalige Kläger durch den Kläger und eine weitere Person beerbt worden ist.

Die Kammer hat das streitgegenständliche Grundstück und die nähere Umgebung in Augenschein genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zum Augenscheinstermin und zur mündlichen Verhandlung sowie auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks durch den Beigeladenen ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass eine Beiladung des neuen Eigentümers nicht veranlasst war. Im Rahmen einer Nachbarklage ist nach § 65 Abs. 2 VwGO derjenige notwendig beizuladen, dem die Baugenehmigung oder der Vorbescheid erteilt wurde. Im Übrigen würde selbst, wenn davon ausgegangen würde, dass mit der Übertragung des Grundeigentums auch der erteilte Vorbescheid auf den neuen Eigentümer übertragen wurde, der Prozess durch den bisherigen Beigeladenen im Wege der Prozessstandschaft fortgesetzt und hätte nach Maßgabe von § 173 VwGO, § 265 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss auf den Prozess (BVerwG, B.v. 7.2.2011 – 6 C 11/10 – juris Ls. und Rn. 2 und 3).

Die Klage ist zulässig. Fragen der Prozessführungsbefugnis hinsichtlich einer Fortführung des Verfahrens stellen sich im Hinblick auf den Tod des Klägers nicht. Eine Unterbrechung des Prozesses ist nicht erfolgt und wurde seitens des Bevollmächtigten auch nicht beantragt (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren wurde daher durch den Tod des vormaligen Klägers nicht berührt und das Urteil wirkt - ungeachtet der Aufführung des Klägers als Erbe nach dem vormaligen Kläger im Rubrum - nach Maßgabe von § 173 VwGO i.V.m. § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen die Erben des vormaligen Klägers. Im Übrigen geht jedenfalls die zivilrechtliche Rechtsprechung davon aus, dass bei Aktivprozessen die Fortführung auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen kann, der gemäß § 2039 BGB zur Geltendmachung des Klageanspruchs berechtigt ist (vgl. im Zivilrecht BGH, U.v. 13.5.1964 - V ZR 90/62 – juris (nur Ls.); B.v. 2.11.2011 – X ZR 94/11 – juris), was auf verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklagen regelmäßig übertragbar sein dürfte.

Gegenstand der Klage sind nach Maßgabe des gemäß § 88 VwGO zu ermittelnden Klagebegehrens die in dem angefochtenen Bescheid enthaltenen positiven Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit, wobei dahinstehen kann, aus welchen Ziffern des Bescheids sich die Regelungen ergeben.

Im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids ergibt sich aus der Gesamtschau ausreichend klar, dass das Landratsamt positive Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach Maßgabe der Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 getroffen hat. Zwar kann nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Regel nicht angenommen werden, dass einem Baugenehmigungsbescheid Feststellungswirkung über den gesetzlich vorgegebenen Prüfungsumfang hinaus zukommen soll, auch wenn die Bauaufsichtsbehörde Ausführungen dazu in den Gründen macht, so dass der Baugenehmigungsbescheid insoweit auch keine zusätzliche belastende Wirkung enthält (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 2 AS 09.2907 – juris Rn. 24; B.v. 12.12.2013 – 2 ZB 12.1513 - juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 23.3.2016 – 9 ZB 13.1877- juris Rn. 6). Ungeachtet dessen ist der Inhalt eines Bescheids aber stets einzelfallbezogen zu bestimmen. Maßgeblich für die Bestimmung des Regelungsgegenstands ist dabei der verfügende Teil einschließlich der Nebenbestimmungen, der bei Unklarheiten nach Maßgabe der Gründe auszulegen ist. In Bezug auf einen Vorbescheid lässt sich dessen Inhalt aufgrund des Umstands, dass damit regelmäßig Feststellungen zur Zulässigkeit bestimmter Fragen getroffen werden, relativ eindeutig feststellen. Ergibt sich danach ausreichend klar, dass über den vorgegebenen Prüfungsumfang hinaus verbindliche Feststellungen getroffen werden sollten, so sind diese einer Anfechtung nach Maßgabe von § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zugänglich.

Entsprechend diesem Maßstab ist in der Gesamtschau der Regelungen und der Gründe davon auszugehen, dass mit dem angefochtenen Vorbescheid verbindliche Feststellungen zum Abstandsflächenrecht getroffen wurden.

Insbesondere aus den als Auflagen bezeichneten Regelungen des Bescheids in Ziff. 1.5 und 1.6 zum Abstandsflächenrecht ergibt sich, dass eine verbindliche positive Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit abstandsflächenrechtlichen Vorschriften erfolgen sollte, soweit dieses der Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 entsprach. Die Wirksamkeit der Abstandsflächenübernahmeerklärung wird in den Formulierungen in Ziff. 1.5 und 1.6 vorausgesetzt und in den Gründen des Bescheids ausdrücklich festgestellt. Auch die Regelung zur Lage des Baukörpers in Ziff. 1.2 des Bescheids dürfte mit der Einbeziehung der mit Bestandteilvermerk versehenen Planskizze vom 16. November 2015, die auf die Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 abstellt (dort unrichtig als Abstandsflächenübernahme vom 15.7.2015 bezeichnet, vgl. zur Identität der Erklärungen Behördenakte Bl. 33 ff.) auf das Abstandsflächenrecht abzielen. Der in diesem Sinne verstandene Inhalt des Bescheids wird zudem durch die Ausführungen der Klageerwiderung bestätigt und wurde vom Behördenvertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bekräftigt.

Die Klage ist nach ihrem Rechtsschutzziel darauf gerichtet, den Bescheid aufzuheben, soweit er positive Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit trifft. Ob sich die entsprechenden Regelungen des Bescheids (nur) aus Ziff. 1.5 und 1.6 ergeben oder auch aus weiteren Teilen des Bescheids (insbesondere Ziff. 1.2), kann im Hinblick auf das eindeutige Klagebegehren dahinstehen. Auf die Formulierung des Hauptantrags und den nachträglich gestellten Hilfsantrag kommt es insofern im Hinblick auf § 88 VwGO nicht an.

Auch aus Gründen der Rechtsklarheit ist eine abschließende Bestimmung, welche Regelungen des Bescheids die strittigen Feststellungen zum Abstandsflächenrecht beinhalten, nicht geboten. Mit der Auslegung des Klagantrags im Sinne des Urteilstenors ergibt sich für die Beteiligten ausreichend klar die Beseitigung derjenigen Teile des Bescheids, mit denen Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens getroffen wurden.

Schließlich erfordern auch Fragen der Teilbarkeit der Regelungen keine abschließende Verortung. Eine nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich mögliche Teilaufhebung von Verwaltungsakten ist möglich, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen (vgl. mit entsprechenden Nachweisen Decker in Posser/Wolff, BeckOK-VwGO, Stand 1.4.2018, § 113 Rn. 36; Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 113 Rn. 14). Ungeachtet der Einheitlichkeit einer Baugenehmigung und der Frage der Teilanfechtbarkeit bei Nachbarklagen (vgl. dazu Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2017, Art. 68 Rn. 39) kommt bei Nachbarklagen gegen einen Vorbescheid eine Aufhebung einzelner Feststellungen zur Vereinbarkeit mit Vorschriften mit Nachbarwirkung ohne weiteres in Betracht. Die positiven Feststellungen des Vorbescheids zum Abstandsflächenrecht sind – ungeachtet der Frage, aus welchen Teilen des Bescheids sie sich regelungstechnisch ergeben - von den sonstigen Regelungen, konkret den bauplanungsrechtlichen Regelungen, inhaltlich klar abgrenzbar und damit einer Teilaufhebung zugänglich. Einer vollständigen Aufhebung, die nach dem Hauptantrag auch nicht beantragt ist, bedarf es damit nicht.

Die Klage ist mit diesem Inhalt auch im Übrigen zulässig und insbesondere gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als Anfechtungsklage statthaft. Das ergibt sich unabhängig von Fragen der Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen daraus, dass Gegenstand der Klage positive Regelungen des Vorbescheids zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit sind. Gegenstand sind somit nach Maßgabe der Auslegung des Bescheids und unabhängig von der Verortung und Bezeichnung der Regelungen durch das Landratsamt Feststellungen des Vorbescheids, soweit sie die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit beinhalten.

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist nach Maßgabe des Tenors rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nachbarn können eine Baugenehmigung oder einen Vorbescheid (nur) dann mit Erfolg anfechten, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung oder der Vorbescheid gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen.

Entsprechend diesen Grundsätzen erweist sich der angefochtene Bescheid nach Maßgabe des Tenors bereits deswegen als rechtswidrig und verletzt den Kläger in Rechten, weil zu Lasten des Klägers als Nachbar über die den Umfang und Inhalt eines Vorbescheids begrenzenden Regelungen in Art. 59, 68 Abs. 1 und 71 BayBO hinaus Feststellungen zum Abstandsflächenrecht getroffen wurden, dem drittschützende Wirkung zugunsten von Nachbarn zukommt.

Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Der Gegenstand zulässiger Fragen ist insofern durch den Prüfungsumfang der Baugenehmigung begrenzt. Das ergibt sich zum einen bereits aus der Verweisung in Art. 71 Satz 4 BayBO auf Art. 68 Abs. 1 BayBO, aber auch aus dem Zweck eines Vorbescheids, eine verbindliche Klärung einzelner für die Baugenehmigung relevanter Fragen des Bauvorhabens herbeizuführen.

Nach Art. 68 Abs. 1 Hs. 1 ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Im hier nach Art. 59 BayBO maßgeblichen vereinfachten Genehmigungsverfahren ist die Vereinbarkeit des Vorhabens mit abstandsflächenrechtlichen Vorschriften – abgesehen von den Fällen einer hier nicht einschlägigen beantragten Abweichung – nicht zu prüfen und damit auch nicht Genehmigungsvoraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung. Dementsprechend dürfen auch in einem Vorbescheid zu einem Vorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren positive Feststellungen zum Abstandsflächenrecht nicht getroffen werden.

Die Zulässigkeit solcher Feststellungen ergibt sich auch nicht aus Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO. Danach darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Der in Rechtsprechung und Literatur in seinem Umfang und seiner Bedeutung strittige Inhalt der Vorschrift (vgl. mit einer Darstellung der verschiedenen Auffassungen Greim-Diroll in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, Stand 1.9.2017, Art. 68 Rn. 25 ff.) kann dabei dahinstehen, denn die Vorschrift beschränkt sich nach ihrem Wortlaut auf die Möglichkeit, ein Vorhaben aufgrund eines Verstoßes gegen nicht prüfungsrelevante Vorschriften abzulehnen. Bezogen auf einen Vorbescheid bedeutet dies, dass ein Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids auch aufgrund eines Verstoßes gegen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen sind, abgelehnt werden kann. Eine weitergehende Bedeutung der Vorschrift, die Feststellungswirkung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids zu erweitern, kommt ihr schon nach dem Wortlaut nicht zu.

Abgesehen davon, dass im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut von Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO eine erweiternde Auslegung im Hinblick auf positive verbindliche Feststellungen nicht möglich ist und Zweckmäßigkeitserwägungen ein Abweichen von den gesetzlichen Regelungen nicht rechtfertigen können, ist aus Sicht der Kammer auch nicht verständlich, weshalb eine positive Feststellung zu nicht prüfungsrelevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften verfahrensökonomisch sein soll. Der Gesetzeszweck von Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO, zu vermeiden, dass „sehenden Auges“ eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilt wird, das gegen öffentliche-rechtliche Vorschriften außerhalb des Prüfungsumfangs verstößt und dann hiergegen bauaufsichtlich eingeschritten wird, ist bei einer positiven Feststellung über den Prüfungsrahmen hinaus nicht einschlägig. Im Hinblick auf Aspekte der Verfahrensökonomie wäre allenfalls eine Ablehnung des Vorbescheidsantrags nach Maßgabe von Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO nachvollziehbar, wenn das Landratsamt Verstöße gegen Abstandsflächenrecht – etwa im Hinblick auf die nach der Abstandsflächenübernahmeerklärung erfolgten Änderungen des Vorhabens - angenommen und den Vorbescheidsantrag unter der Annahme, dass das gesamte Vorhaben mit diesen Änderungen steht und fällt, abgelehnt hätte.

Die positiven Feststellungen zur Übereinstimmung mit Abstandsflächenrecht im Zusammenhang mit der Abstandsflächenübernahmeerklärung verletzen den Kläger auch in seinen Rechten, ohne dass es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit ankommt.

Das ergibt sich bereits aus den allgemeinen Grundsätzen zum Gesetzesvorbehalt bei feststellenden Verwaltungsakten. Auf die Frage, ob die Regelungen in Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 und 59 BayBO zum Prüfungsumfang und zum Inhalt von Vorbescheiden ihrerseits zugunsten eines Nachbarn Drittschutz vermitteln, kommt es damit nicht an. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit langem anerkannt, dass feststellende Verwaltungsakte jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält (BVerwG, U.v. 29.11.1985 – 8 C 105/83 – juris Rn. 12 ff.; seitdem st. Rspr., vgl. z.B. U.v. 14.6.2012 – 5 C 4/11 – juris Rn. 13; so auch BayVGH, U.v. 2.6.1999 – 19 B 94.2154 – juris Rn. 59 ff. m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu im Urteil vom 29. November 1985 u.a. ausgeführt, das überkommene Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für alle (Verwaltungs-) Eingriffe in Freiheit und Eigentum ergebe sich für das geltende Recht aus „Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den Grundrechten“. Die Festlegung dieses Erfordernisses auf „Eingriff in Freiheit und Eigentum“ werde dem heutigen Verfassungsverständnis nicht mehr voll gerecht, die sog. „Wesentlichkeits-Rechtsprechung“ nehme an, dass sich das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage über seinen ursprünglichen Umkreis hinaus „ausgedehnt“ habe. Dies gelte jedenfalls für belastende Verwaltungsakte. Freilich bedürfe es einer „wahrhaft ausdrücklichen Grundlage“ nicht; das Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage könne durchaus auch im Wege der Auslegung ermittelt werden. Demnach ist eine verbindliche Feststellung von Rechtsverhältnissen zu Lasten eines Beteiligten im Rahmen eines Verwaltungsaktes nur bei entsprechender gesetzlicher Grundlage zulässig und eine Feststellung ohne eine solche Grundlage beinhaltet eine Rechtsverletzung.

Die Feststellung der Zulässigkeit eines Vorhabens hinsichtlich einzelner Fragen im Rahmen eines Vorbescheids stellt einen gesetzlich geregelten Fall eines feststellenden Verwaltungsaktes dar. Mit der Verweisung in Art. 71 Satz 4 BayBO auf 68 Abs. 1 BayBO hat der Gesetzgeber den möglichen Inhalt von Vorbescheiden geregelt. Weitergehende Feststellungen zu Lasten eines Beteiligten sind unzulässig und verletzen dessen Rechte, soweit sie mit einem Eingriff oder einer Beeinträchtigung von Rechten verbunden sind. Bezogen auf einen Nachbarn bedeutet dies, dass eine positive Feststellung eines Vorbescheids zur Übereinstimmung eines dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhabens mit den nicht prüfungsrelevanten nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts den Nachbarn in Rechten verletzt, ohne dass es auf die inhaltliche Richtigkeit der Feststellung ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten.

(2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so ist § 69 nicht anzuwenden.

(3) Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urteil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, dass er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Unternehmen der Telekommunikation, wendet sich gegen einen Bescheid, durch den die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (jetzt Bundesnetzagentur) monatliche Überlassungsentgelte der beigeladenen Deutsche Telekom AG für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung genehmigt hat.

2

Die Klägerin betreibt öffentliche Telekommunikationsnetze und erbringt Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit. Sie schloss 1998 mit der Beigeladenen einen Vertrag über den Zugang zu deren Teilnehmeranschlussleitung; diese verbindet den Hauptverteiler des Netzbetreibers mit dem Leitungsabschluss in den Räumlichkeiten des Teilnehmers. Auf Antrag der Beigeladenen genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post mit Bescheid vom 30. März 2001 ab dem 1. April 2001 Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, und zwar unter anderem monatliche Überlassungsentgelte für 16 Zugangsvarianten, von denen zwei auf Glasfaserleitungen und die übrigen auf Kupferleitungen beruhen. Insoweit war die Genehmigung bis zum 31. März 2003 befristet.

3

Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid der Regulierungsbehörde aufzuheben: Es sei nicht nachgewiesen, dass der Beigeladenen tatsächlich Kosten in Höhe der genehmigten Entgelte entstünden. Dem Ansatz der Kapitalkosten liege ein unzutreffend ermittelter Investitionswert zugrunde. Die Regulierungsbehörde habe nicht den tatsächlichen Wert des Teilnehmeranschlussnetzes zugrunde gelegt. Sie habe ein analytisches Kostenmodell herangezogen, das ausschließlich von Wiederbeschaffungszeitwerten ausgehe. Im Rahmen einer kalkulatorischen Kostenermittlung dürften jedoch die tatsächlichen Abschreibungen nicht unberücksichtigt bleiben. Die in den alten Bundesländern bereits in den 1960er und 1970er Jahren verlegten Kupferkabelnetze seien im Wesentlichen abgeschrieben. Sie dürften nicht mehr als tatsächliche Kostenfaktoren angesetzt werden.

4

Die Beklagte hat den angegriffenen Bescheid verteidigt und unter anderem auf den Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde verwiesen: Er erlaube es, statt auf der Grundlage vollständiger Kostennachweise auf der Grundlage eines analytischen Kostenmodells zu entscheiden. Das hier herangezogene Kostenmodell gehe zu Recht sowohl bei der Abschreibung als auch bei der Kapitalverzinsung von Wiederbeschaffungskosten in der Form aktueller Anschaffungspreise und nicht von den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten aus.

5

Die Beigeladene hat beantragt, die Klage abzuweisen: Die Klägerin werde durch den angegriffenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Die genehmigten Entgelte für die Überlassung der Teilnehmeranschlussleitung seien jedenfalls nicht zu hoch angesetzt.

6

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren der Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO - vorgelegt, darunter die Frage, ob die Berechnungsgrundlage der Kosten, die bei der Festlegung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu berücksichtigen sind, der Wiederbeschaffungswert des Anlagevermögens nach Abzug der bis zum Bewertungszeitpunkt bereits erfolgten Abschreibungen oder ausschließlich der Wiederbeschaffungszeitwert ist, ausgedrückt durch aktuelle Tagespreise im Zeitpunkt der Bewertung. Diese Frage hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24. April 2008 - Rs. C-55/06 - (Slg. 2008, I-2931) dahin beantwortet, dass die nationalen Regulierungsbehörden im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2887/2000 bei der Ermittlung der Grundlage für die Berechnung der Kosten des gemeldeten Betreibers die tatsächlichen Kosten berücksichtigen müssen, d.h. die historischen Kosten des gemeldeten Betreibers sowie die voraussichtlichen Kosten, wobei Letztere gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren sind (Rn. 119 des Urteils).

7

Das Verwaltungsgericht hat sodann durch das angefochtene Urteil den Bescheid der Regulierungsbehörde aufgehoben: Die Regulierungsbehörde habe zur Berechnung der Kapitalkosten im Rahmen der monatlichen Überlassungsentgelte den Investitionswert in einer Art und Weise bestimmt, die dem Gebot nicht gerecht werde, die Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss an den Kosten zu orientieren. Zwar stehe der Regulierungsbehörde bei der Beurteilung der Kostenorientierung grundsätzlich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zu. Jedoch gelte etwas anderes für die Feststellung des Investitionswerts als Berechnungsgrundlage der Kosten. Insoweit sei es nach der eingeholten Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum einen unzulässig, den Investitionswert ausschließlich auf der Grundlage der Kosten zu bestimmen, die einem anderen Betreiber für die Errichtung einer vollständig neuen Ortsinfrastruktur zur Erbringung gleichwertiger Telekommunikationsdienste (aktuelle Kosten) entstünden. Zum anderen dürften auch nicht ausschließlich die dem Netzbetreiber tatsächlich entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der bereits vorgenommenen Abschreibungen (historische Kosten) angesetzt werden. Vielmehr müsse die Regulierungsbehörde die tatsächlichen Kosten des Betreibers berücksichtigen. Diese setzten sich zusammen aus seinen historischen Kosten, was die Berücksichtigung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als Bezugsgrundlage voraussetze, sowie den voraussichtlichen Kosten, welche gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren seien. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union seien diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen nicht etwa kombiniert auf dieselben Gegenstände und Leistungen anzuwenden. Vielmehr gelte die historische Betrachtungsweise für bereits tatsächlich entstandene Anschaffungs- und Herstellungskosten, während nur die davon zu unterscheidenden voraussichtlichen Kosten, wie diejenigen für die langfristige Entwicklung und Verbesserung der lokalen Infrastruktur, auf Wiederbeschaffungsbasis kalkuliert werden könnten. Die Regulierungsbehörde habe hingegen die Investitionswerte anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen, d.h. nach dem Tageswertprinzip, bestimmt und die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, etwa für längst vorhandene Kabelkanäle, Kabel, Schächte und bereits durchgeführte Tiefbauarbeiten, vollkommen außer Acht gelassen.

8

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte aufgehoben hat.

9

Die Beklagte und die Beigeladene begehren mit ihren Revisionen, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte in dem Bescheid der Regulierungsbehörde richtet. Sie tragen im Wesentlichen übereinstimmend vor: Der Gerichtshof der Europäischen Union habe den Grundsatz der Kostenorientierung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 TAL-VO dahin ausgelegt, dass die Wahl der Berechnungsgrundlage im Ermessen der nationalen Regulierungsbehörde stehe. Diese habe die historischen Kosten des gemeldeten Betreibers sowie die voraussichtlichen Kosten, die aufgrund von Wiederbeschaffungswerten zu ermitteln seien, lediglich zu "berücksichtigen". Daraus resultiere zwar die Verpflichtung, die verschiedenen Bewertungsmaßstäbe in Erwägung zu ziehen. Indes sei die Behörde nicht gezwungen, sie zu kombinieren. Vielmehr bleibe ihr die Wahl, sich für einen dieser Maßstäbe zu entscheiden. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts würde dazu führen, dass das vorhandene Netz ausschließlich nach den historischen Kosten zu bewerten sei, was der Gerichtshof der Europäischen Union gerade ablehne.

10

Die Klägerin tritt den Revisionen entgegen: Zwischen den Kosten eines neuen Netzes, die der Gerichtshof der Europäischen Union als "aktuelle Kosten" bezeichne, und der Bewertung des vorhandenen Anlagevermögens anhand von Nettowiederbeschaffungskosten, d.h. unter Berücksichtigung der bereits vorgenommenen Abschreibungen, bestehe ein grundsätzlicher Unterschied. Die Berechnung des Investitionswerts anhand der aktuellen Kosten habe der Gerichtshof der Europäischen Union ebenso verworfen wie eine Bewertung anhand der historischen Kosten. Die vom ihm entwickelte mittlere Linie laufe auf die zwingende Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten hinaus. Danach seien für die Bewertung des Netzanlagevermögens nach seinem Wiederbeschaffungswert nicht die Kosten eines neu zu errichtenden Netzes maßgebend, sondern die Kosten für die Ersetzung dieses Wirtschaftsgutes durch ein Wirtschaftsgut gleicher Merkmale und gleichen Alters. Am Ende der angesetzten Nutzungszeit entspreche die Summe der Abschreibungen dem Wiederbeschaffungswert. Demzufolge sei die angefochtene Entgeltgenehmigung schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihr ausschließlich die aktuellen Kosten, die Bruttowiederbeschaffungskosten, zugrunde gelegt habe. Rechtswidrig sei sie ferner deshalb, weil die historischen Kosten gänzlich unberücksichtigt geblieben seien. Abgesehen davon habe die Beklagte eine fundierte Entscheidung über die Auswahl des Bewertungsmaßstabes überhaupt nicht getroffen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen sind unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

12

Die allein noch streitige Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die Regulierungsbehörde den Investitionswert ausschließlich anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen, also nach dem Tageswertprinzip, und nicht auch nach historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet hat. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts ist mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO - (ABl Nr. L 336 vom 30. Dezember 2000 S. 4) nicht vereinbar. Allerdings durfte die Regulierungsbehörde den Investitionswert nicht ausschließlich anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen bewerten, ohne sich mit den Vor- und Nachteilen dieser und anderer ebenfalls in Betracht kommenden Berechnungsmethoden abwägend auseinanderzusetzen. Weil sie diese Abwägung unterlassen hat, ist die Entgeltgenehmigung rechtlich zu beanstanden und hat das Verwaltungsgericht sie im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

13

1. Rechtsgrundlage für die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte ist § 39 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 und 3 des hier noch anzuwendenden Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 - TKG 1996 - (BGBl I S. 1120). Danach genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte auf der Grundlage der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996); die Genehmigung ist unter anderem zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996 nicht entsprechen oder mit dem Telekommunikationsgesetz oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen (§ 27 Abs. 3 TKG 1996).

14

a) Soweit die Regulierungsbehörde monatliche Überlassungsentgelte für diejenigen Zugangsvarianten genehmigt hat, die auf Kupferleitungen basieren, kommt Art. 3 Abs. 3 TAL-VO als andere Rechtsvorschrift im Sinne des § 27 Abs. 3 TKG 1996 in Betracht. Mit ihr steht die Genehmigung jedoch in Einklang. Nach Art. 3 Abs. 3 TAL-VO müssen sich - unbeschadet des hier nicht einschlägigen Art. 4 Abs. 4 TAL-VO - die von gemeldeten Betreibern in Rechnung gestellten Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss an den Kosten orientieren.

15

aa) Die Vorschrift ist anwendbar. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, ist die Beigeladene im Hinblick auf ihre Marktmacht "gemeldeter Betreiber" (Art. 2 Buchst. a TAL-VO). Unter einem "Teilnehmeranschluss" im Sinne der Verordnung ist die Doppelader-Metallleitung zwischen dem Standort des Teilnehmers und dem Hauptverteiler zu verstehen (Art. 2 Buchst. c TAL-VO), was hier alle Zugangsvarianten mit Ausnahme derjenigen einschließt, die auf Glasfaserleitungen beruhen. Wie das Verwaltungsgericht ferner festgestellt hat, sind die Teilnehmeranschlüsse im Sinne von Art. 2 Buchst. f TAL-VO vollständig entbündelt, da sie die Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglichen.

16

bb) Danach unterliegt die Festlegung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss dem Gebot der Kostenorientierung. Welche Vorgaben Art. 3 Abs. 3 TAL-VO insoweit zu entnehmen sind, ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union verbindlich festgelegt, die das Verwaltungsgericht zur Auslegung dieser Vorschrift im Wege der Vorabentscheidung eingeholt hat (Urteil vom 24. April 2008 - Rs. C-55/06 - Slg. 2008, I-2931).

17

Als Kosten sind insbesondere die Zinsen für das eingesetzte Kapital und die Abschreibungen der Anlagegüter zu berücksichtigen, die zur Herstellung des Teilnehmeranschlusses verwendet wurden. Sowohl die Zinsen als auch die Abschreibungen beziehen sich auf die Investitionen für die Herstellung des Teilnehmeranschlusses. Die Zinsen sind gleichbedeutend mit Einkünften, die mit dem Kapital erzielt worden wären, wenn es nicht in den Teilnehmeranschluss investiert worden wäre. Die Abschreibungen erfassen die Minderung des tatsächlichen Wertes der Anlagegüter, die für die Errichtung des Ortsnetzes verwendet wurden (Rn. 70 ff. des Urteils).

18

Der Wert des Anlagevermögens (der Investitionen) als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen kann auf unterschiedliche Weise berechnet werden. Zugrunde gelegt werden können zum einen die Kosten, die der Netzbetreiber für die Herstellung und Anschaffung des vorhandenen Anlagevermögens seinerzeit aufgebracht hat, vermindert um die seither vorgenommenen Abschreibungen. Zugrunde gelegt werden können zum anderen die Kosten, die im jeweiligen Bewertungszeitpunkt nach aktuellen Tagespreisen für die Wiederbeschaffung des Anlagevermögens aufzuwenden sind (Wiederbeschaffungswert). Insoweit kann weiter danach unterschieden werden, ob von dem Wiederbeschaffungswert die Abschreibungen abgezogen werden, die auf das Anlagevermögen (im Bewertungszeitpunkt) bereits vorgenommen worden sind (Nettowiederbeschaffungswert), oder ob der Wiederbeschaffungswert ohne diesen Abzug angesetzt wird (Bruttowiederbeschaffungswert). Bei dem Wiederbeschaffungswert kann weiterhin danach unterschieden werden, ob er auf das tatsächlich vorhandene Netz oder auf ein Netz gleicher Funktion bezogen wird, wie es zum Bewertungszeitpunkt nach dem Stand der Technik effizient aufgebaut würde.

19

Nach der Feststellung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist keine dieser Berechnungsmethoden die angemessenste Methode, um im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung die Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu ermitteln. Vielmehr kann sich jede dieser Methoden nachteilig auf die Ziele auswirken, die mit der TAL-VO angestrebt werden, nämlich den Wettbewerb durch die Festlegung harmonisierter Bedingungen für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu intensivieren, um so die wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer breiten Palette von Diensten im Bereich der elektronischen Kommunikation zu begünstigen (Rn. 109 des Urteils).

20

Wären ausschließlich die ursprünglichen Herstellungs- und Anschaffungskosten abzüglich inzwischen getätigter Abschreibungen anzusetzen, die der Gerichtshof der Europäischen Union als historische Kosten bezeichnet (Rn. 86 des Urteils), geriete dies in Konflikt mit dem Zweck des Art. 3 Abs. 3 TAL-VO, es dem Anbieter des Teilnehmeranschlusses zu ermöglichen, seine Kosten zu decken und zugleich einen angemessenen Gewinn zu erzielen, damit die langfristige Entwicklung und Verbesserung der Ortsanschlussinfrastruktur gesichert ist. Wären daher ausschließlich die historischen Kosten zugrunde zu legen, was, je nach Alter des Netzes, zur Berücksichtigung eines beinahe abgeschriebenen Netzes und damit zu einem sehr niedrigen Preis führen könnte, so würde der Netzbetreiber ungerechtfertigt benachteiligt. Zum einen wäre er verpflichtet, sein Netz seinen Wettbewerbern zu öffnen und den damit möglicherweise verbundenen Verlust eines Teils seiner Kundschaft hinzunehmen. Zum anderen könnte er mit der Vergütung, die er als Gegenleistung für die Bereitstellung eines entbündelten Zugangs zum Teilnehmeranschluss erhielte, keinen angemessenen Gewinn erzielen, obwohl er auch die langfristige Entwicklung und Verbesserung der lokalen Infrastruktur zu sichern hat (Rn. 103 ff. des Urteils).

21

Den historischen Kosten stellt der Gerichtshof der Europäischen Union die als aktuelle Kosten bezeichneten Kosten gegenüber, die einem anderen Betreiber für die Errichtung einer vollständig neuen Ortsanschlussinfrastruktur zur Erbringung gleichwertiger Telekommunikationsdienste entstehen würden (Rn. 86 des Urteils). Dabei handelt es sich der Sache nach um die Wiederbeschaffungskosten (Rn. 115 des Urteils). Diese aktuellen Kosten sind zugleich die Grundlage der voraussichtlichen Kosten, die der Gerichtshof der Europäischen Union im Weiteren erwähnt, ohne sie näher zu definieren. Sie können auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten kalkuliert werden (Rn. 119 des Urteils). Der Gerichtshof der Europäischen Union gibt zwar zu erkennen, dass grundsätzlich ein auf die derzeitigen Kosten gestütztes, vorausschauendes Konzept angewandt werden sollte, da ein solches Konzept zu einem gerechten und dauerhaften Wettbewerb beitrage und für alternative Investitionsanreize sorge (Rn. 94 des Urteils). Würde das Anlagevermögen ausschließlich auf der Grundlage aktueller Kosten bewertet, sieht der Gerichtshof der Europäischen Union aber auch den Nachteil, dass der Netzbetreiber die Möglichkeit hätte, diejenigen Kosten zu wählen, die es ihm erlaubten, die Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss auf dem höchsten Niveau festzusetzen und die für die Begünstigten vorteilhaften Preisbildungselemente außer Acht zu lassen (Rn. 98 des Urteils).

22

Der Gerichtshof der Europäischen Union zieht aus diesem Vergleich der Berechnungsmethoden aber nicht den Schluss, sie oder eine von ihnen seien mit der TAL-VO oder anderen in die Betrachtung einbezogenen unionsrechtlichen Regelwerken nicht vereinbar. Er kommt nur umgekehrt zu dem Ergebnis, Art. 3 Abs. 3 TAL-VO gebe keine dieser Methoden als die allein zulässige vor, schließe aber die Anwendung aller anderen Methoden aus. In Ermangelung spezifischer unionsrechtlicher Vorschriften liegt es nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union vielmehr im Ermessen der nationalen Regulierungsbehörden, festzulegen, wie die Berechnungsgrundlage zu bestimmen ist, auf deren Grundlage die Abschreibungen zu berücksichtigen sind (Rn. 116 des Urteils). Der Grundsatz der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO erfordert danach die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten, d.h. der historischen Kosten des Netzbetreibers und der Kosten, die aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon kalkuliert werden (Rn. 115 und 119 des Urteils).

23

Dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt sich nicht entnehmen, dass unter dem Wiederbeschaffungswert dabei nur der Wiederbeschaffungswert nach Abzug bereits getätigter Abschreibungen (also der Nettowiederbeschaffungswert) verstanden werden darf.

24

Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt eingangs seiner Überlegungen den historischen Kosten die aktuellen Kosten gegenüber. Er definiert dabei ausschließlich die historischen Kosten unter Einbeziehung der bereits getätigten Abschreibungen, ordnet diese aber nicht auch den davon zu unterscheidenden aktuellen Kosten zu (Rn. 86 des Urteils). Dass in dem Urteil unter dem Wiederbeschaffungswert (zumindest auch) die Bruttowiederbeschaffungskosten verstanden werden, wird durch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 18. Juli 2007 erhärtet, die dem Urteil zugrunde liegen. Darin werden die Zielsetzungen der vorgeschriebenen Kostenorientierung hervorgehoben, nämlich einerseits den Wettbewerb auf dem Teilnehmeranschlussmarkt zu fördern, ohne andererseits Investitionen des marktmächtigen Betreibers in die Infrastruktur zu verhindern. Vor dem Hintergrund dieser konfligierenden Zielsetzungen wird je nach der abschließenden Beurteilung der nationalen Regulierungsbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sowohl eine Berechnungsmethode, die auf den Bruttowiederbeschaffungskosten, als auch eine Berechnungsmethode, die auf den Nettowiederbeschaffungskosten beruht, als angemessen angesehen (Schlussanträge Rn. 50 ff.). Von einem entsprechenden Verständnis auch des Urteils auszugehen, liegt umso näher, als der Gerichtshof der Europäischen Union ebenfalls die beiden genannten, einander widerstreitenden Zielsetzungen, die er dem 6. und dem 11. Erwägungsgrund der TAL-VO entnimmt, ausdrücklich in den Blick genommen hat (Rn. 101 und 106 des Urteils).

25

Dass der Wiederbeschaffungswert des Teilnehmeranschlussnetzes ausschließlich über die Nettowiederbeschaffungskosten zu bestimmen ist, lässt sich nicht aus der Empfehlung der Kommission zur Zusammenschaltung in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt (Teil 2 - Getrennte Buchführung und Kostenrechnung) vom 8. April 1998 (98/322/EG, ABl Nr. L 141 vom 13. Mai 1998 S. 6) herleiten. Nach Nr. 4 dieser Empfehlung ist die Bewertung von Netzanlagevermögen nach seinem zukunftsrelevanten bzw. Wiederbeschaffungswert für einen effizienten Betreiber ein entscheidendes Element der auf Wiederbeschaffungskosten beruhenden Methodik der Kostenrechnung. Dazu sei der auf Abschreibungen entfallende Anteil der Betriebskosten auf der Grundlage des Wiederbeschaffungswerts für äquivalentes Anlagevermögen zu berechnen und demzufolge auch die Erfassung des eingesetzten Kapitals auf Wiederbeschaffungskostenbasis vorzunehmen. Die Empfehlung verweist sodann auf eine Anlage, die Orientierungshilfen zu zeitgemäßen Methoden der Bewertung von Anlagevermögen und der Kostenanpassung auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten vermittele. In der Anlage werden die Nettowiederbeschaffungskosten definiert als die Kosten für das Ersetzen eines Wirtschaftsguts durch ein Wirtschaftsgut gleicher Merkmale und gleichen Alters, wobei in Anbetracht eines raschen technologischen Wandels gegebenenfalls der Wert eines modernen Äquivalenzguts zu berechnen sei.

26

Sollte diese Empfehlung, insbesondere mit ihrem Hinweis auf ein Wirtschaftsgut gleichen Alters, überhaupt so zu verstehen sein, dass der Wiederbeschaffungswert des Teilnehmeranschlussnetzes vorrangig über die Nettowiederbeschaffungskosten zu bestimmen ist, entfaltet sie jedenfalls keine bindende Wirkung. Als bloße Empfehlung ist sie bei der Auslegung der einschlägigen Normen des Unionsrechts lediglich zu berücksichtigen. Nur in diesem Sinne hat der Gerichtshof der Europäischen Union sie in seinem Urteil herangezogen (Rn. 94 des Urteils). Sie gehört mit ihren Hinweisen damit zu den Erwägungen, die die Regulierungsbehörde berücksichtigen muss, wenn sie den ihr sowohl in den Schlussanträgen des Generalanwalts als auch im Urteil zugebilligten Gestaltungsspielraum ausfüllt.

27

Art. 3 Abs. 3 TAL-VO ist in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht so zu verstehen, dass der Wert des Anlagevermögens stets nur im Zusammenwirken einer Berechnung nach historischen Kosten und nach Wiederbeschaffungskosten zu bestimmen ist. Art. 3 Abs. 3 TAL-VO lässt es grundsätzlich zu, den Wert des Anlagevermögens ausschließlich nach einer dieser Methoden zu berechnen.

28

Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union von tatsächlichen Kosten spricht (Rn. 119 des Urteils), werden damit nicht die historischen Kosten und die voraussichtlichen Kosten (Wiederbeschaffungskosten) untrennbar in einem eigenständigen Kostenbegriff im Sinne eines gemischten Kostenansatzes vereinigt, der dann allein maßgeblich ist. Vielmehr ist der Begriff der tatsächlichen Kosten nur der Oberbegriff für die historischen und die voraussichtlichen Kosten, die je nach den Verhältnissen zu berücksichtigen sind und damit auch für sich allein berücksichtigt werden können.

29

In der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind nach Art. 3 Abs. 3 TAL-VO die historischen Kosten sowie die voraussichtlichen Kosten zu berücksichtigen, die nach dem Brutto- oder Nettowiederbeschaffungswert zu kalkulieren sind (Rn. 115 des Urteils). Unmittelbar im Anschluss daran billigt der Gerichtshof der Europäischen Union der Regulierungsbehörde Ermessen bei der Festlegung zu, wie die Berechnungsgrundlage zu bestimmen ist (Rn. 116 des Urteils). Im Zusammenhang mit einem Ermessensspielraum kann "berücksichtigen" aber nur im Sinne von "in Erwägung ziehen" verstanden werden. Nach der bindenden Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union verpflichtet Art. 3 Abs. 3 TAL-VO die Regulierungsbehörde zu einem Regulierungskonzept, in dem sie die auf historische Kosten bzw. voraussichtliche Kosten gestützten Berechnungsmethoden in Erwägung zieht, d.h. einander gegenüberstellt und auf ihre jeweiligen Vorteile und Nachteile im Hinblick auf die widerstreitenden Zielsetzungen der TAL-VO überprüft, einerseits das Teilnehmeranschlussnetz möglichst rasch dem Wettbewerb zu öffnen und doch andererseits die langfristige Entwicklung und Verbesserung der lokalen Infrastruktur durch den marktmächtigen Betreiber zu sichern (Rn. 101 und 106 des Urteils). Zu welchem Ergebnis sie dabei kommt, unterliegt aber ihrer Entscheidungsprärogative. Dem Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind insbesondere keine bindenden Vorgaben dahin zu entnehmen, dass die Regulierungsbehörde beide Berechnungsmethoden zu kombinieren oder die historische Betrachtungsweise für bereits tatsächlich entstandene Anschaffungs- und Herstellungskosten, die voraussichtlichen Kosten dagegen für die langfristige Entwicklung und Verbesserung der Infrastruktur heranzuziehen hätte. Der Gerichtshof der Europäischen Union geht ausdrücklich davon aus, dass die voraussichtlichen Kosten gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren sind (Rn. 119 des Urteils). Wenn aber (auch) das gesamte Teilnehmeranschlussnetz zu Wiederbeschaffungswerten kalkuliert werden darf, kann die Regulierungsbehörde nicht gezwungen sein, stets Elemente beider Kostenberechnungsmethoden nebeneinander anzuwenden.

30

Darüber hinaus hat der Gerichtshof der Europäischen Union an anderer Stelle seines Urteils festgestellt, das Unionsrecht schließe es in Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung nicht aus, die Kosten auf der Grundlage eines analytischen Top-down- oder Bottom-up-Kostenmodells zu bestimmen (Rn. 134 des Urteils). Dabei geht der Gerichtshof der Europäischen Union davon aus, dass bei einem Bottom-up-Modell der Gegenwartswert der Investitionen zur Errichtung eines neuen Netzes zu berücksichtigen ist. Dieses Modell stützt sich mithin auf die Kosten, die einem Betreiber für den Erwerb und den Betrieb seines eigenen Netzes entstanden wären (Rn. 128 des Urteils). Dagegen stützt sich das Top-down-Modell auf die dem Netzbetreiber tatsächlich entstandenen Kosten. Kann die Regulierungsbehörde aber die Kosten auf der Grundlage eines analytischen Top-down- oder Bottom-up-Kostenmodells bestimmen, wäre es nicht stimmig, wenn sie bei der Bewertung der Investitionswerte sowohl historische Kosten als auch Wiederbeschaffungswerte rechnerisch ansetzen müsste. Denn dann hätte sie gerade keinen Spielraum bei der Auswahl der Kostenmodelle, weil sie ein Top-down-Modell zur Bestimmung des nach historischen Kosten zu bewertenden Anteils am Investitionswert einzusetzen und ein Bottom-up-Modell für die nach Wiederbeschaffungswerten zu bepreisenden Anlagegüter zu verwenden hätte.

31

Schließlich hat der Gerichtshof der Europäischen Union Art. 4 Abs. 1 und 2 TAL-VO dahin ausgelegt, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Prüfung der Preise, die von den gemeldeten Betreibern für die Bereitstellung eines entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen in Rechnung gestellt werden, anhand des in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO verankerten Preisbildungsgrundsatzes über eine weitreichende Befugnis verfügen, die die Beurteilung der verschiedenen Aspekte dieser Preise umfasst. Diese weitreichende Befugnis bezieht der Gerichtshof der Europäischen Union auch auf die den gemeldeten Betreibern entstandenen Kosten und führt dafür neben den Zinsen für das eingesetzte Kapital und die Abschreibungen der Anlagegüter ausdrücklich die Berechnungsgrundlage dieser Kosten und die Kostenrechnungsmodelle an (Rn. 159 des Urteils). Mit dieser weitreichenden Befugnis ist nicht zu vereinbaren, den Entscheidungsspielraum bei der Wertermittlung der Anlagegüter so einzuengen, dass stets ein gemischter Ansatz von historischen Kosten und Wiederbeschaffungskosten herangezogen werden muss.

32

b) Soweit die Regulierungsbehörde monatliche Überlassungsentgelte für diejenigen Zugangsvarianten genehmigt hat, die auf Glasfaserleitungen basieren, hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Entgelte entsprächen nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996. Das trifft indes ebenfalls nicht zu.

33

Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996 dürfen Entgelte keine Aufschläge enthalten, die nur aufgrund der marktbeherrschenden Stellung eines Anbieters auf dem jeweiligen Markt durchsetzbar sind. Das bedeutet, dass die Entgelte - anders gewendet - an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996) orientiert sein müssen.

34

§ 24 TKG 1996 stellt eine detaillierte Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung dar, der dem Art. 3 Satz 3 TAL-VO zugrunde liegt, wie der Gerichtshof der Europäischen Union auf das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts ebenfalls festgestellt hat (Rn. 145, 149 des Urteils). § 24 TKG ist daher unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bestimmung der am besten geeigneten Kostenberechnungsmethode auch für Teilnehmeranschlussleitungen, die auf Glasfaser basieren, nach den dargelegten Maßgaben der Beurteilung der Regulierungsbehörde unterliegt. Die Genehmigung monatlicher Überlassungsentgelte für diese Teilnehmeranschlussleitungen hätte das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht schon deshalb beanstanden dürfen, weil das Anlagevermögen nicht auf der Grundlage eines gemischten Ansatzes von historischen Kosten und Wiederbeschaffungskosten bewertet worden ist.

35

2. Die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte ist in allen Zugangsvarianten deshalb rechtswidrig, weil die Regulierungsbehörde den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum aus anderen Gründen fehlerhaft ausgefüllt hat.

36

a) Der Regulierungsbehörde kommt bezogen auf das Merkmal der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO ein Beurteilungsspielraum zu. Dasselbe gilt für das Erfordernis in § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996, Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren.

37

Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume nicht grundsätzlich aus. Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiellrechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert. Ob dies der Fall ist, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - NVwZ 2011, 1062 <1065>). Die hier inmitten stehende Entscheidungsprärogative der Regulierungsbehörde bei der Entgeltregulierung ist durch das Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union unmittelbar vorgegeben. Soweit er in seinem Urteil auf das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts von Ermessen spricht, das der Regulierungsbehörde durch Art. 3 Abs. 3 TAL-VO eingeräumt wird, handelt es sich nach deutscher Rechtsterminologie um einen Beurteilungsspielraum in Bezug auf das Merkmal der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO und korrespondierend damit in § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996, der nur eine Anwendung dieses unionsrechtlichen Grundsatzes darstellt.

38

b) Das hier anwendbare Unionsrecht macht keine Vorgaben für den Umfang der gerichtlichen Kontrolle des als "Ermessen der nationalen Regulierungsbehörden" deklarierten Entscheidungsspielraums. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union an anderer Stelle seines Urteils hervorgehoben hat, ist die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung (Rn. 163 ff. des Urteils). Die Kontrollmaßstäbe sind daher den Grundsätzen zu entnehmen, die das Bundesverwaltungsgericht zum deutschen Verwaltungsrecht entwickelt hat. Diese Maßstäbe unterscheiden - jedenfalls verbal, weniger in der Sache - danach, ob es sich um die Kontrolle eines Beurteilungsspielraums auf der Tatbestandsseite der Norm oder um die Kontrolle von (Regulierungs-)Ermessen auf der Rechtsfolgenseite handelt: Die Ausübung eines Beurteilungsspielraums wird herkömmlich darauf überprüft, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat (Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 ). Die Ausübung des Regulierungsermessens wird vom Gericht beanstandet, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität; grundlegend: Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 ). Bei dem hier in Rede stehenden "Ermessen" hinsichtlich der Kostenorientierung der Preise handelt es sich, wie schon erwähnt, im Sinne der deutschen Rechtsterminologie um einen Beurteilungsspielraum. Er weist allerdings im Hinblick auf die unionsrechtlich vorgegebene Abwägung widerstreitender Regulierungsziele eine besondere Nähe zum Regulierungsermessen auf. Bei einem derartigen Entscheidungsspielraum, der gewissermaßen auf der Nahtstelle zum Regulierungsermessen steht, ist die eigentliche Bewertung der Behörde jedenfalls auch darauf nachzuprüfen, ob sie im Hinblick auf die Kriterien, die in der Rechtsnorm ausdrücklich hervorgehoben oder doch in ihr angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert hat (Urteil vom 23. März 2011 - BVerwG 6 C 6.10 - juris Rn. 38).

39

c) Daran fehlt es hier. Die Regulierungsbehörde hat die beiden mit "historische Kosten" bzw. "voraussichtliche Kosten" bezeichneten Methoden weder abstrakt berücksichtigt noch in ihre Abwägung einfließen lassen; vielmehr haben die historischen Kosten bei ihrer Kostenberechnung ersichtlich überhaupt keine Rolle gespielt. Die Regulierungsbehörde hat ohne Weiteres auf das analytische Kostenmodell zurückgegriffen, das, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, auf aktuellen Wiederbeschaffungspreisen beruht, und die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung allein aus diesem Blickwinkel beurteilt (Entgeltgenehmigung S. 36). Eine methodische Auseinandersetzung mit historischen Kosten im Sinne einer Bewertung der Vor- und Nachteile der einen und der anderen Berechnungsweise für die Erreichung der Regulierungsziele hat in dem angegriffenen Bescheid nicht erkennbar stattgefunden. Die Regulierungsbehörde hätte die konfligierenden Interessen abwägen und prüfen müssen, welcher Kostenmaßstab - erstens - den Nutzerinteressen, - zweitens - dem Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs sowie - drittens - dem Ziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen und Innovationen sicherzustellen, jeweils am ehesten gerecht wird. Sodann hätte sie unter Bewertung der unterschiedlichen Belange im Einzelnen darlegen müssen, dass und warum ihrer Ansicht nach im Ergebnis Überwiegendes dafür spricht, den Investitionswert auf der Basis einer Bruttowiederbeschaffung zu Tagesneupreisen zu berechnen.

40

Unerheblich ist, ob derartige Überlegungen der angegriffenen Entgeltgenehmigung unausgesprochen zugrunde gelegen haben, wie die Beklagte geltend macht. Die effiziente gerichtliche Kontrolle eines Gestaltungsspielraums, der der Behörde eingeräumt ist, ist grundsätzlich auf diejenigen Erwägungen zu erstrecken und zu beschränken, die die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung dargelegt hat. Bei der Entgeltgenehmigung hat es sich um eine Entscheidung der Beschlusskammer gehandelt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996). Das schließt es aus, eine unterbliebene oder defizitäre Abwägung als durch anderweitige Unterlagen geheilt oder ersetzt anzusehen.

41

Ebenso ist unerheblich, ob die Klägerin oder andere im Verwaltungsverfahren beigeladene Wettbewerber ihrerseits Einwände gegen das analytische Kostenmodell vorgebracht haben, das die Regulierungsbehörde zugrunde legen wollte. Die notwendige Abwägung und ihre Darstellung im Bescheid dienen der objektiven Feststellung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der erteilten Genehmigung vorliegen. Sie bezwecken jedenfalls nicht allein die Bescheidung erhobener Einwendungen, sondern sollen zumindest auch die nachgehende gerichtliche Kontrolle ermöglichen, die angesichts des ohnehin eingeräumten Beurteilungsspielraums sonst gänzlich um ihre Effizienz gebracht zu werden drohte.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.

(2) Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 94/11
vom
2. Juli 2012
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2012 durch den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, die Richter Gröning und
Dr. Grabinski und die Richterin Schuster

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten, ihm für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde und das sich anschließende Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die vorausgegangene Prozesskostenhilfebewilligung im ersten Revisionsverfahren und im nachfolgenden wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut Prozesskostenhilfe beantragt und sich dazu auf seine früher gemachten Angaben bezogen. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger haben unter anderem die Ablichtung eines notariellen Vertrags aus dem Jahr 2010 vorgelegt, in dem der Beklagte erklärt hat, für den Verkauf des Grundstücks A. in der Gemarkung W. (Gemeinde S. ) einen Kaufpreis von 80.000 EUR bereits bezahlt erhalten zu haben. Zu diesem Sachverhalt, zu dem dem Beklagten Gehör gewährt worden ist, hat sich der Beklagte nicht geäußert.
2
II. Demnach hat der Beklagte nicht dargetan, dass es ihm nicht möglich ist, die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufzubringen (§ 114 Satz 1 ZPO). Er ist nämlich verpflichtet, sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Dass einer der Fälle des § 90 Abs. 2 SGB XII vorliege, nach dem bestimmte Vermögenswerte nicht herangezogen werden können, ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich bei einem erhaltenen Betrag von 80.000 EUR erkennbar nicht um einen kleineren Barbetrag oder sonstigen Geldwert im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII.
3
Einer Aufforderung zur Glaubhaftmachung nach § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO bedurfte es nicht, weil sich der Beklagte nicht - wie es seine Obliegenheit gewesen wäre - zu dem Zufluss des Betrags von 80.000 EUR geäußert hat.
Keukenschrijver Mühlens Gröning
Grabinski Schuster
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 15.03.2005 - 3 O 358/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 07.04.2009 - 15 U 70/05 -

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen einen den Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 6. Dezember 2012, mit dem die Beklagte die planungsrechtliche Zulässigkeit des Neubaus eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 48 Gemarkung M. festgestellt hat. Sie sind Eigentümer der Grundstücke FlNr. 51 und 64 Gemarkung M., die an das Baugrundstück FlNr. 48 der Beigeladenen grenzen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Juli 2013 abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

1. Die Kläger berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist zur Begründung ihres Zulassungsantrags haben darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Der Einwand, das Baugrundstück liege entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB), sondern im Außenbereich (§ 35 BauGB), begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des klageabweisenden Urteils, weil sich allein aus einer fehlerhaften Gebietseinstufung kein Drittschutz ableiten lässt. Der Nachbarschutz ergibt sich vielmehr sowohl im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB, als auch im Fall des § 35 BauGB nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2015 - 9 CS 14.2441 - juris Rn. 25 m. w. N.).

b) Das Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt auch nicht die Annahme, dass durch den Vorbescheid das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird. Dieses Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB über das Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“, im Fall des § 35 BauGB lässt es sich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG ableiten (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2015 a. a. O. Rn. 25). Es kommt im Wesentlichen auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2015 a. a. O. Rn. 27).

aa) Soweit gerügt wird, dass durch den Vorbescheid das Abstandsflächenrecht verletzt werde, kommt eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger durch den angefochtenen Vorbescheid wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Prüfungsumfang im Vorbescheidsverfahren auf das jeweilige Prüfprogramm im entsprechenden Baugenehmigungsverfahren beschränkt ist (vgl. Art. 71 Satz 4 BayBO). Bei Vorhaben, die - wie hier - im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, kann deshalb nur über die Vereinbarkeit mit den in Art. 59 Satz 1 BayBO angeführten Vorschriften entschieden werden (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 71 Rn. 7). Die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften ist darin nicht vorgesehen; eine Abweichung (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) wurde nicht beantragt. Im Übrigen könnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine - unterstellte - Verletzung der Abstandsflächenvorschriften eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots indizieren würde (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2015 - 9 CS 14.2441 - juris Rn. 17).

bb) Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung seines Grundstücks verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Eine Gesamtschau der Umstände ist maßgeblich dafür, ob einem Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris Rn. 5). Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12). Davon kann bei einem Einfamilienhaus, das mit ca. 6,95 m Höhe nicht erheblich höher ist als das Wohngebäude der Kläger, nicht gesprochen werden. Gleiches gilt hinsichtlich des Zulassungsvorbringens der Kläger für ihr Grundstück FlNr. 64 Gemarkung M.

Soweit sich die Kläger darauf berufen, das Bauvorhaben der Beigeladenen würde sie in der Möglichkeit beschneiden, auf ihrem Haus eine Photovoltaikanlage oder eine Solarthermieanlage zu installieren, weil das Bauvorhaben ihrem Anwesen „erheblichen Lichteinfall nehmen“ würde, handelt es sich hierbei nur um in der Zukunft liegende ungewisse Ertragschancen. Im Übrigen hat es der Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schafft keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das behördlich gebilligte eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten, die das Baurecht an sich eröffnet, nicht voll ausschöpft (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 15 CS 13.1561 - juris Rn. 15). Nach obigen Ausführungen kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass auch insoweit eine nicht mehr hinnehmbare Verschattung des Grundstücks der Kläger eintritt.

cc) Ebenso wenig können die Kläger eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots darauf stützen, dass durch ein weiteres Gebäude ihr Blick von ihrem Wohnanwesen in die freie Natur „erheblich versperrt“ und ihr Naturgenuss sowie ihre Erholungsmöglichkeit beeinträchtigt würden, weil nach einer Bebauung des Nachbargrundstücks eine wesentlich intensivere Grundstücksnutzung - verbunden mit mehr Lärm sowie sonstigen Immissionen - zu befürchten sei und sie im Garten „gleichsam auf dem Präsentierteller“ sitzen würden. Das öffentliche Baurecht vermittelt nämlich keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken (vgl. BayVGH, B. v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 13 m. w. N.). Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall lassen sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Einen Schutz auf Erhaltung der freien Aussicht gewährt das Bauplanungsrecht ebenso wenig wie ein Recht auf ungestörten Naturgenuss (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand: September 2015, Art. 66 Rn. 441).

c) Auch der Einwand, das geplante Bauvorhaben würde „die Grenze des Bebauungszusammenhangs maßgeblich beeinflussen und diese maßgeblich sowohl nach Osten, wie auch nach Süden verschieben“, zu einer „Zersiedlung der Baulinie“ und zum Entstehen einer Splittersiedlung führen, kann für sich allein gesehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen, weil derartigen öffentlichen Belangen jedenfalls dann keine drittschützende Wirkung zukommt, wenn sie - wie hier - keine Auswirkungen auf die in unmittelbarer Nachbarschaft vorhandene Bebauung haben.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich nach obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären.

3. Ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) wegen eines Verstoßes gegen eine gerichtliche Hinweispflicht (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO) ist bereits nicht hinreichend dargelegt, weil im Zulassungsvorbringen nicht aufgezeigt wird, dass die Frage, ob eine Baugenehmigung für den Umbau des Nebengebäudes der Kläger existiert, zur Beurteilung des vorliegenden Verwaltungsrechtsstreits entscheidungserheblich war und das Urteil des Verwaltungsgerichts auf der Annahme, dass das Gebäude der Kläger im rückwärtigen Bereich der FlNr. 51 ohne Genehmigung umgebaut worden ist und zu Wohnzwecken genutzt wird, beruhen kann (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 a Rn. 74).

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht entscheidungstragend bereits darauf abgestellt, dass sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und deswegen nicht das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Der zusätzliche Hinweis auf das Fehlen einer schutzwürdigen Abwehrposition der Kläger hinsichtlich der Wohnnutzung des Nebengebäudes ändert daran nichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Verfahrensbeteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein Landkreis im Freistaat Thüringen, gegenüber dem Entschädigungsfonds wegen eines vormals dem Verwaltungsvermögen der Deutschen Demokratischen Republik zugehörigen Grundstücks abführungspflichtig ist.

2

Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist das Grundstück Gemarkung G., Flur 6, Flurstück 170/4. Nachdem dessen früherer Eigentümer die Deutsche Demokratische Republik im Jahr 1953 verlassen hatte, wurde es noch im gleichen Jahr in das Eigentum des Volkes überführt. Im Jahr 1975 wurde es in die Flurstücke 170/7 und 170/6 geteilt. Das Flurstück 170/6 wurde im Jahr 1981 mit drei weiteren Flurstücken zu dem neuen Grundstück Gemarkung G., Flur 6, Flurstück 170/8 (B. Gasse 10) zusammengeführt. Auf diesem Grundstück wurden eine Turnhalle und ein Sportplatz errichtet.

3

Zuletzt im Eigentum des Volkes stand auch das Grundstück Flur 6, Flurstück 165/4 (B. Gasse 5). Dieses war vor der Herstellung der Einheit Deutschlands Sitz einer Pädagogischen Schule für Kindergärtnerinnen, welche nach dem Jahr 1990 durch ihren neuen Rechtsträger, den Freistaat Thüringen, als "Fachschule für Sozialpädagogik" weiterbetrieben wurde. Im Jahr 1997 verlegte diese ihren Sitz. Seither betreibt der Kläger als staatlicher Schulträger auf dem Grundstück eine Förderschule.

4

Im Rahmen des Vermögenszuordnungsverfahrens betreffend die Liegenschaft "Fachschulgebäude in G., B. Gasse 5 und 10, Flur 6, Flurstück 170/8, und Flur 25, Flurstück 165/4" erzielten der Kläger und der Freistaat Thüringen im November 1996 eine Einigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG folgenden Inhalts:

"1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass es sich bei der o.g. Liegenschaft um Verwaltungsvermögen des Freistaates Thüringen entsprechend Art. 21 Abs. 1 und 2 EV handelt. Aufgrund des Schulträgerwechsels soll die Liegenschaft analog § 6 ThürSchFG auf den Landkreis zugeordnet werden.

2. Der Freistaat Thüringen ist damit einverstanden, dass die Liegenschaft an den Landkreis zugeordnet wird.

3. Der Landkreis verpflichtet sich analog § 6 Abs. 2 ThürSchFG eine Rückübertragungsvormerkung entsprechend anliegendem Muster in das Grundbuch eintragen zu lassen.

4. Sollten bei der Eintragung der Vormerkung Kosten entstehen, so hat diese der Landkreis zu tragen. Sollten bei der Rückübertragung an den Freistaat Thüringen Kosten entstehen, so trägt diese der Freistaat."

5

Der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Erfurt stellte im April 1997 im Rahmen des Vermögenszuordnungsverfahrens auf der Grundlage dieser Vereinbarung fest, dass der Freistaat Thüringen am 3. Oktober 1990 Eigentümer der Grundstücke Gemarkung G., Flur 6, Flurstück 170/8 (B. Gasse 10) und Flurstück 165/4 (B. Gasse 5) geworden sei, und übertrug beide Grundstücke auf den Kläger.

6

Mit in Bestandskraft erwachsenem Bescheid vom 28. Mai 1998 lehnte der Kläger einen Antrag des Erben und Erbeserben nach dem früheren Eigentümer auf Rückübertragung der Eigentumsrechte an dem dem vormaligen Flurstück 170/6 entsprechenden Teil des ursprünglichen Flurstücks 170/4 und des heutigen Flurstücks 170/8 mit der Begründung ab, das Grundstück sei dem Gemeingebrauch gewidmet worden; zugleich erkannte er einen Anspruch auf Entschädigung in Geld für den Verlust des Eigentums an dem Flurstück 170/8 dem Grunde nach an. Ein Bescheid über die Festsetzung der Entschädigungshöhe ist in der Folgezeit nicht ergangen.

7

Mit Bescheid vom 20. Juli 2010 stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (im Folgenden: Bundesamt) gegenüber dem Kläger fest, dass dieser hinsichtlich des Grundstücks Flur 6, Flurstück 170/8 (B. Gasse 10) der Abführungspflicht gegenüber dem Entschädigungsfonds nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG unterliege. Den Abführungsbetrag setzte es auf 7 710,28 € fest. Zur Begründung führte es aus, der Abführungspflicht unterliege derjenige Träger der öffentlichen Verwaltung, der durch eine Vermögenszuordnungsentscheidung zuletzt als Eigentümer des Grundstücks festgestellt worden sei und dadurch das Eigentum an dem Grundvermögen unentgeltlich erlangt habe. Etwaige Nebenabreden, so auch die Klausel eines Rückfalls an den Freistaat Thüringen, könnten im Rahmen des Abführungsverfahrens keine Berücksichtigung finden.

8

Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG bezwecke, einen bei einem Träger der öffentlichen Verwaltung entstandenen unentgeltlichen Vermögenszuwachs abzuschöpfen. Der unentgeltlich Begünstigte solle sich über die Abführung an der Finanzierung des Entschädigungsfonds beteiligen. Für die Bestimmung des Abführungspflichtigen sei auf die letzte Zuordnungsentscheidung abzustellen, da diese den Verbleib des Vermögenswertes dauerhaft regle und damit den Begünstigten des Vermögenszuwachses bestimme. Erfahre eine frühere Zuordnungsentscheidung vor der Festsetzung des Abführungsbetrages eine Änderung, infolge derer ein anderer Träger der öffentlichen Verwaltung unentgeltlich das Eigentum an dem betreffenden Grundvermögen erlange, so bestehe kein schutzwürdiges Interesse, weiterhin den das Eigentum übertragenden Träger der öffentlichen Verwaltung als abführungspflichtig anzusehen.

9

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG knüpfe hinsichtlich der Abführungspflicht nicht an die Nutzung des Grundstücks zum Zeitpunkt des Abführungsbescheides, sondern allein an den Eigentumserwerb infolge der Zuordnung des Verwaltungsvermögens nach Art. 21 EV an. Eine Übertragung des Eigentums zu einem späteren Zeitpunkt lasse die Abführungspflicht des durch die Vermögenszuordnung begünstigten Trägers der öffentlichen Verwaltung nicht entfallen.

10

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zwar war die Beklagte zur Feststellung des Bestehens einer Pflicht des Klägers zur Abführung eines Betrages an den Entschädigungsfonds grundsätzlich ermächtigt (1.). Die Voraussetzungen einer solchen Verpflichtung lagen hingegen nicht vor, so dass auch für die Festsetzung eines abzuführenden Betrages kein Raum war (2.)

12

1. Die Rechtswidrigkeit der durch Verwaltungsakt getroffenen Feststellung einer Abführungspflicht des Klägers folgt nicht etwa daraus, dass es an einer entsprechenden Ermächtigung fehlte.

13

Für den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts bedarf es jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage, wenn - wie hier - sein Inhalt etwas als rechtmäßig feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen nicht für rechtens hält. Eine Ermächtigungsgrundlage muss nicht ausdrücklich geregelt sein; es genügt, wenn sie durch Auslegung des Gesetzes ermittelt werden kann (stRspr, vgl. Urteil vom 22. Oktober 2003 - BVerwG 6 C 23.02 - BVerwGE 119, 123 <124 f.> = Buchholz 442.066 § 90 TKG Nr. 1 S. 2 m.w.N.).

14

So liegt es hier. Die in § 12 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz - EntschG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl I S. 1658), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Mai 2011 (BGBl I S. 920), enthaltene Befugnis zur Festsetzung des Abführungsbetrags schließt das Recht zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts über das Bestehen einer Abführungspflicht ein.

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2. Abführungspflichtig im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG ist nur ein Träger der öffentlichen Verwaltung, dem mit Wirksamwerden des Beitritts Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 des Vertrages vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - EV) (BGBl II S. 889) in Form eines Grundstücks zustand, dessen Restitution nach den §§ 4 und 5 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGBl I S. 205), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 23. Mai 2011 (BGBl I S. 920), ausgeschlossen war (a). Danach war der Kläger nicht abführungspflichtig mit der Folge, dass auch die Festsetzung eines Abführungsbetrages keinen Bestand haben kann (b).

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a) Die Beschränkung des Kreises der abführungspflichtigen Träger der öffentlichen Verwaltung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG unter Berücksichtigung seiner inneren Systematik (aa). Der Normzweck steht diesem Verständnis nicht entgegen (bb).

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aa) An den Entschädigungsfonds sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG abzuführen von Gebietskörperschaften oder sonstigen Trägern der öffentlichen Verwaltung der 1,3-fache vor der Schädigung zuletzt festgestellte Einheitswert von Grundstücken, die wegen der Zugehörigkeit zu deren Verwaltungsvermögen nach Art. 21 EV nach den §§ 4 und 5 VermG nicht restituierbar sind oder die wegen der Wahl von Entschädigung nicht restituiert werden.

18

Der Begriff "Verwaltungsvermögen nach Art. 21 EV" knüpft an Art. 21 Abs. 1 und 2 EV an. Gegenständlich erfasst ist Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik, das am 1. Oktober 1989 unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben diente, sofern diese Zweckbestimmung am 3. Oktober 1990, dem Tag des Wirksamwerdens des Beitritts, fortbestand (BGH, Urteil vom 14. September 2000 - III ZR 183/99 - BGHZ 145, 145 <147>). Der Begriff weist sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Dimension auf. Inhaltlich konkretisiert er den Abführungstatbestand in der Weise, dass der Vermögensgegenstand einer Zweckbestimmung unterworfen wird. Verwaltungsvermögen der Deutschen Demokratischen Republik im Sinne des Art. 21 Abs. 1 EV ist danach Vermögen, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben, mithin nach Maßgabe seiner Widmung unmittelbar hoheitlichen Zwecken diente und dessen zweckentsprechende Verwendung demgemäß öffentlich-rechtlich gesichert war (Urteil vom 18. März 1993 - BVerwG 7 C 13.92 - BVerwGE 92, 215 <218> = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 1 S. 3). Der tatsächlichen Nutzung muss eine dahingehende Zweckbestimmung im Sinne einer Widmung zugrunde gelegen haben; die tatsächliche Nutzung als solche genügt nicht (Beschluss vom 13. September 2007 - BVerwG 3 B 46.07 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 60 S. 15). In zeitlicher Hinsicht stellt die Verknüpfung des Vermögensgegenstands mit den Stichtagen "1. Oktober 1989" und "3. Oktober 1990" einen unmittelbaren Bezug zur Herstellung der Einheit Deutschlands her. Art. 21 Abs. 1 EV nimmt die Zuordnung des öffentlichen Vermögens nach der tatsächlichen Nutzung zum Stichtag "1. Oktober 1989" vor. Dies gewährleistet, die zum Stichtag geübte Verwaltungsnutzung nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands möglichst bruchlos von dem nunmehr hierfür zuständigen Verwaltungsträger fortzuführen. Die Abführungspflicht gründet daher in dem Tatbestand, dass einem Träger der öffentlichen Verwaltung im Zeitpunkt des Wirksamwerden des Beitritts ein Grundstück zustand, das sowohl am 1. Oktober 1989 als auch am 3. Oktober 1990 unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben diente.

19

Der Abführungstatbestand erfährt eine weitere Konkretisierung durch den Gebrauch des rückweisenden Demonstrativpronomens "deren". Dessen Bedeutung erschöpft sich nicht darin, eine Verknüpfung zwischen dem abführungspflichtigen Träger der öffentlichen Verwaltung und dem betroffenen Verwaltungsvermögen zu schaffen. Es stellt darüber hinaus den Bezug zu der Vermögenszuordnung nach Art. 21 Abs. 1 und 2 EV her. Diese Relation zwischen Verwaltungsträger, Grundstück und stichtagsbezogener Zuordnung stellt klar, dass abführungspflichtig nur derjenige Träger der öffentlichen Verwaltung ist, dem das Grundstück als Verwaltungsvermögen mit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 zustand.

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Dieses Normverständnis wird durch den Gebrauch des Wortes "Zugehörigkeit" in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG bekräftigt. Die Bedeutung dieses Begriffs im Allgemeinen wie im besonderen Sprachgebrauch ist durch eine Gegenwartsbezogenheit gekennzeichnet. In Verbindung mit dem Begriff "Verwaltungsvermögen nach Art. 21 des Einigungsvertrages" betont "Zugehörigkeit" die Maßgeblichkeit der Vermögenszuordnung zum 3. Oktober 1990. Dementsprechend muss das Grundstück mit dem Wirksamwerden des Beitritts Teil des Vermögens des abführungspflichtigen Trägers der öffentlichen Verwaltung geworden sein. Hingegen setzt die Abführungspflicht nicht voraus, dass es dem in Anspruch genommenen Verwaltungsträger auch noch im Zeitpunkt der Festsetzung des Abführungsbetrages zusteht.

21

Die Zielrichtung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG, einen nicht zu restituierenden unentgeltlichen Wertzuwachs abzuschöpfen, den das Vermögen des Trägers der öffentlichen Verwaltung infolge der einigungsvertraglichen Vermögenszuordnung erfahren hat, wird schließlich durch die Wörter "nach den §§ 4 und 5 des Vermögensgesetzes" bekräftigt. Der Restitutionsausschluss des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG wie auch die Ausschlusstatbestände des § 5 Abs. 1 VermG regeln Fälle der Unmöglichkeit der Rückgabe kraft Natur der Sache (vgl. auch Art. 3 Buchst. a der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990, veröffentlicht als Anlage III zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 ). Mit den Ausschlusstatbeständen des § 5 Abs. 1 VermG bezweckte der Gesetzgeber, bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderungen der Nutzungsart oder der Zweckbestimmung eines Grundstücks oder Gebäudes, an deren Aufrechterhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, nicht dadurch in Frage zu stellen, dass die früheren Eigentumsverhältnisse wiederbegründet werden (Urteil vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 27.94 - BVerwGE 100, 77 <80> = Buchholz 112 § 5 VermG Nr. 6 S. 12). Die von § 5 Abs. 1 VermG geschützten Nutzungen müssen bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes wie auch des Einigungsvertrages am 29. September 1990, mithin im Zeitpunkt der Herstellung der Einheit Deutschlands, bestanden haben (Wasmuth, in: Clemm/Etzbach/Faßbender/Messerschmidt/Schmidt-Räntsch, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Stand Januar 2012, Band II, § 5 VermG Rn. 10b; Hellmann, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand Januar 2012, § 5 VermG Rn. 17).

22

bb) Dem durch die grammatikalische Auslegung indizierten Verständnis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG, dass abführungspflichtig nur ein Träger der öffentlichen Verwaltung ist, dem am 3. Oktober 1990 Verwaltungsvermögen nach Art. 21 EV in Form eines Grundstücks restitutionsfrei zustand, stehen Sinn und Zweck der Norm nicht entgegen. Diesen zufolge sollen die Träger der öffentlichen Verwaltung, die unmittelbar mit der Herstellung der Einheit Deutschlands einen unentgeltlichen, nicht der Restitution nach dem Vermögensgesetz unterliegenden Vermögenszuwachs erfahren haben, zur haushaltsneutralen Finanzierung der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen herangezogen werden.

23

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EntschG werden Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen von dem Entschädigungsfonds erbracht. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass nach dem Einvernehmen beider deutscher Staaten die Allgemeinheit der Steuerzahler durch die sich aus dem Einigungsvertrag und den nachfolgenden Regelungen ergebenden Wiedergutmachungsansprüchen so wenig wie möglich belastet werden sollten (BTDrucks 12/4887 S. 31). Der Entschädigungsfonds ist als Sondervermögen in unmittelbarer Bundesverwaltung ein abgesonderter und rechtlich nicht selbstständiger Teil des Bundesvermögens. Er finanziert sich aus den in § 10 Abs. 1 Satz 1 EntschG festgestellten Einnahmequellen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll er durch die gemäß Nr. 1 bis 12 unmittelbar an ihn abzuführenden Geldleistungen in die Lage versetzt werden, die Wiedergutmachungsansprüche zu befriedigen. Zugleich soll durch diese Abführungen eine Erhöhung der gemäß Nr. 13 aus dem Bundeshaushalt zu zahlenden Zuschüsse vermieden werden (BTDrucks 15/3944 S. 1 und BTDrucks 15/4169 S. 1). Den Abführungstatbeständen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EntschG liegt die Wertung zugrunde, dass sämtliche von der Nichtrückgabe Begünstigten zur Finanzierung des Entschädigungsfonds beitragen sollen (BTDrucks 12/4887 S. 37).

24

Die Abführungspflicht der in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG bezeichneten Träger der öffentlichen Verwaltung gründet in dem Umstand, dass der Entschädigungsfonds die Entschädigungsleistungen zu finanzieren hat, ohne dass ihm die betroffenen Vermögensmassen unmittelbar zufallen, während das Vermögen des Verwaltungsträgers infolge der einigungsvertraglichen Vermögenszuordnung einen unentgeltlichen und wegen des Restitutionsausschlusses nach den §§ 4 oder 5 VermG auch auf Dauer angelegten Wertzuwachs erfährt. Dieser Wertzuwachs soll zur Finanzierung des Fonds abgeschöpft werden.

25

Der Wegfall dieses Wertzuwachses infolge einer späteren entgeltlichen oder unentgeltlichen Zuordnung des Grundvermögens an einen anderen Träger der öffentlichen Verwaltung lässt die Abführungspflicht des ursprünglich begünstigten Verwaltungsträgers unberührt. Mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG wurde keine allgemeine Abführungspflicht sämtlicher Träger der öffentlichen Verwaltung, denen zu irgendeinem Zeitpunkt Verwaltungsvermögen in der Form eines Grundstücks zugeflossen ist, geschaffen. Vielmehr wird nur eine einmalige Abführungspflicht desjenigen Verwaltungsträgers begründet, dem der Restitutionsausschluss historisch betrachtet unmittelbar vereinigungsbedingt zugute kam. Da die Restitution in den Fällen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 EntschG von Anfang an ausgeschlossen war, ist für die Abführung allein die Vermögenszuordnung nach dem Einigungsvertrag maßgeblich (vgl. Broschat, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus - VermG, Stand Januar 2012, § 10 EntschG Rn. 24; Kuhlmey/Wittmer, in: Kimme - Offene Vermögensfragen, Bd. III, Stand Juni 2009, § 10 EntschG Rn. 15; Kuhlmey, IFLA 2007, 49 <50>).

26

Dem widerstreitet auch nicht das Interesse des Bundes an einer kostendeckenden (bundes-)haushaltsneutralen Finanzierung des Entschädigungsfonds, das in dem Bestreben zum Ausdruck gelangt, dessen Einnahmen möglichst zeitnah zu realisieren (BTDrucks 15/3944). Diesem Interesse wird durch die Begründung der Abführungspflicht desjenigen Trägers der öffentlichen Verwaltung, dessen Vermögen durch die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts realisierte Zuordnung von nicht zu restituierendem Verwaltungsvermögen nach Art. 21 EV einen auf Dauer angelegten Wertzuwachs erfahren hat, uneingeschränkt Rechnung getragen. Dem danach abführungspflichtigen Verwaltungsträger steht es frei, im Falle einer etwaig beabsichtigten unentgeltlichen Übertragung des betreffenden Vermögens auf einen anderen Träger der öffentlichen Verwaltung Vorsorge für eine spätere Heranziehung zur Leistung des Abführungsbetrages zu treffen.

27

b) Nach diesen Maßstäben war der Kläger nicht abführungspflichtig mit der Folge, dass auch die Festsetzung des Abführungsbetrages rechtswidrig ist und diesen in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das streitgegenständliche Grundstück stand dem Kläger nicht bereits im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts am 3. Oktober 1990 zu. Es wurde ihm erst auf der Grundlage der - maßgeblich schulfinanzierungsrechtlich geprägten - Vereinbarung mit dem Freistaat Thüringen nach § 2 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz - VZOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. März 1994 (BGBl I S. 709), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 3. Juli 2009 (BGBl I S. 1688) im Jahre 1997 übertragen. Die Zuordnung wies somit keinen Bezug zu Art. 21 EV auf.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.