Verwaltungsgericht München Urteil, 05. Okt. 2016 - M 1 K 16.1301

bei uns veröffentlicht am05.10.2016

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Unter dem ... Juni 2015 stellte die Klägerin bei der Gemeinde ... den Antrag auf Nutzungsänderung zum „Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers“ in das Obergeschoss des Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 Gemarkung ..., Gemeinde ... (...). Unter dem ... Juli 2015 beantragte sie zudem die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung Nr. 0.1.1. des Bebauungsplans „Nr. 34 „… Straße I“ über die Art der baulichen Nutzung. Der Bebauungsplan sieht ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) ohne Ausnahmen nach dessen Absatz 3 vor. Der Bebauungsplan wurde am 7. Dezember 1999 von der Gemeinde als Satzung beschlossen und mit Bekanntmachung vom 30. Juli 2015 wegen eines Formfehlers rückwirkend zum 29. März 2000 in Kraft gesetzt. Derzeit gilt er in der Fassung der 4. Änderung vom 14. April 2010. Die Gemeinde ... hat mit Beschluss ihres Gemeinderats vom 14. Juli 2015 das gemeindliche Einvernehmen versagt.

Aufgrund einer Nachfrage des Landratsamts ... (Landratsamt) vom 4. August 2015 legte die Klägerin die Betriebsbeschreibung vom ... August 2015, ergänzt mit Schreiben vom ... September 2015 vor, und führte dazu aus, es handele sich um eine wohnartige Nutzung, die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig sei. Durchgeführt würden Erotikchats, die über ein externes Portal im Internet angeboten würden. Es komme zu keinen Lärmentwicklungen und Lichteffekten; auch finde kein Kunden-/Publikumsverkehr statt. Zum Inbegriff des Wohnens gehörten nach heutiger Anschauung auch ein Telearbeitsplatz oder ein herkömmliches Arbeitszimmer in der Wohnung. Diese Nutzung trete städtebaulich neben dem Wohnen nicht in Erscheinung und stelle die Eigenschaft als Wohnraum nicht infrage. Anders sei die Rechtslage, wenn das Arbeitszimmer als betrieblicher Mittelpunkt mit städtebaulich relevanten Außenwirkungen wie Kunden- und Lieferantenverkehr genutzt werde, was nicht der Fall sei.

Auf Anfrage des Landratsamts teilte die Regierung von Oberbayern am 8. Oktober 2015 mit, dass es sich aufgrund der Außenwirkung der Chats der Klägerin mit den Kunden im Internet um eine selbstständige gewerbliche Betriebsstätte handele, die, sofern keine Emissionen verursacht würden und kein Kundenverkehr stattfinde, einen nicht störenden Gewerbebetrieb darstelle. Eine freiberufliche künstlerische oder freiberufsähnliche Tätigkeit sei zu verneinen. Da der Bebauungsplan Ausnahmen ausschließe, bedürfe es gegebenenfalls einer Befreiung.

Mit Schreiben vom 27. November 2015 hörte das Landratsamt die Klägerin an und empfahl dabei, den Antrag zurückzunehmen.

Zwischenzeitlich wurden beim Landratsamt immer wieder Nachbarn der Klägerin vorstellig, die u. a. darauf hinwiesen, dass pornographische Filme gedreht würden und Fotoshootings und entsprechender Pkw-Verkehr stattfänden, was zu Störungen führe.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. Februar 2016, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2016 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers vom 25. Juni 2015 ab (Nr. 1), sprach die Verpflichtung aus, die gewerbliche Nutzung innerhalb einer Woche nach Bestandskraft zum Zweck für Erotikchats und zur Produktion erotischen Bild- und Fotomaterials einzustellen (Nr. 2) und drohte das weiteren für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nummer 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an (Nr. 3).

Mit Schriftsatz vom ... März 2016, der bei Gericht am 18. März 2016 eingegangen ist, erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt zuletzt,

den Bescheid vom 15. Februar 2016 aufzuheben,

hilfsweise das Landratsamt zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren, wonach es sich um eine nicht genehmigungspflichtige Nutzung innerhalb der Variationsbreite des Wohnbegriffs handele. Es käme zu keinen Schall- und Lichtimmissionen. Auch finde kein Publikums- oder sonstiger Kundenverkehr statt. Insbesondere würden keine Filmproduktionen mehr vor Ort erfolgen, sondern ausschließlich ein Erotikchat in Zimmerlautstärke und ohne Beteiligung Dritter. Zulässig sei somit die isolierte Anfechtung der Versagung der Baugenehmigung, da die Chattätigkeit als Wohnen zu qualifizieren sei. Es handele sich um einen Telearbeitsplatz. Sofern die Chattätigkeit der Klägerin nicht mehr als zulässige Wohnnutzung anzusehen sei, bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB). Die Gemeinde ... habe das gemeindliche Einvernehmen mit Blick auf die nachbarlichen Interessen in rechtswidriger Weise versagt, weil der Ausübung der Chattätigkeit durch die Klägerin keine nachbarlichen Belange entgegenstünden. Auch ergebe sich ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Befreiung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 34 „... Straße I“ würden in unzulässiger Weise mehrere Gewerbebetriebe unterhalten. Soweit die Tätigkeit der Klägerin als bauplanungsrechtlich unzulässig angesehen werde, müsse konsequenterweise auch gegen weitere gewerbliche Nutzungen im Baugebiet bauordnungsrechtlich eingeschritten werden. Ein willkürliches Herausgreifen von Einzelfällen sei unzulässig. Aus diesem Grunde sei auch die Nutzungsuntersagung rechtswidrig. Die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des nicht störenden Gewerbes der Klägerin im Wege der Erteilung einer Befreiung führe im Rahmen der Ermessensbetätigung dazu, dass eine Nutzungsuntersagung nicht hätte verfügt werden dürfen. Schließlich werde im Rahmen der Nutzungsuntersagung nicht zwischen den Erotikchats und der Produktion erotischen Bild- und Fotomaterials unterschieden. Allein darin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daraus resultiere auch eine Unbestimmtheit der Zwangsgeldandrohung, da nicht erkennbar sei, für welchen Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Nummer 2 des Bescheids in Aussicht gestellten Nutzungsuntersagungen ein Zwangsgeld fällig werde.

Das Landratsamt hat die Prozessvertretung der Regierung von Oberbayern übertragen. Diese äußerte sich mit Schreiben vom 15. September 2016 unter Vorlage von zwei Stellungnahmen des Landratsamts vom 9. August und 8. September 2016 und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags den streitbefangenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten sowie der Gerichtsakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig.

Hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens zu den Nummern 2 (Nutzungsuntersagung) und 3 (Zwangsgeldandrohung) des streitbefangenen Bescheids vom 15. Februar 2016 ergibt sich die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ohne weiteres aus § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Soweit mit der Klage im Hauptantrag zudem isoliert auch die Aufhebung der Ablehnung des Bauantrags vom ... Juni 2015 (Nr. 1 des Bescheids vom 15.2.2016) begehrt wird, ist dies ausnahmsweise in Gestalt einer sogenannten isolierten Anfechtungsklage zulässig. Die Klägerin besitzt das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Zwar ist im Hinblick auf die Spezialität der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) eine allein auf die Aufhebung einer behördlichen Ablehnung gerichtete Anfechtungsklage in der Regel ausgeschlossen (vgl. Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 42 Rn. 82 ff.). Allerdings ist vorliegend ein Ausnahmefall gegeben. Die Klägerin hatte zunächst unter dem ... Juni 2015 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers in das Obergeschoss des Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 beantragt und zudem unter dem ... Juli 2015 auch einen Antrag auf Befreiung von der Festsetzung Nr. 0.1.1 über die Art der baulichen Nutzung gestellt. Daraufhin erfolgte die Ablehnung dieses Antrags in Nummer 1 des streitbefangenen Bescheids vom 15. Februar 2016. Auf der Grundlage ihrer zwischenzeitlich, d. h. nach Stellung des Antrags auf Baugenehmigung, geänderten materiellen Rechtsansicht, wonach es sich bei der beantragten Nutzungsänderung um eine solche handele, die sich innerhalb der Bandbreite des Wohnbegriffs bewege und daher nicht genehmigungspflichtig sei, besitzt die Klägerin vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis für ihr isoliertes Kassationsbegehren. Denn damit vertritt die Klägerin nunmehr die Auffassung, es liege kein Fall der baurechtlichen Genehmigungspflicht nach Art. 55 Abs. 1 Hs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) vor. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift allerdings nicht vor, dann bedarf es für die inmitten stehende Maßnahme auch keiner Baugenehmigung. Der Bauherr kann für ein solches Bauvorhaben auch nicht die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens beantragen. Tut er es trotzdem und entscheidet die Bauaufsichtsbehörde, etwa weil sie die Verfahrensfreiheit übersieht, gleichwohl (positiv wie negativ) über den Antrag, dann ist diese Entscheidung rechtswidrig und kann vom Bauherrn im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2016, Art. 55 Rn. 74). Die Klägerin hat mithin primär kein rechtliches Interesse mehr an dem Erlass der begehrten Genehmigung. Vielmehr ist es ihr im Hauptantrag konsequenter Maßen allein darum zu tun, den negativen Rechtsschein der behördlichen Ablehnungsentscheidung hinsichtlich ihres Bauantrags zu beseitigen. Es ist anerkannt, dass in einer Fallkonstellation wie hier, in der die Behörde aus materiell-rechtlichen Gründen einen Antrag auf Erteilung einer Gestattung abgelehnt hat, die für die begehrte Tätigkeit oder Maßnahme nicht erforderlich ist, ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung besteht (vgl. Wysk, a. a. O. Rn. 85).

II.

Die Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts vom 15. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zudem hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung bzw. auf entsprechende Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Das Landratsamt hat den Bauantrag auf Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 zu Recht abgelehnt.

1.1 Das Vorhaben der Klägerin ist baugenehmigungspflichtig. Nach Art. 55 Abs. 1 Hs.1 BayBO bedarf die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin hält sich nicht mehr im Rahmen der baurechtlich zulässigen Wohnnutzung, sondern überschreitet diesen, weshalb eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung gegeben ist.

Die zulässige Art der baulichen Nutzung bestimmt sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 BauGB. Das Grundstück Fl. Nr. 998/5 liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 34 „... Straße I“ der Gemeinde ... Der Bebauungsplan wurde am 7. Dezember 1999 von der Gemeinde ... als Satzung beschlossen und wegen eines Ausfertigungsmangels mit Bekanntmachung vom 30. Juli 2015 rückwirkend zum Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens am 29. März 2000 in Kraft gesetzt. Rechtliche Bedenken hiergegen bestehen mit Blick auf § 214 Abs. 4 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB nicht (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 30.7.2012 - 1 ZB 11.1737 - juris Rn. 13 f.); sonstige Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans sind im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich. Er gilt derzeit in der Fassung der 4. Änderung vom 13. April 2010, die am 14. April 2010 in Kraft getreten ist, und sieht für die Art der baulichen Nutzung auf dem Grundstück der Klägerin ein allgemeines Wohngebiet vor. Nach der textlichen Festsetzung Nummer 0.1.1 bestimmt sich die Art der baulichen Nutzung nach § 4 BauNVO, wobei Ausnahmen gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO nicht zulässig sind. Somit ist vorliegend allein § 4 Abs. 2 BauNVO Zulässigkeitsmaßstab für die Art der baulichen Nutzung.

1.2 Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind im allgemeinen Wohngebiet Wohngebäude zulässig. Die Bandbreite des Wohnbegriffs ermöglicht es dabei auch, hierunter einen Telearbeitsplatz oder ein herkömmliches Arbeitszimmer zu fassen. Dies deshalb, weil eine solche Nutzung städtebaulich neben dem Wohnen nicht in Erscheinung tritt und daher die Eigenschaft als Wohnraum nicht infrage stellt. Anders ist die Rechtslage dann, wenn das Arbeitszimmer als betrieblicher Mittelpunkt mit städtebaulich relevanter Außenwirkung, wie Kunden- und Lieferverkehr, genutzt wird. Eine solche Nutzung hat städtebaulich ein eigenständiges Gewicht und überschreitet die Bandbreite des Wohnbegriffs. Wesentlich ist also, ob die Ausübung der beruflichen Tätigkeit dient und dabei auch nach außen in Erscheinung tritt (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB/BauNVO, Stand Mai 2016, § 3 BauNVO Rn. 40 m. w. N.).

Dies zugrunde gelegt, hält sich die mit der beantragten Baugenehmigung verfolgte gewerbliche Tätigkeit der Klägerin (vgl. Betriebsbeschreibungen vom 28.8. und 29.9.2015) nach Auffassung des Gerichts nicht mehr im Rahmen der baurechtlich zulässigen Wohnnutzung, sondern stellt eine im allgemeinen Wohngebiet unzulässige gewerbliche Nutzung dar. Jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - nicht nur um eine gelegentliche, sondern um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handelt und die Wohnung gerade auch zum Zweck der Erbringung erotischer bzw. pornographischer Dienstleistungen genutzt wird, und diese Tätigkeit nicht nur geringfügig nach außen hin in Erscheinung tritt, ist die Bandbreite des Wohnbegriffs überschritten. Eine solche Tätigkeit besitzt ein eigenständiges siedlungsstrukturelles Gewicht, was es nicht zulässt, sie bauplanungsrechtlich unter die Nutzungsart des Wohnens fassen.

Bei der insoweit gebotenen, den Regelungen der Baunutzungsverordnung generell zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise (vgl. dazu rechtsgrundsätzlich BVerwG, U. v. 7.5.1971 - IV C 76.68 - juris) gehen von der von der Klägerin angestrebten gewerblichen Nutzung Beeinträchtigungen der Wohnruhe und des Wohnfriedens aus, die sich negativ auf das Wohnumfeld auswirken können und mit dem Charakter eines vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebietes nicht vereinbar sind. Ob und inwieweit das hier in Rede stehende Vorhaben bereits konkrete Störungen der Wohnruhe und des Wohnfriedens verursacht hat oder zukünftig erwarten lässt, ist angesichts dieser „typisierenden“ Betrachtung unerheblich (vgl. z. B. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 5.1.2004 - 8 B 11983/03.OVG - juris).

Vorliegend ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin für die mit dem streitbefangenen Bauantrag (auch) verfolgte Tätigkeit bei der Gemeinde ... am ... April 2015 die Hauptniederlassung des Gewerbes „Schauspielerin und Darstellerin“ auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 angemeldet hat. Bereits dieser Gewerbeanmeldung nach § 14 Gewerbeordnung (GewO) kommt auch für das Bauplanungsrecht nicht unerhebliche Indizwirkung zu (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 15.11.2012 - 1 ZB 11.1632 - juris Rn. 12). Nach ihren Bekundungen in der mündlichen Verhandlung beabsichtigt die Klägerin Liveaufnahmen im Internet im Rahmen eines Erotikchats aus dem antragsgegenständlichen Zimmer zu übertragen. Sie arbeitet dazu an bis zu fünf Tagen pro Woche jeweils bis zu acht Stunden, auch wenn sie daneben zahlreichen weiteren beruflichen Aktivitäten (Fotoshootings, Filmdrehs, Aufenthalte auf Erotikmessen) im Rahmen ihres Gewerbebetriebs nachgeht. Die Einnahmen aus Provisionen für die Verbreitung des Erotikchats machen etwa 20 bis 25 v. H. der Gesamteinnahmen der Klägerin aus.

Bereits daraus ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass auf dem Grundstück der Klägerin eine mehr als nur gelegentliche, sondern dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit in bauplanungsrechtlich erheblichem Umfang stattfindet. Dies umso mehr deshalb, weil auf dem Grundstück der Klägerin auch von ihrer Kollegin, Frau V. S., zum ... Mai 2016 ein Gewerbe als „Schauspielerin und Darstellerin“ angemeldet worden ist. Damit verlässt die Nutzung der Wohnräume auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 den Rahmen dessen, was städtebaulich unter einem Telearbeitsplatz oder einem herkömmlichen Arbeitszimmer verstanden werden kann. Vielmehr handelt es sich um eine gewerbliche Hauptniederlassung, die städtebaulich neben dem Wohnen nicht nur untergeordnete Bedeutung hat.

Bei der maßgeblich anzustellenden typisierenden Betrachtung tritt diese gewerbliche Tätigkeit auch nach außen hin in städtebaulich relevanter Weise in Erscheinung.

Aus den bei den Behördenakten befindlichen Ausdrucken aus dem Internet ergibt sich, dass sowohl die Klägerin unter ihrem Künstlernamen N. H. als auch Frau V. S. unter ihrem Künstlernamen M. E. zu sogenannten Userdrehs einladen, bei denen sich Kunden vor Ort zur Anfertigung von pornographischem Bild- und Filmmaterial einfinden. So wirbt die Klägerin unter dem Portal „...“ mit ihrem Künstlernamen N. H. damit, dass sie als Pornodarstellerin immer neue männliche Amateurdarsteller suche. Als Treffpunkt gibt sie dabei „bei mir“ an. Dazu kommt, dass die Klägerin unter ihrem Künstlernamen N. H. nach Aktenlage am ... April 2016 die sogenannte „...“ veranstaltet hat, für die mit mehrfarbigen, professionell gestalteten Flugzetteln geworben wurde. Bereits damit zeigt sich, dass, jedenfalls bei typisierender Betrachtung, der Gewerbebetrieb der Klägerin auch vor Ort auf Außenwirkung und entsprechende Wahrnehmung in der Nachbarschaft angelegt ist. Dies bestätigt sich zudem in dem Umstand, dass, ebenfalls ausweislich der bei den Akten befindlichen Fotografien, vor dem Gebäude der Klägerin sowie in der näheren Umgebung regelmäßig mit auffälligen Werbeaufdrucken für Internetportale mit pornographischem Inhalt versehene Kraftfahrzeuge parken. Insbesondere die Klägerin selbst wirbt unter ihrem Künstlernamen N. H. unter Verweis auf ihre Homepage mit einem entsprechenden und großen Aufkleber auf ihrem Pkw. Schließlich gibt die Klägerin auch dadurch, dass sie nach eigenem Bekunden das zur Nutzungsänderung nachgesuchte Zimmer durch Milchglasfolie gegen jegliche Einblicke von außen schützt, zu erkennen, dass sie selbst eine entsprechende Abschirmung ihres Gewerbebetriebs nach außen hin für notwendig erachtet. Zudem liegt es nahe, dass die Klägerin, die - wie ausgeführt - vor Ort die Hauptniederlassung ihres Gewerbebetriebs unterhält, die Räumlichkeit auch für persönliche Kontakte mit Geschäftspartnern, insbesondere zu Besprechungen, aber auch gegebenenfalls zu sonstigen gewerblichen Zwecken nutzt.

Aus alledem ergibt sich bei typisierender Betrachtung eine Beeinträchtigung der Wohnruhe und des Wohnfriedens. Bei einer Gesamtbetrachtung der vorstehenden Erkenntnisse überschreitet die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin den Rahmen dessen, was auch nach heutiger Anschauung unter einem Telearbeitsplatz oder einem herkömmlichen Arbeitszimmer in einer Wohnung zu verstehen ist, deutlich. Die zur Genehmigung nachgesuchte gewerbliche Nutzung ist jedenfalls geeignet, eine gewerbliche Betriebsamkeit in das - hier aufgrund der Unzulässigkeit von Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO beschränkte - allgemeine Wohngebiet hinein zu tragen, die diesem Gebietstyp gerade fremd ist. Somit kann offen bleiben, ob es in der Vergangenheit aufgrund von Tätigkeiten, die nach den eigenen Bekundungen der Klägerin über das hinausgegangen sind, was Gegenstand der Betriebsbeschreibungen vom 28. August und 29. September 2015 ist, insbesondere im Rahmen des Drehens von pornographischen Filmen zu konkreten Störungen der Wohnruhe und des Wohnfriedens gekommen ist. Ebenso kann offenbleiben, ob solche Störungen zukünftig - aufgrund des mit dieser Beschreibung nunmehr bauantragsgegenständlich zum Ausdruck gebrachten, vor Ort nur eingeschränkten Tätigkeitsumfangs - noch zu erwarten steht.

1.3 Die begehrte Nutzung ist auch nicht auf der Grundlage von § 13 BauNVO genehmigungsfähig. Danach sind Räume für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, in den meisten Baugebieten - namentlich auch in allgemeinen Wohngebieten - zulässig. Die Klägerin geht keinem Beruf im Sinne des § 13 BauNVO nach.

Die Berufsausübung freiberuflich Tätiger ist dadurch gekennzeichnet, dass in unabhängiger Stellung einem unbegrenzten Kreis an Interessenten Dienstleistungen angeboten werden, die vorwiegend auf individuellen geistigen Leistungen oder sonstigen persönlichen Fertigkeiten beruhen (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 C 56.80 - juris). Da der Begriff des „Freiberuflers“ bauplanungsrechtlich nicht gesondert definiert ist, kann insoweit zu seiner Ausfüllung auf die in § 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und § 1 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) enthaltenen „Berufekataloge“ zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, a. a. O.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O. § 13 BauNVO, Rn. 17). Dort wird die freiberufliche Tätigkeit als „selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit“ bzw. als „persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung“ umschrieben und sodann eine Reihe von Berufen, die diese Merkmale erfüllen - und zu denen die Tätigkeiten als Porno-/Erotikdarstellerin bzw. Webcamgirl nicht gehören - im Einzelnen bezeichnet. Diese gewerbliche Tätigkeit stellt auch keine der Freiberuflichkeit gleichgestellte Tätigkeit von Gewerbetreibenden dar. Hinsichtlich der qualitativen Anforderungen setzt eine solche gleichgestellte Tätigkeit zwar nicht zwingend voraus, dass diese auf Grundlage einer besonders qualifizierten Ausbildung betrieben wird (vgl. VGH BW, B. v. 1.8.2005 - 5 S 1117/05 - juris). Gleichwohl bedarf es, auch vor dem Hintergrund des hergebrachten Verständnisses der wesensprägenden Merkmale freier Berufe, eines gewissen, nicht allgemeingültig definierbaren Standards an individueller - namentlich geistiger oder schöpferischer - Qualifikation der Tätigkeit, um den Anwendungsbereich des § 13 BauNVO zu eröffnen; diesem Standard genügt die vorbeschriebene darstellerische Tätigkeit der Klägerin nicht. Sie ist vielmehr als sonstige, „schlichte“ gewerbliche Tätigkeit bzw. Dienstleistung zu qualifizieren, die der Verordnungsgeber durch § 13 BauNVO gerade nicht allgemein zulassen wollte (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 C 56/80 - juris; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O. § 13 BauNVO, Rn. 26).

1.4 Auch die Voraussetzungen einer Befreiung von der Festsetzung des Gebietstyps „Allgemeines Wohngebiet“ in Nummer 0.1.1 des Bebauungsplans Nr. 34 „... Straße I“ liegen nicht vor. Von den Festsetzungen eines Bebauungsplans kann nach § 31 Abs. 2 BauGB nur befreit werden, wenn namentlich die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die Befreiung zum Zweck der Genehmigung der streitigen Nutzung berührt jedoch die Grundzüge der Planung.

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 29.7.2008 - 4 B 11.08 - juris). Was dabei zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110; B. v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83; U. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 - juris Rn. 37; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - juris Rn. 22). Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-) Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde; hierfür ist ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter engen Voraussetzungen abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.1978 - BVerwG 4 C 54.75 - juris Rn. 27; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - juris Rn. 22 m. w. N.). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. aktuell BayVGH, B. v. 1.4.2016 - 15 CS 15.2451 - juris Rn. 21).

Die Gemeinde ... hat ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt, in dem nur die Nutzungen gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO zulässig sind. Zwar ist davon auszugehen, dass auch im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB Abweichungen von der festgesetzten Art der Nutzung nicht ausnahmslos die Grundzüge der Planung berühren und mithin auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen ist. Allerdings spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer Abweichung von den für einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB erforderlichen Mindestvoraussetzungen, also insbesondere den Festsetzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, die Grundzüge eher berührt sind, als bei der Befreiung von anderen Festsetzungen (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 7. Aufl. 2013, § 31 Rn. 14). Maßgeblich ist also im Einzelfall darauf abzustellen, ob die Festsetzung, von der eine Befreiung begehrt wird, Bestandteil eines Planungskonzepts ist, dass das gesamte Plangebiet oder doch maßgebliche Teile davon gleichsam wie ein „roter Faden“ durchzieht, so dass eine Abweichung zu weiterreichenden Folgen führt.

Dies zugrunde gelegt, berührt das Vorhaben der Klägerin die Grundzüge der Planung. Die Zulassung der Befreiung würde das Planungskonzept der Gemeinde ..., das im Plangebiet sämtliche Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausgeschlossen hat und dort eine gewerbliche Betätigung - mit Ausnahme des nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO insbesondere zur Gebietsversorgung noch zulässigen - möglichst umfänglich vermeiden will, erheblich beeinträchtigen und den entsprechenden planerischen „roten Faden“ im Plangefüge an der zentralen Stelle der Art der baulichen Nutzung gefährden.

Die Klägerin beabsichtigt sich auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 - auch zusammen mit einer weiteren Erotikdarstellerin - als Webcamgirl im Rahmen von Erotikchats mit Bildübertragung im Internet gewerblich zu betätigen. Zudem unterhält sie vor Ort die Hauptniederlassung ihres Gewerbebetriebs als „Schauspielerin und Darstellerin“. Diese Nutzung ist, wie bereits ausgeführt, geeignet, gewerbliche Tätigkeiten in einem ganz überwiegend dem Wohnen dienenden Gebietstyp zuzulassen, die diesem typischerweise fremd sind. Wie vorstehend ausgeführt, weist die beantragte Nutzung ihrer Art und ihrem Umfang nach Störungspotential auf, das den Wohnfrieden und die Wohnruhe bei typisierender Betrachtung zu beeinträchtigen geeignet ist. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, dass, wie die Betriebsbeschreibung ausführt, weder Lärm- noch Lichtemissionen, die vom Vorhaben herrühren, in der Nachbarschaft zu erwarten stehen. In Anbetracht der konkreten Ausgestaltung des Betriebs der Klägerin liegt es nahe, dass auch zukünftig im Zusammenhang mit dem gewerblichen Erotikchat und den sonstigen von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen im (pornographischen) Erotikgewerbe Tätigkeiten erfolgen werden, die aufgrund ihrer Außenwirkung einem Wohngebiet fremd sind. Es ist sonach nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt, insbesondere unter Bezugnahme auf die Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde … im Beschluss ihres Gemeinderats vom 14. Juli 2015, die beantragte Befreiung nicht erteilt hat. Zwar haben Landratsamt und Gemeinde maßgeblich auf die Würdigung der nachbarlichen Interessen und dabei wesentlich auf die Störung der Nachbarschaft im Rahmen der früheren (uneingeschränkten) Tätigkeit der Klägerin, insbesondere auf das Drehen von pornographischen Filmen und den dabei entstandenen Wohnunfrieden in der Nachbarschaft, abgestellt. Dies ist aber unerheblich, da die Befreiung nach Auffassung der Kammer, wie ausgeführt, tatbestandlich bereits daran scheitert, dass das Vorhaben Grundzüge der Planung berührt.

2. Auch die unter Nummer 2 des streitbefangenen Bescheids des Landratsamts verfügte Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Wie vorstehend ausgeführt erweist sich das antragsgegenständliche Bauvorhaben als nach Art. 55 Abs. 1 Hs. 1 BayBO genehmigungspflichtig und als nach §§ 30,31 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO bauplanungsrechtlich nicht zulassungsfähig. Vor diesem Hintergrund konnte das Landratsamt nach Art. 76 Satz 2 BayBO nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG) eine entsprechende Nutzungsuntersagung gegen die Klägerin aussprechen. Das Landratsamt hat seine Ermessenserwägungen im streitbefangenen Bescheid in ausreichender Weise begründet (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Insbesondere hat es dabei auch erkannt, dass Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein Verbot der nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bei der Anordnung von Nutzungsuntersagungen zu entnehmen ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landratsamt den sachlichen Grund zur Differenzierung insbesondere darin gesehen hat, dass die von der Klägerin beantragte Nutzung sowohl von der Gemeinde … als auch von dem benachbarten Grundstückseigentümern als Störung empfunden wurde, während dies bei den weiteren im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 34 „… Straße I“ befindlichen Büros und Betriebsstätten nicht der Fall war. Zudem hat das Landratsamt sämtliche ihm bekannten und benannten Büros- und Betriebsstätten im Geltungsbereich des o.g. Bebauungsplans geprüft und dies zum Gegenstand seiner weiteren entsprechenden Erwägungen gemacht (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 9.8.2016, Seite 6 ff.). Die Überprüfungen des Landratsamts haben ergeben, dass diese Fälle mit dem der Klägerin nicht vergleichbar sind und derzeit kein Einschreiten gebieten. Die Klägerin wird mithin nicht in rechtswidriger Weise ungleich behandelt. Das Landratsamt konnte hinsichtlich der übrigen Büros und Betriebsstätten in dem Wohngebiet zutreffend von einem Einschreiten absehen.

3. Die in Nummer 3 des Bescheides erlassene Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrens- und Zustellungsgesetz (VwZVG). Die Anfechtungsklage bleibt auch insoweit ohne Erfolg, da von Rechts wegen nicht gegen diese Androhung zu erinnern ist (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Zwangsgeldandrohung hinreichend bestimmt. Sie ist so formuliert, dass für die Klägerin ausreichend klar wird, unter welchen Voraussetzungen ein Zwangsgeld fällig wird. Das Zwangsgeld wurde für den Fall angedroht, dass die gewerbliche Nutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 nicht innerhalb einer Woche nach Eintreten der Bestandskraft zum Zwecke für Erotikchats und zur Produktion erotischen Bild- und Fotomaterials eingestellt wird. Damit ist noch hinreichend klar formuliert, dass das Zwangsgeld auch für den Fall fällig wird, dass zumindest eine Form der genannten erotischen bzw. pornographischen gewerblichen Nutzung nach Fristablauf (noch oder wieder) ausgeübt wird.

Die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes im Hinblick auf eine Mehrzahl unterschiedlicher Verpflichtungen ist dann nicht hinreichend bestimmt, wenn nicht erkennbar ist, für den Verstoß gegen welche Handlungspflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG). Eine Androhung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen muss erkennen lassen, ob sie sich auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder nur auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich. Sie muss also mit anderen Worten „pflichtenscharf“ ausgestaltet sein. Erfolgt die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes für den Fall der Nichterfüllung an sich selbstständiger Pflichten, unterliegt dies jedoch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit keinen Bedenken, wenn zwischen den Pflichten ein enger Sachzusammenhang besteht und sich die einzelnen Pflichten solchermaßen als eine Einheit darstellen. Hiervon kann vorliegend auch unter Berücksichtigung der Formulierung der Nummer 3 des Bescheides ausgegangen werden (vgl. z. B. VG Augsburg, B. v. 10.7.2013 - Au 5 S 13.670 - juris Rn. 54).

4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 05. Okt. 2016 - M 1 K 16.1301

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


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Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

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(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,3. Anlagen für kirchliche, kulture

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(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen. (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 3 Reine Wohngebiete


(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden 1. Läden und nicht störende Handwerksbe

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(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung. (2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden. (3) Die Er

Gewerbeordnung - GewO | § 14 Anzeigepflicht; Verordnungsermächtigung


(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn1.der Betrieb verlegt wird,2.der Gegen

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Für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, sind in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 Räume, in den Baugebieten nach den §§ 4a bis 9 auch Gebäude zulässig.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 05. Okt. 2016 - M 1 K 16.1301 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.

(2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ist ortsüblich bekannt zu machen. Der Bebauungsplan ist mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10a Absatz 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten; über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Mit der Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Die Bekanntmachung tritt an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Betrieb verlegt wird,
2.
der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
2a.
der Name des Gewerbetreibenden geändert wird oder
3.
der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.

(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

(4) Die Finanzbehörden haben den zuständigen Behörden die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten Daten von Unternehmern im Sinne des § 5 des Gewerbesteuergesetzes mitzuteilen, wenn deren Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz erloschen ist; mitzuteilen sind

1.
der Name,
2.
die betriebliche Anschrift,
3.
die Rechtsform,
4.
der amtliche Gemeindeschlüssel,
5.
die Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung und, soweit vorhanden, das Unterscheidungsmerkmal nach § 139c Absatz 5a der Abgabenordnung sowie
6.
der Tag, an dem die Steuerpflicht endete.
Absatz 5 Satz 1 gilt entsprechend.

(5) Die erhobenen Daten dürfen nur für die Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen verarbeitet werden. Der Name, der Name des Geschäfts (Geschäftsbezeichnung), die betriebliche Anschrift und die angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden dürfen allgemein zugänglich gemacht werden.

(6) Öffentlichen Stellen, soweit sie nicht als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, soweit

1.
eine regelmäßige Datenübermittlung nach Absatz 8 zulässig ist,
2.
die Kenntnis der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist oder
3.
der Empfänger die Daten beim Gewerbetreibenden nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erheben könnte oder von einer solchen Datenerhebung nach der Art der Aufgabe, für deren Erfüllung die Kenntnis der Daten erforderlich ist, abgesehen werden muss und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.
Für die Weitergabe von Daten innerhalb der Verwaltungseinheiten, denen die für die Entgegennahme der Anzeige und die Überwachung der Gewerbeausübung zuständigen Behörden angehören, gilt Satz 1 entsprechend.

(7) Öffentlichen Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, und nichtöffentlichen Stellen dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, wenn der Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.

(8) Die zuständige Behörde übermittelt, sofern die empfangsberechtigte Stelle auf die regelmäßige Datenübermittlung nicht verzichtet hat, Daten aus der Gewerbeanzeige regelmäßig an

1.
die Industrie- und Handelskammer zur Wahrnehmung der in den §§ 1, 3 und 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern genannten sowie der nach § 1 Abs. 4 desselben Gesetzes übertragenen Aufgaben,
2.
die Handwerkskammer zur Wahrnehmung der in § 91 der Handwerksordnung genannten, insbesondere der ihr durch die §§ 6, 19 und 28 der Handwerksordnung zugewiesenen und sonstiger durch Gesetz übertragener Aufgaben,
3.
die für den Immissionsschutz zuständige Landesbehörde zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher sowie immissionsschutzrechtlicher Vorschriften,
3a.
die für den technischen und sozialen Arbeitsschutz, einschließlich den Entgeltschutz nach dem Heimarbeitsgesetz zuständige Landesbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben,
4.
die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgaben, die im Mess- und Eichgesetz und in den auf Grund des Mess- und Eichgesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegt sind,
5.
die Bundesagentur für Arbeit zur Wahrnehmung der in § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz genannten Aufgaben,
6.
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. ausschließlich zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft für die Erfüllung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben,
7.
die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz obliegenden Aufgaben,
8.
das Registergericht, soweit es sich um die Abmeldung einer im Handels- und Genossenschaftsregister eingetragenen Haupt- oder Zweigniederlassung handelt, für Maßnahmen zur Herstellung der inhaltlichen Richtigkeit des Handelsregisters gemäß § 388 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des Genossenschaftsregisters gemäß § 160 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
9.
die statistischen Ämter der Länder zur Führung des Statistikregisters nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Statistikregistergesetzes in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 und 2,
10.
die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittel-, Tabak-, Tiergesundheits- und Tierschutzrecht,
11.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Einzug und zur Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer nach § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes,
12.
die Ausländerbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Aufenthaltsgesetz,
13.
die nach § 22 der Abgabenordnung zuständigen Finanzämter, unbeschadet des § 138 der Abgabenordnung,
14.
die für die Erlaubnisverfahren nach diesem Gesetz zuständigen Behörden.
Die Übermittlung der Daten ist auf das zur Wahrnehmung der in Satz 1 bezeichneten Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Sind die Daten derart verbunden, dass ihre Trennung nach erforderlichen und nicht erforderlichen Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sind auch die Kenntnisnahme, die Weitergabe innerhalb der datenverarbeitenden Stelle und die Übermittlung der Daten, die nicht zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben erforderlich sind, zulässig, soweit nicht schutzwürdige Belange der betroffenen Personen oder Dritter überwiegen. Die nicht erforderlichen Daten unterliegen insoweit einem Verwertungsverbot.

(9) Darüber hinaus sind Übermittlungen der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist oder eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

(10) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten aus der Gewerbeanzeige ermöglicht, ist nur zulässig, wenn technisch sichergestellt ist, dass

1.
die abrufende Stelle die bei der zuständigen Stelle gespeicherten Daten nicht verändern kann und
2.
ein Abruf durch eine in Absatz 7 genannte Stelle nur möglich ist, wenn die abrufende Stelle entweder den Namen des Gewerbetreibenden oder die betriebliche Anschrift des Gewerbetreibenden angegeben hat; der Abruf von Daten unter Verwendung unvollständiger Abfragedaten oder die Suche mittels einer Ähnlichenfunktion kann zugelassen werden.

(11) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten ermöglicht, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, ist nur zulässig, soweit

1.
dies wegen der Häufigkeit oder der Eilbedürftigkeit der Abrufe und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gewerbetreibenden angemessen ist,
2.
die zum Abruf bereitgehaltenen Daten ihrer Art nach für die Aufgaben oder Geschäftszwecke des Empfängers erforderlich sein können und
3.
technisch sichergestellt ist, dass Daten durch andere als die in Absatz 8 genannten Stellen nur abgerufen werden können, wenn dabei der Verarbeitungszweck, für den der Abruf erfolgt, sowie das Aktenzeichen oder eine andere Bezeichnung des Vorgangs, für den der Abruf erfolgt, angegeben wird.
Die Datenempfänger sowie die Verarbeitungszwecke, für die Abrufe zugelassen werden, sind vom Leiter der Verwaltungseinheit festzulegen. Die zuständige Stelle protokolliert die Abrufe einschließlich der angegebenen Verarbeitungszwecke und Vorgangsbezeichnungen. Die Protokolle müssen die Feststellung der für die einzelnen Abrufe verantwortlichen Personen ermöglichen. Eine mindestens stichprobenweise Protokollauswertung ist durch die speichernde Stelle zu gewährleisten. Die Protokolldaten dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verarbeitet werden und sind nach sechs Monaten zu löschen.

(12) Daten, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, darf der Empfänger nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

(13) Über die Gewerbeanzeigen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 werden monatliche Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die Statistik nach Satz 1 soll als Informationsgrundlage für die Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Strukturpolitik dienen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Anzeigepflichtigen, die die Auskunftspflicht durch Erstattung der Anzeige erfüllen. Die zuständige Behörde übermittelt aus den Gewerbeanzeigen monatlich die Daten als Erhebungs- oder Hilfsmerkmale an die statistischen Ämter der Länder, die zur Führung der Statistik nach Satz 1 erforderlich sind. Die statistischen Ämter der Länder dürfen die Angaben zum eingetragenen Namen des Betriebes mit Rechtsform und zum Namen des Betriebsinhabers für die Bestimmung der Rechtsform bis zum Abschluss der nach § 12 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes vorgesehenen Prüfung auswerten. Ferner dürfen sie nähere Angaben zu der angemeldeten Tätigkeit unmittelbar bei den Auskunftspflichtigen erfragen, soweit die gemeldete Tätigkeit sonst den Wirtschaftszweigen nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU Nr. L 393 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung nicht zugeordnet werden kann.

(14) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erlässt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1, zur Regelung der Datenübermittlung nach Absatz 8 sowie zur Führung der Statistik nach Absatz 13 nähere Vorschriften. Die Rechtsverordnung

1.
bestimmt insbesondere, welche erforderlichen Informationen in den Anzeigen nach Absatz 1 anzugeben sind,
2.
kann die Verwendung von Vordrucken zur Anzeige eines Gewerbes anordnen, die Gestaltung der Vordrucke durch Muster festlegen und Vorgaben treffen, wie und in welcher Anzahl die Vordrucke auszufüllen sind,
3.
kann Rahmenvorgaben für die elektronische Datenverarbeitung und -übermittlung festlegen,
4.
bestimmt, welche Daten zur Aufgabenwahrnehmung der in Absatz 8 Satz 1 bezeichneten Stellen erforderlicherweise zu übermitteln sind, und
5.
bestimmt, welche Daten als Erhebungs- und Hilfsmerkmale für die Statistik nach Absatz 13 Satz 1 an die statistischen Ämter der Länder zu übermitteln sind.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, sind in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 Räume, in den Baugebieten nach den §§ 4a bis 9 auch Gebäude zulässig.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 03. Mai  2005 - 9 K 376/05 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den dargelegten Gründen, die der Senat allein prüfen kann (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht es zu Unrecht abgelehnt hätte, der Antragstellerin den begehrten vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Anders als das Verwaltungsgericht hält es der Senat zwar für offen, ob der Widerspruch der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 04.01.2005 für die Errichtung eines Wohnhauses mit Büroräumen für eine „Internetagentur“ im Untergeschoss nebst Carport auf dem Grundstück Flst.Nr. 3027 der Gemarkung F. der Gemeinde S. Erfolg haben wird. Nach Auffassung des Senats überwiegt jedoch das Interesse des Beigeladenen an der fortbestehenden Vollziehbarkeit der Baugenehmigung (§ 212a Abs. 1 BauGB) das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Denn der Beigeladene hat nach den Angaben der Antragstellerin das Untergeschoss im Rohbau bereits fertig gestellt und jene kann allenfalls durch die Nutzung von zwei Räumen des Untergeschosses für eine „Internetagentur“, nicht aber durch die Errichtung des Gebäudes selbst in eigenen Rechten verletzt werden. 
Ob das Vorhaben des Beigeladenen gemäß § 30 BauGB i.V.m. den Festsetzungen des Bebauungsplans „Kernäcker“ i.d.F. der 1. Änderung vom 07.07.2004 (in Kraft getreten am 23.07.2004) der Gemeinde S. hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zulässig ist, bedarf der rechtlichen Klärung in einem Hauptsacheverfahren.
Insoweit ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein entsprechender Rechtsverstoß die Antragstellerin, deren Grundstück an das Baugrundstück angrenzt und in demselben allgemeinen Wohngebiet liegt, in ihrem Recht auf Wahrung des Gebietscharakters des durch den Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets verletzen würde (BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151; Beschl. v. 13.12.1995 - 4 B 245.95 - NVwZ 1996, 787).
Zutreffend hat es ferner für seine rechtliche Beurteilung den Inhalt der Baugenehmigung zu Grunde gelegt, in der unter Nr. 7 der Auflagen, Bedingungen und Hinweise anknüpfend an die vom Landratsamt Enzkreis angeforderte Betriebsbeschreibung des Beigeladenen vom 02.12.2004 u.a. bestimmt ist, dass die gewerbliche Nutzung im Untergeschoss nur zugelassen wird, „soweit sie sich auf die vom Antragsteller dargestellten Tätigkeiten erstreckt.“ Erläuternd heißt es insoweit weiter, dass nach den Angaben des Bauherrn „Dienstleistungen im EDV-Bereich (Internetagentur, Internetprogrammierungen) durchgeführt“ werden. Es finde „kein Kundenverkehr sowie kein Verkauf von Waren statt“. Es kommt somit für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht darauf an, ob der Beigeladene hiervon tatsächlich abweichend in den genehmigten „Büroräumen“ auch EDV-Geräte vertreibt, wofür seine Angaben im Bauantrag vom 08.10.2004 sprechen könnten.
Ob der Betreiber einer „Internetagentur“ der hier maßgeblichen Art seinen Beruf in ähnlicher Weise ausübt wie ein freiberuflich Tätiger und damit die Voraussetzungen des § 13 Alt. 1 BauNVO 1990 erfüllt, ist allerdings fraglich. Nach dieser Vorschrift sind für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Weise ausüben, in den Baugebieten nach §§ 2 bis 4 BauNVO, also auch in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO), Räume zulässig.  In der teilweise noch zur wortgleichen Vorgängervorschrift des § 13 BauNVO 1977 ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, ist insoweit geklärt, dass die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, dadurch gekennzeichnet ist, dass in unabhängiger Stellung Dienstleistungen angeboten werden, die vorwiegend auf geistigen Leistungen oder sonstigen persönlichen Fertigkeiten beruhen. Betriebe oder Betriebsteile des Handels, des Handwerks oder der Industrie gehören jedoch nicht zu den freien oder ähnlichen Berufen, auch nicht die Geschäftsstelle eines Verbands von Handwerksinnungen. Denn die Vorschrift  will erkennbar nicht die Nutzung von Räumen durch alle Arten von Gewerbebetrieben zulassen, die in den jeweiligen  Baugebieten nicht stören, sondern nur freiberuflich Tätigen und ähnlich tätigen Gewerbetreibenden die Nutzung von Räumen zu Berufszwecken ermöglichen. Dabei kann für die Auslegung von § 13 BauNVO das Steuerrecht, nämlich § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nutzbar gemacht werden. Die dort aufgezählten Berufe fallen auch unter § 13 BauNVO. Diejenigen, die derartige Leistungen anbieten, befinden sich in der Regel in unabhängiger Stellung; sie bieten ihre Dienste üblicherweise einer unbestimmten Anzahl von Interessenten an. Regelmäßig wird bei den Bewohnern aller Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung ein Interesse an derartigen Dienstleistungen bestehen. Den freien Berufen gleichstellen wollte der Gesetzgeber insoweit beispielsweise Handelsvertreter ohne Auslieferungslager, Handelsmakler, Versicherungsvertreter oder Masseure (BVerwG, Urt. v. 20.01.1984 - 4 C 56.80 - BVerwGE 68, 324 = NVwZ 1984, 236). Insoweit maßgeblich ist nicht die „Wohnartigkeit“ des Berufsausübung. Auch wird nicht gefordert, wenn dies auch herkömmlich mit dem Begriff des freien Berufs verbunden wird, dass der Beruf auf Grund einer besonders qualifizierten Ausbildung erfolgt (vgl. Stock, in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 13 BauNVO Rdnrn. 14, 17 ff.; vgl. auch die Auflistung bei Wacker, in: Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 18 Rdnr. 155). Demzufolge werden von den heilkundlichen Berufen unter die freien Berufen oder als ihnen ähnlich auch Dentisten, Physiotherapeuten, Heilmasseure, medizinische Bademeister, selbständig tätige Krankenschwestern und -pfleger, Logopäden, Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, Psychologen und Psychoanalytiker gezählt (Stock a.a.O. Rdnr. 18). Dagegen sind als freien Berufen nicht ähnlich beurteilt worden etwa die zentrale Verwaltung der Angelegenheiten von Lohnsteuerhilfevereinen (BVerwG, Beschl. v. 13.08.1996 - 4 B 154.96 - Buchholz 406.12 § 13 BauNVO Nr. 7 = BRS 58 Nr. 62), ein Pudelsalon (BVerwG, Beschl. v. 26.09.1984 - 4 B 219.84 - BRS 42 Nr. 57), die Abhaltung von Gymnastik- und Tanzkursen für Frauen und Kindern in Kleingruppen (OVG NW, Beschl. v. 24.10.1997 - 7 B 2333/97 - Juris), ein Fahrschulraum (OVG NW, Beschl. v. 29.04.1996 - 11 B 748/96 - BRS 58 Nr. 63) oder auch ein Betrieb zur Herstellung und zum Vertrieb von Software (Nds. OVG, Urt. v. 14.09.1993 - 1 L 35/91 -), dagegen soll eine private Arbeitsvermittlung einem freien Beruf ähnlich sein (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.05.2002 - 1 LA 2680/01 - GewA 2002, 345).
Die in die angefochtene Baugenehmigung aufgenommene Betriebsbeschreibung des Beigeladenen lässt nicht ohne Weiteres erkennen, dass er seinen Beruf ähnlich wie ein freiberuflich Tätiger ausübt. Der Begriff „Internetagentur“ ist insoweit nicht hinreichend klar. Er deckt wohl auch die Betriebsbeschreibung des Beigeladenen im Rahmen seiner Gewerbeanmeldung ab, die nach einer von der Antragstellerin vorgelegten Auskunft des Gewerberegisters vom 28.10.2004 lautet:“ Vertrieb elektronischer Geräte und Komponenten sowie Zubehör, Service, Dienstleistung und Beratung im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik. Internet-Programmierung.“ Dass der Begriff „Internetagentur“ auch unter Berücksichtigung der in der Baugenehmigung gemachten Einschränkungen (kein Kundenverkehr, kein Verkauf) die Voraussetzungen des § 13 BauNVO 1990 möglicherweise nicht hinreichend wahrt, könnte sich auch aus der Betriebsbeschreibung des Beigeladenen vom 02.12.2004 ergeben, in der er ausführt, dass er mit einem Mitarbeiter (als Außendiensttechniker) vor Ort bei Kunden EDV-Anlagen warte und z.B. Netzwerke und PC´s repariere und installiere, wobei nichts dafür ersichtlich ist, dass es sich bei der verwendeten Installationssoftware um von ihm entwickelte anwenderorientierte Software handelt. Dies weist möglicherweise eher auf eine handwerksähnliche als auf eine einem freien Beruf ähnliche Tätigkeit hin. Ob es insoweit ausreicht, dass der Beigeladene, worauf das Verwaltungsgericht maßgeblich abstellt, für seine Kunden „individuelle Lösungen erarbeitet“, ist fraglich. Denn individuelle Lösungen werden möglicherweise zunehmend auch von Angehörigen verschiedener Handwerksberufen regelmäßig erwartet. Der Beigeladene hat insoweit gegenüber dem Senat seine Tätigkeit nochmals vertiefend erläutert und dabei ausgeführt, er verkaufe „Hardware“ nur ganz am Rande, etwa wenn ein Kunde schnell einen neuen Tintenstrahldrucker brauche oder wenn ein PC oder ein Monitor ausgefallen sei. Er habe auch, entgegen der Behauptung der Antragstellerin, nicht etwa die Gemeinde S. komplett mit Computern ausgestattet, sondern nur einige defekte PC´s und Bildschirme ausgetauscht. Seine Hauptaufgabe sei die Installation von Betriebssystemen von Netzwerken und PC´s. Im Rahmen der Wartung der EDV von kleinen und mittelständischen Firmen arbeite er z.B. einen individuellen Netzwerkplan aus, erweitere die EDV-Infrastruktur, baue sie neu auf, ermittele, wie „Flaschenhälse“ umgangen werden könnten, und nehme dann auch vor Ort die Softwarekonfigurationen oder -änderungen vor. Sofern er einmal für einen großen Server einen Auftrag erhalte, werde die Hardware direkt vom Hersteller an den Kunden geliefert. Seit acht Jahren führe er seinen Betrieb von seiner 54 m² großen Wohnung aus, die er mit seiner Freundin und seiner Tochter bewohne. Eine Lagerhaltung sei auch in den neuen Betriebsräumen nicht notwendig und beabsichtigt.
Unter diesen Umständen hält es der Senat nicht von vornherein für ausgeschlossen, dass der Betrieb des Beigeladenen noch als einer freien Berufsausübung ähnlich angesehen werden kann. Wesentlich sein könnte insoweit auch, dass der Bundesfinanzhof in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, dass ein selbständiger EDV-Berater, der Computer-Anwendungs-software entwickelt, einen dem Ingenieur (als freien Beruf) ähnlichen Beruf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben kann (BFH, Urt. v. 04.05.2004 - XI R 9/03, BFHE 206, 33 = DStZ 2004, 768). Dies könnte zumindest in städtebaulicher Hinsicht gleichermaßen für eine vorwiegend programmierende Tätigkeit, wie sie der Beigeladene möglicherweise ausübt, gelten, jedenfalls wenn nicht nur die Installation fertiger Betriebssysteme, sondern die nicht notwendig Ingenieurskenntnisse erfordernde Anpassung von Betriebssystemen auf jeweilige Netzwerke und individuelle Bedürfnisse in Rede steht. Für die Auslegung von § 13 BauNVO könnte auch von Bedeutung sein, dass sich viele Berufsbilder gegenwärtig stark verändern und dass mit dem dynamischen Wachstum des sogenannten tertiären Sektors des Arbeitsmarkts die Zahl der Selbständigen, insbesondere auch der Freiberufler oder freiberuflich ähnlich Tätigen, stark zunimmt (vgl. Stock a.a.O. Rdnr. 4 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/9499 S. 2, 18 ff.).
Inwieweit für die Beurteilung auch die erwähnten „Internetprogrammierungen“ im Sinne des § 13 BauNVO einer freiberuflichen Tätigkeit ähnlich sind, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene diese programmierende Tätigkeit in seinem Gewerbebetrieb überwiegend ausübt. Eine entsprechende überwiegende Tätigkeit folgt noch nicht daraus, dass er in der Betriebsbeschreibung angegeben hat, seine Tätigkeit im Büro, wo er sich als einzige Person, neben seiner Mutter, die an einem halben Tag je Woche die Buchhaltung mache, durchschnittlich drei Tage in der Woche aufhalte, bestehe aus Computerarbeit (zum Beispiel Internetseitenprogrammierung), zumal insoweit auch die Tätigkeit des zum Betrieb gehörenden „Außendienstmitarbeiters“ zu berücksichtigen ist. Dass kein Kundenverkehr und kein Verkauf von Waren in den genehmigten Räumen stattfinden sollen, reicht nicht aus, um eine einer freiberuflichen Tätigkeit ähnliche Berufsausübung anzunehmen. Denn ansonsten müsste gemäß § 13 BauNVO 1990 in den Baugebieten nach §§ 2 bis 4 BauNVO 1990 jegliche gewerbliche Tätigkeit mit einer entsprechenden Beschränkung für die gewerblich genutzten Räume zugelassen werden. Auf das Fehlen von Störungen durch Kundenverkehr soll es aber nach der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht ankommen.
Die Baugenehmigung lässt sich insoweit nicht auf § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 stützen. Nach diesen Vorschriften können ausnahmsweise sonstige nicht störende Gewerbebetriebe im allgemeinen Wohngebiet zugelassen werden. Eine Ausnahme von der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets hat das Landratsamt aber (ausdrücklich) nicht erteilt. Damit hat es wohl dem Umstand Rechnung getragen, dass der Bebauungsplan „Kernäcker“ jegliche Ausnahmen gemäß A 1.1. seiner textlichen Festsetzungen ausschließt (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1990).
10 
Aus sonstigen Gründen wird der Widerspruch der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das Vorhaben zwar geringfügig die im Bebauungsplan festgesetzte straßenseitige südwestliche Baugrenze überschreite, diese Festsetzung aber keinen Nachbarschutz vermittele. Diese Beurteilung kann nicht mit dem Einwand in Zweifel gezogen werden, insoweit sei eine Ausnahme oder Befreiung nicht erteilt. Denn § 31 Abs. 1 und 2 BauGB sind (im Rechtssinne) nicht schon dann zu Lasten des Nachbarn verletzt, wenn eine entsprechende Entscheidung nicht ergangen ist. Hinreichend für einen Nachbarrechtsverstoß wäre es auch nicht, falls das Landratsamt bei Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse (zwei statt eines) sein Ermessen fehlerhaft betätigt hätte. Dass diese Festsetzung nicht nachbarschützend ist, zieht auch die Antragstellerin nicht in Zweifel. Dass das Landratsamt mit der Befreiung das auch § 31 Abs. 2 BauGB innewohnende Gebot der Rücksichtnahme wegen des Schattenwurfs auf das Anwesen der Antragstellerin nicht verletzt hat, hat das Verwaltungsgericht zutreffend unter Hinweis auf die Einhaltung der Vorschriften über Abstandsflächen ausgeführt. Dass hier besondere Umstände vorlägen, die trotz Einhaltung dieser Vorschriften das Vorhaben als unzumutbar für die Antragstellerin erscheinen ließen, vermag der Senat dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Rücksichtslos erscheint das Vorhaben ferner auch nicht unter dem Gesichtspunkt etwa fehlender Stellplätze für den Kundenverkehr. Auch dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Zu einer anderen Beurteilung kann auch nicht die von der Antragstellerin bemühte Gesamtschau aller (für sich eindeutig unzureichenden) Umstände führen. Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch überzeugend dargelegt, dass die genehmigte Tiefe der Abstandsfläche zum Grundstück der Antragstellerin mit 3,25 m mehr als hinreichend ist, um die notwendige nachbarschützende Tiefe von 2,50 m (§ 5 Abs. 7 Satz 3 LBO) zu wahren. Die Antragstellerin bezweifelt insoweit nur, dass das Verwaltungsgericht die maßgebliche Wandhöhe mit 6,25 m fehlerhaft ermittelt habe, zeigt aber nicht auf, dass die Wandhöhe so groß sei, dass das 0,4 fache die mit dem Vorhaben eingehaltene Tiefe von 3,25 m überschreitet.
11 
Der Senat weist darauf hin, dass diese Entscheidung kein Vertrauen des Beigeladenen dahin begründen kann, dass die Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, sind in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 Räume, in den Baugebieten nach den §§ 4a bis 9 auch Gebäude zulässig.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

Tatbestand

1

Streitgegenstand ist eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet, die die Beklagte der Beigeladenen im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat.

2

Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der das hier betroffene Gebiet als Gewerbegebiet festsetzt. Das Grundstück der Beigeladenen liegt am nördlichen Rand des Gewerbegebiets und grenzt an ein Waldgebiet mit Wiese und Aufforstungen an. Die technischen Bereiche des Krematoriums sind dem Gewerbegebiet zugewandt, während die Bereiche für Besucher, insbesondere der Abschiedsraum in Richtung des Waldgebiets liegen. Die Zufahrt zum Krematorium erfolgt über eine Straße außerhalb des Gewerbegebiets. Das Krematorium ist mittlerweile errichtet und in Betrieb.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Baugenehmigung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorhaben sei nicht schon als Gewerbebetrieb nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, weil es der Zweckbestimmung des Gebiets widerspreche. Ein Krematorium mit Abschiedsraum sei jedoch eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, wobei diese Vorschrift nur solche Anlagen erfasse, die - wie hier - dem Gemeinbedarf dienten. Die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum wegen des Bedürfnisses, das Abschiednehmen von den Verstorbenen in ein kontemplatives Umfeld einzubetten, dem Leitbild eines Gewerbegebiets widerspreche. Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds zwängen nicht dazu, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen. Abschiedsräume in Feuerbestattungsanlagen seien mit Kapellen und Betsälen vergleichbar, deren ausnahmsweise Zulässigkeit in Gewerbegebieten unbestritten sei. Von derartigen Anlagen unterscheide sich ein Krematorium im Wesentlichen durch den hinzutretenden gewerblich-technischen Charakter. Dieser sei mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets für sich gesehen sogar eher vereinbar als etwa eine kirchliche Anlage. Die ausnahmsweise Zulässigkeit des Krematoriums sei auch nicht durch § 15 Abs. 1 BauNVO ausgeschlossen. Durch den gewählten Standort des Krematoriums, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der Bereiche für den Publikumsverkehr sei eine pietätvolle Bestattung gewährleistet, die mit der werktäglichen Geschäftigkeit des Gewerbegebiets verträglich sei. Die angefochtene Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision: Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der Anlage für kulturelle Zwecke entspreche weder dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO noch der Systematik der Baunutzungsverordnung noch dem Willen des Gesetzgebers. Es sei im Übrigen wenig überzeugend, die allgemeine Zulässigkeit des Vorhabens in einem Gewerbegebiet mangels Gebietsverträglichkeit zu verneinen, um dann im Ausnahmewege die Zulässigkeit mit der Begründung zu bejahen, es widerspreche nicht der Zweckbestimmung des Baugebiets.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein als Gemeinbedarfsanlage betriebenes Krematorium mit Abschiedsraum eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Eine solche Anlage verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung war daher aufzuheben.

6

1. Die Baugenehmigung ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig. Die Beklagte hätte das Vorhaben der Beigeladenen nicht gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulassen dürfen.

7

1.1 Mit Bundesrecht im Einklang steht allerdings die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum unter den Begriff der Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt.

8

"Anlagen für kulturelle Zwecke" sind nicht auf die traditionellen Bereiche der Kunst, Wissenschaft und Bildung beschränkt. Die Zweckbeschreibung bezeichnet Anlagen, die in einem weiten Sinne einen kulturellen Bezug aufweisen. Ein Krematorium mit Abschiedsraum hat einen kulturellen Bezug, der in der gesellschaftlichen Vorstellung von dem Umgang mit dem Tod wurzelt. Ebenso wie eine kirchliche Bestattungsanlage einem kirchlichen Zweck dient (Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 17), dient ein Krematorium als säkulare Bestattungseinrichtung einem kulturellen Zweck. Zur Feuerbestattung gehört nicht nur die Beisetzung der Asche des Verstorbenen in einer Grabstätte, sondern auch der Vorgang der Einäscherung der Leiche. Die Einäscherung ist Teil des Bestattungsvorgangs. Diese Form der Bestattung ist Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Bestattungskultur, zu der es auch gehört, in einem kontemplativen Umfeld von den Verstorbenen Abschied nehmen zu können.

9

Der Begriff der "Anlagen für kulturelle Zwecke", der nicht nur in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, sondern in zahlreichen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung Verwendung findet, ist ebenso offen angelegt wie die ebenfalls in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und anderen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung genannten Anlagen für kirchliche, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die Baunutzungsverordnung verwendet die Begriffsgruppe als eine bewusst weit gefasste Kategorie. Sie ist für eine "dem Wandel der Zeiten" anpassungsfähige Auslegung offen (Urteil vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190 <197>). Damit sollen gerade auch neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben städtebaulich erfasst werden, um eine geordnete Bodennutzung und städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Dass sich im Laufe der Zeit das Begriffsverständnis und damit auch die Art der Anlagen ändern kann, die im jeweiligen Gebiet zulässig sind, ist vom Verordnungsgeber gewollt.

10

Eine weite Auslegung der Begriffsgruppe führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer uferlosen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm. Die begriffliche Offenheit des Tatbestands wird in zweifacher Hinsicht begrenzt. Aus dem systematischen und historischen Zusammenhang wird deutlich, dass Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke nur die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB definierten Gemeinbedarfsanlagen sind. Die Baunutzungsverordnung hat die Begriffsgruppe von Anfang an auf Gemeinbedarfsanlagen beschränkt gesehen (Urteile vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - BVerwGE 102, 351 <354> und vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 S. 6). Darüber hinaus wirkt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit begrenzend, das vor allem jene Nutzungsarten betrifft, die die Baunutzungsverordnung begrifflich verselbständigt und mehreren der Baugebietstypen in §§ 2 bis 9 BauNVO zugeordnet hat (Beschluss vom 6. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 4.00 - Buchholz 406.12 § 7 BauNVO Nr. 4 S. 2).

11

1.2 Bei dem streitigen Krematorium handelt es sich - wie als eingrenzendes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt - um eine Gemeinbedarfsanlage. Der Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB näher bestimmt. Danach sind Gemeinbedarfsanlagen solche baulichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen. Beispielhaft werden Schulen und Kirchen sowie sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen aufgezählt. Der Allgemeinheit dient eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, wenn sie, ohne dass die Merkmale des Gemeingebrauchs erfüllt zu sein brauchen (Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 4 NB 15.94 - NVwZ 1994, 1004 <1005>), einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung zugänglich ist. Gemeint sind Einrichtungen der Infrastruktur, die der Gesetzgeber dem Oberbegriff der "Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs" zugeordnet hat (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 CN 7.03 - BVerwGE 121, 192 <195> = Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 101 S. 32 f.). Auf die Rechtsform des Einrichtungsträgers kommt es nicht entscheidend an (Urteil vom 12. Dezember 1996 a.a.O. S. 356). Die Trägerschaft kann auch in der Hand einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts liegen. Auch eine staatliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit kann je nach ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung geeignet sein, den vorausgesetzten Gemeinwohlbezug solcher Anlagen und Einrichtungen herzustellen, deren Leistungserbringung sich nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen vollzieht und auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 196 f.).

12

Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht beachtet und in Auslegung von Landesrecht und damit für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) festgestellt, dass nach den Bestimmungen des Bestattungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen eine hoheitliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit der Beklagten besteht, die den erforderlichen Gemeinwohlbezug der Anlage herstellt und die zudem durch den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 6. September 2006 abgesichert wird, der bestimmt, dass die Beigeladene als Beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt.

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1.3 Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets.

14

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ist das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum mangels Gebietsverträglichkeit nicht bereits gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig ist (Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21).

15

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist ein Krematorium mit Abschiedsraum aber auch nicht im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet zulässig. Der Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds würden es nicht gebieten, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen, steht nicht in Übereinstimmung mit Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind.

16

Die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens innerhalb eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung richtet sich nicht allein nach der Einordnung des Vorhabens in eine bestimmte Begriffskategorie (Nutzungs- oder Anlagenart), sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets. Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 19 und vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6 m.w.N.). Diesen rechtlichen Maßstab hat das Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Fällen angelegt, in denen zu entscheiden war, ob ein Vorhaben nach der Art der Nutzung in dem jeweils festgesetzten Baugebiet allgemein (regelhaft) zulässig ist. Er gilt auch für die in einem Baugebiet ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Zwischen der Zweckbestimmung des Baugebiets und den jeweils zugeordneten Nutzungsarten besteht ein funktionaler Zusammenhang, der für die Auslegung und Anwendung jeder tatbestandlich normierten Nutzungsart maßgeblich ist (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.; Beschluss vom 28. Februar 2008 a.a.O. Rn. 7). Die nach den Baugebietsvorschriften nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen können die Eigenart eines Baugebiets zwar auch prägen. Diesem Muster folgt beispielsweise die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Immissionsverträglichkeit des Wohnens für bestimmte Baugebiete im Wege einer typisierenden Betrachtung zu modifizieren und unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 und § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise eine eingeschränkte Wohnnutzung zuzulassen, weil typischerweise ein gebietsspezifischer Bedarf besteht. Den in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Anlagen fehlt es aber an einer funktionalen Ausrichtung auf den Zweck des jeweiligen Baugebiets. Solche Anlagen, die ohne nähere Umschreibung in fast allen Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, können nach Größe, betrieblicher Ausrichtung, räumlichem Einzugsbereich und Immissionspotenzial von sehr unterschiedlicher Art sein.

17

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 21). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass im Geltungsbereich eines ausgewiesenen Baugebiets grundsätzlich auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung möglich sein soll. Das typische Störpotenzial kann nicht nur im Störgrad, sondern auch in der Störempfindlichkeit eines Vorhabens liegen. Im Rahmen dieser Beurteilung kommt es nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Unerheblich ist daher, dass das streitige Krematorium nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO durch den gewählten Standort, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der auf Publikumsverkehr ausgerichteten Bereiche eine pietätvolle Bestattung gewährleistet. Die Gebietsverträglichkeit ist der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgelagert.

18

Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich nicht mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, das geprägt ist von werktätiger Geschäftigkeit. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen gearbeitet wird. Nach dem Leitbild der Baunutzungsverordnung ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Betrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können, sofern es sich um nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe handelt.

19

Ein Krematorium mit Abschiedsraum erweist sich in besonderer Weise als störempfindlich. Es stellt - ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Verbrennungsanlagen - ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Die Privatisierung dieser Art der Bestattung mag bewirkt haben, dass Krematorien auch an Standorten außerhalb eines Friedhofs angesiedelt werden. Das ändert aber nichts an der Anforderung, dass eine Bestattung ein würdevolles und kontemplatives Umfeld erfordert. Wie auch das Oberverwaltungsgericht angemerkt hat, ist nicht zu erkennen, dass sich die gesellschaftlichen Anschauungen im Umgang mit dem Tod wesentlich gewandelt haben. Der übliche Umgebungslärm und die allgemeine Geschäftigkeit eines Gewerbegebiets stehen dazu im Widerspruch. Eine derartige Umgebung ist regelmäßig geeignet, den Vorgang der Einäscherung als Teil der Bestattung in einer Weise gewerblich-technisch zu prägen, die mit der kulturellen Bedeutung eines Krematoriums mit Abschiedsraum nicht vereinbar ist.

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2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung kann nicht über § 31 Abs. 2 BauGB hergestellt werden. Eine Befreiung hat die Beklagte nicht erteilt; sie könnte auch nicht erteilt werden.

21

Der Umstand, dass eine Anlage in einem Baugebiet weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann, steht einer Befreiung zwar nicht von vornherein entgegen (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 29). Es spricht viel dafür, dass das streitige Vorhaben Grundzüge der Planung berührt, wenngleich tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen. Eine Befreiung scheitert hier aber jedenfalls daran, dass es zur Bewältigung der gegenläufigen Nutzungskonflikte, die mit der Ansiedlung eines Krematoriums mit Abschiedsraum verbunden sind, einer Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf.

22

Der Gesetzgeber stellt mit der Abweichung nach § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft (Beschluss vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39). Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht (Urteile vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <79> und vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <53 f.>). Generelle, d.h. typischerweise mit der Zulassung eines bestimmten Vorhabens verbundene Nutzungskonflikte, die eine auf die Standortfrage ausgerichtete Planung mit Abwägung gegenläufiger Interessen erforderlich machen, lassen sich nicht im Wege einer Befreiung bewältigen. Was den Bebauungsplan in seinen "Grundzügen", was seine "Planungskonzeption" verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 78). Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in § 3 ff. BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter den in § 13 BauGB genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann (Urteil vom 4. August 2009 - BVerwG 4 CN 4.08 - BVerwGE 134, 264 Rn. 12).

23

Ein Krematorium mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet löst Nutzungskonflikte aus, die sich nur im Wege einer Abwägung bewältigen lassen. Wie dargelegt zeichnet sich ein Krematorium mit Abschiedsraum durch die Besonderheit der Gleichzeitigkeit von Störgrad und Störempfindlichkeit aus. Das führt zu bodenrechtlich relevanten Spannungen, die nur durch Planung zu lösen sind. Ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Anlage - mit Blick auf den Schutz der Gesundheit - entstehen bodenrechtliche Spannungen vor allem dadurch, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum in einer Umgebung anzusiedeln ist, die eine würdevolle Bestattung erlaubt. Der Schutz der Bestattung und des Totengedenkens fordert Rücksichtnahme durch die Nachbarschaft; zugleich ist Rücksichtnahme auf Nachbarn gefordert. Eine Koordination dieser widerstreitenden Belange lässt sich sachgerecht nur im Wege einer Abwägung unter Würdigung der öffentlichen und nachbarlichen Interessen sicherstellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage des Standorts und seiner Anbindung. Diese Frage sowie die Frage nach Planungsalternativen fordert planerische Gestaltungsfreiheit unter Beachtung des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Gesetzgeber stellt für diese städtebauliche Konfliktlage auch spezifische Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Art der baulichen Nutzung kann nicht nur durch die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung erfolgen (Beschluss vom 13. Juli 1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1 S. 5 - juris Rn. 11). Auch "Flächen für den Gemeinbedarf" legen die Art der baulichen Nutzung fest (Beschluss vom 23. Dezember 1997 - BVerwG 4 BN 23.97 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 86 - juris Rn. 7). § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eröffnet nicht nur die Möglichkeit, sondern verweist auch auf die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage im Fall eines städtebaulich relevanten Nutzungskonflikts. Sofern durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt, hat die Gemeinde überdies die Möglichkeit, ein sonstiges Sondergebiet gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO festzusetzen.

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3. Die rechtswidrige Baugenehmigung verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann sich auf bauplanungsrechtlichen Nachbarschutz berufen. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (Urteile vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 und vom 23. August 1996 - BVerwG 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 32 Rn. 5). Ein Nachbar im Baugebiet kann sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er - wie hier - durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine Beseitigungsanordnung für einen Carport.

Die Antragstellerin ist Miteigentümerin des mit einem Reihenwohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. .../6 Gemarkung Z. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 19. Juni 1969 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Teilbebauungsplan Z. - West“, der durch die am 17. April 1971 in Kraft getretene „Bebauungsplanänderung im Bereich westlich der W...strasse“ geändert wurde. Der Bebauungsplan weist ein allgemeines Wohngebiet und Bauräume für insgesamt sechs Reihenhausanlagen aus; innerhalb des nördlichsten Bauraums steht das Wohnhaus der Antragstellerin. Weiterhin sind im mittleren Teil und im südöstlichen Bereich des Änderungsplangebiets Bauräume für Gemeinschaftsgaragen festgesetzt.

Bei einer Baukontrolle am 30. April 2014 stellte die Antragsgegnerin fest, dass im nordwestlichen Teil des Grundstücks der Antragstellerin außerhalb der Baugrenzen ein überdachter Stellplatz errichtet worden war. Mit Bescheid vom 18. August 2015 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf, den Carport bis spätestens 30. Oktober 2015 und im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs innerhalb von sechs Wochen nach Bestandskraft des Bescheid vollständig zu beseitigen (Nr. 1 des Bescheidtenors). Der weitere Miteigentümer wurde verpflichtet, diese Anordnung zu dulden (Nr. 2 des Bescheidtenors). Nr. 1 und 2 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 3 des Bescheidtenors). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Verpflichtung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € angedroht (Nr. 4 des Bescheidtenors).

Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 21. Oktober 2015 mit im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt: Das Interesse an der sofortigen Vollziehung der überwiege das gegenläufige Interesse der Antragstellerin. Die auf der Grundlage von Art. 76 Satz 1 BayBO erlassene Beseitigungsanordnung sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Der Carport sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil er außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen errichtet worden sei. Eine Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO komme nicht in Betracht. Es könne offen bleiben, ob der Carport von § 23 Abs. 5 Satz 1 oder Satz 2 BauNVO erfasst sei. Der Bebauungsplan habe jedenfalls eine anderweitige Festsetzung getroffen. Eine solche Festsetzung sei in der Festsetzung der Sammelgaragen zu sehen, die zentral zwischen den sechs für die Wohnbebauung vorgesehenen Gebäudekomplexen ausgewiesen seien und in der Anzahl derjenigen der vorgesehenen Wohnungen entsprächen. Dieses planerische Konzept sei durch die tatsächliche Entwicklung nicht obsolet geworden. Soweit im Südosten auf den Grundstücken FlNr. .../7 und .../9 („W...straße 50“) ein Doppelcarport außerhalb der vorgesehenen Garagenstandorte errichtet worden sei, beruhe dies nicht auf einer Aufgabe des Planungskonzepts, sondern auf einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Im Übrigen sei die Erschließungssituation hier nicht vergleichbar. Auch die Errichtung mehrerer Nebenanlagen im Sinn des § 14 Abs. 1 BauNVO rechtfertigten nicht die Annahme der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans. Eine Befreiung komme für das Vorhaben der Antragstellerin nicht in Betracht, weil hierdurch die Grundzüge der Planung berührt würden. Das städtebauliche Konzept sehe allein die Errichtung von zentral angeordneten Garagenkomplexen und Mehrfachgaragen vor, wobei sich die Zahl der Garagenflächen an dem Stellplatzbedarf orientiere. Insoweit liege auch keine nicht beabsichtigte Härte im Sinn des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB vor. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei ebenfalls nicht gegeben. Die Beseitigungsanordnung sei auch weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig.

Hiergegen wendet sich Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Oktober 2015 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. August 2015 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt.

Die Beseitigungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO sind mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Der Carport steht in einem nicht durch Zulassung einer Ausnahme nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO oder durch Erteilung einer isolierten Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ausräumbaren Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. unten 1.). Die Beseitigungsanordnung ist nicht deswegen fehlerhaft, weil die Antragstellerin im Bescheid (auch) als Handlungsstörerin bezeichnet wurde (vgl. unten 2.). Ebenso wenig ist die Zwangsgeldandrohung wegen einer zu kurzen Fristsetzung rechtswidrig (vgl. unten 3.). Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Carport mit hoher Wahrscheinlichkeit bauplanungsrechtlich unzulässig ist, weil er außerhalb der wirksam durch Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche errichtet wurde und die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB oder einer Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO hat.

a) Der Bebauungsplan ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht deswegen unwirksam, weil seine Ursprungsfassung als „Teilbebauungsplan“ bezeichnet ist. Abgesehen davon, dass die Ursprungsfassung durch die hier maßgebliche Bebauungsplanänderung vom 17. April 1971, die diese Bezeichnung nicht mehr trägt, vollständig ersetzt wurde, ist der „Teilbebauungsplan“ vom 19. Juni 1969 nicht auf sachliche Teilregelungen beschränkt. Das Gesetz sieht bei einem Bebauungsplan - anders als beim Flächennutzungsplan, bei dem nach § 5 Abs. 2b BauGB als sachliche Teilregelung eine Darstellung von Vorrangflächen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für die in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB genannten Vorhaben mit Ausschlusswirkung für Vorhaben außerhalb dieser Flächen zulässig ist - die Möglichkeit solcher Teilregelungen nicht vor. Derartige Regelungen sind indes weder in der Ursprungsfassung des Bebauungsplans noch im Änderungsbebauungsplan enthalten.

b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Zulassung des Carports nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO durch den Bebauungsplan ausgeschlossen sein dürfte.

Richtig ist zwar, dass hier nicht § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO, sondern § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO Anwendung findet, weil ein Carport keine Nebenanlage im Sinn des § 14 BauNVO ist. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 12 BauNVO, der die Zulässigkeit von Garagen und Stellplätzen gesondert regelt (vgl. BVerwG, U. v. 21.3.2013 - 4 C 15/11 - juris Rn. 17; BayVGH, B. v. 25.4.2005 - 1 CS 04.3461 - juris Rn. 22 f.; König in König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 3. Aufl. 2014, § 23 Rn. 32). Unter den (bundesrechtlichen) Begriff der Stellplätze fällt - als überdachter Stellplatz (vgl. BVerwG, U. v. 4.10.1985 - 4 C 26/81 - NVwZ 1986, 120) - auch ein Carport. Dies ändert jedoch nichts am fehlenden Zulassungsanspruch der Antragstellerin. Denn abgesehen davon, dass es sich bei der Zulassungsentscheidung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die Haltung der betroffenen Gemeinde zu berücksichtigen ist (vgl. König in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 23 Rn. 34; Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: November 2014, § 23 BauNVO Rn. 48), hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Bebauungsplan mit der Festsetzung von Gemeinschaftsgaragen die Zulassung von Garagen und Stellplätzen einschließlich der überdachten Stellplätze an anderen Stellen im Plangebiet ausgeschlossen hat.

Eine anderweitige Festsetzung im Sinn des § 23 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 BauNVO setzt nicht in jedem Fall eine ausdrückliche textliche Festsetzung voraus, sondern kann auch durch zeichnerische Festsetzungen erfolgen, wenn sich dadurch hinreichend bestimmt der Ausschluss oder die Beschränkung (vgl. § 12 Abs. 6 BauNVO) von in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BauNVO fallenden baulichen Anlagen ergibt (vgl. BayVGH, U. v. 15.2.1999 - 2 B 95.1500 - BayVBl 2000, 113 = juris Leitsatz und Rn. 26; U. v. 26.2.2003 - 2 B 00.1313 - juris Rn. 27). So kann auch aus der Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen durch Baulinien und Baugrenzen verbunden mit der Festsetzung von Gemeinschaftsanlagen für Stellplätze und Garagen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB folgen, dass der Bebauungsplan Einzelgaragen und Einzelstellplätze auf den Baugrundstücken ausnahmslos ausschließt (vgl. BayVGH, B. v. 16.5.1983 - 14.B-1294/79 - BayVBl. 1983, 593/594; VGH BW, U. v. 11.5.1989 - 5 S 3379/88 - BRS 49 Nr. 137 = juris Rn. 18; B. v. 9.4.1992 - 5 S 1233/90 - ZfBR 1992, 239 = juris Leitsatz und Rn. 19; B. v. 23.10.1997 - 5 S 1596/97 - BauR 1998, 521; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 23 Rn. 24; Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 23 BauNVO Rn. 58; offen gelassen in BVerwG, B. v. 16.2.1998 - 4 B 2/98 - NVwZ 1998, 1066 = juris Rn. 5). Da anderweitige Festsetzungen im Sinn von § 23 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BauNVO die Baufreiheit einschränken, müssen sie jedoch hinreichend bestimmt sein (vgl. König in König/Roeser/Stock, a. a. O., § 23 Rn. 31 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Aus der zeichnerischen Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen durch die Bebauungsplanänderung vom 17. April 1971 mittels Baugrenzen und Baulinien einerseits und der Festsetzung von Flächen für Gemeinschaftsgaragen in der Mitte und im südöstlichen Randbereich des Plangebiets andererseits ergibt sich mit hinreichender Bestimmtheit, dass nach der planerischen Konzeption der Antragsgegnerin Garagen und Stellplätze für Kraftfahrzeuge nur an den im Bebauungsplan ausgewiesenen Standorten zulässig und an anderen Stellen ausgeschlossen sind. Dafür sprechen auch der Zusatz in der Erläuterung der Planlegende, dass die Flächen für die Gemeinschaftsgaragen „für die Reihenhäuser des Plangebiets“ bestimmt sind, sowie der Umstand, dass die Anzahl der festgesetzten Gemeinschaftsgaragenplätze bereits nach der Ursprungsfassung vom 19. Juni 1969 der Anzahl der ausgewiesenen Reihenhäuser entsprach, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Auch sind die Flächen für die Garagen innerhalb dieser Bauräume so angeordnet, dass sich die Zu- und Abfahrtswege für die Kraftfahrzeuge jeweils auf der von den Reihenwohngebäuden abgewandten Seite befinden. Dies lässt vermuten, dass aus Gründen des Lärmschutzes Fahrbewegungen von Kraftfahrzeugen möglichst weit entfernt von der Wohnnutzung der Reihenhäuser verlegt werden sollten. Aus allen diesen Umständen ergibt sich mit der gebotenen Eindeutigkeit, dass der Plangeber neben den festgesetzten Garagenanlagen keine weiteren Garagen oder Stellplätze im Plangebiet zulassen wollte. Auf die Frage, ob es ihm dabei tatsächlich darauf ankam, die Garagenstandorte zur Lenkung des Verkehrs und insbesondere zur Freihaltung der Wohnbereiche von Zu- und Abfahrtsverkehr abschließend festzulegen, wie vom Verwaltungsgericht angenommen und von der Antragstellerin bezweifelt wird, kommt es nicht an.

Der Ausschluss von Garagen und Stellplätzen an anderen Stellen als den für die Gemeinschaftsgaragen festgesetzten Standorten gilt auch für Carports. Der Auffassung der Antragstellerin, der Plangeber hätte Festsetzungen für Carports gar nicht treffen können, weil solche Anlagen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans noch nicht verbreitet gewesen seien, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar mag der Begriff des „Carport“ zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans nicht gebräuchlich gewesen sein. Auch war er im bayerischen Landesrecht noch nicht verankert (er wurde - soweit ersichtlich - erst mit der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen - Garagen- und Stellplatzverordnung - GaStellV - vom 30.11.1993 (GVBl S. 910) in das bayerische Recht aufgenommen). Regelungen zu überdachten Stellplätzen fanden sich zum damaligen Zeitpunkt aber bereits in der als Bundesrecht aufrechterhaltenen (vgl. BVerwG, U. v. 27.1.1967 - IV C 12.65 - BVerwGE 26, 103 ff.), erst mit Wirkung vom 1. Juli 1987 durch Art. 2 Nr. 27 des Gesetzes über das Baugesetzbuch vom 8. Dezember 1986 (BGBl I S. 2191) außer Kraft getretenen Vorschrift des § 13 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung (RGaO) vom 17. Februar 1939 (RGBl I S. 219) in der Fassung des Erlasses vom 13. September 1944 (RArbBl I S. 325) („Schutzdächer über Kleineinstellplätzen“) sowie in der landesrechtlichen Garagenverordnung (GaV) vom 12. Oktober 1973 (GVBl S. 585) („Stellplätze mit Schutzdächern“). Es kann daher ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass überdachte Stellplätze bereits zum damaligen Zeitpunkt errichtet wurden, auch wenn sie noch nicht als „Carports“ bezeichnet wurden.

c) Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass der Antragstellerin aller Wahrscheinlichkeit nach kein Anspruch auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von der Festsetzung der Baugrenzen zusteht, weil durch die Abweichungen von dieser Festsetzung die Grundzüge der Planung berührt würden.

Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110; B. v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83; U. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 - BVerwGE 138, 166 = juris Rn. 37; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 Rn. 22). Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde; hierfür ist ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter engen Voraussetzungen abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71/79 = juris Rn. 27; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 = juris Rn. 22 m. w. N.). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110 = juris Rn. 6; B. v. 29.7.2008 - 4 B 11/08 - ZfBR 2008, 797 = juris Rn. 4; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2015, § 31 Rn. 36).

Nach diesem Maßstab ist die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen für Garagen und Stellplätze (einschließlich Carports) hier ausgeschlossen, weil eine Abweichung von dieser Festsetzung die Grundzüge der Planung berühren würde. Wie sich aus Vorstehendem ergibt, hat die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen erkennbar das Ziel, neben den festgesetzten Garagenanlagen aus städtebaulichen Gründen keine weiteren Garagen oder Stellplätze im Plangebiet zulassen, sondern die Bereiche außerhalb der Baugrenzen von Bebauung freizuhalten. Ein Abweichen von dieser Festsetzung würde - auch wegen der Bezugswirkung für eine Vielzahl weiterer Grundstücke mit vergleichbarer Grundstückssituation - ein weitgehendes Abrücken von dieser planerischen Konzeption bedeuten und eine Umplanung durch den Stadtrat der Antragsgegnerin mit einer erneuten Abwägung der Interessenlagen erfordern, die im Wege eines behördlichen Einzelaktes nicht erfolgen kann. Da mithin ein Anspruch auf Zulassung einer Befreiung somit bereits daran scheitert, dass dadurch die Grundzüge der Planung berührt wären, kommt es auf das Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 31 Abs. 2 BauGB nicht an.

d) Der Antragstellerin steht auch kein Befreiungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) zu, weil auf den ebenfalls im Plangebiet gelegenen Grundstücken FlNr. .../7 und .../9 eine Befreiung für einen Doppelcarport nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen wurde, wie die Antragstellerin offenbar meint. Ist diese Zulassung rechtmäßig erfolgt, sind die Sachverhalte schon nicht vergleichbar. Wurde die Befreiung rechtswidrig erteilt, besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BVerwG, U. v. 3.6.1977 - IV C 29.75 - BauR 1977, 402 = juris Rn. 32). Soweit ihr diesbezügliche Einwand so zu verstehen sein sollte, dass ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot deswegen vorliege, weil das Landratsamt nicht auch gegen den Doppelcarport auf Grundstücken FlNr. .../7 und .../9 eingeschritten ist, kann die Antragstellerin damit ebenfalls nicht durchdringen. Denn abgesehen davon, dass eine Behörde grundsätzlich nicht fehlerhaft handelt, wenn sie in Einzelfällen, die wegen ihrer geringen Zahl noch kein Gesamtkonzept für planmäßiges Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände erfordern, Rechtsverstöße nicht sofort unterbindet (vgl. BVerwG, B. v. 26.3.2003 - 4 B 19/03 - Buchholz 300 § 21f GVG Nr. 7 = juris Rn. 8; BayVGH, U. v. 5.12.2005 - 1 B 03.2567 - juris Rn. 28), sind die Verhältnisse hier nicht vergleichbar, weil für den Doppelcarport offenbar eine bestandskräftige Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB existiert. Rechtlich unbedeutend ist daher auch, dass der streitgegenständliche Carport optisch ansprechender ist als der Doppelcarport oder die Gemeinschaftsgaragen, wie die Antragstellerin meint.

2. Die Beseitigungsanordnung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die Antragstellerin in der Begründung des angegriffenen Bescheids nicht nur als Zustandsstörerin, sondern - fehlerhaft - auch als Handlungsstörerin im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Alt. 1 LStVG bezeichnet und zur Beseitigung des Carports herangezogen wird. Da eine (vorrangige) Heranziehung des Handlungsstörer offenbar nicht (mehr) möglich ist, ist jedenfalls ihre Heranziehung als Zustandsstörerin ermessensfehlerfrei (Art. 40 BayVwVfG).

3. Nicht durchzudringend vermag die Antragstellerin schließlich mit der Rüge, die sechswöchige Frist für die Beseitigung des Carports sei nicht angemessen.

Zum einen dürfte der Antragstellerin für einen vorläufigen Rechtsschutz insoweit schon das Rechtsschutzinteresse fehlen, weil die bis zum 30. Oktober 2015 gesetzte Frist bereits abgelaufen ist und die Bedingung für die ersatzweise gesetzte Frist („im Falle der Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs“) mit dem Erlass dieser Beschwerdeentscheidung endgültig entfällt. Zum anderen ist die Frist nicht zu kurz bemessen. Nach Art. 31 VwZVG kann die Anordnungsbehörde (Art. 30 VwVfG) eine von ihr erlassene Beseitigungsanordnung durch Zwangsgeld vollstrecken, wenn die Pflicht zur Vornahme einer Handlung nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird. Nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist bei der Androhung der Vollstreckung für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Eine Frist ist angemessen und zumutbar, wenn sie einerseits das behördliche Interesse an der Dringlichkeit der Ausführung berücksichtigt und andererseits dem Betroffenen die nach der allgemeinen Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (vgl. Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand Okt. 2015, Art. 36 VwZVG, Anm. 4 m. w. N.; OVG Berlin-Bbg, B. v. 11.9.2014 - OVG 10 S 8.13 - NVwZ-RR 2015, 90 = juris Rn. 4 zur gleichlautenden Bestimmung des § 13 VwZG).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beseitigung eines Carports erfordert nach allgemeiner Lebenserfahrung keinen besonderen Aufwand, der nicht innerhalb von sechs Wochen zu bewältigen wäre. Besondere Gründe, die hier eine andere Bewertung rechtfertigen, hat die Antragstellerin nicht vorgebracht. Der Umstand, dass der Carport bereits vor 15 Jahren errichtet wurde und seitdem - rechtswidrig - genutzt wird, spricht im öffentlichen Interesse eher für eine kürzere als für eine längere Frist.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nrn. 1.5 und 9.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.