Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Verfahren M 8 K 16.1426 und M 8 K 16.5065 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Klagen werden abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten der Verfahren zu tragen.

IV. Die Kostenentscheidung ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt im Anwesen N* … Straße … in München ein …geschäft. Hinter vier Schaufenstern im 1. Obergeschoss dieses Geschäftes hat die Klägerin eine Videowerbeanlage („Videowall“) errichtet.

Mit ihren Klagen wendet sie sich im Verfahren M 8 K 16.1426 gegen die für diese Anlage von der Beklagten verfügte Nutzungsuntersagung und begehrt im Verfahren M 8 K 16.5065 des Weiteren die Feststellung, dass weder eine baurechtliche noch eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung für diese Anlage erforderlich ist hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die am … Mai 2016 beantragte Genehmigung/Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb der LED-Videowall zu erteilen.

Mit Schreiben vom 14. August 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, man beabsichtige die Beseitigung der Werbeanlage anzuordnen und gebe der Klägerin gemäß Art. 28 BayVwVfG Gelegenheit, sich innerhalb einer Frist von vier Wochen zum Sachverhalt zu äußern.

Mit Bescheid vom 1. März 2016, der Klägerin am 3. März 2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellt, verfügte die Beklagte:

1. Der Betrieb der wechselnden Werbung durch vier Videowalls in den Fenstern des 1.OG des Gebäudes N* … Str. … zur N* … Straße hin ist unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung einzustellen.

2. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziffer 1 genannten Verpflichtung wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro je Videowall angedroht.

Rechtsgrundlage für die Untersagung sei Art. 76 Satz 2 BayBO i. V. m. Art. 15 DSchG. Die Werbeanlagen seien formell rechtswidrig, da eine Baugenehmigung nicht vorliege. Die Herstellung rechtmäßiger Zustände durch Erteilung einer Baugenehmigung sei auch nachträglich nicht möglich. Durch die Größe und Positionierung der Werbeanlagen, mit innerhalb weniger Sekunden wechselnder Werbung entstehe eine verunstaltende Wirkung (Art. 8 Satz 2 BayBO). Nach den Leitlinien zum Planen und Bauen im Altstadtensemble Münchens (Beschluss des Stadtrates vom 9. Dezember 2015) werde unter Nummer 18 für „Werbeanlagen in der ensemblegeschützten Altstadt“ eine besondere Rücksichtnahme, Zurückhaltung und das maßstäbliche Einfügen in das unmittelbare Umfeld zum öffentlichen Raum erwartet. Bewegte Bilder oder Videowerbung seien zu vermeiden, da diese den öffentlichen Raum noch mehr überfrachteten. Das gelte auch für Anlagen hinter Schaufenstern. Ferner führten die vier Videowalls zusammen mit den bereits an dem Gebäude vorhandenen Werbeanlagen zu einer unzulässigen störenden Häufung (Art. 8 Satz 3 BayBO). Im direkten Umfeld befänden sich bereits zahlreiche Werbeanlagen. Damit sei die zumutbare Grenze der Konzentration und Aufdringlichkeit der Werbung erreicht. Das Vorhaben stehe auch in Widerspruch zu Vorschriften des Bayerischen Denkmalschutzgesetztes. Es befänden sich Baudenkmäler (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG) und Bestandteile des Ensembles „Altstadt München“ (Art. 1 Abs. 1 und 3 DSchG) in unmittelbarer Nähe. Die N* … Straße bilde mit der K* …straße, dem M* …platz und dem T** die wichtigste Achse dieses Ensembles. Bewegte Werbung, die zielgerichtet in den öffentlichen Raum des Ensembles hineinwirke, beeinträchtige und erschwere die Wahrnehmung des Ensembles an dieser Stelle entscheidend. Vergleichbare bewegte Werbung sei im ganzen Ensemble nicht vorhanden und werde seitens der Beklagten nicht geduldet. Die Beklagte handele auch in pflichtgemäßem Ermessen, da das öffentliche Interesse an der Herstellung ordnungsgemäßer baulicher Zustände gegenüber den privaten Interessen der Klägerin an den zusätzlichen Werbeanlagen überwiege.

Mit Schriftsatz vom … März 2016, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin zur Fristwahrung Klage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 1. März 2016.

Am *. Juni 2016 reichte die Klägerin bei der Beklagten einen Bauantrag vom … Mai 2016 auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine LED-Videowand hinter vier Schaufenstern im Anwesen N* … Straße … in München ein. Man halte weiter an der Auffassung fest, dass die verfahrensgegenständliche Videowall sowohl nach der Bayerischen Bauordnung wie auch nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz verfahrensbzw. erlaubnisfrei sei. Dies ergebe sich bauordnungsrechtlich aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO. Denkmalschutzrechtlich ergäben sich durch das Vorhaben keine relevanten Auswirkungen auf das vorhandene Altstadtensemble, daher scheide auch eine Erlaubnispflichtigkeit aus.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2016, den Bevollmächtigten der Klägerin am 17. Oktober 2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellt, lehnte die Beklagte den Antrag vom … Mai 2016 nach Pl.Nr. … auf Genehmigung einer LED-Videowand hinter vier Schaufenstern des Gebäudes N* … Str. …, Fl.Nr. 492/0 der Gemarkung … * ab. Es handele sich um eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO, da sie ortsfest angebracht sei, auf Außenwirkung ziele und gewerblichen Zwecken diene. Sie sei auch genehmigungspflichtig, da sie nicht unter die Tatbestände der verfahrensfreien Werbeanlagen des Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a – g BayBO falle. Das Vorhabengebäude befände sich in der Nähe von Baudenkmälern und sei Bestandteil des Ensembles „Altstadt München“. Durch das Abspielen von Filmen oder wechselnden bzw. bewegten Werbemotiven werde die Wahrnehmbarkeit des Ensembles entscheidend verändert und wesentlich beeinträchtigt. Es sprächen daher gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen das Vorhaben. Durch die großflächige Werbewand, mit deren Hilfe Werbefilme abgespielt würden, werde das Straßenbild verunstaltet. Die menschliche Wahrnehmung reagiere auf bewegte Bilder vollkommen anders als auf statische, da Bewegung immer die höchste Priorität habe. Ein für ästhetische Eindrücke offener Betrachter empfinde die Videowand als erheblich störend, deplatziert und gegebenenfalls sogar als bedrohlich. Aufgrund der Großflächigkeit der Videowerbewand von annähernd 20 m2 gehe die Anlage in ihrer Dimension über die üblichen Werbeanlagen hinaus. Sämtliche Fenster des Gebäudes zur Straße im 1. Obergeschoss seien mit der Videowand belegt. Zusammen mit den statischen Werbeanlagen an dem Gebäude entstehe eine unzulässige störende Häufung. Die denkmal- und bauordnungsrechtlichen Belange überwögen insgesamt das wirtschaftliche Interesse der Klägerin.

Mit Schriftsatz vom *. November 2016 erklärten die Bevollmächtigten, dass sie ihre Klage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 1. März 2016 dahin erweiterten, dass diese sich nun auch gegen den Ablehnungsbescheid bezüglich der Baugenehmigung vom 13. Oktober 2016 richte und stellten folgende Anträge:

I. Der Nutzungsuntersagungsbescheid der Beklagten vom 1.3.2016 mit dem Az. 603- … wird aufgehoben.

II. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.10.2016 mit dem Aktenzeichen 613- … wird aufgehoben.

III. Es wird festgestellt, dass die Errichtung und der Betrieb der LED-Videowall hinter vier Fenstern des 1. OG des Gebäudes N* … Straße …, Fl.Nr. 492/0, Gemarkung …, baurechtlich nicht genehmigungspflichtig und damit auch ohne gesonderte Baugenehmigung verfahrensfrei zulässig ist.

IV. Es wird festgestellt, dass die Errichtung und der Betrieb der LED-Videowall hinter vier Fenstern des 1. OG des Gebäudes N* … Straße …, Fl.Nr. 492/0, Gemarkung …, denkmalschutzrechtlich nicht erlaubnispflichtig und somit ohne gesonderte denkmalschutzrechtliche Erlaubnis erlaubnisfrei zulässig ist.

V. Hilfsweise – für den Fall der Annahme einer baurechtlichen Genehmigungspflichtigkeit der Errichtung und des Betriebes der LED-Videowall hinter vier Fenstern des Gebäudes N* … Straße …, Fl.Nr. 492/0, Gemarkung … * – wird beantragt, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die am …5.2016 beantragte baurechtliche Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb der LED-Videowall zu erteilen.

VI.Hilfsweise – für den Fall der Annahme einer rein denkmalschutzrechtlichen Erlaubnispflichtigkeit der Errichtung und des Betriebes der LED-Videowall hinter vier Fenstern des Gebäudes N* … Straße …, Fl.Nr. 492/0, Gemarkung … * – wird beantragt, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die am …5.2016 mit beantragte denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb der LED-Videowall zu erteilen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei auf Werbung für das von ihr betriebene …geschäft angewiesen. Die N* … Straße werde durchgehend beiderseits von Einzelhandelsgeschäften als der vorherrschenden Nutzungsart geprägt. Die formale Zuordnung zum Ensemble „Altstadt München“ könne daran nichts ändern. Das streitgegenständliche Anwesen selbst stelle kein Denkmal dar und auch in der näheren Umgebung fände sich kaum ein Einzeldenkmal. Im Flächennutzungsplan sei dieser Bereich als Kerngebiet dargestellt, dies entspreche der tatsächlich vorherrschenden Art der baulichen Nutzung. Den Leitlinien der Beklagten zum Planen und Bauen im innerstädtischen Bereich komme keinerlei rechtliche Außenwirkung zu. Der Betrachter nehme die N* … Straße als Einkaufs Straße mit uneingeschränkter werblicher Prägung wahr, nahezu jedes Fenster sei mit werblichen Motiven hinterlegt. Die maximale werbliche Überprägung des gesamten Bereiches entlang der N* … Straße habe die Beklagte in der Gesamtbeurteilung übersehen bzw. falsch gewichtet. Nach einer überschlägigen Prüfung fänden sich im Nahbereich wenigstens 18 hinter Fenstern gelegene oder an den Gebäuden angebrachte Werbeanlagen in Form von Videowalls oder Bildschirmen. Hierzu werde auf die Lichtbilddokumentation in Anlage K 6 verwiesen. Die Beklagte habe daher mit ihrer Nutzungsuntersagung gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Besonders hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auf die Videowall am Anwesen F* … … Die streitgegenständliche Anlage hinter vier kleinflächigen Fenstern zeichne sich nicht durch besondere Bewegungshäufigkeit aus, die Leuchtkraft nach Außen sei nur eingeschränkt und zur Tageszeit kaum wahrzunehmen, die bildhaften Darstellungen hätten bezogen auf die vorhandenen werblichen Maßnahmen in der Umgebung keinen störenden Charakter. Die Videowall liege vollständig innerhalb des Gebäudes, sie entspreche der werblichen Maßnahme in einem Schaufenster. Durch die Anordnung im 1.OG ergebe sich nur eine beschränkte Außenwirkung.

Im Hinblick auf die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 1. März 2016 lägen weder die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO noch die denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen nach Art. 15 DSchG vor. Die Videowall sei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO bauaufsichtlich verfahrensfrei. Die Fenster im 1.OG, hinter denen sich die Videowall befinde, hätten vorliegend die Funktion eines Schaufensters. Eine Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSchG bestehe nicht, da es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude nicht um ein Einzeldenkmal handele. Auch Art. 6 Abs. 1 S. 2 DSchG sei nicht einschlägig, da sich im unmittelbaren Anschluss kein Einzeldenkmal befinde und damit eine Beeinträchtigung ausscheide. Die Videowall sei auch materiell rechtmäßig. Ein Verstoß gegen Art. 8 S. 2 BayBO liege nicht vor. Es befänden sich an allen Gebäuden der Umgebungsbebauung bis zu den Obergeschossen Werbeanlagen in jeder Form. Diese Umgebungsprägung schließe eine Verunstaltung durch die Videowall aus. Das gelte auch insoweit für die bewegten Bilder, die sich auch in der Umgebung fänden. Die Videowall zeichne sich auch nicht durch derart schnelle Bewegungen aus, dass dies in besonderer Form die Aufmerksamkeit erregen könnte. Der in den Leitlinien aufgestellte Grundsatz der Vermeidung bewegter Bilder sei nicht rechtsverbindlich, maßstabbildend seien allein die Bayerische Bauordnung und das Denkmalschutzgesetz. Von einer Überdimensionierung oder erschlagenden Wirkung der Videowall könne angesichts der vorhandenen Werbeanlagen nicht die Rede sein. Die Positionierung im Obergeschoss stehe im Einklang mit den übrigen Gebäuden.

Eine störende Häufung im Sinne von Art. 8 Satz 3 BayBO liege ebenfalls nicht vor. Am streitgegenständlichen Gebäude befänden sich einheitlich genehmigte Reliefbuchstaben-Schriftzüge, die aufgrund der einheitlichen Genehmigung als eine Werbeanlage betrachtet werden könnten. Die Videowall stelle ein durchgehendes Gebilde dar und sei damit auch nur eine Werbeanlage. Auch wenn man sie in vier Einzelteile trenne, liege zwar formal eine Häufung vor, das weitere Tatbestandsmerkmal der Störung sei jedoch nicht erfüllt. Da sich die N* … Straße planungsrechtlich als Kerngebiet darstelle und vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben diene, sei sie in besonderem Maße gewerblich vorgeprägt, folglich sei das Störempfinden hier in besonderem Maße eingeschränkt. Die Videowall weise auch keine grellen oder schnellen Bildwechsel auf, so dass sich auch daraus keine Störwirkung ergebe. Die Beklagte übersehe, dass die Videowall nach Außen nicht als einheitliche Anlage in Erscheinung trete, sondern in vier Einzelbereiche entsprechend den Fenstern aufgeteilt sei.

Der Nutzungsuntersagungsbescheid der Beklagten sei auch ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Es fänden sich zahlreiche vergleichbare werbliche Anlagen; hinzuweisen sei dazu nochmals auf die Videowall im Bereich des F* …s. Differenzierungsgesichtspunkte seien nicht zu erkennen, so dass vorliegend ein systemwidriges Vorgehen der Beklagten gegeben sei. Daher sei auch der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2016 rechtswidrig. Dieser gehe dazu von einer nicht gegebenen bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflichtigkeit bzw. einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnispflichtigkeit des Vorhabens aus.

Das für den Antrag unter III. notwendige Feststellungsinteresse liege vor. Aufgrund der von der Beklagten fälschlicherweise angenommenen Genehmigungspflicht des streitgegenständlichen Vorhabens ergebe sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der Verfahrensfreiheit. Damit könne der Feststellungsantrag nicht an der Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO scheitern. Dasselbe gelte für den Antrag unter IV.

Dem Schriftsatz ist eine ca. 50 Seiten umfassende Anlage mit Fotografien anderer Werbeanlagen beigefügt.

Mit Schriftsatz vom … November 2016 beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin, die Verfahren M 8 K 16.1426 und M 8 K 16.5065 zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden.

Mit Schreiben vom 12. April 2017 beantragte die Beklagte in beiden Verfahren,

die Klagen werden abgewiesen.

Die Werbeanlagen unterlägen aufgrund der Lage im Ensemble „Altstadt von München“ und der Nähe zu Baudenkmälern der Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 DSchG. Sie wirkten sich auf die zahlreichen gegenüberliegenden Baudenkmäler, wie die N* … Straße, sog. ehemalige Augustinerkirche, nun …- und …museum, die angrenzende Kirche St. Michael, wie auch auf das Erscheinungsbild des Ensembles wegen ihrer Auffälligkeit aus. Die denkmalrechtliche Erlaubnis gehe in der Baugenehmigung gem. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG auf. Die Videowall sei nicht verfahrensfrei, weil es sich nicht um eine Anlage in einer Auslage oder an einem Schaufenster handele. Vielmehr werde das Schaufenster durch die vollständige Nutzung für die Videowand selbst zur Werbeanlage. Die beabsichtigte Wirkung der bewegten Werbebotschaften auf der ganzen Fläche aller vier Fenster habe nichts mehr mit der üblichen Schaufensterdekoration zu tun, es handele sich vielmehr um eine genehmigungspflichtige Fassadenänderung. Daher sei die für eine Nutzungsuntersagung bereits ausreichende formelle Illegalität gegeben. Die Werbeanlage sei aber auch materiell illegal, denn sie beeinträchtige das Ensemble und die nahe gelegenen Baudenkmäler, so dass nach Art. 6 Abs. 2 DSchG gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustands vorlägen. Aufgrund der Lage im 1. Obergeschoss handele es sich um eine neuartige Form der Fassadenwerbung. Dabei fielen aufgrund der LED-Technik die dargestellten bewegten Bilder und der rasche Werbewechsel besonders ins Gewicht, und zwar sowohl für sich wie auch aufgrund der erheblichen Präzedenzwirkung. Die benachbarten Baudenkmäler würden aufgrund der starken Aufmerksamkeit für die Werbeanlage, die sich über insgesamt vier Fenster erstrecke, in ihrer Wirkung beeinträchtigt. Es seien zwar aufgrund der überwiegenden Einzelhandelsnutzungen Werbeanlagen vorhanden; diese seien aber alle statisch und in die Architektur integriert. Sie ließen dabei Raum für die Wahrnehmung dieses Bereiches der Altstadt. Bezugsfälle - wie seitens der Klägerin vorgetragen - seien nicht vorhanden dies sei auch darauf zurückzuführen, dass die Beklagte gegen alle bewegten Werbeanlagen vorgehe. Die geplante LED-Videowand habe auch verunstaltende Wirkung und stelle eine störende Häufung nach Art. 8 Satz 1 und 3 BayBO. Gerade wegen ihrer Dimension, Unruhe und Ausstrahlungswirkung und aufgrund der neuen Dimension bewegter Bilder oder Filme werde die Anlage als krass und Unlust erregend empfunden.

Mit Schriftsatz vom … Mai 2017 ersuchten die Bevollmächtigten der Klägerin das Gericht, der Beklagten aufzugeben, das von ihr behauptete gleichförmige bauaufsichtliche Einschreiten gegen vergleichbare Werbeanlagen zu verifizieren. Weiter forderten sie die Vorlage der Akten für die Videowall am Gebäude F* … … Im Übrigen vertieften die Bevollmächtigten ihren Vortrag. Es fehle die bei einem weiträumigen Umgriff wie dem Ensemble „Altstadt von München“ zwingend erforderliche Einzelfalldifferenzierung innerhalb des Ensembles. In dem vorliegend streitgegenständlichen Bereich sei eine Differenzierung zwischen der nördlichen Straßenseite, die von Einzelbaudenkmälern geprägt sei, und der südlichen Straßenseite mit dem Vorhabengebäude erforderlich, da sich dort kein Einzelbaudenkmal befinde. Die südseitige Bestandsbebauung sei durchgängig denkmalschutzbezogen irrelevant und werbetechnisch vollständig in Beschlag genommen. Es gebe also eine klar differenzierte Struktur der baulichen und werbetechnischen Ausgestaltung zwischen den beiden Straßenseiten. Die von der Beklagten vorgetragene Auffälligkeit der Videowall entspreche nicht der Realität, es träten vielmehr vier Einzelfenster in Erscheinung. Weiter werde bestritten, dass die Beklagte tatsächlich gegen sämtliche vergleichbaren Werbeanlagen vorgehe. Inzwischen sei eine weitere vergleichbare Anlage in der K* … Straße … hinzugekommen. Schließlich werde auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 2016 verwiesen (U. v. 22.4.2016 – 1 B 12.2353). Dem Rechtsgedanken des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zufolge müsse für den südlichen Teil der N* … Straße ein weiterer Maßstab für die denkmalschutzrechtliche Beurteilung gelten als in anderen Teilen des Ensembles.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2017 erwiderte die Beklagte und vertiefte ihre Ausführungen. Durch das vollständige Ausfüllen der Fensterflächen mit den Videowänden würden diese zu einer genehmigungspflichtigen Werbeanlage. Eine Reduzierung des maßgeblichen Nähebereichs auf nur eine Straßenseite sei ausgeschlossen, die Prägung des Straßenzuges ergebe sich durch die Gebäude auf beiden Straßenseiten. Das Ensemble definiere den Rahmen der zulässigen Werbung, der im Erdgeschossbereich großzügiger sei als in den darüber liegenden Geschossen. Die Videoanlage am F* … … liege nicht mehr im relevanten Nahbereich, auch handele es sich dabei nicht um eine Werbeanlage, sondern um eine künstlerische Fassadengestaltung, die gezeigten Bilder stünden in keinem Zusammenhang mit dem Laden. Auch sei diese Anlage nur wegen ihrer Lage abseits der K* …-N* …straße genehmigt worden. Die Videoanlage in der K* … Straße … befinde sich im Inneren eines Ladens.

Mit Schriftsatz vom *. Juli 2017 legten die Bevollmächtigten der Klägerin eine erneute Fotodokumentation vor und vertieften ihre Ausführungen.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 legte die Beklagte eine Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege vom 5. Juli 2017 vor. Danach seien Video-Screenings mit bewegten Bildern und mit stark farbiger Leuchtkraft (LCD-Technik) im Ensemble der Altstadt München nicht zu tolerieren. Die Lage der Bildschirme im 1. OG lasse die Werbeanlage auch aus größerer Entfernung in Erscheinung treten. In diesem Zusammenhang spiele auch die Nähe des Standortes zu den benachbarten Baudenkmälern eine besondere Rolle. Die Baudenkmäler, darunter die Michaelskirche, das …- und …museum sowie das Kaufhaus …, litten ohnehin schon durch die gestalterische Belastung ihrer Umgebung. Die stark farbige und flackernde Wirkung von Werbeanlagen ziehe den Blick auf sich, dadurch werde die optische Aufmerksamkeit von den Baudenkmälern abgelenkt. Dieses „Geflackel“ stehe zu der ruhigen und statuarischen Wirkung der historischen Architektur im schärfsten Gegensatz, im Wirkungsbereich dieser Werbeanlagen werde die architektonische und städtebauliche Wirkung der Baudenkmäler beeinträchtigt.

Über die baulichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 10. Juli 2017 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der der Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege vertiefte Ausführungen zur Beeinträchtigung des Denkmalrechts durch die streitgegenständliche LED-Videowerbeanlage machte und die Klägerin nach mehreren Beweisanträgen ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellte, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des weiteren ausführlichen schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowohl im Verfahren M 8 K 16.1426 wie auch im Verfahren M 8 K 16.5065 verwiesen.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 1. März 2016 (Ziffer I. des Klageschriftsatzes vom *. November 2016) bleibt die zulässige Klage ohne Erfolg, da der Nutzungsuntersagungsbescheid der Beklagten vom 1. März 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt.

Für Verstöße gegen Art. 6, 7, 8 Abs. 2 DSchG verweist Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DSchG ausdrücklich auf Art. 76 BayBO (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2005 - 14 B 04.2285 – juris). Die Regelung des Art. 76 BayBO steht daher nicht im Verhältnis der Spezialität, sondern der Alternativität, womit eine Anordnung sowohl auf Art. 76 BayBO als auch auf eine entsprechende Befugnisnorm des Denkmalschutzgesetz gestützt werden kann (Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, Art. 76 Rn. 33 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 21.1.1982, NuR 1983, 158).

Ein Rechtsverstoß im Sinne dieser Bestimmung, der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt, liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben schon dann vor, wenn dieses ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Da die Nutzungsuntersagung - insofern der Baueinstellung (Art. 75 Abs. 1 BayBO) vergleichbar - in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, kommt es insoweit nicht darauf an, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2007 - 1 CS 07.1253 - juris m. w. N.).

Nach diesem Maßstab durfte die Beklagte gegen die Nutzung der Fenster im 1. Obergeschoss des Anwesens N* … Straße … einschreiten, ohne den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verletzen, weil die untersagte Nutzung bereits formell illegal und in materieller Hinsicht jedenfalls nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist.

2. Das mit Bauantrag vom … Mai 2016 zur Genehmigung gestellte Vorhaben ist nach Art. 55 BayBO genehmigungsbedürftig. Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, die Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in Art. 56 bis Art. 58, Art. 72 und Art. 73 BayBO nichts andres geregelt ist.

2.1 Die zur Genehmigung gestellte LED-Video-Wand hinter vier Schaufenstern im 1. Obergeschoss des Anwesens N* … Straße … ist eine bauliche Anlage gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO, denn sie soll durch die Anbringung im Schaufensterbereich im 1. Obergeschoss ortsfest benutzt werden und aus Bauprodukten (überwiegend Aluminium) bestehen sowie vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sein (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 24.6.2014 – 9 K 1286/11 – juris Rn. 15). Im vorliegenden Fall ist die Errichtung der LED-Video-Wand auf eine gewisse Dauer ausgelegt und aufgrund ihrer Stellung und Ausrichtung zur N* … Straße primär auf Werbung ausgerichtet (vgl. OVG NRW, B.v. 28.9.1988 – 11 B 849/88 – juris Rn. 15).

2.2 Die streitgegenständliche Video-Wand ist auch nicht gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO genehmigungsfrei.

Bei der Video-Wand der Klägerin handelt es sich insbesondere nicht um Auslagen und Dekorationen in Fenstern und Schaukästen im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO. Eine „Dekoration“ dient lediglich der Ausschmückung des Schaufensters oder Schaukastens und der Auslagen; sie soll die ausgestellten Gegenstände für den Beschauer gefälliger machen und sein Augenmerk anziehen (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, BayBO, 124. EL Januar 2017, Art. 2 Rn. 70). Hierunter sind zum einen alle zum Verkauf angebotenen Waren oder Darstellungen dieser Waren sowie die zum Ausstellen erforderlichen Gegenstände, wie z.B. Tische und Schaufensterpuppen zu verstehen. Zum anderen gehört hierzu alles, was der Ausschmückung und Präsentation der Waren dient. Wird dagegen die Geschäftsbezeichnung selbst im Schaufenster präsentiert, handelt es sich nicht um eine Schaufensterdekoration, sondern um einen von Auslagen und Dekoration zu unterscheidenden Hinweis auf das Gewerbe oder den freien Beruf (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 24.6.2014 – 9 K 1286/11 – juris Rn. 21).

Auch ein etwa 10 cm hinter der Schaufensterscheibe angebrachter Werbeträger mit wechselnden Beschriftungen ist eine Werbeanlage und keine Auslage oder Dekoration, da er den Vorübergehenden allein auf ein bestimmtes Warenangebot aufmerksam machen will (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, BayBO, 124. EL Januar 2017 Art. 2 Rn. 71 mit Verweis auf BayVGH, U. v. 14.3.1974 - 390 VI 70). Im Schaufenster angebrachte Strahler mit Lauflichtschaltung, die nach außen gerichtet ist und die Verkehrsteilnehmer auf das Geschäft aufmerksam machen soll, sind im Allgemeinen ebenfalls eine Werbeanlage und keine Schaufensterdekoration (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, BayBO, 124. EL Januar 2017, Art. 2 Rn. 71 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 17.9.1990; VGH BW, U.v. 20.6.1994 - BRS 56 Nr. 134; OVG Nds., B.v. 10.6.1986 - BRS 46, 288).

Werden Schaufenster mit Plakaten oder Folien beklebt, so wird damit ihre ursprüngliche Zweckbestimmung, nämlich eine den Durchblick auf genehmigungsfreie Dekorationen oder auf ausgestellte Waren gewährende Glasfläche, geändert. Die Schaufenster werden Plakatanschlagflächen und damit Werbeanlagen. Auf das einzelne Plakat usw. ist nicht abzustellen, sondern auf die gesamte für Werbezwecke verwendete Schaufensterfläche (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, BayBO, 124. EL Januar 2017, Art. 2 Rn. 72).

Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei der nach dem Eingabeplan zur Genehmigung gestellten LED-Video-Wand um eine Werbeanlage und um keine bloße genehmigungsfreie Dekoration in und an Schaufenstern. Nach den Planangaben sind die Fenster jeweils 1,60 m breit und 2,45 m hoch. Jedes einzelne Fenster hat eine Fläche von 3,92 m2, zusammen also 15,68 m2. Die im Bescheid angegebenen 20 m2 resultieren wohl aus dem Umstand, dass die Videowand insgesamt mit einer Breite von 13,68 m und einer Höhe von 2,60 m herangezogen wurde, so dass sich eine Ansichtsfläche 19,58 m² ergibt. Baut man in ein Fenster eine Werbeanlage so ein, dass sie das Fenster ganz oder weitgehend einnimmt, dann müssen für diese Anlage dieselben Grundsätze gelten wie für den Fall, dass eine entsprechende Anlage an der Fassade angebracht wird. Denn zwischen beiden ist kein sachlicher und sachgerechter Unterschied zu erkennen; Wirkung, Absicht und die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des Bauwerks sind gleich. Dass zwischen der Umwelt und der Anlage eine Fensterscheibe steht, ändert daran nichts und würde sonst nur zu einer Umgehungsmöglichkeit der Genehmigungspflichtigkeit von Werbeanlagen führen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Werbeanlage außen oder innen am Schaufenster angebracht wird (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, BayBO, 124. EL Januar 2017, Art. 2 Rn. 71 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 9.4.1968 - 56 II 67).

Infolgedessen ist die Aufstellung der streitgegenständlichen LED-Video-Wand gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig und bedarf einer Baugenehmigung.

Danach durfte die Beklagte die Nutzung der Fenster im 1. Obergeschoss des Anwesens N* … Straße … als Werbeanlage untersagen, weil die untersagte Nutzung formell illegal ist.

3. Das genehmigungspflichtige Vorhaben ist auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, da die streitgegenständliche LED-Video-Wand sowohl öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Bayerischen Bauordnung als auch des Bayerischen Denkmalschutzgesetztes widerspricht.

3.1 Zum einen liegt eine störende Häufung und damit ein Verstoß gegen Art. 8 Satz 3 BayBO vor.

3.1.1 Bei der störenden Häufung handelt es sich um einen Unterfall des allgemeinen Verunstaltungsverbots (VG Augsburg, U.v. 28.9.2011 – Au 4 K 11.309 – juris Rn. 20; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO-Kommentar, Stand 2012, Art. 8 Rn. 65). Tatbestandlich ist vorausgesetzt, dass zunächst eine Häufung von Werbeanlagen vorliegt, die dann störende Wirkung entfaltet. Die Häufung erfordert mehrere, mindestens drei, gleichartige oder verschiedene Werbeanlagen in enger räumlicher Beziehung zueinander, die gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen und dementsprechend ihre optische Wirkung gleichzeitig gemeinsam ausüben (Dirnberger in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, Art. 8 Rn. 204; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, a.a.O., Art. 8 Rn. 64; VG Augsburg, U.v. 28.9.2011 – Au 4 K 11.309 – juris Rn. 21). Einzubeziehen sind insoweit alle vorhandenen Werbeanlagen, unabhängig davon, ob diese verfahrensfrei oder genehmigungspflichtig und Eigen- oder Fremdwerbung sind (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.9.2014 – Au 4 K 14.1028 – juris Rn. 25; Dirnberger in Simon/Busse, a.a.O., Art. 8 Rn. 210).

Unstreitig liegt selbst nach den Ausführungen der Klägerin eine Häufung von Werbeanlagen vor (vgl. Schriftsatz vom *.11.2016, S. 32 Abs. 2). Die Videowall ist bereits eine Werbeanlage, die aus vier einzelnen Werbetafeln besteht, da sie vom öffentlichen Verkehrsraum aus wie vier unabhängige Werbetafeln erscheint. Dieser Eindruck wird auch durch den Umstand verstärkt, dass jedes Fenster unabhängig und unterschiedlich angesteuert werden und damit in jedem der vier Fenster eine Werbebotschaft einzeln ausgestrahlt werden kann. Unabhängig von der einheitlichen technischen Konstruktion wird die Videowand als aus vier einzelne Werbetafeln bestehend wahrgenommen. Darüber hinaus gibt es nach dem Ergebnis des Augenscheins an der Fassade des Gebäudes N* … Straße … insgesamt sieben werbende Schriftzüge der Eigenwerbung; in jedem der Geschosse befindet sich mindestens ein Schriftzug; weiter betreibt die Klägerin im Erdgeschoss eine beleuchtete Werbeanlage mit Fremdwerbung. Darüber hinaus sind an den benachbarten Fassaden ebenfalls eine Vielzahl von Werbeanlagen angebracht, die gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen.

3.1.2 Die Häufung von Werbeanlagen allein begründet jedoch noch keine „Störung“. Ob eine Häufung störend ist, lässt sich nicht abstrakt-generell bestimmen. Jedenfalls muss sich ein gestalterischer Widerspruch aus der beziehungslosen Anhäufung von Werbeanlagen selbst oder ihrer Wirkung auf die Umgebung ergeben (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 8 Rn. 43; Lechner in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung 124. EL Januar 2017, Art. 8 Rn. 583 f.).

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die nähere Umgebung des Baugrundstücks als faktisches Kerngebiet im Sinne von § 7 BauNVO zu qualifizieren ist. Eine störende Häufung von Werbeanlagen ist grundsätzlich auch in gewerblich geprägten Baugebieten nicht ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 15 ZB 10.445 – juris Rn. 16 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 16.9.1993 - 15 B 92.1836). An eine störende Häufung von Werbeanlagen sind hier aber höhere Anforderungen zu stellen als etwa in einem allgemeinen Wohngebiet oder Mischgebiet. Die Fotos in den Behördenakten, das von der Klägerin vorgelegte Bildmaterial sowie das Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins vom 10. Juli 2017 belegen, dass die streitige Werbeanlage bzw. Werbeanlagen trotz des gewerblich geprägten Umfelds zu einer gestalterischen Störung führen.

Dabei ist Voraussetzung einer „Störung“ nicht, dass bei vorhandenen Anlagen eine, mehrere oder alle bereits stören (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, Art. 8 Rn. 214 - 232). Es genügt, dass die nächste hinzutretende Anlage erstmals zu einer Störung führt (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.1970 – 82 II 69 – BRS 23 Nr. 121; OVG NW, U.v. 6.2.1992 – 11 A 2235/89 – NWVBl. 1992, 250). Diese hinzutretende Werbeanlage bewirkt rechtlich, dass – nunmehr – alle Werbeanlagen stören. So kann das Hinzukommen einer sich stark abhebenden und wuchtig ausladenden Werbeanlage zu einer störenden Häufung führen (BayVGH, a. a. O.) oder das Hinzutreten weiterer großflächiger Werbetafeln zu vorhandenen in einem innerstädtischen Verkehrs- oder Verkaufszentrum (OVG Berlin, U.v. 10.9.1971 – II B 38.70 – BRS 24 Nr. 123; OVG Berlin, B.v. 20.6.2003 – 2 S. 16.03; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, Art. 8 Rn. 229).

Nach Auffassung des Gerichts sind vorliegend die Voraussetzungen einer störenden Häufung erfüllt. Selbst wenn man der Klägerin zugesteht, dass in dem maßgeblichen innerstädtischen Bereich eine Vielzahl von Werbeanlagen nahezu üblich ist, stellt die beantragte Videoanlage eine andere und abweichende Art von Anlage dar, die sich nicht mehr im Rahmen der üblichen Form von Werbeanlagen im streitgegenständlichen Bereich auf Grund ihrer Größe und Leuchtkraft sowie Filmqualität hält und damit zusammen mit den übrigen, bereits vorhandenen Anlagen die Voraussetzungen einer Störung selbst im gewerblich geprägten Umfeld erfüllt. Die Klägerin beruft sich zwar regelmäßig darauf, dass die streitgegenständliche Anlage vom Verkehrsraum so gut wie nicht wahrnehmbar sei, da die Leuchtkraft sowie der Bildwechsel stark gedrosselt seien. Die streitgegenständliche LED-Videowand verfügt allerdings technisch nicht nur über eine äußerst starke Leuchtkraft, sondern ist zudem in der Lage, neben Bildern mit schnellem Motivwechsel, auch Videofilme abzuspielen. Dem Bauantrag ist insoweit keine Beschränkung der technisch möglichen Auslastung der Anlage beigefügt, so dass grundsätzlich auch ein Betrieb der Anlage unter Ausnutzung der maximalen Leistungskraft der LED-Videowand nicht ausgeschlossen ist. Nach Auskunft der Vertreter der Beklagten wurde die streitgegenständliche Anlage auch zunächst mit starker Leuchtkraft zum Abspielen von Videofilmen genutzt (vgl. Protokoll vom 10.7.2017, S. 10).

3.2 Darüber hinaus verstößt die streitgegenständliche LED-Videowerbeablage auch gegen das Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 1 BayBO. Danach müssen bauliche Anlage nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Verunstaltung ist erfüllt, wenn die zur Prüfung stehende Anlagen das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters nicht nur beeinträchtigt, sondern verletzt (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Mai 2014, Art. 8 Rn. 1; König in: Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 8 Rn. 2; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 119. EL Januar 2014, Art. 8 Rn. 54; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. Juli 2014, Art. 8 Rn. 22 bis 25). In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger umfunktionieren (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2002 - 14 ZB 02.1849 - juris Rn. 2) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und dieses damit empfindlich stören (vgl. BayVGH, U.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2765 - juris Rn. 16 mit Verweis auf OVG Berlin, B.v. 7.1.2002 - 2 SN 30.01 - juris Ls 3 und Rn. 16; HessVGH, B. v. 5.10.1995 - 3 TG 2900/ 95 - juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben verstößt die vorliegende Video-Werbeanlage mit wechselnder und bewegter Werbung gegen die Gebote der Maßstäblichkeit und des Verhältnisses der Baumassen und Bauteile zueinander und stellt einen unästhetischen Fremdkörper dar. Dieser Eindruck wird durch den Umstand, dass es sich um eine Videowand mit bewegten Bildern handelt, noch verstärkt. (BayVGH, U. v. 11. 11.2014 – 15 B 12.2765 – juris Rn. 16). Die gesamte Fensterfront des 1. Obergeschosses wird somit zu einem Werbeträger umfunktioniert und setzt dem ruhigen Erscheinungsbild der Fensterfront durch die mit LED-Leuchtkraft bewegten Werbebilder bzw. Werbefilmen einen Fremdkörper auf.

4. Schließlich verstößt die LED-Videowerbeanlage am streitgegenständlichen Anbringungsort auch gegen das Bayerische Denkmalschutzgesetz, Art. 6 DSchG.

4.1 Die Erlaubnisfähigkeit unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes hängt in erster Linie davon ab, ob Denkmäler, Ensembles oder ihre Umgebung beeinträchtigt werden. Die Maßstäbe sind strenger als im Baurecht und setzen keineswegs eine Verunstaltung voraus (vgl. Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, Teil E. Denkmalrechtliche Ge- und Verbote und deren Durchsetzung I. Erlaubnisverfahren Rn. 88).

4.2 Im vorliegenden Fall sind zwei denkmalschutzrechtliche Erlaubnistatbestände erfüllt. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG bedarf der Erlaubnis, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Ferner bedarf der Erlaubnis, wer ein Ensemble verändern will, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG).

Der Ort des Vorhabens liegt zum einen im Bereich des in der bayerischen Denkmalliste eingetragenen Ensembles „Altstadt München“, bestehend aus spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Siedlungsteile der zweiten Stadterweiterung von München.

Darüber hinaus ist das streitgegenständliche Anwesen von zahlreichen Baudenkmälern umgeben. Direkt gegenüberliegend, in der N* … Straße, befindet sich die in der Denkmalliste eingetragenen „Ehem. Klosterkirche“, die als dreischiffige Basilika mit polygonalem Chorschluss und steilem Satteldach beschrieben wird und u.a. als Museumsgebäude für das …- und …museum dient. Nach den Ausführungen des Vertreters des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2017 handelt es sich hierbei um ein besonders bedeutendes Baudenkmal - eine der ältesten historischen Klosterkirchen im gesamten Münchner Altstadtgebiet - deren Wurzeln bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen (s.g. ehemalige „Augustiner Chorherrenkirche“). Ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum streitgegenständlichen Anwesen in der N* … Straße * ist die Jesuitenkirche St. Michael situiert, die in der Denkmalliste als katholische Filialkirche mit mächtigem, tonnengewölbtem Saalbau und dreigeschossiger Südfassade mit Volutengiebel beschrieben wird. Unmittelbar westlich daran schließt sich in der N* … Straße * das Jesuitenkolleg, sog. Alte Akademie, an, das ebenfalls in der Denkmalliste als Einzelbaudenkmal eingetragen ist. Nach den Ausführungen des Vertreters des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege handele es sich bei der St. Michaelskirche um eines der ältesten sakralen Monumentaldenkmäler der Renaissance. Dieser Baukomplex habe daher nicht nur im bayerischen Herzogtum, sondern bis zur heutigen Zeit aus religions- und kulturgeschichtlichen Gründen landesweite Bedeutung. Daran schließt sich wiederum in der N* … Straße … das sog. Kaufhaus „…“ an, das in der Denkmalliste als schlichter, fünfgeschossiger Stahlbetonskelettbau mit verputzter Lochfassade und weiträumiger Erdgeschossarkade beschrieben wird. Darüber hinaus befindet sich in der K* …straße … schrägt gegenüber zum streitgegenständlichen Anbringungsort das Geschäftshaus „… … …“ in dem sich das …geschäft … befindet und das in der Denkmalliste als stattlicher, über Pfeilerarkaden viergeschossiger Eckbau mit Treppengiebeln in historisierendem Heimatstil bezeichnet wird.

Es ist damit festzuhalten, dass im Bereich des streitgegenständlichen Anwesens die gesamte gegenüberliegende Straßenseite der N* … Straße durch prächtige Einzelbaudenkmäler gekennzeichnet ist. Nach den Ausführungen des Vertreters des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege führt das Zusammenspiel dieser drei monumentalen Baudenkmäler sowie der Dreiklang von sakralen Baudenkmälern einerseits und Geschäftshäusern andererseits dazu, dass gerade dieser Abschnitt der N* … Straße nicht nur historisch und architekturgeschichtlich von besonderer Bedeutung ist, sondern auch eines der beliebtesten und typischen Bildmotive in der Münchener Altstadt zusammen mit dem dahinter liegenden Dom (Frauenkirche) darstellt.

Zwar befindet sich das Vorhaben selbst in keinem Baudenkmal, und auch die unmittelbar benachbarten Anwesen auf der südlichen Straßenseite der N* … Straße sind keine Baudenkmäler. Aber die vom Standort des streitgegenständlichen Vorhabens einsehbaren Anwesen N* … Straße * und N* … Straße * sowie K* …straße … sind Baudenkmäler. Gerade diese Ballung von besonders bedeutenden Einzelbaudenkmälern auf Höhe des streitgegenständlichen Anbringungsortes eröffnet den Näheschutz aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG (vgl. Stellungnahme des Vertreters des LfD im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 10.7.2017, S. 13).

4.3 Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG erlaubt es der Denkmalschutzbzw. – wenn die Überprüfung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erfolgt – der Baugenehmigungsbehörde, den Antrag auf Errichtung einer Anlage abzulehnen, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Erscheinungsbild bedeutet, inwieweit das Baudenkmal von einem Betrachter unverstellt wahrgenommen werden kann, und inwieweit es also durch seine optische Präsenz wirken kann. Die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals kann dabei auch ganz wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen, so dass die Ziele des Denkmalschutzes im Einzelfall häufig nur erreicht werden können, wenn auch die Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes entsprechend beschränkt wird (vgl. VG München, U.v. 24.3.2010 – M 9 K 09.3305 - juris). Von einer Beeinträchtigung dieses Erscheinungsbildes ist dementsprechend nicht erst dann auszugehen, wenn ein verunstaltender Zustand hervorgerufen wird – die Anforderungen des Art. 8 BayBO sind insofern höher. Primär soll das Denkmalschutzrecht gewährleisten, dass die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeugnis der Zeitgeschichte oder als bestimmtes städtebauliches Element auf den Betrachter ausübt, in seiner Wirkung nicht geschmälert wird. Die erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals oder Ensembles liegt nicht nur vor, wenn ein das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird, sondern auch, wenn die Wirkung des Denkmals als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element geschmälert wird (vgl. VG München, B.v. 3.8. 2016 – M 1 SN 16.3090 – juris Rn. 25). Neue bauliche Anlagen müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen, dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631 – juris Rn. 30). Je höher der Wert des Denkmals einzuschätzen ist, desto eher kann eine erhebliche Beeinträchtigung seines Erscheinungsbilds anzunehmen sein; je schwerwiegender das Erscheinungsbild betroffen ist, desto eher kann die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten sein (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 – juris Rn. 26; VG München, B.v. 3.8. 2016 – M 1 SN 16.3090 – juris Rn. 25).

Angesichts des vorstehend erörterten auch auf die Sozial- und Wirtschaftsstruktur ausstrahlenden denkmalpflegerischen Befundes in der Umgebung des streitbefangenen Vorhabens leuchtet es ein, dass die beantragte Werbeanlage an deutlich einsehbarer Stelle geeignet ist, die Geschlossenheit und Gesamtkonzeption des Straßenzuges zu stören, banalisierend auf die umgebenden Baukunstwerke einzuwirken und dadurch das überlieferte Erscheinungsbild und die künstlerische Wirkung der umstehenden Baudenkmäler zu beeinträchtigen. Hinzu kommt die berechtigte Sorge, dass die erstmalige Zulassung einer Werbeanlage in Form einer LED-Video-Wand in der beantragten Größe, die die gesamte 1. Obergeschossebene des Vorhabengebäudes einnehmen soll, das Ziel die künstlerische Erscheinungsweise des Ensembles „Altstadt München“ langfristig zu sichern, gefährden würde. Das Gericht teilt daher die Auffassung der Beklagten und des Bayerischen Landeamts für Denkmalpflege, dass die beantragte LED-Videowall mit ihrer beantragten Größe und mit bewegten Bildern, die unabhängig und einzeln für jedes der vier Fenster des 1. Obergeschosses angesteuert werden kann, mit der denkmalpflegerischen Bedeutung des Ensembles „Altstadt München“ und der in ihm vorzufindenden bedeutenden Einzeldenkmäler nicht zu vereinbaren ist und daher gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen (vgl. VG München, U.v. 4.8.2008 – M 8 K 07.5410 – juris Rn. 16).

Das wird auch durch das Ergebnis des Augenscheins bestätigt. Nach den dabei gewonnenen Eindrücken und Erkenntnissen des Gerichts können die streitgegenständliche Videowand und die Einzelbaudenkmäler N* … Straße * (ehem. Klosterkirche), die Kirche St. Michael, die Alte Akademie und das ebenfalls in der Denkmalliste eingetragene frühere Kaufhaus … sowie das Geschäftshaus … jeweils zusammen wahrgenommen werden. Damit beeinträchtigt das Abspielen von bewegten Bildern und Videofilmen an der streitgegenständlichen Stelle und in dem nach der technischen Leistungsfähigkeit der Anlage möglichen Umfang die Wahrnehmung dieser Einzelbaudenkmäler. Gerade die bewegten Bilder im 1. Obergeschossbereich führen auch nach den Ausführungen des Vertreters des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zu einer Herabwürdigung der in diesem Bereich geballt vorhandenen Monumentalbauwerke und somit zu einer empfindlichen Beeinträchtigung des ruhigen Erscheinungsbildes der bedeutenden historischen Einzelbaudenkmäler (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 10.7.2017, S. 14).

Die Strahlkraft und Farbigkeit der bewegten Bilder der LED-Videowand im Obergeschossbereich führen aus Sicht des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege auch zu einer Beeinträchtigung des „Altstadt“-Ensembles. Die architektonische Erscheinungsweise des Ensembles „Altstadt München“, das auf dem Grundriss der hoch- und spätmittelalterlichen Herzogstadt zur barocken Residenzstadt umgestaltet wurde und im 19. Jahrhundert als Haupt- und Großstadtkern überformt wurde, wird gerade auch durch den spätmittelalterlichen Verlauf einer der Hauptachsen, insbesondere der N* … Straße gebildet. Die historische Gesamtanlage macht den Eindruck stilistischer Geschlossenheit und ist von einem erkennbar künstlerischen Anspruch gekennzeichnet. Dieser wird insbesondere durch drei denkmalgeschützte Einzelanwesen, welche dem streitgegenständlichen Geschäftshaus direkt gegenüber liegen geprägt und dominiert, die die Eigenwertigkeit des streitgegenständlichen Ensemblebereichs unterstreichen.

Damit bleibt festzuhalten, dass nicht nur aus Sicht des Gerichts, sondern auch aus Sicht der Fachbehörde die streitgegenständliche LED-Videowand mit bewegten Bildern das überlieferte Erscheinungsbild sowie die künstlerische Wirkung der dort befindlichen sakralen und profanen Baudenkmäler beeinträchtigt, sodass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen die verfahrensgegenständliche LED-Videowand mit strahlkräftigen und bewegten Bildern im Obergeschossbereich sprechen.

5. Die Ermessensausübung der Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG.

5.1 Zwar ist der Klägerin dahingehend Recht zu geben, dass die Baurechtsbehörde mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist, das ihr eingeräumte Ermessen in gleich gelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben (vgl. VG München, U.v. 27.6.2016 – M 8 K 15.1838 – juris Rn. 50). Aus diesem Grund ist es ihr verwehrt, systemlos oder willkürlich nur gegen einzelne Bauvorhaben einzuschreiten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bauaufsichtsbehörde verpflichtet wäre, rechtswidrige Zustände zeitgleich flächendeckend aufzugreifen. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich keine allgemein gültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen Werbeanlagen in Gestalt von der streitgegenständlichen Anlage (LED-Video-Wand im gesamten Schaufensterbereich im 1. Obergeschoss auf der Hauptachse im Altstadtensemble). Vielmehr ist es der Bauaufsichtsbehörde unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ebenso darf die Behörde sich zunächst auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (BVerwG, B.v. 22.4.1995 - 4 B 55/95 - juris Rn. 5; B.v. 23.11.1998 - 4 B 99/98 - juris Rn. 4; VG München, U.v. 27.6.2016 - M 8 K 15.1838 - juris Rn. 50). Aus den vorgelegten Leitlinien der Lokalbaukommission zum Planen und Bauen im Altstadtensemble München geht hervor, dass bewegte Bilder oder Werbung durch Videos im Rahmen des Altstadtensembles zu vermeiden sind und dies auch für solche Anlagen hinter Schaufenstern und Auslagen gilt. Der Klagepartei ist zwar Recht zu geben, dass diese Leitlinien keine bindende Außenwirkung haben, jedoch im Rahmen einer Ermessenausübung von der Beklagte herangezogen werden können, um in gleich gelagerten Fälle mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG entsprechend einzuschreiten.

5.2 Die von der Klägerin benannten Bezugsfälle stellen keine solchen dar, weil es sich dabei entweder nicht um eine vergleichbare Werbeanlage handelt, oder sie an einer anderen Stelle im Altstadtensemble situiert sind, so dass – wie die Klägerin mehrfach in Ihrem Schriftsatz vom *. November 2016 fordert – für jeden Einzelfall entsprechend dem Aufstellungsort zu differenzieren ist und gerade nicht das Altstadtensemble an sich herangezogen werden kann.

5.2.1 Bei der Videoanlage im F* … … – … handelt es sich nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht um eine Werbeanlage, da sie keinen Bezug zu dem dort befindlichen Betrieb bzw. Geschäft aufweist. Eine neutrale Farbhinterlegung von Schaufenstern ohne Beschriftung und ohne Bezug auf die Firemenfarbe sind keine Werbeanlagen (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, Art. 2 Rn. 70). Nach dem Ergebnis des Augenscheins gibt es dort zwei Videowände, die zum damaligen Zeitpunkt einen …-Film zeigten. Ein Hinweis auf eine Firma, eine Marke oder einen Hersteller war dabei nicht enthalten. Darüber hinaus ist diese Anlage – selbst wenn man sie als Werbeanlage qualifizieren würde - nicht auf oder an einer der Hauptachsen im Altstadtensemble gelegen. Ferner steht ihr gegenüber auch kein Einzeldenkmal von zentraler Bedeutung, sondern ein schlichtes Bauwerk, das nach der Angabe des Vertreters der Beklagten (im Augenschein) um etwa 1958 erbaut wurde.

Bei einem Ensemble, das aus einer Vielzahl von bebauten Bereichen (z. B. Straßenzügen oder Stadtquartieren) besteht, und bei dem folglich aus denkmalfachlicher Sicht zwischen mehreren unterschiedlichen historischen Erscheinungsbildern differenziert werden kann, ist es zulässig, einen Bereich der Gesamtanlage zu fokussieren (“Abschnittsbildung“), um die jeweils das historische Erscheinungsbild prägenden Merkmale der Gesamtanlage herauszuarbeiten (vgl. Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, Teil E. Denkmalrechtliche Ge- und Verbote und deren Durchsetzung I. Erlaubnisverfahren Rn. 71-74). Danach gehört diese Videoanlage nicht mehr zum hier maßgeblichen Abschnitt des Ensembles Altstadt München. Die Klagepartei fordert bereits eine Differenzierung zwischen der nördlichen und südlichen Straßenseite der N* … Straße, was nach den vorstehenden Ausführungen wegen der wechselseitigen Sichtbeziehungen und der wechselseitigen Prägung innerhalb dieses Straßenzugs abzulehnen ist. Eine Differenzierung zwischen dem streitgegenständlichen Anbringungsort und der Anlage am F* … …, die nicht nur abseits der Hauptachse des Altstadtensembles liegt sondern aufgrund ihrer großen Entfernung auch keinerlei Sichtbeziehung zur verfahrensgegenständlichen Werbeanlage aufweist, ist jedoch sachgerecht.

5.2.2 Die anderen Bezugsfälle gehören ebenfalls nicht zur maßgeblichen näheren Umgebung, oder sie stellen keine vergleichbare Werbeanlag dar.

Zum einen ist die mit Schriftsatz vom *. Juli 2017 vorgelegte Fotodokumentation gem. § 87b VwGO verspätet, da mit Schreiben (Ladung) des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2017 den Bevollmächtigten der Klägerin unter Rekurs auf § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Frist bis sechs Wochen vor dem angesetzten Termin bei Gericht gesetzt wurde, um weitere Erklärungen und Beweismittel anzugeben. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen, die erst nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht werden, unter den Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 VwGO zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden könne (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 6).

Zum anderen handelt es sich dabei entweder nur um einen Bildschirm in einem großen Schaufenster, der anders als das streitgegenständliche Vorhaben nicht die ganze Fläche der Schaufensterfront im gesamten 1. Obergeschoss ausfüllt, oder um statische Werbeanlagen ohne bewegte Videowerbungen oder um Werbeanlagen, die auf Grund ihrer Entfernung sowie einer fehlenden Sichtbeziehung zum streitgegenständlichen Anbringungsort nicht mehr zur maßgeblichen näheren Umgebung gerechnet werden können. Unabhängig davon hat die Beklagte mehrfach erklärt, dass sie entsprechend der Leitlinien gegen Videowerbeanlagen im Altstadtensemble einschreiten werde. Das Gericht verweist hierzu auf das Protokoll des Augenscheins vom 10. Juli 2017, aus dem sich ergibt, dass es sich bei mehreren von der Klagepartei benannten sog. Bezugsfällen entweder um statische Anlagen handelt, auch wenn diese technisch als Videoanlage ausgebildet sind (vgl. S. 6 des Protokolls) oder aber von der Beklagten bereits aufgegriffen wurden bzw. noch aufgegriffen werden sollen (vgl. S. 9 und 12 des Protokolls). Die kleineren, hinter Schaufensterschreiben aufgestellten Videoanlagen, die im Verlauf des Augenscheins besichtigt wurden, sind wiederum infolge ihrer geringeren Größe und auch durch ihren Aufstellungsort schon von vornherein mit der streitgegenständlichen Anlage nicht vergleichbar, da diese anders als die übrigen Anlagen durch ihren Aufstellungsort und ihre Größe geradezu dazu bestimmt ist, weiträumig in den öffentlichen Raum hineinzuwirken.

6. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids in Höhe von 500,- € je Videowall begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) und besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die gesetzte Frist von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit der streitgegenständlichen Verfügung ist vor dem Hintergrund, dass die geforderte Maßnahme keine Handlung, sondern lediglich ein Unterlassen fordert und die 2 Wochenfrist erst nach Unanfechtbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids zu laufen beginnt, mit Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG vereinbar. Auch der Höhe nach sind die angedrohten Zwangsgelder angemessen, insbesondere liegen sie innerhalb des Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG von mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro, wobei gem. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll und das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist (vgl. VG München, B.v. 17.5.2016 – M 8 S. 16.897 – juris).

7. Auch hinsichtlich der Störerauswahl ist der angegriffene Bescheid nicht zu beanstanden. Nach Art. 76 BayBO ist regelmäßig derjenigen verpflichtet, der die Verfügungsgewalt über die Sache hat (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand 123. EL Januar 2016, Art. 54 Rn. 178), hier die Klägerin als Mieterin der Räumlichkeiten, in denen die LED-Video-Wand installiert und betrieben wird.

II.

Die Klage hinsichtlich des Antrags zu II. (isolierte Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Baugenehmigungsbescheid vom 16. Oktober 2016) ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

1. Soweit mit der Klage im Antrag zu II. isoliert die Aufhebung der Ablehnung des Bauantrags vom *. Juni 2016 mit Bescheid vom 13. Oktober 2016 begehrt wird, ist dies ausnahmsweise in Gestalt einer sogenannten isolierten Anfechtungsklage zulässig. Die Klägerin besitzt das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist im Hinblick auf die Spezialität der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) eine allein auf die Aufhebung einer behördlichen Ablehnung gerichtete Anfechtungsklage in der Regel ausgeschlossen (vgl. Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 42 Rn. 82 ff.). Allerdings ist vorliegend ein Ausnahmefall gegeben. Auf der Grundlage ihrer von Anfang an vertretenen Rechtsansicht, wonach es für diese Anlage keiner Genehmigung bedürfe, besitzt die Klägerin vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis für ihr isoliertes Kassationsbegehren. Denn damit vertritt die Klägerin die Auffassung, es liege kein Fall der baurechtlichen Genehmigungspflicht nach Art. 55 Abs. 1 Hs. 1 BayBO vor. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift allerdings nicht vor, dann bedarf es für die inmitten stehende Maßnahme auch keiner Baugenehmigung. Der Bauherr kann für ein solches Bauvorhaben auch nicht die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens beantragen. Tut er es trotzdem und entscheidet die Bauaufsichtsbehörde, etwa weil sie die Verfahrensfreiheit übersieht, gleichwohl (positiv wie negativ) über den Antrag, dann ist diese Entscheidung rechtswidrig und kann vom Bauherrn im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden (vgl. Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, EL 121 Januar 2016, Art. 55 Rn. 74). Die Klägerin hat mithin primär kein rechtliches Interesse an dem Erlass der begehrten Genehmigung. Vielmehr ist es ihr konsequentermaßen allein darum zu tun, den negativen Rechtsschein der behördlichen Ablehnungsentscheidung hinsichtlich ihres Bauantrags zu beseitigen. Es ist anerkannt, dass in einer Fallkonstellation wie hier ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung besteht (vgl. Wysk, a.a.O. Rn. 85; VG München, U.v. 5.10.2016 – M 1 K 16.1301 – juris Rn. 18).

2. Die zulässige Klage ist jedoch entsprechend den vorstehenden Ausführungen unter I. unbegründet, da die streitgegenständliche LED-Videowerbeanlage gem. Art. 55 BayBO genehmigungsbedürftig ist (vgl. vorstehend unter I. 2.) und ihr öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, so dass der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 13. Oktober 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Beklagte hat sich ausdrücklich auf die von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumte Ablehnungsbefugnis berufen (vgl. Bescheid vom 13. Oktober 2016; S. 2). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige, im Einzelfall nicht zum Prüfungsumfang (vgl. Art. 59 Satz 1 BayBO) gehörende, öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Das ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 8 Satz 1 und 3 BayBO der Fall (vgl. vorstehend I.3). Die Ballung von besonders bedeutenden Einzelbaudenkmälern auf Höhe des streitgegenständlichen Anbringungsortes eröffnet darüber hinaus den Näheschutz aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG und führt dazu, dass dem streitgegenständlichen Vorhaben auch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG entgegensteht (vgl. vorstehend I. 4).

III.

Die Klage hinsichtlich des Antrags zu III. (Feststellung der Baugenehmigungsfreiheit des Vorhabens) ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Aus § 43 Abs. 2 VwGO ergibt sich der grundsätzliche Vorrang der Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage. Vorliegend geht die Klägerin davon aus, dass die Werbeanlage genehmigungsfrei sei. Für das Bauordnungsrecht ist anerkannt, dass die Klärung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob eine bestimmte Baumaßnahme genehmigungsbedürftig ist oder ob nach den einschlägigen Vorschriften der Landesbauordnung Baugenehmigungsfreiheit besteht, Gegenstand einer allgemeinen (negativen) Feststellungsklage sein kann, weil ihr ein hinreichend konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zugrunde liegt. Insbesondere kann der Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage nicht der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO verankerte Subsidiaritätsgrundsatz mit der Begründung entgegen gehalten werden, der Bauwillige könne sein Begehren vorrangig mit der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids verfolgen. Denn vom Rechtsstandpunkt des Bauwilligen aus - hier der Klägerin - kommt eine allein auf Erlaubnisbzw. Baugenehmigungserteilung gerichtete Verpflichtungsklage nicht in Frage. Mit der alleinigen Erhebung einer Verpflichtungsklage müsste die Klägerin nämlich ihren Rechtsstandpunkt aufgeben und überdies noch die Prozesskosten tragen, sofern das Gericht das Vorhaben ebenfalls für erlaubnisfrei hielte und somit die Verpflichtungsklage mangels Erteilungsanspruchs abweisen würde (vgl. OVG NRW, U.v. 21.12.2010 – 2 A 126/09 – juris Rn. 31 f. m. w. N.; VG Hannover, U.v. 17.11.2011 – 12 A 1397/11 – juris Rn. 31; Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 43 Rn. 11). Mit dem Feststellungs- und dem nur hilfsweise zur Entscheidung gestellten Verpflichtungsbegehren verfolgt die Klägerin mithin unterschiedliche Ziele; dies ist prozessual nicht zu beanstanden (vgl. Nieders. OVG, U.v. 18.11.2004 – 1 LB 337/03 – juris Rn. 46 m. w. N.).

2.2 Die Subsidiarität der negativen Feststellungsklage kann der Klägerin auch nicht mit der Begründung entgegen gehalten werden, sie könne gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erlass eines die Genehmigungsfreiheit ihres Bauvorhabens feststellenden Verwaltungsakts im Wege einer Verpflichtungsklage gerichtlich durchsetzen. Dies wäre nach Auffassung des Gerichts nur dann geboten, wenn sich aus dem Gesetz eindeutig ein Anspruch des Bürgers auf Erlass eines solchen feststellenden Verwaltungsakts gegen die zuständige Behörde ergäbe (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 43 Rn. 2 m. w. N.; exemplarisch zu § 10 Abs. 3 Satz 2 SächsDSchG: Sächsisches OVG, B.v. 3. Juli 2013 – 1 A 286/12 – juris Rn. 7). Für das Bayerische Bauordnungsrecht ist bislang nicht geklärt, ob der Baugenehmigungsbehörde die Befugnis zukommt, bei Zweifeln, ob ein Vorhaben genehmigungsfrei ist oder nicht, auf Antrag des Bauwilligen die Genehmigungsfreiheit durch Bescheid festzustellen. Deshalb muss dem Rechtschutzsuchenden die Möglichkeit der Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage aus Gründen der Prozessökonomie und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach wie vor offen stehen (vgl. Sodan in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 122 und 132 m. w. N.; Kopp/Schenke, a.a.O.).

3. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die streitgegenständliche Werbeanlage genehmigungsbedürftig ist (vgl. vorstehend I. 2.).

IV.

Die Klage hinsichtlich des Antrags zu IV. (Feststellung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnisfreiheit des Vorhabens) ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.

1. Vorliegend geht die Klägerin jedoch davon aus, dass die Errichtung und der Betrieb der Werbeanlage denkmalschutzrechtlich genehmigungsfrei sei, so dass die Feststellungsklage dann die statthafte Klageart wäre (vgl. vorstehend III. 1 und 2).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die streitgegenständliche Werbeanlage (auch) denkmalschutzrechtlich erlaubnispflichtig ist (vgl. vorstehend I. 4).

Da es im vorliegenden Fall einer Baugenehmigung gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO bedarf, wird die Entscheidung im Denkmalschutzbereich durch die Baugenehmigung gem. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG ersetzt (vgl. Wolf, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, BayBO, Art. 59 Rn. 68).

Eine solche formelle Konzentration von Genehmigungspflichten im Baugenehmigungsverfahren lässt die materiell – rechtlichen Anforderungen des jeweiligen Fachgesetzes grundsätzlich unberührt, hat also nicht eine sog. materielle Konzentration zur Folge (vgl. König, in: Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012 Art. 59 Rn. 11). Im bayerischen Denkmalschutzrecht ist ausdrücklich in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DSchG geregelt, dass in einem ein Baudenkmal betreffenden Baugenehmigungsverfahren die materiellen Anforderungen des Denkmalschutzgesetzes gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DSchG zu berücksichtigen sind (vgl. König, in: Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, BayBO Art. 55 Rn. 16).

Danach bleibt das streitgegenständliche Vorhaben trotz formeller Konzentrationswirkung des Baugenehmigungsverfahrens materiell erlaubnispflichtig nach Art. 6 DschG. Die Voraussetzungen des Art. 6 DSchG sind daher weiterhin zu prüfen, lediglich formell nicht in einem denkmalschutzrechtlichen Erlaubnisverfahren, sondern im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens. Insoweit ist das streitgegenständliche Vorhaben weiterhin denkmalschutzrechtlich erlaubnispflichtig und ist nicht erlaubnisfrei zulässig.

V.

Die Klage hinsichtlich des Antrags zu V. (Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die LED-Videowall) ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).

Nach den vorstehenden Ausführungen stehen der streitgegenständlichen, gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftigen LED-Videowand, die ohne Einschränkungen hinsichtlich der Leuchtkraft, der Frequenz des Bildwechseln und im Hinblick auf die geplante Betriebszeiten beantragt wurde, sowohl Art. 8 Satz 1 und 3 BayBO wie auch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG entgegen, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO (vgl. vorstehend I.).

Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

VI.

Über den hilfsweise gestellten Antrag unter Ziffer VI. ist nicht zu entscheiden, da die innerprozessuale Bedingung – die rein denkmalschutzrechtlichen Erlaubnispflichtigkeit der Errichtung und des Betriebes der LED-Videowall – nicht eingetreten ist.

VII. Die Klagen sind folglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Abbruch eines Gebäudes, das im Bereich des Ensembles S.-straße liegt, einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis bedarf, und ob diese Erlaubnis ggf. zu erteilen ist.

Das Anwesen des Klägers befindet sich auf dem Grundstück FlNr. 179, Gemarkung P., in der F.-straße ... Das Haus steht seit 2007 leer. Im Dezember 2008 zeigte der Kläger die Beseitigung des Gebäudes an und beantragte gleichzeitig die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Gebäudes mit einer Grundfläche von 70‚13 m² und einer Wohnfläche von 130‚03 m².

Nach Einschätzung des vom Beklagten eingeschalteten Landesamts für Denkmalpflege sei das Gebäude F.-straße ... Bestandteil des Ensembles S.-straße. Das Ensemble‚ das sich vom alten P.er Ortskern in östlicher Richtung gegen den Fuß des W. im ansteigenden Gelände des S. ausdehne und dessen Hauptachse - dem Bachlauf des F. folgend - die S.-straße und in deren Verlängerung die F.-straße (ehemals: Obere Gasse) darstelle‚ sei geprägt von seiner weitgehend einheitlichen Bebauung aus der Zeit nach dem großen Flächenbrand von 1863. Beim zeitnah erfolgten Wiederaufbau der bäuerlichen Anwesen sei aus Brandschutzgründen die in Holzbauweise errichtete Bautradition aufgegeben worden. An ihrer Stelle seien nunmehr verputzte Bruchsteinbauten mit ziegelgedeckten Steildächern getreten. Die historische Bebauung der F.-straße bestehe aus einer dicht aneinander gereihten‚ dem offenen Bachlauf des F. folgenden Zeile giebelständiger Bauernhäuser. Einige davon besäßen noch Giebeltennen. Das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete Gebäude F.-straße ...‚ ein zweigeschossiger‚ giebelständiger Satteldachbau mit breitem Dachvorstand und verziertem Giebelschrot gehöre zu jenem einheitlichen‚ das Ensemble in besonderer Weise prägenden Wiederaufbau nach dem großen Flächenbrand von 1863. Wie in einer sekundären Vermauerung am straßenseitigen Giebel noch ablesbar‚ gehöre das Gebäude zu den bäuerlichen Anwesen mit Giebeltenne. Als prägender baulicher Bestandteil des Ensembles aus der Zeit des Wiederaufbaus und aufgrund seines besonderen geschichtlichen Zeugniswertes gehöre das weitgehend intakt überlieferte Gebäude zu den das Ensemble S.-straße konstituierenden Bauten. Das Gebäude sei sanierungsfähig. Aufgrund seiner besonderen Bedeutung für das Ensemble S.-straße bzw. seiner Eigenschaft als Ensemble konstituierender Bau müssten gegen den Abbruch des historischen Anwesens erhebliche denkmalpflegerische Bedenken erhoben werden. Ergänzend wurde darauf hingewiesen‚ dass das Ensemble S.-straße nach einer jüngst erfolgten Überprüfung durch Abbrüche und Neubauten bereits massive Verluste im historischen, das Ensemble prägenden Baubestand, erfahren habe‚ die den Denkmalwert reduziert hätten. Weitere erhebliche Verluste an historischem das Ensemble konstituierenden Baubestand würden zum Verlust der Denkmaleigenschaft des Ensembles nach Art. 1 Abs. 3 DSchG führen. Der Bau- und Umweltausschuss des Beklagten beschloss am 16. Februar 2009, das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag nicht zu erteilen. Am Schutz des Denkmalensembles S.-straße - wie aller anderen Denkmalensembles im Ortsbereich des Marktes - werde festgehalten.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Juni 2009 unter Wiedergabe der Ausführungen des Landesamts für Denkmalpflege den Antrag auf denkmalpflegerische Erlaubnis zum Abbruch des streitgegenständlichen Anwesens ab. Gewichtige Gründe sprächen für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes.

Auf Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid nach Einnahme eines Augenscheins aufgehoben und festgestellt‚ dass für die Beseitigung des Gebäudes eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht erforderlich sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Für den Abbruch des Gebäudes sei eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht notwendig‚ weil ein denkmalgeschütztes Ensemble im hier maßgeblichen Bereich mangels Vorhandensein eines Einzelbaudenkmals nicht mehr vorliege. Der entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 2009 sei aufzuheben‚ weil er in seiner Begründung ausdrücklich das Gegenteil bestimmt habe. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen‚ weil die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis in einer solchen Konstellation nicht möglich sei. Die Zurückstellung des Bauantrags durch den Beklagten sei zwar fragwürdig, da zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid beantragt werden könne, es spräche jedoch nichts dagegen, die Frage, ob das klägerische Gebäude unter Denkmalschutz stehe, isoliert zu klären. Gebäudemehrheiten‚ zu denen kein Einzelbaudenkmal (mehr) gehöre‚ könnten zwar aus Gründen der Ortsbildpflege erhaltenswert sein; im Sinn des Denkmalschutzgesetzes könnten sie jedoch kein Ensemble sein‚ und zwar auch dann nicht‚ wenn sie unter Beachtung eines historischen Stadt-‚ Platz- oder Straßengrundrisses errichtet worden seien. Wolle man auch Gebäudemehrheiten ohne herausragende Einzelobjekte als Ensemble ansehen‚ was mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht Einklang zu bringen sei‚ so würden alle Gebäudemehrheiten‚ die insgesamt ein erhaltungswürdiges historisches Ortsbild ausmachen‚ zu den Ensembles gehören. Damit wäre die Grenze zur Ortsbildpflege überschritten. Zumal bei größeren Ensembles werde man‚ auch wenn der Wortlaut des Gesetzes das nicht zwingend erfordere‚ im Hinblick auf das Ziel des Gesetzes‚ die Baukultur der Vergangenheit zu erhalten‚ fordern müssen‚ dass eine angemessene Zahl von Einzelbaudenkmälern vorhanden sei. Im gesamten Bereich der F.-straße sowie im weiteren Verlauf der vom F.platz abzweigenden R.-straße‚ S.-straße und der B...gasse befinde sich jedoch kein Einzelbaudenkmal mehr. Die am Ende der B...gasse befindlichen drei Einzelbaudenkmäler sowie das am Ende der S.-straße (Nr. ...) eingetragene Gebäude‚ das möglicherweise ein Einzelbaudenkmal sei‚ lägen so weit von der F.-straße entfernt und abgekoppelt von jeder Blickbeziehung, dass sie das Orts-‚ Platz- oder Straßenbild in der F.-straße nicht mehr beeinflussen könnten. Hinzu komme‚ dass weite Bereiche des Ensembles bereits neu gebaut oder jedenfalls die Gebäude so verändert worden seien‚ dass sie das Ensemble nicht mehr prägen würden. Die Frage, ob die Wirtschaftlichkeitsberechnung für den Nachweis der Unzumutbarkeit der Erhaltung des Gebäudes geeignet gewesen wäre, könne daher offen bleiben.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Für die Beseitigung des Gebäudes sei eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis erforderlich. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis‚ da gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen würden. Dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 DSchG könne nicht zwingend entnommen werden‚ dass mindestens eine der zu einem Ensemble gehörenden baulichen Anlagen ein Einzeldenkmal sein müsse. Art. 1 Abs. 3 DSchG verlange nur‚ dass das Orts-‚ Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltungswürdig sei. Dies lasse die Auslegung zu‚ dass nicht jede bauliche Anlage des Ensembles‚ sondern die baulichen Anlagen als Gesamtheit erhaltungswürdig sein müssten. Ausweislich der Kartierung des Landesamts für Denkmalpflege seien innerhalb des Ensembles S.-straße fünf bauliche Anlagen gemäß Art. 1 Abs. 2 DSchG als Baudenkmäler in die Denkmalliste eingetragen: Zwei Bauernhäuser (B...gasse ... und ...)‚ der A...brunnen (S.-straße)‚ der F.brunnen (F.platz) und eine Haustür (S.-straße ...). In drei Fällen (R.-straße ...‚ R.-straße ...‚ S.-straße ...) müsse die Denkmaleigenschaft der Bauten im Sinne des Art. 1 Abs. 2 DSchG noch geprüft werden. Bei 35 Gebäuden‚ vorwiegend ehemalige Bauernhäuser‚ sei eine Bausubstanz noch aus dem 19. Jahrhundert oder älter festzustellen. Diese Bauten seien als bauliche Anlagen mit besonderem Aussagewert ensemblekonstituierend und würden das Ensemble maßgeblich prägen. Der früher von den Anwohnern vielfach genutzte und heute zumindest noch in Teilbereichen offen geführte F.bach stelle einen weiteren Wert innerhalb des Ensembles dar. Das Landesamt für Denkmalpflege habe nach Einbindung des Landesdenkmalrats den Grund für die Anerkennung eines Denkmalensembles in der historischen, städtebaulichen und volkskundlichen Bedeutung des „Wiederaufbaus“ nach dem großen Brand im 19. Jahrhundert gesehen. Als prägender Bestandteil des Ensembles aus der Zeit des Wiederaufbaus und aufgrund seines besonderen geschichtlichen Zeugniswertes sei das weitgehend intakt überlieferte Gebäude eines der das Ensemble S.-straße konstituierenden Bauten. Auch ein Gebäude in einem Ensemble‚ das für sich genommen kein Denkmal sei‚ könne dann einen unverzichtbaren Bestandteil eines Ensembles bilden‚ wenn es die Geschichtlichkeit des Ortes und die Information über die früheren städtebaulichen Zusammenhänge unmittelbar verkörpere und so für die historische Erscheinungsweise des Ensembles von besonderer Bedeutung sei. Das Gebäude weise weder im statisch-konstruktiven noch in anderen Bereichen Schadensbilder auf‚ bei denen die Erhaltungsfähigkeit des Ensemblebaus in Frage gestellt wäre. Auch die an der rückwirkenden Giebelwand feststellbare Mauerfeuchte aufgrund des hier anstehenden Geländes könne im Rahmen einer Gesamtinstandsetzung des Anwesens beseitigt werden. Ein Abbruch sei aufgrund der besonderen Bedeutung des streitgegenständlichen Gebäudes für das Ensemble S.-straße nicht hinnehmbar. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten belege nicht die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Sanierung. Die vorliegende Kostenberechnung für die Sanierung des Bestandsgebäudes stelle sich aus denkmalfachlicher Sicht als überzogen dar und könne in wesentlichen Teilen nicht nachvollzogen werden.

Der Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Juli 2010 die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger, der nach der Berufungsbegründung des Beklagten Anschlussberufung eingelegt hat, beantragt‚

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen sowie die beantragte denkmalpflegerische Erlaubnis zum Abbruch des bestehenden Anwesens F.-straße ... zu erteilen, soweit festgestellt werde, dass eine solche Erlaubnis erforderlich sei.

Das Verwaltungsgericht habe zutreffend das Vorliegen eines schützenswerten Ensembles verneint und dementsprechend eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für die Beseitigung des klägerischen Gebäudes nicht für erforderlich gehalten. Im Bereich des Gebäudes des Klägers liege kein schützenswertes Ensemble mehr vor. Die schützenswerten Bereiche lägen so weitab, dass das Orts-‚ Platz- oder Straßenbild in der F.-straße von den Einzeldenkmälern nicht mehr beeinflusst werden könne. Der Straßenzug‚ in dem kein Einzeldenkmal mehr feststellbar sei‚ sei davon nicht geprägt. Weite Bereiche des behaupteten Ensembles seien neu gebaut oder die Gebäude so verändert‚ dass sie nicht mehr als prägend angesehen werden könnten. Der behauptete Ensembleschutz sei im Ergebnis nichts anderes als Ortsbildpflege und nicht Denkmalpflege. Die Einzeldenkmäler F.brunnen und A...brunnen seien nicht geeignet‚ die Ensembleeigenschaft im Bereich des Anwesens des Klägers zu begründen. Allein Lage und Ausgestaltung dieser beiden Einzeldenkmäler belegten‚ dass hier nur die Brunnenanlage selbst und eine darum herum gegebene spezielle Platzsituation angesprochen sei. Im Übrigen sei der im Jahr 1899 gestiftete F.brunnen nahezu vollständig erneuert worden, der Brunnentrog abgetragen und neu geschalt und betoniert worden, so dass ein vollständiger Neubau des Brunnens vorliege. Nur die Brunnensäule entspreche noch dem ursprünglichen Zustand. Damit habe der Brunnen seine Denkmaleigenschaft weitestgehend verloren. Die Festlegung eines Ensembleumfangs sei nur dann mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar, wenn die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 DSchG auch im Rahmen des Art. 1 Abs. 3 DSchG erfüllt seien. Nach den vom Beklagten erneut vorgelegten Unterlagen werde deutlich‚ dass in dem Bereich der F.-straße kein denkmalgeschützter Bereich mehr gegeben sei‚ und zwar weder unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines Einzeldenkmals‚ noch unter Ensemblegesichtspunkten. Die noch vorhandenen Einzeldenkmäler hätten keine Wirkung auf diesen Bereich mehr. Darüber hinaus sei das Gebäude des Klägers auch nicht erhaltensfähig‚ eine lediglich denkmalgerechte Instandsetzung des Gebäudes sei in wirtschaftlicher Hinsicht nicht zumutbar. Eine historische Struktur sei allenfalls noch hinsichtlich der Außenmauer überhaupt erkennbar. Im Inneren habe das Gebäude deutliche Umbauten und Veränderungen erfahren‚ vor allem aber sei der Bauzustand so‚ dass allenfalls noch geringe Restbestände des ehemals historischen Gebäudes erhalten bleiben könnten‚ wenn man lediglich eine Sanierung unter Denkmalschutzgesichtspunkten durchführe. Angesichts des massiven Schimmelbefalls auch der Außenwände sei bereits fraglich‚ inwieweit diese erhalten werden könnten‚ vor allem seien aber die Kosten‚ die dadurch entstünden, für den Kläger nicht tragbar. Die vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung belege dies überdeutlich. Die Erhaltung der historischen Holzbalkendecke sei nicht zumutbar, ebenso sei eine vollständige Neuerstellung des Dachtragwerks sowie des Balkons erforderlich. Im Hinblick auf die massive Schimmelbildung müsse auch der Außen- und Innenputz vollständig erneuert werden, da er mit bloßen Ausbesserungsmaßnahmen nicht zu beseitigen sei. Der Gutachter komme zu dem Ergebnis‚ dass bei einem Erhalt des Gebäudes mit einhergehender denkmalgeprägter Sanierung des Hauses Kosten entstehen würden‚ die aus den daraus erzielenden Einnahmen nicht gedeckt werden könnten.

Die Landesanwaltschaft Bayern unterstützt - ohne eigene Antragstellung - als Vertreter des öffentlichen Interesses den Antrag des Beklagten. Ihrer Ansicht nach sei das Anwesen Bestandteil des Ensembles S.-straße. Der Ensembleschutz zöge selbst dann eine Erlaubnispflichtigkeit einer Beseitigung des streitbefangenen Gebäudes gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1‚ Satz 3 DSchG nach sich‚ wenn ein für den Nähebereich des zur Beseitigung anstehenden Gebäudes relevantes Einzeldenkmal innerhalb des Ensembles nicht existiere. Ob ein Ensemble schutzwürdig sei‚ beurteile sich entscheidend danach, ob das Orts,- Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltungswürdig sei. Dafür könne einzelnen Denkmälern zwar Indizwirkung zukommen‚ konstitutive Voraussetzung sei deren Existenz indes gerade nicht. Diese Rechtsauffassung überschreite die Wortlautgrenze von Art. 1 Abs. 3 DSchG nicht, stehe mit den Erwägungen des historischen Gesetzgebers in Einklang und sei nach dem Sinn und Zweck des Ensembleschutzes zudem auch geboten. Unter Berücksichtigung dieser Gesetzeslage habe der Landesdenkmalrat in der Folge in der 109. Sitzung vom 18. Juli 1983 beschlossen, in Ausnahmefällen positive Voten für Ensembleeintragungen nicht davon abhängig zu machen, dass sich im Ensemble zumindest ein Einzelbaudenkmal befinde. Dabei sei insbesondere an die Plansiedlungen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts gedacht worden, deren Einzelbauten aufgrund der baulichen Qualität und Überlieferung in der Regel nicht die Bedeutungsschwelle eines Einzelbaudenkmals erreichen würden. Auch das streitgegenständliche Ensemble S.-straße sei im Übrigen Zeugnis eines planmäßigen Wiederaufbaus (nach dem Brand 1863), wobei hier - im Unterschied zu den genannten Plansiedlungen - ohnehin mehrere Einzelbaudenkmäler vorlägen. Beim Ensembleschutz komme es allein auf den Erhalt historischer Bausubstanz aufgrund der objektiven Bedeutung des Denkmals im Lichte der Tatbestandsmerkmale nach Art. 1 Abs. 1 DSchG an‚ während hingegen die Ortsbildpflege - unabhängig vom Vorhandensein historischer Bausubstanz oder geschichtlicher Zeugnisse - die Gestaltung eines ansprechenden‚ das ästhetische Empfinden der Bürger angenehm berührenden Erscheinungsbildes der bebauten Ortsteile sicherstellen wolle. Es komme nach dem Sinn und Zweck des Bayerischen Denkmalschutzrechts für den Ensembleschutz gerade nicht darauf an‚ ob und ggf. wie viele einzelne Baudenkmäler im Ensemble vorhanden seien. Der Denkmalwert eines Objekts sei nämlich auch dann zu bejahen‚ wenn sich die geschichtliche Bedeutung nicht unmittelbar aus sich selbst heraus visuell erschließe‚ es aber zusammen mit anderen Quellen einen optischen Eindruck von historisch bedeutsamen Gegebenheiten vermitteln könne. Dies lege schließlich auch der Dualismus der beiden alternativen Tatbestandsmerkmale in Art. 6 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 DSchG nahe‚ da die beiden Alternativen dieser Vorschrift („… wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann.“) ebenfalls das so vertretene Normverständnis von Art. 1 Abs. 3 DSchG stützen würden. Im Hinblick auf die im streitgegenständlichen Ensemble vorhandenen fünf in die Denkmalliste aufgenommenen Einzelbaudenkmäler sowie die 35 weiteren Gebäude mit besonderer‚ den Aussagewert des Ensemble bestimmender Wirkung‚ komme es‚ da die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zusätzlich postulierte „prägende Wirkung“ bzw. „Ausstrahlungswirkung“ der Einzeldenkmäler für das Ensemble im Bereich des streitgegenständlichen Gebäudes im Gesetz keine Stütze finde‚ entscheidend allein auf die Teilhabe des Gebäudes an einem erhaltenswerten optischen Gesamteindruck des Ensembles an. Die beiden zentral gelegenen Brunnen seien dabei bei der Bestimmung des Ensembleumfangs zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sei schließlich auch, dass das Denkmalschutzgesetz grundsätzlich auch Veränderungen an Einzelbaudenkmälern oder an Ensembles zulasse, ohne dass dies von vornherein zu einem Wegfall der Denkmaleigenschaft führen würde. Dieser grundsätzlichen „Offenheit“ des Denkmalschutzgesetzes für Veränderungen würde es widersprechen, wenn mit einem Wegfall der Denkmaleigenschaft eines zu einem Ensemble gehörenden Einzelbaudenkmals in jedem Fall zwingend die Ensembleeigenschaft entfallen würde, obwohl das historische Orts-, Platz- oder Straßenbild im Übrigen weiterhin erhaltungswürdig sei. Hier müsse in Ausnahmefällen der Erhalt der Ensembleeigenschaft möglich sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Wegen der beim Ortstermin am 21. April 2016 getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift mit der beigefügten Fotodokumentation verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, so dass über die hilfsweise gestellte Anschlussberufung des Klägers nicht zu entscheiden ist.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 2009, mit dem die denkmalschutzrechtliche Abbruchgenehmigung für das Gebäude F.-straße ..., FlNr. 179, Gemarkung P., versagt wurde, zu Recht aufgehoben. Für die Beseitigung des Gebäudes ist eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht erforderlich. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem in die Denkmalliste eingetragenen Ensemble S.-straße (noch) um ein Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 DSchG handelt (1.) ist jedenfalls das Gebiet im Bereich der F.-straße nicht (mehr) Teil des unterstellten Ensembles S.-straße (2.).

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG bedarf der Erlaubnis, wer ein Ensemble verändern will, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die Funktion des Genehmigungserfordernisses als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt erfordert dabei eine weite Auslegung des die Genehmigungspflicht auslösenden Tatbestands (OVG Berlin-Bbg, U. v. 21.2.2008 - 2 B 12.06 - BRS 73 Nr. 204; VGH BW, U. v. 27.6.2005 - 1 S 1674/04 - ÖffBauR 2005, 140). Ensembles genießen dabei den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler, ensembleprägende Bestandteile sollen grundsätzlich erhalten werden (BayVGH, U. v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - BayVBl 2008, 477). Der Schutzanspruch des Ensembles zielt insoweit allerdings stärker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist (BayVGH, U. v. 3.1.2008 a. a. O.).

1. Nach den beim Ortstermin getroffenen Feststellungen hat der Senat erhebliche Zweifel an der Ensemblequalität des in der Denkmalliste nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG unter der Aktennummer... (vgl. http://www.geodaten.bayern.de/Bayernatlas-klassik) eingetragenen Ensembles S.-straße, das sich nach den Ausführungen in der Denkmalliste durch eine einheitliche Bauweise auszeichnet, mit der den brandschutztechnischen Anforderungen nach dem großen Flächenbrand von 1863 Rechnung getragen wurde.

1.1 Ausgangspunkt der Erwägungen ist Art. 1 Abs. 3 DSchG. Danach kann zu den Baudenkmälern auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen (Ensemble) gehören, und zwar auch dann, wenn nicht jede einzelne dazugehörige bauliche Anlage die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, das Orts-, Platz- oder Straßenbild aber insgesamt erhaltungswürdig ist, wobei die Eintragung in die Denkmalliste dabei nur deklaratorische Bedeutung hat (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG). Zwar verlangt das Gesetz nicht, dass es sich um Gebäude mit den gleichen Stilmerkmalen handeln muss, da auch verschiedene, einander ausschließende, nicht abgeschlossene Planungen bzw. „willkürliche Zusammenhänge“ als Zeugnis früherer Entwicklungen zu einem erhaltenswerten Orts-, Platz- oder Straßenbild und damit zu einem Ensemble führen können (vgl. Eberl in Eberl/Martin/Spennemann, Bayer. Denkmalschutzgesetz, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 54). Jedoch bedarf es eines festzustellenden Funktionszusammenhangs oder eines gemeinsamen Grundprinzips, um den Gebäuden einen sich daraus ergebenden gesteigerten Zeugniswert für bestimmte geschichtliche Entwicklungen oder städtebauliche Gegebenheiten an einem Ort zu vermitteln (vgl. Martin in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 44).

Wie der Senat festgestellt hat, gibt es in dem in der Denkmalliste beschriebenen Gebiet, das neben der S.-straße auch die F.-straße, die R.-straße, die B...gasse und die ...-Straße umfasst, keine die Bauweise nach der Brandkatastrophe prägende Einzelbaudenkmäler. Denn unabhängig davon, ob der F.brunnen nach der dokumentierten baulichen Veränderung im Sockel noch ein (Einzel-)Denkmal darstellt (vgl. die Beschreibung in der Denkmalliste unter der Aktennummer ..., wonach das Denkmal die historisierende Bronzefigur des heiligen Florian auf hoher Mittelsäule inmitten eines Steinbeckens umfasst), stellen weder der F.brunnen sowie der A...brunnen, die in der Beschreibung des Ensembles S.-straße aufgeführt werden als besondere Akzentuierung des Straßenzugs S.-straße, noch die unter der Aktennummer ... aufgeführte neugotische Haustüre nach 1863 im Anwesen S.-straße ... das Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler dar. Auch die Anwesen B...gasse ... und ... die ebenfalls als Einzelbaudenkmäler unter der Aktennummer ... bzw. ... in die Denkmalliste eingetragen sind, vermögen das unterstellte Ensemble S.-straße nicht zu prägen. Die beiden Anwesen, die die landwirtschaftlichen Anwesen im Werdenfelser Land mit flachgeneigten, ehemals mit Holzschindeln gedeckten Dächern repräsentieren, sind Zeugnis der vor dem großen Brand Ende des 18. Jahrhunderts und in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts errichteten Bauernhäuser. Das gilt auch für das Gebäude S.-straße ..., das ebenfalls vor dem großen Brand errichtet wurde, im Übrigen aber wegen der Neuausführung von Erdgeschoss und erstem Obergeschoss seinen Status als Einzelbaudenkmal verloren hat. Die Gebäude in der B.-straße stellen ersichtlich den Vorbestand vor dem großen Brand dar, repräsentieren aber nicht die Bedeutung der einheitlichen Bebauung nach dem großen Brand von 1863 in den genannten Straßenzügen. Wie im Berufungsverfahren festgestellt, sind nach den Ausführungen des Vertreters des Landesamts für Denkmalpflege keine weiteren Einzelbaudenkmäler zu verzeichnen, insbesondere ergab die Überprüfung der Anwesen R.-straße Nr. ... und S.-straße Nr. ... keine Einstufung als Einzelbaudenkmäler.

1.2 Fehlt es aber an Einzelbaudenkmälern, die den Charakter des Ensembles prägen, so kommt der Rechtsfrage, ob Gebäudemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal (mehr) gehört, als Ensemble anzusehen sind, maßgebliche Bedeutung zu. Nach Auffassung des Senats setzt der Ensembleschutz das Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler voraus.

a) Ensembles stellen unzweifelhaft zentrale Bestandteile des Denkmalschutzgesetzes dar (Art. 1 Abs. 3 DSchG). Sie umfassen räumliche Gesamtheiten aus denkmalgeschützten Anlagen und Anlagen, die für sich genommen nicht als Denkmäler einzustufen sind, aber zusammen insgesamt ein erhaltungswürdiges Orts-, Platz- oder Straßenbild als Erscheinungsform tiefer liegender baulicher Qualitäten ergeben. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 DSchG beschreibt eine städtebauliche Situation, in der durch mehrere einzelne Gebäude, die nicht alle für sich Baudenkmäler sein müssen, eine Gesamtheit entstanden ist, die als Ganzes von geschichtlicher, künstlerischer, städtebaulicher, wissenschaftlicher oder volkskundlicher Bedeutung ist (vgl. BayOblG, B. v. 25.3.1993 - 3 ObOWi 17/93 - NVwZ 1994, 828). Obwohl dafür der optische Eindruck der Gesamtheit, also das ganzheitliche Erscheinungsbild, entscheidend ist, kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf das Vorliegen von das Ensemble prägenden Einzelbaudenkmälern verzichtet werden, da sich der Gesamteindruck auf die Mehrheit von Anlagen in einem Ensemble und das öffentliche Erhaltungsinteresse bezieht. Zudem formuliert Art. 1 Abs. 3 DSchG im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 DSchG und der Fiktion in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 DSchG, dass Ensembles zu den Baudenkmälern gehören können. Auch diese Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 2 DSchG spricht für die Annahme, dass in einem Ensemble eine nennenswerte Anzahl von Baudenkmälern nach Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 DSchG (sog. Einzelbaudenkmäler) vorhanden sein müssen. Gebäudemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal mehr gehört, können zwar aus Gründen der Ortsbildpflege erhaltenswert sein, sie sind aber keine Ensemble mehr, und zwar selbst dann nicht, wenn sie unter Beachtung eines historischen Stadt-, Platz- oder Straßengrundrisses errichtet wurden (vgl. dazu Martin in Martin/Krautzberger, a. a. O. Rn. 49; Eberl in Eberl/Martin/Spennemann, a. a. O. Art. 1 Rn. 54, 54a, 56). Dieses am Wortlaut orientierte Verständnis findet sich auch in der Rechtsprechung wieder (vgl. BayOblG, B. v. 25.3.1993 a. a. O.; BayVGH, B. v. 22.1.2014 - 1 ZB 11.2164 - juris Rn. 3; B. v. 29.7.2013 - 14 ZB 11.398 - juris, Rn. 3; B. v. 12.12.2012 - 15 ZB 11.736 - juris Rn. 5; U. v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - a. a. O.; U. v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris Rn. 18; BVerwG, U. v. 22.2.1980 - IV C 44.76 - juris Rn. 17, das zwar im Zusammenhang mit dem ortsrechtlichen Verbot zur Lichtreklame steht, aber zum Indiz des Ensembleschutzes für die Einheitlichkeit der historischen Altstadt ausführt und es dabei genügen hat lassen, dass die Altstadt von einigen künstlerisch wertvollen Gebäuden geprägt wird und insgesamt den Charakter einer mittelalterlichen Stadt bewahrt hat; BayVGH, B. v. 9.12.2011 - 15 ZB 09.3143 - juris Rn. 12, der ebenfalls im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage auf das vorstehende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Bezug nimmt).

b) Dagegen überzeugt das Argument des Beklagten, dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 DSchG könne nicht zwingend entnommen werden, dass mindestens eine der zu einem Ensemble gehörenden baulichen Anlagen ein Einzeldenkmal sein müsse, vielmehr nur erforderlich sei, dass das Orts-, Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltungswürdig sei, im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen unter Buchst. a) nicht. Gleichermaßen ist der von dem Beklagten weiter gezogene Rückschluss auf eine in der 109. Sitzung des Landesdenkmalrats vom 18. Juli 1983 getroffene Entscheidung, in Ausnahmefällen positive Voten für Ensembleeintragungen nicht davon abhängig zu machen, dass sich im Ensemble zumindest ein Einzelbaudenkmal befindet, was ein Beleg für die weite Auslegung des Art. 1 Abs. 3 DSchG sei, nicht überzeugend. Unabhängig von der Stellung des Landesdenkmalrats nach Art. 14 DSchG zeigt auch die Formulierung „in Ausnahmefällen“, dass in einem Ensemble notwendigerweise zumindest ein Einzelbaudenkmal vorhanden sein muss und der Ensembleschutz nicht von Anfang an als selbstständige Kategorie neben dem Schutz von Einzelbaudenkmälern verstanden wurde. Bereits in den Empfehlungen vom 19. April 1977 im Zusammenhang mit Baumaßnahmen (IMS Nr. II B 4-9130-22, veröffentlicht in Simon/Busse Anhang 422) führt der Landesdenkmalrat zu den charakteristischen Merkmalen eines Ensembles unter Nr. 1.1.1 „Städtebauliche Struktur“ aus, dass dazu u. a. auch das Straßenschema, die Viertelsbildung, die Maßstäblichkeit der Bebauung sowie das Verhältnis der Baumassen zueinander, zu herausragenden Baudenkmälern und Blickpunkten und zu charakteristischen Vegetationsbereichen zählen und stellt damit ersichtlich darauf ab, dass in einem Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler vorhanden sein müssen.

c) Eine Auslegung des Art. 1 Abs. 3 DSchG, wonach bauliche Anlagen als Gesamtheit (im Sinn von „nicht jede für sich“) erhaltungswürdig sind, kann aber auch nicht der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs-7/2033 vom 14.2.1972, Seite 9) entnommen werden. Darin wird wie folgt zu Art. 1 Abs. 2 DSchG (jetzt Art. 1 Abs. 3 DSchG) ausgeführt: „(...) Im Einklang mit den in vielen europäischen Ländern zu beobachtenden Bestrebungen des Denkmalschutzes, nicht nur einzelne Gebäude zu erhalten, die gelegentlich inmitten von lauter modernen Neubauten wie Fremdkörper wirken können, sondern durch Erhaltung von Häusergruppen, von Straßenzügen und Plätzen ein besseres Abbild der Geschichte zu geben, legt Art. 1 Abs. 2 fest, dass auch eine Mehrheit von Gebäuden ein Baudenkmal sein kann (Ensembleschutz). Baudenkmal ist hier nicht oder jedenfalls nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern ein Platz oder eine Straße. (…)“. Anhaltspunkte dafür, dass der angestrebten Unterschutzstellung von Häusergruppen, Straßenzügen und Plätzen - unabhängig von der Frage, wie viele Einzelbaudenkmäler in einem Ensemble vorhanden sein müssen - ein gänzlicher Verzicht auf das Vorhandensein eines Einzelbaudenkmals entnommen werden könnten, liegen nicht vor.

d) Die von dem Beklagten in den Blick genommen Auslegung orientiert sich vielmehr an der in anderen Bundesländern aufgrund von anderslautenden Gesetzesbestimmungen festgelegten Unterschutzstellung von Siedlungen ohne herausragendes Einzeldenkmal als Ensemble (vgl. dazu Eberl in Eberl/Martin/Spennemann, a. a. O. Art. 1 Rn. 54, 54a, 56 m. w. N. sowie die Formulierungen in § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 19 DSchG Baden-Württemberg, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Brandenburg, § 4 Abs. 3 Satz 1 DSchG Hamburg, § 2 Abs. 3 Satz 1 DSchG Mecklenburg-Vorpommern, § 3 Abs. 3 Satz 1 DSchG Niedersachsen, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 5 DSchG Rheinland-Pfalz, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Saarland, § 1 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 21 DSchG Sachsen und § 2 Abs. 3 Nr. 3 DSchG Schleswig-Holstein). Von dieser Möglichkeit ausdrücklich zu bestimmen, dass ein Emsemble auch dann vorliegt, wenn kein oder nicht jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt, hat der bayerische Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht.

Dem steht nach Auffassung des Senats auch nicht die vom Oberverwaltungsgericht Hamburg in der Entscheidung vom 16. Mai 2007 (2 Bf 298/02 - NVwZ-RR 2008, 300) zu § 2 Nr. 2 DSchG vom 3. Dezember 1973 (HbgGVBl S. 466) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 25. Juni 1997 (HbgGVBl S. 267) vorgenommene Auslegung entgegen, wonach die geschichtliche Bedeutung eines Ensembles nicht voraussetze, dass zumindest einem seiner Bestandteile für sich genommen diese Eigenschaft zuerkannt werden könne. Nach dieser Vorschrift werden als Denkmäler (auch) Mehrheiten von unbeweglichen Sachen geschützt, zusammen mit ihrem Zubehör und ihren Ausstattungen und den mit ihnen verbundenen Garten- und Parkanlagen (Ensemble), zu denen auch städtebauliche Einheiten, insbesondere kennzeichnende Straßen-, Platz- und Quartiersbilder gehören können, wobei nicht erforderlich ist, dass jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt. Unabhängig davon, dass bereits die Formulierung in § 2 Nr. 2 DSchG i. d. F. vom 3. Dezember 1973 abweichend von der Formulierung im Bayer. Denkmalschutzrecht in Art. 1 Abs. 3 DSchG darauf abstellt, dass gerade nicht (mindestens) ein Denkmal vorhanden sein muss, stellt das Gericht in seiner Entscheidung zutreffend auf die (mit den Bayer. Denkmalschutzrecht nicht vergleichbare) Historie des Hamburger Denkmalschutzgesetzes ab, indem es ausführt, dass die Ursprungsfassung des § 2 DSchG i. d. F. vom 3. Dezember 1973 weder diese noch eine vergleichbare Formulierung enthielte und nach der Begründung des damaligen Gesetzesentwurfs (Bü-Drs. VII/2883 Seite 9) die Unterschutzstellung von Gebäudegruppen und Gesamtanlagen unabhängig davon sei, ob sich unbewegliche Denkmäler darin befänden. Mit der durch das Gesetz zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 25. Juni 1997 bewirkten Neugliederung der Gegenstände des Denkmalschutzes in § 2 DSchG habe der Gesetzgeber eine Orientierung an der Systematik und den Begriffsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eine Vereinfachung der Definitionen und eine Vermeidung zuvor aufgetretener Abgrenzungsschwierigkeiten bezweckt. Anhaltspunkte dafür, dass zugleich die Voraussetzungen für den Ensembleschutz verschärft hätten werden sollen, seien den Materialien nicht zu entnehmen (vgl. OVG Hamburg, U. v. 16.5.2007 a. a. O.). Damit verbunden ist ausweislich des Hamburgischen Denkmalschutzgesetzes i. d. F. vom 5. April 2013 die nunmehr geltende Formulierung in § 4 Abs. 3 Satz 1 DSchG, wonach ein Ensemble ein Mehrheit baulicher Anlagen (…) ist, und zwar auch dann, wenn kein oder nicht jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt.

e) Ferner ist nach Auffassung des Senats auch in den Blick zu nehmen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG - der mit Wirkung vom 1. August 2003 in das Denkmalschutzgesetz eingefügt wurde (vgl. GVBl S. 475) - die Erlaubnispflicht einer Veränderung baulicher Anlagen, die für sich genommen kein Baudenkmal sind, davon abhängt, dass die Veränderung sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2012 - 15 ZB 11.736 - juris Rn. 3). Diese Regelung dient zwar der Verwaltungsvereinfachung und sollte insbesondere für Nicht-Baudenkmäler in Ensembles die bis dahin grundsätzlich auch bei baulichen Änderungen im Inneren dieser Gebäude bestehende Genehmigungsbedürftigkeit entfallen lassen, sie lässt im Übrigen aber die Genehmigungsbedürftigkeit im Ensemble unverändert (vgl. LT-Drs. 14/12042 S. 4). Das Erscheinungsbild des Ensembles wird aber durch das erhaltungswürdige Orts-, Platz- oder Straßenbild geprägt (Art. 1 Abs. 3 DSchG), das wiederum nicht nur aus einzelnen Teilen baulicher Anlagen wie Fronten und/oder Giebeln besteht, sondern aus einem Gesamteindruck (vgl. Eberl in Eberl/Martin/Spennemann a. a. O. Art. 1 Rn. 61). Auch das spricht gewichtig dafür, dass das Anliegen des Denkmalschutzes, die Substanz der Objekte zu erhalten, nur dann zu rechtfertigen ist, wenn Einzelbaudenkmäler das Ensemble als Ganzes maßgeblich prägen.

Diese vom Senat für zutreffend gehaltene Auslegung des Art. 1 Abs. 3 DSchG orientiert sich schließlich auch an dem vom Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG angeordneten Substanzschutz, der in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 103 BV zu bringen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Denkmalschutz einen hohen Stellenwert eingeräumt, zugleich aber eine ausreichende Berücksichtigung der Eigentümerbelange gefordert (vgl. BVerfG, B. v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226). Die Lösung von Konfliktfällen erfolgt im Erlaubnisverfahren anhand der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG. Danach kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Zwar gilt die Regelung ihrem Wortlaut nach nur für die auf einzelne Baudenkmäler bezogenen Fälle des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 DSchG, doch ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch für den in dieser Regelung nicht genannten Fall der Erlaubnis zur Ensembleveränderung ebenfalls eine Versagungsmöglichkeit vorsehen wollte (vgl. dazu BayVGH, B. v. 12.12.2012 - 15 ZB 11.736 - juris Rn. 5). Wäre es Absicht des Gesetzgebers gewesen, das Bestehen eines Ensembles auch ohne ein Einzelbaudenkmal anzunehmen, hätte es nahegelegen, in Art. 6 Abs. 2 DSchG eine gesonderte Regelung für die Veränderung eines Gebäudes, das selbst kein Baudenkmal ist, jedoch Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles hat (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG), vorzusehen, um eine unverhältnismäßige Belastung der Eigentümer von Nicht-Baudenkmälern zu vermeiden, die aus der pauschalen Forderung nach Substanzerhaltung resultieren kann.

2. Letztlich kann aber die Ensemblequalität des Gebiets im streitgegenständlichen Verfahren dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist die F.-straße, in der sich das Gebäude des Klägers befindet, ersichtlich nicht (mehr) Teil des Ensembles S.-straße, dessen Schutzbedürftigkeit nach Art. 1 Abs. 3 DSChG zugunsten des Beklagten unterstellt wird. Der beabsichtigte Abbruch des Gebäudes bedarf daher keiner Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG.

2.1 Das Gebäude F.-straße ... erfüllt unstreitig nicht die Voraussetzungen, die es selbst zu einem Baudenkmal im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 DSchG qualifizieren würden.

2.2 Darüber hinaus ist das Gebäude auch - unabhängig von der vorliegend unter Nr. 1. thematisierten Rechtsfrage - nicht Teil des unterstellten Ensembles S.-straße. Insoweit fehlt es im Bereich der F.-straße ersichtlich an ausreichender historischer Bausubstanz, die das unterstellte Ensemble prägen könnte. Das Verwaltungsgericht ist somit im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass im maßgeblichen Bereich der F.-straße ein denkmalgeschütztes Ensemble nicht mehr vorliegt. Dabei hat es angesichts des flächenmäßig großen Ensembles S.-straße zutreffend für die Beurteilung der denkmalschützerischen Aspekte auf den Nahbereich um das klägerische Anwesen und damit auf die F.-straße abgestellt (vgl. BayVGH, B. v. 29.7.2013 - 14 ZB 11.398 - juris Rn. 3; U. v. 11.1.2011 - 15 B 10.212 - juris 31).

Ohne dass es dabei auf die vom Verwaltungsgericht angeführte fehlende Prägung der F.-straße durch die Einzelbaudenkmäler B...gasse ... und ... ankommt, da die Tatsache, dass insoweit kein Blickkontakt besteht, grundsätzlich den historischen Bezug des Gebäudes zum Ensemble und seine Funktion für dieses nicht entfallen lässt (vgl. BayVGH, U. v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris Rn. 19), ist nach den vom Senat im Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen im Bereich der F.-straße keine historische Bausubstanz mehr vorhanden, die das Ensemble prägen könnte. Ein insoweit erhaltungswürdiges Ort-, Platz- oder Straßenbild als ein Zeugnis geschichtlicher Ereignisse ist im Bereich der F.-straße nicht mehr vorhanden.

Ein Einzelbaudenkmal ist im Bereich der F.-straße selbst nicht vorhanden. Auch im Übrigen ist die F.-straße, in der zwar einzelne historische Bauten saniert wurden (vgl. Niederschrift vom 21. April 2014 - Hausnummern ... und ...), im Gegensatz zu den Bereichen ...t...-Straße, B...gasse sowie R.-straße, die durchgehend noch historische Bausubstanz aufweisen, maßgeblich geprägt von Neubauten (vgl. Niederschrift vom 21. April 2014 - Hausnummern ... und die Nebengebäude gegenüber Nr. ...) bzw. von einem sanierten historischen Bau direkt neben dem Gebäude des Klägers, der sich insbesondere aufgrund der erkennbaren Erhöhung des Kniestocks nicht von einem Neubau unterscheidet (vgl. Niederschrift vom 21. April 2014 - Hausnummer ...). Auch der Blick in die F.-straße aus westlicher Sicht vom F.platz aus ist geprägt durch den Neubau R.-straße ... sowie die Gebäude F.-straße ... und ..., die - im Gegensatz zu den sonstigen giebelständigen Gebäuden in der F.-straße - traufseitig errichtet sind. Auch die Neubauten in dem Bereich R.-straße ... und ..., die zwar jenseits des F.bachs stehen, die F.-straße jedoch wesentlich prägen, stehen nur teilweise giebelständig zur F.-straße hin, wie das für die historische Bauweise kennzeichnend ist.

Da jedenfalls im Bereich der F.-straße keine ausreichende historische Bausubstanz mehr vorhanden ist, kommt es ungeachtet der vom Beklagten nicht zu beanstandenden Zielrichtung, im Ensemble - im Gegensatz zu der bisherigen Handhabung - möglichst alle relevanten Gebäude mit historischer Substanz zu erhalten, für den Fortbestand des unterstellten Ensembles S.-straße nicht mehr auf den Erhalt des streitgegenständlichen Gebäudes des Klägers an.

3. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob das Gebäude des Klägers erhaltungsfähig ist und ob nach Sanierung eine sinnvolle und wirtschaftlich vertretbare Nutzung möglich ist. Auch über die Anschlussberufung des Klägers ist nicht zu entscheiden, weil sie nur für den Fall erhoben worden ist, dass für den Abbruch eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis erforderlich ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, weil sein Rechtmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Senat geht in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung von einem Streitwert in Höhe von 10.000 Euro aus (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. August 2011 wird geändert. Die Klage gegen den Bescheid der Stadt Augsburg vom 1. Juli 2010 wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Am 16. Februar 2010 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbetafel („TopLux“) an der straßenseitigen Außenwand einer flach überdachten Tiefgarageneinfahrt auf dem Grundstück FlNr. .../... der Gemarkung O. im Ortsteil K. der Beklagten. Die Wand, an der das Vorhaben rund 0,20 m oberhalb des unmittelbar vorbeiführenden Gehwegs angebracht werden soll, ist circa 7,00 m lang und 2,63 m hoch. Die aus drei Aluminiumblech-Segmenten bestehende Werbetafel selbst ist knapp 2,84 m hoch und etwas über 3,86 m breit; der auf allen vier Seiten zu öffnende, an den Ecken abgerundete Aluminiumrahmen ist circa 0,12 m tief; diese Konstruktion kann nach den Bauvorlagen mit oben und unten angebrachten Wandhaltern, zu deren Bautiefe keine konkreten Angaben gemacht wurden, an einer Mauer oder Wand befestigt werden. Auf der Oberseite soll die Tafel mit einer 3,46 m langen und insgesamt ab deren (wohl auf der Rückseite der Tafel angebrachten) Befestigungslaschen an zwei Auslegern rund 0,55 m auskragenden Beleuchtungsleiste (insgesamt 72 Watt Lampenleistung) versehen werden.

Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 1. Juli 2010 ab. Die Plakatanschlagtafel sei in der als faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO) einzustufenden näheren Umgebung bauplanungsrechtlich grundsätzlich unzulässig und könne auch nicht ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb zugelassen werden. Am Aufstellungsort würde sie direkt auf die auf der anderen Seite der N. Straße befindliche Wohnbebauung wirken, in gewerblicher Hinsicht sei das Umfeld durch dem Pietätsbereich zuzuordnende Nutzungen geprägt, die durch ein zurückhaltendes Auftreten im Straßenraum und fehlende Betriebsamkeit gekennzeichnet seien. Daneben stehe die Tafel im Widerspruch zu Art. 18 BayStrWG und zu der gemäß Art. 22a BayStrWG erlassenen Satzung über Straßensondernutzungen in der Stadt Augsburg (SNS) i. d. F. v. 1. Januar 2002. Das Vorhaben werde um die 0,16 m in den Straßenraum hineinragen. Eine Sondernutzungserlaubnis könne nicht erteilt werden, da die Anbringung der Werbetafel zu einer Verunstaltung des Aufstellungsortes selbst und des Orts- bzw. Straßenbildes in der näheren Umgebung i. S. v. Art. 8 BayBO führen würde. Dieses Bild werde vom benachbarten Friedhofsgelände, dessen straßenseitige, zwischen 1,78 m und 2,13 m hohe Einfriedungsmauer circa 1,60 m südlich vom Vorhaben beginne, sowie von Wohnbebauung bestimmt. Die Garageneinfahrtswand, an der sie angebracht werden solle, würde das Vorhaben um 0,67 m überragen.

Mit Urteil vom 4. August 2011 hob das Verwaltungsgericht Augsburg den ablehnenden Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Bauantrag unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu verbescheiden. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspreche das maßgebliche Quartier auf der Ostseite der N. Straße zwischen der Dr. D... Straße im Norden und der U. Straße im Süden einem Mischgebiet i. S. d. § 6 BauNVO, in dem die geplante Werbeanlage als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 34 Abs. 2 Halbs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig sei. Das Vorhaben wirke auch wegen seiner Größe nicht besonders aufdringlich und dominiere seine Umgebung städtebaulich nicht so sehr, dass es als eine das Wohnen wesentlich störende Anlage angesehen werden könne. Von den auf der Ostseite der N. Straße gelegenen Häusern aus könne die Werbetafel gar nicht eingesehen werden, sie wirke allein auf Betrachter, die sich im Straßenraum bewegten. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 21 Satz 1 BayStrWG sei über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, die hier - unabhängig von einer in der städtischen Satzung mit 0,15 m angesetzten Bagatellgrenze - jedenfalls wegen des um mindestens 0,55 m in den Straßenraum hineinragenden Beleuchtungselements erforderlich sei, im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu entscheiden. Dabei habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Bei der Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen sei die Ermessensbetätigung auf solche Kriterien beschränkt, die in sachlichem Zusammenhang mit der Straße, ihrer Funktion und ihrem Widmungszweck stehen; übergeordneter Gesichtspunkt sei die Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, nur vereinzelt könne auch auf städtebauliche, baupflegerische oder denkmalschützerische Belange abgestellt werden. Rein bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte ohne jeden straßenrechtlichen Bezug dürften bei der Interessenabwägung nicht in den Blick genommen werden. Im Übrigen sei die Kammer der Auffassung, dass sich die Plakatanschlagtafel nicht zuletzt deswegen, weil in der näheren Umgebung keine vergleichbaren Objekte vorzufinden seien, nicht als verunstaltend darstellen würde. Der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung (BayVGH, U. v. 24.5.2011 - 1 B 1.369 - juris) letztlich ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung, eine Baugenehmigung könne schon deswegen nicht erteilt werden, weil eine Sondernutzung nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG nur auf Zeit oder auf Widerruf erlaubt werden dürfe, könne die Kammer nicht folgen. Denn dann könnte nach der Einführung der Verfahrenskonzentration zum 1. Januar 2008 in derartigen Fällen praktisch nie eine Bauerlaubnis erteilt werden. Bei der Neubescheidung werde die Beklagte ihre Entscheidung über die Erlaubnis einer Sondernutzung in erster Linie an den Auswirkungen des Vorhabens auf die widmungsgemäße Nutzung der N. Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlicher und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren haben.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte (sinngemäß),

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. August 2011 zu ändern und die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juli 2010 abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe bei der Abgrenzung der maßgeblichen näheren Umgebung außer Acht gelassen, dass der mit einer steinernen Mauer von 65 m Länge eingefriedete, 2,13 ha große Friedhof den Bebauungszusammenhang auf der Ostseite der N. Straße unterbreche und in den nördlich und südlich davon gelegenen Bereichen jeweils Nutzungen vorhanden seien, die nur in unterschiedlichen Baugebieten zulässig seien. Der Betrieb des an der Kreuzung mit der U. Straße ansässigen Clubs sei wegen seiner überregionalen Besucherstruktur und der vom Parkplatzsuchverkehr ausgelösten Störungen nur in einem Mischgebiet möglich. Die nördlich des Friedhofs in der Nähe des Standorts der streitgegenständlichen beleuchteten Werbeanlage vorhandenen Nutzungen (Bestattungsunternehmen, Blumengeschäft, Friseurladen, Gaststätte, Tankstelle, Versicherungsbüro) seien in einem allgemeinen Wohngebiet entweder regelhaft (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) oder ausnahmsweise (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 und 5 BauNVO) bzw. als freiberufliche Nutzung (§ 13 BauNVO) zulässig; ansonsten befinde sich dort nur Wohnbebauung. Seitens der Beklagten würden Baugenehmigungen für Werbeanlagen im öffentlichen Straßengrund widerruflich und/oder auf Zeit sowie unter Bedingungen und Auflagen erteilt. Die vom Verwaltungsgericht geübte Kritik an dem Kriterienkatalog, auf den die Beklagte dabei zurückgegriffen habe, gehe vor dem Hintergrund der den Bauaufsichtsbehörden von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumten Ablehnungsbefugnis im Ergebnis ins Leere. Auch für Werbeanlagen auf öffentlichen Verkehrsflächen gälten die allgemeinen baugestalterischen Anforderungen des Verunstaltungsverbots, dessen Verletzung im Bescheid vom 1. Juli 2010 bereits festgestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag. Sie hält abweichend vom Urteil des 1. Senats vom 24. Mai 2011 (Az. 1 B 11.369 - juris) eine gänzliche Versagung der Baugenehmigung unter Verweis auf Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG für unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung des Bescheids vom 1. Juli 2010 zur Neubescheidung verpflichten dürfen. Die Beklagte hat den Bauantrag für die Errichtung der beleuchteten Werbetafel im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 BayBO). Das Vorhaben ist aus bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zulassungsfähig.

1. Die streitgegenständliche Werbetafel für Außen-Fremdwerbung ist eine eigenständige Hauptnutzung im Sinn des Bauplanungsrechts (BVerwG, U. v. 3.12.1992 -4 C 27/91 - BVerwGE 91, 234 = juris Rn. 13 bis 18 und 24 bis 27). Dessen Anwendung auf den vorliegenden Bauantrag wird nicht dadurch ausgeschlossen oder eingeschränkt, dass die Anlage, von Befestigungsteilen in der Wand, an der sie angebracht werden soll, abgesehen, zur Gänze im öffentlichen Straßenraum verwirklicht werden soll, der für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 16). Einerseits zeigt nicht nur der vorliegende Fall, dass der vom Bundesverwaltungsgericht - in anderem Zusammenhang - apodiktisch formulierte Satz gerade bei Werbeanlagen, aber beispielsweise auch bei Freischankflächen oder Werbevitrinen auf Gehsteigen oder in Fußgängerzonen zahlreiche Ausnahmen erfährt. Die zitierte Aussage stellte daneben aber auch nicht die Geltung des Bauplanungsrechts für einen bestimmten Fall in Frage, sondern zog - und insoweit offenkundig in Anwendung materiellen Planungsrechts -aus der prinzipiellen Unbebaubarkeit von Verkehrsflächen nur den Schluss, dass diese zur Klärung der Frage, welche Prägung die nähere Umgebung besitzt, nichts beitragen können und deshalb grundsätzlich nicht zur näheren Umgebung im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB gehören. Die Bayerische Bauordnung macht ihre grundsätzliche Geltung auch für ortsfeste Anlagen der Wirtschaftswerbung im Übrigen ebenfalls nicht von deren Aufstellungsort abhängig, vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO.

2. In einem Bauleitplan festgesetzte Baugrenzen sind von allen baulichen Anlagen, damit auch von Werbeanlagen, einzuhalten (BVerwG, U. v. 7.6.2001 - 4 C 1/01 -NVwZ 2002, 90 = juris Ls 2 und Rn. 11 bis 17). In einem, hier unstreitig gegebenen, unbeplanten Innenbereich muss sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, zur Konkretisierung dieser Anforderungen kann auf die Bestimmungen des § 23 BauNVO zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 25.4.2005 - 1 CS 04.3461 - juris Rn. 15 ff.). Die nähere Umgebung ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen (BVerwG, B. v. 13.5.2014 - 4 B 38/13 - ZfBR 2014, 574 = juris Ls 1 und Rn. 7). Der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstückfläche maßgebliche Bereich ist in der Regel enger zu ziehen als derjenige für die Ermittlung der zulässigen Art der Nutzung (BayVGH, B. v. 25.4.2005 a. a. O. Rn. 18; BVerwG, B. v. 13.5.2014 a. a. O. Rn. 8).

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass der von der Klägerin für ihr Vorhaben gewählte Standort bauplanungsrechtlich nicht zulässig ist. Der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche entscheidende Bereich beschränkt sich auf den geplanten Anbringungsort der Werbetafel und die in nordnordwestlicher Richtung auf der Ostseite der N. Straße bis zu deren Kreuzung mit der Dr. D... Straße befindlichen Grundstücke. Dieser Bereich ist etwas über 160 m lang und umfasst sechs verschiedene, jeweils mit Hauptgebäuden bzw. Zapfsäulenanlagen entlang der Straße bebaute Grundstücke. Den Lageplänen und Farbfotos in den Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass das Erscheinungsbild des südlich hieran anschließenden Teiles der straßenbegleitenden Bebauung auf einer Länge von rund 67 m von der grenzständigen, zwischen 1,78 m und 2,13 m hohen steinernen Mauer des katholischen Friedhofs K. bestimmt wird. Auf den letzten circa 55 m bis zur Kreuzung mit der U. Straße folgt - nur noch - das in Nord-Süd-Richtung angeordnete und damit in spitzem Winkel zur N. Straße stehende und mit seiner Südwestecke bis an die Straße heranreichende Gebäude des „S.-Club“. Die wertende Betrachtung der gesamten Straßenfront ergibt, dass es für die Beurteilung der überbaubaren Grundstücksfläche mit der verfahrensgegenständlichen Hauptnutzung lediglich auf den eingangs beschriebenen, nördlich des Friedhofs gelegenen Teil entlang der N. Straße ankommt, schon weil der Friedhof insoweit eine optisch markante Zäsur im baulichen Erscheinungsbild darstellt. In dem danach maßgeblichen Abschnitt bleibt die maßstabsbildende (vgl. BVerwG, B. v.2.8.2001 -4 B 26/01 - BauR 2002, 277 = juris Rn. 5; BayVGH, B. v. 23.4.2002 - 20 B 03.3002 -NVwZ-RR 2005, 391 = juris Rn. 13/14) Bebauung mit Hauptgebäuden durchgängig um mindestens rund 3 m vom Straßengrundstück zurück. Unmittelbar an der Grenze zum Gehweg befinden sich hier unter anderem Pflanzbeete (FlNr. .../...), eine dichte Hecke (FlNr. .../...) und eine baumbestandene Wiese (FlNr. .../...). Auch wenn es im vorliegenden Zusammenhang hierauf nicht ankommt, lässt sich feststellen, dass selbst die rechtwinklig zur Straße stehenden Hinweisschilder (Preise/Shop/Wäsche/Reifen) auf dem Gelände der Tankstelle (FlNr. .../... und /11)) erst deutlich hinter dem Gehsteigrand beginnen. Daraus folgt, dass sich aus der in der Umgebung vorhandenen Bebauung eine vordere Baugrenze (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) ablesen lässt. Für die Unzulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB reicht es aus, dass dieses sich hinsichtlich eines der Maßstäbe - hier: nach der überbaubaren Grundstücksfläche - nicht einfügt (BVerwG, B. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 - BauR 1999, 233 = juris Ls 2 und Rn. 10 zu einem Zurückspringen hinter eine faktische vordere Baulinie). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Zulassung des in der Umgebung vorbildlosen Vorhabens einen Ansatz für nachfolgende vergleichbare Bauwünsche, etwa auf dem Gelände der Tankstelle oder am straßennahen Rand der Wiese auf der FlNr. .../... bieten und deshalb zu „städtebaulichen Spannungen“ führen würde (vgl. BVerwG, U. v. 26.5.1978 - 4 C 9/77 - BVerwGE 55, 369 = juris Ls 9 und Rn. 45 bis 47). Nur zur Klarstellung sei angemerkt, dass dieses Ergebnis nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass es für den Standort einer Werbetafel im öffentlichen Verkehrsraum, weil dieser Bereich als solcher für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B. v.11.2.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 16, siehe bereits oben) regelmäßig auch keine faktischen Bauraumbegrenzungen geben kann. Es liegt auf der Hand, dass das im vorliegenden Fall als entscheidungserheblich festgestellte Herausfallen des Vorhabens aus den auf den Baugrundstücken entlang der Straße von maßstabsbildender Bebauung eingenommenen Flächen nicht dadurch relativiert oder beseitigt werden kann, dass die Anlage darüber hinaus auch noch jenseits der Grenze eines anliegenden privaten Grundstücks in den Luftraum einer öffentlichen Verkehrsfläche hineinreichend geplant ist. Dieser Umstand mag in diesem und in vergleichbaren Fällen - wenn überhaupt - allenfalls zusätzlich zulasten des Vorhabens ins Gewicht fallen.

3. Das Vorhaben verstößt auch gegen das Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 1 BayBO. Danach müssen bauliche Anlage nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Verunstaltung ist erfüllt, wenn die zur Prüfung stehende Anlage das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters nicht nur beeinträchtigt, sondern verletzt (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Mai 2014, Art. 8 Rn. 1; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 8 Rn. 2; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 8 Rn. 54; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. Juli 2014, Art. 8 Rn. 22 bis 25). In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger umfunktionieren (vgl. BayVGH, B. v. 24.9.2002 - 14 ZB 02.1849 - juris Rn. 2) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und dieses damit empfindlich stören (vgl. OVG Berlin, B. v. 7.1.2002 - 2 SN 30.01 - NVwZ 2002, 489 = juris Ls 3 und Rn. 16; HessVGH, B. v. 5.10.1995 - 3 TG 2900/95 - BRS 57 Nr. 179 = juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben würde die an der 7 m breiten und 2,63 m hohen, unaufdringlicheinheitlich gestalteten Außenwand der Tiefgarageneinfahrt anzubringende, annähernd 3,90 m breite und samt ihrer Beleuchtungsleiste etwa 3,30 m hohe Werbetafel für wechselnde Fremdwerbung gegen die Gebote der Maßstäblichkeit und des Verhältnisses der Baumassen und Bauteile zueinander verstoßen und einen unästhetischen Fremdkörper darstellen. Die Anlage ließe die Wand, an der sie angebracht werden soll, als reinen Werbeträger erscheinen. Dieser Eindruck wird - wie die in der Bauakte enthaltene farbige Lichtbildmontage (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 BauVorlV) verdeutlicht - durch den mehr als 60 cm messenden senkrechten Überstand über das Flachdach des „Trägerbauwerks“ noch verstärkt.

Diesen Gesichtspunkt hat der streitgegenständliche Bescheid zwar (unter anderem) lediglich als Ablehnungsgrund für die für das Vorhaben gleichzeitig erforderliche Sondernutzungserlaubnis genannt (Bescheid vom 1.7.2010 s. 12 bis 14 unter Gründe II. 3.). Dies war rechtsfehlerhaft. Denn materieller Maßstab für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, ob und inwieweit die Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch (Art. 14 BayStrWG) hinaus diesen beeinträchtigen kann. Zu prüfen ist dabei grundsätzlich nur, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen des Straßen- und Wegerechts vereinbar ist. Die abzuwägenden Belange finden sich dabei vor allem in den Vorschriften des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (namentlich, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleisten), vereinzelt aber auch in Vorschriften des Straßenverkehrsrechts und - ebenso vereinzelt - auch in städtebaulichen, baupflegerischen oder denkmalschützerischen Vorschriften, soweit diese einen eindeutigen Bezug zur Straße haben (st. Rspr., vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2012 - 8 ZB 11.2785 - juris Rn. 13 m. w. N.). Die von Art. 8 Satz 1 BayBO an die Gestaltung baulicher Anlagen gestellten Anforderungen weisen einen solchen eindeutigen (Aussen-)Bezug zur Straße und deren Nutzung nicht auf; ihr rechtlicher Wirkungskreis beschränkt sich unmittelbar nur auf die jeweilige Anlage selbst.

Das ist für die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung indes ohne Bedeutung. Denn im Berufungsverfahren hat die Beklagte sich hierfür ausdrücklich auf die von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumte Ablehnungsbefugnis berufen (Schrs. vom 8.2.2013 S. 5/6). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige, im Einzelfall nicht zum Prüfungsumfang (vgl. Art. 59 Satz 1 BayBO) gehörende, öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt. Das ist, wie oben ausgeführt, im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 8 Satz 1 BayBO, der Fall. Die bauordnungsrechtlichen Gestaltungsanforderungen sind zwar nicht Gegenstand des vorliegenden vereinfachten Genehmigungsverfahrens (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), in dem Bauordnungsrecht grundsätzlich nicht (mehr) geprüft wird. Die materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen gelten, ebenso wie die bauplanungsrechtlichen Vorgaben, ohne jeden Zweifel aber auch für in den öffentlichen Straßenraum hineinragende oder dort angebrachte Werbeanlagen (vgl. zur Anwendung der Abstandsflächenvorschriften: BayVGH, U. v. 15.5.2006 - 1 B 04.1893 - NVwZ-RR 2007, 83 = juris Rn. 2/3 und 18 ff., erfolgreiche Nachbarklage gegen die Genehmigung einer Doppelwerbetafel auf dem benachbarten Gehweg wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998).

Die Beklagte konnte sich auf die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, die Ablehnung des Bauantrags auf außerhalb des Prüfungsumfangs stehende Gesichtspunkte zu stützen, hier auch noch berufen, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Verpflichtungsklage der Klägerin nach § 113 Abs. 5 VwGO derjenige der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war.

Aus den vorstehenden Gründen war das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

4. Auf die im Verfahren erörterten Frage, ob die Erteilung einer Baugenehmigung ausscheidet, wenn im bauaufsichtlichen Verfahren zugleich (vgl. Art. 21 Satz 1 BayStrWG, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO) über die Erlaubnis einer Sondernutzung zu entscheiden ist und letztere nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf (Art. 18 Abs. 2 Satz 1, Art. 21 Satz 3 BayStrWG), kommt es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an. Die Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und anderer Gesetze (LT-Drs. 15/7161 vom 15.1.2007) mit dem die Konzentration bisher paralleler Genehmigungsverfahren bei der Bauaufsichtsbehörde eingeführt wurde, enthält dazu - auszugsweise - folgende Aussagen (LT-Drs. a. a. O. S. 74, zu § 2 Nr. 2, Art. 21):

„Art. 21 BayStrWG regelt bereits in der geltenden Fassung den Fall des Zusammentreffens einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung für eine übermäßige, d. h. über den Gemeingebrauch hinausgehende Straßenbenutzung mit einer öffentlichrechtlichen Sondernutzungserlaubnis.

Zweck der Neuregelung ist eine Verfahrenskonzentration auch in den Fällen, in denen nach den baurechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung erforderlich ist und zugleich eine nach Straßenrecht erlaubnispflichtige Sondernutzung vorliegt, weil mit dem Vorhaben eine öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch genommen wird (z. B. Freischankflächen, ortsfeste Verkaufsstände). Die Vorschrift (erg.: Art. 21 Satz 1 n. F.) will auch in diesen Fällen parallele Verwaltungsverfahren vermeiden und im Außenverhältnis zum Bürger die Entscheidungskompetenz über beide Bereiche bei der Bauaufsichtsbehörde konzentrieren. Sie dient damit der Verwaltungsvereinfachung. Die Belange der sonst für die Sondernutzungserlaubnis zuständigen Behörde (im Regelfall die Gemeinde, ggf. unter Einbeziehung der Straßenbaubehörde, vgl. Art. 18 Abs. 1 BayStrWG) werden durch die vorgeschriebene Beteiligung gewahrt. ….

Der Wegfall der Sondernutzungserlaubnis in diesen Fällen dient nur der Verfahrenskonzentration, materiellrechtlich liegt eine straßenrechtliche Sondernutzung vor, die sich nach den Bestimmungen des Art. 18 Abs. 2 bis 6 BayStrWG richtet. Insbesondere darf die Sondernutzungserlaubnis (im Gegensatz zu Baugenehmigung) nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden (vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG).

Einer Sondernutzungserlaubnis bedarf es demnach nicht, wenn für den Benutzungstatbestand eine Baugenehmigung erforderlich ist. Das bedeutet, dass die Bauaufsichtsbehörde zugleich die Sondernutzung erlaubt.“

Auf der Grundlage dieser Ausführungen dürfte es nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die Baugenehmigung in den Fällen der hier zu vorliegenden Art (Werbetafel) mit einer Befristung oder einem Widerrufsvorbehalt versehen werden darf und muss. Ob Gleiches für einen Überbau mit einem Gebäude gilt, dessen Fortbestand auf unabsehbare Dauer angelegt ist, oder ob dann die Erteilung einer, regelmäßig für die „Lebenszeit“ der jeweiligen Anlage bestimmten, Baugenehmigung grundsätzlich ausscheidet, ist in Anbetracht der hier zu entscheidenden Sach- und Rechtslage nicht näher zu erörtern.

5. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO.

6. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 11. Juli 2016 gegen die der Beigeladenen mit Bescheid vom 14. Juni 2016 von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung (Az. BV ...) wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf den Grundstücken FlNr. 213 und 217/1 der Gemarkung ...

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 215 ...), das mit einem denkmalgeschützten Gebäude bebaut, in der Stadtmitte der Antragsgegnerin belegen und Teil des geschützten Ensembles „...“ ist. Dieses Gebäude grenzt im hinteren Bereich nach Norden hin an das Grundstück FlNr. 213.

Unter dem 28. August 2015 beantragte die Beigeladene - bei der Antragsgegnerin eingegangen am 9. September 2015 - die Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung des von ihr betriebenen ...-hauses auf den Grundstücken FlNr. 213 und 217/1 ...). Die Antragstellerin hat dem Bauantrag im Rahmen der Nachbarbeteiligung mit Schreiben vom ... November 2015 ausdrücklich die Zustimmung verweigert. Auch das Landesamt für Denkmalpflege lehnte mit Stellungnahme vom ... Mai 2016 die Planung unter Bezugnahme auf das zu schützende Erscheinungsbild des Ensembles „...“ sowie der damit einhergehenden erheblichen Störung für die unmittelbar benachbarten Einzeldenkmäler nachdrücklich ab.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2016, der Antragstellerin zugestellt am 16. Juni 2016, erteilte die Antragsgegnerin für das Bauvorhaben der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung nach Maßgabe der mit Genehmigungsvermerk und Roteintragungen versehenen Bauvorlagen unter verschiedenen Bedingungen, Auflagen und Abweichungen. Mit der Baugenehmigung wurden zudem die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis sowie die sanierungsrechtliche Genehmigung erteilt.

Mit Schriftsatz vom ... Juli 2016, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat die Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2016 aufzuheben. Über diese Klage, die unter dem Aktenzeichen M 1 K 16.3035 geführt wird, ist noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom ... Juli 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, suchte die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nach und beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Bauge-

nehmigung der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2016 wiederherzustellen,

2. anzuordnen, dass die Bauherrin mit sofortiger Wirkung die Bauarbeiten

auf dem Grundstück FlNr. 217 einstellt.

Zur Begründung wird im Antragsschriftsatz auf die Klagebegründung im Verfahren M 1 K 16.3035 verwiesen. Dort wird ausgeführt, dass das Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich liege und sich dabei nach Art, Maß, Bauweise und überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die nähere Umgebung einfüge. Die angestrebte bauliche Nutzung stelle einen großflächigen Einzelhandel dar, der im faktischen Mischgebiet unzulässig sei und gegen den Gebietserhaltungsanspruch verstoße. Aufgrund seiner erheblichen Dimensionierung, die deutlich über das hinausgehe, was in der Umgebung vorzufinden sei, verstoße das Vorhaben auch gegen das Einfügensgebot bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche. Hinsichtlich der Bauweise werde missachtet, dass sich in der Außenmauer, an die angebaut werden solle, Fenster für Aufenthaltsräume befänden und diese bereits seit unvordenklicher Zeit bestünden. Zudem verstoße das Vorhaben gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, insbesondere hinsichtlich der Fenster im klägerischen Anwesen. Sie seien die einzig vorhandene Belichtung und Belüftung der hinter diesen Fenstern befindlichen Aufenthaltsräume, wo sich in den oberen Geschossen eine Wohnküche und im Erdgeschoss eine Gaststätte befänden. Im Innenhof zwischen dem streitgegenständlichen Bauvorhaben und dem Anwesen der Antragstellerin seien im rückwärtigen Bereich elf Stellplätze für Kraftfahrzeuge angeordnet, die rücksichtslose Immissionen auf das Anwesen der Antragstellerin auslösten. Nachdem die Baugenehmigung die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis einschließe und das Landesamt für Denkmalpflege in seiner Stellungnahme vom ... Mai 2016 dem Vorhaben widersprochen habe, werde das denkmalschutzrechtliche Abwehrrecht geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2016 hat die Kammer die Bauherrin zum Verfahren beigeladen. Im Klageverfahren M 1 K 16.3035 erfolgte ihre Beiladung mit Beschluss vom 13. Juli 2016.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 nahm die Antragsgegnerin zur Sache Stellung und beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben im faktischen Mischgebiet auch bei einer Überschreitung der regelmäßigen Grenze für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb planungsrechtlich genehmigungsfähig sei und die Überschreitung der Grenze keine nachbarschützenden Belange berühre. Sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Zahl der Geschosse füge es sich in die Umgebung ein; gleiches gelte hinsichtlich der geschlossenen Bauweise. Angesichts dessen habe die Antragstellerin auch nicht auf den dauerhaften Bestand der Fenster vertrauen dürfen. Vor diesem Hintergrund erweise sich das Vorhaben der Beigeladenen auch nicht als rücksichtslos. Zwar verschlechtere sich die Belichtung der Wohnungen durch den Wegfall der Fenster, gleichwohl bleibe die Belichtung durch die auf der südöstlichen Seite des Gebäudes der Antragstellerin vorhandenen Fenster gewahrt. Hinsichtlich der sieben Stellplätze im Innenhof, die für die geplanten Wohnungen vorgesehen und deren Nutzung bisher baurechtlich für das Gewerbe der Beigeladenen beschränkt gewesen seien, sei von einem vermehrten Verkehr abends und teilweise auch nachts auszugehen. Eine schalltechnische Untersuchung habe ergeben, dass die Mischgebietswerte der TA Lärm eingehalten würden. Ob die Antragstellerin demnach durch den Lärm dieser Stellplätze so beeinträchtigt werde, dass deren Anordnung dort im Ergebnis rücksichtslos sei, sei nicht nachvollziehbar, insbesondere weil dort auch schon bisher Stellplätze der Nachbarn und eine Garage vorhanden gewesen seien. Zudem zeige sich dadurch, dass mittels Fassadengestaltung des streitbefangenen Vorhabens auf das Ensemble „...“ mit der gewählten Lochfassade und dem Mansardendach mit Dachglaube in einer modernen architektonischen Formensprache eingegangen werde, dass nicht von einer Denkmalbeeinträchtigung auszugehen sei, die das Maß der Erheblichkeit überschreite. Im Vergleich zum abgebrochenen Gebäude, das kein Einzeldenkmal gewesen sei, sei hinsichtlich der Wirkung zur ... und damit auf das unmittelbar angebaute Wohn- und Geschäftshaus der Antragstellerin sogar von einer Verbesserung des Gesamterscheinungsbildes auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 1. August 2016 hat die Beigeladene sinngemäß beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung lässt sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten im Wesentlichen vortragen, dass das Vorhaben weder gegen Bauplanungs- noch gegen Denkmalschutzrecht verstoße. Ein Verstoß gegen das Gebot des Einfügens liege nicht vor, im Übrigen ergebe sich hieraus kein unmittelbarer Anfechtungsgrund gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung, da sich die Antragstellerin hierauf nur berufen könne, wenn dadurch unmittelbar eine besondere Beeinträchtigung ihrer Interessen resultiere. Dies sei nicht der Fall. Zudem füge sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung sowie auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche und der Bauweise in die nähere Umgebung ein. Jedenfalls resultiere auch hieraus keine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin. Das gelte auch hinsichtlich der drei Fensteröffnungen, die infolge des Bauvorhabens geschlossen würden. Es bestünden keine überwiegenden Interessen der Klägerin am Bestand dieser Fenster, auf deren Erhalt sie auch keinen rechtlichen Anspruch habe. Auch drittschützende denkmalschutzrechtliche Normen seien nicht verletzt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten in diesem und im Hauptsacheverfahren M 1 K 16.3035 Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

1. Der Antrag nach §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO vom14. Juli 2016, - sinngemäß in Nr. 1 (§ 88 VwGO) darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom... Juli 2016 gegen die der Beigeladenen mit Bescheid vom 14. Juni 2016 von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung anzuordnen, - ist zulässig und in Nr. 1 auch begründet.

Das Gericht der Hauptsache (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) hat bei seiner Entscheidung über den Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Insoweit stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn an der aufschiebenden Wirkung der Klage und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung trotz eingelegten Rechtsmittels sofort Gebrauch machen zu können, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Das gilt ungeachtet des durch die in § 212a Baugesetzbuch (BauGB) gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit veränderten Ansatzes der gerichtlichen Prüfung (vgl. BayVGH, B. v. 21.12.2001 - 15 ZS 01.2570 - BayVBl 2003, 48). Aus diesem Grund ist bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose danach zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer gerichtlicher Prüfung die angefochtene Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.1991 - 1 CS 91.439 - BayVBl 1991, 720). Erweist sich der Nachbarrechtsbehelf dagegen als voraussichtlich erfolglos, ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen. Für den Fall, dass keine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes gegeben werden kann, können die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs gleichwohl bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO berücksichtigt werden. Stellen sich die Erfolgsaussichten als gänzlich offen dar, findet im Übrigen eine reine Interessenabwägung statt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 152 ff.).

Vorliegend sind die Erfolgsaussichten der Klage im Ergebnis offen, weil insbesondere die Fragen der denkmalschutzrechtlichen Zulässigkeit des streitigen Vorhabens und der damit gegebenenfalls einhergehenden Rechtsverletzung der Antragstellerin weiterer Ermittlungen im Hauptsacheverfahren bedürfen. In der deshalb vorzunehmenden Interessenabwägung setzt sich das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin durch.

a. Nach dem Ergebnis der gebotenen summarischen Prüfung ist ohne weitere Ermittlungen nicht auszuschließen, dass das Vorhaben gegen drittschützende Vorschriften des Denkmalschutzrechts verstößt. Gleiches gilt für die Wahrung des Gebotes der Rücksichtnahme hinsichtlich der von den Kfz-Stellplätzen des Bauvorhabens in der Nachtzeit auf das Grundstück der Antragstellerin einwirkende Immissionen.

aa. Die Baugenehmigung verletzt mit gewisser Wahrscheinlichkeit drittschützende Normen des Denkmalschutzrechts.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Denkmalschutzgesetz (DSchG) bedarf die Errichtung, Veränderung oder Beseitigung von Anlagen in der Nähe von Baudenkmälern (Art. 1 Abs. 2 DSchG) einer Erlaubnis, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG bedarf auch die Veränderung eines Ensembles (Art. 1 Abs. 3 DSchG) einer Erlaubnis, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die Baugenehmigung umfasst gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG auch die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis. Damit sind die denkmalschutzrechtlichen Belange vom Prüfprogramm der bauaufsichtlichen Zulassung erfasst. Art. 6 DSchG kann dabei Drittschutz vermitteln, weil der Eigentümer eines Baudenkmals durch die Errichtung eines Vorhabens in der Nähe seines Denkmals in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt sein kann (BVerwG, U. v. 21.4.2009 - 4 C 3/08 - BVerwGE 133, 347; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 4). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn sich die Errichtung des Vorhabens auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals oder Ensembles erheblich auswirkt. Darüber hinaus lässt sich dem bayerischen Denkmalschutzrecht kein allgemeiner Drittschutz zugunsten des Denkmaleigentümers entnehmen (BayVGH, U. v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - juris Rn. 21). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG kann die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen.

Die erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals oder Ensembles liegt nicht nur vor, wenn ein das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird, sondern auch, wenn die Wirkung des Denkmals als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element geschmälert wird. Neue Bauten müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen, dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen (vgl. BayVGH, U. v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - juris Rn. 30). Die genannten Merkmale müssen in schwerwiegender Weise gegeben sein, damit von einer erheblichen Beeinträchtigung gesprochen werden kann. Je höher der Wert des Denkmals einzuschätzen ist, desto eher kann eine erhebliche Beeinträchtigung seines Erscheinungsbilds anzunehmen sein; je schwerwiegender das Erscheinungsbild betroffen ist, desto eher kann die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten sein (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2013 - 22 B 12.1741 - juris Rn. 26).

Nach der Stellungnahme des Landesamt für Denkmalpflege (Landesamt) vom ... Mai 2016 wurde das auf dem Grundstück FlNr. 213 vorhandene Gebäude vollständig abgebrochen, ohne dass eine fachbehördliche Stellungnahme hinsichtlich der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnisbedürftigkeit und ggf. -fähigkeit eingeholt worden wäre. Der dort beseitigte bauliche Bestand (Gebäude mit vier Vollgeschossen und sieben Fensterachsen) war nach Einschätzung des Landesamtes ein bedeutender Bestandteil des Ensembles „...“, weil er die Geschichtlichkeit des Ortes und die Information über die früheren städtebaulichen Strukturen der Stadt ... unmittelbar verkörpert und so für die historische Erscheinungsweise des Ensembles eine besondere Bedeutung dargestellt hat. Als solches war er nach Überzeugung der Fachbehörde substantieller Bestandteil des Ensembles gewesen. Das streitbefangene Bauvorhaben überragt nach Auffassung des Landesamtes die aus viergeschossigen Einzeldenkmälern bestehende Häuserzeile entlang der ... (Nr. ..., ..., ...) erheblich, wobei die Fassade mit großformatigen Befensterungen bzw. Eckloggien einen Fremdkörper im Ensemble darstellt. In gleicher Weise erheblich betroffen sei die Wirkung der unmittelbar gegenüberliegenden romanischen ...-kirche als ältester Kirchenbau der Stadt. Vor diesem Hintergrund lehnte das Landesamt das streitbefangene Vorhaben unter Bezugnahme auf das zu schützende Erscheinungsbild des Ensembles sowie wenn der damit einhergehenden erheblichen Störung für die unmittelbar benachbarten Einzeldenkmäler ..., ... und ... und die ...-kirche nachdrücklich ab.

Trotz der von der Antragsgegnerin ins Feld geführten, im 18., 19. und 20. Jahrhundert bereits erfolgten Eingriffe in die ursprüngliche mittelalterliche Torsituation und der Veränderungen am ...-platz durch die Errichtung des Hotels „...“ (vgl. Bescheid vom 14. Juni 2016, S. 18 f. und Vermerk vom 24. Mai 2016) geht das Landesamt nach wie vor von einem Ensemble i. S. d. Art. 1 Abs. 1 und 3 DSchG und beim Anwesen der Antragstellerin von einem Einzeldenkmal nach Art. 1 Abs. 1 und 2 DSchG aus. Dafür, dass dieser Einschätzung zutrifft, spricht nicht zuletzt die Fachexpertise dieser Behörde. Das Landesamt ist die zur fachlichen Einschätzung des Denkmalwerts eines Baudenkmals und seiner Beeinträchtigung berufene Fachbehörde (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 DSchG). Dabei sind Genehmigungsbehörden und Gerichte rechtlich nicht an die fachliche Beurteilung des Landesamts gebunden. Sie haben deren Aussage- und Überzeugungskraft nachvollziehend zu überprüfen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine eigene Überzeugung zu bilden. Hierbei kommt den fachlichen Einschätzungen des Landesamts ein tatsächliches Gewicht zu (BayVGH, U. v. 18.7.2013 a. a. O. Rn. 27), da diesen der besondere fachbehördlich-sachverständige Wissens- und Kenntnisstand zugrunde liegt.

Folglich ist eine erhebliche Beeinträchtigung sowohl des denkmalgeschützten Einzelgebäudes der Antragstellerin als auch des Ensembles „...“ nicht auszuschließen. Dies ergibt sich aus der Situierung des Bauvorhabens unmittelbar an der ... und direkt gegenüber der romanischen ...-kirche mit der damit einhergehenden engen Nähe- und Sichtbeziehung. Die Kammer wird im Klageverfahren durch Beweiserhebung, etwa im Rahmen eines Augenscheins, den in der fachlichen Stellungnahme vom ... Mai 2016 beschriebenen Eindruck in natura zu erleben und die denkmalfachliche Würdigung - namentlich auch mit Blick auf die gegenläufigen Ausführungen der Antragsgegnerin - nachzuvollziehen haben. Nach Aktenlage ist es nicht auszuschließen, dass das streitbefangene Vorhaben erhebliche Auswirkungen auf den Gesamteindruck der einzelnen Baudenkmäler entlang der ... und das dortige Ensemble zeitigt und diese vorhabenbedingt erheblich in ihrem Wesen und überlieferten Erscheinungsbild beeinträchtigt.

bb. Zudem erweist sich das Vorhaben hinsichtlich der von der Antragstellerin gerügten Lärmimmissionen durch Kfz-Stellplätze im Innenhof voraussichtlich als rechtswidrig.

Bei der Überprüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG) und dessen materiell-rechtliche Maßstäbe (vgl. vorliegend § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz legt die Grenzen und damit auch das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6/98 - juris). Was die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen angeht, können die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (TA Lärm) und die darin enthaltenen Immissionsrichtwerte herangezogen werden. Die TA Lärm ist dabei als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift zu betrachten, die - vorbehaltlich abweichender Einzelfallerkenntnisse - jedenfalls im Regelfall der gerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist.

Die auch in der Nacht nutzbaren Pkw-Stellplätze des Vorhabens der Beigeladenen sind jedenfalls teilweise (insbesondere Stellplätze 6, 7 und 11) so situiert, dass der als immissionsschutzfachliche Orientierungshilfe heranzuziehende Mindestabstand nach Tabelle 37 der Parkplatzlärmstudie des Landesamts für Umwelt (6. Aufl. 2007, S. 106 f.) erheblich unterschritten wird. Im Mischgebiet ist hiernach zur Wahrung des Nacht-Maximalpegelkriteriums gemäß Nr. 6.1 Satz 2 der TA Lärm von dort 65 dB(A) ein horizontaler Mindestabstand zwischen dem kritischen Immissionsort - hier den Fenstern an der Rückseite des Gebäudes ..., die nach Südosten hin ausgerichtet sind, - und dem Rand des nächstgelegenen Pkw-Stellplatzes von 15 m einzuhalten. Nach den genehmigten Plänen wird dieses Mindestabstandsmaß bei den Stellplätzen 6, 7 und 11, deren Rand jeweils nur ca. 1 bis 2 m von der Südostfassade des Anwesens der Antragstellerin abgerückt ist, deutlich unterschritten (vgl. Stellplatzplan vom 1. Juni 2016). Hierauf hat das Landratsamt Berchtesgadener Land in seiner fachtechnischen Stellungnahme vom 7. Juni 2016 im Lichte des schalltechnischen Gutachtens der ...-gesellschaft mbH vom 6. Juni 2016 (vgl. insoweit Seite 19) ausdrücklich hingewiesen. Dabei kann sich die Beigeladene auch nicht auf Bestandsschutz berufen, da die nunmehr vorgesehenen Stellplätze jedenfalls teilweise (vgl. Stellplätze 6 bis 11) der neu zugelassenen Wohnnutzung zugeordnet sind, diese auch zur Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr (vgl. Nr. 6.4 Satz 1 Nr. 2 der TA Lärm) genutzt werden sollen und daher von einem vermehrten Verkehr abends und teilweise nachts auszugehen ist (vgl. ausdrücklich so: Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2016, Seite 4).

Aus diesem Grund erweist sich das streitige Vorhaben gegenüber der Antragstellerin insoweit voraussichtlich als rücksichtslos.

cc. Nachdem im Hinblick auf den Denkmalschutz die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind und sich das Vorhaben des Weiteren wegen der Anordnung der Kfz-Stellplätze im Innenhof mit Blick auf deren nächtliche Nutzbarkeit voraussichtlich gegenüber der Antragstellerin als rücksichtlos erweist, ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen als originäre Ermessensentscheidung des Gerichts anzustellen. Sie ergibt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin im tenorierten Umfang anzuordnen ist, um die Schaffung vollendeter Tatsachen abzuwenden. Das Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Unabhängig vom voraussichtlichen Ergebnis des Hauptsacheverfahrens ist es nach Auffassung der Kammer geboten, die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Die Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen ist mit baulichen Eingriffen verbunden, die geeignet sind, das Gesicht des davon betroffenen Stadtkerns von ... jedenfalls entlang der ... und das Einzeldenkmal der Antragstellerin in seiner Wirkung erheblich zu verändern. Würde es der Beigeladenen in dieser Situation der Ungewissheit gestattet, unter Ausnutzung der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs von der Baugenehmigung unbeschränkt Gebrauch zu machen, so würden hierdurch, abhängig vom Baufortschritt, möglicherweise vollendete Tatsachen geschaffen, die zur Folge haben könnten, dass unmittelbar nicht nur Rechtspositionen der Antragstellerin, die ihrem nachbarlichen Schutz dienen, sondern mittelbar auch Belange, die im öffentlichen Interesse des Denkmalschutzes stehen, nicht mit dem Gewicht zum Tragen kommen, die ihnen im Rahmen der baurechtlichen Genehmigungsverfahrens von Rechts wegen gebühren. Die von der Beigeladenen auf der Basis einer nicht bestandskräftigen, sondern lediglich kraft Gesetzes (§ 212a BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung getroffenen betrieblichen, personellen und finanziellen Dispositionen (vgl. Antragserwiderung der Beigeladenen vom 1. August 2016, S. 10 f.) stehen dem nicht entgegen, da diese hinsichtlich der vorgenannten Verfahrenssituation letztlich auf eigenes Risiko der Beigeladenen erfolgt sind. Die Nachteile, die der Beigeladenen durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung entstehen, erscheinen weniger gravierend als die Schäden, die im Falle der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes drohen könnten. Sie erschöpfen sich darin, dass die Baumaßnahmen zurückgestellt werden müssen, bis im Hauptsacheverfahren geklärt ist, ob die im Verfahren M 1 K 16.3035 beklagte Baugenehmigung den rechtlichen Anforderungen, die dem Nachbarschutz dienen, genügt. Zudem ist im Rahmen der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass sich die nächtliche Nutzung gerade der Kfz-Stellplätze im Innenhof, die der genehmigten Wohnnutzung zugeordnet sind, mit Blick auf ihre Situierung voraussichtlich als rücksichtslos erweist. Auch daraus ergeben sich im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung weitere erhebliche Gründe für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

b. Voraussichtlich erfolglos bleibt die Klage der Antragstellerin dagegen, soweit sie sich mit Blick auf die Art und das Maß der baulichen Nutzung sowie die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche auf eine Nachbarrechtsverletzung beruft. Das bauplanungsrechtlich hier unstreitig nach § 34 BauGB zu beurteilenden Vorhaben der Beigeladenen verletzt das im Begriff des „Einfügens“ nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot zulasten der Antragstellerin nicht.

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (st. Rspr., zuletzt BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 51.12 - juris Rn. 21).

Das ist hier voraussichtlich nicht der Fall.

Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin für die Frage, ob sich ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB - vorliegend höchstwahrscheinlich i. V. m. § 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) - in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, nicht auf die in § 11 Abs. 3 BauNVO umschriebenen etwaigen negativen städtebaulichen Auswirkungen an. Die in § 11 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Fernwirkungen gehören nicht zu den nach dieser Vorschrift maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen. § 34 Abs.1 BauGB stellt beim Einfügenserfordernis allein auf Nutzungsart, Nutzungsmaß, Bauweise und Grundstücksüberbauung ab (vgl. BVerwG, B. v. 20.4.2000 - 4 B 25.00 - juris LS 1). Sonach vermag die Antragstellerin mit ihrem entsprechenden Vortrag zur Überschreitung der Geschossfläche i. S. d. § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO von Rechts wegen nicht durchzudringen.

Ob das streitbefangene Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der Größe der Grund- und Geschossfläche (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BauNVO) sowie auch hinsichtlich seiner Höhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) den aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmen nicht unerheblich überschreitet, kann dahinstehen. Denn die Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung dienen grundsätzlich - wie auch diejenigen zur überbaubaren Grundstücksfläche und zur Bauweise - nur der städtebaulichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz des Nachbarn. Da sie in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben, ist zum Schutz der Nachbarn das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichender Prüfungsmaßstab (vgl. BVerwG, B. v. 5.12.2013 a. a. O. juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 1.12.2011 - 14 CS 11.2577 - juris Rn. 24). Dieses ist nur verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BayVGH, B. v. 13.3.2014 - 15 ZB 13.1017 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Dass die Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Grundstück der Antragstellerin die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, ist indes nicht ersichtlich. Eine hierfür erforderlich „erdrückende“ oder „abriegelnde Wirkung“ des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück der Antragstellerin ist nicht erkennbar. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - DVBl 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - DVBl 1986, 1271: drei 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 16.10.2012 - 15 ZB 11.1016 - juris Rn. 6; VGH BW, U. v. 2.6.2015 - 8 S 1914/14 - juris Rn. 64). Davon kann bei der Höhe des genehmigten Wohn- und Geschäftshauses der Beigeladenen mit einer maximalen (First-)Höhe von 18,61 m und fünf Geschossen mit Blick auf die dreigeschossige Bebauung mit einer Firsthöhe von ca. 12 m auf dem Grundstück der Antragstellerin nicht gesprochen werden.

Gleiches gilt voraussichtlich auch mit Blick auf den durch den grenzständigen Anbau des streitbefangenen Vorhabens an das Gebäude der Antragstellerin ausgelösten Verlust von mehreren Fenstern der nördlichen Außenwand ihres Gebäudes zum bisherigen Innenhof hin. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt einem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist auch insoweit erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris RdNr. 17). So liegt der Fall nach dem vorstehend Ausgeführten auch hier; für eine „erdrückende“ oder „abriegelnde Wirkung“ des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück der Antragstellerin ist nichts erkennbar. Dies umso mehr deswegen, weil für die Annahme einer solchen Wirkung auf ein Nachbargebäude grundsätzlich dann kein Raum bleibt, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn - wie hier - die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9). Zudem ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 3 Bayerische Bauordnung (BayBO), dass eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder darf, wofür hier im Geviert zwischen..., ...-platz, ...-straße und ...-straße viel spricht.

Das Bauvorhaben der Beigeladenen löst im Übrigen voraussichtlich auch keine unzumutbaren bodenrechtlichen Spannungen aus. Bodenrechtlich beachtliche und somit bewältigungsbedürftige Spannungen werden begründet oder erhöht, wenn das Bauvorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und - etwa wegen einer möglichen Vorbildwirkung für andere Bauvorhaben auf Nachbargrundstücken in vergleichbarer Lage - das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (vgl. BVerwG, U. v. 5.12.2013 a. a. O. juris Rn. 17; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 15 ZB 14.1542 - juris Rn. 17). Wegen des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksüberbauung können städtebauliche Spannungen nur auftreten, wenn das Vorhaben unabhängig von seiner Nutzungsart den vorhandenen Rahmen in unangemessener Weise überschreitet. Das ist etwa der Fall, wenn eine bauliche Massierung zu einer sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe erheblichen Nachverdichtung der Bebauung führen würde (vgl. BVerwG, B. v. 21.6.2007 - 4 B 8.07 - juris Rn. 6). Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, wird von der Antragstellerin nicht aufgezeigt. Insbesondere wird nicht dargelegt, inwiefern das Bauvorhaben wegen der Überschreitung des Nutzungsmaßes ein Bedürfnis nach Bauleitplanung auslösen könnte. Ebenso wenig wird aufgezeigt, weshalb sich eine mögliche Vorbildwirkung für andere Bauvorhaben unzumutbar gerade auch auf das Grundstück der Antragstellerin auswirken könnte. Die Unzumutbarkeit solcher Auswirkungen gerade für die Antragstellerin ist für die Kammer auch nicht ersichtlich.

2. Dem Antrag zu 2., der gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Sicherungsmaßnahme in Gestalt einer Anordnung der Baueinstellung gerichtet ist, ist indes der Erfolg zu versagen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass vorliegend eine Missachtung der von der Kammer angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 11. Juli 2016 durch die Antragsgegnerin oder die Beilgeladene zu befürchten stünde und es zur Wahrung des nachbarlichen Abwehrrecht der Antragstellerin sonach bereits vorsorglich auch des Erlasses einer Sicherungsmaßnahme in Form der - zusätzlich zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung - begehrten Baueinstellung bedürfte.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2015 wird in Ziffer 2 und Ziffer 3, soweit Ziffer 2 betroffen ist, aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ... Straße, FlNr. ..., Gemarkung ..., das mit seiner Westseite an den ... Bach grenzt. Auf dem Grundstück steht eine 19 m lange und 7 m breite Garagenanlage, die mit ihrer südlichen Längsseite auf der entsprechenden Grundstücksgrenze errichtet wurde.

Bild

(Lageplan aufgrund Einscannens evtl. nicht mehr maßstabsgetreu)

Mit Schreiben vom 13. August 2012 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Beseitigungsanordnung dieser Garagenanlage und der die das Grundstück FlNr. ... umgebenden Einfriedung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass weder die Garagenanlage noch die Einfriedung genehmigt worden seien; die Anlagen seien genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig, da sie im Außenbereich liegen würden und öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigten.

Nach mehreren Fristverlängerungen nahmen die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 29. April 2013 dahingehend Stellung, dass es sich bei der Garagenanlage um ein bestandsgeschütztes Gebäude handele, was durch die beigefügten Luftbilder ab dem Jahre 1956 belegt würde. Die auf den Luftbildern ablesbare Entwicklung des Gesamtgrundstücks zeige, dass dieses seit mindestens des Endes des Zweiten Weltkrieges intensiv gewerblich mit entsprechend großen baulichen Anlagen genutzt worden sei, die sich steigernd auf dem Grundstück entwickelt hätten. Eine Bauakte habe nicht ausfindig gemacht werden können; die bauliche Aktivität müsse jedoch von der Beklagten verfahrensrechtlich begleitet worden sein. Die Entwicklung zeige auch, dass das Grundstück vorliegend nicht im Außenbereich, sondern im Innenbereich liege. Die Südgrenze der FlNr. ... sei die maßgebliche Grenze zum Außenbereich. Daher seien die Anlagen abgesehen vom Bestandsschutz auch heute genehmigungsfähig. Die Erschließung sei gesichert; es bestehe ein grundbuchrechtlich abgesichertes Geh- und Fahrtrecht über die FlNr. ... Der ... Bach sei in diesem Bereich mit einer Überfahrt versehen, die mit der gewerblichen Nutzung bestandskräftig angelegt worden sei und seither uneingeschränkt genutzt werde. Dementsprechend sei auch die Einfriedung uneingeschränkt zulässig.

Nach einer Stellungnahme vom 6. September 2013 zum Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom 29. April 2014 erließ die Beklagte unter dem 7. April 2014 folgende Verfügung:

1. Das im beiliegenden Plan rot umrandete Gebäude ist unverzüglich, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung zu beseitigen.

2. Die Einfriedung des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ... ist unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Monaten nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung zu beseitigen.

3. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in den Ziffern 1 und 2 genannten Verpflichtungen werden folgende Zwangsgelder angedroht:

- Für Ziffer 1:Euro 5.000,--

- Für Ziffer 2:Euro 2.500,--.

4. … Gebühren und Auslagen gemäß beiliegender Kostenrechnung …

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die zur Beseitigung angeordneten baulichen Anlagen formell rechtswidrig seien, da eine Baugenehmigung nicht vorliege. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht sei nicht gegeben. Die planungsrechtliche Beurteilung richte sich nach § 35 BauGB; zwischen der Bebauung an der ... Str. 39 bis 36 e sowie der Bebauung an der ... Str. 95 g und 95 e betrage der Abstand rund 70 m. Nach Süden hin öffne sich der Außenbereich weiter. Der Flächennutzungsplan stelle diese Fläche als ökologische Ausgleichsfläche dar; ferner liege das Grundstück im Landschaftsschutzgebiet sowie im Überschwemmungsgebiet des ... Baches. Die vorhandenen baulichen Anlagen widersprächen der Eigenart der Landschaft bzw. werde das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt bzw. verunstaltet (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5 BauGB). Das Gebäude lasse die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten. Auf dem südlich angrenzenden Nachbargrundstück seien zwischen 1999 und 2011 gleichfalls bauliche Anlagen errichtet worden; das Gebäude diene somit als Bezugsfall zur Errichtung weiterer baulicher Anlagen, die im Außenbereich nicht zulässig seien und ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde erforderlich machten. Die Anlagen seien auch nie genehmigt worden oder genehmigungsfähig gewesen. Den Nachweis für die Ausführungen im Schreiben vom 29. April 2013 sei die Klagepartei schuldig geblieben, obwohl der Beleg des Bestandsschutzes grundsätzlich Sache des Eigentümers sei. Eine entsprechende bauaufsichtliche Genehmigung hierüber sei auch nicht gefunden worden. Hinzu komme, dass der überbaubare Bereich der ... bzw. ... Straße jeweils durch eine rückwärtige Baugrenze begrenzt werde, außerhalb derer das Garagengebäude liege. Gründe für die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB lägen wegen des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor. Das Garagengebäude widerspreche darüber hinaus dem Bauordnungsrecht, da es mit einer Länge von ca. 19,5 m an das Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ... angrenze. Mit einer Tiefe von 7 m und einer Grundfläche von ca. 136 m² überschreite es die Ausmaße einer maximalen Grenzbebauung gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Ziffer 1 BayBO.

Gründe für die Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 BayBO lägen nicht vor. Im Falle einer Betrachtung des Grundstücks nach § 34 BauGB würde sich keine Änderung an dem baurechtswidrigen Zustand ergeben.

Die Beseitigungsanordnung ergehe in pflichtgemäßer Ermessensausübung und sei auch im Hinblick auf den Einwand, dass hiermit wertvolle wirtschaftliche Substanz zerstört werde, verhältnismäßig. Ein schutzwürdiges Vertrauen des von der Beseitigungsanordnung Betroffenen hinsichtlich des Fortbestandes der illegal geschaffenen baulichen Anlage bestehe nicht. Es sei Sache des Eigentümers, sich zunächst, gegebenenfalls durch Erkundigungen bei der Bauaufsichtsbehörde, Klarheit über die Genehmigungsbedürftigkeit seines Vorhabens zu verschaffen und sodann ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. Soweit der Eigentümer dieser Verpflichtung nicht nachkomme, handele er auf eigenes Risiko und könne den rechtlichen Folgen nicht deren vorgebliche Unverhältnismäßigkeit entgegenhalten. Das Recht zum bauaufsichtlichen Einschreiten sei auch nicht verwirkt, da eine bloße Duldung einer rechtswidrigen baulichen Anlage den späteren Erlass einer Beseitigungsverfügung nicht hindere. Ein Vertrauenstatbestand durch positives Tun der Beklagten sei nicht gesetzt worden. Das langjährige Bestehen des Gebäudes sowie gegebenenfalls auch der Einfriedung führe zu keiner anderen Beurteilung; spätestens durch den Abbruch der weiteren ehemals vorhandenen Gewerbebauten und einer eigenständigen Nutzung habe das Gebäude eine andere Bedeutung erlangt.

Der Bescheid vom 7. April 2015 wurde der Klagepartei am 10. April 2015 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2015, am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht München eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage mit dem Antrag,

den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2015 aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 3. August 2015 begründeten die Bevollmächtigten der Klägerin die Klage und vertieften ihren bisherigen Vortrag unter Darstellung der räumlichen Situation und der historischen Entwicklung des Grundstücks dahingehend, dass die Klägerin das Grundstück am 26. August 2005 erworben habe und das hierauf bestehende Gebäude ohne eine Veränderung der Kubatur für Euro 160.000,-- renoviert habe. Die Klägerin sei alt und gehbehindert und daher auf einen ebenerdigen Stellplatz angewiesen, da in der von ihr bewohnten Wohnanlage ... Str. 95 e nur eine Tiefgarage vorhanden sei, die über keinen Aufzug verfüge. Es bestehe Bestandsschutz, da das Gebäude zu einem Zeitpunkt genehmigt worden sei und keine Nutzungsänderung stattgefunden habe. Jedenfalls sei das Gebäude genehmigungsfähig, da es in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil liege. Die von der Beklagten erwähnten Baugrenzen hätten nicht gefunden werden können. Der Abstandsflächenverstoß könne durch eine Abweichung geheilt werden. Belange der Belichtung und Belüftung würden nicht berührt, da auf dem südlichen Nachbargrundstück nur Nebenanlagen existierten. Die Atypik ergebe sich aus dem Grundstück selbst, weil die Garage schon seit 50 Jahren vorhanden und die Teilung des Grundstücks erst später erfolgt seien. Das Ermessen sei nicht ordnungsgemäß ausgeübt, da vorliegend nur ein geringfügiger Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften gegeben sei. Weder öffentliche noch nachbarschaftliche Belange seien ernsthaft berührt. Es sei daher weitaus verhältnismäßiger, eine Duldungsverfügung auszusprechen, auch weil die Klägerin ihre Wohnung sonst komplett aufgeben müsste. Es liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, da das notwendige Sanierungskonzept bei den hier mehrfach vorhandenen illegalen Bauten fehle. Die knapp 1,80 m hohe Einzäunung bedürfe, da sie im Innenbereich liege, keiner Genehmigung; bauordnungsrechtliche Belange stünden ihr ebenfalls nicht entgegen.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurden im Wesentlichen die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid vertieft. Die Garage genieße keinen Bestandsschutz; auch wenn sie vor 1961 errichtet worden sein sollte, habe sie § 3 der Bauregelungsverordnung vom 15. Februar 1936 widersprochen. Selbst wenn jemals Bestandsschutz gegeben gewesen wäre, sei dieser inzwischen wieder erloschen, da an der Garagenanlage erhebliche Bauarbeiten vorgenommen, insbesondere Heizungen und Wasserleitungen installiert worden seien. Die Ermessenserwägungen seien sachgerecht, der Gesundheitszustand der Klägerin sei kein Rechtfertigungsgrund für ungenehmigtes Bauen im Außenbereich. Persönliche Umstände seien bei der Vollzugsfrist berücksichtigt worden. Eine Duldungsanordnung sei nicht geeignet, rechtmäßige Zustände herzustellen. Es bestehe auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, da die Anlagen auf den im Süden an das streitgegenständliche Grundstück angrenzenden Grundstücken bereits aufgegriffen und zur Beseitigung angeordnet worden seien.

Mit Schriftsätzen vom 9. Mai 2016 und 6. Juni 2016 erwiderten die Bevollmächtigten der Klägerin den Schriftsatz der Beklagten vom 20. Januar 2016 und vertieften nochmals ihr bisheriges Vorbringen. Die streitgegenständliche Garagenanlage stamme aus dem Jahre 1956 und hätte seinerzeit keiner Baugenehmigung bedurft, da sie gemäß § 13 Nr. 2 MBO genehmigungsfrei gewesen sei, da es sich um die Herstellung einer Schutzstelle für industrielle Unternehmen gehandelt habe.

Das Gericht hat am 27. Juni 2016 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins auf dem streitgegenständlichen Grundstück und in dessen Umgebung erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Augenscheins und der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre bereits schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte, insbesondere auch den streitgegenständlichen Bescheid vom 7. April 2015 sowie das schriftsätzliche Vorbringen im Einzelnen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Soweit die Beklagte unter Ziffer 1 des Bescheids vom 7. April 2015 die Beseitigung der Garagenanlage angeordnet hat, ist dieser rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beseitigungsanordnung bezüglich der Einfriedung und die entsprechende Zwangsgeldandrohung (Ziffer 2 und Ziffer 3 Spiegelstrich 2 des Bescheids vom 7. April 2015) waren aufzuheben, da die Klägerin insoweit in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt wird.

I.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Beseitigungsanordnung der Garagenanlage (Ziffer 1 des Bescheids vom 7.4.2015) liegen vor und die Beklagte hat insoweit auch ihr Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt.

Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Eine Beseitigungsanordnung kann ergehen, wenn die zu beseitigende Anlage sich in ihrem Bestand als formell und materiell illegal darstellt (BayVGH, B.v. 20.1.2003 - 20 ZB 99.3616 - juris Rn. 3).

Gemessen an diesen Vorgaben sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beseitigungsanordnung erfüllt. Das nicht verfahrensfreie Vorhaben ist nicht genehmigt und damit formell rechtswidrig und widerspricht auch materiellem Recht, so dass nicht auf andere Weise - durch Erteilung einer Baugenehmigung - rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

1. Eine Genehmigung der Garagenanlage existiert entgegen den Spekulationen bzw. Aussagen der Klagepartei nicht. Die Klagepartei, die insoweit nachweispflichtig ist (vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2002 - 2 B 96.3258 - juris Rn. 17; VG München, U.v. 21.7.2008 - M 8 K 07.2169 - juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 1.10.2003 - 2 B 96.3308 - juris Rn. 18), hat diesen Nachweis nicht erbracht. Da in den Behördenakten ebenfalls keine entsprechende Genehmigung existiert, kann nur von deren Nichtvorhandensein ausgegangen werden.

2. Die streitgegenständliche Garagenanlage genießt auch keinen Bestandsschutz.

Zwar belegen die von der Klagepartei im Verwaltungsverfahren vorgelegten Luftbilder, dass bereits im Mai 1956 in dem südöstlichen Bereich des klägerischen Grundstücks eine bauliche Anlage bestand. Allerdings ergibt sich aus dem Luftbild vom Mai 1956 - auch wenn dieses keine den späteren Luftbildern vergleichbare Bildqualität aufweist -, dass die Abmessungen dieses Gebäudes wohl ein Längen- und Breitenverhältnis von 2 : 1 aufwiesen. Dieses Verhältnis der Länge zur Breite der baulichen Anlage entspricht aber weder der heutigen Anlage noch der auf dem Luftbild vom Juni 1965 klar zu erkennenden; bereits hier ergibt sich ungefähr das Verhältnis von Länge zur Breite von ca. 3 : 1, wie es sich auch heute in etwa darstellt.

Ganz klar erkennbar ist aber beim Vergleich der Luftbilder vom Mai 1956 und Juni 1965, dass die auf dem streitgegenständlichen Grundstück vorhandene bauliche Anlage im Juni 1965 deutlich weiter nach Norden versetzt worden ist. Seinerzeit existierte die wohl heute noch vorhandene Zuwegung der FlNr. ... von der ... Straße in Richtung Westen auf den ... Bach zu, die sich allerdings damals zum Zwecke der Erschließung der dort noch vorhandenen (Gewerbe-)Bauten nach einem 90 °-Knick östlich des ... Baches nach Süden fortsetzte. Sowohl an dem auf den Luftbildern eindeutig erkennbaren 90 °-Knick als auch der südlichen Giebelwand des im Eckbereich dieses Weges seinerzeit noch vorhandenen Satteldachgebäudes ist erkennbar, dass das im Jahre 1956 existierende Gebäude 1965 nicht mehr bestand, sondern an seiner Stelle deutlich weiter nördlich ein neues - wohl auch größeres - Gebäude errichtet worden war. Demnach ist ein etwaiger Bestandsschutz unabhängig von einer von der Klagepartei behaupteten Genehmigungsfreiheit im Jahre 1956 an der Rechtslage im Jahre 1965 zu messen. Nach den einschlägigen Vorschriften der Bayerischen Bauordnung 1962 (vom 1.8.1962, GVBl. Nr. 14 S. 179 - 204) war das Vorhaben weder genehmigungs- noch anzeigefrei, Art. 84 BayBO 1962.

Anhaltspunkte, dass das Gebäude 1965 genehmigungsfähig gewesen wäre, bestehen ebenfalls nicht, zumal dessen damalige Nutzung nicht belegt ist.

3. Die streitgegenständliche Garagenanlage ist auch nicht genehmigungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob das Grundstück der Klägerin dem Innen- oder dem Außenbereich zuzuordnen ist.

3.1 Soweit man bei der Zuordnung des Grundstücks FlNr. ..., Gemarkung ..., vom Innenbereich ausgehen würde, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 30 Abs. 3 BauGB, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB. Wie sich aus den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Baulinienplänen (Baulinienfestsetzung vom 25.6.1910, genehmigt am 25.2.1911 - Nr. 34/B und vom 5. November 1957 Nr. IV/5-13369 U 1, genehmigt am 10.7.1958) ergibt, liegt das streitgegenständliche Grundstück außerhalb der Bauräume in einer hier festgesetzten Grünfläche.

Anhaltspunkte für Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baulinienfestsetzung bzw. deren wirksamen Überleitung gemäß § 173 Abs. 3 BBauG bestehen nicht. Die streitgegenständliche Garagenanlage widerspricht somit den Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 3 BauGB.

3.1.2 Eine Ausnahme nach § 23 Abs. 5 BauNVO i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil § 23 BauNVO nicht auf übergeleitete Baulinienpläne anwendbar ist (BVerwG, U.v. 23.08.1968 - IV C 103.66, BayVBl. 1969, S. 26 ff.; BayVGH, U.v. 07.09.2007 - 26 B 04.1591 - juris, RdNr. 36).

3.1.3 Ein Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von der Festsetzung der Baugrenzen steht der Klägerin nicht zu, da durch die Befreiung die Grundzüge der Planung berührt werden würden.

Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 - 4 B 5.99, NVwZ 1999, 1110 - juris; B.v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - juris; U.v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 - juris RdNr. 37; U.v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - juris RdNr. 22). Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde; hierfür ist ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter engen Voraussetzungen abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1978 - 4 C 54.75 - juris RdNr. 27; U.v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - juris RdNr. 22). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - juris RdNr. 6; B.v. 29.7.2008 - 4 B 11/08 - juris RdNr. 4; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2015, § 31 RdNr. 36).

Es liegt auf der Hand, dass das Ziel der Festsetzung, auf beiden Seiten des ... Bachs eine diesen von der ... Straße bis zur Stadtgrenze begleitende Grünfläche festzusetzen, durch die Errichtung von baulichen Anlagen in dieser Grünfläche - zumal eines Ausmaßes wie der streitgegenständlichen - konterkariert werden und zu Bezugsfällen führen würde.

Dies gilt auch, wenn man hier aufgrund der Unanwendbarkeit des § 23 Abs. 5 BauNVO i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB im Lichte des § 23 Abs. 5 BauNVO betrachten würde, weil dessen Nichtanwendbarkeit bei übergeleiteten Baugrenzen und Baulinien ansonsten zu sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen führen würde. Die streitgegenständliche Garagenanlage erfüllt aufgrund ihrer Größe und Massivität nicht die Voraussetzung einer untergeordneten Nebenanlage und dient aufgrund ihres Nutzungszwecks und ihrer Zuordnung weder den in dem Baugebiet gelegenen Grundstücken noch dem Baugebiet selbst.

3.2 Für die Zuordnung des streitgegenständlichen Grundstücks zum Außenbereich, § 35 BauGB, spricht, dass die Bebauung auf der FlNr. ... von der Bebauung ... Str. 36 - 36 e im Nordosten und der ... Str. 95 - 95 e im Westen bzw. Nordwesten und auch der ... Str. 99 im Westen deutlich abgesetzt und im Süden bzw. Südosten von freier Landschaft umgeben ist. Soweit deshalb das Vorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen ist, ist es nicht genehmigungsfähig, da es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB handelt und ihm als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB mehrere Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen. Dies sind zum einen der Flächennutzungsplan, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB, der im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks eine ökologische Ausgleichsfläche darstellt, ferner § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5 BauGB, Lage im Landschaftsschutzgebiet und im Widerspruch zur Eigenart der Landschaft stehend, sowie auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 7 BauGB, weil das Gebäude die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt.

Unabhängig davon, dass das streitgegenständliche Garagengebäude nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB nicht zulassungsfähig ist, besteht auch hier ein Widerspruch zu § 30 Abs. 3 BauGB, wie bereits oben unter Ziffer 3.1 dargestellt.

4. Abgesehen von der planungsrechtlichen Unzulässigkeit hat die Beklagte auch zu Recht einen Widerspruch zu den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Abstandsflächenrechts festgestellt. Das streitgegenständliche Garagengebäude steht mit seiner südlichen Außenwand mit einer Länge von 19 m auf der südlichen Grundstücksgrenze und hält somit entgegen Art. 6 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BayBO nicht den notwendigen Abstand zur Grundstücksgrenze von 3 m ein. Die Grenzgaragenprivilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Ziffer 1 BayBO kann das streitgegenständliche Gebäude nicht in Anspruch nehmen, da es die Gesamtlänge von 9 m bei weitem überschreitet.

4.1 Entgegen der Ansicht der Klagepartei liegen auch die Voraussetzungen für eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht vor. Tatbestandsvoraussetzung für eine solche Abweichung ist eine atypische Fallkonstellation.

Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Die Zulassung einer Abweichung setzt Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris Rn. 16; B.v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris Rn. 8; B.v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; B.v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris Rn. 24; B.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris Rn. 22; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U.v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231, BayVBl. 2012, 535 - juris Rn. 16; B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B.v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris Rn. 3; B.v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es müssen rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 15; B.v. 11.12.2014 - 15 CS 14.1710 - juris Rn. 19). Diese können sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2006 - 25 ZB 01.1004 - juris Rn. 4; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B.v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 4; B.v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik, da Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B.v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 3).

Entgegen der Ansicht der Klagepartei liegt eine derartige Atypik nicht vor. Ein langjähriger - rechtswidriger - Bestand begründet keine Atypik. Das gleiche gilt für den Fall, dass eine rechtswidrige abstandsflächenrechtliche Situation durch eine Grundstücksteilung entstanden ist. Andernfalls würden entgegen der Gesetzesintention bewusst herbeigeführte, dem Abstandsflächenrecht widersprechende bauliche Zustände grundsätzlich durch Erteilung einer Abweichung legitimiert werden können.

5. Die Beklagte hat bei dem Erlass der Beseitigungsanordnung hinsichtlich der Garagenanlage auch rechtsfehlerfrei von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht (Art. 76 BayBO). Sie hat sich bei ihrer Ermessensausübung mit allen relevanten Gesichtspunkten ausführlich auseinandergesetzt und das private Interesse der Klägerin an der Beibehaltung der Garagenanlage mit den öffentlichen Interessen an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes abgewogen. Hierbei hat sie zu Recht das Interesse der Klägerin auch im Hinblick auf die von ihr getätigten Investitionen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände und auch der Vermeidung einer Bezugsfallgefahr zurückgestellt. Soweit die Klägerin die Notwendigkeit der Erhaltung der Garagenanlage auf ihren Gesundheitszustand stützt, sind diese subjektiven Interessen als nicht grundstücksbezogen bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Beseitigungsanordnung unbeachtlich.

Die Ermessensausübung der Beklagten ist auch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG nicht zu beanstanden.

Zwar ist der Klägerin dahingehend Recht zu geben, dass die Baurechtsbehörde mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist, das ihr eingeräumte Ermessen in gleich gelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Aus diesem Grund ist es ihr verwehrt, systemlos oder willkürlich nur gegen einzelne Bauvorhaben einzuschreiten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bauaufsichtsbehörde verpflichtet wäre, rechtswidrige Zustände zeitgleich flächendeckend aufzugreifen. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich keine allgemein gültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände. Vielmehr ist es der Bauaufsichtsbehörde unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ebenso darf die Behörde sich zunächst auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (BVerwG, B.v. 22.4.1995 - 4 B 55/95 - juris Rn. 5; B.v. 23.11.1998 - 4 B 99/98 - juris Rn. 4).

Vorliegend hat die Beklagte nicht nur das streitgegenständliche Garagengebäude, sondern in der Umgebung auch weitere nicht genehmigte und genehmigungsfähige Nebengebäude, und zwar unabhängig von ihrer Vergleichbarkeit, aufgegriffen. Insoweit kann der Beklagten kein fehlendes Einschreitenskonzept vorgehalten werden. Soweit in keinem räumlichen Zusammenhang stehende, weiter entfernte nicht genehmigte bzw. genehmigungsfähige bauliche Anlagen (noch) nicht aufgegriffen wurden, begründet dies keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Wie oben festgestellt, kann auch im Hinblick auf Art. 3 GG von der Bauaufsichtsbehörde nicht verlangt werden, rechtswidrige Zustände zeitgleich flächendeckend aufzugreifen.

6. Das unter Ziffer 3 Spiegelstrich 1 angedrohte Zwangsgeld ist auf der Grundlage der Art. 29, 31, 36 VwZVG ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Zwangsgeldhöhe von Euro 5.000,-- im Hinblick auf den gesetzlichen Rahmen nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG von mindestens Euro 15,-- und höchstens Euro 50.000,-- unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin am Unterbleiben der Beseitigung als im unteren Bereich einer möglichen Zwangsgeldhöhe angesiedelt, durchaus angemessen. Das gleiche gilt auch für die Fristsetzung von sechs Monaten nach Unanfechtbarkeit der Verfügung; diese Frist ist auch unter Berücksichtigung der persönlichen Einschränkungen der Klägerin noch angemessen.

II.

Im Hinblick auf die Feststellungen unter Ziffer I.5 war der Bescheid, soweit er unter Ziffer 2 die Beseitigung der Einfriedung des Grundstücks FlNr. ... anordnet, aufzuheben. Bezüglich dieser Anordnung fehlt ein entsprechendes Einschreitenskonzept. Im östlichen und im südlichen Bereich des östlichen Teils des Grundstücks FlNr. ... befinden sich Einfriedungen, die nicht genehmigungsfähig sind, da dieser Teil der FlNr. ... zweifellos dem Außenbereich zuzuordnen ist. Das gleiche gilt für das Grundstück FlNr. ..., das auf seiner Westseite entlang des Baches und auf seiner Nordseite gegenüber dem Wegegrundstück mit einem ca. 1,50 m hohen Maschendrahtzaun eingezäunt ist. Dieser Maschendrahtzaun setzt sich nach Osten entlang der Nordgrenze der FlNr. ... fort. Die Grundstücke FlNr. ... und FlNr. ... sind zweifellos ebenfalls dem Außenbereich zuzuordnen, weshalb die hier befindlichen Einfriedungen nicht genehmigungsfähig sind. Anders als die Einfriedung des streitgegenständlichen Grundstücks hat die Beklagte die nicht zulässigen Einfriedungen auf den östlichen und dem südlichen Nachbargrundstück nicht aufgegriffen. Bezüglich der Einfriedung auf dem streitgegenständlichen Grundstück handelt es sich daher zumindest um ein systemloses, wenn nicht willkürliches Vorgehen, zumal auch auf dem östlichen Teil der FlNr. ... neben der nicht genehmigungsfähigen Einfriedung ein Nebengebäude vorhanden ist, das die Beklagte nach ihren eigenen Angaben aufgegriffen hat. Es hätte sich daher vorliegend aufgedrängt, die rechtswidrigen Zustände auf dem östlichen Teil der FlNr. ... - sowie auf dem streitgegenständlichen Grundstück - insgesamt zu bereinigen oder gänzlich auf Verfügungen bezüglich der Einfriedungen zu verzichten. Insoweit ergibt sich kein sachlicher Grund, dass eine solche Gesamtbereinigung nur auf dem streitgegenständlichen Grundstück stattgefunden hat, wenn die Beklagte im Übrigen gegen die nicht zulässigen Einfriedungen auf den Nachbargrundstücken nicht vorgeht.

III.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO teilweise stattzugeben.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Kleinwindkraftanlage.

Unter dem Datum des 28. Februar 2010 stellte er einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Errichtung einer Kleinwindanlage“ auf dem im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) gelegenen Grundstück FlNr. … der Gemarkung L … (Baugrundstück). Nach den mit dem Bauantrag vorgelegten weiteren Unterlagen betraf der Bauantrag das Fabrikat „W …“. Die Beigeladene versagte das gemeindliche Einvernehmen.

Im Rahmen einer Baukontrolle am 25. März 2014 stellte das Landratsamt S … fest, dass der Kläger auf dem Baugrundstück - genau an dem Standort der geplanten Windkraftanlage - mit der ungenehmigten Errichtung eines Fundaments (Betonplatte mit einer darauf befestigten Metall-Trägerplatte) sowie eines Elektroverteilerkastens begonnen hatte. Hierauf verfügte das Landratsamt mit Bescheid vom 26. März 2014 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Verpflichtung des Klägers, die Bauarbeiten sofort einzustellen. Dieser Bescheid war Gegenstand eines erstinstanzlichen Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 7 K 14.873). Auf den diesbezüglich im Berufungszulassungsverfahren ergangenen heutigen (ablehnenden) Beschluss des Senats im Verfahren 15 ZB 16.672 wird Bezug genommen.

Im Rahmen einer weiteren Baukontrolle vom 7. April 2014 stellte das Landratsamt fest, dass entgegen der verfügten Baueinstellung ein Mast mit einer Höhe von ca. 18 m errichtet wurde, und zwar - wie sich später herausstellte - nunmehr für eine andere Windkraftanlage, nämlich für eine solche des Fabrikats „A …“.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 17. April 2014, gegen den der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhob, lehnte das Landratsamt den Bauantrag des Klägers vom 28. Februar 2010 ab. Laut der Begründung des Bescheids widerspreche das gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierte Vorhaben den Darstellungen des im Flächennutzungsplan integrierten Landschaftsplans. Darüber hinaus stünden der Verwirklichung Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Denkmalschutzes entgegen. Das Landschaftsbild werde beeinträchtigt. Schließlich würden bei Umsetzung schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen.

Mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 27. November 2015 wurde dem Kläger unter Rekurs auf § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Frist bis zum 23. Dezember 2015 gesetzt, um weitere Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle, anzugeben. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen, die erst nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht werden, unter den Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 VwGO zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden könne.

Am 13. Januar 2016 - am Vortag der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - reichte der Kläger sowohl beim Landratsamt als auch bei der Beigeladenen einen auf den 25. Mai 2015 datierten und als „Tektur“ bezeichneten Bauantrag für das Bauvorhaben „Errichtung einer Klein-Windkraftanlage“ auf dem Baugrundstück ein und zwar laut beigefügter Baubeschreibung sowie weiteren Unterlagen für das Fabrikat „A …“.

Mit Urteil vom 14. Januar 2016 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage des Klägers mit den in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen, unter Aufhebung des Bescheids vom 17.4.2014 den Beklagten zu verpflichten, „die beantragte Genehmigung unter Berücksichtigung der eingereichten Tekturantragsunterlagen zu erteilen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Tekturunterlagen neu zu verbescheiden und hilfsweise festzustellen, dass die ursprünglich beantragte Anlage genehmigungsfähig war“, ab.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen entweder nicht vor oder wurden nicht ausreichend am Maßstab von § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.

1. Die Berufung ist nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2016 sind nicht gegeben. Das insoweit maßgebliche, in offener Frist bei Gericht eingegangene Vorbringen der Klägerin in der Zulassungsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Mit seinem Einwand, das Verwaltungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrag sowie den ersten Hilfsantrag falsch ausgelegt und zu Unrecht nicht auf das Ziel des Erhalts einer Genehmigung für die Errichtung einer Anlage nach Maßgabe des Bauantrags vom 28. Februar 2010 bezogen, kann der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht begründen.

Nach Ansicht des Klägers führe das Urteil fehlerhaft aus, dass streitgegenständlich nach der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung allein die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Kleinwindkraftanlage des Typs „A …“ sei und dass die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Kleinwindkraftanlage des Typs „W …“ nicht mehr - auch nicht hilfsweise - weiterverfolgt werde. In der mündlichen Verhandlung sei die Verpflichtung des Beklagten beantragt worden, die „beantragte Genehmigung“ zu erteilen. Aus dieser Antragstellung gehe schon vom Wortlaut her hervor, dass sie sich auch auf die Genehmigung bezogen habe, die der Kläger bereits ursprünglich verfolgt habe. Der Verpflichtungsantrag habe nicht nur das Ziel verfolgt, eine Genehmigung für eine neue bzw. andere bauliche Anlage zu erhalten, sondern habe auch die alte Anlage betroffen. Der in den Tekturunterlagen beschriebene neue Anlagentyp habe nur als Ergänzung des ursprünglich beantragten Antrags angesehen werden sollen. Das gelte auch für den ersten Hilfsantrag. Der zweite Hilfsantrag zeige ebenfalls, dass eine Genehmigung der ursprünglichen Anlage weiterverfolgt werde und nur alternativ die Tekturanlagen einer Genehmigung zugeführt werden sollten. Die Beantragung einer Genehmigung für eine andere bauliche Anlage oder für eine Tektur sei bei dem vorliegenden bloßen „Markenwechsel“ gar nicht erforderlich gewesen. Das Gericht sei insofern fehlerhaft davon ausgegangen, dass bedeutende Änderungen gegenständlich gewesen seien. Die Auswirkungen, die aufgrund der Unterschiede der beiden zu vergleichenden Anlagen zu erwarten seien, seien derart gering, dass diese nicht nennenswert ins Gewicht fielen. Der einzige Unterschied betreffe eine geringfügig variierende Masthöhe, die nicht einmal zwingend eine andere Anlagenhöhe zur Folge habe. Auch hinsichtlich der Lärmbetroffenheit gebe es keine relevanten Unterschiede, weil die Immissionswerte beider Anlagentypen weit unterhalb der einschlägigen Richtwerte lägen. Eine andere baurechtliche Beurteilung sei daher entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich gewesen. Der bereits ursprünglich gestellte Antrag sei als ausreichend zu betrachten.

Es ist - wie der Kläger im Zulassungsverfahren versucht darzulegen - nicht nachvollziehbar, dass die in der mündlichen Verhandlung gestellten Verpflichtungsanträge (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) auch die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Genehmigung nach Maßgabe des Bauantrags vom 28. Februar 2010 bzw. zur dessen Neubescheidung umfassen sollten. Die diesbezügliche Auslegung des Verwaltungsgerichts lässt keine Fehler erkennen.

Der Wortlaut der protokolierten Anträge steht einem inhaltlichen Verständnis (vgl. § 88 VwGO), wie es das Verwaltungsgericht zu Grunde gelegt hat, dass nämlich vom Verpflichtungs- bzw. Neubescheidungsbegehren nur noch die Anlage des Typs „A …“ umfasst sei, nicht entgegen.

Die Ansicht des Klägers, die Anlage des Typs „A …“ sei in der Sache bereits vom Gegenstand des Antrags vom 28. Februar 2010 umfasst, sodass es des als „Tektur“ bezeichneten Bauantrags vom 25. Mai 2015 gar nicht bedurft hätte, ist rechtlich nicht haltbar. Der Gegenstand eines Bauantrags wird maßgeblich durch die Bauvorlagen definiert. Schon nach den Bauzeichnungen unterscheiden sich beide Anlagenfabrikate deutlich. Eine Kleinwindkraftanlage des Typs „A …“, wie sie der Kläger tatsächlich teilweise errichtet hat, stellt gegenüber der ursprünglich beantragten Kleinwindkraftanlage des Typs „W- …“ ein „aliud“ dar. Der am Vortrag der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beim Landratsamt sowie bei der Beigeladenen eingereichte Bauantrag vom 25. Mai 2015 ist damit keine bloße Tektur, sondern stellt in der Sache einen ganz neuen Bauantrag dar, weil die Identität des ursprünglich beantragten Vorhabens nicht im Wesentlichen gewahrt bleibt (zur Abgrenzung zwischen Tektur- und Aliudantrag bzw. Tektur- und Aliudgenehmigung vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2007 - 1 CS 07.801 - BayVBl. 2007, 758 ff. = juris Rn. 33; B.v. 26.3.2008 - 15 ZB 07.3194 - juris Rn. 9; U.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 27; B.v. 29.8.2016 - 15 ZB 15.2442 - juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 14.11.2012 - 2 B 3.11 - juris Rn. 57; B.v. 24.6.2014 - OVG 10 S. 29.13 - juris Rn. 6; OVG Lüneburg, B.v. 16.6.2014 - 1 ME 70/14 - NVwZ-RR 2014, 802 = juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 13.12.2012 - 2 B 1250/12 - NVwZ-RR 2013, 500 = juris Rn. 15; Schwarzer/König, 4. Aufl. 2012, Art. 64 Rn. 18 ff.; vgl. auch Struzina/Lindner, ZfBR 2015, 750 ff.; Kerkmann/Sattler, BauR 2005, 47/50 ff. m.w.N.). Es handelte sich nicht nur - wie der Kläger versucht darzustellen - um einen bloßen „Markenwechsel“. Vielmehr unterscheiden sich die beiden Windkraftanlagen nach den Unterlagen der jeweiligen Bauanträge erheblich in den Maßen und hinsichtlich der technischen Ausstattung (divergierende Leistungskraft der Anlagen). Während das vom ursprünglichen Bauantrag vom 28. Februar 2010 umfasste Fabrikat „W- …“ einen Rotordurchmesser von 8 m, eine Nabenhöhe von 16 m (folglich Gesamthöhe 20 m) sowie eine Nennleistung von 10.000 W (= 10 kW) aufweist, verfügt das Fabrikat „A …“ laut den Unterlagen zum Bauantrag vom 25. Mai 2015 über eine Masthöhe 18 m, einen Rotordurchmesser von 5,30 m, eine Nabenhöhe (laut Planzeichnung) von ca. 19 m, eine Gesamthöhe 21,826 m sowie eine Nennleistung 7,5 kW (Maximalleistung 12,5 kW). Beide Anlagen unterscheiden sich mithin schon auf den ersten Blick in ihrem Erscheinungsbild (vgl. BayVGH, U.v. 11.11.2014 a.a.O.). Darüber hinaus stellt sich aufgrund der abweichenden technischen Ausstattung (anderer Rotor) und einer abweichenden Nabenhöhe die Frage der Lärmbelastung im Vergleich zum ursprünglichen Antrag neu. Divergierende Maße und das divergierende Erscheinungsbild der Anlagen können auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Betroffenheit des Landschaftsbilds und der Belange des Denkmalschutzes haben, die veränderte Rotorengröße kann ggf. eine andere Relevanz hinsichtlich der Belange des Naturschutzes (Artenschutz) haben. Für beide Anlagen mögen sich mithin ähnliche Zulässigkeitsfragen am Maßstab von § 35 BauGB stellen, diese sind aber aufgrund der aufgezeigten Unterschiede eben jeweils individuell für jede Anlage gesondert zu beurteilen. Zudem waren für den Antrag vom 25. Mai 2015 vollständig neue Bauzeichnungen erforderlich; ein bloßer Einzelplan unter Darstellung der Änderungen im Vergleich zur Ausgangsgenehmigung - wie bei Tekturen typisch - hätte insofern nicht genügt (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 64, Rn. 19).

Ausgehend hiervon sowie unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falles und insbesondere der Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung (hierzu im Folgenden) können die Anträge auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der „beantragten Genehmigung unter Berücksichtigung der eingereichten Tekturantragsunterlagen“ (Hauptantrag) bzw. zur diesbezüglichen Neubescheidung (erster Hilfsantrag) nur dahin ausgelegt werden, dass es dem Kläger nur noch um eine Anlage „A …“ ging, wie sie Gegenstand des (erst am Vortag eingereichten) Genehmigungsantrags vom 25. Mai 2015 ist:

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte der Kläger auf die Frage des Gerichts, warum der Bau einer anderen Anlage als beantragt begonnen worden sei, die Herstellerfirma der damals beantragten Anlage sei insolvent geworden und die (ursprünglich beantragte) Anlage sei im Handel nicht mehr verfügbar. Er könne diese Anlage gar nicht mehr bauen. Ähnlich hatte sich der Kläger bereits im Rahmen eines Augenscheintermins geäußert. Es dürfte bereits Vieles dafür sprechen, dass der Kläger, nachdem er eine andere Anlage erworben und in fortgeschrittenem Stand errichtet hatte, durch die Einreichung des so bezeichneten „Tekturantrags“ am Vortag der mündlichen Verhandlung seinen ursprünglichen Bauantrag ggf. sogar konkludent zurückgenommen hat (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 64, Rn. 20; BayVGH, U.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 27). Jedenfalls ergibt sich aus den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eindeutig kein Interesse mehr hatte, die Kleinwindkraftanlage des Typs „W- …“, wie sie Gegenstand des ursprünglichen Bauantrags vom 28. Februar 2010 war, noch umzusetzen.

Dass das Protokoll über die mündliche Verhandlung insoweit unrichtig sei, wurde vom Kläger im Zulassungsverfahren nicht geltend gemacht. Auch und insbesondere im Schriftsatz vom 26. April 2016 findet sich keine plausible bzw. substanziierte Darlegung dazu, dass der Kläger entgegen seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung tatsächlich doch noch an der Errichtung einer Kleinwindkraftanlage des Typs „W- …“ interessiert (gewesen) sei. Die Ausführung begrenzen sich - wie oben gesehen - auf die maßgeblich am vermeintlichen Wortlaut der Antragstellung sowie an Fragen der (Ir-) Relevanz von Änderungen im Baugenehmigungsverfahren ausgerichtete Behauptung, der Verpflichtungsantrag (Hauptantrag) sowie der Neubescheidungsantrag (erster Hilfsantrag) hätten sowohl die mit Bauantrag vom 28. Februar 2010 erfasste Anlage des Typs „W- …“ als auch die Anlage des Fabrikats „A …“, die Gegenstand des neuen Bauantrags ist, mitumschlossen. Die Motivationslage in Bezug auf den Umsetzungswillen für den ursprünglich beantragten Anlagentyp wird vom Kläger nicht thematisiert. Unabhängig vom Erfordernis substanziierter Darlegung des Zulassungsgrundes (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) kann der Zulassungsbegründung auch mit Blick auf die Existenz des nach Schluss der mündlichen Verhandlung per Telefax am 15. Januar 2016 (ohne gerichtliche Zulassung und damit unter Verstoß gegen die prozessualen Regeln, vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 103 Rn. 18) nachgereichten Schriftsatz des Klägers vom 14. Januar 2016 (vgl. Bl. 153 f. der VG-Akte RO 7 K 14.873) kein solcher Vortrag entnommen werden. Denn der Bevollmächtigte des Klägers führt in diesem Schriftsatz lediglich aus, das Verwaltungsgericht unterliege einem Fehler, wenn es aus der Aussage des Klägers, dass er die ursprüngliche Anlage nicht mehr errichten wolle, schlösse, dass er das auch nicht mehr könne. Auch wenn das Herstellerunternehmen der ursprünglich geplanten Anlage insolvent sei, sei - so der Kläger in diesem Schriftsatz weiter - in Erfahrung gebracht worden, dass solche Anlagen bei einigen Händlern, teilweise auch als gebrauchte Anlagen, erwerbbar seien, wenngleich zu sehr hohen Preisen. Es wird in diesem Schriftsatz mithin nur auf eine fortbestehende Möglichkeit des Erwerbs des ursprünglich beantragten Anlagentyps trotz Insolvenz des Herstellers hingewiesen. Die Haltung des Klägers, die ursprünglich beantragte Anlage nicht mehr errichten zu wollen, wird nicht revidiert, sondern vielmehr bestätigt. Dass der Kläger im Zulassungsbegründungsschriftsatz nunmehr von dieser Aussage abrückt, ist nicht erkennbar.

Würde man bei dieser Sachlage dennoch davon ausgehen, der Kläger hätte mit seinen Klageanträgen eine Verpflichtung der Beklagten auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Anlagentyp „W- …“ bzw. auf Neubescheidung hierüber weiterverfolgt, würde diesbezüglich dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil er seine Rechtsstellung bei Erfolg der Klage nicht verbessern könnte (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Vor §§ 40 - 53, Rn. 16). Denn ihm würde der Erfolg der Klage insoweit - also eine Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung nach Maßgabe des ursprünglichen Bauantrags oder zu dessen Neubescheidung - nichts nutzen, wenn er die Verwirklichung einer Anlage des Anlagentyps „W- …“ aufgegeben hat. Auch vor diesem Hintergrund macht der Vortrag im Zulassungsverfahren, der Kläger hätte mit seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen weiterhin eine Genehmigung für eine Anlage „W- …“ verfolgt, keinen Sinn.

Stellen aber die Anlagentypen „W- …“ und „A …“ divergierende Antragsgegenstände dar, sodass der Anlagentyp „A …“ nicht vom ursprünglichen Bauantrag aus dem Jahr 2010 abgedeckt ist, und ist ferner den Erklärungen des Klägers - wie aufgezeigt - unzweideutig zu entnehmen, dass er - unabhängig von der Frage, ob eine Anlage des Typs „W- …“ trotz Insolvenz des Herstellers noch tatsächlich auf dem Markt erwerbbar ist oder nicht - an einer Anlage genau dieses Typs kein Interesse mehr hat (und ihm damit eine entsprechende Genehmigung mangels Umsetzungswillens nichts nutzen würde), dann verbleibt keine andere Möglichkeit, als den Klageantrag im Haupt- und im ersten Hilfsantrag mit dem Verwaltungsgericht dahin auszulegen, dass es dem Kläger nur noch um die Verpflichtung des Beklagten ging, eine Baugenehmigung nach Maßgabe des tags zuvor eingereichten, auf den 25. Mai 2015 datierten Bauantrags für die Errichtung einer Kleinwindkraftanlage des Typs „A …“ zu erteilen (Hauptantrag) bzw. diesen neu zu verbescheiden (erster Hilfsantrag). Hierfür spricht auch, dass der Kläger genau diese Anlage bereits zu einem Großteil am relevanten Standort tatsächlich errichtet hat.

b) Die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ist nicht aufgrund der Ausführungen in den Entscheidungsgründen zur Frage einer Klageänderung (§ 91 VwGO) ernstlich zweifelhaft. Der Kläger moniert, dass eine Klageänderung nur dann in Frage käme, wenn tatsächlich ein anderer Antrag gestellt worden wäre.

Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist schon deshalb irrelevant, weil das Verwaltungsgericht selbst das Vorliegen einer Klageänderung offen gelassen hat. Das Verwaltungsgericht hat den Verpflichtungssowie den (hilfsweise gestellten) Neubescheidungsantrag ausdrücklich unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen einer zulässigen Klageänderung mit den von ihm (s.o.: richtigerweise) zu Grunde gelegten Inhalten als unzulässig angesehen. Aufgrund dessen kann die Frage, ob von einer Klageänderung auszugehen ist oder nicht, mangels Entscheidungserheblichkeit für die Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine Rolle spielen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2015 - 1 ZB 13.92 - juris Rn. 3; B.v. 6.2.2017 - 15 ZB 16.398 - juris Rn. 14; B.v. 6.3.2017 - 15 ZB 16.562 - juris Rn. 15).

c) Soweit der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil einwendet, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, dass es der Verpflichtungsklage am Rechtsschutzbedürfnis fehle, vermag er damit die Berufungszulassung ebenfalls nicht auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu stützen.

Der diesbezügliche Hauptangriff des Klägers, die Annahme der Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses sei Folge einer fehlerhaften Antragsauslegung gewesen, geht inhaltlich fehl. Die vom Kläger als unzutreffend gerügte Auslegung der Klageanträge (Haupt- und erster Hilfsantrag) - als Basis der Argumentation des Verwaltungsgerichts zum fehlenden Rechtsschutzinteresse - erweist sich nach den obigen Ausführungen zu a) vielmehr als zutreffend.

Die Einwendungen, die der Kläger gegen die Ausführungen des Gerichts zu § 87b VwGO im Zusammenhang mit der Begründung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses erhebt, begründen ebenfalls keinen Zulassungsgrund wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht, wonach der Verpflichtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehle, in erster Linie darauf gestützt, dass der Beklagte noch nicht über den geänderten Bauantrag entschieden habe. Zur Zulässigkeit der Klage gehöre, dass das Verwaltungsverfahren durchgeführt worden sei, es sei denn, es lägen die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vor. An einem solchen Verwaltungsverfahren fehle es vorliegend. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 17. April 2014 beziehe sich auf die Bauantragsunterlagen vom 28. Februar 2010, mit denen die Genehmigung für einen anderen Anlagentyp beantragt worden sei. Aufgabe der Verwaltungsgerichte sei es, behördliche Entscheidungen über Bauanträge auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht aber, solche Entscheidungen selbst zu treffen. Das Erfordernis, dass der Kläger sein Begehren vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren geltend mache, sei eine Sachurteilsvoraussetzung, die auch der Verwirklichung des in Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG verankerten Gewaltenteilungsprinzips diene. Der Beklagte habe - unabhängig davon, ob es sich hinsichtlich des Anlagentyps „A …“ um einen Änderungsantrag oder um einen ganz neuen Bauantrag handele - einen Anspruch darauf, zunächst selbst (ggf. unter Beteiligung ihm zur Verfügung stehender Fachstellen bzw. Fachbehörden) über den zuletzt gestellten Bauantrag zu entscheiden. Zudem habe die Beigeladene einen Anspruch auf Beteiligung mit Blick auf § 36 BauGB. Art. 66 BayBO sehe ferner eine Nachbarbeteiligung vor. Nur ausnahmsweise - so das Gericht weiter - bedürfe es aus Gründen der Verfahrensökonomie dann keines neuen Verwaltungsverfahrens und einer vorangehenden Entscheidung der Behörde, wenn es um unbedeutende bzw. untergeordnete Antragsänderungen gehe und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibe. Auf Seite 7 des angegriffenen Urteils legt das Verwaltungsgericht umfassend dar, warum aus seiner Sicht ein solcher Ausnahmefall nicht vorliege.

Gegen diese Ausführungen werden vom Kläger im Zulassungsverfahren (abgesehen vom nicht durchschlagenden Vorwurf einer falschen Klageantragsauslegung, s.o.) keine substanziierten Einwendungen erhoben.

Lediglich als Zusatzargument („unabhängig davon“) führt das Verwaltungsgericht im Anschluss ergänzend aus, dass gegen einen Ausnahmefall aus Gründen der Verfahrensökonomie auch spreche, dass das Gericht bereits anlässlich des Ortstermins am 21. Mai 2015 die Stellung eines entsprechenden Antrags angeregt sowie mit Schreiben vom 27. November 2015 eine Frist gem. § 87b VwGO gesetzt habe, dass nunmehr eine gerichtliche Beurteilung hinsichtlich des am 13. Januar 2016 gestellten und erst am Folgetag in der mündlichen Verhandlung dem Gericht zur Kenntnis gebrachten Bauantrag ohne Einholung von Stellungnahmen der Fachbehörden sowie der Gemeinde nicht möglich sei und dass deshalb eine solche Beurteilung zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen würde. Ist aber das angefochtene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt (kumulativen Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt (BayVGH, B.v. 11.4.2016 - 22 ZB 15.2484 - juris Rn. 8; B.v. 3.9.2015 - 9 ZB 12.2354 - juris Rn. 6; B.v. 21.1.2013 - 8 ZB 11.2030 - juris Rn. 15; B.v. 19.7.2011 - 8 ZB 11.319 - juris Rn. 15 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 61 m.w.N.). Allein der Angriff auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu § 87b VwGO nutzt dem Kläger am Maßstab von § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO daher nichts, wenn nicht auch die vorangegangenen, ebenso tragenden „Primär“-Erwägungen substanziiert angegriffen werden. Letzteres ist aber nicht geschehen.

Im Übrigen fehlt es an weiteren, dem Darlegungsgebot gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden substanziierten Einwendungen gegen die Richtigkeit der Annahme eines fehlenden Rechtsschutzinteresses (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 ZB 16.1365 - juris Rn. 8 m.w.N.). Der Senat teilt im Grundsatz die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Sachurteilsvoraussetzungen für den Verpflichtungsantrag (Hauptantrag) sowie den Neubescheidungsantrag (erster Hilfsantrag) nach richtiger Auslegung in Ausrichtung auf eine Kleinwindkraftanlage des Typs „A …“ nicht vorlagen. Die Begründung hierfür wäre aber wohl eher unmittelbar den Regelungen in § 75 Satz 1 und Satz 2 VwGO zu entnehmen: Aufgrund der Antragseinreichung am Tag vor der mündlichen Verhandlung war die prozessuale Situation im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (14. Januar 2016) dadurch gekennzeichnet, dass ein entsprechender Bauantrag (= Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts) tatsächlich bereits existierte bzw. gestellt war, dass aber über diesen durch das zuständige Landratsamt (Art. 53 Abs. 1 Satz 2, Art. 59 ff. BayBO) noch nicht entschieden wurde bzw. werden konnte. Es liegt damit ein Fall der Untätigkeitsklage vor, die gem. § 75 Satz 1 VwGO erst zulässig ist, wenn über den Vornahmeantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden wurde. Im Regelfall gilt gem. § 75 Satz 2 VwGO eine Sperrfrist von drei Monaten. Besondere Umstände, wonach wegen Halbsatz 2 dieser Regelung eine kürzere Frist geboten wäre, sind nicht ersichtlich und auch im Zulassungsverfahren nicht geltend gemacht worden, zumal im Baugenehmigungsverfahren zunächst der Bauantrag von der Beigeladenen mit einer Stellungnahme an das Landratsamts weiterzuleiten ist und das Landratsamt vor der Entscheidung über den Bauantrag weitere Stellen einzubinden hat (Art. 65 BayBO). Weil die Beigeladene noch über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu entscheiden hatte und zudem weitere Behörden und Fachstellen (insbesondere zu denkmalfachlichen, immissionsbezogenen und naturschutzfachlichen Fragen) einzubinden waren, lag es seinerzeit - worauf auch das Verwaltungsgericht auf Seite 8 des angegriffenen Urteils abgestellt hat - auf der Hand, dass eine angemessene Frist i.S. von § 75 Satz 1 VwGO als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Verpflichtungs- bzw. Neubescheidungsklage in Bezug „A …“ nach nur einem Tag noch nicht abgelaufen sein konnte (soweit diese Frist überhaupt schon zu laufen begann, was insbesondere von der Vollständigkeit der Antragsunterlagen abhängt, vgl. BayVGH, B.v. 3.6.2016 - 15 BV 15.2441 - juris; im Anschluss BVerwG, B.v. 10.1.2017 - 4 B 39/16 - juris). In der Zulassungsbegründung sind auch keine nach der mündlichen Verhandlung eingetretenen Umstände vorgetragen worden, die Veranlassung geben könnten, über ein nunmehr anderes Ergebnis nachzudenken (zur Streitfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen nach der mündlichen Verhandlung neu entstandene Tatsachen im Zulassungsverfahren berücksichtigungsfähig sind, vgl. z.B. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 21, 22). Soweit im Falle einer am Maßstab von § 75 Satz 1 und Satz 2 VwGO verfrühten bzw. vorzeitigen Untätigkeitsklage vertreten wird, dass das angerufene Gericht die noch unzulässige Untätigkeitsklage nicht wegen Unzulässigkeit abweisen dürfe, sondern entweder das Verfahren analog § 75 Satz 3 VwGO bis zum Ablauf der Frist aussetzen (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.1966 - I C 24.63 - BVerwGE 23, 135 = juris Rn. 15 ff.; krit. hierzu Menger/Erichsen, VerwArch 1967, 70/79 ff.) oder schlicht bis dahin zuwarten müsse (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 75), ist darauf vom Senat im vorliegenden Zulassungsverfahren nicht einzugehen, weil dies nicht nach Maßgabe von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geltend gemacht wurde.

d) Soweit der Kläger meint, dass jedenfalls der Anfechtungsteil des Klageantrags (d.h. soweit sich der Antrag auf die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. April 2014 bezog) im Rahmen der Begründetheit abzuarbeiten gewesen wäre und dass das Verwaltungsgericht wegen diesbezüglichen Unterlassens einem relevanten, zur Berufungszulassung führenden Fehler unterlegen sei, kann er damit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht begründen. Begrenzt sich ein Kläger in der Situation einer Verpflichtungsklage darauf, nur die Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts zu beantragen, fehlt einer solchen sog. isolierten Anfechtungsklage grundsätzlich - abgesehen von besonderen Ausnahmefällen - das allgemeine Rechtsschutzinteresse (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 34). Es entspricht zwar allgemeiner Übung der Verwaltungsgerichte, bei einem stattgebenden Verpflichtungsurteil zur Klarstellung neben der Verpflichtung der Behörde, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, auch die entsprechende ablehnende Verwaltungsentscheidung aufzuheben. Dies macht die Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage aber nicht zu einer Verbindung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage; vielmehr ist insoweit von einem „unselbständigen Anfechtungsannex“ der Verpflichtungsklage auszugehen (Schmidt a.a.O. Rn. 33). Bei einer Verpflichtungsklage ist die ablehnende behördliche Entscheidung im engeren Sinne grundsätzlich nicht selbständiger Gegenstand des Verfahrens (zum Ganzen auch NdsOVG, U.v. 24.11.2015 - 5 LB 59/15 - juris Rn. 62). Aus diesem Grund kann auch die Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage (Hauptantrag) bzw. einer Neubescheidungsklage (erster Hilfsantrag) nicht zur Folge haben, dass das Gericht jedenfalls über den Anfechtungsteil in der Sache entscheiden müsste. Dass hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz vorliegen könnte, ist weder vom Kläger im Zulassungsverfahren geltend gemacht worden noch ist dies sonst ersichtlich. Dass der Kläger hier überhaupt die Aufhebung des Bescheids vom 17. April 2014 als „unselbständigen Anfechtungsannex“ stellte, ist nur damit erklärbar, dass er offensichtlich dem - s.o.: auch in der Zulassungsbegründung zum Ausdruck kommenden - Irrtum unterlag, dass sich diese Ablehnung auch auf den tatsächlich nur noch verfolgten Anlagentypus „A …“ bezieht.

e) Auch mit seinem Angriff gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Feststellungsantrag (zweiter Hilfsantrag) sei unzulässig, kann der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Urteilsrichtigkeit begründen. Es spielt keine Rolle, ob dieser Feststellungsantrag als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO oder als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anzusehen ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob im Falle der Annahme einer allgemeinen Feststellungsklage der Zulässigkeit die Subsidiarität gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegensteht. Jedenfalls hat der Kläger auch mit seinem Zulassungsantrag kein Feststellungsinteresse geltend gemacht und insofern keine substanziierten Einwendungen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts erhoben, dass ein solches Interesse weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich sei.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 - 6 B 58.10 - juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 - 8 B 38.10 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 12.8.2016 - 15 ZB 15.696 - juris Rn. 19).

Die vom Kläger aufgeworfene und als grundsätzlich bezeichnete Frage, „unter welchen Bedingungen zwei Anlagen von unterschiedlichen Herstellern im Bereich der sog. Kleinwindkraft derart vergleichbar sind, dass ein neues Genehmigungsverfahren nicht erforderlich wird“, weist keine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung auf, deren Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte. Die diesbezüglichen fallübergreifenden Rechtsfragen sind vielmehr geklärt, vgl. die oben zu 1. a) zitierte Rechtsprechung u.a. zur „Tektur“ und zum „aliud“. Die einzelfallbezogene Anwendung von bereits grundsätzlich Geklärtem ist nicht i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 3 klärungsbedürftig (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 38).

Der vom Kläger ferner geltend gemachte Klärungsbedarf zu der Frage, „ob bzw. welche rechtlichen Anforderungen an Kleinwindkraftanlagen generell im Gegensatz zu herkömmlichen Windkraftanklagen gestellt werden“, lässt - unabhängig von der Frage der Entscheidungserheblichkeit bzw. Klärungsfähigkeit (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 37) - ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erkennen. Insofern erfüllt der Kläger bereits nicht die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dem Vortrag des Klägers fehlt eine inhaltliche Durchdringung und substanziierte Erläuterung unter Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, warum die Frage klärungsbedürftig ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die Frage ist im Übrigen schon viel zu weit gefasst und würde sich deshalb in dieser Allgemeinheit in einem Berufungsverfahren so nicht in entscheidungserheblicher Weise stellen (vgl. auch BVerwG, B.v. 21.9.2016 - 6 B 14.16 - juris Rn. 11, 14, 15). Welche allgemeinen rechtlichen Anforderungen an Kleinwindkraftanlagen bestehen und welche Unterschiede insofern im Vergleich zu „herkömmlichen“ Windkraftanlagen (ggf. sind insofern immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen gemeint) gelten, lässt sich nicht ohne Weiteres abstrakt beantworten. Hier kommt es vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall an, so dass die vom Kläger gestellte Frage insbesondere unter diesem Blickwinkel einer generellen Klärung nicht zugänglich ist.

3. Ohne Erfolg macht der Kläger einen Verfahrensmangel geltend (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Es ist nicht ersichtlich, dass er nach Maßgabe seines Zulassungsvorbringens durch die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung erfolgte Ablehnung seines Vertagungsantrags in seinem „Recht auf ausreichendes rechtliches Gehör“ verletzt sein könnte.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären und Anträge zu stellen, und verpflichtet das Gericht, das entscheidungserhebliche Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn die angefochtene Entscheidung auf Tatsachen oder Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, oder wenn das erkennende Gericht das entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat. Eine Gehörsverletzung liegt regelmäßig auch dann vor, wenn ein Vertagungsantrag abgelehnt wurde, nachdem in der mündlichen Verhandlung erstmals ein entscheidungserheblicher Gesichtspunkt zur Sprache gekommen ist, zu dem eine Äußerung in der mündlichen Verhandlung nicht zumutbar ist. Für die ordnungsgemäße Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist erforderlich, dass der Betroffene die Tatsachen, auf die das Gericht seine Entscheidung gestützt hat und zu denen er sich nicht äußern konnte, benennt und zugleich aufzeigt, an welchen tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen er aufgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs gehindert war bzw. was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und weshalb dies unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich gewesen wäre (zum Ganzen exemplarisch NdsOVG, B.v. 27.4.2016 - 12 LA 22/15 - UPR 2016, 314 = juris Rn. 10 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist ein hinreichend substanziiert gerügter Verfahrensmangel nicht festzustellen. Der Kläger erläutert, die Vertagung sei aufgrund des tags zuvor eingereichten „Tekturantrags“ beantragt worden. Sein erläuternder Vortrag, dies habe den Zweck gehabt, „eine weitere klageweise Auseinandersetzung zu vermeiden zu helfen“, lässt schon im Ansatz keinen Bezug zu einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erkennen. Soweit er weiter vorbringt, in der mündlichen Verhandlung seien zahlreiche Einlassungen u.a. von Seiten des „Technischen Umweltschutzes“ erfolgt, die die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens betroffen hätten, fehlt es an einer substanziierten Auseinandersetzung mit den Ablehnungsgründen des Verwaltungsgerichts. Laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung hatte die Begründung des Ablehnungsbeschlusses folgenden Inhalt:

„(…) Erhebliche Gründe für eine Vertagung liegen nicht vor. Im Hinblick auf den Feststellungsantrag zum ursprünglichen Vorhaben ist die Sache entscheidungsreif. Die Abstandsflächenproblematik ist nicht Gegenstand der Ablehnung der Baugenehmigung. Die Frage der Zulässigkeit der ursprünglich erhobenen Klage ist eine Prozessvoraussetzung, die ein Prozessbeteiligter immer zu bedenken hat. Im Hinblick auf die erhobene Verpflichtungsklage für das zuletzt beantragte Vorhaben liegen erhebliche Gründe ebenfalls nicht vor. Der Kläger hat die Antragsunterlagen, die vom 29.12.2015 stammen, erst gestern, spätnachmittag, beim Beklagten und der Beigeladenen eingereicht. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger wusste, dass die alte Anlage nicht mehr errichtet werden kann, und das Gericht im Ortstermin im Mai 2015 angeregt hat, mit dem Beklagten zu prüfen, ob ein ‚Tekturantrag’ gestellt wird, sowie der Fristsetzung nach § 87 b VwGO bestand für den Kläger keine Veranlassung, den ‚Tekturantrag’ erst jetzt einzureichen und in das Verfahren einzubringen.“

Mit diesen Argumenten setzt sich die Zulassungsbegründung zur Untermauerung der behaupteten Gehörsverletzung nicht auseinander. Der Kläger zeigt ferner nicht substanziiert auf, an welchen tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen er aufgrund der behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs gehindert war bzw. was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und weshalb dies unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich gewesen wäre. Insofern ist vor allem zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht sowohl den Hauptantrag als auch die beiden Hilfsanträge im angegriffenen Urteil vom 14. Januar 2016 schon als unzulässig ansah. Insofern ist von vornherein nicht ersichtlich, inwiefern ein weiterer Tatsachenvortrag zu Frage der Genehmigungsfähigkeit der Anlage(n) hätte entscheidungserheblich sein können. Damit scheidet jedenfalls aus, dass die angegriffene Entscheidung auf einem diesbezüglich gerügten Verfahrensmangel (seine Existenz unterstellt) beruhen kann.

Ob eine Verpflichtung des Verwaltungsgericht zur Vertagung bestanden haben könnte, weil eine gem. § 75 Satz 1 und Satz 2 VwGO verfrühte Untätigkeitsklage ggf. nicht ohne Weiteres als unzulässig hätte abgewiesen werden dürfen (sondern - s.o. - stattdessen ggf. eine Aussetzung bzw. ein Zuwarten bis zur „Klagereife“ geboten gewesen wäre), ist nicht Gegenstand des Vortrags des Klägers im Zulassungsverfahren. Dieses Rechtsproblem war daher vom Senat wegen § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO bei der Entscheidung über die Berufungszulassung nicht zu berücksichtigen.

4. Ein Berufungszulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht ersichtlich. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt. (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 - 15 ZB 14.2686 u.a. - juris Rn. 63 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand: Juni 2016, § 124 Rn. 28 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach dem Zulassungsvortrag des Klägers vorliegend nicht erfüllt bzw. nicht substanziiert dargelegt, wie sich aus den voranstehenden Ausführungen zu 1. bis 3. ergibt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 - 15 ZB 16.562 - juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Unter dem ... Juni 2015 stellte die Klägerin bei der Gemeinde ... den Antrag auf Nutzungsänderung zum „Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers“ in das Obergeschoss des Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 Gemarkung ..., Gemeinde ... (...). Unter dem ... Juli 2015 beantragte sie zudem die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung Nr. 0.1.1. des Bebauungsplans „Nr. 34 „… Straße I“ über die Art der baulichen Nutzung. Der Bebauungsplan sieht ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) ohne Ausnahmen nach dessen Absatz 3 vor. Der Bebauungsplan wurde am 7. Dezember 1999 von der Gemeinde als Satzung beschlossen und mit Bekanntmachung vom 30. Juli 2015 wegen eines Formfehlers rückwirkend zum 29. März 2000 in Kraft gesetzt. Derzeit gilt er in der Fassung der 4. Änderung vom 14. April 2010. Die Gemeinde ... hat mit Beschluss ihres Gemeinderats vom 14. Juli 2015 das gemeindliche Einvernehmen versagt.

Aufgrund einer Nachfrage des Landratsamts ... (Landratsamt) vom 4. August 2015 legte die Klägerin die Betriebsbeschreibung vom ... August 2015, ergänzt mit Schreiben vom ... September 2015 vor, und führte dazu aus, es handele sich um eine wohnartige Nutzung, die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig sei. Durchgeführt würden Erotikchats, die über ein externes Portal im Internet angeboten würden. Es komme zu keinen Lärmentwicklungen und Lichteffekten; auch finde kein Kunden-/Publikumsverkehr statt. Zum Inbegriff des Wohnens gehörten nach heutiger Anschauung auch ein Telearbeitsplatz oder ein herkömmliches Arbeitszimmer in der Wohnung. Diese Nutzung trete städtebaulich neben dem Wohnen nicht in Erscheinung und stelle die Eigenschaft als Wohnraum nicht infrage. Anders sei die Rechtslage, wenn das Arbeitszimmer als betrieblicher Mittelpunkt mit städtebaulich relevanten Außenwirkungen wie Kunden- und Lieferantenverkehr genutzt werde, was nicht der Fall sei.

Auf Anfrage des Landratsamts teilte die Regierung von Oberbayern am 8. Oktober 2015 mit, dass es sich aufgrund der Außenwirkung der Chats der Klägerin mit den Kunden im Internet um eine selbstständige gewerbliche Betriebsstätte handele, die, sofern keine Emissionen verursacht würden und kein Kundenverkehr stattfinde, einen nicht störenden Gewerbebetrieb darstelle. Eine freiberufliche künstlerische oder freiberufsähnliche Tätigkeit sei zu verneinen. Da der Bebauungsplan Ausnahmen ausschließe, bedürfe es gegebenenfalls einer Befreiung.

Mit Schreiben vom 27. November 2015 hörte das Landratsamt die Klägerin an und empfahl dabei, den Antrag zurückzunehmen.

Zwischenzeitlich wurden beim Landratsamt immer wieder Nachbarn der Klägerin vorstellig, die u. a. darauf hinwiesen, dass pornographische Filme gedreht würden und Fotoshootings und entsprechender Pkw-Verkehr stattfänden, was zu Störungen führe.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. Februar 2016, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2016 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers vom 25. Juni 2015 ab (Nr. 1), sprach die Verpflichtung aus, die gewerbliche Nutzung innerhalb einer Woche nach Bestandskraft zum Zweck für Erotikchats und zur Produktion erotischen Bild- und Fotomaterials einzustellen (Nr. 2) und drohte das weiteren für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nummer 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an (Nr. 3).

Mit Schriftsatz vom ... März 2016, der bei Gericht am 18. März 2016 eingegangen ist, erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt zuletzt,

den Bescheid vom 15. Februar 2016 aufzuheben,

hilfsweise das Landratsamt zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren, wonach es sich um eine nicht genehmigungspflichtige Nutzung innerhalb der Variationsbreite des Wohnbegriffs handele. Es käme zu keinen Schall- und Lichtimmissionen. Auch finde kein Publikums- oder sonstiger Kundenverkehr statt. Insbesondere würden keine Filmproduktionen mehr vor Ort erfolgen, sondern ausschließlich ein Erotikchat in Zimmerlautstärke und ohne Beteiligung Dritter. Zulässig sei somit die isolierte Anfechtung der Versagung der Baugenehmigung, da die Chattätigkeit als Wohnen zu qualifizieren sei. Es handele sich um einen Telearbeitsplatz. Sofern die Chattätigkeit der Klägerin nicht mehr als zulässige Wohnnutzung anzusehen sei, bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB). Die Gemeinde ... habe das gemeindliche Einvernehmen mit Blick auf die nachbarlichen Interessen in rechtswidriger Weise versagt, weil der Ausübung der Chattätigkeit durch die Klägerin keine nachbarlichen Belange entgegenstünden. Auch ergebe sich ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Befreiung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 34 „... Straße I“ würden in unzulässiger Weise mehrere Gewerbebetriebe unterhalten. Soweit die Tätigkeit der Klägerin als bauplanungsrechtlich unzulässig angesehen werde, müsse konsequenterweise auch gegen weitere gewerbliche Nutzungen im Baugebiet bauordnungsrechtlich eingeschritten werden. Ein willkürliches Herausgreifen von Einzelfällen sei unzulässig. Aus diesem Grunde sei auch die Nutzungsuntersagung rechtswidrig. Die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des nicht störenden Gewerbes der Klägerin im Wege der Erteilung einer Befreiung führe im Rahmen der Ermessensbetätigung dazu, dass eine Nutzungsuntersagung nicht hätte verfügt werden dürfen. Schließlich werde im Rahmen der Nutzungsuntersagung nicht zwischen den Erotikchats und der Produktion erotischen Bild- und Fotomaterials unterschieden. Allein darin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daraus resultiere auch eine Unbestimmtheit der Zwangsgeldandrohung, da nicht erkennbar sei, für welchen Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Nummer 2 des Bescheids in Aussicht gestellten Nutzungsuntersagungen ein Zwangsgeld fällig werde.

Das Landratsamt hat die Prozessvertretung der Regierung von Oberbayern übertragen. Diese äußerte sich mit Schreiben vom 15. September 2016 unter Vorlage von zwei Stellungnahmen des Landratsamts vom 9. August und 8. September 2016 und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags den streitbefangenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten sowie der Gerichtsakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig.

Hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens zu den Nummern 2 (Nutzungsuntersagung) und 3 (Zwangsgeldandrohung) des streitbefangenen Bescheids vom 15. Februar 2016 ergibt sich die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ohne weiteres aus § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Soweit mit der Klage im Hauptantrag zudem isoliert auch die Aufhebung der Ablehnung des Bauantrags vom ... Juni 2015 (Nr. 1 des Bescheids vom 15.2.2016) begehrt wird, ist dies ausnahmsweise in Gestalt einer sogenannten isolierten Anfechtungsklage zulässig. Die Klägerin besitzt das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Zwar ist im Hinblick auf die Spezialität der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) eine allein auf die Aufhebung einer behördlichen Ablehnung gerichtete Anfechtungsklage in der Regel ausgeschlossen (vgl. Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 42 Rn. 82 ff.). Allerdings ist vorliegend ein Ausnahmefall gegeben. Die Klägerin hatte zunächst unter dem ... Juni 2015 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers in das Obergeschoss des Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 beantragt und zudem unter dem ... Juli 2015 auch einen Antrag auf Befreiung von der Festsetzung Nr. 0.1.1 über die Art der baulichen Nutzung gestellt. Daraufhin erfolgte die Ablehnung dieses Antrags in Nummer 1 des streitbefangenen Bescheids vom 15. Februar 2016. Auf der Grundlage ihrer zwischenzeitlich, d. h. nach Stellung des Antrags auf Baugenehmigung, geänderten materiellen Rechtsansicht, wonach es sich bei der beantragten Nutzungsänderung um eine solche handele, die sich innerhalb der Bandbreite des Wohnbegriffs bewege und daher nicht genehmigungspflichtig sei, besitzt die Klägerin vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis für ihr isoliertes Kassationsbegehren. Denn damit vertritt die Klägerin nunmehr die Auffassung, es liege kein Fall der baurechtlichen Genehmigungspflicht nach Art. 55 Abs. 1 Hs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) vor. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift allerdings nicht vor, dann bedarf es für die inmitten stehende Maßnahme auch keiner Baugenehmigung. Der Bauherr kann für ein solches Bauvorhaben auch nicht die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens beantragen. Tut er es trotzdem und entscheidet die Bauaufsichtsbehörde, etwa weil sie die Verfahrensfreiheit übersieht, gleichwohl (positiv wie negativ) über den Antrag, dann ist diese Entscheidung rechtswidrig und kann vom Bauherrn im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2016, Art. 55 Rn. 74). Die Klägerin hat mithin primär kein rechtliches Interesse mehr an dem Erlass der begehrten Genehmigung. Vielmehr ist es ihr im Hauptantrag konsequenter Maßen allein darum zu tun, den negativen Rechtsschein der behördlichen Ablehnungsentscheidung hinsichtlich ihres Bauantrags zu beseitigen. Es ist anerkannt, dass in einer Fallkonstellation wie hier, in der die Behörde aus materiell-rechtlichen Gründen einen Antrag auf Erteilung einer Gestattung abgelehnt hat, die für die begehrte Tätigkeit oder Maßnahme nicht erforderlich ist, ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung besteht (vgl. Wysk, a. a. O. Rn. 85).

II.

Die Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts vom 15. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zudem hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung bzw. auf entsprechende Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Das Landratsamt hat den Bauantrag auf Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 zu Recht abgelehnt.

1.1 Das Vorhaben der Klägerin ist baugenehmigungspflichtig. Nach Art. 55 Abs. 1 Hs.1 BayBO bedarf die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin hält sich nicht mehr im Rahmen der baurechtlich zulässigen Wohnnutzung, sondern überschreitet diesen, weshalb eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung gegeben ist.

Die zulässige Art der baulichen Nutzung bestimmt sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 BauGB. Das Grundstück Fl. Nr. 998/5 liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 34 „... Straße I“ der Gemeinde ... Der Bebauungsplan wurde am 7. Dezember 1999 von der Gemeinde ... als Satzung beschlossen und wegen eines Ausfertigungsmangels mit Bekanntmachung vom 30. Juli 2015 rückwirkend zum Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens am 29. März 2000 in Kraft gesetzt. Rechtliche Bedenken hiergegen bestehen mit Blick auf § 214 Abs. 4 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB nicht (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 30.7.2012 - 1 ZB 11.1737 - juris Rn. 13 f.); sonstige Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans sind im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich. Er gilt derzeit in der Fassung der 4. Änderung vom 13. April 2010, die am 14. April 2010 in Kraft getreten ist, und sieht für die Art der baulichen Nutzung auf dem Grundstück der Klägerin ein allgemeines Wohngebiet vor. Nach der textlichen Festsetzung Nummer 0.1.1 bestimmt sich die Art der baulichen Nutzung nach § 4 BauNVO, wobei Ausnahmen gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO nicht zulässig sind. Somit ist vorliegend allein § 4 Abs. 2 BauNVO Zulässigkeitsmaßstab für die Art der baulichen Nutzung.

1.2 Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind im allgemeinen Wohngebiet Wohngebäude zulässig. Die Bandbreite des Wohnbegriffs ermöglicht es dabei auch, hierunter einen Telearbeitsplatz oder ein herkömmliches Arbeitszimmer zu fassen. Dies deshalb, weil eine solche Nutzung städtebaulich neben dem Wohnen nicht in Erscheinung tritt und daher die Eigenschaft als Wohnraum nicht infrage stellt. Anders ist die Rechtslage dann, wenn das Arbeitszimmer als betrieblicher Mittelpunkt mit städtebaulich relevanter Außenwirkung, wie Kunden- und Lieferverkehr, genutzt wird. Eine solche Nutzung hat städtebaulich ein eigenständiges Gewicht und überschreitet die Bandbreite des Wohnbegriffs. Wesentlich ist also, ob die Ausübung der beruflichen Tätigkeit dient und dabei auch nach außen in Erscheinung tritt (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB/BauNVO, Stand Mai 2016, § 3 BauNVO Rn. 40 m. w. N.).

Dies zugrunde gelegt, hält sich die mit der beantragten Baugenehmigung verfolgte gewerbliche Tätigkeit der Klägerin (vgl. Betriebsbeschreibungen vom 28.8. und 29.9.2015) nach Auffassung des Gerichts nicht mehr im Rahmen der baurechtlich zulässigen Wohnnutzung, sondern stellt eine im allgemeinen Wohngebiet unzulässige gewerbliche Nutzung dar. Jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - nicht nur um eine gelegentliche, sondern um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handelt und die Wohnung gerade auch zum Zweck der Erbringung erotischer bzw. pornographischer Dienstleistungen genutzt wird, und diese Tätigkeit nicht nur geringfügig nach außen hin in Erscheinung tritt, ist die Bandbreite des Wohnbegriffs überschritten. Eine solche Tätigkeit besitzt ein eigenständiges siedlungsstrukturelles Gewicht, was es nicht zulässt, sie bauplanungsrechtlich unter die Nutzungsart des Wohnens fassen.

Bei der insoweit gebotenen, den Regelungen der Baunutzungsverordnung generell zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise (vgl. dazu rechtsgrundsätzlich BVerwG, U. v. 7.5.1971 - IV C 76.68 - juris) gehen von der von der Klägerin angestrebten gewerblichen Nutzung Beeinträchtigungen der Wohnruhe und des Wohnfriedens aus, die sich negativ auf das Wohnumfeld auswirken können und mit dem Charakter eines vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebietes nicht vereinbar sind. Ob und inwieweit das hier in Rede stehende Vorhaben bereits konkrete Störungen der Wohnruhe und des Wohnfriedens verursacht hat oder zukünftig erwarten lässt, ist angesichts dieser „typisierenden“ Betrachtung unerheblich (vgl. z. B. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 5.1.2004 - 8 B 11983/03.OVG - juris).

Vorliegend ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin für die mit dem streitbefangenen Bauantrag (auch) verfolgte Tätigkeit bei der Gemeinde ... am ... April 2015 die Hauptniederlassung des Gewerbes „Schauspielerin und Darstellerin“ auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 angemeldet hat. Bereits dieser Gewerbeanmeldung nach § 14 Gewerbeordnung (GewO) kommt auch für das Bauplanungsrecht nicht unerhebliche Indizwirkung zu (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 15.11.2012 - 1 ZB 11.1632 - juris Rn. 12). Nach ihren Bekundungen in der mündlichen Verhandlung beabsichtigt die Klägerin Liveaufnahmen im Internet im Rahmen eines Erotikchats aus dem antragsgegenständlichen Zimmer zu übertragen. Sie arbeitet dazu an bis zu fünf Tagen pro Woche jeweils bis zu acht Stunden, auch wenn sie daneben zahlreichen weiteren beruflichen Aktivitäten (Fotoshootings, Filmdrehs, Aufenthalte auf Erotikmessen) im Rahmen ihres Gewerbebetriebs nachgeht. Die Einnahmen aus Provisionen für die Verbreitung des Erotikchats machen etwa 20 bis 25 v. H. der Gesamteinnahmen der Klägerin aus.

Bereits daraus ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass auf dem Grundstück der Klägerin eine mehr als nur gelegentliche, sondern dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit in bauplanungsrechtlich erheblichem Umfang stattfindet. Dies umso mehr deshalb, weil auf dem Grundstück der Klägerin auch von ihrer Kollegin, Frau V. S., zum ... Mai 2016 ein Gewerbe als „Schauspielerin und Darstellerin“ angemeldet worden ist. Damit verlässt die Nutzung der Wohnräume auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 den Rahmen dessen, was städtebaulich unter einem Telearbeitsplatz oder einem herkömmlichen Arbeitszimmer verstanden werden kann. Vielmehr handelt es sich um eine gewerbliche Hauptniederlassung, die städtebaulich neben dem Wohnen nicht nur untergeordnete Bedeutung hat.

Bei der maßgeblich anzustellenden typisierenden Betrachtung tritt diese gewerbliche Tätigkeit auch nach außen hin in städtebaulich relevanter Weise in Erscheinung.

Aus den bei den Behördenakten befindlichen Ausdrucken aus dem Internet ergibt sich, dass sowohl die Klägerin unter ihrem Künstlernamen N. H. als auch Frau V. S. unter ihrem Künstlernamen M. E. zu sogenannten Userdrehs einladen, bei denen sich Kunden vor Ort zur Anfertigung von pornographischem Bild- und Filmmaterial einfinden. So wirbt die Klägerin unter dem Portal „...“ mit ihrem Künstlernamen N. H. damit, dass sie als Pornodarstellerin immer neue männliche Amateurdarsteller suche. Als Treffpunkt gibt sie dabei „bei mir“ an. Dazu kommt, dass die Klägerin unter ihrem Künstlernamen N. H. nach Aktenlage am ... April 2016 die sogenannte „...“ veranstaltet hat, für die mit mehrfarbigen, professionell gestalteten Flugzetteln geworben wurde. Bereits damit zeigt sich, dass, jedenfalls bei typisierender Betrachtung, der Gewerbebetrieb der Klägerin auch vor Ort auf Außenwirkung und entsprechende Wahrnehmung in der Nachbarschaft angelegt ist. Dies bestätigt sich zudem in dem Umstand, dass, ebenfalls ausweislich der bei den Akten befindlichen Fotografien, vor dem Gebäude der Klägerin sowie in der näheren Umgebung regelmäßig mit auffälligen Werbeaufdrucken für Internetportale mit pornographischem Inhalt versehene Kraftfahrzeuge parken. Insbesondere die Klägerin selbst wirbt unter ihrem Künstlernamen N. H. unter Verweis auf ihre Homepage mit einem entsprechenden und großen Aufkleber auf ihrem Pkw. Schließlich gibt die Klägerin auch dadurch, dass sie nach eigenem Bekunden das zur Nutzungsänderung nachgesuchte Zimmer durch Milchglasfolie gegen jegliche Einblicke von außen schützt, zu erkennen, dass sie selbst eine entsprechende Abschirmung ihres Gewerbebetriebs nach außen hin für notwendig erachtet. Zudem liegt es nahe, dass die Klägerin, die - wie ausgeführt - vor Ort die Hauptniederlassung ihres Gewerbebetriebs unterhält, die Räumlichkeit auch für persönliche Kontakte mit Geschäftspartnern, insbesondere zu Besprechungen, aber auch gegebenenfalls zu sonstigen gewerblichen Zwecken nutzt.

Aus alledem ergibt sich bei typisierender Betrachtung eine Beeinträchtigung der Wohnruhe und des Wohnfriedens. Bei einer Gesamtbetrachtung der vorstehenden Erkenntnisse überschreitet die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin den Rahmen dessen, was auch nach heutiger Anschauung unter einem Telearbeitsplatz oder einem herkömmlichen Arbeitszimmer in einer Wohnung zu verstehen ist, deutlich. Die zur Genehmigung nachgesuchte gewerbliche Nutzung ist jedenfalls geeignet, eine gewerbliche Betriebsamkeit in das - hier aufgrund der Unzulässigkeit von Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO beschränkte - allgemeine Wohngebiet hinein zu tragen, die diesem Gebietstyp gerade fremd ist. Somit kann offen bleiben, ob es in der Vergangenheit aufgrund von Tätigkeiten, die nach den eigenen Bekundungen der Klägerin über das hinausgegangen sind, was Gegenstand der Betriebsbeschreibungen vom 28. August und 29. September 2015 ist, insbesondere im Rahmen des Drehens von pornographischen Filmen zu konkreten Störungen der Wohnruhe und des Wohnfriedens gekommen ist. Ebenso kann offenbleiben, ob solche Störungen zukünftig - aufgrund des mit dieser Beschreibung nunmehr bauantragsgegenständlich zum Ausdruck gebrachten, vor Ort nur eingeschränkten Tätigkeitsumfangs - noch zu erwarten steht.

1.3 Die begehrte Nutzung ist auch nicht auf der Grundlage von § 13 BauNVO genehmigungsfähig. Danach sind Räume für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, in den meisten Baugebieten - namentlich auch in allgemeinen Wohngebieten - zulässig. Die Klägerin geht keinem Beruf im Sinne des § 13 BauNVO nach.

Die Berufsausübung freiberuflich Tätiger ist dadurch gekennzeichnet, dass in unabhängiger Stellung einem unbegrenzten Kreis an Interessenten Dienstleistungen angeboten werden, die vorwiegend auf individuellen geistigen Leistungen oder sonstigen persönlichen Fertigkeiten beruhen (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 C 56.80 - juris). Da der Begriff des „Freiberuflers“ bauplanungsrechtlich nicht gesondert definiert ist, kann insoweit zu seiner Ausfüllung auf die in § 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und § 1 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) enthaltenen „Berufekataloge“ zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, a. a. O.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O. § 13 BauNVO, Rn. 17). Dort wird die freiberufliche Tätigkeit als „selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit“ bzw. als „persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung“ umschrieben und sodann eine Reihe von Berufen, die diese Merkmale erfüllen - und zu denen die Tätigkeiten als Porno-/Erotikdarstellerin bzw. Webcamgirl nicht gehören - im Einzelnen bezeichnet. Diese gewerbliche Tätigkeit stellt auch keine der Freiberuflichkeit gleichgestellte Tätigkeit von Gewerbetreibenden dar. Hinsichtlich der qualitativen Anforderungen setzt eine solche gleichgestellte Tätigkeit zwar nicht zwingend voraus, dass diese auf Grundlage einer besonders qualifizierten Ausbildung betrieben wird (vgl. VGH BW, B. v. 1.8.2005 - 5 S 1117/05 - juris). Gleichwohl bedarf es, auch vor dem Hintergrund des hergebrachten Verständnisses der wesensprägenden Merkmale freier Berufe, eines gewissen, nicht allgemeingültig definierbaren Standards an individueller - namentlich geistiger oder schöpferischer - Qualifikation der Tätigkeit, um den Anwendungsbereich des § 13 BauNVO zu eröffnen; diesem Standard genügt die vorbeschriebene darstellerische Tätigkeit der Klägerin nicht. Sie ist vielmehr als sonstige, „schlichte“ gewerbliche Tätigkeit bzw. Dienstleistung zu qualifizieren, die der Verordnungsgeber durch § 13 BauNVO gerade nicht allgemein zulassen wollte (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 C 56/80 - juris; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O. § 13 BauNVO, Rn. 26).

1.4 Auch die Voraussetzungen einer Befreiung von der Festsetzung des Gebietstyps „Allgemeines Wohngebiet“ in Nummer 0.1.1 des Bebauungsplans Nr. 34 „... Straße I“ liegen nicht vor. Von den Festsetzungen eines Bebauungsplans kann nach § 31 Abs. 2 BauGB nur befreit werden, wenn namentlich die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die Befreiung zum Zweck der Genehmigung der streitigen Nutzung berührt jedoch die Grundzüge der Planung.

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 29.7.2008 - 4 B 11.08 - juris). Was dabei zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110; B. v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83; U. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 - juris Rn. 37; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - juris Rn. 22). Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-) Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde; hierfür ist ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter engen Voraussetzungen abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.1978 - BVerwG 4 C 54.75 - juris Rn. 27; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - juris Rn. 22 m. w. N.). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. aktuell BayVGH, B. v. 1.4.2016 - 15 CS 15.2451 - juris Rn. 21).

Die Gemeinde ... hat ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt, in dem nur die Nutzungen gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO zulässig sind. Zwar ist davon auszugehen, dass auch im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB Abweichungen von der festgesetzten Art der Nutzung nicht ausnahmslos die Grundzüge der Planung berühren und mithin auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen ist. Allerdings spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer Abweichung von den für einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB erforderlichen Mindestvoraussetzungen, also insbesondere den Festsetzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, die Grundzüge eher berührt sind, als bei der Befreiung von anderen Festsetzungen (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 7. Aufl. 2013, § 31 Rn. 14). Maßgeblich ist also im Einzelfall darauf abzustellen, ob die Festsetzung, von der eine Befreiung begehrt wird, Bestandteil eines Planungskonzepts ist, dass das gesamte Plangebiet oder doch maßgebliche Teile davon gleichsam wie ein „roter Faden“ durchzieht, so dass eine Abweichung zu weiterreichenden Folgen führt.

Dies zugrunde gelegt, berührt das Vorhaben der Klägerin die Grundzüge der Planung. Die Zulassung der Befreiung würde das Planungskonzept der Gemeinde ..., das im Plangebiet sämtliche Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausgeschlossen hat und dort eine gewerbliche Betätigung - mit Ausnahme des nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO insbesondere zur Gebietsversorgung noch zulässigen - möglichst umfänglich vermeiden will, erheblich beeinträchtigen und den entsprechenden planerischen „roten Faden“ im Plangefüge an der zentralen Stelle der Art der baulichen Nutzung gefährden.

Die Klägerin beabsichtigt sich auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 - auch zusammen mit einer weiteren Erotikdarstellerin - als Webcamgirl im Rahmen von Erotikchats mit Bildübertragung im Internet gewerblich zu betätigen. Zudem unterhält sie vor Ort die Hauptniederlassung ihres Gewerbebetriebs als „Schauspielerin und Darstellerin“. Diese Nutzung ist, wie bereits ausgeführt, geeignet, gewerbliche Tätigkeiten in einem ganz überwiegend dem Wohnen dienenden Gebietstyp zuzulassen, die diesem typischerweise fremd sind. Wie vorstehend ausgeführt, weist die beantragte Nutzung ihrer Art und ihrem Umfang nach Störungspotential auf, das den Wohnfrieden und die Wohnruhe bei typisierender Betrachtung zu beeinträchtigen geeignet ist. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, dass, wie die Betriebsbeschreibung ausführt, weder Lärm- noch Lichtemissionen, die vom Vorhaben herrühren, in der Nachbarschaft zu erwarten stehen. In Anbetracht der konkreten Ausgestaltung des Betriebs der Klägerin liegt es nahe, dass auch zukünftig im Zusammenhang mit dem gewerblichen Erotikchat und den sonstigen von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen im (pornographischen) Erotikgewerbe Tätigkeiten erfolgen werden, die aufgrund ihrer Außenwirkung einem Wohngebiet fremd sind. Es ist sonach nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt, insbesondere unter Bezugnahme auf die Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde … im Beschluss ihres Gemeinderats vom 14. Juli 2015, die beantragte Befreiung nicht erteilt hat. Zwar haben Landratsamt und Gemeinde maßgeblich auf die Würdigung der nachbarlichen Interessen und dabei wesentlich auf die Störung der Nachbarschaft im Rahmen der früheren (uneingeschränkten) Tätigkeit der Klägerin, insbesondere auf das Drehen von pornographischen Filmen und den dabei entstandenen Wohnunfrieden in der Nachbarschaft, abgestellt. Dies ist aber unerheblich, da die Befreiung nach Auffassung der Kammer, wie ausgeführt, tatbestandlich bereits daran scheitert, dass das Vorhaben Grundzüge der Planung berührt.

2. Auch die unter Nummer 2 des streitbefangenen Bescheids des Landratsamts verfügte Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Wie vorstehend ausgeführt erweist sich das antragsgegenständliche Bauvorhaben als nach Art. 55 Abs. 1 Hs. 1 BayBO genehmigungspflichtig und als nach §§ 30,31 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO bauplanungsrechtlich nicht zulassungsfähig. Vor diesem Hintergrund konnte das Landratsamt nach Art. 76 Satz 2 BayBO nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG) eine entsprechende Nutzungsuntersagung gegen die Klägerin aussprechen. Das Landratsamt hat seine Ermessenserwägungen im streitbefangenen Bescheid in ausreichender Weise begründet (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Insbesondere hat es dabei auch erkannt, dass Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein Verbot der nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bei der Anordnung von Nutzungsuntersagungen zu entnehmen ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landratsamt den sachlichen Grund zur Differenzierung insbesondere darin gesehen hat, dass die von der Klägerin beantragte Nutzung sowohl von der Gemeinde … als auch von dem benachbarten Grundstückseigentümern als Störung empfunden wurde, während dies bei den weiteren im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 34 „… Straße I“ befindlichen Büros und Betriebsstätten nicht der Fall war. Zudem hat das Landratsamt sämtliche ihm bekannten und benannten Büros- und Betriebsstätten im Geltungsbereich des o.g. Bebauungsplans geprüft und dies zum Gegenstand seiner weiteren entsprechenden Erwägungen gemacht (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 9.8.2016, Seite 6 ff.). Die Überprüfungen des Landratsamts haben ergeben, dass diese Fälle mit dem der Klägerin nicht vergleichbar sind und derzeit kein Einschreiten gebieten. Die Klägerin wird mithin nicht in rechtswidriger Weise ungleich behandelt. Das Landratsamt konnte hinsichtlich der übrigen Büros und Betriebsstätten in dem Wohngebiet zutreffend von einem Einschreiten absehen.

3. Die in Nummer 3 des Bescheides erlassene Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrens- und Zustellungsgesetz (VwZVG). Die Anfechtungsklage bleibt auch insoweit ohne Erfolg, da von Rechts wegen nicht gegen diese Androhung zu erinnern ist (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Zwangsgeldandrohung hinreichend bestimmt. Sie ist so formuliert, dass für die Klägerin ausreichend klar wird, unter welchen Voraussetzungen ein Zwangsgeld fällig wird. Das Zwangsgeld wurde für den Fall angedroht, dass die gewerbliche Nutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 998/5 nicht innerhalb einer Woche nach Eintreten der Bestandskraft zum Zwecke für Erotikchats und zur Produktion erotischen Bild- und Fotomaterials eingestellt wird. Damit ist noch hinreichend klar formuliert, dass das Zwangsgeld auch für den Fall fällig wird, dass zumindest eine Form der genannten erotischen bzw. pornographischen gewerblichen Nutzung nach Fristablauf (noch oder wieder) ausgeübt wird.

Die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes im Hinblick auf eine Mehrzahl unterschiedlicher Verpflichtungen ist dann nicht hinreichend bestimmt, wenn nicht erkennbar ist, für den Verstoß gegen welche Handlungspflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG). Eine Androhung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen muss erkennen lassen, ob sie sich auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder nur auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich. Sie muss also mit anderen Worten „pflichtenscharf“ ausgestaltet sein. Erfolgt die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes für den Fall der Nichterfüllung an sich selbstständiger Pflichten, unterliegt dies jedoch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit keinen Bedenken, wenn zwischen den Pflichten ein enger Sachzusammenhang besteht und sich die einzelnen Pflichten solchermaßen als eine Einheit darstellen. Hiervon kann vorliegend auch unter Berücksichtigung der Formulierung der Nummer 3 des Bescheides ausgegangen werden (vgl. z. B. VG Augsburg, B. v. 10.7.2013 - Au 5 S 13.670 - juris Rn. 54).

4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.