Verwaltungsgericht Minden Urteil, 02. Juni 2014 - 11 K 1021/11
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerinnen die Klage zurückgenommen haben.
Der Beklagte wird verpflichtet, die erforderlichen Anordnungen zu treffen um sicherzustellen, dass auf dem Grundstück der Klägerinnen, I.---straße 41 in Q. , keine unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen durch benachbarte Tierhaltungsanlagen auftreten.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner zu ½, der Beklagte zu ¼ und der Beigeladene zu ¼. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig; ein Kostenausgleich zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen findet insoweit nicht statt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Klägerinnen sind als Erbinnen Mit-Eigentümerinnen zur gesamten Hand des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks I.---straße 41 in Q1. (Gemarkung G. , Flur 19, Flurstück 70). Die Klägerin zu 1. bewohnt das Grundstück. Die Bebauung mit einem Wohnhaus erfolgte vor den 1950er Jahren. Tierhaltung wurde auf dem Grundstück ausschließlich zu Selbstversorgungszwecken betrieben und ist spätestens in den 1970er Jahren eingestellt worden.
3In einer Entfernung von ca. 220 m in südwestlicher Richtung vom Wohnhaus I.---straße 41 wird seit den 1990er Jahren in mehreren Stallungen Schweinemast, Sau-enhaltung und Ferkelaufzucht betrieben. Bezüglich des Grundstücks Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, sind im Einzelnen folgende Genehmigungen erteilt worden:
4- baurechtliche Genehmigung des Beklagten vom 03. November 1993 (PH 207/93) zu Gunsten des Beigeladenen für die Errichtung eines Stalles für die Aufzucht von 1.670 Ferkeln (eine Anzeige nach § 67 des Bundesimmissions schutzgesetzes (BImSchG) ist am 29. November 2002 erfolgt);
5- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. vom 15. Mai 1997 zu Gunsten der I1. . u. N. . W1. N1. GbR für die Errichtung eines Schweinemaststalles für 800 Mastschweine (30 FR 13/97) (eine Anzeige nach § 67 BImSchG ist am 29. November 2002 erfolgt);
6- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. zu Gunsten der I1. . u. N. . W1. N1. GbR vom 17. Mai 1999 für die Errichtung eines Stalles für 1.200 Ferkel (30 FR 8/99);
7- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. zu Gunsten des Beigeladenen vom 27. September 2004 (40 FR 142/04) für die Errichtung eines Güllebehälters;
8- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. zu Gunsten der I1. . u. N. . W1. GbR vom 14. Februar 2007 (63.30 FR 10/06) für die Errichtung eines Stalles für 720 Mastschweine sowie einen Ferkelaufzuchtstall mit 320 Plätzen.
9Hinsichtlich des Grundstücks Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, das von dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, durch eine öffentliche Straße (I.---straße ) getrennt ist, sind die folgenden Genehmigungen erteilt worden:
10- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. vom 30. Juli 2001 (30 FR 40/00) zu Gunsten der I1. . u. N. . W1. GbR für die Errichtung eines Stalles für 560 Zucht- und Mastsauen (die Anzeige nach § 67 BImSchG ist am 16. September 2004 erfolgt);
11- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. vom 28. Januar 2008 zu Gunsten des Beigeladenen (40 FR 218/07) für die Errichtung eines Stalles für 250 Sauen nebst eines Güllebehälters und einer Vorgrube;
12- baurechtliche Genehmigung der Stadt Q1. vom 11. Mai 2011 zu Gunsten des Beigeladenen für eine Mehrzweckhalle (40 FR 63/11);
13- immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten mit Bescheid vom 07. Mai 2012 für die Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Sauen mit 250 Sauenplätzen einschließlich dazu ge- höriger 1.000 Ferkelaufzuchtplätzen, von Ferkeln mit 1.368 Ferkelplätzen und Mastschweinen mit 816 Mastschweineplätzen sowie die Errichtung und Inbe- triebnahme eines Güllebehälters sowie die Errichtung und Inbetriebnahme von 4 Futtermittelsilos (der Sauenstall mit 250 Plätzen sowie der Güllehochbehälter mit Vorgrube sind bereits aufgrund der baurechtlichen Ge- nehmigung 40 FR 218/07 errichtet). Diese immissionsschutzrechtliche Ge- nehmigung ist Gegenstand des seit dem 21. Mai 2012 anhängigen Klagever- fahrens 11 K 1817/12;
14- immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten mit Bescheid vom 03. Juli 2013 zu Gunsten der I2. und B. W1. GbR zur Errich- tung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Mastschweinen für 1.904 Mastschweineplätze sowie die Errichtung und Inbe- triebnahme eines Güllebehälters und eines Futtermittelsilos. Diese Ge- nehmigung haben die Klägerinnen mit Klage vom 02. August 2013 angegriffen – 11 K 2643/13 –.
15Des Weiteren befindet sich in westlicher Richtung rund 400 m vom Grundstück I.---straße 41 entfernt die Hofstelle H. L. , auf der der Pächter E. I3. 440 Mastschweine hält. Dort ist ebenfalls ein Güllehochbehälter vorhanden. Im Umkreis von 600 m um das Wohnhaus der Klägerinnen entfernt befindet sich darüber hinaus der Schweinemastbetrieb T. (1.400 Mastschweine und ein Güllehochbehälter), die Hofstelle des Beigeladenen (750 Mastschweine und ein Güllehochbehälter) sowie der Schweinemastbetrieb L1. -D. W1. (724 Mastschweine und ein Güllehochbehälter).
16Unter dem 13. Oktober 2010 stellten die Klägerinnen beim Beklagten den Antrag, mit ordnungsbehördlichen Mitteln dafür zu sorgen, dass die unzumutbare Beeinträchtigung ihres Eigentums schnellstmöglich abgestellt werde. Ihrem Antrag war u.a. ein Geruchsgutachten des Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz S. & I4. vom 05. Oktober 2010 beigefügt, wonach an dem Wohnhaus I.---straße 41 eine Geruchsimmissionsbelastung von 38 % (0,38) der Jahresgeruchsstunden zu erwarten sei.
17Hierauf entgegnete der Beklagte mit Schreiben vom 03. November 2010, das vorgelegte Gutachten sei nicht plausibel. Zum einen sei der Gutachter von falschen Tierplatzzahlen ausgegangen. Ferner enthalte das Gutachten keinerlei Aussagen über Vorbelastungen. Die vom Gutachter verwendeten Wetterdaten seien ebenfalls nicht nachvollziehbar. Er halte weiterhin das Geruchsgutachten von Dr. Ing. L2. aus dem Jahre 2006, das eine Gesamtbelastung am Wohnhaus der Klägerinnen von 17,6 bzw. nach Errichtung eines Sauenstalles im Jahre 2007 von 18,6 der Jahresstunden annehme, für anwendbar.
18Im Folgenden legte der Beigeladene dem Beklagten das Immissionsschutzgutachten der M7. Nordrhein-Westfalen (Verfasser Dipl.-Ing. N2. L3. ) vom 28. März 2011 vor, das für das Wohnhaus der Klägerinnen zu einer Gesamtbelastung mit Geruchsimmissionen von 22 % (0,22) der Jahresstunden kam.
19Am 11. Mai 2011 haben die Klägerinnen Klage erhoben.
20Zur Begründung ihrer Klage machen die Klägerinnen – sie haben im Klageverfahren eine Nachberechnung des Ingenieurbüros S. & I4. von Juni 2012 beigebracht, die für ihr Wohnhaus eine Geruchsimmissionsbelastung von 30 % (0,30) der Jahresstunden ermittelt – geltend, auch die auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, vorhandenen Ställe des Beigeladenen sowie der übrigen Betreiber hätten einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedurft. Diese Stallungen seien insgesamt als eine immissionsschutzrechtliche Anlage zu werten, da die Familie W1. als Betreiberin anzusehen sei. Eine Trennung der Anlagen sei nicht vorhanden, sie würden gerade nicht von eigenständigen Rechtspersönlichkeiten betrieben. Es läge ein gemeinsamer Maschinenpark für die einzelnen Stallungen vor, es fehle ebenfalls an einer getrennten Versorgung mit Strom etc. Aufgrund der fehlenden betrieblichen Trennung der Ställe untereinander sei es gerechtfertigt, vorliegend auch den Gewichtungsfaktor von 1 zu berücksichtigen. Ausweislich des Gutachtens des M4. NRW vom 20. Dezember 2013 sei für ihr Wohnhaus daher Geruchsimmissionen von 0,32/32 % anzusetzen. Sofern der Gutachter des M4. NRW einen Immissionsrichtwert von 0,25/25 % für hinnehmbar halte, sei dieser Wert zu hoch gegriffen. Zu ihren Gunsten streite, dass das Wohnhaus niemals ein rein landwirtschaftliches Anwesen gewesen sei. Tierhaltung sei lediglich zu Selbstversorgungszwecken erfolgt, diese sei spätestens in den 1970er Jahren mit dem Umbau des Hauses eingestellt worden. Sie unterlägen daher keiner verstärkten Rücksichtnahmepflicht, wie dies bei ehemaligen Tierhaltern der Fall sei. Überdies sei mit der Schweinehaltung auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, erst in den 1990er bzw. 2000er Jahren begonnen worden, weshalb die Geruchsbelastung in relativ kurzer Zeit stark angestiegen sei.
21Den ursprünglich in der Klageschrift vom 10. Mai 2011 angekündigten Hauptantrag, den Beklagten zu verpflichten, den Intensivtierhaltungsbetrieb des Beigeladenen mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung gemäß § 20 Abs. 2 BImSchG stillzulegen, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt. Die Klägerinnen beantragen nunmehr,
22den Beklagten zu verpflichten, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, dass auf dem Grundstück I.---straße 41 in Q1. keine unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen durch benachbarte Tierhaltungsanlagen auftreten.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Er trägt vor, bei den hier in Rede stehenden Stallungen auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, handele es sich nicht um eine gemeinsame Anlage des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV; ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungserfordernis bestehe deshalb nicht. Zur Ermittlung der Tierplatzzahlen, die er an das M3. NRW weitergeleitet habe, habe er die kompletten Bauakten der Stadt Q1. ausgewertet, die ihm im Original vorgelegen hätten.
26Der Beigeladene beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Er macht geltend, die einzelnen Betriebe seien komplett getrennt. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für sämtliche Ställe auf den Flächen Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, sei daher nicht erforderlich. Insbesondere für die Betriebe auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, liege eine getrennte Buchführung vor, der Futtermitteltransport erfolge für die einzelnen Stallungen gesondert, die Stallungen verfügten über eigene Silos sowie über eine eigene Gülleentsorgung. Es liege zwar insgesamt eine familiäre Zusammenarbeit hinsichtlich der einzelnen Betreiber vor, es sei aber nicht so, dass er nun Einfluss auf die Betreiber der anderen Stallungen nehmen könne. Die Maschinenhalle und auch der Maschinenpark laufe auf seinen Namen bzw. die Firma I2. W1. , er vermiete die Gerätschaften sodann an die anderen Betriebe. Die Stromversorgung erfolge separat über einzelne Zähler, die in der Maschinenhalle untergebracht seien. Die Wasserversorgung laufe über drei Brunnen. Für das Wohnhaus der Klägerinnen sei mindestens ein Wert von 0,25/25 % anzusetzen, da es sich um ein freistehendes Wohnhaus im Außenbereich handele, das dort nicht mehr privilegiert sei. Des Weiteren sei ein Gewichtungsfaktor von 0,75 zu berücksichtigen, da es sich um eigenständige Stallungen handele, welche jeweils die Grenze von 5.000 Mastschweinen nicht überschritten.
29Auf Anfrage der erkennenden Kammer vom 05. September 2012 hat M2. NRW mit Schreiben vom 24. Mai 2013 mitgeteilt, dass weder das Geruchsgutachten des Ingenieurbüros S. & I4. vom 05. Oktober 2010 i.d.F. der Nachberechnung von Juni 2012 noch das der M5. NRW (Dipl.-Ing. N2. L3. ) vom 28. März 2011 plausibel sei. Bedenken ergäben sich insbesondere hinsichtlich der in den unterschiedlichen Gutachten verwendeten meteorologischen Datensätze und der Ansätze zu den Gewichtungsfaktoren der GIRL für unterschiedliche Tierarten.
30Im Anschluss hat der Beigeladene die Erweiterung des Immissionsschutzgutachtens der M5. Nordrhein-Westfalen (Dipl.-Ing. N2. L3. ) vom 29. Mai 2013 übersandt, wonach am Wohnhaus der Klägerinnen Geruchsimmissionen in Höhe von 22 % (0,22) der Jahresgeruchsstunden zu erwarten seien. Nach Weiterleitung dieses Gutachtens an das M1. NRW, hat dieses mit Schreiben vom 05. Juli 2013 mitgeteilt, dass auch das Gutachten der M5. NRW vom 29. Mai 2013 nicht die Plausibilitätsbedenken ausgeräumt habe. Diese bestünden weiterhin bezüglich der Wahl der meteorologischen Daten sowie gegebenenfalls weiterer fachlicher Fragen.
31Im Januar 2014 hat das M. NRW sein Gutachten vom 20. Dezember 2013 zu der Geruchsimmissionsbelastung am Wohngebäude I.---straße 41, 32469 Q1. dem Gericht übersandt. Das M. NRW gelangt dabei unter Berücksichtigung der meteorologischen Daten der Station P. u.a. zu dem Ergebnis, dass – die genehmigten Tierbestände im Umkreis von 600 m um das Wohnhaus I.---straße 41 zu Grunde gelegt – an 0,32/32 % der Jahresgeruchsstunden und mit Berücksichtigung eines Gewichtungsfaktors von 0,75 für die Tierhaltungskomplexe auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, an 0,26/26% der Jahresgeruchsstunden zu erwarten sind.
32Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 hat das M. NRW seine gutachterlichen Ausführungen dahingehend ergänzt, dass bei der Berechnung die seitens des Beklagten genannten Tierplatzzahlen berücksichtigt worden seien. Bei der Frage, welche Gewichtungsfaktoren anzunehmen seien, stehe der Wirkungsbezug im Vordergrund, so dass ein Stallkomplex unabhängig von den Eigentumsverhältnissen zu betrachten sei. Hinsichtlich des Ansatzes der Gewichtungsfaktoren seien vorliegend mehrere Vorgehensweisen denkbar. Die Stallungen auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, würden als ein Stallkomplex angesehen, hieraus resultierten Großvieheinheiten (GV) von 1180, das den Ansatz eines Gewichtungsfaktors von 1 rechtfertige. Ferner sei es möglich, von zwei Stallkomplexe auszugehen (östlich bzw. westlich der M8. Straße – Anmerkung vom Gericht: gemeint ist wahrscheinlich die I.---straße ); hieraus würden 740 GV östlich und 440 GV westlich der M6. Straße resultieren, die für einen Ansatz des Gewichtungsfaktors von 0,75 sprächen. Schließlich bestehe noch die Möglichkeit, die Stallungen entsprechend der Eigentumsverhältnisse zu betrachten, was eine differenzierte Festlegung einzelner Gewichtungsfaktoren für jeden Stall erforderlich mache. Dies scheine aus Wirkungsgesichtspunkten im vorliegenden Fall indes nicht sachgerecht. Für das Wohnhaus der Klägerinnen sei im Rahmen einer Einzelfallentscheidung durchaus eine Geruchsimmission von bis zu 0,25 (25 %) der Jahresgeruchsstunden hinnehmbar. Denn das Wohnhaus der Klägerinnen sei schon vor Antragstellung durch verschiedene Stallungen einer Geruchsimmissionssituation von mehr als 0,25 (25 %) der Jahresstunden ausgesetzt gewesen. Hinzu komme, dass es sich um ein freistehendes Haus handele.
33Anlässlich eines am 10. Februar 2012 durchgeführten Erörterungstermins hat die Berichterstatterin u.a. die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten der Begehung wird auf die Terminsniederschrift und die dabei gefertigten Lichtbilder verwiesen.
34Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Sachverständigen Dr. S1. C1. zum Gutachten des M. NRW vom 20. Dezember 2013 vernommen. Wegen des Beweisthemas und der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 11 K 1817/12 und 11 K 2643/13, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter), die Bauakten der Stadt Q1. (8 Hefter) sowie das Gutachten des M. NRW vom 20. Dezember 2013 (1 Heft) Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 VwGO teilweise einzustellen, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen den in der Klageschrift vom 10. Mai 2011 enthaltenen Verpflichtungsantrag, den Betrieb des Beigeladenen gemäß § 20 Abs. 2 BImSchG stillzulegen, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt und insoweit die Klage konkludent zurückgenommen hat.
37Soweit die Klage danach noch anhängig ist, ist diese als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerinnen durften die Klage erheben, ohne dass der Beklagte über ihren Antrag vom 13. Oktober 2011 sachlich entschieden hatte, da die Voraussetzungen des § 75 S. 1 VwGO erfüllt sind.
38Die Klage ist darüber hinaus auch begründet.
39Die Klägerinnen haben gegenüber dem Beklagten einen Anspruch darauf, dass dieser nachträgliche Anordnungen trifft, um das Wohnhaus I.---straße 41 vor von Tierhaltungsanlagen ausgehenden Geruchsimmissionen, die die Grenze zur erheblichen Belästigung überschreiten, zu schützen.
40Als Anspruchsgrundlage steht ihnen § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BImSchG zur Seite. §§ 24, 22 BImSchG sind nicht heranzuziehen, da die Geruchsimmissionen in einem Umkreis von 600 m um das Wohnhaus der Klägerinnen schwerpunktmäßig von Anlagen ausgehen, für die zumindest eine Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG erfolgt ist.
41Nach § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BImSchG soll, wenn nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Abs. 1 angezeigten Änderung festgestellt wird, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen. Die Absätze 1 bis 4 b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Abs. 2 anzuzeigen sind.
42Für die Anwendbarkeit des § 17 BImSchG kommt es nicht darauf an, aus welchem Anlass der Betroffene gegen die ihm obliegenden immissionsschutzrechtlichen Pflichten verstoßen hat oder zu verstoßen droht und ob er dabei schuldhaft handelt oder nicht gehandelt hat. Nach der Genehmigungserteilung können sich aufgrund von Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder aufgrund von neuen Erkenntnissen zusätzliche oder andere Anforderungen an den Anlagenbetrieb ergeben, denen der Betreiber im Hinblick auf die dynamischen Grundpflichten des
43§ 5 Abs. 1 und 3 BImSchG oder im Hinblick auf neue Rechtsverordnungen nach § 7 Rechnung tragen muss.
44Vgl. Landmann/Rohmer, Bearbeiter: Hansmann, Umweltrecht, Band III, Stand: 01. August 2013, § 17 BImSchG Rn. 4, 69.
45Die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft sind dann nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen geschützt, wenn ein Anlagenbetreiber gegen seine Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder aus § 5 Abs. 3 Nr. 1 verstößt und dadurch einen kausalen Beitrag zu einer konkreten Gefährdung, einer erheblichen Belästigung oder zu erheblichen Nachteilen leistet.
46Vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 17 BImSchG Rn. 168.
47Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Grundstück der Klägerinnen liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB). Das auf diesem Grundstück gelegene Wohnhaus ist aufgrund der in einem Umkreis von 600 m vorhandenen Tierhaltungsbetriebe erheblichen Geruchsbelästigungen i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt.
48Zur Klärung der Frage, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, bedarf es grundsätzlich – vorbehaltlich hier nicht vorliegenden Ausnahmen – einer „auf der sicheren Seite“ liegenden Prognose, bei der aus der Vor- und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird.
49Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 03. Februar 2011 – 8 B 1797/10 –, juris Rn. 5, und vom 21. September 2012– 8 B 762/11 –, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33.
50Hierbei kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 zurückgegriffen werden.
51In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie sowie die entsprechenden VDI-Richtlinien,
52die VDI Richtlinien 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine bzw. Geflügel) wurden durch die VDI-Richtlinie 3894 – Stand: September 2011 – ersetzt,
53bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden können; sie enthalten technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
54Vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. Mai 2007 – 4 B 5.07 –, BauR 2007, 1454; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 – 7 A 1434/06 –, DVBl. 2007, 1515 (nur LS), und vom 13. Dezember 2007 – 7 D 142/06.NE –, juris, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 – 21 A 4130/01 –, NVwZ 2004, 263, vom 10. Februar 2006 – 8 A 2621/04 –, NWVBl. 2006, 337, vom 14. März 2008 – 8 B 34/08 –, juris, und vom 14. Januar 2010 – 8 B 1015/09 –.
55Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert (IW) von 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15; einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen.
56Für den Außenbereich enthält die GIRL keine Immissionswerte. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL wird hierzu ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es "möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 25 % für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen."
57Die Frage, ob landwirtschaftliche Gerüche im vorgenannten Sinne auch solche aus – wie vorliegend auch gegebenen – gewerblichen Tierhaltungen i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind, hat das OVG NRW bislang offen gelassen.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 – 8 B 762/11 –, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 42,
59Das erkennende Gericht folgt insoweit der Auffassung des M. NRW, dass der Begriff der „landwirtschaftlichen Gerüche“ i.S.d. GIRL nicht an den Begriff der Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB anknüpft. In einer fachlichen Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 an die erkennende Kammer im Verfahren 11 K 805/11 hat das M. NRW hierzu näher ausgeführt:
60„Zu bedenken ist hier, dass sich die Bezeichnungen "Landwirtschaft",
61"landwirtschaftliche Gerüche", "landwirtschaftlicher Bereich" und
62"landwirtschaftliche Anlagen" in Nr. 1 und 3.1 der GIRL bzw. den
63Auslegungshinweisen zu Nr. 1, 2, 3.1 und 5 der GIRL nicht auf
64"Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB" beziehen, sondern als
65Bezug die im Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur GIRL genannten
66Definitionen heranzuziehen sind. In diesem "Bericht zu Expositions-
67Wirkungsbeziehungen" (LUA NRW 2006) wird der Summe der
68Geruchsqualitäten "Geflügel, Schwein, Rind, Pferd, Gülle, Mist, Silage"
69die Bezeichnung "landwirtschaftliche Gerüche" zugeordnet (Tabelle 5,
70Seite 35). Für die in die GIRL 2008 eingegangenen Auswertungen
71hingegen ist das Belastungsmaß "Tierhaltungsgerüche" (Geflügel,
72Schwein, Rind) verwendet worden (Seite 73, LUA NRW 2006). Die
73Geruchsqualität Pferd wurde zu Beginn des Projektes mit aufgenommen,
74konnte aber nicht untersucht werden. Der Begriff "landwirtschaftlich" in
75der GIRL bezieht sich somit auf die Geruchsqualität, die von landwirt-
76schaftlicher Tätigkeit, hier speziell der Tierhaltung und deren Nebenein-
77richtungen hervorgerufen wird. Insoweit ist die Formulierung in den
78Auslegungshinweisen zur GIRL wie folgt zu präzisieren: Unter der
79Prüfung der speziellen Bedingungen des Einzelfalls kann bei der
80Geruchsbeurteilung im Außenbereich ein Wert bis zu 0,25 für Gerüche
81aus der Tierhaltung herangezogen werden.“
82Zu den Voraussetzungen, unter denen der maßgebliche Richtwert auf bis zu 0,25/25 % festgesetzt werden kann, hat das M. NRW in seiner Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 – 11 K 805/11 – Kriterien für die Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls aufgeführt:
83„- Siedlungsstruktur/Ortsüblichkeit: Einzelnen Wohnnutzungen im
84Außenbereich kann, soweit keine der im Weiteren genannten Kriterien
85dagegen sprechen, in der Regel ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet
86werden. Für Straßendörfer und Streusiedlungen wird die Anwendung
87eines Immissionswertes bis 0,20 empfohlen.
88- Nutzung: Soweit es sich um eine reine Wohnnutzung im Außenbereich
89handelt, können, in Abhängigkeit von den weiteren genannten Kriterien,
90Immissionswerte oberhalb von 0,15 bis 0,25 festgelegt werden. Für
91Wohnnutzungen von tierhaltenden Betrieben wird ein Immissionswert
92bis 0,25 empfohlen, wobei die jeweilige Eigenbelastung
93(Geruchsstundenhäufigkeiten, hervorgerufen durch die eigene
94Tierhaltung) unberücksichtigt bleibt. Ein solches Vorgehen stellt sicher,
95dass die Bewohner einer solchen Hofstelle für den Fall einer Aufgabe
96der Tierhaltung (ein aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft
97regelmäßig auftretender Fall) nicht unbegrenzt Geruchsimmissionen
98ausgesetzt sind, somit auch für diesen Fall der Schutz sichergestellt ist.
99- Historie: Der Wohnnutzung innerhalb einer Hofstelle, auf der Tiere
100gehalten wurden, die heute insgesamt aber nur noch zu Wohnzwecken
101genutzt wird, kann ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet werden.
102Handelt es sich um ein Wohnhaus im Außenbereich, das ohne
103landwirtschaftlichen Bezug errichtet wurde (z.B. Bahnwärterhaus), wird
104ein Immissionswert bis 0,20 empfohlen.
105- Vorbelastung: Liegt die Vorbelastung bereits über 0,25, ist im Rahmen
106eines Genehmigungsverfahrens anzustreben, den Immissionswert von
1070,25 im Sinne eines Zielwertes zu erreichen.“
108Nach der Rechtsprechung des OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2014– 8 B 1011/13 –, n.v., sind folgende Kriterien bei der Bestimmung des Grenzwertes der zulässigen Geruchsbelastung zu berücksichtigen, nämlich:
109- der Gebietscharakter,
110- die Vorbelastung und die Ortsüblichkeit der Gerüche,
111- eine gegebenenfalls erhöhte Duldungspflicht des Nachbarn bei eigener
112Tierhaltung,
113- das gesetzgeberische Anliegen, Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen generell zu vermeiden und an sich nicht zumutbare Zustände nicht zu verfestigen,
114- der Stand der Technik,
115- das Ziel, Vorhabenänderungen dann nicht zu verhindern, wenn sie zwar nicht die an sich zumutbaren Geruchsimmissionswerte einhalten, aber deutliche Verbesserungen herbeiführen, sowie
116- sonstige Einzelfallumstände.
117Im vorliegenden Fall kann die Kammer dahinstehen lassen, ob den Klägerinnen Geruchsimmissionen bis zu 25 % der Jahresgeruchsstunden zumutbar sind oder der Grenzwert in ihrem Fall niedriger angesetzt werden muss. Jedenfalls sind die hier ermittelten, weil über 25 % der Jahresgeruchsstunden liegenden Geruchsimmissionen für die Klägerinnen nicht hinnehmbar. Umstände, die gegebenenfalls zu einer Erhöhung des Grenzwertes auf über 25 % führen könnten, sind nicht gegeben. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass auf dem Grundstück der Klägerinnen eine Tierhaltung in der Vergangenheit – wenn überhaupt – nur in geringstem Umfang ausgeübt wurde, so dass sie – im Unterschied zu ehemaligen gewerblichen Tierhaltern – kein höheres Maß an Rücksichtnahmepflichten trifft. Auch ist mit der Tierhaltung auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, erst in den 1990er bzw. 2000er Jahren begonnen worden. Deren Umfang ist seitdem stetig gewachsen, womit auch eine Erhöhung der Geruchsimmissionen einherging. Andererseits sind den Klägerinnen aber, da es sich bei dem Wohnhaus auf dem Grundstück I.---straße 41 um ein freistehendes und entprivilegiertes Gebäude im Außenbereich handelt, schon aufgrund der Einzellage höhere Geruchsimmissionen als etwa bei Streusiedlungen zumutbar. Die nächstgelegene Bebauung an der I.---straße ist rund 100 m entfernt, die Wohnhäuser in der Straße B1. C2. liegen in rund 200 m Entfernung zum Grundstück I.---straße 41. Aufgrund dieser Abstände gehört das Wohnhaus I.---straße 41 nicht zu einer Streusiedlung, in der ohne weiteres die Annahme eines Immissionsgrenzwertes von 0,20 gerechtfertigt wäre.
118Im vorliegenden Fall überschreitet die Geruchsbelastung aber jedenfalls den maximal zulässigen Grenzwert von 25 % der Jahresgeruchsstunden, so dass eine erhebliche Belästigung durch Geruchsimmissionen gegeben ist.
119Ausweislich des Gutachtens des M. NRW vom 20. Dezember 2013 sind nach der durchgeführten Ausbreitungsberechnung nach dem sog. Szenario 3 (Berücksichtigung der bisherigen Genehmigungs- bzw. Planungssituation mit einem Gewichtungsfaktor von 1) ein Wert von 0,32/32 % und bei Szenario 4 (derzeitige Genehmigungs- bzw. Planungssituation mit einem Gewichtungsfaktor von 0,75 für die Stallgebäude auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4 und 17) von 0,26/26 % zu erwarten.
120Bedenken gegen die Richtigkeit dieses Gutachtens des M. NRW bestehen nicht. Hinsichtlich der zugrundegelegten Tierplatzzahlen hat der Sachverständige Dr. S1. C1. in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargetan, dass die seitens des Beklagten mitgeteilten Tierplatzzahlen, die insbesondere aus den Bauakten der Stadt Q1. resultierten, den Berechnungen zu Grunde gelegt worden seien. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat in der mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gutachters S. im Termin nicht substantiiert vorgetragen, dass und weshalb die insoweit seitens des Beklagten übermittelten Tierplatzzahlen nicht den tatsächlichen Umständen entsprechen. Des Weiteren hat Dr. S1. C1. plausibel dargelegt, warum im vorliegenden Fall hinsichtlich des Radius in einer Größenordnung von 600 m um das Wohnhaus der Klägerinnen die Wetterdaten aus P. die meteorologische Situation vor Ort besser erfassen als diejenigen, die im Vorfeld seitens der Gutachter S. & I4. sowie der M5. NRW zugrunde gelegt worden sind.
121Nach Auffassung des Gerichts spricht vieles dafür, im vorliegenden Fall für die Stallgebäude auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 4 und 17, einen Gewichtungsfaktor von 0,75 anzusetzen. Das M. NRW hat sich in seinem Gutachten vom 20. Dezember 2013 bezüglich dieser Frage nicht festgelegt.
122Nach Tabelle 4 in der Anlage 4.6 der GIRL erhalten zur Beurteilung der tierartspezifischen Geruchsqualität Mastschweine, Sauen bis zu einer Tierplatzzahl von ca. 5.000 Mastschweinen bzw. unter Berücksichtigung der jeweiligen Umrechnungsfaktoren für eine entsprechende Anzahl von Zuchtsauen den Gewichtungsfaktor 0,75.
123Nach den Auslegungshinweisen ist die in Nr. 4.6 beschriebene Regelung für Mastschweine nur bis zu einer Tierplatzzahl von ca. 5.000 Tieren (bzw. unter Berücksichtigung der jeweiligen Umrechnungsfaktoren für eine entsprechende Anzahl von Zuchtsauen) anwendbar. Mehr als 5.000 Mastschweineplätze wurden im Rahmen des Projektes nicht untersucht bzw. die Ergebnisse konnten aufgrund der besonderen Verhältnisse vor Ort nicht in die Auswertung einbezogen werden. Der in Tabelle 4 Nr. 4.6 der GIRL genannte Faktor ist daher nicht anzuwenden.
124Das M. NRW hat in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2014 ausgeführt, dass die Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall für die Belastung aus den Stallgebäuden für die Stallgebäude auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4 und 17, der Gewichtungsfaktor von 0,75 anzusetzen sei, davon abhänge, ob die Ställe als eine Anlage anzusehen seien, oder ob es sich um mehrere Anlagen handele, für die die Grenze von 5.000 Mastschweinen nicht überschritten werde. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige Dr. S1. C1. hierzu ergänzend dargelegt, die Frage, ob der Gewichtungsfaktor mit 1 oder 0,75 anzusetzen sei, bestimme sich vor allem danach, wie die Stallanlage aus Sicht des belasteten Grundstücks wirke. Handele es sich von dort betrachtet optisch um eine Stallanlage, sei eher der Wert von 1 heranzuziehen. Stelle es sich aus Sicht des betroffenen Grundstücks dagegen als zwei getrennte Anlagenkomplexe dar, sei auf den Wert von 0,75 abzustellen. Im Rahmen von Untersuchungen sei nämlich festgestellt worden, dass eine größere Anlage mit zugleich größeren Tierplatzzahlen bei Menschen dazu führe, dass die Geruchsbelastung als stärker wahrgenommen werde. Auch deshalb sei in der GIRL auf die Tierplatzzahl von ca. 5.000 Mastschweinen in Bezug auf den Gewichtungsfaktor als Grenzwert abgestellt worden
125Nach dem Ergebnis des Ortstermins vom 10. Februar 2012 dominiert (auch unter Berücksichtigung des Lichtbildes auf Seite 100 unten der Gerichtsakte) vom Wohnhaus der Klägerinnen aus gesehen der Stallkomplex auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4. Die Maschinenhalle, die sich auf dem Nachbargrundstück (Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17) befindet, deckt die auf diesem Grundstück befindlichen Ställe ab. Infolgedessen ergibt sich nicht das Bild einer – aus zwei Stallkomplexen bestehenden – zusammengehörenden Anlage. Letztlich kann die Frage, welcher Gewichtungsfaktor hier anzuwenden ist, jedoch offen bleiben, da sowohl eine Geruchsimmission von 32 %/0,32 als auch eine von 26 %/0,26 der Jahresgeruchsstunden den Grenzwert für eine erhebliche Geruchsbelästigung von 25%/0,25 überschreitet.
126Welcher Immissionswert dem Grundstück der Klägerinnen letztlich zuzuweisen ist, namentlich, ob dieser bis zu 25 % oder weniger beträgt, wird der Beklagte im Rahmen einer Einzelfallprüfung u.a. anhand der oben angeführten Kriterien des M. NRW und des OVG NRW zu entscheiden haben.
127Den Klägerinnen steht daher insgesamt ein Rechtsanspruch auf Erlass einer Anordnung zur Minimierung der auf ihrem Grundstück eintreffenden Geruchsimmissionen zu. Nur bei Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalles besteht lediglich ein Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch.
128Vgl. hierzu Jarass, BImSchG, Bundesimmissionsschutzgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 17 Rn. 83.
129Ein derart atypischer Ausnahmefall ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, so dass der Beklagte zum Einschreiten zu verpflichten war. Dem Beklagten ist allerdings insoweit Ermessen eingeräumt, als er die Auswahl des Mittels und des Verpflichteten, gegen den er behördlich einschreiten wird, bestimmen kann. Eine Auswahl unter mehreren Verpflichteten ist im Rahmen des § 17 Abs. 1 BImSchG dann zu treffen, wenn schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen – wie im vorliegenden Fall – durch das Zusammenwirken mehrerer Anlagenbetreiber hervorgerufen werden, es zur Herstellung eines gesetzeskonformen Zustandes aber ausreicht, einen oder einige der gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 verstoßenden Anlagenbetreiber in Anspruch zu nehmen.
130Vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 17 BImSchG Rn. 174, 175.
131Ausgehend hiervon wird der Beklagte zu ermitteln haben, von welchem Betreiber in einem Umkreis von 600 m um das Grundstück I.---straße 41 in welchem Umfang Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, um sodann die Entscheidung treffen zu können, gegen wen er vorgehen und welche Maßnahmen zur Verringerung der Geruchsimmissionen er treffen wird. Dabei muss nicht zwangsläufig der im Rahmen des ursprünglich anhängigen Begehrens der Klägerinnen auf Betriebsstilllegung Beigeladene als Pflichtiger in Anspruch genommen werden. Diesbezüglich bleibt vielmehr das Ergebnis der Einzelfallprüfung durch den Beklagten abzuwarten.
132Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 159, 162 Abs. 3 VwGO.
133Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Eine Genehmigung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 oder § 25 Absatz 1 der Gewerbeordnung erteilt worden ist, gilt als Genehmigung nach diesem Gesetz fort.
(2) Eine genehmigungsbedürftige Anlage, die bei Inkrafttreten der Verordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 errichtet oder wesentlich geändert ist, oder mit deren Errichtung oder wesentlichen Änderung begonnen worden ist, muss innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung der zuständigen Behörde angezeigt werden, sofern die Anlage nicht nach § 16 Absatz 1 oder § 25 Absatz 1 der Gewerbeordnung genehmigungsbedürftig war oder nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung angezeigt worden ist. Der zuständigen Behörde sind innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige Unterlagen gemäß § 10 Absatz 1 über Art, Lage, Umfang und Betriebsweise der Anlage im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 vorzulegen.
(3) Die Anzeigepflicht nach Absatz 2 gilt nicht für ortsveränderliche Anlagen, die im vereinfachten Verfahren (§ 19) genehmigt werden können.
(4) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen.
(5) Soweit durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 734) neue Anforderungen festgelegt worden sind, sind diese Anforderungen von Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie erst ab dem 7. Januar 2014 zu erfüllen, wenn vor dem 7. Januar 2013
- 1.
die Anlage sich im Betrieb befand oder - 2.
eine Genehmigung für die Anlage erteilt wurde oder vom Vorhabenträger ein vollständiger Genehmigungsantrag gestellt wurde.
(6) Eine nach diesem Gesetz erteilte Genehmigung für eine Anlage zum Umgang mit
- 1.
gentechnisch veränderten Mikroorganismen, - 2.
gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, - 3.
Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach Nummer 1 oder Zellkulturen nach Nummer 2, soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten,
(7) Eine Planfeststellung oder Genehmigung nach dem Abfallgesetz gilt als Genehmigung nach diesem Gesetz fort. Eine Anlage, die nach dem Abfallgesetz angezeigt wurde, gilt als nach diesem Gesetz angezeigt. Abfallentsorgungsanlagen, die weder nach dem Abfallgesetz planfestgestellt oder genehmigt noch angezeigt worden sind, sind unverzüglich bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(8) Für die für das Jahr 1996 abzugebenden Emissionserklärungen ist § 27 in der am 14. Oktober 1996 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
(9) Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, gelten als Genehmigungen nach diesem Gesetz. Nach diesem Gesetz erteilte Genehmigungen für Windfarmen gelten als Genehmigungen für die einzelnen Windkraftanlagen. Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung für Windkraftanlagen, die vor dem 1. Juli 2005 rechtshängig geworden sind, werden nach den Vorschriften der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bisherigen Fassung abgeschlossen; für die in diesem Zusammenhang erteilten Baugenehmigungen gilt Satz 1 entsprechend. Sofern ein Verfahren nach Satz 3 in eine Klage auf Erteilung einer Genehmigung nach diesem Gesetz geändert wird, gilt diese Änderung als sachdienlich.
(10) § 47 Absatz 5a gilt für die Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach § 47, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerinnen können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerinnen wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Sauen, Ferkeln und Mastschweinen vom 07. Mai 2012.
3Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des erkennenden Gerichts vom heutigen Tage – 11 K 1021/11 – Bezug genommen.
4Am 30. Mai 2011 beantragte die Beigeladene beim Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Sauen, Ferkeln und Mastschweinen.
5Mit Schreiben vom 02. August 2011 informierte der Beklagte die Klägerinnen über die Antragstellung der Beigeladenen und räumte die Möglichkeit zur Stellungnahme ein; hiervon machten die Klägerinnen Gebrauch.
6Im Antragsverfahren reichte die Beigeladene ein Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Verfasser: Dipl. Ing. N. L. ) vom 18. Oktober 2011 als Ergänzung zum Immissionsschutzgutachten vom 28. März 2011 zu den Verwaltungsvorgängen. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass auf dem Grundstück der Klägerinnen eine Geruchsbelastung von 0,22/22 % der Jahresgeruchsstunden zu erwarten sei. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens führte der Beklagte eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) durch. Dabei gelangte er zu dem Ergebnis, dass durch das Vorhaben keine erheblichen Auswirkungen für die Umwelt zu erwarten seien. Unter der Rubrik Gerüche heißt es hierzu u.a.:
7„Durch die geplanten Maßnahmen (Abluftreinigungsanlage Devrie-DLG zertifi- ziert) wird anhand eines Gutachtens nachgewiesen, dass an dem maßgebli- chen Immissionsort – hier: I.---straße– die von der Anlage ausgehenden belästigungsrelevanten Geruchswahrnehmungshäufigkeiten unter den zuläs- sigen Geruchsstunden von IG b 25 % liegen, hier: IGb 22 %. Vergleichsberech nungen unter Berücksichtigung der Wetterstation AKTherm Detmold AKS Wunstorf ergeben eine IGb von 19 % der Jahresgeruchsstunden. Güllebehälter werden mit Zeltdächern abgedeckt. Keine Wohnbebauung in direkter Hauptwindrichtung. Die Abstände zur nächsten Wohnbebauung be- tragen in östlicher Richtung 400 bis 500 m. Der geringste Abstand beträgt in westlicher Richtung ca. 130 m.“
8Mit Bescheid vom 07. Mai 2012 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Sauen, Ferkeln und Mastschweinen (Gesamtkapazität der Anlage: 816 Mastschweineplätze, 1.368 Ferkelplätze, 250 Sauenplätze einschließlich dazugehöriger 1.000 Ferkelaufzuchtplätze, die bereits baurechtlich genehmigt wurden, sowie die Errichtung und Inbetriebnahme eines Güllebehälters und vier Futtermittelsilos). Der Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides an. Unter III. Nebenbestimmungen „Immissionsschutz“ heißt es:
9„3) das Immissionsschutzgutachten zu Gerüchen, Ammoniak, Stickstoffdepo- sition, Staub, Bioaerosolen von der Landwirtschaftskammer NRW vom
1028. März 2011 und der Ergänzung vom 18. Oktober 2011 sind einschließlich der darin empfohlenen Maßnahmen zur Minderung der Immissionen verbindli- che Bestandteile des genehmigten Vorhabens und zwingend zu beachten.
114) Die Abluft der Stallgebäude BE 1 und BE 2 ist über Abluftreinigungsanlagen zu führen. Es ist ein von nach Deutscher Landwirtschaftsgesellschaft e.V. (DLG) durch den Signum-Test zertifiziertes Verfahren einzusetzen (Devrie- Biologic-Clean-R-Combi-Rieselbetreactor) welches sowohl zur Minderung von Gerüchen, Staub als auch von Ammoniak geeignet ist.
125) Die von der Genehmigung erfassten Abluftreinigungsanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass im Reingas kein Rohgasgeruch mehr wahr- nehmbar ist.“
13Auf deren Antrag vom 19. Februar 2013 teilte der Beklagte der Beigeladenen mit Schreiben vom 04. April 2013 mit, dass die von ihr vorgeschlagenen Alternativmaßnahmen zur Abluftreinigung (I4. -Biofilter bzw. I5. -Biofilter) als gleichwertig angesehen würden. Der I4. -Biofilter weise mittels TÜV-Zertifizierung nach, dass hinsichtlich der Gerüche im Reingas kein Rohgasgeruch mehr wahrnehmbar sei und die Geruchskonzentration am Reingasaustritt <= 300 GE/m³ betrage; die Abscheideleistung für Staub und Ammoniak betrage mehr als 70 %. Dieses Schreiben sei dem Genehmigungsbescheid beizufügen.
14Bereits am 21. Mai 2012 haben die Klägerinnen Klage erhoben.
15Zur Begründung ihrer Klage führen sie an, der Beklagte habe zu Unrecht lediglich eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c UVPG durchgeführt. Die Vielzahl der Stallungen auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, müssten mit den Stallgebäuden auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17 (unter ihnen auch die nunmehr errichtete und mit Bescheid vom 07. Mai 2012 genehmigte Anlage), als Einheit betrachtet und die Tierplatzzahlen entsprechend addiert werden, so dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Darüber hinaus sei der zwischenzeitlich eingebaute I4. -Biofilter nicht gleichwertig mit der zunächst im angefochtenen Genehmigungsbescheid geforderten Ablufteinrichtung der Firma E. , da der I3. -Biofilter nicht DLG-zertifiziert sei. Ein Austausch der Vorgaben zur Abluftreinigungsanlage hätte daher nicht erfolgen dürfen.
16Die Klägerinnen beantragen,
17den der Beigeladenen vom Beklagten erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 07. Mai 2012 zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Säuen, Ferkeln und Mastschweinen auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, aufzuheben.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er macht geltend, im vorliegenden Fall sei lediglich – wie geschehen – eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c UVPG durchzuführen gewesen. Bei den auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 17 und 4, befindlichen Stallgebäuden handele es sich insbesondere nicht um eine gemeinsame Anlage.
21Die Beigeladene beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie macht geltend, die Durchführung einer einzelfallbezogenen Vorprüfung i.S.d. § 3 c UVPG sei ausreichend gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen könnten die Tierplatzzahlen der einzelnen Stallungen auf den Betriebsgrundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 17 und 4, nicht addiert werden. Diese würden jeweils von unterschiedlichen Betreibern eigenständig bewirtschaftet, so dass gerade keine gemeinsame Anlage vorliege. Geruchsimmissionen seien von der streitgegenständlichen Stallanlage nicht zu erwarten. Die mittlerweile eingebaute Abluftreini-gungsanlage in Form des I2. -Biofilters, deren Wirksamkeit nunmehr durch die Abnahmemessung der V. und Partner GmbH vom 19. Mai 2014 nach olfaktometrischer Auswertung von vier Proben bestätigt sei, führe dazu, dass am Wohnhaus I.---straße 41 keine zusätzlichen Geruchsimmissionen zu erwarten seien.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 11 K 1021/11 sowie 11 K 2662/13 und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefte) Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Zum Streitgegenstand ist Folgendes zu bemerken: Der angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 07. Mai 2012 ist mit Schreiben vom 04. April 2013 hinsichtlich der Nebenbestimmung III Auflage B 4/5 geändert worden, da dort der Einbau eines Biofilters der Firma I1. gestattet wurde. Das Schreiben vom 04. April 2013 ist daher als Änderungsbescheid zu qualifizieren, so dass Klagegegenstand nunmehr die Anfechtung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides vom 07. Mai 2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 04. April 2013 ist.
27Die Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
28Die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass sich die Klägerinnen als Eigentümerinnen und die Klägerin zu 1. zudem als Bewohnerin des Grundstücks I.---straße 41 auf eine nicht ausgeschlossene Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG berufen können.
29Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es im vorliegend Fall nicht, § 110 Abs. 1 Satz 1 Justizgesetz NRW (JustG NRW), da die Klägerinnen im Verwaltungs-verfahren beteiligt wurden (vgl. 110 Abs. 3 Satz 1 JustG NRW).
30Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder Aufzucht von Sauen, Ferkeln und Mastschweinen vom
3107. Mai 2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 04. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
32Rechtsgrundlage für die streitbefangene Genehmigung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
33§ 4 Abs. 1 BImSchG und Nr. 7.1 Spalte 2 g), h), i) des Anhangs der 4. BImSchV in der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung. Danach ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
34Im Rahmen der Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch einen Dritten ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob die erteilte Genehmigung im Hinblick auf Vorschriften, die dem Schutz des Klägers dienen, rechtmäßig ist. Einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung haben Nachbarn – wie die Klägerinnen – nämlich nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Rechtsschutz voraus, dass nachbarschützende Vorschriften verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich im Rahmen von Nachbarklagen allerdings aus § 4 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (UmwRG). Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u.a. dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG gilt dies entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO. Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit die Fehler einer unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer UVP-Vorprüfung unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führen. Die Norm lässt den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weitet durch Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich – insofern § 47 VwGO ähnelnd – den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Klagebefugnis aus.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 9 A 30.10 –; OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2013 – 10 B 679/13 –; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. März 2013 – 1 LB 5/12 –, allesamt juris.
36Die von den Klägerinnen angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung leidet nicht an einem beachtlichen Verfahrensmangel, auf den sie sich berufen könnten. Sie können nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Überdies ist auch die seitens des Beklagten vorgenommene standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c Satz 2 UVPG nicht zu beanstanden.
37Nach § 3 b Abs. 1 S. 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführtes Vorhaben, wenn die zur Bestimmung seiner Art genannten Merkmale vorliegen (Spalte 1, „X“). Sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist (Spalte 2, „A“), ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Auswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären (§ 3 c S. 1 UVPG). Sofern für ein Vorhaben mit geringer Größe oder Leistung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist (Spalte 2, „S“), gilt gleiches, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind (§ 3 c S. 2 UVPG).
38Im vorliegenden Fall bestand keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist hier keine Addition der vorhandenen und genehmigten Tierplatzzahlen sämtlicher Anlagen auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstücke 17 und 4, vorzunehmen mit der Folge, dass eine UVP-Pflichtigkeit nach Ziffer 7.11.1 der Anlage 1 zum UVPG zu bejahen wäre.
39§ 3 b Abs. 3 S. 1 UVPG sieht für den Fall, dass der maßgebende Größen- oder Leistungswert durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens erstmals erreicht oder überschritten wird, für die Änderung oder Erweiterung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des bestehenden, bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens vor. Nach § 3 b Abs. 3 S. 2 UVPG sind bestehende Vorhaben auch kumulierende Vorhaben i.S.d. Abs. 2 S. 1. Eine obligatorische UVP-Pflicht für Änderungen oder Erweiterungen bestehender, bisher nicht UVP-pflichtiger Vorhaben nach Satz 1 setzt voraus, dass der Größen –oder Leistungswert einer X-Vorhabenart nach Spalte 1 erstmals erreicht oder überschritten wird. Nach Satz 2 ist die nachträgliche Kumula-tion dieser Konstellation gleichgestellt. Die vorgenannten Vorschriften sollen dafür sorgen, dass die Funktion der Schwellenwerte nicht durch sukzessive Erweiterungen vorhandener Vorhaben oder deren Verbindung mit neuen gleichartigen Projekten unterlaufen wird.
40Vgl. Landmann/Rohmer, Bearbeiter: Sangenstedt, Umweltrecht, Band I, Stand: August 2013, § 3 b UVPG Rn. 42.
41Der Anwendungsbereich des § 3 b Abs. 3 S. 2 UVPG umfasst insbesondere die nachträgliche Kumulation, d.h. Konstellationen, in denen ein neues Vorhaben in engem räumlichen Zusammenhang mit einem schon vorhandenen Vorhaben derselben Art durchgeführt werden soll.
42Vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 b UVPG Rn. 47.
43Die sog. nachträgliche Kumulation bedarf, wie es auch bei § 3 b Abs. 2 S. 2 UVPG im Rahmen der gleichzeitigen Kumulation erforderlich ist, einer engen räumlichen Nähe zum „Grundvorhaben“.
44Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. März 2013 – 1 LB 5/12 –, juris.
45Es fehlt hier an der engen räumlichen Nähe zwischen dem Vorhaben auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, und den bereits auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, vorhandenen Anlagen. Ein enger Zusammenhang technischer Anlagen (bei einer Tierhaltungsanlage handelt es sich um eine technische Anlage i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 a) UVPG) ist nach § 3 b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UVPG gegeben, wenn diese Vorhaben auf demselben Betriebsgelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen Einrichtungen verbunden sind und wenn sie einem vergleichbaren Zweck dienen. Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht umfasst das Betriebsgelände neben der unmittelbaren Grundstücksfläche, auf der sich die Anlage selbst befindet, weitere angrenzende Flächen, die aufgrund ihrer betriebsbezogenen Nutzung oder Ausgestaltung (z.B. als Zufahrtswege, Begrünung oder Abstellfläche) nach der Verkehrsanschauung ebenfalls noch dem Betrieb zuzurechnen sind. Soweit sich dieses räumliche Umfeld der Anlagen mit entsprechenden Umgebungsflächen einer benachbarten Anlage überschneidet, kann grundsätzlich angenommen werden, dass sich die Anlagen auf demselben Betriebsgelände befinden. Aber auch bei nicht direkt benachbarten Anlagen kann nach der Verkehrsanschauung unter Umständen von einer Anlage auf „demselben“ Betriebsgelände ausgegangen werden, wenn sich die Anlagen auf einem speziell für Nutzungen dieser Art ausgewiesenen Areal befinden und dabei nach außen als einheitlicher Betriebskomplex in Erscheinung treten. Gemeinsame betriebliche Einrichtungen sind Anlagenteile, Maschinen, Geräte und sonstige für den technischen Betrieb der Anlagen bedeutsame Vorkehrungen.
46Vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 b UVPG Rn. 31.
47Wegen der nicht notwendigen Trägeridentität nach § 3 b Abs. 2 S. 1 UVPG,
48vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 b UVPG Rn.28,
49ist das Betriebsgelände hier weiter zu fassen als bei der gemeinsamen Anlage i.S.v. § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV, so dass auch nicht überschneidende benachbarte Anlagen verschiedener Träger zu berücksichtigen sind. Von demselben Betriebsgelände und einem engen räumlichen Zusammenhang kann jedoch dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Anlagen keine Einheit bilden und als solche nicht als zusammengehörig anzusehen sind. Der Annahme eines einheitlichen Betriebsgeländes stehen andererseits kleinräumige Unterbrechungen zwischen den einzelnen Anlagen, etwa durch einen Verkehrswege oder einen kleinen Wasserlauf, nicht entgegen.
50Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. November 1999 – 7 M 4274/99 –; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. März 2013 – 1 LB 5/12 –, allesamt juris.
51Nach den im vorliegenden Fall gegebenen örtlichen Verhältnissen kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen den vorhandenen Anlagen auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4, und der streitbefangenen Anlage auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, eine enge räumliche Nähe im vorgenannten Sinne besteht.
52Die beiden Standorte verfügen nicht über sich überschneidende Flächen mit betriebsbezogener Nutzung oder Ausgestaltung. Die Zufahrt auf die Grundstücke erfolgt nicht über eines der beiden Grundstücke, sondern jeweils getrennt über die zwischen den Grundstücken verlaufende I.---straße . Es handelt sich hierbei um eine öffentliche Straße und nicht etwa nur um einen gemeinsamen betrieblichen Verbindungsweg. Die beiden Flächen sind wegemäßig selbstständig erschlossen.
53Vgl. hierzu OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. März 2013 – 1 LB 5/12 –, juris.
54Die Entfernung zwischen den Anlagen auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 17, und den Stallungen auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 4, beträgt mehr als 50 m. Bereits dies bewirkt eine deutliche optische Trennung, zumal die Ansiedlung der Anlagen auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 4, sehr verdichtet ist, denn dort besteht ein geringer Abstand von wenigen Metern zwischen den einzelnen Gebäuden. Zwar liegen die Anlagen auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 17, ebenfalls in einem geringen Abstand voneinander entfernt, die Entfernung zwischen den beiden Grundstücken und ihre Trennung durch die dazwischen verlaufenden I.---straße erweckt jedoch den Eindruck, dass es sich nicht um eine aus den Stallgebäuden auf Flurstück 4 und denen auf Flurstück 17 bestehende Gesamtanlage, sondern jeweils um zwei getrennte Anlagenkomplexe handelt. Dieser Eindruck wird weiter dadurch verstärkt, dass die Anlagen auf den beiden Grundstücken nicht auf gleicher Höhe, sondern versetzt zueinander stehen. Hinzu kommt, dass die Stallungen auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 4, eine Ausrichtung der Dachfirste von West nach Ost aufweisen, wohingegen die Dachfirste der Stallungen auf dem Flurstück 17 von Nord nach Süd ausgerichtet sind. Auch dies bestätigt den Eindruck, dass es sich um getrennte Anlagen handelt. Die nach dem äußeren Erscheinungsbild gegebene Trennung zwischen den Anlagen wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 17, – gegenüber den Anlagen auf dem Grundstück Flur 15, Flurstück 4, gelegen – eine Maschinenhalle errichtet wurde. Denn hierdurch treten die Anlagen nach außen nach wie vor nicht als einheitlicher Betriebskomplex in Erscheinung. Im Gegenteil stellt die einem anderen Nutzungszweck als den Stallungen dienende Maschinenhalle ein weiteres trennendes Element dar.
55Die Voraussetzungen des § 3 b Abs. 2 Satz 1 UVPG sind auch nicht mit Blick auf den auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, bereits vorhandenen, baurechtlich genehmigten und nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigten Sauenstall mit 560 Plätzen zu bejahen, weil selbst bei einer Addition dieser Tierplatzzahlen nicht der Leistungswert einer X-Vorhabenart nach Ziffer 7.11.1 der Anlage 1 zum UVPG erfüllt wird.
56Vorliegend unterfallen der genehmigte Schweinemaststall mit 816 Plätzen, der Sauenstall mit 250 Plätzen einschließlich 1.000 Ferkelaufzuchtplätzen sowie der Ferkelstall mit 1.368 Plätzen nicht den Ziffern 7.7.3, 7.8.3 und 7.9.3 der Anlage 1 zum UVPG, da jeder Stall für sich genommen nicht den vorgeschrieben Größenwert an Tierplätzen erreicht. Es greift – wie der Beklagte zu Recht angenommen hat – allerdings die Regelung der Ziffer 7.11.3. Danach ist eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen, wenn bei der Errichtung und dem Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Tieren in gemischten Beständen die jeweils unter den Nummern 7.1.3, 7.2.3, 7.3.3, 7.4.3, 7.5.2, 7.6.2, 7.7.3, 7.8.3, 7.9.3 und 7.10.2 genannten Platzzahlen nicht erreicht werden, die Summe der Vom-Hundert-Anteile, bis zu denen die Platzzahlen ausgeschöpft werden, aber den Wert 100 erreicht oder überschreitet. So liegt der Fall hier:
57816 (= 54%) + 250 (= 45%) + 1.368 (= 30%) = 129 %.
581.500 560 4.500
59Der danach (nur) bestehenden Vorprüfungspflicht nach § 3 c S. 2 UVPG hat der Beklagte genügt. Wegen des Prognosecharakters der Vorprüfung wird der Behörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dem trägt nunmehr die durch das Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz) vom 09. Dezember 2006 (BGBl I S. 2819) eingefügte Vorschrift des § 3 a S. 4 UVPG Rechnung, nach der die auf einer Vorprüfung des Einzelfalls beruhende Einschätzung der zuständigen Behörde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Zulässigkeit des Vorhabens nur darauf zu überprüfen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3 c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 07. Dezember 2006 – 4 C 16/04 –, juris.
61Demzufolge kommt es nur darauf an, ob erstens eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden hat und ob zweitens das Ergebnis der Vorprüfung Rechtsfehler aufweist, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Vorprüfung entweder Ermittlungsfehler aufweist, die so schwer wiegen, dass sie auf die Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses durchschlagen, oder wenn das Ergebnis außerhalb des Rahmens zulässiger Einschätzungen liegt.
62Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 22 ZB 13.2382 –, juris m.w.N.
63Derartige Fehler sind vorliegend nicht gegeben. Die Einschätzung des Beklagten, dass es durch das Vorhaben nicht zu erheblichen nachteiligen Umwelteinwirkungen kommen wird, ist nachvollziehbar und plausibel. Dass der Beklagte im Genehmigungsverfahren zu Unrecht von Geruchsimmissionen für das Grundstück I.---straße 41 in Höhe von 0,22/22 % ausgegangen ist (vgl. zu der Höhe der zu erwartenden Geruchsimmissionen die Ausführungen im Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 11 K 1021/11), führt nicht dazu, dass die Vorprüfung als fehlerhaft einzustufen ist. Entscheidend ist, dass der Beklagte bei seiner Prüfung in den Vordergrund gestellt hat, dass die streitbefangene Anlage bei Verwendung einer Abluftreinigungsanlage keine zusätzlichen Geruchsimmissionen auf dem Grundstück I.---straße 41 hervorrufen wird. Maßgeblich für den Beklagten war daher nicht, dass lediglich 22 % der Jahresgeruchsstunden eingehalten werden (sollen), vielmehr war für ihn die Angabe bedeutsam, dass mit Blick auf die Abluftreinigungsanlage ab einem Abstand von mehr als 200 m keine weiteren Geruchsimmissionen erzeugt werden. Weitere Einwendungen gegen die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls haben die Klägerinnen nicht geltend gemacht, solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
64Des Weiteren ist durch die Genehmigung vom 07. Mai 2012 in der Fassung des Nachtrags vom 04. April 2013 hinreichend sichergestellt, dass beim Betrieb der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen für die Klägerinnen entstehen.
65Der Sachverständige Dr. S. C. hat in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 11 K 1021/11 anschaulich und überzeugend dargetan, dass bei einer Mastanlage, die mit einer Abluftreinigungsanlage versehen ist, ab einer Entfernung von über 200 m – diese ist im vorliegenden Fall zwischen der streitbefangenen Anlage und dem Wohnhaus I.---straße 41 gegeben – keine Geruchsimmissionen mehr entstehen, so dass diese Anlage mit „Null“ anzusetzen ist. Sofern die Klägerinnen einwenden, der nunmehr verwendete I1. -Biofilter sei nicht derart zur Abluftreinigung geeignet wie der zunächst im Genehmigungsbescheid aufgeführte Filter der Firma E. , da dieser nicht DLG-zertifiziert sei, verhilft ihnen dies nicht zum Erfolg. Dazu hat Dr. S. C. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 11 K 1021/11 ausgeführt, dass entscheidend für die Wirksamkeit der Abluftreinigungsanlage nicht die DLG-Zertifizierung sei. Auch ohne Zertifizierung könne eine Abluftreinigungsanlage wirksam sein, dies habe auch die erfolgte Abnahmemessung durch die V. und Partner GmbH vom 19. Mai 2014 gezeigt.
66Mit Blick darauf, dass die Anlage keine zusätzlichen Geruchsimmissionen am Wohnhaus der Klägerinnen I.---straße 41 erzeugt, durfte der Beklagte die streitbefangenen Anlage daher genehmigen, obwohl die auf das Wohnhaus I.---straße 41 einwirkenden Geruchsimmissionen bereits einen Wert von 25%/0,25 der Jahresgeruchsstunden überschreiten.
67Der Beklagte war aufgrund der fehlenden Zusatzbelastung durch die streitbefangene Anlage auch nicht gehalten, im Genehmigungsbescheid vom 07. Mai 2012 einzuhaltende Immissionsrichtwerte in den Nebenbestimmungen festzusetzen. Soweit in der Begründung zum Genehmigungsbescheid der zunächst im Gutachten der Landwirtschaftskammer NRW aufgeführte Immissionswert von 0,22/22 % angeführt worden ist, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, dass dies insoweit lediglich als Begründungselement aufgeführt wurde, hierdurch jedoch keine verbindlichen einzuhaltenden Immissionsrichtwerte festgesetzt werden sollten.
68Dass von der streitbefangenen Anlage weitere schädliche Immissionen etwa in Form von Ammoniak, Bioaerosolen etc. ausgehen könnten, ist weder von den Klägerinnen dargetan worden noch sonst ersichtlich.
69Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 154 Abs. 1, 159, 162 Abs. 3 VwGO.
70Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tenor
Die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 3. Juli 2013 wird aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme ihrer jeweiligen außergerichtlichen Kosten je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und die Beigeladene selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Wegen der Vorgeschichte wird zunächst auf die entsprechenden Ausführungen in den Urteilen des erkennenden Gerichts vom 2. Juni 2014 in den Verfahren 11 K 1021/11 und 11 K 1817/12 Bezug genommen.
3Die Beigeladene beantragte unter dem 4. Oktober 2012 die Erteilung einer Genehmigung zur Richtung und zum Betrieb sowie zur Änderung von Anlagen i.S.v. § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Mastschweinen mit 1.904 Plätzen sowie die Errichtung und Inbetriebnahme eines Güllebehälters und eines Futtermittelsilos auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17.
4Mit Schreiben vom 5. April 2013 teilten die Klägerinnen dem Beklagten mit, dass ihrer Ansicht nach für das vorliegende Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.
5Der Beklagte führte nachfolgend eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles durch und gelangte unter dem 30. April 2013 zu dem Ergebnis, dass es durch das Vorhaben nicht zu erheblichen nachteiligen Umwelteinwirkungen kommen werde. Aufgrund des einzubauenden Geruchsfilters sei hinreichend sicher gestellt, dass beim Betrieb der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen für die Klägerinnen entstünden.
6Am 16. Mai 2013 wurde im Amtlichen Kreisblatt bekannt gemacht, dass die nach Nr. 7.7.3 Spalte 2 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) durchzuführende standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls ergeben habe, dass für das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umwelteinwirkungen zu erwarten seien und deshalb keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.
7Mit Bescheid vom 3. Juli 2013 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Mastschweinen mit 1.904 Plätzen sowie zur Errichtung und Inbetriebnahme eines Güllebehälters und eines Futtermittelsilos. Als Nebenbestimmung verfügte der Beklagte u.a. den Einbau einer Abluftreinigungsanlage (I2. Biofilter). Er ordnete die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides an.
8Am 2. August 2013 haben die Klägerinnen Klage erhoben. Zu deren Begründung tragen sie vor, ihnen stünde ein Anspruch auf Aufhebung des verfahrensgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides bereits aus § 4 Abs. 3 und Abs. 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) zu. Vorliegend seien zumindest die auf dem Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, betriebenen Anlagen mit den entsprechenden Tierplatzzahlen kumulierend zu betrachten, da jedenfalls insoweit die Voraussetzungen des § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG erfüllt seien. Der Beklagte habe zu Unrecht lediglich eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles vorgenommen, nach Ziff. 7.11.1 der Anlage 1 zum UVPG hätte vielmehr eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müssen.
9Die Klägerinnen beantragen,
10den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Bescheid vom 3. Juli 2013 aufzuheben.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er macht geltend, im vorliegenden Fall sei die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich gewesen, da es für eine kumulierende Betrachtungsweise der für das Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, genehmigten Tierplatzzahlen an einer gleichzeitigen Verwirklichung der Vorhaben fehle.
14Die Beigeladene beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 11 K 1021/11 und 11 K 1817/12 nebst dazugehöriger Verwaltungsvorgänge, die Bauakten der Stadt Q. (8 Hefter) sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten in diesem Verfahren (2 Hefter) Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Eine Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin erfolgen, da sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben, vgl. § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO.
19Die Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
20Die gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis ergibt sich zunächst daraus, dass die Klägerinnen nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG geltend machen können, dass eine nach den Bestimmungen des UVPG erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG räumt in unionsrechtskonformer Auslegung ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 – 8 A 959/10 –, juris Rn. 53 ff. m.w.N.
22Die Klägerinnen sind betroffene Öffentlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG, da sie durch die – ein UVPG-pflichtiges Vorhaben betreffende – Zulassungsentscheidung in ihren Belangen berührt werden. Betroffenheit in diesem Sinne wird grundsätzlich durch einen räumlichen Bezug zum Einwirkungsbereich der Immissionen bestimmt.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 – 8 A 959/10 –, a.a.O. Rn. 82 f.
24Dies ist bei den Klägerinnen als Eigentümerinnen bzw. bei der Klägerin zu 1. als Anwohnerin des in unmittelbarer Nähe zum Vorhabengrundstück befindlichen Wohnhauses I.---straße 41 der Fall.
25Durch ihre Position als Eigentümerinnen bzw. für die Klägerin zu 1. als Anwohnerin können sich die Klägerinnen ferner auf eine nicht ausgeschlossene Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG berufen.
26Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es mit Blick auf die Beteiligung der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren (§ 110 Abs. 3 Satz 1 Justizgesetz NRW (JustG NRW)) im vorliegenden Fall nicht, § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW.
27Die Klage ist zudem begründet. Der der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 3. Juli 2013 zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Mastschweinen mit 1.904 Plätzen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie haben einen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG, denn die im vorliegenden Fall erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht durchgeführt worden.
28Rechtsgrundlage für die streitbefangene Genehmigung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
29§ 4 Abs. 1 BImSchG und Nr. 7.1.7.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV in der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung. Danach ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
30Im Rahmen der Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch einen Dritten ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob die erteilte Genehmigung im Hinblick auf Vorschriften, die dem Schutz des Klägers dienen, rechtmäßig ist. Einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung haben Nachbarn – wie die Klägerinnen – nämlich nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Rechtsschutz voraus, dass nachbarschützende Vorschriften verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich im Rahmen von Nachbarklagen allerdings aus § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u.a. dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG gilt dies entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO. Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit die Fehler einer unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer UVP-Vorprüfung unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führen. Die Norm lässt den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weitet durch Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich – insofern § 47 VwGO ähnelnd – den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Klagebefugnis aus.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 9 A 30.10 –; OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2013 – 10 B 679/13 –; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 8. März 2013 – 1 LB 5/12 –, allesamt juris.
32Die von den Klägerinnen angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung leidet an einem derart beachtlichen Verfahrensmangel, auf den sie sich zudem berufen können. Sie können dem Vorhaben der Beigeladenen das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entgegenhalten.
33Nach § 3 b Abs. 1 Satz 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführtes Vorhaben, wenn die zur Bestimmung seiner Art genannten Merkmale vorliegen (Spalte 1, „X“). Sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist (Spalte 2, „A“), ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Auswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären (§ 3 c Satz 1 UVPG). Sofern für ein Vorhaben mit geringer Größe oder Leistung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist (Spalte 2, „S“), gilt gleiches, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind (§ 3 c Satz 2 UVPG).
34§ 3 b Abs. 3 Satz 1 UVPG sieht für den Fall, dass der maßgebende Größen- oder Leistungswert durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens erstmals erreicht oder überschritten wird, für die Änderung oder Erweiterung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des bestehenden, bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens vor. Nach § 3 b Abs. 3 Satz 2 UVPG sind bestehende Vorhaben auch kumulierende Vorhaben i.S.d. Abs. 2 Satz 1. Eine obligatorische UVP-Pflicht für Änderungen oder Erweiterungen bestehender, bisher nicht UVP-pflichtiger Vorhaben nach Satz 1 setzt voraus, dass der Größen –oder Leistungswert einer X-Vorhabenart nach Spalte 1 erstmals erreicht oder überschritten wird. Nach Satz 2 ist die nachträgliche Kumula-tion dieser Konstellation gleichgestellt. Die vorgenannten Vorschriften sollen dafür sorgen, dass die Funktion der Schwellenwerte nicht durch sukzessive Erweiterungen vorhandener Vorhaben oder deren Verbindung mit neuen gleichartigen Projekten unterlaufen wird.
35Vgl. Landmann/Rohmer, Bearbeiter: Sangenstedt, Umweltrecht, Band I, Stand: August 2013, § 3 b UVPG Rn. 42.
36Der Einwand des Beklagten, eine kumulative Betrachtung sei nur bei gleichzeitiger Verwirklichung der Vorhaben anzustellen, geht fehl. Denn der Anwendungsbereich des § 3 b Abs. 3 Satz 2 UVPG umfasst insbesondere die nachträgliche Kumulation, d.h. Konstellationen, in denen ein neues Vorhaben in engem räumlichen Zusammenhang mit einem schon vorhandenen Vorhaben derselben Art durchgeführt werden soll.
37Vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 b UVPG Rn. 47.
38Die sog. nachträgliche Kumulation bedarf, wie es auch bei § 3 b Abs. 2 Satz 2 UVPG im Rahmen der gleichzeitigen Kumulation erforderlich ist, einer engen räumlichen Nähe zum „Grundvorhaben“.
39Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 8. März 2013 – 1 LB 5/12 –, juris Rn. 51 f.
40Dabei ist die Bewertung, ob eine enger Zusammenhang besteht und deshalb von einer gemeinsamen Anlage auszugehen ist, spezifisch umweltrechtlich zu treffen. Über die Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher, steuerrechtlicher und betriebswirtschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei der Organisation landwirtschaftlicher Betriebe sagt sie nichts aus.
41Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2014 – 2 A 1434/13, 2 A 1480/13, 2 A 1481/13, 2 A 1482 A 1482/13, 2 A 1492 A 1495/13 –, juris, Rn. 69.
42Der in § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG legaldefinierte "enge Zusammenhang" kumulierender Vorhaben in Gestalt einer gemeinsamen Anlage knüpft in Anlehnung an § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV entscheidend an räumliche, nachrangig – gewissermaßen als Hilfskriterium – an betrieblich-technische Zusammenhänge an. Gemeinsame Betriebseinrichtungen sind Anlagenteile, Maschinen, Geräte und sonstige technische Vorkehrungen, die für den technischen Betrieb der Anlage Bedeutung haben. Sie müssen einem vergleichbaren Zweck dienen, weil sie nur dann kumulieren. Entscheidungserheblich für den "engen Zusammenhang" ist bei kumulierenden Umweltauswirkungen der Vorhaben aber der räumliche Zusammenhang "desselben Betriebsgeländes". Dem(selben) Betriebsgelände wird nach der Verkehrsanschauung noch das tatsächlich angrenzende Gelände wie z. B. Zufahrtswege, Begrünung, Abstellflächen etc. zugerechnet. Im Weiteren kommt es auf eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände an. Wegen der gemäß § 3 b Abs. 2 Satz 1 UVPG nicht notwendigen Trägeridentität ist das Betriebsgelände im UVP-rechtlichen Verständnis von vornherein weiter zu fassen, als bei der gemeinsamen Anlage nach § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV, wobei sich dieser im Normwortlaut angelegte Unterschied - wie noch zu zeigen sein wird - bei der gebotenen umfassenden Anwendung eines materiellen UVP- wie immissionsschutzrechtlichen Betreiberbegriffs nivellieren wird. Von einer gemeinsamen Anlage i.S.v. § 3 b Abs. 2 Satz 2 UVPG kann bei gegebenem räumlichem Zusammenhang und vergleichbarem Zweck daher UVP- wie immissionsschutzrechtlich auch dann gesprochen werden, wenn die mehreren Teilanlagen denselben Betreiber haben. Unter Umweltgesichtspunkten ist es ohne Belang – und dies begründet die nur nachrangige Bedeutung der gemeinsamen Betriebseinrichtungen –, ob Vorhaben, die an einem Standort in engem räumlichen Zusammenhang durchgeführt werden sollen, mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind oder sich ohne technische Verbindung nur nebeneinander befinden. § 3 b Abs. 2 UVPG bezieht sogar unterschiedliche Träger in den Kumulationstatbestand ein. Dies alles führt dazu, dass unter "dasselbe Betriebsgelände" erst recht ein Sachverhalt subsumiert werden kann, in dem Flächen zugleich Betriebsgelände einer anderen – möglicherweise technisch getrennten – Anlage sind und diese Anlage denselben Betreiber hat. Das für sich allein ausreichende räumliche Näheverhältnis ist auch dann zu bejahen, wenn formal selbständige Anlagen sich als einheitlicher Komplex darstellen.
43Diese teleologische Auslegung des § 3 b Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG ist Ausdruck des UVP-rechtlichen Leitgedankens, dass die (europarechtswidrige, weil dem Sinn und Zweck von Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 UVP- Änderungsrichtlinie97/11/EG vom 14. März 1997 i.V.m. deren Anhängen I und II widersprechende) künstliche Aufspaltung von an sich UVP-pflichtigen Vorhaben durch sukzessive Vorhabenerweiterungen vermieden und eine Gesamtbewertung der Umweltauswirkungen kumulierender Vorhaben unabhängig davon erreicht werden soll, ob sie einem oder mehreren Vorhabenträgern zugeordnet und wie sie im Einzelnen technisch ausgestaltet sind.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2014 – 2 A 1434/13, 2 A 1480/13, 2 A 1481/13, 2 A 1482 A 1482/13, 2 A 1492 A 1495/13 –,a.a.O. Rn. 74 und 76 m.w.N.
45Das Gericht hat in seinem Urteil vom 2. Juni 2014 – 11 K 1817/12 – ausgeführt, dass die Stallgebäude auf den Grundstücken Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 4 und Flurstück 17, keinen engen Zusammenhang im vorgenannten Sinne aufweisen, da es u.a. an der geforderten Nähe der Stallgebäude auf den beiden Grundstücken fehlt, diese vielmehr auch aufgrund der Trennung durch die I.---straße sowie die unterschiedliche Ausrichtung als zwei getrennte Stallkomplexe anzusehen sind. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt die Kammer Bezug auf die entsprechenden Ausführungen im vorgenannten Urteil vom 2. Juni 2014 – 11 K 1817/12 –. Wenn man jedoch jedes der beiden Grundstücke für sich betrachtet und die Bebauung dort in den Blick nimmt, stehen die auf dem jeweiligen Grundstück befindlichen Stallgebäude in einem engen räumlichen Zusammenhang zueinander. Für diese Annahme spricht bereits der Umstand, dass die Entfernung der Gebäude nur wenige Meter beträgt und sie allesamt in gleicher Richtung ausgerichtet sind. Unerheblich ist, dass die Ställe nominell unterschiedliche Betreiber haben. Offen bleiben kann daher auch die Frage, wer letztlich tatsächlich Betreiber der Ställe ist. Die auf dem Grundstück G. , Flur 15, Flurstück 17, befindlichen Stallgebäude sind demnach als gemeinsame Anlage zu werten, deren Umweltauswirkung kumulieren und deshalb UVP-rechtlich gemeinsam zu betrachten sind.
46Vorliegend ist der sachliche Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes eröffnet, weil eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG bestehen kann. Nach Nr. 7.11.1 der Anlage 1 zum UVPG bedarf die Errichtung und der Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder Aufzucht von Tieren in gemischten Beständen einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn die jeweils unter den Nummern 7.1.1., 7.2.1, 7.3.1, 7.4.1, 7.7.1, 7.8.1, 7.9.1 und 7.10.1 genannten Platzzahlen nicht erreicht werden, die Summe der Vom-Hundert-Anteile, bis zu denen die Platzzahlen ausgeschöpft werden, aber den Wert 100 erreicht oder überschreitet. So liegt der Fall hier.
47Nimmt man die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für das Grundstück Gemarkung G. , Flur 15, Flurstück 17, in den Blick, ergibt sich Folgendes:
482.720 Mastschweineplätze (= 90,6 %) + 250 Sauenplätze (= 27,7 %) +
493.000 Mastschweineplätze 900 Sauenplätze
501.368 Ferkelplätze (= 15, 2 %) = 133,5 %
519.000 Ferkelplätze
52Da bereits mit Blick auf diese Tierplatzzahlen eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden hat, kann dahinstehen, ob die mit baurechtlicher Genehmigung der Stadt Q. vom 30. Juli 2001 erteilte Genehmigung hinsichtlich 560 Zucht- und Mastsauen zu den vorgenannten Tierplatzzahlen zu addieren oder ob insoweit Bestandschutz nach § 3 b Abs. 3 Satz 3 UVPG zu gewähren ist. Für die Anwendbarkeit der Bestandschutzregelung auch für dieses Vorhaben spricht dabei – ohne dass dies hier rechtlich erheblich wäre –, dass die Genehmigung am 30. Juli 2001 und damit vor Inkrafttreten des Artikel-Gesetzes am 3. August 2001 und der Einführung der standortbezogenen Vorprüfungspflicht erfolgt ist. Zwar soll nach dem klaren Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 3 b Abs. 3 Satz 3 UVPG, bisher nicht UVP-pflichtige Vorhaben nicht nachträglich UVP-rechtlich relevant zu machen, der bis zum Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfrist erreichte Bestand UVP-rechtlich bestandsgeschützt, d.h. unbeachtlich für das nachträgliche Erreichen von Größen – oder Leistungswerten sein.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2014 – 2 A 1434/13, 2 A 1480/13, 2 A 1481/13, 2 A 1482 A 1482/13, 2 A 1492 A 1495/13 –, a.a.O. Rn. 109.
54Aus Gründen der Rechtssicherheit könnte jedoch einiges dafür sprechen, nicht allein auf den Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG am 14. März 1999 abzustellen, sondern insoweit als äußerste zeitliche Grenze das Inkrafttreten des Artikel-Gesetzes am 3. August 2001 in den Blick zu nehmen, da zu diesem Zeitpunkt die UVP-Änderungsrichtlinie geltendes Recht wurde.
55Vgl. hierzu: OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2014 – 2 A 1434/13, 2 A 1480/13, 2 A 1481/13, 2 A 1482 A 1482/13, 2 A 1492 A 1495/13 – a.a.O., Rn. 110.
56Die vorstehend aufgeworfene Frage kann letztlich aber offen bleiben, da – wie bereits dargelegt – auch ohne die am 30. Juli 2001 baurechtlich genehmigten 560 Plätze für Zucht- und Mastsauen der Schwellenwert der Ziff. 7.11.1 der Anlage 1 zum UVPG überschritten wird.
57Der in den fehlenden Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung liegende Verfahrensfehler verletzt die Klägerinnen i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten.
58Die nach § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG bestehende Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist auch den Interessen der Klägerin als von der Genehmigung Betroffener zu dienen bestimmt. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG lediglich ein objektiv-rechtlicher Rechtsfehler vorliegt, ändert dies nichts an der durch § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG ausdrücklich angeordneten Rechtsfolge eines Aufhebungsanspruchs. Die Voraussetzung einer subjektiven Rechtsverletzung in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO wird insoweit verdrängt. Nach der einen wie der anderen Auffassung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG zudem, dass die Aufhebung der Zulassungsentscheidung unabhängig davon beansprucht werden kann, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat. § 46 VwVfG NRW findet keine Anwendung.
59Vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 14; BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 – 3 A 1/13 –, juris Rn. 41, vom 2. Oktober 2013 – 9 A 23/12 –, juris Rn. 21; OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2015, a.a.O. Rn. 184 m.w.N., und Urteil vom 17. Juni 2014 – 2 A 1434/13 u.a. –, juris Rn. 61; VG Minden Urteil vom 22. April 2015 – 11 K 3710/12 –, juris Rn. 129 .
60Das Gericht war auch nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und dem Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuholen. Zwar kann eine UVP-Vorprüfung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, eine Umweltverträglichkeitsprüfung kann in der Regel im gerichtlichen Verfahren indes nicht nachgeholt werden.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, juris Rn. 26.
62Da die streitgegenständliche Genehmigung vom 3. Juli 2013 bereits nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 UmwRG aufzuheben ist, kann die Frage offen bleiben, ob das Grundstück der Klägerinnen durch den Betrieb des Stalls mit 1.904 Mastplätzen unzumutbaren Geruchsbelastungen ausgesetzt wird. Nach derzeitiger Einschätzung des Gerichts spricht indes einiges dafür, dass der vom Beklagten im Rahmen der Nebenbestimmungen geforderte Einbau einer Abluftreinigungsanlage in Form eines Biofilters der Firma I1. dazu führt, dass, sofern diese ordnungsgemäß betrieben wird, der Stall aufgrund seiner Entfernung von über 200 m zum Wohnhaus der Klägerinnen nicht zur Entstehung weiterer Geruchsimmissionen beiträgt. Zur weiteren Begründung nimmt das Gericht Bezug auf seine entsprechenden Ausführungen im Urteil vom 2. Juni 2014 – 11 K 1817/12 –, die sich insbesondere mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. C1. in der mündlichen Verhandlung befassen.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.
(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.
(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.
(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.
(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.
(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.
(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.
(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.
(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.
(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.
(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.
(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn
- 1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder - 2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.
(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.
(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.
(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.
(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.
(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.
Die zuständige Behörde kann im Einzelfall die zur Durchführung des § 22 und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen erforderlichen Anordnungen treffen. Kann das Ziel der Anordnung auch durch eine Maßnahme zum Zwecke des Arbeitsschutzes erreicht werden, soll diese angeordnet werden.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Eine Genehmigung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 oder § 25 Absatz 1 der Gewerbeordnung erteilt worden ist, gilt als Genehmigung nach diesem Gesetz fort.
(2) Eine genehmigungsbedürftige Anlage, die bei Inkrafttreten der Verordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 errichtet oder wesentlich geändert ist, oder mit deren Errichtung oder wesentlichen Änderung begonnen worden ist, muss innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung der zuständigen Behörde angezeigt werden, sofern die Anlage nicht nach § 16 Absatz 1 oder § 25 Absatz 1 der Gewerbeordnung genehmigungsbedürftig war oder nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung angezeigt worden ist. Der zuständigen Behörde sind innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige Unterlagen gemäß § 10 Absatz 1 über Art, Lage, Umfang und Betriebsweise der Anlage im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 vorzulegen.
(3) Die Anzeigepflicht nach Absatz 2 gilt nicht für ortsveränderliche Anlagen, die im vereinfachten Verfahren (§ 19) genehmigt werden können.
(4) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen.
(5) Soweit durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 734) neue Anforderungen festgelegt worden sind, sind diese Anforderungen von Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie erst ab dem 7. Januar 2014 zu erfüllen, wenn vor dem 7. Januar 2013
- 1.
die Anlage sich im Betrieb befand oder - 2.
eine Genehmigung für die Anlage erteilt wurde oder vom Vorhabenträger ein vollständiger Genehmigungsantrag gestellt wurde.
(6) Eine nach diesem Gesetz erteilte Genehmigung für eine Anlage zum Umgang mit
- 1.
gentechnisch veränderten Mikroorganismen, - 2.
gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, - 3.
Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach Nummer 1 oder Zellkulturen nach Nummer 2, soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten,
(7) Eine Planfeststellung oder Genehmigung nach dem Abfallgesetz gilt als Genehmigung nach diesem Gesetz fort. Eine Anlage, die nach dem Abfallgesetz angezeigt wurde, gilt als nach diesem Gesetz angezeigt. Abfallentsorgungsanlagen, die weder nach dem Abfallgesetz planfestgestellt oder genehmigt noch angezeigt worden sind, sind unverzüglich bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(8) Für die für das Jahr 1996 abzugebenden Emissionserklärungen ist § 27 in der am 14. Oktober 1996 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
(9) Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, gelten als Genehmigungen nach diesem Gesetz. Nach diesem Gesetz erteilte Genehmigungen für Windfarmen gelten als Genehmigungen für die einzelnen Windkraftanlagen. Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung für Windkraftanlagen, die vor dem 1. Juli 2005 rechtshängig geworden sind, werden nach den Vorschriften der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bisherigen Fassung abgeschlossen; für die in diesem Zusammenhang erteilten Baugenehmigungen gilt Satz 1 entsprechend. Sofern ein Verfahren nach Satz 3 in eine Klage auf Erteilung einer Genehmigung nach diesem Gesetz geändert wird, gilt diese Änderung als sachdienlich.
(10) § 47 Absatz 5a gilt für die Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach § 47, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind.
(11) (weggefallen)
(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.
(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.
(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.
(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.
(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.
(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn
- 1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder - 2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.
(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.
(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.
(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.
(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.
(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.
(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.
(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.
(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.
(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.
(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn
- 1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder - 2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.
(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.
(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.
(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.
(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.
(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
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sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.
Tenor
Der der Beigeladenen erteilte Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in Gestalt der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 und des 3. Än-derungsbescheides vom 13. Februar 2014 wird aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und die Beigeladene selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage vom 29. März 2011 in der Form der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 sowie der 3. Nachtragsgenehmigung vom 13. Februar 2014.
3Die Kläger bewohnen in T. /I1. ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen, auf dem - laut Auskunft der Landwirtschaftskammer - bis in die 1980er Jahre Rinderhaltung betrieben wurde. Ihr Wohnhaus liegt in südwestlicher Richtung ca. 25 m von der Biogasanlage entfernt. Links und rechts an das Wohnhaus grenzen ehemalige Stallgebäude. Der nördliche Teil des Wohnhauses, die sog. Diele, diente früher als Verbindung zwischen den Stallgebäuden und ist von den Klägern in den 1970er Jahren umgebaut und in den Wohnbereich integriert worden. Dort befindet sich seitdem der Eingangsbereich zum Wohnhaus. In einem Umkreis von rund 600 m um das Wohnhaus der Kläger befinden sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe, die Tierhaltung betreiben. Ca. 50 m in nördlicher Richtung liegen die Stallgebäude der T1. B. GbR, deren Gesellschafter B1. und G1. T1. mit den Gesellschaftern der Beigeladenen identisch sind. Dort werden ca. 1.700 Schweine (berücksichtigt wurden die genehmigten Tierplatzzahlen) in sechs Ställen gehalten. Auf dem Nachbargrundstück I2. hält die Beigeladene weitere Schweine. Ca. 400 m in östlicher Richtung befindet der Tierhaltungsbetrieb L. (ca. 1.300 Sauen, Mastschweine und Ferkel), ca. 300 m in südlicher Richtung die landwirtschaftlichen Betriebe K. (ca. 2.000 Sauen, Mastschweine und Ferkel) und H1. (176 Rinder).
4Am 23. August 2010 beantragte die Beigeladene beim Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage. Dem Antrag nachfolgend beigefügt wurde u.a. ein Geruchsgutachten des Ingenieurbüros V. und Q. GmbH vom 14. September 2010, wonach die Zusatzbelastung durch die geplante Biogasanlage lediglich 2 % der Jahresgeruchsstunden betrage und damit irrelevant i.S. der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) sei.
5Unter dem 29. März 2011 erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Verbrennungsmotoranlage zur Erzeugung von Strom und Warmwasser für den Einsatz von Biogas mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 bis weniger als 10 MW auf dem Grundstück Gemarkung I1. , Flur 6, Flurstück 1 in der Gemeinde T. , deren sofortige Vollziehung er anordnete. Im Rahmen der Begründung heißt es auf Seite 23 des Genehmigungsbescheides: „Mit der gutachterlichen Geruchsprognose von V. und Q. vom 14. September 2010, Nr. 13104110‑1, wird belegt, dass der Betrieb der Biogasanlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastungen auf den beurteilenden Flächen im Umgebungsbereich der Biogasanlage, in dem sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten, nicht relevant erhöht.“
6Am 13. April 2011 haben die Kläger Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt - 11 L 180/11 -. Mit Beschluss vom 15. Juni 2011 hat das erkennende Gericht den Antrag abgelehnt. In dem sich anschließenden Beschwerdeverfahren hat das OVG NRW mit Beschluss vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt. Zur Begründung hat das OVG NRW angeführt, auf Grund der im Beschwerdeverfahren eingeholten fachliche Stellungnahme und Plausibilitätsprüfung des M1. für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (M2. NRW) vom 13. April 2012 sei davon auszugehen, dass im Gutachten der V. und Q. GmbH vom 14. September 2010 nebst Ergänzung vom 16. Dezember 2010 nicht alle Ansätze sachgerecht gewählt worden seien. Insgesamt sei nicht auszuschließen, dass die Irrelevanzschwelle von 2 % der Jahresgeruchsstunden überschritten werde.
7Im Anschluss hat die Beigeladene dem Beklagten ein weiteres Gutachten der V. und Q. GmbH vom 07. August 2012 vorgelegt. Der Gutachter gelangt hierin zu dem Ergebnis, dass bei den Klägern (S. 7) eine Zusatzbelastung durch die Biogasanlage von 9 % Jahresgeruchsstunden, eine Gesamtbelastung inkl. Nachbarbetrieb im Istzustand von 15 % Jahresgeruchsstunden sowie eine Gesamtbelastung inkl. Nachbarbetrieb im Planzustand - Erhöhung der Abluftkamine und der Abluftgeschwindigkeit bei den vorhandenen Stallgebäuden - von ebenfalls 15 % der Jahresgeruchsstunden zu erwarten sei.
8Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens hat der Beklagte am 16. August 2012 eine 1. Nachtragsgenehmigung zum Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 erlassen. Gegenstand des Nachtrages sind folgende Maßnahmen: Erhöhung der Ab-luftkamine der vorhandenen Stallgebäude (Gebäude 1 bis 6) auf eine Mindesthöhe von 11 m über Grund und Anpassung der Abluftgeschwindigkeit der Stallgebäude der T1. B. GbR auf >= 7 m/s. Die Nachtragsgenehmigung enthält u.a. folgende Nebenbestimmungen:
9Nr. III 4: „Die von der Genehmigung erfasste Anlage ist so errichten und zu betreiben, dass die allein von der Biogasanlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen nicht zu einer Erhöhung der derzeitigen Gesamtbelastung von IGB = 15 % um mehr als 9 % der Jahresstunden an Geruchswahrnehmungshäufigkeit an dem maßgeblichen Immissionsort - hier: Wohnhaus S. 7 - führen. Die Ermittlung und die Beurteilung der Geruchsimmissionen haben entsprechend der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zu erfolgen.“
10Nr. III 5: „Um der Entstehung zusätzlicher Geruchsimmissionen vorzubeugen, ist die Silageanschnittfläche nach der Silageentnahme unverzüglich und vollständig mit einer geeigneten Folie abzudecken.“
11Nr. III 8. „Dieser Nachtrag ist zu dem oben genannten Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 zu nehmen und gilt nur in Verbindung mit diesem Bescheid.“
12In der Begründung hat der Beklagte ausgeführt, die geplante Biogasanlage wie auch das dem Vorhaben nächstgelegene Grundstück mit dem Wohnhaus S. 7 lägen bauplanungsrechtlich im Außenbereich der Gemeinde T. . Die geplante Anlage erfülle die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Die Immissionsprognose vom 07. August 2012 weise an dem der Anlage nächst gelegenen Wohnhaus, S. 7, eine durch die Biogasanlage zu erwartende geruchliche Zusatzbelastung von 9 % und als Gesamtbelastung einen Wert von 15 % der Jahresstunden aus. Die erstellte Prognose sei aus seiner Sicht nicht zu beanstanden. Die Ertüchtigung der auf den Stallgebäuden der T1. B. GbR vorhandenen Abluftkamine führe an den westlich bzw. nordwestlich gelegenen Wohngebäuden zu einer Verbesserung der Gesamtbelastung um 4 % bzw. 5 %. Das geplante Vorhaben verletze nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Von ihm gingen keine unzumutbaren Gerüche aus. Das nächstgelegene Wohnhaus (S. 7) liege im bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Es handele sich um ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Anwesen mit Tierhaltung. Aufgrund der Außenbereichslage sei das Wohnhaus mit einem geringeren immissionsschutzrechtlichen Schutzanspruch als Wohnnutzungen im Dorfgebiet beschwert. Eine optisch bedrängende Wirkung gehe von der geplanten Biogasanlage nicht aus.
13Am 10. August 2012 hat die Beigeladene beim erkennenden Gericht den Antrag gestellt, den Beschluss des OVG NRW vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - aufzuheben und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 11 K 805/11 gegen die ihr erteilte Genehmigung abzulehnen - 11 L 521/12 -. Mit Beschluss vom 14. September 2012 hat das erkennende Gericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung angeführt, die Interessenabwägung gehe weiterhin zu Gunsten der Beigeladenen aus, da bestehende Zweifel an der Zumutbarkeit der Geruchsimmissionen auch durch die neuerlichen Gutachten und die 1. Nachtragsgenehmigung des Beklagten vom 16. August 2012 nicht ausgeräumt seien.
14Gegen diesen Beschluss hat die Beigeladene Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens hat das erkennende Gericht am 17. September 2012 das M2. NRW um eine gutachterliche Stellungnahme und Plausibilitätsprüfung zum Gutachten von V. und Q. vom 07. August 2012 und einer Ergänzung vom 10. September 2012 gebeten.
15Am 30. Oktober 2012 hat der Beklagte einen 2. Nachtrag zum Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 erlassen. Gegenstand dieses Nachtrages sind folgende Maßnahmen: Geänderte Ausführung der Fahrsiloanlage durch Austausch der Silowände (Traunsteiner gegen U‑Wände), Einkürzungen der ersten und dritten Fahrsilospur, Verzicht auf die westlich gelegene Zufahrt, geänderte Ausführung des Technikgebäudes, Einbau einer geplanten Holzbalkendecke, Verlagerung und Erhöhung der Wallanlage von der Grundstücksgrenze nach innen auf das Anlagengelände im westlichen und südlichen Bereich (Breite der Sohle 7 m, Höhe 2,80 m) und geänderter Betrieb des Annahmebunkers (Reinigung, einmal wöchentlich für 2 Stunden geöffnet). In den Nebenbestimmungen zum Nachtragsbescheid (dort unter III) wird ausgeführt, dass die Auflagen der Bescheide vom 29. März 2011 und 16. August 2012 unverändert gültig blieben und die Abschätzung der zu erwartenden Änderung der Immissionssituation durch die V. und Q. GmbH vom 20. April 2012 verbindlicher Bestandteil des Antrages ist und die darin enthaltenen Randbedingungen einzuhalten sind.
16Das M2. NRW hat in seiner Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 gegenüber dem erkennenden Gericht dargetan, die Ausführungen des Gutachters seien zum Teil nicht nachvollziehbar. Der seitens des Gutachters gewählte Radius von 350 m erweise sich als nicht ausreichend. Entsprechend des heutigen Kenntnisstandes zu den Immissionsauswirkungen von Tierhaltungsbetrieben seien für die Ermittlung der Gesamtbelastung mindestens alle Geruchsemittenten in einem Radius von 600 m um die Beurteilungsfläche in die Ausbreitungsberechnung aufzunehmen. Ferner führt das M2. aus, entsprechend den Auslegungshinweisen der GIRL könne der maximale Immissionswert von 25 % der Jahresgeruchsstunden für Tierhaltungsgerüche im Außenbereich nur unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls angewandt werden. Von Seiten des M2. werde empfohlen, die Kriterien Siedlungsstruktur/Ortsüblichkeit, Nutzung und Historie für die Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls heranziehen.
17Mit Blick auf die Stellungnahme des M2. vom 13./14. Dezember 2012 hat die Beigeladene eine weitere Immissionsprognose der V. und Q. GmbH vom 21. Januar 2013 vorgelegt. Danach ist unter Berücksichtigung der Vorbelastungen durch die o.g. Tierhaltungen am Wohnhaus der Kläger mit einer Geruchsbelastung an 21 % der Jahresgeruchsstunden zu rechnen. Die durch die Biogasanlage entstehende Zusatzbelastung wurde mit 5 % der Jahresgeruchstunden veranschlagt.
18Mit Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 - hat das OVG NRW die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Kammer vom 14. September 2012 - 11 L 521/12 - zurückgewiesen. In der Begründung nimmt das OVG NRW Bezug auf die Ausführungen des M2. NRW in seiner Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 und führt weiter aus, dass die Plausibilitätszweifel, die den Senat maßgeblich zu seiner Bewertung im Beschluss vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - veranlasst haben, durch die Immissionsprognose vom 07. August 2012 nicht hinreichend verlässlich ausgeräumt würden.
19Eine weiteres im Auftrag der Beigeladenen erstelltes Gutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22. März 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass am Wohnhaus der Kläger eine Immissionsbelastung in Höhe von 20 bis 23 % der Jahresgeruchsstunden zu erwarten ist.
20Nachdem die Beigeladene zwischenzeitlich mit der Errichtung der Biogasanlage begann, hat das Gericht auf den Antrag der Kläger mit Beschluss vom 09. Juli 2013
21- 11 L 328/13 - festgestellt, dass die Klage im Verfahren 11 K 805/11 auf der Grundlage der Beschlüsse des OVG NRW vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - und vom 30. Januar 2013 - 8 B 130/12 - aufschiebende Wirkung hat und den Beklagten verpflichtet, der Beigeladenen durch sofort vollziehbare Ordnungsverfügung aufzugeben, den Betrieb der Biogasanlage vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache einzustellen. Das dagegen gerichtete Beschwerdeverfahren ist erfolglos geblieben (OVG NRW, Beschluss vom 06. August 2013 - 8 B 829/13 -).
22Der Beklagte hat daraufhin am 19. Juli 2013 eine Untersagungsverfügung bezüglich der im Betrieb befindlichen Biogasanlage erlassen. Hiergegen hat die Beigeladene am 25. Juli 2013 erneut Klage erhoben - 11 K 2565/13 - und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt - 11 L 455/13 -. Letzteren hat das Gericht mit Beschluss vom 30. Juli 2013 abgelehnt. Im Anschluss hat die Beigeladene diese Klage zurückgenommen.
23Im Klageverfahren - 11 K 805/11 - hat das erkennende Gericht mit Verfügung vom 03. Mai 2013 das M2. NRW gebeten, das Gutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22. März 2013 auf seine Plausibilität zu überprüfen. Unter dem 26. November 2013 hat das M2. NRW eine fachliche Stellungnahme zu diesem Geruchsgutachten abgeben und hierin ausgeführt, dass die Geruchsberechnung des Gutachters plausibel und nachvollziehbar sei, allerdings sei die Geruchseinwirkung unter Berücksichtigung der nunmehr anwendbaren Beurteilungsmethodik der Arbeitsgruppe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft (LAI) zur Anwendung der GIRL unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme wird auf Bl. 231 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
24Unter dem 13. Februar 2014 hat der Beklagte eine 3. Nachtragsgenehmigung erlassen. Die Nebenbestimmungen Nr. III 1 bis 4 des Nachtragsbescheides vom 16. August 2012 wurden aufgehoben und durch folgende Nebenbestimmungen ersetzt:
25Nr. III 1: „Das Geruchsgutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22.03.2013 ist verbindlicher Bestandteil des Genehmigungsbescheides und zwingend zu beachten.“
26Nr. III 4: „Die von der Genehmigung erfasste Anlage ist unter Beachtung der den unter Ziffer 1 genannten Geruchsgutachten zugrunde gelegten Rahmenbedingungen zu errichten und zu betreiben. Die allein von der Biogasanlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen dürfen am maßgeblichen Immissionsort - Wohnhaus S2. 7 - eine Zusatzbelastung von 7 % der Jahresgeruchsstunden nicht überschreiten.“
27Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Auflagen in dem Abschnitt III Nrn. 2 und 3 des Nachtrags der Unteren Umweltschutzbehörde vom 16.08.2012 rechtswidrig seien und aufgehoben würden, weil dies für den Bescheidempfänger nicht umsetzbar sei, da er nicht Eigentümer des zu Grunde liegenden Stalles sei.
28Die Kläger haben sich zur fachlichen Stellungnahme des M2. NRW vom 26. November 2013 nicht geäußert. Zur Klagebegründung verweisen sie auf ihren umfangreichen Vortrag im Rahmen der entsprechenden Eilverfahren. Sie berufen sich weiterhin im Wesentlichen auf eine durch den Betrieb der Biogasanlage zu erwartende unzumutbare Geruchsbelastung.
29Die Kläger beantragen,
30den Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in Gestalt der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 sowie der 3. Änderungsgenehmigung vom 13. Februar 2014 aufzuheben.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Er trägt vor, dass nach den Empfehlungen des M2. bei einer Wohnnutzung im Außenbereich dieser ein Immissionswert bis 25 % der Jahresgeruchsstunden auch dann zugeordnet werden könne, wenn die Wohnnutzung auf einer ehemaligen Hofstelle mit Tierhaltung erfolge. Ausführungen zur Prüfung der speziellen Randbedingungen für das Wohnhaus der Kläger seien im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 16. April 2013 erfolgt. Die Auffassung des M2. NRW, dass Gerüche aus Biogasanlagen anders zu beurteilen seien als Gerüche aus landwirtschaftlichen Betrieben (Tierhaltungsanlagen), teile er nicht. Eine signifikante Unterscheidung der Geruchsqualität zwischen der Silage einer Biogasanlage und der einer Rinderhaltung könne nicht bestehen. Auch entfalte die Biogasanlage eine sogenannte dienende Funktion innerhalb der Landwirtschaft. Die anfallende, betriebseigene Gülle werde über verlegte Leitungen der Anlage direkt zugeführt und die anfallende Abwärme des Motors wiederum zum Teil im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen genutzt.
34Die Beigeladene beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie macht geltend, nach der fachliche Stellungnahme des M2. NRW vom 26. November 2013 beständen an der Richtigkeit der Berechnungsdurchführungen durch das Sachverständigenbüro S1. & I3. keine Zweifel, vielmehr werde die Plausibilität des Gutachtens ausdrücklich bestätigt. Die weitergehenden Ausführungen des M2. NRW zur Beurteilung der Geruchsbelastungen seien dagegen nur bedingt zutreffend. Es bestehe bereits kein Erfordernis, zwischen den Gerüchen aus der Biogasanlage und den Gerüchen aus der Tierhaltung zu differenzieren. Es handele sich bei der Biogasanlage ausschließlich um eine solche, die mit nachwachsenden Rohstoffen, wie Mais und Getreide sowie mit Gülle aus der Tierhaltung beschickt werde. Es sei daher hier ein Immissionsgrenzwert bis 25 % der Jahresgeruchsstunden anzunehmen. Die Immissionsbelastung beim Wohnhaus der Kläger betrage lediglich 22 %, so dass damit keine unzumutbare Geruchsbelästigung vorliege. Selbst wenn eine Differenzierung der Gerüche aus der Biogasanlage und solcher aus der Tierhaltung zulässig sei, wären die maßgeblichen Immissionswerte weiterhin eingehalten. Nach der bislang angewendeten und fachlich anerkannten Methodik zur Beurteilung gemeinsamer Einwirkung verschiedener Gerüche anhand der in der fachlichen Stellungnahme angeführten zwei Prüfungsschritte liege insgesamt ebenfalls keine unzumutbare Geruchsbelastung vor. Soweit am Ende der fachlichen Stellungnahme allerdings eine gänzlich neue, bislang selbst in Gutachterkreisen unbekannte Methodik der Prüfung der Zulässigkeit der Geruchsbelastung angeführt werde, die im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz länderübergreifend geregelt worden sein solle, sei diese vorliegend nicht zu berücksichtigen. Ein Erlass oder eine Verwaltungsvorschrift zu dieser neuen Methodik existiere nicht. Hinzu komme, dass die Angelegenheit seitens des M2. NRW nicht zeitnah bearbeitet worden sei. Wäre die fachliche Stellungnahme innerhalb angemessener Zeit erstellt worden, wäre eine Entscheidung aller Wahrscheinlichkeit vor der internen Beschlussfassung der LAI getroffen worden. Eine derartige Verzögerung könne nicht zu Lasten der Beigeladenen gehen.
37In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene darüber hinaus vorgetragen, sie verzichte auf die Errichtung des dritten, dem Grundstück der Kläger nächstgelegenen Fahrsilos und den Einsatz und die Lagerung von Grassilage. Hierdurch werde, sogar wenn man die Methodik der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für anwendbar hielte, ein Wert der Geruchsimmissionen erreicht, der unter 1 liege. Insoweit habe sich der Rechtsstreit erledigt.
38Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Sachverständigen B2. T2. u.a. zu seiner Stellungnahme vom 26. November 2013 informatorisch befragt. Wegen der Einzelheiten der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 11 K 804/11, 11 L 180/11, 11 L 521/12, 11 L 328/13, 11 L 455/13 sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (10 Hefte) Bezug genommen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
40Die Klage hat Erfolg.
41I. Gegenstand der Klage ist der Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in der Gestalt, die er durch die Nachtragsgenehmigungen vom 16. August 2012, 30. Oktober 2012 und 13. Februar 2014 erhalten hat. Die Nachtragsbaugenehmigung stellt keinen selbständig anfechtbaren Streitgegenstand dar, wenn sie kein selbständiges Vorhaben betrifft. Sie kann in diesem Fall nur zusammen mit der ursprünglichen Baugenehmigung angegriffen werden, der sie - genauso wie dem genehmigten Vorhaben - eine abschließende Gestalt gibt.
42Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 25. September 2012 - 2 B 1048/12 -, vom 17. März 2009 - 7 B 1768/08 -, juris Rn. 8, und vom 04. Mai 2004 - 10 A 1476/04 -, BRS 67 Nr. 169 = juris Rn. 7 ff.
43Diese Grundsätze aus dem Baurecht sind auf das Immissionsschutzrecht übertragbar. Mit den o.g. Nachtragsbescheiden wird kein vom ursprünglichen Genehmigungsgegenstand abweichendes Vorhaben genehmigt. Lage, Größe und Umfang der mit der Genehmigung vom 29. März 2011 immissionsschutzrechtlich und baurechtlich genehmigten Anlagenteile der Biogasanlage,
44soweit es sich nicht um solche handelt, die die der Anlage 1 zur 4. BImschV unterfallen, dürften diese entweder als Nebenanlagen nach § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV oder baurechtlich (vgl.
45§ 13 BImSchG) von der Genehmigung umfasst sein,
46sind durch die Nachtragsbescheide nicht verändert worden. Ihr Regelungsgehalt beschränkt sich im Wesentlichen auf die Einbeziehung der im Verlauf des Verfahrens erstellten weiteren Geruchsimmissionsprognosen und die hierdurch erforderlichen Anpassungen bestimmter Nebenbestimmungen.
47Die Festlegung geänderter Immissionswerte gibt der Genehmigung keinen selbständigen neuen Inhalt, so dass Streitgegenstand der Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide ist.
48II. Die Klage ist zulässig.
49Die Änderungsgenehmigung i.d.F. des 3. Änderungsbescheides hat sich nicht durch den in der mündlichen Verhandlung erklärten „Teilverzicht“ auf die Genehmigung erledigt, mit der Folge, dass die Anfechtungsklage hinsichtlich eines Teiles der Genehmigung mangels Rechtschutzbedürfnis unzulässig geworden wäre.
50Verzichtet der Inhaber auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, so erlischt diese, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Verfügung der zuständigen Behörde bedürfte. Die in § 18 BImSchG aufgeführten Erlöschensgründe sind insoweit nicht abschließend.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 -, NVwZ 1990, 464; OVG NRW, Urteil vom 09. August 2006 - 8 A 3726/05 -, S. 14 des amtlichen Umdrucks; Beschlüsse vom 14. September 2006 - 8 A 496/05 - und - 8 A 497/05 - jeweils S. 10 des amtlichen Umdrucks.
52Soweit in der Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass dies grundsätzlich auch bei einem Teilverzicht gilt, wenn die Genehmigung teilbar ist und der restliche Anlagenteil noch genehmigt werden kann,
53vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. September 2006 - 8 A 496/05 - und - 8 A 497/05 - jeweils S. 10 des amtlichen Umdrucks; Jarass, BImSchG, 10.Auflage 2013, § 18 Rn. 9,
54mag dies gelten, wenn es - wie im Urteil des OVG NRW vom 09. August 2006 (a.a.O.) - darum geht, dass der Bauherr beim genehmigten Betrieb einer Windkraftanlage mit der Beschränkung des Schallleistungspegels auf eine von der technischen Ausgestaltung der genehmigten Anlage her mögliche Kapazität in vollem Umfang verzichtet, denn ein Verzicht auf eine optimale Kapazitätsauslastung lässt im Übrigen das Vorhaben, so wie es genehmigt war, unverändert. Beschränkt sich der Verzicht dagegen nicht nur auf die von der Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfassten Nutzungsmöglichkeiten (Betriebszeiten), sondern auch auf die Realisierung bestimmter baulicher Elemente eines umfangreichen Gesamtvorhabens, führt dies zu einer wesentlichen Umgestaltung des Vorhabens in baurechtlicher, gegebenenfalls auch in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht,
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 7 B 1368/08 -, juris Rn. 18 und 19,
56sodass es einer baurechtlichen bzw. immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung bedarf. Ein Teilverzicht, mit der Folge, dass insoweit eine Teilerledigung des Rechtsstreites eintritt, ist in diesen Fällen nicht möglich, weil das Vorhaben nach dem teilweisen Verzicht seine Grundlage nicht mehr in der erteilten Genehmigung finden kann.
57So liegt es hier. Der in der mündlichen Verhandlung erklärte und schriftlich bestätigte „Teilverzicht“ beschränkt sich nicht nur auf eine Eingrenzung der Nutzungsmöglichkeiten, sondern auf den Verzicht eines der genehmigten Fahrsilos sowie den Einsatz von Grassilage. Damit wird nicht nur auf einen Teil der baurechtlich genehmigten Anlagenteile verzichtet, sondern auch das Betriebskonzept für die genehmigte Biogasanlage geändert. Denn die Einsatzstoffe sind wesentlicher Bestandteil der Betriebsbeschreibung, die wiederum Bestandteil des Genehmigungsbescheides ist (vgl. Nr. 3.1 des Genehmigungsantrages, Bl. 202 BA II und II des Genehmigungsbescheides vom 29. März 2011) und - mit Blick auf die unterschiedlichen Geruchsemissionsfaktoren (vgl. V. & Q. , Gutachten vom 14. September 2010, Seite 16) - auch für die Immissionsprognose von Bedeutung sind.
58Die gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis ergibt sich im vorliegenden Fall zumindest daraus, dass sich die Kläger als Eigentümer und Anwohner des Grundstücks S2. 7 auf eine nicht ausgeschlossene Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG berufen können.
59Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nach § 110 Abs. 3 Satz 1 Justizgesetz NRW bedurfte es nicht, da die Kläger im Verwaltungsverfahren beteiligt worden sind. Dies gilt auch bezüglich der im Verfahren ergangenen Nachtragsbescheide.
60III. Die Klage ist auch begründet. Der der Beigeladenen erteilte Genehmigungsbescheid zur Errichtung und dem Betrieb einer Biogasanlage vom 29. März 2011 in der Fassung der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 sowie der 3. Nachtragsgenehmigung vom 13. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
61Rechtsgrundlage für die hier erteilte Genehmigung ist § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. Nr. 1.4.b) aa) Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV. Zumindest (s.o.) die Errichtung und der Betrieb des hier geplanten BHKW’s bedürfen danach einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
62Der Beigeladenen steht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer derartigen Genehmigung zu, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, hierzu unter III 2) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, hierzu unter III 1).
631. Soweit es die hier mit zu prüfenden (§ 13 BImSchG) Vorschriften des öffentlichen Baurechts angeht, ist nicht ersichtlich, dass durch die Genehmigungserteilung gegen Vorschriften verstoßen wird, denen nachbarschützende Wirkung zukommt.
64Hierbei geht das Gericht nach Auswertung der ihm vorliegenden Karten und Pläne davon aus, dass sowohl das Grundstück der Kläger als auch das Grundstück der Beigeladenen nicht in einem faktischen Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO) liegen, sondern im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB).
65a.) Ein Bebauungszusammenhang i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist eine aufeinander folgende Bebauung, die trotz vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei kommt es nur auf äußerlich erkennbare, mit dem Auge wahrnehmbare und bereits vorhandene Gegebenheiten an, so dass etwa Darstellungen im Flächennutzungsplan ebenso unerheblich sind wie eine erst künftig geplante Bebauung. Maßstabsbildend sind im Regelfall nur bauliche Anlagen, die nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als Ortsteil mit bestimmtem städtebaulichen Charakter zu prägen, und zwar unabhängig davon, ob sie genehmigt oder nur zweifelsfrei geduldet sind oder ob sie einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, wozu im Einzelfall auch landwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken dienende Betriebsgebäude gehören können. Bauwerke, die - wie eine Scheune oder ein Stall - nur vorübergehend genutzt werden, gehören in der Regel nicht dazu, unabhängig davon, welchen Zwecken sie dienen. Wie räumlich eng die maßstabsbildende Bebauung sein muss, um sich als zusammenhängend darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund umfassender Wertung und Bewertung des Sachverhalts im Einzelfall zu entscheiden. Dabei können auch Flächen ohne solche Bebauung dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sein, wenn sie den optischen Eindruck der Geschlossenheit nicht unterbrechen. Das gilt zum einen für freie Flächen, die - gedanklich - übersprungen werden können, weil die Verkehrsanschauung das unbebaute Grundstück i. S. eines verbindenden Elements als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lässt. Insoweit gibt es jedoch keinen bestimmten Höchstwert für die Ausdehnung einer Baulücke. Ihr Vorliegen wird aber umso unwahrscheinlicher, je größer die unbebaute Fläche ist. Während eine Baulücke bei Gebäudeabständen bis zu 90 m bejaht und bei einer 130 m ausgedehnten unbebauten Fläche für möglich gehalten wurde, sind Flächen von 280 m, 240 m und 210 m Ausdehnung nicht als Baulücke bewertet worden. Als Faustformel dient die Ausdehnung von zwei bis drei Bauplätzen, in aufgelockerter Bebauung aber auch größer. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob es sich um eine ländlich oder städtisch geprägte Umgebung handelt. Außer Baulücken sind dem Bebauungszusammenhang noch Flächen zuzurechnen, auf denen sich nicht maßstabsbildende Bautätigkeit in sichtbarer Veränderung der Geländeoberfläche niedergeschlagen hat oder die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (z.B. Gewässer) oder Zweckbestimmung (z.B. Sportplätze, Erholungsflächen) der Bebauung entzogen sind.
66b) Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz1 BauGB ist - in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) - ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das nach der Zahl vorhandener Bauten “gewisse Gewicht“ ist im Vergleich mit anderen Ansiedlungen und im Gegenvergleich mit der unerwünschten Splittersiedlung zu bestimmen. Räumlicher Bezugsrahmen ist wegen der Funktion des § 34 BauGB als “Planersatz“ oder “Planergänzung“ und seines Zusammenhangs mit der gemeindlichen Planungshoheit nur die Siedlungsstruktur der jeweiligen Gemeinde. Eine feste Mindestzahl an Gebäuden lässt sich daher nicht festlegen. Eine Ansammlung von nur vier Wohngebäuden genügt allerdings regelmäßig nicht. Sechs oder auch nur fünf Gebäude können im Einzelfall aber schon ausreichen.
67Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 18. Januar 2011 - 8 S 600/09 - m.w.N., juris.
68c.) Ausgehend davon ist im vorliegenden Fall die um das Wohnhaus der Kläger gelegene Bebauung nicht als zusammenhängend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und insgesamt nicht als Ortsteil zu werten. Vielmehr ist diese Gegend von T. /I1. als Außenbereich und nicht als faktisches Dorfgebiet anzusehen. An dem Kreuzungsbereich der Straßen X. /S2. befinden sich ausweislich des Luftbildes bei google maps maximal fünf zu Wohnzwecken genutzte ehemalige landwirtschaftliche Anwesen. Diese vermitteln nicht den Eindruck von Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit eines bandartig gewachsenen dörflichen Bebauungskomplexes, vielmehr sind sie augenscheinlich ursprünglich für die jeweils getrennt voneinander wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebe als Wohnhäuser errichtet worden und werden zudem durch das Straßenkreuz voneinander getrennt. Das Gebiet lässt sich auch nicht als zum Dorfgebiet I4. gehörig ansehen. Dagegen spricht bereits die Entfernung zwischen dem Grundstück S2. 7 und der Grenze des „Ortsgebietes“ von I1. . Diese beträgt rund 500 m Luftlinie. Dazu kommt, dass entlang der Straße X. , die das Anwesen der Kläger und I1. verbindet, in südlicher Richtung kaum bauliche Nutzung zu finden ist, sondern sich dort überwiegend landwirtschaftlich genutzte Freiflächen befinden. Aktive landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung (L. , K. und H1. ) befinden sich in einem Umkreis von 400 m. Es liegt daher insgesamt eine für den Außenbereich typische aufgelockerte Bebauung ehemals genutzter landwirtschaftlicher Hofstellen an einer Straße vor, die von Wiesen und Feldern unterbrochen wird.
69d) Ob es sich bei der hier genehmigten Biogasanlage um ein privilegiertes Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB handelt oder - in Ermangelung der dort genannten Voraussetzungen - um ein sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB ist in bauplanungsrechtlicher Hinsicht für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, weil dem Vorliegen eines Privilegierungstatbestandes keine nachbarschützende Wirkung zukommt, die unzutreffende Annahme eines Privilegierungstatbestandes durch die Genehmigungsbehörde deshalb den Nachbarn nicht in subjektiven Rechten verletzt.
70Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 2 B 320/13 -, juris Rn.13; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07. Oktober 2009
71- 1 A 10872/07 -, BauR 2010, 581 = juris Rn. 99.
72Nachbarschutz wird im baurechtlichen Außenbereich nur über das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gewährt. Für eine optisch erdrückende Wirkung des hier genehmigten Vorhabens mit Blick auf das benachbarte Grundstück der Kläger ist nichts ersichtlich. Die dem Grundstück der Kläger nächstgelegenen Teile der Anlage - die Fahrsilos - weisen eine Höhe von weniger als drei Metern auf. Die Fermenter sind mit bis zu 6 Metern die höchsten Anlagenbestandteile, diese sind jedoch am östlichen Rand des Grundstücks und in weiterer Entfernung zu den Klägern positioniert. Zum Grundstück der Kläger wird die Biogasanlage außerdem durch einen Wall abgeschirmt.
73Insoweit ist entscheidungserheblich nur noch die Frage, ob das genehmigte Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, weil es schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB hervorruft (hierzu unter 2.) Hierbei konkretisiert das Bundesimmissionsschutzgesetz die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht. Andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987, und Beschluss vom 02. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679.
752. Durch die Genehmigung vom 29. März 2011 in der Fassung der Nachtragsbescheide wird nicht hinreichend sicherstellt, dass beim Betrieb der Biogasanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen für die Kläger entstehen.
76a) Zur Klärung der Frage, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, bedarf es grundsätzlich - vorbehaltlich hier nicht vorliegenden Ausnahmen - einer „auf der sicheren Seite“ liegenden Prognose, bei der aus der Vor- und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird.
77Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33.
78Hierbei kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 zurückgegriffen werden.
79In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie sowie die entsprechenden VDI-Richtlinien,
80die VDI Richtlinien 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine bzw. Geflügel) wurden durch die VDI-Richtlinie 3894 - Stand: September 2011 - ersetzt,
81bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden können; sie enthalten technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
82Vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, DVBl. 2007, 1515 (nur LS), und vom 13. Dezember 2007 - 7 D 142/06.NE -, juris, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 263, vom 10. Februar 2006 - 8 A 2621/04 -, NWVBl. 2006, 337, vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris, und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -.
83Die GIRL findet grundsätzlich auch Anwendung im Zusammenhang mit der Beurteilung von Gerüchen aus Biogasanlagen.
84Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. März 2011 - 12 ME 26/11 -, juris.
85Auf die Ermittlung von Kenngrößen für die Geruchsbelastung nach der GIRL kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen insoweit nicht durch die Einhaltung des Abstandsdiagrammes nach Nr. 5.4.7.1 TA Luft sichergestellt ist. Dieses findet nur auf Tierhaltungsanlagen Anwendung, nicht auf Biogasanlagen.
86Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Mai 2006 - 7 ME 6/06 -, RdL 2006, 212.
87b.) Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert (IW) von 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15; einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen.
88Für den Außenbereich enthält die GIRL keine Immissionswerte. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL wird hierzu lediglich ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es "möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 25 % für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen."
89Der Begriff der „landwirtschaftlichen Gerüche“ i.S.d. GIRL knüpft hierbei nicht an den Begriff der Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB an. In seiner fachlichen Stellungnahme vom 14. Dezember 2012 an das erkennende Gericht hat das M2. NRW hierzu ausgeführt:
90Zu bedenken ist hier, dass sich die Bezeichnungen "Landwirtschaft",
91"landwirtschaftliche Gerüche", "landwirtschaftlicher Bereich" und
92"landwirtschaftliche Anlagen" in Nr. 1 und 3.1 der GIRL bzw. den
93Auslegungshinweisen zu Nr. 1, 2, 3.1 und 5 der GIRL nicht auf
94"Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB" beziehen, sondern als
95Bezug die im Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur GIRL genannten
96Definitionen heranzuziehen sind. In diesem "Bericht zu Expositions-
97Wirkungsbeziehungen" (LUA NRW 2006) wird der Summe der
98Geruchsqualitäten "Geflügel, Schwein, Rind, Pferd, Gülle, Mist, Silage"
99die Bezeichnung "landwirtschaftliche Gerüche" zugeordnet (Tabelle 5,
100Seite 35). Für die in die GIRL 2008 eingegangenen Auswertungen
101hingegen ist das Belastungsmaß "Tierhaltungsgerüche" (Geflügel,
102Schwein, Rind) verwendet worden (Seite 73, LUA NRW 2006). Die
103Geruchsqualität Pferd wurde zu Beginn des Projektes mit aufgenommen,
104konnte aber nicht untersucht werden. Der Begriff "landwirtschaftlich" in
105der GIRL bezieht sich somit auf die Geruchsqualität, die von landwirt-
106schaftlicher Tätigkeit, hier speziell der Tierhaltung und deren Nebenein-
107richtungen hervorgerufen wird. Insoweit ist die Formulierung in den
108Auslegungshinweisen zur GIRL wie folgt zu präzisieren: Unter der
109Prüfung der speziellen Bedingungen des Einzelfalls kann bei der
110Geruchsbeurteilung im Außenbereich ein Wert bis zu 0,25 für Gerüche
111aus der Tierhaltung herangezogen werden.“
112Die bisher vom OVG NRW offen gelassene Frage, ob „landwirtschaftliche Gerüche“ i.S.d. der GIRL auch solche aus einer gewerblichen Tierhaltung i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind,
113vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 42,
114dürfte damit zu bejahen seien. Das OVG NRW hat in seinem Beschluss vom 30. Januar 2013 auf diese Stellungnahme des M2. NRW vom 13./14. Dezember 2012 Bezug genommen und sich dieser Rechtsauffassung offensichtlich angeschlossen.
115Zu Geruchsbelastungen durch Gerüche aus einer Biogasanlage führt das M2. NRW in der vorgenannten Stellungnahme vom 14. Dezember 2012 an das erkennende Gericht aus:
116„Die Gerüche einer Biogasanlage wurden im Rahmen des genannten Forschungsobjektes nicht untersucht, sie sind keine Gerüche aus der Tierhaltung, entsprechend ist für sie eine Erhöhung des Immissionswertes bis zu 0,25 nicht anzuwenden. Vor dem Hintergrund einer Geruchsimmissionsmessung kann es im Einzelfall schwierig sein, die Gerüche aus einem Tierhaltungsbetrieb mit Silage von denen der Silage einer Biogasanlage zu unterscheiden. In Immissionsprognosen jedoch können die Zuordnungen separat ausgewertet werden.“
117c.) Wie oben bereits ausgeführt, ist es nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL im Außenbereich nur „unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls“ - und nicht etwa ohne Weiteres - möglich, bei der Geruchsbeurteilung einen Wert von bis zu 0,25/25 % für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen. Die Feststellung einer Außenbereichslage ist dabei notwendige, aber für sich allein nicht hinreichende Bedingung zur Annahme eines Wertes von bis zu 0,25/25 %. Insoweit bedarf es vielmehr einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten und der Qualität der Geruchsbelästigung im konkreten Fall zu erfolgen hat.
118Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 41, vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, n. v., Abdruck S. 7, und vom 09. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, n.v., Abdruck S. 18.
119Eine solche Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde lässt sich den Genehmigungsbescheiden nicht entnehmen. Sie war im Rahmen der Genehmigungserteilung für den Bescheid vom 29. März 2011 und den 1. Änderungsbescheid vom 16. August 2012 auch nicht erforderlich, weil der Beklagte vor dem Hintergrund der Geruchsprognosen vom 14. September 2010 bzw. 07. August 2012 von einer irrelevanten Zusatzbelastung bzw. einer Gesamtbelastung von nicht mehr als 15 % der Jahresgeruchsstunden ausgehen durfte. Unter Berücksichtigung der dem 3. Änderungsbescheid vom 13. Februar 2014 zu Grunde liegenden Geruchsimmissionsprognose des Ingenieurbüros S1. & I3. war eine solche jedoch erforderlich. Der Begründung dieses Änderungsbescheides lässt sich aber nicht entnehmen, welche Gesamtgeruchsbelastung der Beklagte innerhalb des durch die GIRL für den Außenbereich eröffneten Rahmens zwischen 15 % und 25 % der Jahresgeruchsstunden für die Kläger (noch) als zumutbar ansieht. Insoweit hätten entsprechende Festlegungen nach Auffassung des Gerichts im Bescheid erfolgen müssen. Eine Genehmigung, die - wie hier - keinen Immissionswert für die maßgebliche (vgl. Nr. 4.2 GIRL) Gesamtbelastung am Grundstück der Kläger festlegt, sondern sich lediglich auf eine Regelung der Zusatzbelastung beschränkt (vgl. Nebenbestimmung III Nr. 4 des 3. Änderungsbescheides vom 13. Februar 2014), reicht insoweit nicht aus. Sofern im Genehmigungsbescheid vom 13. Februar 2014 bestimmt wird, dass das Geruchsgutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. als Bestandteil des Genehmigungsbescheides zwingend zu beachten sei, genügt dies gleichfalls nicht. Die Einzelfallprüfung ist durch die Genehmigungsbehörde durchzuführen und zu begründen. Meinungen und Feststellungen eines Gutachters können diese nicht ersetzen. Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen des Ingenieurbüros S1. & I3. im Gutachten vom 22. März 2013 (Seite 22) auf eine Wiedergabe der Auslegungshinweise der GIRL. Eine an den Vorgaben des M2. orientierte Einzelfallprüfung, auf die der Beklagte Bezug nehmen könnte, hat offensichtlich nicht stattgefunden.
120e.) Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Ergebnis der nach Nr. 5 GIRL durchzuführenden Prüfung im Einzelfall nicht Bestandteil des Genehmigungsbescheides sein muss und hierzu auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 16. April 2013 (BA Bl. 152 ff.) abstellt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
121Die hierin geäußerte Rechtsauffassung des Beklagten, bei einer Wohnnutzung im Außenbereich seien bis zu 25 % der Jahresgeruchsstunden für die Kläger unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles zumutbar, wenn es sich um eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle handele, teilt das Gericht jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - eine vorhandene Tierhaltungsanlage um eine Biogasanlage erweitert werden soll.
122aa.) Zu den Voraussetzungen, wann eine Erhöhung des maßgeblichen Richtwertes auf 0,25/25 % möglich ist, hat das OVG NRW in seinem Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 - Bezug genommen auf die in der fachlichen Stellungnahme des M2. NRW vom 13. Dezember 2012 aufgeführten Kriterien für die Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls. Dort heißt es:
123„- Siedlungsstruktur/Ortsüblichkeit: Einzelnen Wohnnutzungen im
124Außenbereich kann, soweit keine der im Weiteren genannten Kriterien
125dagegen sprechen, in der Regel ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet
126werden. Für Straßendörfer und Streusiedlungen wird die Anwendung
127eines Immissionswertes bis 0,20 empfohlen.
128- Nutzung: Soweit es sich um eine reine Wohnnutzung im Außenbereich
129handelt, können, in Abhängigkeit von den weiteren genannten Kriterien,
130Immissionswerte oberhalb von 0,15 bis 0,25 festgelegt werden. Für
131Wohnnutzungen von tierhaltenden Betrieben wird ein Immissionswert
132bis 0,25 empfohlen, wobei die jeweilige Eigenbelastung
133(Geruchsstundenhäufigkeiten, hervorgerufen durch die eigene
134Tierhaltung) unberücksichtigt bleibt. Ein solches Vorgehen stellt sicher,
135dass die Bewohner einer solchen Hofstelle für den Fall einer Aufgabe
136der Tierhaltung (ein aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft
137regelmäßig auftretender Fall) nicht unbegrenzt Geruchsimmissionen
138ausgesetzt sind, somit auch für diesen Fall der Schutz sichergestellt ist.
139- Historie: Der Wohnnutzung innerhalb einer Hofstelle, auf der Tiere
140gehalten wurden, die heute insgesamt aber nur noch zu Wohnzwecken
141genutzt wird, kann ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet werden.
142Handelt es sich um ein Wohnhaus im Außenbereich, das ohne
143landwirtschaftlichen Bezug errichtet wurde (z.B. Bahnwärterhaus), wird
144ein Immissionswert bis 0,20 empfohlen.
145- Vorbelastung: Liegt die Vorbelastung bereits über 0,25, ist im Rahmen
146eines Genehmigungsverfahrens anzustreben, den Immissionswert von
1470,25 im Sinne eines Zielwertes zu erreichen.“
148Das OVG NRW hat diese Grundsätze in seinem Beschluss vom 24. Februar 2014 - 8 B 1011/13 -, n.v. weitergehend präzisiert und Kriterien aufgestellt, die bei der Bestimmung des Grenzwertes der zulässigen Geruchsbelastung Berücksichtigung finden sollen. Diese sind
149- der Gebietscharakter,
150- Vorbelastung und Ortsüblichkeit der Gerüche,
151- eine gegebenenfalls erhöhten Duldungspflicht des Nachbarn bei eigener
152Tierhaltung,
153- das gesetzgeberische Anliegen, Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen generell zu vermeiden und an sich nicht zumutbare Zustände nicht zu verfestigen,
154- der Stand der Technik,
155- das Ziel, Vorhabenänderungen dann nicht zu verhindern, wenn sie zwar nicht die an sich zumutbaren Geruchsimmissionswerte einhalten, aber deutliche Verbesserungen herbeiführen, sowie
156- sonstige Einzelfallumstände.
157bb.) Legt man diese Kriterien für die zu treffende Einzelentscheidung zu Grunde, sind den Klägern Geruchsimmissionen bis zu 25 % der Jahresgeruchsstunden nicht zumutbar.
158Die nach den o.g. Empfehlungen des M2. NRW vorzunehmende Differenzierung bei Wohnnutzungen im Außenbereich zwischen solchen mit landwirtschaftlichen Bezug (im Einzelfall bis 25 % der Jahresgeruchstunden) und ohne landwirtschaftlichen Bezug (bis 20 % der Jahresgeruchsstunden), dürfte zwar grundsätzlich dem Gebot der Rücksichtnahme Rechnung tragen.
159In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Wohnnutzungen im Außenbereich gegenüber einer zulässigen landwirtschaftlichen Nutzung ein höheres Maß an Rücksichtnahme zu üben haben als Wohnnutzungen in Dorfgebieten.
160Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, juris.
161In der GIRL kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass für Dorfgebiete nach Nr. 3.1 ein Immissionswert von 0,15/15 % der Jahresstunden gilt, während bei einer Wohnnutzung im Außenbereich über diesen Wert hinausgegangen werden kann. Mit Blick darauf, dass nach der Rechtsprechung Wohnnutzungen ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe mit einem nachwirkenden Gebot der Rücksichtnahme belegt sind,
162vgl. OVG NRW Beschluss vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn.25,
163dürfte es auch zulässig sein, nicht allein die derzeitige Nutzung in den Blick zu nehmen. Das Gebot der Rücksichtnahme beruht aber auf Gegenseitigkeit. Dies bedeutet, dass eine landwirtschaftliche privilegierte Nutzung ihrerseits im Rahmen der dem Landwirt durchaus zustehenden Entwicklungsmöglichkeiten auch auf bestehende Wohnnutzungen im Außenbereich Rücksicht nehmen muss, selbst dann, wenn diese ihrerseits an eine aufgegebene privilegierte Nutzung geknüpft waren. Das der Wohnnutzung mit Blick auf die frühere (eigene) privilegierte Nutzung obliegende erhöhte Maß an Rücksichtnahme kann hierbei nicht zeitlos sein. Mit zunehmender Dauer der Aufgabe der privilegierten Nutzung nähert sich dies dem an, was eine nicht privilegierte Wohnnutzung im Außenbereich an Rücksicht hinzunehmen hat. Wird - wie hier - eine eigene landwirtschaftliche Nutzung seit ca. 30 Jahren nicht mehr betrieben, die Wohnnutzung im Außenbereich seitdem aber genehmigt oder geduldet ausgeübt, dürfte ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme bis zum Ausschöpfen des Grenzwertes von 25 % der Jahresstunden nicht mehr geboten sein.
164Berücksichtigt werden muss im vorliegenden Fall im Rahmen des gegenseitigen Gebots der Rücksichtnahme auch, dass die Kläger bis in die 1980er Jahre eine Tierhaltung nur im geringsten Umfang (3 Kühe und 1 Pferd) ausgeübt haben, sodass die von ihnen in der Vergangenheit verursachten Geruchsimmissionen auch nicht annähernd mit den von der T1. B. GbR verursachten Immissionen (ca. 1.700 Schweine) vergleichbar waren.
165Nimmt man im Rahmen der Einzelfallprüfung - wie es das M2. NRW und auch das OVG NRW fordern - ergänzend auch die Ortsüblichkeit in den Blick ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich hier nach dem Genehmigungsgegenstand nicht um Gerüche aus einer Tierhaltungsanlage, die bisher prägend für das Gebiet sind, handelt, sondern um Gerüche aus einer Biogasanlage, die keineswegs hinsichtlich der Geruchsintensität und Geruchsart mit denen aus einer Tierhaltungsanlage vergleichbar sind (hierzu näher unter cc.).
166cc.) Ungeachtet dessen, ob danach bei einer Wohnnutzung im Außenbereich grundsätzlich 25 % der Jahresgeruchsstunden zumutbar sind, hat der Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Genehmigung hier nach Auffassung des M2. NRW keine landwirtschaftlichen Gerüche i.S.d. GIRL betrifft, sondern Gerüche einer Biogasanlage, für die - so das M2. in der Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 - grundsätzlich auch im Außenbereich ein Immissionsrichtwert von 15 % der Jahresgeruchstunden gilt.
167Das M2. hat diese Auffassung in einer weiteren Stellungnahme vom 26. November 2013 wiederholt und hierzu ausgeführt:
168„Gerüche aus Biogasanlagen sind nicht eindeutig den Gerüchen aus Tierhaltungen gleichzustellen. Insbesondere im Nahbereich unter 100 m geht, als Ergebnis einer fachlichen Diskussion im Rahmen einer Dienstbesprechung am 15. November 2012, nach überwiegender Auffassung der fachlich mit Biogasanlagen vertrauten Behördenmitarbeiter in Nordrhein-Westfalen, von diesen ein biogasanlagentypischer Geruch aus. Dies wird in Zusammenhang gebracht mit den Gerüchen aus dem Silagelager (Anschnittfläche, Silagetransport/gegebenenfalls verschmutzte Oberflächen, austretender Silosickersaft/Regenereignisse, gegebenenfalls abweichende Geruchsqualität der Biogassilage aufgrund anderer Silierung und Handhabung) sowie dem Umstand, dass bei Biogasanlagen die Silagen einen deutlich größeren Anteil an den Gesamtimmissionen aufweisen, als dies bei Tierhaltungen der Fall ist. Hinzukommen gegebenenfalls minimale Immissionen aus dem Fermenter, dem Nachgärbehälter, dem Gärrestlager und Rohrleitungen/Pumpen (bzw. den je nach Anlagentechnik jeweils vorhandenen Betriebsteilen), die zum Platzgeruch beitragen und nur im Nahbereich immissionswirksam sind.
169Für Biogasanlagengerüche im Außenbereich sollte aus den genannten fachlichen Gründen, zumindest für den Nahbereich bis 100 m, wie für sonstige gewerbliche und industrielle Geruchsarten/-qualitäten, ein Immissionswert angewendet werden, der unterhalb des für Tierhaltungen nach Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls möglichen Wertes von 0,25/25 % liegt. Hier sind nach Auffassung des M2. zulässige Geruchsstundenhäufigkeiten von 0,15 bis 0,20 denkbar.
170Im vorliegenden Fall wäre somit die Situation gegeben, dass auf die zu beurteilende Wohnnutzung Gerüche einwirken, für die ein Immissionswert von z.B. 0,15 bis 0,20 zur Anwendung kommen kann (Biogasanlage) und Gerüche, für die ein Immissionswert bis 0,25 denkbar ist (Tierhaltung).
171Es stellt sich somit die Frage, wie die gemeinsame Einwirkung der Gerüche für eine zusammenfassende Beurteilung der Situation einzuschätzen ist. Eine Antwort zu dieser Frage ist in der Vergangenheit auf Fachebene nicht abschließend gegeben worden. So war es in der Vergangenheit fachlich nicht zu beanstanden, die Zulässigkeit der Geruchsbelastung im Rahmen einer Immissionsprognose wie folgt zu prüfen:
172Prüfungsschritt 1: Die Geruchsbelastung der Geruchsart mit dem geringeren Immissionswert überschreitet diesen nicht.Prüfungsschritt 2: Die Gesamtbelastung (Geruchsstundenhäufigkeiten, verursacht von beiden Geruchsarten, ermittelt durch Ausbreitungsberechnung) überschreitet den höheren Immissionswert nicht.
173Bezogen auf die Geruchsbelastung am Wohnhaus der Kläger könnte dies Folgendes bedeuten:
174Prüfungsschritt 1: Die Geruchsbelastung durch die Biogasanlage beträgt 0,07, zulässig ist eine Geruchshäufigkeit von 0,15 bis 0,20 (genaue Festlegung im Rahmen einer Beurteilung im Einzelfall). Der hierfür geltende Immissionswert wird eingehalten.Prüfungsschritt 2: Die Gesamtbelastung beträgt 0,22, zulässig wäre im Außenbereich eine Geruchshäufigkeit von 0,25 (Beurteilung im Einzelfall/Abwägung auch unter Berücksichtigung der Belastung durch Tierhaltungsgerüche – hier 0,17). In diesem Fall wäre auch dieser Immissionswert eingehalten, die Anlage somit zulässig. Würde die Einzelfallbeurteilung im Ergebnis zu einem Immissionswert von 0,20 führen, so wäre das zulässige Maß der Geruchsbelastung überschritten.
175Zwischenzeitlich ist die Methodik der Prüfung der Zulässigkeit im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) zur Anwendung der GIRL (GIRL-Expertengremium, Sitzung 22./23. Oktober 2013, Rostock) länderübergreifend geregelt worden. Danach ist zu berechnen, welche Anteile ihres Immissionswertes die beiden Geruchskategorien jeweils ausschöpfen. Die jeweiligen Anteile dürfen summarisch 1,00 nicht überschreiten.
176IBb TH + IBb G/I
177IWTH IWG/I <= 1
178IBb TH = Immissionsbelastung belästigungsrelevant Tierhaltung
179IBb G/I = Immissionsbelastung belästigungsrelevant Gewerbe/Industrie/
180Nicht-Tierhaltung
181IW = Immissionswert
182Die Anwendung dieser Prüfungsregel würde, bei einem Immissionswert für die Gesamtbelastung von 0,25 zu einer Unzulässigkeit der Geruchseinwirkungen führen, auch wenn für den Nahbereich von Biogasanlagen im Außenbereich ein Immissionswert von 0,20 zugrunde gelegt würde.“
183f.) Gemessen an diesen Ausführungen des M2. NRW ist die durch die Biogasanlage entstehende Geruchsbelastung unter Berücksichtigung der vorhandenen Vorbelastungen und unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls für die Kläger nicht mehr zumutbar. Das M2. NRW hat die im Gutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22. März 2013 für das Grundstück der Kläger ermittelte Geruchsbelastung - 20 % bis 23 % der Jahresgeruchstunden - für plausibel erachtet und eine Geruchsbelastung von 22 % angenommen. Diese Annahme beruhte auf den von dem Beklagten mitgeteilten und insoweit maßgeblichen genehmigten Tierplatzzahlen,
184vgl. OVG NRW, Beschluss vom 02. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, juris Rn.102,
185die allerdings nach der Mitteilung des Beklagten einer Korrektur bedurften. Denn die für den landwirtschaftlichen Betrieb H1. mitgeteilten Tierplatzzahlen waren um 17 Tiere zu niedrig angesetzt (vgl. Stellungnahme des Beklagten vom 21. Februar 2014).
186Ausgehend von diesen korrigierten Tierplatzzahlen hat das Ingenieurbüro S1. & I3. am 21. Februar 2014 eine Nachberechnung vorgenommen. Danach ist davon auszugehen, dass am Wohngrundstück der Kläger eine Geruchsbelastung an (mindestens) 23 % der Jahresgeruchstunden eintritt. Schon diese Geruchsbelastung überschreitet nach den vorstehenden Kriterien das den Klägern zumutbare Maß.
187Das Gericht lässt deshalb dahinstehen, ob hier nicht sogar von einer Geruchsbelastung von 24 - 25 % der Jahresgeruchsstunden auszugehen ist. Das Ingenieurbüro S1. & I3. hat bei der Geruchsimmissionsprognose den vorderen Teil des Wohngebäudes - die sog. „Diele“ - nicht mit einbezogen, obwohl dieser Bereich seit mehr als 30 Jahren als Eingang zum Wohnhaus gehört und nicht mehr - wie in der Prognose dargestellt (Seite 8 des Gutachtens) - als „Kuhstall“ genutzt wird. Es dürfte sich um einen Bereich handeln, der nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt von Menschen genutzt wird und deshalb immissionsrechtlich relevant ist (vgl. Nr. 4.4.6 GIRL). Geht man von einer Relevanz auch dieses Bereiches aus, beträgt die Geruchsbelastung 24 - 25 % der Jahresgeruchsstunden (Neuberechnung des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 21. Februar 2014).
188Im Hinblick darauf, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, ob insoweit eine Nutzungsänderungsgenehmigung erteilt wurde, lässt das Gericht dahinstehen, ob dieser Bereich bei der Geruchsimmissionsprognose als Wohnbereich allein auf Grund der langjährigen, unbeanstandeten Praxis in der Geruchsprognose hätte berücksichtigt werden müssen.
189Das Gericht hat keinen Anlass, die überarbeiteten Tierplatzzahlen in Zweifel zu ziehen. Der Vortrag der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, sie halte zum Teil in den Stallungen weniger Tiere als genehmigt, ist insoweit unbeachtlich, da es nicht auf den tatsächlichen, sondern den genehmigten Tierbestand ankommt. Ausgehend von den o.g. korrigierten Tierplatzzahlen im Rahmen der Ermittlung der Vorbelastung dürfte bei einer Gesamtgeruchsbelastung in Höhe von 23 % der Jahresgeruchsstunden von einer Vorbelastung in Höhe von 18 % der Jahresgeruchsstunden und einer Zusatzbelastung in Höhe von 7 % durch die Biogasanlage auszugehen sein.
190Nach den Ausführungen des M2. NRW kommt eine Addition der Vorbelastung und Zusatzbelastung bei einem Zusammentreffen von Gerüchen aus Tierhaltungsanlagen und Biogasanlagen allerdings nicht mehr in Betracht. Vielmehr ist nach Auffassung des M2. NRW zu berücksichtigen, dass Gerüche aus einer Biogasanlage insbesondere im Nahbereich bis 100 m - wie hier - nicht mit den Gerüchen aus der Tierhaltung gleichzusetzen sind und eine Gewichtung der Geruchsbelastungen nach den jeweiligen Anteilen an der Gesamtbelastung vorgenommen werden muss. Für Gerüche aus einer Biogasanlage ist hierbei ein Immissionswert von 15 %, unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalles allenfalls ein Immissionsrichtwert von 20 % anzusetzen.
191Ausgehend von der o.g. Methodik ergibt sich unter Berücksichtigung der durch die Biogasanlage entstehenden Zusatzbelastung in Höhe von 7 % und einem Immissionsrichtwert von 15 % eine Gesamtgeruchsbelastung von
19217 + 7 = 51 + 35 = 86 > 1
19325 15 75 75
194bei einem Immissionsrichtwert von 20 % der Jahresgeruchstunden für die Biogasanlage eine Gesamtgeruchsbelastung von
19517 + 7 = 68 + 35 = 103 > 1
19625 20 100 100
197Der nach Auffassung des M2. einzuhaltende Immissionsrichtwert von 1 wird damit in beiden Fällen überschritten. Die Auffassung der Beigeladenen, die nunmehr von M2. NRW und der LAI zu Grunde gelegte Berechnungsmethodik sei hier nicht anzuwenden, weil sie zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht einmal den mit der GIRL befassten Geruchssachverständigen bekannt gewesen sei, verfängt nicht.
198In Fällen der Anfechtung einer bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch Dritte ist zwar grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung abzustellen.
199Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, BauR 1998, 995 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, BauR 2008, 799 = juris Rn. 46 ff.
200Dies schließt es allerdings nicht aus, nachträglich gewonnene Erkenntnisse im Rahmen einer solchen Drittanfechtungsklage zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
201Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22.
202Messungen oder prognostische Begutachtungen zur Immissionssituation sind daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für die rechtliche Bewertung auch dann anwendbar, wenn sie erst im Anschluss an das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.
203Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22 ff., vom 03. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, BauR 2013, 1251 = juris Rn. 9 f.
204Nichts anderes gilt für die einer solchen Messung oder Begutachtung zugrundeliegenden Beurteilungs- und Bewertungskriterien. Werden - wie im vorliegenden Fall - nach Erlass einer Genehmigung diese Kriterien überarbeitet oder liegen sonst neue Kriterien zur Bewertung vor, sind sie auch im Gerichtsverfahren als neue Erkenntnisquelle und Orientierungshilfe zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchs-immissionen maßgeblich.
205Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, S. 5 und 6 sowie bereits - jeweils zur Anwendbarkeit einer neuen VDI-Richtlinie - OVG NRW, Beschluss vom 03. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und OVG Lüneburg, Urteil vom 04. November 2003 - 1 LB 323/02 -, BauR 2004, 469 = juris Rn. 32.
2063. Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob durch die Genehmigung ausreichend sichergestellt wird, dass die Kläger keinen schädlichen Immissionen in Form von Lärm durch den Betrieb der Anlage und den dem Betrieb zuzurechnenden Zu- und Abfahrverkehr (vgl. Nr. 7.4. TA Lärm) ausgesetzt sind.
207Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
208Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
209Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.
Tenor
Der der Beigeladenen erteilte Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in Gestalt der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 und des 3. Än-derungsbescheides vom 13. Februar 2014 wird aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und die Beigeladene selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage vom 29. März 2011 in der Form der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 sowie der 3. Nachtragsgenehmigung vom 13. Februar 2014.
3Die Kläger bewohnen in T. /I1. ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen, auf dem - laut Auskunft der Landwirtschaftskammer - bis in die 1980er Jahre Rinderhaltung betrieben wurde. Ihr Wohnhaus liegt in südwestlicher Richtung ca. 25 m von der Biogasanlage entfernt. Links und rechts an das Wohnhaus grenzen ehemalige Stallgebäude. Der nördliche Teil des Wohnhauses, die sog. Diele, diente früher als Verbindung zwischen den Stallgebäuden und ist von den Klägern in den 1970er Jahren umgebaut und in den Wohnbereich integriert worden. Dort befindet sich seitdem der Eingangsbereich zum Wohnhaus. In einem Umkreis von rund 600 m um das Wohnhaus der Kläger befinden sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe, die Tierhaltung betreiben. Ca. 50 m in nördlicher Richtung liegen die Stallgebäude der T1. B. GbR, deren Gesellschafter B1. und G1. T1. mit den Gesellschaftern der Beigeladenen identisch sind. Dort werden ca. 1.700 Schweine (berücksichtigt wurden die genehmigten Tierplatzzahlen) in sechs Ställen gehalten. Auf dem Nachbargrundstück I2. hält die Beigeladene weitere Schweine. Ca. 400 m in östlicher Richtung befindet der Tierhaltungsbetrieb L. (ca. 1.300 Sauen, Mastschweine und Ferkel), ca. 300 m in südlicher Richtung die landwirtschaftlichen Betriebe K. (ca. 2.000 Sauen, Mastschweine und Ferkel) und H1. (176 Rinder).
4Am 23. August 2010 beantragte die Beigeladene beim Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage. Dem Antrag nachfolgend beigefügt wurde u.a. ein Geruchsgutachten des Ingenieurbüros V. und Q. GmbH vom 14. September 2010, wonach die Zusatzbelastung durch die geplante Biogasanlage lediglich 2 % der Jahresgeruchsstunden betrage und damit irrelevant i.S. der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) sei.
5Unter dem 29. März 2011 erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Verbrennungsmotoranlage zur Erzeugung von Strom und Warmwasser für den Einsatz von Biogas mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 bis weniger als 10 MW auf dem Grundstück Gemarkung I1. , Flur 6, Flurstück 1 in der Gemeinde T. , deren sofortige Vollziehung er anordnete. Im Rahmen der Begründung heißt es auf Seite 23 des Genehmigungsbescheides: „Mit der gutachterlichen Geruchsprognose von V. und Q. vom 14. September 2010, Nr. 13104110‑1, wird belegt, dass der Betrieb der Biogasanlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastungen auf den beurteilenden Flächen im Umgebungsbereich der Biogasanlage, in dem sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten, nicht relevant erhöht.“
6Am 13. April 2011 haben die Kläger Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt - 11 L 180/11 -. Mit Beschluss vom 15. Juni 2011 hat das erkennende Gericht den Antrag abgelehnt. In dem sich anschließenden Beschwerdeverfahren hat das OVG NRW mit Beschluss vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt. Zur Begründung hat das OVG NRW angeführt, auf Grund der im Beschwerdeverfahren eingeholten fachliche Stellungnahme und Plausibilitätsprüfung des M1. für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (M2. NRW) vom 13. April 2012 sei davon auszugehen, dass im Gutachten der V. und Q. GmbH vom 14. September 2010 nebst Ergänzung vom 16. Dezember 2010 nicht alle Ansätze sachgerecht gewählt worden seien. Insgesamt sei nicht auszuschließen, dass die Irrelevanzschwelle von 2 % der Jahresgeruchsstunden überschritten werde.
7Im Anschluss hat die Beigeladene dem Beklagten ein weiteres Gutachten der V. und Q. GmbH vom 07. August 2012 vorgelegt. Der Gutachter gelangt hierin zu dem Ergebnis, dass bei den Klägern (S. 7) eine Zusatzbelastung durch die Biogasanlage von 9 % Jahresgeruchsstunden, eine Gesamtbelastung inkl. Nachbarbetrieb im Istzustand von 15 % Jahresgeruchsstunden sowie eine Gesamtbelastung inkl. Nachbarbetrieb im Planzustand - Erhöhung der Abluftkamine und der Abluftgeschwindigkeit bei den vorhandenen Stallgebäuden - von ebenfalls 15 % der Jahresgeruchsstunden zu erwarten sei.
8Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens hat der Beklagte am 16. August 2012 eine 1. Nachtragsgenehmigung zum Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 erlassen. Gegenstand des Nachtrages sind folgende Maßnahmen: Erhöhung der Ab-luftkamine der vorhandenen Stallgebäude (Gebäude 1 bis 6) auf eine Mindesthöhe von 11 m über Grund und Anpassung der Abluftgeschwindigkeit der Stallgebäude der T1. B. GbR auf >= 7 m/s. Die Nachtragsgenehmigung enthält u.a. folgende Nebenbestimmungen:
9Nr. III 4: „Die von der Genehmigung erfasste Anlage ist so errichten und zu betreiben, dass die allein von der Biogasanlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen nicht zu einer Erhöhung der derzeitigen Gesamtbelastung von IGB = 15 % um mehr als 9 % der Jahresstunden an Geruchswahrnehmungshäufigkeit an dem maßgeblichen Immissionsort - hier: Wohnhaus S. 7 - führen. Die Ermittlung und die Beurteilung der Geruchsimmissionen haben entsprechend der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zu erfolgen.“
10Nr. III 5: „Um der Entstehung zusätzlicher Geruchsimmissionen vorzubeugen, ist die Silageanschnittfläche nach der Silageentnahme unverzüglich und vollständig mit einer geeigneten Folie abzudecken.“
11Nr. III 8. „Dieser Nachtrag ist zu dem oben genannten Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 zu nehmen und gilt nur in Verbindung mit diesem Bescheid.“
12In der Begründung hat der Beklagte ausgeführt, die geplante Biogasanlage wie auch das dem Vorhaben nächstgelegene Grundstück mit dem Wohnhaus S. 7 lägen bauplanungsrechtlich im Außenbereich der Gemeinde T. . Die geplante Anlage erfülle die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Die Immissionsprognose vom 07. August 2012 weise an dem der Anlage nächst gelegenen Wohnhaus, S. 7, eine durch die Biogasanlage zu erwartende geruchliche Zusatzbelastung von 9 % und als Gesamtbelastung einen Wert von 15 % der Jahresstunden aus. Die erstellte Prognose sei aus seiner Sicht nicht zu beanstanden. Die Ertüchtigung der auf den Stallgebäuden der T1. B. GbR vorhandenen Abluftkamine führe an den westlich bzw. nordwestlich gelegenen Wohngebäuden zu einer Verbesserung der Gesamtbelastung um 4 % bzw. 5 %. Das geplante Vorhaben verletze nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Von ihm gingen keine unzumutbaren Gerüche aus. Das nächstgelegene Wohnhaus (S. 7) liege im bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Es handele sich um ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Anwesen mit Tierhaltung. Aufgrund der Außenbereichslage sei das Wohnhaus mit einem geringeren immissionsschutzrechtlichen Schutzanspruch als Wohnnutzungen im Dorfgebiet beschwert. Eine optisch bedrängende Wirkung gehe von der geplanten Biogasanlage nicht aus.
13Am 10. August 2012 hat die Beigeladene beim erkennenden Gericht den Antrag gestellt, den Beschluss des OVG NRW vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - aufzuheben und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 11 K 805/11 gegen die ihr erteilte Genehmigung abzulehnen - 11 L 521/12 -. Mit Beschluss vom 14. September 2012 hat das erkennende Gericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung angeführt, die Interessenabwägung gehe weiterhin zu Gunsten der Beigeladenen aus, da bestehende Zweifel an der Zumutbarkeit der Geruchsimmissionen auch durch die neuerlichen Gutachten und die 1. Nachtragsgenehmigung des Beklagten vom 16. August 2012 nicht ausgeräumt seien.
14Gegen diesen Beschluss hat die Beigeladene Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens hat das erkennende Gericht am 17. September 2012 das M2. NRW um eine gutachterliche Stellungnahme und Plausibilitätsprüfung zum Gutachten von V. und Q. vom 07. August 2012 und einer Ergänzung vom 10. September 2012 gebeten.
15Am 30. Oktober 2012 hat der Beklagte einen 2. Nachtrag zum Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 erlassen. Gegenstand dieses Nachtrages sind folgende Maßnahmen: Geänderte Ausführung der Fahrsiloanlage durch Austausch der Silowände (Traunsteiner gegen U‑Wände), Einkürzungen der ersten und dritten Fahrsilospur, Verzicht auf die westlich gelegene Zufahrt, geänderte Ausführung des Technikgebäudes, Einbau einer geplanten Holzbalkendecke, Verlagerung und Erhöhung der Wallanlage von der Grundstücksgrenze nach innen auf das Anlagengelände im westlichen und südlichen Bereich (Breite der Sohle 7 m, Höhe 2,80 m) und geänderter Betrieb des Annahmebunkers (Reinigung, einmal wöchentlich für 2 Stunden geöffnet). In den Nebenbestimmungen zum Nachtragsbescheid (dort unter III) wird ausgeführt, dass die Auflagen der Bescheide vom 29. März 2011 und 16. August 2012 unverändert gültig blieben und die Abschätzung der zu erwartenden Änderung der Immissionssituation durch die V. und Q. GmbH vom 20. April 2012 verbindlicher Bestandteil des Antrages ist und die darin enthaltenen Randbedingungen einzuhalten sind.
16Das M2. NRW hat in seiner Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 gegenüber dem erkennenden Gericht dargetan, die Ausführungen des Gutachters seien zum Teil nicht nachvollziehbar. Der seitens des Gutachters gewählte Radius von 350 m erweise sich als nicht ausreichend. Entsprechend des heutigen Kenntnisstandes zu den Immissionsauswirkungen von Tierhaltungsbetrieben seien für die Ermittlung der Gesamtbelastung mindestens alle Geruchsemittenten in einem Radius von 600 m um die Beurteilungsfläche in die Ausbreitungsberechnung aufzunehmen. Ferner führt das M2. aus, entsprechend den Auslegungshinweisen der GIRL könne der maximale Immissionswert von 25 % der Jahresgeruchsstunden für Tierhaltungsgerüche im Außenbereich nur unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls angewandt werden. Von Seiten des M2. werde empfohlen, die Kriterien Siedlungsstruktur/Ortsüblichkeit, Nutzung und Historie für die Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls heranziehen.
17Mit Blick auf die Stellungnahme des M2. vom 13./14. Dezember 2012 hat die Beigeladene eine weitere Immissionsprognose der V. und Q. GmbH vom 21. Januar 2013 vorgelegt. Danach ist unter Berücksichtigung der Vorbelastungen durch die o.g. Tierhaltungen am Wohnhaus der Kläger mit einer Geruchsbelastung an 21 % der Jahresgeruchsstunden zu rechnen. Die durch die Biogasanlage entstehende Zusatzbelastung wurde mit 5 % der Jahresgeruchstunden veranschlagt.
18Mit Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 - hat das OVG NRW die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Kammer vom 14. September 2012 - 11 L 521/12 - zurückgewiesen. In der Begründung nimmt das OVG NRW Bezug auf die Ausführungen des M2. NRW in seiner Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 und führt weiter aus, dass die Plausibilitätszweifel, die den Senat maßgeblich zu seiner Bewertung im Beschluss vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - veranlasst haben, durch die Immissionsprognose vom 07. August 2012 nicht hinreichend verlässlich ausgeräumt würden.
19Eine weiteres im Auftrag der Beigeladenen erstelltes Gutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22. März 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass am Wohnhaus der Kläger eine Immissionsbelastung in Höhe von 20 bis 23 % der Jahresgeruchsstunden zu erwarten ist.
20Nachdem die Beigeladene zwischenzeitlich mit der Errichtung der Biogasanlage begann, hat das Gericht auf den Antrag der Kläger mit Beschluss vom 09. Juli 2013
21- 11 L 328/13 - festgestellt, dass die Klage im Verfahren 11 K 805/11 auf der Grundlage der Beschlüsse des OVG NRW vom 23. Juli 2012 - 8 B 799/11 - und vom 30. Januar 2013 - 8 B 130/12 - aufschiebende Wirkung hat und den Beklagten verpflichtet, der Beigeladenen durch sofort vollziehbare Ordnungsverfügung aufzugeben, den Betrieb der Biogasanlage vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache einzustellen. Das dagegen gerichtete Beschwerdeverfahren ist erfolglos geblieben (OVG NRW, Beschluss vom 06. August 2013 - 8 B 829/13 -).
22Der Beklagte hat daraufhin am 19. Juli 2013 eine Untersagungsverfügung bezüglich der im Betrieb befindlichen Biogasanlage erlassen. Hiergegen hat die Beigeladene am 25. Juli 2013 erneut Klage erhoben - 11 K 2565/13 - und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt - 11 L 455/13 -. Letzteren hat das Gericht mit Beschluss vom 30. Juli 2013 abgelehnt. Im Anschluss hat die Beigeladene diese Klage zurückgenommen.
23Im Klageverfahren - 11 K 805/11 - hat das erkennende Gericht mit Verfügung vom 03. Mai 2013 das M2. NRW gebeten, das Gutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22. März 2013 auf seine Plausibilität zu überprüfen. Unter dem 26. November 2013 hat das M2. NRW eine fachliche Stellungnahme zu diesem Geruchsgutachten abgeben und hierin ausgeführt, dass die Geruchsberechnung des Gutachters plausibel und nachvollziehbar sei, allerdings sei die Geruchseinwirkung unter Berücksichtigung der nunmehr anwendbaren Beurteilungsmethodik der Arbeitsgruppe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft (LAI) zur Anwendung der GIRL unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme wird auf Bl. 231 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
24Unter dem 13. Februar 2014 hat der Beklagte eine 3. Nachtragsgenehmigung erlassen. Die Nebenbestimmungen Nr. III 1 bis 4 des Nachtragsbescheides vom 16. August 2012 wurden aufgehoben und durch folgende Nebenbestimmungen ersetzt:
25Nr. III 1: „Das Geruchsgutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22.03.2013 ist verbindlicher Bestandteil des Genehmigungsbescheides und zwingend zu beachten.“
26Nr. III 4: „Die von der Genehmigung erfasste Anlage ist unter Beachtung der den unter Ziffer 1 genannten Geruchsgutachten zugrunde gelegten Rahmenbedingungen zu errichten und zu betreiben. Die allein von der Biogasanlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen dürfen am maßgeblichen Immissionsort - Wohnhaus S2. 7 - eine Zusatzbelastung von 7 % der Jahresgeruchsstunden nicht überschreiten.“
27Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Auflagen in dem Abschnitt III Nrn. 2 und 3 des Nachtrags der Unteren Umweltschutzbehörde vom 16.08.2012 rechtswidrig seien und aufgehoben würden, weil dies für den Bescheidempfänger nicht umsetzbar sei, da er nicht Eigentümer des zu Grunde liegenden Stalles sei.
28Die Kläger haben sich zur fachlichen Stellungnahme des M2. NRW vom 26. November 2013 nicht geäußert. Zur Klagebegründung verweisen sie auf ihren umfangreichen Vortrag im Rahmen der entsprechenden Eilverfahren. Sie berufen sich weiterhin im Wesentlichen auf eine durch den Betrieb der Biogasanlage zu erwartende unzumutbare Geruchsbelastung.
29Die Kläger beantragen,
30den Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in Gestalt der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 sowie der 3. Änderungsgenehmigung vom 13. Februar 2014 aufzuheben.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Er trägt vor, dass nach den Empfehlungen des M2. bei einer Wohnnutzung im Außenbereich dieser ein Immissionswert bis 25 % der Jahresgeruchsstunden auch dann zugeordnet werden könne, wenn die Wohnnutzung auf einer ehemaligen Hofstelle mit Tierhaltung erfolge. Ausführungen zur Prüfung der speziellen Randbedingungen für das Wohnhaus der Kläger seien im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 16. April 2013 erfolgt. Die Auffassung des M2. NRW, dass Gerüche aus Biogasanlagen anders zu beurteilen seien als Gerüche aus landwirtschaftlichen Betrieben (Tierhaltungsanlagen), teile er nicht. Eine signifikante Unterscheidung der Geruchsqualität zwischen der Silage einer Biogasanlage und der einer Rinderhaltung könne nicht bestehen. Auch entfalte die Biogasanlage eine sogenannte dienende Funktion innerhalb der Landwirtschaft. Die anfallende, betriebseigene Gülle werde über verlegte Leitungen der Anlage direkt zugeführt und die anfallende Abwärme des Motors wiederum zum Teil im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen genutzt.
34Die Beigeladene beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie macht geltend, nach der fachliche Stellungnahme des M2. NRW vom 26. November 2013 beständen an der Richtigkeit der Berechnungsdurchführungen durch das Sachverständigenbüro S1. & I3. keine Zweifel, vielmehr werde die Plausibilität des Gutachtens ausdrücklich bestätigt. Die weitergehenden Ausführungen des M2. NRW zur Beurteilung der Geruchsbelastungen seien dagegen nur bedingt zutreffend. Es bestehe bereits kein Erfordernis, zwischen den Gerüchen aus der Biogasanlage und den Gerüchen aus der Tierhaltung zu differenzieren. Es handele sich bei der Biogasanlage ausschließlich um eine solche, die mit nachwachsenden Rohstoffen, wie Mais und Getreide sowie mit Gülle aus der Tierhaltung beschickt werde. Es sei daher hier ein Immissionsgrenzwert bis 25 % der Jahresgeruchsstunden anzunehmen. Die Immissionsbelastung beim Wohnhaus der Kläger betrage lediglich 22 %, so dass damit keine unzumutbare Geruchsbelästigung vorliege. Selbst wenn eine Differenzierung der Gerüche aus der Biogasanlage und solcher aus der Tierhaltung zulässig sei, wären die maßgeblichen Immissionswerte weiterhin eingehalten. Nach der bislang angewendeten und fachlich anerkannten Methodik zur Beurteilung gemeinsamer Einwirkung verschiedener Gerüche anhand der in der fachlichen Stellungnahme angeführten zwei Prüfungsschritte liege insgesamt ebenfalls keine unzumutbare Geruchsbelastung vor. Soweit am Ende der fachlichen Stellungnahme allerdings eine gänzlich neue, bislang selbst in Gutachterkreisen unbekannte Methodik der Prüfung der Zulässigkeit der Geruchsbelastung angeführt werde, die im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz länderübergreifend geregelt worden sein solle, sei diese vorliegend nicht zu berücksichtigen. Ein Erlass oder eine Verwaltungsvorschrift zu dieser neuen Methodik existiere nicht. Hinzu komme, dass die Angelegenheit seitens des M2. NRW nicht zeitnah bearbeitet worden sei. Wäre die fachliche Stellungnahme innerhalb angemessener Zeit erstellt worden, wäre eine Entscheidung aller Wahrscheinlichkeit vor der internen Beschlussfassung der LAI getroffen worden. Eine derartige Verzögerung könne nicht zu Lasten der Beigeladenen gehen.
37In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene darüber hinaus vorgetragen, sie verzichte auf die Errichtung des dritten, dem Grundstück der Kläger nächstgelegenen Fahrsilos und den Einsatz und die Lagerung von Grassilage. Hierdurch werde, sogar wenn man die Methodik der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für anwendbar hielte, ein Wert der Geruchsimmissionen erreicht, der unter 1 liege. Insoweit habe sich der Rechtsstreit erledigt.
38Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Sachverständigen B2. T2. u.a. zu seiner Stellungnahme vom 26. November 2013 informatorisch befragt. Wegen der Einzelheiten der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 11 K 804/11, 11 L 180/11, 11 L 521/12, 11 L 328/13, 11 L 455/13 sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (10 Hefte) Bezug genommen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
40Die Klage hat Erfolg.
41I. Gegenstand der Klage ist der Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in der Gestalt, die er durch die Nachtragsgenehmigungen vom 16. August 2012, 30. Oktober 2012 und 13. Februar 2014 erhalten hat. Die Nachtragsbaugenehmigung stellt keinen selbständig anfechtbaren Streitgegenstand dar, wenn sie kein selbständiges Vorhaben betrifft. Sie kann in diesem Fall nur zusammen mit der ursprünglichen Baugenehmigung angegriffen werden, der sie - genauso wie dem genehmigten Vorhaben - eine abschließende Gestalt gibt.
42Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 25. September 2012 - 2 B 1048/12 -, vom 17. März 2009 - 7 B 1768/08 -, juris Rn. 8, und vom 04. Mai 2004 - 10 A 1476/04 -, BRS 67 Nr. 169 = juris Rn. 7 ff.
43Diese Grundsätze aus dem Baurecht sind auf das Immissionsschutzrecht übertragbar. Mit den o.g. Nachtragsbescheiden wird kein vom ursprünglichen Genehmigungsgegenstand abweichendes Vorhaben genehmigt. Lage, Größe und Umfang der mit der Genehmigung vom 29. März 2011 immissionsschutzrechtlich und baurechtlich genehmigten Anlagenteile der Biogasanlage,
44soweit es sich nicht um solche handelt, die die der Anlage 1 zur 4. BImschV unterfallen, dürften diese entweder als Nebenanlagen nach § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV oder baurechtlich (vgl.
45§ 13 BImSchG) von der Genehmigung umfasst sein,
46sind durch die Nachtragsbescheide nicht verändert worden. Ihr Regelungsgehalt beschränkt sich im Wesentlichen auf die Einbeziehung der im Verlauf des Verfahrens erstellten weiteren Geruchsimmissionsprognosen und die hierdurch erforderlichen Anpassungen bestimmter Nebenbestimmungen.
47Die Festlegung geänderter Immissionswerte gibt der Genehmigung keinen selbständigen neuen Inhalt, so dass Streitgegenstand der Genehmigungsbescheid vom 29. März 2011 in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide ist.
48II. Die Klage ist zulässig.
49Die Änderungsgenehmigung i.d.F. des 3. Änderungsbescheides hat sich nicht durch den in der mündlichen Verhandlung erklärten „Teilverzicht“ auf die Genehmigung erledigt, mit der Folge, dass die Anfechtungsklage hinsichtlich eines Teiles der Genehmigung mangels Rechtschutzbedürfnis unzulässig geworden wäre.
50Verzichtet der Inhaber auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, so erlischt diese, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Verfügung der zuständigen Behörde bedürfte. Die in § 18 BImSchG aufgeführten Erlöschensgründe sind insoweit nicht abschließend.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 -, NVwZ 1990, 464; OVG NRW, Urteil vom 09. August 2006 - 8 A 3726/05 -, S. 14 des amtlichen Umdrucks; Beschlüsse vom 14. September 2006 - 8 A 496/05 - und - 8 A 497/05 - jeweils S. 10 des amtlichen Umdrucks.
52Soweit in der Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass dies grundsätzlich auch bei einem Teilverzicht gilt, wenn die Genehmigung teilbar ist und der restliche Anlagenteil noch genehmigt werden kann,
53vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. September 2006 - 8 A 496/05 - und - 8 A 497/05 - jeweils S. 10 des amtlichen Umdrucks; Jarass, BImSchG, 10.Auflage 2013, § 18 Rn. 9,
54mag dies gelten, wenn es - wie im Urteil des OVG NRW vom 09. August 2006 (a.a.O.) - darum geht, dass der Bauherr beim genehmigten Betrieb einer Windkraftanlage mit der Beschränkung des Schallleistungspegels auf eine von der technischen Ausgestaltung der genehmigten Anlage her mögliche Kapazität in vollem Umfang verzichtet, denn ein Verzicht auf eine optimale Kapazitätsauslastung lässt im Übrigen das Vorhaben, so wie es genehmigt war, unverändert. Beschränkt sich der Verzicht dagegen nicht nur auf die von der Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfassten Nutzungsmöglichkeiten (Betriebszeiten), sondern auch auf die Realisierung bestimmter baulicher Elemente eines umfangreichen Gesamtvorhabens, führt dies zu einer wesentlichen Umgestaltung des Vorhabens in baurechtlicher, gegebenenfalls auch in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht,
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 7 B 1368/08 -, juris Rn. 18 und 19,
56sodass es einer baurechtlichen bzw. immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung bedarf. Ein Teilverzicht, mit der Folge, dass insoweit eine Teilerledigung des Rechtsstreites eintritt, ist in diesen Fällen nicht möglich, weil das Vorhaben nach dem teilweisen Verzicht seine Grundlage nicht mehr in der erteilten Genehmigung finden kann.
57So liegt es hier. Der in der mündlichen Verhandlung erklärte und schriftlich bestätigte „Teilverzicht“ beschränkt sich nicht nur auf eine Eingrenzung der Nutzungsmöglichkeiten, sondern auf den Verzicht eines der genehmigten Fahrsilos sowie den Einsatz von Grassilage. Damit wird nicht nur auf einen Teil der baurechtlich genehmigten Anlagenteile verzichtet, sondern auch das Betriebskonzept für die genehmigte Biogasanlage geändert. Denn die Einsatzstoffe sind wesentlicher Bestandteil der Betriebsbeschreibung, die wiederum Bestandteil des Genehmigungsbescheides ist (vgl. Nr. 3.1 des Genehmigungsantrages, Bl. 202 BA II und II des Genehmigungsbescheides vom 29. März 2011) und - mit Blick auf die unterschiedlichen Geruchsemissionsfaktoren (vgl. V. & Q. , Gutachten vom 14. September 2010, Seite 16) - auch für die Immissionsprognose von Bedeutung sind.
58Die gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis ergibt sich im vorliegenden Fall zumindest daraus, dass sich die Kläger als Eigentümer und Anwohner des Grundstücks S2. 7 auf eine nicht ausgeschlossene Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG berufen können.
59Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nach § 110 Abs. 3 Satz 1 Justizgesetz NRW bedurfte es nicht, da die Kläger im Verwaltungsverfahren beteiligt worden sind. Dies gilt auch bezüglich der im Verfahren ergangenen Nachtragsbescheide.
60III. Die Klage ist auch begründet. Der der Beigeladenen erteilte Genehmigungsbescheid zur Errichtung und dem Betrieb einer Biogasanlage vom 29. März 2011 in der Fassung der 1. Nachtragsgenehmigung vom 16. August 2012, der 2. Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2012 sowie der 3. Nachtragsgenehmigung vom 13. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
61Rechtsgrundlage für die hier erteilte Genehmigung ist § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. Nr. 1.4.b) aa) Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV. Zumindest (s.o.) die Errichtung und der Betrieb des hier geplanten BHKW’s bedürfen danach einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
62Der Beigeladenen steht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer derartigen Genehmigung zu, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, hierzu unter III 2) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, hierzu unter III 1).
631. Soweit es die hier mit zu prüfenden (§ 13 BImSchG) Vorschriften des öffentlichen Baurechts angeht, ist nicht ersichtlich, dass durch die Genehmigungserteilung gegen Vorschriften verstoßen wird, denen nachbarschützende Wirkung zukommt.
64Hierbei geht das Gericht nach Auswertung der ihm vorliegenden Karten und Pläne davon aus, dass sowohl das Grundstück der Kläger als auch das Grundstück der Beigeladenen nicht in einem faktischen Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO) liegen, sondern im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB).
65a.) Ein Bebauungszusammenhang i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist eine aufeinander folgende Bebauung, die trotz vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei kommt es nur auf äußerlich erkennbare, mit dem Auge wahrnehmbare und bereits vorhandene Gegebenheiten an, so dass etwa Darstellungen im Flächennutzungsplan ebenso unerheblich sind wie eine erst künftig geplante Bebauung. Maßstabsbildend sind im Regelfall nur bauliche Anlagen, die nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als Ortsteil mit bestimmtem städtebaulichen Charakter zu prägen, und zwar unabhängig davon, ob sie genehmigt oder nur zweifelsfrei geduldet sind oder ob sie einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, wozu im Einzelfall auch landwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken dienende Betriebsgebäude gehören können. Bauwerke, die - wie eine Scheune oder ein Stall - nur vorübergehend genutzt werden, gehören in der Regel nicht dazu, unabhängig davon, welchen Zwecken sie dienen. Wie räumlich eng die maßstabsbildende Bebauung sein muss, um sich als zusammenhängend darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund umfassender Wertung und Bewertung des Sachverhalts im Einzelfall zu entscheiden. Dabei können auch Flächen ohne solche Bebauung dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sein, wenn sie den optischen Eindruck der Geschlossenheit nicht unterbrechen. Das gilt zum einen für freie Flächen, die - gedanklich - übersprungen werden können, weil die Verkehrsanschauung das unbebaute Grundstück i. S. eines verbindenden Elements als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lässt. Insoweit gibt es jedoch keinen bestimmten Höchstwert für die Ausdehnung einer Baulücke. Ihr Vorliegen wird aber umso unwahrscheinlicher, je größer die unbebaute Fläche ist. Während eine Baulücke bei Gebäudeabständen bis zu 90 m bejaht und bei einer 130 m ausgedehnten unbebauten Fläche für möglich gehalten wurde, sind Flächen von 280 m, 240 m und 210 m Ausdehnung nicht als Baulücke bewertet worden. Als Faustformel dient die Ausdehnung von zwei bis drei Bauplätzen, in aufgelockerter Bebauung aber auch größer. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob es sich um eine ländlich oder städtisch geprägte Umgebung handelt. Außer Baulücken sind dem Bebauungszusammenhang noch Flächen zuzurechnen, auf denen sich nicht maßstabsbildende Bautätigkeit in sichtbarer Veränderung der Geländeoberfläche niedergeschlagen hat oder die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (z.B. Gewässer) oder Zweckbestimmung (z.B. Sportplätze, Erholungsflächen) der Bebauung entzogen sind.
66b) Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz1 BauGB ist - in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) - ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das nach der Zahl vorhandener Bauten “gewisse Gewicht“ ist im Vergleich mit anderen Ansiedlungen und im Gegenvergleich mit der unerwünschten Splittersiedlung zu bestimmen. Räumlicher Bezugsrahmen ist wegen der Funktion des § 34 BauGB als “Planersatz“ oder “Planergänzung“ und seines Zusammenhangs mit der gemeindlichen Planungshoheit nur die Siedlungsstruktur der jeweiligen Gemeinde. Eine feste Mindestzahl an Gebäuden lässt sich daher nicht festlegen. Eine Ansammlung von nur vier Wohngebäuden genügt allerdings regelmäßig nicht. Sechs oder auch nur fünf Gebäude können im Einzelfall aber schon ausreichen.
67Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 18. Januar 2011 - 8 S 600/09 - m.w.N., juris.
68c.) Ausgehend davon ist im vorliegenden Fall die um das Wohnhaus der Kläger gelegene Bebauung nicht als zusammenhängend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und insgesamt nicht als Ortsteil zu werten. Vielmehr ist diese Gegend von T. /I1. als Außenbereich und nicht als faktisches Dorfgebiet anzusehen. An dem Kreuzungsbereich der Straßen X. /S2. befinden sich ausweislich des Luftbildes bei google maps maximal fünf zu Wohnzwecken genutzte ehemalige landwirtschaftliche Anwesen. Diese vermitteln nicht den Eindruck von Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit eines bandartig gewachsenen dörflichen Bebauungskomplexes, vielmehr sind sie augenscheinlich ursprünglich für die jeweils getrennt voneinander wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebe als Wohnhäuser errichtet worden und werden zudem durch das Straßenkreuz voneinander getrennt. Das Gebiet lässt sich auch nicht als zum Dorfgebiet I4. gehörig ansehen. Dagegen spricht bereits die Entfernung zwischen dem Grundstück S2. 7 und der Grenze des „Ortsgebietes“ von I1. . Diese beträgt rund 500 m Luftlinie. Dazu kommt, dass entlang der Straße X. , die das Anwesen der Kläger und I1. verbindet, in südlicher Richtung kaum bauliche Nutzung zu finden ist, sondern sich dort überwiegend landwirtschaftlich genutzte Freiflächen befinden. Aktive landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung (L. , K. und H1. ) befinden sich in einem Umkreis von 400 m. Es liegt daher insgesamt eine für den Außenbereich typische aufgelockerte Bebauung ehemals genutzter landwirtschaftlicher Hofstellen an einer Straße vor, die von Wiesen und Feldern unterbrochen wird.
69d) Ob es sich bei der hier genehmigten Biogasanlage um ein privilegiertes Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB handelt oder - in Ermangelung der dort genannten Voraussetzungen - um ein sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB ist in bauplanungsrechtlicher Hinsicht für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, weil dem Vorliegen eines Privilegierungstatbestandes keine nachbarschützende Wirkung zukommt, die unzutreffende Annahme eines Privilegierungstatbestandes durch die Genehmigungsbehörde deshalb den Nachbarn nicht in subjektiven Rechten verletzt.
70Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 2 B 320/13 -, juris Rn.13; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07. Oktober 2009
71- 1 A 10872/07 -, BauR 2010, 581 = juris Rn. 99.
72Nachbarschutz wird im baurechtlichen Außenbereich nur über das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gewährt. Für eine optisch erdrückende Wirkung des hier genehmigten Vorhabens mit Blick auf das benachbarte Grundstück der Kläger ist nichts ersichtlich. Die dem Grundstück der Kläger nächstgelegenen Teile der Anlage - die Fahrsilos - weisen eine Höhe von weniger als drei Metern auf. Die Fermenter sind mit bis zu 6 Metern die höchsten Anlagenbestandteile, diese sind jedoch am östlichen Rand des Grundstücks und in weiterer Entfernung zu den Klägern positioniert. Zum Grundstück der Kläger wird die Biogasanlage außerdem durch einen Wall abgeschirmt.
73Insoweit ist entscheidungserheblich nur noch die Frage, ob das genehmigte Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, weil es schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB hervorruft (hierzu unter 2.) Hierbei konkretisiert das Bundesimmissionsschutzgesetz die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht. Andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987, und Beschluss vom 02. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679.
752. Durch die Genehmigung vom 29. März 2011 in der Fassung der Nachtragsbescheide wird nicht hinreichend sicherstellt, dass beim Betrieb der Biogasanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen für die Kläger entstehen.
76a) Zur Klärung der Frage, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, bedarf es grundsätzlich - vorbehaltlich hier nicht vorliegenden Ausnahmen - einer „auf der sicheren Seite“ liegenden Prognose, bei der aus der Vor- und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird.
77Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33.
78Hierbei kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 zurückgegriffen werden.
79In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie sowie die entsprechenden VDI-Richtlinien,
80die VDI Richtlinien 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine bzw. Geflügel) wurden durch die VDI-Richtlinie 3894 - Stand: September 2011 - ersetzt,
81bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden können; sie enthalten technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
82Vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, DVBl. 2007, 1515 (nur LS), und vom 13. Dezember 2007 - 7 D 142/06.NE -, juris, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 263, vom 10. Februar 2006 - 8 A 2621/04 -, NWVBl. 2006, 337, vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris, und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -.
83Die GIRL findet grundsätzlich auch Anwendung im Zusammenhang mit der Beurteilung von Gerüchen aus Biogasanlagen.
84Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. März 2011 - 12 ME 26/11 -, juris.
85Auf die Ermittlung von Kenngrößen für die Geruchsbelastung nach der GIRL kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen insoweit nicht durch die Einhaltung des Abstandsdiagrammes nach Nr. 5.4.7.1 TA Luft sichergestellt ist. Dieses findet nur auf Tierhaltungsanlagen Anwendung, nicht auf Biogasanlagen.
86Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Mai 2006 - 7 ME 6/06 -, RdL 2006, 212.
87b.) Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert (IW) von 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15; einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen.
88Für den Außenbereich enthält die GIRL keine Immissionswerte. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL wird hierzu lediglich ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es "möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 25 % für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen."
89Der Begriff der „landwirtschaftlichen Gerüche“ i.S.d. GIRL knüpft hierbei nicht an den Begriff der Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB an. In seiner fachlichen Stellungnahme vom 14. Dezember 2012 an das erkennende Gericht hat das M2. NRW hierzu ausgeführt:
90Zu bedenken ist hier, dass sich die Bezeichnungen "Landwirtschaft",
91"landwirtschaftliche Gerüche", "landwirtschaftlicher Bereich" und
92"landwirtschaftliche Anlagen" in Nr. 1 und 3.1 der GIRL bzw. den
93Auslegungshinweisen zu Nr. 1, 2, 3.1 und 5 der GIRL nicht auf
94"Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB" beziehen, sondern als
95Bezug die im Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur GIRL genannten
96Definitionen heranzuziehen sind. In diesem "Bericht zu Expositions-
97Wirkungsbeziehungen" (LUA NRW 2006) wird der Summe der
98Geruchsqualitäten "Geflügel, Schwein, Rind, Pferd, Gülle, Mist, Silage"
99die Bezeichnung "landwirtschaftliche Gerüche" zugeordnet (Tabelle 5,
100Seite 35). Für die in die GIRL 2008 eingegangenen Auswertungen
101hingegen ist das Belastungsmaß "Tierhaltungsgerüche" (Geflügel,
102Schwein, Rind) verwendet worden (Seite 73, LUA NRW 2006). Die
103Geruchsqualität Pferd wurde zu Beginn des Projektes mit aufgenommen,
104konnte aber nicht untersucht werden. Der Begriff "landwirtschaftlich" in
105der GIRL bezieht sich somit auf die Geruchsqualität, die von landwirt-
106schaftlicher Tätigkeit, hier speziell der Tierhaltung und deren Nebenein-
107richtungen hervorgerufen wird. Insoweit ist die Formulierung in den
108Auslegungshinweisen zur GIRL wie folgt zu präzisieren: Unter der
109Prüfung der speziellen Bedingungen des Einzelfalls kann bei der
110Geruchsbeurteilung im Außenbereich ein Wert bis zu 0,25 für Gerüche
111aus der Tierhaltung herangezogen werden.“
112Die bisher vom OVG NRW offen gelassene Frage, ob „landwirtschaftliche Gerüche“ i.S.d. der GIRL auch solche aus einer gewerblichen Tierhaltung i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind,
113vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 42,
114dürfte damit zu bejahen seien. Das OVG NRW hat in seinem Beschluss vom 30. Januar 2013 auf diese Stellungnahme des M2. NRW vom 13./14. Dezember 2012 Bezug genommen und sich dieser Rechtsauffassung offensichtlich angeschlossen.
115Zu Geruchsbelastungen durch Gerüche aus einer Biogasanlage führt das M2. NRW in der vorgenannten Stellungnahme vom 14. Dezember 2012 an das erkennende Gericht aus:
116„Die Gerüche einer Biogasanlage wurden im Rahmen des genannten Forschungsobjektes nicht untersucht, sie sind keine Gerüche aus der Tierhaltung, entsprechend ist für sie eine Erhöhung des Immissionswertes bis zu 0,25 nicht anzuwenden. Vor dem Hintergrund einer Geruchsimmissionsmessung kann es im Einzelfall schwierig sein, die Gerüche aus einem Tierhaltungsbetrieb mit Silage von denen der Silage einer Biogasanlage zu unterscheiden. In Immissionsprognosen jedoch können die Zuordnungen separat ausgewertet werden.“
117c.) Wie oben bereits ausgeführt, ist es nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL im Außenbereich nur „unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls“ - und nicht etwa ohne Weiteres - möglich, bei der Geruchsbeurteilung einen Wert von bis zu 0,25/25 % für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen. Die Feststellung einer Außenbereichslage ist dabei notwendige, aber für sich allein nicht hinreichende Bedingung zur Annahme eines Wertes von bis zu 0,25/25 %. Insoweit bedarf es vielmehr einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten und der Qualität der Geruchsbelästigung im konkreten Fall zu erfolgen hat.
118Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 41, vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, n. v., Abdruck S. 7, und vom 09. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, n.v., Abdruck S. 18.
119Eine solche Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde lässt sich den Genehmigungsbescheiden nicht entnehmen. Sie war im Rahmen der Genehmigungserteilung für den Bescheid vom 29. März 2011 und den 1. Änderungsbescheid vom 16. August 2012 auch nicht erforderlich, weil der Beklagte vor dem Hintergrund der Geruchsprognosen vom 14. September 2010 bzw. 07. August 2012 von einer irrelevanten Zusatzbelastung bzw. einer Gesamtbelastung von nicht mehr als 15 % der Jahresgeruchsstunden ausgehen durfte. Unter Berücksichtigung der dem 3. Änderungsbescheid vom 13. Februar 2014 zu Grunde liegenden Geruchsimmissionsprognose des Ingenieurbüros S1. & I3. war eine solche jedoch erforderlich. Der Begründung dieses Änderungsbescheides lässt sich aber nicht entnehmen, welche Gesamtgeruchsbelastung der Beklagte innerhalb des durch die GIRL für den Außenbereich eröffneten Rahmens zwischen 15 % und 25 % der Jahresgeruchsstunden für die Kläger (noch) als zumutbar ansieht. Insoweit hätten entsprechende Festlegungen nach Auffassung des Gerichts im Bescheid erfolgen müssen. Eine Genehmigung, die - wie hier - keinen Immissionswert für die maßgebliche (vgl. Nr. 4.2 GIRL) Gesamtbelastung am Grundstück der Kläger festlegt, sondern sich lediglich auf eine Regelung der Zusatzbelastung beschränkt (vgl. Nebenbestimmung III Nr. 4 des 3. Änderungsbescheides vom 13. Februar 2014), reicht insoweit nicht aus. Sofern im Genehmigungsbescheid vom 13. Februar 2014 bestimmt wird, dass das Geruchsgutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. als Bestandteil des Genehmigungsbescheides zwingend zu beachten sei, genügt dies gleichfalls nicht. Die Einzelfallprüfung ist durch die Genehmigungsbehörde durchzuführen und zu begründen. Meinungen und Feststellungen eines Gutachters können diese nicht ersetzen. Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen des Ingenieurbüros S1. & I3. im Gutachten vom 22. März 2013 (Seite 22) auf eine Wiedergabe der Auslegungshinweise der GIRL. Eine an den Vorgaben des M2. orientierte Einzelfallprüfung, auf die der Beklagte Bezug nehmen könnte, hat offensichtlich nicht stattgefunden.
120e.) Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Ergebnis der nach Nr. 5 GIRL durchzuführenden Prüfung im Einzelfall nicht Bestandteil des Genehmigungsbescheides sein muss und hierzu auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 16. April 2013 (BA Bl. 152 ff.) abstellt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
121Die hierin geäußerte Rechtsauffassung des Beklagten, bei einer Wohnnutzung im Außenbereich seien bis zu 25 % der Jahresgeruchsstunden für die Kläger unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles zumutbar, wenn es sich um eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle handele, teilt das Gericht jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - eine vorhandene Tierhaltungsanlage um eine Biogasanlage erweitert werden soll.
122aa.) Zu den Voraussetzungen, wann eine Erhöhung des maßgeblichen Richtwertes auf 0,25/25 % möglich ist, hat das OVG NRW in seinem Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 - Bezug genommen auf die in der fachlichen Stellungnahme des M2. NRW vom 13. Dezember 2012 aufgeführten Kriterien für die Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls. Dort heißt es:
123„- Siedlungsstruktur/Ortsüblichkeit: Einzelnen Wohnnutzungen im
124Außenbereich kann, soweit keine der im Weiteren genannten Kriterien
125dagegen sprechen, in der Regel ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet
126werden. Für Straßendörfer und Streusiedlungen wird die Anwendung
127eines Immissionswertes bis 0,20 empfohlen.
128- Nutzung: Soweit es sich um eine reine Wohnnutzung im Außenbereich
129handelt, können, in Abhängigkeit von den weiteren genannten Kriterien,
130Immissionswerte oberhalb von 0,15 bis 0,25 festgelegt werden. Für
131Wohnnutzungen von tierhaltenden Betrieben wird ein Immissionswert
132bis 0,25 empfohlen, wobei die jeweilige Eigenbelastung
133(Geruchsstundenhäufigkeiten, hervorgerufen durch die eigene
134Tierhaltung) unberücksichtigt bleibt. Ein solches Vorgehen stellt sicher,
135dass die Bewohner einer solchen Hofstelle für den Fall einer Aufgabe
136der Tierhaltung (ein aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft
137regelmäßig auftretender Fall) nicht unbegrenzt Geruchsimmissionen
138ausgesetzt sind, somit auch für diesen Fall der Schutz sichergestellt ist.
139- Historie: Der Wohnnutzung innerhalb einer Hofstelle, auf der Tiere
140gehalten wurden, die heute insgesamt aber nur noch zu Wohnzwecken
141genutzt wird, kann ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet werden.
142Handelt es sich um ein Wohnhaus im Außenbereich, das ohne
143landwirtschaftlichen Bezug errichtet wurde (z.B. Bahnwärterhaus), wird
144ein Immissionswert bis 0,20 empfohlen.
145- Vorbelastung: Liegt die Vorbelastung bereits über 0,25, ist im Rahmen
146eines Genehmigungsverfahrens anzustreben, den Immissionswert von
1470,25 im Sinne eines Zielwertes zu erreichen.“
148Das OVG NRW hat diese Grundsätze in seinem Beschluss vom 24. Februar 2014 - 8 B 1011/13 -, n.v. weitergehend präzisiert und Kriterien aufgestellt, die bei der Bestimmung des Grenzwertes der zulässigen Geruchsbelastung Berücksichtigung finden sollen. Diese sind
149- der Gebietscharakter,
150- Vorbelastung und Ortsüblichkeit der Gerüche,
151- eine gegebenenfalls erhöhten Duldungspflicht des Nachbarn bei eigener
152Tierhaltung,
153- das gesetzgeberische Anliegen, Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen generell zu vermeiden und an sich nicht zumutbare Zustände nicht zu verfestigen,
154- der Stand der Technik,
155- das Ziel, Vorhabenänderungen dann nicht zu verhindern, wenn sie zwar nicht die an sich zumutbaren Geruchsimmissionswerte einhalten, aber deutliche Verbesserungen herbeiführen, sowie
156- sonstige Einzelfallumstände.
157bb.) Legt man diese Kriterien für die zu treffende Einzelentscheidung zu Grunde, sind den Klägern Geruchsimmissionen bis zu 25 % der Jahresgeruchsstunden nicht zumutbar.
158Die nach den o.g. Empfehlungen des M2. NRW vorzunehmende Differenzierung bei Wohnnutzungen im Außenbereich zwischen solchen mit landwirtschaftlichen Bezug (im Einzelfall bis 25 % der Jahresgeruchstunden) und ohne landwirtschaftlichen Bezug (bis 20 % der Jahresgeruchsstunden), dürfte zwar grundsätzlich dem Gebot der Rücksichtnahme Rechnung tragen.
159In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Wohnnutzungen im Außenbereich gegenüber einer zulässigen landwirtschaftlichen Nutzung ein höheres Maß an Rücksichtnahme zu üben haben als Wohnnutzungen in Dorfgebieten.
160Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, juris.
161In der GIRL kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass für Dorfgebiete nach Nr. 3.1 ein Immissionswert von 0,15/15 % der Jahresstunden gilt, während bei einer Wohnnutzung im Außenbereich über diesen Wert hinausgegangen werden kann. Mit Blick darauf, dass nach der Rechtsprechung Wohnnutzungen ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe mit einem nachwirkenden Gebot der Rücksichtnahme belegt sind,
162vgl. OVG NRW Beschluss vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn.25,
163dürfte es auch zulässig sein, nicht allein die derzeitige Nutzung in den Blick zu nehmen. Das Gebot der Rücksichtnahme beruht aber auf Gegenseitigkeit. Dies bedeutet, dass eine landwirtschaftliche privilegierte Nutzung ihrerseits im Rahmen der dem Landwirt durchaus zustehenden Entwicklungsmöglichkeiten auch auf bestehende Wohnnutzungen im Außenbereich Rücksicht nehmen muss, selbst dann, wenn diese ihrerseits an eine aufgegebene privilegierte Nutzung geknüpft waren. Das der Wohnnutzung mit Blick auf die frühere (eigene) privilegierte Nutzung obliegende erhöhte Maß an Rücksichtnahme kann hierbei nicht zeitlos sein. Mit zunehmender Dauer der Aufgabe der privilegierten Nutzung nähert sich dies dem an, was eine nicht privilegierte Wohnnutzung im Außenbereich an Rücksicht hinzunehmen hat. Wird - wie hier - eine eigene landwirtschaftliche Nutzung seit ca. 30 Jahren nicht mehr betrieben, die Wohnnutzung im Außenbereich seitdem aber genehmigt oder geduldet ausgeübt, dürfte ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme bis zum Ausschöpfen des Grenzwertes von 25 % der Jahresstunden nicht mehr geboten sein.
164Berücksichtigt werden muss im vorliegenden Fall im Rahmen des gegenseitigen Gebots der Rücksichtnahme auch, dass die Kläger bis in die 1980er Jahre eine Tierhaltung nur im geringsten Umfang (3 Kühe und 1 Pferd) ausgeübt haben, sodass die von ihnen in der Vergangenheit verursachten Geruchsimmissionen auch nicht annähernd mit den von der T1. B. GbR verursachten Immissionen (ca. 1.700 Schweine) vergleichbar waren.
165Nimmt man im Rahmen der Einzelfallprüfung - wie es das M2. NRW und auch das OVG NRW fordern - ergänzend auch die Ortsüblichkeit in den Blick ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich hier nach dem Genehmigungsgegenstand nicht um Gerüche aus einer Tierhaltungsanlage, die bisher prägend für das Gebiet sind, handelt, sondern um Gerüche aus einer Biogasanlage, die keineswegs hinsichtlich der Geruchsintensität und Geruchsart mit denen aus einer Tierhaltungsanlage vergleichbar sind (hierzu näher unter cc.).
166cc.) Ungeachtet dessen, ob danach bei einer Wohnnutzung im Außenbereich grundsätzlich 25 % der Jahresgeruchsstunden zumutbar sind, hat der Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Genehmigung hier nach Auffassung des M2. NRW keine landwirtschaftlichen Gerüche i.S.d. GIRL betrifft, sondern Gerüche einer Biogasanlage, für die - so das M2. in der Stellungnahme vom 13./14. Dezember 2012 - grundsätzlich auch im Außenbereich ein Immissionsrichtwert von 15 % der Jahresgeruchstunden gilt.
167Das M2. hat diese Auffassung in einer weiteren Stellungnahme vom 26. November 2013 wiederholt und hierzu ausgeführt:
168„Gerüche aus Biogasanlagen sind nicht eindeutig den Gerüchen aus Tierhaltungen gleichzustellen. Insbesondere im Nahbereich unter 100 m geht, als Ergebnis einer fachlichen Diskussion im Rahmen einer Dienstbesprechung am 15. November 2012, nach überwiegender Auffassung der fachlich mit Biogasanlagen vertrauten Behördenmitarbeiter in Nordrhein-Westfalen, von diesen ein biogasanlagentypischer Geruch aus. Dies wird in Zusammenhang gebracht mit den Gerüchen aus dem Silagelager (Anschnittfläche, Silagetransport/gegebenenfalls verschmutzte Oberflächen, austretender Silosickersaft/Regenereignisse, gegebenenfalls abweichende Geruchsqualität der Biogassilage aufgrund anderer Silierung und Handhabung) sowie dem Umstand, dass bei Biogasanlagen die Silagen einen deutlich größeren Anteil an den Gesamtimmissionen aufweisen, als dies bei Tierhaltungen der Fall ist. Hinzukommen gegebenenfalls minimale Immissionen aus dem Fermenter, dem Nachgärbehälter, dem Gärrestlager und Rohrleitungen/Pumpen (bzw. den je nach Anlagentechnik jeweils vorhandenen Betriebsteilen), die zum Platzgeruch beitragen und nur im Nahbereich immissionswirksam sind.
169Für Biogasanlagengerüche im Außenbereich sollte aus den genannten fachlichen Gründen, zumindest für den Nahbereich bis 100 m, wie für sonstige gewerbliche und industrielle Geruchsarten/-qualitäten, ein Immissionswert angewendet werden, der unterhalb des für Tierhaltungen nach Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls möglichen Wertes von 0,25/25 % liegt. Hier sind nach Auffassung des M2. zulässige Geruchsstundenhäufigkeiten von 0,15 bis 0,20 denkbar.
170Im vorliegenden Fall wäre somit die Situation gegeben, dass auf die zu beurteilende Wohnnutzung Gerüche einwirken, für die ein Immissionswert von z.B. 0,15 bis 0,20 zur Anwendung kommen kann (Biogasanlage) und Gerüche, für die ein Immissionswert bis 0,25 denkbar ist (Tierhaltung).
171Es stellt sich somit die Frage, wie die gemeinsame Einwirkung der Gerüche für eine zusammenfassende Beurteilung der Situation einzuschätzen ist. Eine Antwort zu dieser Frage ist in der Vergangenheit auf Fachebene nicht abschließend gegeben worden. So war es in der Vergangenheit fachlich nicht zu beanstanden, die Zulässigkeit der Geruchsbelastung im Rahmen einer Immissionsprognose wie folgt zu prüfen:
172Prüfungsschritt 1: Die Geruchsbelastung der Geruchsart mit dem geringeren Immissionswert überschreitet diesen nicht.Prüfungsschritt 2: Die Gesamtbelastung (Geruchsstundenhäufigkeiten, verursacht von beiden Geruchsarten, ermittelt durch Ausbreitungsberechnung) überschreitet den höheren Immissionswert nicht.
173Bezogen auf die Geruchsbelastung am Wohnhaus der Kläger könnte dies Folgendes bedeuten:
174Prüfungsschritt 1: Die Geruchsbelastung durch die Biogasanlage beträgt 0,07, zulässig ist eine Geruchshäufigkeit von 0,15 bis 0,20 (genaue Festlegung im Rahmen einer Beurteilung im Einzelfall). Der hierfür geltende Immissionswert wird eingehalten.Prüfungsschritt 2: Die Gesamtbelastung beträgt 0,22, zulässig wäre im Außenbereich eine Geruchshäufigkeit von 0,25 (Beurteilung im Einzelfall/Abwägung auch unter Berücksichtigung der Belastung durch Tierhaltungsgerüche – hier 0,17). In diesem Fall wäre auch dieser Immissionswert eingehalten, die Anlage somit zulässig. Würde die Einzelfallbeurteilung im Ergebnis zu einem Immissionswert von 0,20 führen, so wäre das zulässige Maß der Geruchsbelastung überschritten.
175Zwischenzeitlich ist die Methodik der Prüfung der Zulässigkeit im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) zur Anwendung der GIRL (GIRL-Expertengremium, Sitzung 22./23. Oktober 2013, Rostock) länderübergreifend geregelt worden. Danach ist zu berechnen, welche Anteile ihres Immissionswertes die beiden Geruchskategorien jeweils ausschöpfen. Die jeweiligen Anteile dürfen summarisch 1,00 nicht überschreiten.
176IBb TH + IBb G/I
177IWTH IWG/I <= 1
178IBb TH = Immissionsbelastung belästigungsrelevant Tierhaltung
179IBb G/I = Immissionsbelastung belästigungsrelevant Gewerbe/Industrie/
180Nicht-Tierhaltung
181IW = Immissionswert
182Die Anwendung dieser Prüfungsregel würde, bei einem Immissionswert für die Gesamtbelastung von 0,25 zu einer Unzulässigkeit der Geruchseinwirkungen führen, auch wenn für den Nahbereich von Biogasanlagen im Außenbereich ein Immissionswert von 0,20 zugrunde gelegt würde.“
183f.) Gemessen an diesen Ausführungen des M2. NRW ist die durch die Biogasanlage entstehende Geruchsbelastung unter Berücksichtigung der vorhandenen Vorbelastungen und unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls für die Kläger nicht mehr zumutbar. Das M2. NRW hat die im Gutachten des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 22. März 2013 für das Grundstück der Kläger ermittelte Geruchsbelastung - 20 % bis 23 % der Jahresgeruchstunden - für plausibel erachtet und eine Geruchsbelastung von 22 % angenommen. Diese Annahme beruhte auf den von dem Beklagten mitgeteilten und insoweit maßgeblichen genehmigten Tierplatzzahlen,
184vgl. OVG NRW, Beschluss vom 02. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, juris Rn.102,
185die allerdings nach der Mitteilung des Beklagten einer Korrektur bedurften. Denn die für den landwirtschaftlichen Betrieb H1. mitgeteilten Tierplatzzahlen waren um 17 Tiere zu niedrig angesetzt (vgl. Stellungnahme des Beklagten vom 21. Februar 2014).
186Ausgehend von diesen korrigierten Tierplatzzahlen hat das Ingenieurbüro S1. & I3. am 21. Februar 2014 eine Nachberechnung vorgenommen. Danach ist davon auszugehen, dass am Wohngrundstück der Kläger eine Geruchsbelastung an (mindestens) 23 % der Jahresgeruchstunden eintritt. Schon diese Geruchsbelastung überschreitet nach den vorstehenden Kriterien das den Klägern zumutbare Maß.
187Das Gericht lässt deshalb dahinstehen, ob hier nicht sogar von einer Geruchsbelastung von 24 - 25 % der Jahresgeruchsstunden auszugehen ist. Das Ingenieurbüro S1. & I3. hat bei der Geruchsimmissionsprognose den vorderen Teil des Wohngebäudes - die sog. „Diele“ - nicht mit einbezogen, obwohl dieser Bereich seit mehr als 30 Jahren als Eingang zum Wohnhaus gehört und nicht mehr - wie in der Prognose dargestellt (Seite 8 des Gutachtens) - als „Kuhstall“ genutzt wird. Es dürfte sich um einen Bereich handeln, der nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt von Menschen genutzt wird und deshalb immissionsrechtlich relevant ist (vgl. Nr. 4.4.6 GIRL). Geht man von einer Relevanz auch dieses Bereiches aus, beträgt die Geruchsbelastung 24 - 25 % der Jahresgeruchsstunden (Neuberechnung des Ingenieurbüros S1. & I3. vom 21. Februar 2014).
188Im Hinblick darauf, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, ob insoweit eine Nutzungsänderungsgenehmigung erteilt wurde, lässt das Gericht dahinstehen, ob dieser Bereich bei der Geruchsimmissionsprognose als Wohnbereich allein auf Grund der langjährigen, unbeanstandeten Praxis in der Geruchsprognose hätte berücksichtigt werden müssen.
189Das Gericht hat keinen Anlass, die überarbeiteten Tierplatzzahlen in Zweifel zu ziehen. Der Vortrag der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, sie halte zum Teil in den Stallungen weniger Tiere als genehmigt, ist insoweit unbeachtlich, da es nicht auf den tatsächlichen, sondern den genehmigten Tierbestand ankommt. Ausgehend von den o.g. korrigierten Tierplatzzahlen im Rahmen der Ermittlung der Vorbelastung dürfte bei einer Gesamtgeruchsbelastung in Höhe von 23 % der Jahresgeruchsstunden von einer Vorbelastung in Höhe von 18 % der Jahresgeruchsstunden und einer Zusatzbelastung in Höhe von 7 % durch die Biogasanlage auszugehen sein.
190Nach den Ausführungen des M2. NRW kommt eine Addition der Vorbelastung und Zusatzbelastung bei einem Zusammentreffen von Gerüchen aus Tierhaltungsanlagen und Biogasanlagen allerdings nicht mehr in Betracht. Vielmehr ist nach Auffassung des M2. NRW zu berücksichtigen, dass Gerüche aus einer Biogasanlage insbesondere im Nahbereich bis 100 m - wie hier - nicht mit den Gerüchen aus der Tierhaltung gleichzusetzen sind und eine Gewichtung der Geruchsbelastungen nach den jeweiligen Anteilen an der Gesamtbelastung vorgenommen werden muss. Für Gerüche aus einer Biogasanlage ist hierbei ein Immissionswert von 15 %, unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalles allenfalls ein Immissionsrichtwert von 20 % anzusetzen.
191Ausgehend von der o.g. Methodik ergibt sich unter Berücksichtigung der durch die Biogasanlage entstehenden Zusatzbelastung in Höhe von 7 % und einem Immissionsrichtwert von 15 % eine Gesamtgeruchsbelastung von
19217 + 7 = 51 + 35 = 86 > 1
19325 15 75 75
194bei einem Immissionsrichtwert von 20 % der Jahresgeruchstunden für die Biogasanlage eine Gesamtgeruchsbelastung von
19517 + 7 = 68 + 35 = 103 > 1
19625 20 100 100
197Der nach Auffassung des M2. einzuhaltende Immissionsrichtwert von 1 wird damit in beiden Fällen überschritten. Die Auffassung der Beigeladenen, die nunmehr von M2. NRW und der LAI zu Grunde gelegte Berechnungsmethodik sei hier nicht anzuwenden, weil sie zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht einmal den mit der GIRL befassten Geruchssachverständigen bekannt gewesen sei, verfängt nicht.
198In Fällen der Anfechtung einer bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch Dritte ist zwar grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung abzustellen.
199Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, BauR 1998, 995 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, BauR 2008, 799 = juris Rn. 46 ff.
200Dies schließt es allerdings nicht aus, nachträglich gewonnene Erkenntnisse im Rahmen einer solchen Drittanfechtungsklage zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
201Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22.
202Messungen oder prognostische Begutachtungen zur Immissionssituation sind daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für die rechtliche Bewertung auch dann anwendbar, wenn sie erst im Anschluss an das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.
203Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22 ff., vom 03. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, BauR 2013, 1251 = juris Rn. 9 f.
204Nichts anderes gilt für die einer solchen Messung oder Begutachtung zugrundeliegenden Beurteilungs- und Bewertungskriterien. Werden - wie im vorliegenden Fall - nach Erlass einer Genehmigung diese Kriterien überarbeitet oder liegen sonst neue Kriterien zur Bewertung vor, sind sie auch im Gerichtsverfahren als neue Erkenntnisquelle und Orientierungshilfe zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchs-immissionen maßgeblich.
205Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, S. 5 und 6 sowie bereits - jeweils zur Anwendbarkeit einer neuen VDI-Richtlinie - OVG NRW, Beschluss vom 03. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und OVG Lüneburg, Urteil vom 04. November 2003 - 1 LB 323/02 -, BauR 2004, 469 = juris Rn. 32.
2063. Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob durch die Genehmigung ausreichend sichergestellt wird, dass die Kläger keinen schädlichen Immissionen in Form von Lärm durch den Betrieb der Anlage und den dem Betrieb zuzurechnenden Zu- und Abfahrverkehr (vgl. Nr. 7.4. TA Lärm) ausgesetzt sind.
207Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
208Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
209Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 15. August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht in Frage.
4Ein Erfolg der gegen den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 21. November 2012 gerichteten Klage ist zwar nicht, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, überwiegend wahrscheinlich. Die Erfolgsaussichten der Klage sind jedoch jedenfalls offen (A.). Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung überwiegen die von der Antragstellerin geltend gemachten Interessen (B.).
5A. Die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 21. November 2012, mit der der Beigeladenen auf dem Grundstück T. , U.----weg 0 in Erweiterung einer bereits vorhandenen Geflügelmastanlage (= BE 3 / 38.800 Plätze) die Errichtung eines weiteren Mastgeflügelstalles mit 39.650 Plätzen (= BE 4) und somit der Betrieb einer Anlage zum Halten und der Aufzucht von Geflügel mit insgesamt 78.450 Plätzen erteilt wurde, sind bei summarischer Prüfung als offen einzuschätzen.
61. Die Antragstellerin ist, anders als die Beigeladene meint, nicht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG mit ihren Einwendungen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind mit Ablauf der Einwendungsfrist des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen.
7Die Antragstellerin hat bis zum Ablauf der Einwendungsfrist am 3. September 2012 zwar selbst keine Einwendungen erhoben. Dies hat das Verwaltungsgericht jedoch zu Recht unter anderem deshalb für unerheblich erachtet, weil die Antragstellerin mit dem Erwerb des Eigentums an dem Nachbargrundstück U.----weg 0 im November 2012 in die Rechtsposition der Voreigentümerin, ihrer Mutter, eingerückt ist. Die Mutter der Antragstellerin hatte am 31. August 2012 geltend gemacht, das geplante Vorhaben rufe schädliche Umwelteinwirkungen hervor und verletze das Rücksichtnahmegebot.
8Die Antragstellerin war weder verpflichtet noch in der Lage, schon vor dem Eigentumsübergang Einwendungen vorzubringen, soweit sie - wie hier - ihr Anfechtungsrecht aus dem Eigentum ableitet. Die Einwendungen und dementsprechend auch die Einwendungsbefugnis sowie die Präklusionswirkung knüpfen an das zu schützende Rechtsgut an. Aus diesem Grunde bleiben verspätete Einwendungen, mit denen eine Verletzung des im Einwirkungsbereich belegenen Grundeigentums geltend gemacht wird, einerseits auch dann ausgeschlossen, wenn die Eigentumsrechte erst nach Ablauf der Einwendungsfrist erworben werden. Das erworbene Eigentum ist „präklusionsbelastet“.
9Vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1980 ‑ 7 C 101.78 -, BVerwGE 60, 297, juris Rn. 43.
10Andererseits profitiert der Rechtsnachfolger davon, wenn der Voreigentümer - wie hier - rechtzeitig Einwendungen erhoben hat. So wie die Rechtshängigkeit eines Klageverfahrens des Voreigentümers gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 265 ZPO für und gegen den Rechtsnachfolger wirkt, wirkt auch die Erhebung oder Nichterhebung von Einwendungen für und gegen den Rechtsnachfolger, und zwar auch dann, wenn noch kein Genehmigungsbescheid ergangen ist und eine Klage dementsprechend noch nicht erhoben werden konnte.
112. Es kann gegenwärtig nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob die mit dem geplanten Vorhaben der Beigeladenen am Wohnhaus der Antragstellerin zu erwartenden Geruchsimmissionen zumutbar sind.
12Die drittschützende Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG bestimmt, dass genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
13Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen als erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG einzustufen sind, kann - bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften ‑ auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 (anwendbar nach Maßgabe des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-3-8851.4.4 - vom 5. November 2009, MBl.NRW 2009, S. 533) zurückgegriffen werden.
14In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177, juris Rn.30 m.w.N.
16Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es zudem grundsätzlich - vorbehaltlich von hier nicht vorliegenden Ausnahmen - einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose.
17Vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn.5.
18a) Gegen die Plausibilität der vom Ingenieurbüro für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz S. und I. erstellten Geruchsimmissionsprognose vom 23. Mai 2012 bestehen nicht deshalb Bedenken, weil die Kenngröße für die Gesamtbelastung nicht aus der Summe der Kenngrößen für die vorhandene Belastung und für die zu erwartende Zusatzbelastung gebildet wurde. Nach den Bestimmungen der GIRL ist eine gesonderte Ermittlung der Kenngrößen für die Zusatzbelastung dann nicht erforderlich, wenn - wie in der Immissionsprognose vom 23. Mai 2012 - sowohl die vorhandene Belastung („Bestand“) als auch die Gesamtbelastung („Planzustand“) anhand von Immissionssimulationen nach dem Partikelmodell der TA Luft 2002 mit dem Immissionssimulationsprogramm AUSTAL 2000 beurteilt worden sind.
19Nach Nr. 4.4 GIRL kann die Ermittlung der vorhandenen Belastung entweder durch Rasterbegehung oder durch Geruchsausbreitungsrechnung erfolgen. Die Kenngröße für die zu erwartende Zusatzbelastung ist nach Nr. 4.5 GIRL mit dem angepassten Ausbreitungsmodell des Anhangs 3 der TA Luft - also immer durch Ausbreitungsrechnung - zu ermitteln (vgl. auch Nr. 4.1 GIRL Tabelle 2). Wird jedoch sowohl die vorhandene Belastung als auch die zu erwartende Zusatzbelastung im Wege der Ausbreitungsrechnung ermittelt, ist nach Nr. 4.6 GIRL die Gesamtbelastung in der Regel in einem Rechengang zu bestimmen. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nrn. 4.2 und 4.6 GIRL ist für diesen Fall näher bestimmt, dass eine Rechnung für den Zustand der neuen Gesamtbelastung und für den der alten Gesamtbelastung (Vorbelastung) durchzuführen und die Differenz als Zusatzbelastung zu werten ist. Für die Ermittlung der neuen Gesamtbelastung müssen die Geruchsemissionen der vorhandenen Quellen (Vorbelastung) und die der neuen Quellen (Zusatzbelastung) in eine gemeinsame Rechnung eingestellt werden.
20Ob die Entscheidung, die bestehende Belastung nicht durch Rasterbegehung, sondern durch Ausbreitungsrechnung zu ermitteln, im vorliegenden Einzelfall fachlich gerechtfertigt war, ist ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären. Dies gilt auch für die Frage, ob es von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, dass bei dem bereits bestehenden Geflügelmaststall BE 3 und bei dem geplanten Geflügelmaststall BE 4 sowohl für die Vor- als auch für die Gesamtbelastung eine leicht höhere Belegung (jeweils 39.900 Plätze) als die genehmigte zugrunde gelegt wurde sowie für die weitere Frage, ob die für den Betrieb L. angesetzte Anzahl von Tierplätzen sachgerecht ist.
21b) Die Immissionsprognose vom 23. Mai 2012 ist grundsätzlich auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sie auch geplante immissionsmindernde Maßnahmen bei Anlagen berücksichtigt hat, die nicht Gegenstand der angefochtenen Genehmigung sind.
22Nach dem Gutachten vom 23. Mai 2012 erreicht die Geruchsvorbelastung am Wohnhaus der Antragstellerin je nach Gebäudeteil Werte von 0,28 (28 % der Jahresgeruchsstunden) bzw. 0,29 (29 % der Jahresgeruchsstunden). In diese Berechnung wurden der bereits vorhandene Geflügelmaststall BE 3 (unter Ansatz einer Belegung mit 39.900 Plätzen), die auf einem im Eigentum des Komplementärs der Beigeladenen stehenden Nachbargrundstück befindlichen Schweinemastställe mit 960 Plätzen (= BE 1) bzw. 1040 Plätzen (= BE 2) sowie die Schweinmastanlagen L1. und L. mit einbezogen. Diese Geruchsbelastung soll sich im Planzustand auf Werte zwischen 0,21 und 0,25 verringern. Diese Verringerung soll trotz der Kapazitätserhöhung der Geflügelmast dadurch erreicht werden, dass die Abluft aus den Ställen der beiden benachbarten Schweinemastställe BE 1 und BE 2 über Schächte mit einer Höhe von mindestens 13,50 m über Erdboden und einer Mindestaustrittsgeschwindigkeit der Abluft von 10 m/s abgeleitet wird. Geplant ist ferner eine Abluftreinigung in diesen Ställen, deren Reinigungsleistung bezüglich des Geruchs mindestens 70 % betragen soll. Die Abluft in den Ställen BE 3 und BE 4 soll über Schächte mit einer Höhe von mindestens 13,50 m über Erdboden und einer Mindestaustrittsgeschwindigkeit der Abluft von 12 m/s abgeleitet werden. Außerdem soll der Güllehochbehälter bei den Schweinemastställen BE 1 und BE 2 luftdicht verschlossen werden.
23Die immissionsmindernden Maßnahmen an den Schweinemastställen BE 1 und BE 2 sowie an dem dazugehörigen Güllebehälter sind im Rahmen der Prüfung, ob der Betrieb der streitgegenständlichen Anlage erhebliche Geruchsbelästigungen hervorruft, zu berücksichtigen. Dass im Rahmen der Beurteilung der Gesamtbelastung jeweils auch die nicht von der Genehmigung erfassten Emittenten in der Umgebung als Vor- bzw. Fremdbelastung in die Betrachtung mit einbezogen werden müssen, folgt schon aus dem Immissionsbegriff. Während Emissionswerte das Emissionsverhalten einer einzelnen Anlage in den Blick nehmen (§ 3 Abs. 3 BImSchG), sind Immissionswerte auf die Immissionsbelastung eines konkreten Einwirkungsorts bezogen (§ 3 Abs. 2 BImSchG). Auf die Zuordnung der Immissionen zu einer bestimmten Anlage kommt es insoweit grundsätzlich nicht an; geboten ist vielmehr eine summierende Betrachtung. Deshalb können einem Anlagenbetreiber auch günstige Entwicklungen in der Umgebung seiner Anlage - etwa durch dasselbe Einwirkungsobjekt und dieselbe Immissionsart betreffende Kompensationsmaßnahmen an anderen Anlagen - zu Gute kommen.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2013 - 7 C 22.11 -, NuR 2013, 415, juris Rn. 27; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 3 Rn. 19 und 49 sowie § 5 Rn. 33ff.; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand April 2013, § 5 BImSchG Rn. 57 und 102, jeweils m.w.N.
25c) Allerdings sind nicht alle von der Immissionsprognose vom 23. Mai 2012 vorausgesetzten Kompensationsmaßnahmen dauerhaft und effektiv zugunsten der betroffenen Nachbarschaft rechtlich sichergestellt.
26Zwar haben Behörde, Anlagenbetreiber und ein weiterer Emittent die oben beschriebenen immissionsmindernden Kompensationsmaßnahmen an den Schweinemastanlagen BE 1 und BE 2 in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbart. Die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erforderliche Sicherstellung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten setzt jedoch voraus, dass deren Umsetzung in der Genehmigung ‑ etwa durch entsprechende Nebenbestimmungen gemäß § 12 Abs. 1 BImSchG - festgeschrieben wird. Hieran fehlt es.
27Die angefochtene Genehmigung sieht unter B) 2) lediglich vor, dass die Beigeladene dem Antragsgegner vor der ersten Belegung der Anlage BE 4 mit Tieren Nachweise über die Wirksamkeit der installierten Abluftreinigung mit einer Geruchsreinigungsleistung von mindestens 70 % an den Anlagen BE 1 und BE 2 vorlegt. Damit wird schon nicht - z.B. durch eine Bedingung - sichergestellt, dass die Abluftreinigung auch für die Dauer der Genehmigung gewährleistet bleibt. Auch die geplante luftdichte Abdeckung des Güllehochbehälters wird lediglich in einem „Hinweis“ erwähnt, ohne sie in einer Nebenbestimmung verbindlich zur Voraussetzung für die genehmigte Anlagenerweiterung zu machen. Die in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag ferner vereinbarte Erhöhung der Schächte von 10 m auf 13,50 m sowie die Erhöhung der Abluftgeschwindigkeit von 7 m/s auf 10 m/s sind ebenfalls nicht Gegenstand der Genehmigung. Darauf hat das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen; die Beschwerde setzt sich hiermit nicht auseinander.
28Bei dieser Sachlage ist offen, welche Geruchsimmissionswerte bei einem genehmigungskonformen Betrieb am Wohnhaus der Antragstellerin zu erwarten sind. Es kann insbesondere - angesichts der erheblichen Kapazitätserweiterung der Geflügelmastanlage auf mehr als das Doppelte der Plätze - nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es nicht zu Verbesserungen der Geruchsbelastungssituation am Wohnhaus der Antragstellerin, sondern zu Verschlechterungen kommt.
29d) Bei summarischer Prüfung ist offen, welcher konkrete Immissionswert am Wohnhaus der Antragstellerin zumutbar ist.
30aa) Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert von 0,10 und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15. Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15.
31Einen Immissionswert für den - hier betroffenen - Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen. Dementsprechend darf auch nach der Rechtsprechung des Senats ein Wert von 0,25 nicht ohne Weiteres, sondern nur aufgrund der in den Auslegungshinweisen vorgesehenen Einzelfallprüfung zugrundegelegt werden. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - ohne eine solche Prüfung auch im Außenbereich zumindest im Ausgangspunkt ein Immissionswert von 0,15 nicht überschritten werden darf.
32Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, juris Rn. 38 ff., vom 3. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 21, vom 28. November 2012 - 8 B 892/12 -, n.v., Abdruck S. 7.
33Die danach erforderliche Einzelfallprüfung, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten und der Qualität der Geruchsbelästigung zu erfolgen hat, hat vorliegend nicht stattgefunden. Es liegen derzeit auch keine Umstände vor, aus denen im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren hinreichend verlässlich auf das Ergebnis einer solchen Einzelfallbeurteilung geschlossen werden kann.
34bb) Ein Geruchsimmissionswert von 0,25 oder höher ist auch dann nicht ohne weiteres zumutbar, wenn mit der Beschwerde davon ausgegangen würde, dass ein Rechtsvorgänger der Antragstellerin Tierhaltung betrieben hat. Soweit in der von der Beschwerde angeführten, vor Erlass der derzeit gültigen Fassung der GIRL ergangenen Rechtsprechung,
35vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -, BRS 65, Nr. 87, juris Rn. 12 und vom
3616. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn. 23 ff.,
37- bis zur Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung - Werte von mehr als 0,50 nicht von vorneherein als unzumutbar erachtet wurden, spiegelt dies nach den insoweit zutreffenden Auslegungshinweisen zu Nr. 1 GIRL („Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“) die Besonderheiten des Einzelfalls wieder. Der Wert 0,50 solle nicht zur regelmäßigen Beurteilung solcher Fälle herangezogen werden. Auch in dem Fall, dass Nachbarn im Außenbereich früher Tiere gehalten haben, bedarf es danach grundsätzlich einer Einzelfallbetrachtung. Im Rahmen einer solchen Einzelfallbetrachtung müsste im Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden, ob und bis wann auf dem Grundstück der Antragstellerin Tierhaltung betrieben wurde sowie welche Tiere in welchem Umfang gehalten wurden. Der Inhalt des dem Großvater der Antragstellerin erteilten Bauscheins vom 4. August 1934 sowie die zugehörigen Bauakten sprechen dafür, dass ursprünglich auf dem Grundstück auch Tierhaltung betrieben wurde. Nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen wurde die Mutter der Antragstellerin Anfang der 1960er Jahre Eigentümerin des Grundstücks. Weder die Mutter der Antragstellerin noch deren Ehemann hatten nach den vorliegenden Erkenntnissen - anders als der Großvater der Antragstellerin - einen beruflichen Bezug zur Landwirtschaft. Wären auf dem Grundstück seit etwa 50 Jahren keine Tiere mehr gehalten worden, bedürfte es einer genauen Untersuchung der Einzelfallumstände unter dem Gesichtspunkt, welche Bedeutung einer nachwirkenden Pflicht zur Rücksichtnahme noch zukommt.
38Vgl. etwa VG Aachen, Urteil vom 23. Januar 2013 - 3 K 2068/10 -, juris Rn.88ff. m.w.N.
39Es ist nicht Aufgabe eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens, diese Untersuchung nachzuholen.
40cc) Eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht der Antragstellerin gegenüber dem Vorhaben der Beigeladenen folgt auch nicht aus dem Umstand, dass in der näheren Umgebung des Wohnhauses erhebliche Geruchsvorbelastungen durch genehmigte Tierhaltungsanlagen bestehen.
41Zwar sind im Umfang der Vorbelastung Immissionen zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht ohne Weiteres hinnehmbar wären. Was von einem genehmigten Betrieb an Belastungen für eine benachbarte Wohnbebauung verursacht wird, mindert die Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft, es sei denn, die vorhandenen Immissionen überschreiten bereits die Grenze dessen, was unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes erträglich ist. Die Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung wird mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung des emittierenden Betriebes gemindert.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2013
43- 8 A 1451/12 -, juris Rn. 75; BVerwG, Urteile vom
4422. Juni 1990 - 4 C 6.87 -, BauR 1990, 689, juris Rn. 29 ff., vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332, juris Rn. 244 f., und vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 -, BauR 1999, 152, juris Rn. 31; Bay. VGH, Beschluss vom 3. August 2000 - 1 CS 99.2116 -, juris Rn. 20.
45Diese vom BVerwG insbesondere im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu Lärmvorbelastungen entwickelten Grundsätze gelten auch für Geruchsbeeinträchtigungen.
46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 1993 - 4 B 151.93 -, NVwZ-RR 1994, 139, juris Rn. 13; Nds. OVG, Beschluss vom 30. Juli 1999 - 1 M 2870/99 -, BauR 2000, 362, juris Rn. 5, sowie Urteil vom 26. Juli 2012 - 1 LC 130/09 -, RdL 2012, 327, juris Rn. 82 f.
47Es würde allerdings - jedenfalls im Immissionsschutzrecht - zu kurz greifen, die bei der Erweiterung eines legalen Betriebes zu erwartenden Immissionen immer schon dann als zulässig anzusehen, wenn eine Verschlechterung der Immissionslage nicht zu erwarten ist.
48So aber wohl für das Baurecht BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2006 - 4 B 80.05 -, juris Rn. 6.
49Zum einen würde diese Betrachtungsweise den Schutzpflichten des § 5 BImSchG nicht gerecht und zu einer dauerhaften Verfestigung von an sich nicht hinnehmbaren Zuständen führen. Der dynamische Charakter der Schutzpflichten des § 5 BImSchG soll u.a. den sich wandelnden Umweltverhältnissen und dem sich beständig fortentwickelnden Stand der Technik Rechnung tragen und schränkt den Bestandsschutz des Anlagenbetreibers ein. Zur Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen können nach Erteilung der Genehmigung auch behördliche Anordnungen getroffen werden (§ 17 BImSchG). Dies kann auch Auswirkungen auf die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen haben.
50Die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen wird zum anderen auch durch die gesetzgeberische Wertentscheidung in § 6 Abs. 3 BImSchG geprägt. Diese Vorschrift ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil für Gerüche keine Immissionswerte in einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder in einer Rechtsverordnung nach § 48a BImSchG festgelegt sind. § 6 Abs. 3 BImSchG liegt aber die allgemeine Wertung zugrunde, dass grundsätzlich eine Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens nur genehmigungsfähig ist, wenn die Immissionswerte eingehalten werden, eine Überschreitung im Einzelfall aber dann zulässig sein kann, wenn die Änderungsgenehmigung die Immissionssituation deutlich zugunsten der Nachbarschaft verbessert, weil die schon bestehende Anlage unter Geltung der Änderungsgenehmigung weniger emittiert. Unter Zugrundelegung dieses Rechtsgedankens ist eine Geruchsimmissionswertüberschreitung umso eher hinzunehmen, je größer die Verbesserung ausfällt und je geringer die verbleibende Überschreitung des an sich zumutbaren Immissionswerts ist. Von Bedeutung ist auch, ob die Maßnahmen dem Stand der Technik entsprechen und in welchem Umfang sie darüber hinaus gehen. Bei einer Kapazitätserweiterung ist insbesondere relevant, mit welchem Prozentsatz die Erweiterung den an sich erreichbaren Verbesserungseffekt wieder mindert.
51Vgl. zum Vorstehenden OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Mai 2007 - 8 B 2477/06 -, NWVBl 2007, 439, juris Rn. 98 ff. sowie vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, NWVBl 2013, 368, juris Rn. 18 ff.
52Die Berücksichtigung des gesetzgeberischen Grundgedankens in § 6 Abs. 3 BImSchG bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen bedeutet allerdings nicht, dass § 6 Abs. 3 BImSchG analog Anwendung fände mit der Konsequenz, dass seine Tatbestandsmerkmale im Einzelnen zu prüfen wären. Vielmehr geht es darum, im Rahmen einer einheitlich zu treffenden Einzelfallentscheidung, in welchem Umfang Geruchsimmissionen Drittbetroffenen zumutbar sind, den Grundgedanken des § 6 Abs. 3 BImSchG als einen Wertungsaspekt einzustellen. Erforderlich ist also eine Bestimmung des zumutbaren Immissionswerts unter Berücksichtigung u.a.
53- des Gebietscharakters,
54- der Vorbelastung und Ortsüblichkeit der Gerüche,
55- einer gegebenenfalls erhöhten Duldungspflicht des Nachbarn bei eigener Tierhaltung,
56- des gesetzgeberischen Anliegens, Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen generell zu vermeiden und an sich nicht zumutbare Zustände nicht zu verfestigen,
57- des Stands der Technik,
58- des Ziels, Vorhabenänderungen dann nicht zu verhindern, wenn sie zwar nicht die an sich zumutbaren Geruchsimmissionswerte einhalten, aber deutliche Verbesserungen herbeiführen, sowie
59- sonstiger Einzelfallumstände.
60Hiervon ausgehend kann bei summarischer Prüfung und unter Zugrundelegung der derzeitigen Genehmigungslage nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die von der geplanten Erweiterung der Geflügelmastanlage verursachten Immissionen zumutbar sind. Die erforderliche Aufklärung und Abwägung wird im Hauptsacheverfahren zu erfolgen haben.
61B. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache demnach als offen zu betrachten, ergibt die vorzunehmende weitere Interessenabwägung ein Überwiegen des Interesses der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (vorerst) von nach derzeitigem Sach- und Streitstand möglicherweise unzumutbaren Geruchsbelästigungen verschont zu bleiben.
62Die Beigeladene kann zwar ein wirtschaftliches Interesse an der Erweiterung des Betriebs der Anlage geltend machen. Existenzbedrohende finanzielle Auswirkungen sind jedoch weder behauptet worden noch sonst ersichtlich. Insoweit ist in den Blick zu nehmen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage nur die angefochtene Genehmigung des erweiterten Betriebs der Geflügelmastanlage betrifft und keine Auswirkungen auf den Betrieb in seinem bisherigen Bestand hat. Das Interesse der Beigeladenen (nur) an der Erweiterung ihres Betriebs überwiegt nicht das Interesse der Antragstellerin, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht möglicherweise unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgesetzt zu sein. Die Antragstellerin hat rechtzeitig von ihren Rechten Gebrauch gemacht. Der daraus grundsätzlich folgende Eintritt der aufschiebenden Wirkung ist eine Entscheidung des Gesetzgebers. Das Interesse der Antragstellerin, vorerst von den Geruchsimmissionen der Anlage der Beigeladenen verschont zu bleiben, erhält hierbei besonderes Gewicht dadurch, dass die Gesamtbelastung durch Geruchsimmissionen sehr hoch ist und deren Rechtmäßigkeit aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht abschließend beurteilt werden kann. Für die Dauer einer weiteren Aufklärung der verbleibenden Fragen ist daher diesem Aufschubinteresse Geltung zu verschaffen.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Dem Beigeladenen können Kosten auferlegt werden, weil er in beiden Rechtszügen Anträge gestellt hat.
64Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
65Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 2 Satz 6 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.
(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.
(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.
(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.
(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.
(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn
- 1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder - 2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.
(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.
(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.
(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.
(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.
(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.