Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

2

Die Antragsgegnerin hat zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ihrer Verfügung vom 6. November 2015 entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende vorläufige Interessenabwägung – zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit und dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der baldigen Wirkung der Rücknahme der Einbürgerung – fällt aber zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn nach einer – dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechenden – summarischen Prüfung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 125, 152, 158) dürfte die genannte Verfügung, mit der nach § 35 Abs. 1 StAG die Einbürgerung des Antragstellers in den deutschen Staatsverband rückwirkend auf den 12. September 2014 zurückgenommen wurde, jedenfalls derzeit rechtswidrig sein. Zwar dürften die formellen (1.) und die materiellen (2.) Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Entscheidung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen (3.). Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (4.).

3

1. Die formellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung vom 12. September 2014 waren erfüllt. Insbesondere erfolgte die Rücknahme, die am 9. November 2015 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG. Der Antragsteller war auch – mit Schreiben vom 6. Juli 2015 – zur beabsichtigten Rücknahme angehört worden.

4

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG dürften ebenfalls vorliegen: Die Einbürgerung dürfte rechtswidrig gewesen sein (a.) und der Antragsteller dürfte sie durch arglistige Täuschung erwirkt haben (b.).

5

a. Die nach § 10 StAG vorgenommene (Anspruchs-)Einbürgerung des Antragstellers dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG gewesen sein. Zwar dürfte es nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG fehlen (aa.). Der Einbürgerung dürfte aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben (bb.).

6

aa. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe am 12. September 2014 dürften sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorgelegen haben. Insbesondere dürfte es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) fehlen. Hierbei dürfte es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung handeln (vgl. zum Folgenden Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m.w.N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 41 ff.). Wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, dürfte nicht nahe liegen. Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.

7

bb. Nach Aktenlage dürfte der Einbürgerung zum Zeitpunkt ihres Vollzuges am 12. September 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben. Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Islamisten auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f. zur gleich lautenden Vorgängerregelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 86 Nr. 2 AuslG; BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 15).

8

Bei summarischer Prüfung dürften zumindest im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen und vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (1) unterstützt (2) hat.

9

(1) Bei den Bestrebungen, mit denen sich der Antragsteller beschäftigt haben soll, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die jihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) der Fall. Mit Verfügung vom 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung des IS verboten (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015 – 1 K 14.1546, juris Rn. 36 zur terroristischen Betätigung des IS gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Der IS verfolgt zudem Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Derartige Bestrebungen liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet, wohl aber im Herkunftsland – wie hier in Syrien und im Irak – gewaltförmig agiert. Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 30.9.2004 – 10 K 6189/03, juris Rn. 30). Aufgrund der Aufrufe des IS an seine Unterstützer, im westlichen Ausland Anschläge zu begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 26 f., 32; siehe auch die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, zu denen sich der IS bekannte), verfolgt der IS gleichzeitig Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.

10

Der jihadistische Salafismus stellt auch im Übrigen eine Bestrebung dar, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 19.11.2015 – 5 K 480/14, juris Rn. 72; VG Minden, Urt. v. 27.10.2015 – 8 K 1220/15, juris Rn. 27 ff.). Der Salafismus verfolgt das Ziel, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte" Ordnung angesehen und propagiert wird, umzugestalten und befürwortet dabei die Anwendung von Gewalt (entgegen § 4 Abs. 2 lit. f] BVerfSchG: Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft). Für Salafisten ist Allah der einzige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und damit einzig legitime – Gesetz (entgegen § 4 Abs. 2 lit. b] BVerfSchG: Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht). Demokratie ist in ihren Augen eine falsche „Religion". Gesetze können der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott kommen (Prinzip der göttlichen Souveränität) und niemals vom Volk. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a] und lit. d] BVerfSchG) ist demnach unvereinbar mit dem religiös argumentierenden Salafismus. Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentlichen Punkten (Gesellschaftsbild, politisches Ordnungssystem, Gleichberechtigung, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. zum Vorstehenden Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 40 f.; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 137 f.). Auch weitere von dem Antragsteller vermeintlich bei Facebook mit einem „Like“ versehene Organisationen verfolgen derartige Bestrebungen: Bei der „al-Nusra-Front“ handelt es sich um einen Ableger der Terrororganisation al-Qaida (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 33 f.). Die in Nigeria äußerst brutal agierende Organisation „Boko Haram“ legte im März 2015 ihren Treueeid auf den selbsternannten IS-Kalifen Baghdadi ab (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 36). Die Hamburger „Dawa“(= Missionierung)-Gruppen werden ebenso wie die Gruppen „Lies! Hamburg“ und „Jesus im Islam“ aufgrund ihrer Nähe zur salafistischen Szene vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 43 ff.).

11

(2) Aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung der in den vorliegenden Akten enthaltenen Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ungeachtet verschiedener Zweifel in tatsächlicher Hinsicht vieles dafür spricht, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung derartige Bestrebungen unterstützt hat.

12

Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64; vgl. auch VGH München, Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01 1805, juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805, juris Rn. 32; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 96.2). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 5.12.2007 – 1 K 1851/06, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2008 – 5 N 19.06, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2005 – 12 S 1696/05, juris Rn. 26). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 65). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24.08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18).

13

Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.

14

Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Insoweit ist vorliegend zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vor dem Zeitpunkt des Einbürgerungsvollzugs – hier dem 12. September 2014 – und solchen, die erst danach entfaltet wurden. Der weitestgehend pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Klageerwiderung in dem parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 19 K 3103/15, in dem sich der Antragsteller u.a. gegen die Entziehung seines Passes wendet, ist deshalb nicht zielführend. Im Rahmen der §§ 7, 8 PassG kommt es anders als im Rahmen von § 35 StAG darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (bzw. im Klageverfahren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Bei der Passentziehung handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. § 35 StAG ermöglicht hingegen die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen und die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände (vgl. eingehend BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, juris).

15

Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen im obigen Sinn vor. Hierzu im Einzelnen:

16

(a) Der Umstand, dass der Antragsteller dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Ende 2014 in Zusammenhang mit einer im Internet aktiven Dawah-Gruppe mit Bezug zum IS bekannt gewesen ist, wie es im Bescheid zur Passentziehung heißt, ist zwar kein relevanter Anknüpfungspunkt, denn nähere Angaben dazu, inwiefern der Antragsteller diese Gruppe unterstützt hat, liegen nicht vor.

17

(b) Auch eine von der Antragsgegnerin behauptete Ausreisebereitschaft des Antragstellers nach Syrien – um sich dort dem IS anzuschließen – dürfte als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht ausreichen. Die Ausreisebereitschaft wird von der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Aussage einer Frau H gestützt, mit der der Antragsteller über verschiedene Kommunikationsplattformen im Internet Kontakt gehabt haben soll. Nach Angaben des LKA Baden-Württemberg sei Frau H selbst Sympathisantin des IS. Im Telefonbuch ihres Mobiltelefons wurde eine Nummer gefunden, die dem Antragsteller zuzuordnen ist. Frau H konnte in ihrer Zeugenbefragung teilweise zutreffende Angaben über den Antragsteller machen (Alter, Wohnort, Aussehen, Herkunft). Es erscheint danach durchaus plausibel, dass sie Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er ihr gegenüber geäußert hat, nach Syrien reisen zu wollen, obwohl der IS „schlecht“ sei. Während sich in der Akte des LKA Baden-Württemberg von anderen Chats, die Frau H mit Sympathisanten des IS geführt haben soll, Screenshots finden, ist dies für den vermeintlichen Chat mit dem Antragsteller jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht klar, ob Frau H die Äußerung in einem WhatsApp-Chat, über ask.fm oder über ein anderes Portal oder einen anderen Kommunikationsweg getätigt hat. Aus der Akte des LKA Baden-Württemberg zur Befragung von Frau H am 19. Dezember 2014 ergibt sich zudem nicht, wann (vor oder nach Vollzug der Einbürgerung) das entsprechende Gespräch stattgefunden haben soll. In einem Gesprächsvermerk des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) heißt es, dass die Äußerung im Dezember 2014 und damit nach Vollzug der Einbürgerung erfolgte. Die in der Akte des LKA Baden-Württemberg dokumentierte Aussage dürfte für sich genommen – insbesondere auch wegen ihrer inhaltlichen Widersprüchlichkeit – daher nicht als Anhaltspunkt reichen. Der Sachverhalt wäre ggf. in einem Hauptsacheverfahren durch Vernehmung der Frau H als Zeugin aufzuklären.

18

(c) Bei der Gewahrsamnahme des Antragstellers am 10. Oktober 2014 handelt es sich um einen Vorgang, der nach dem Vollzug der Einbürgerung stattfand und damit isoliert betrachtet nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller im Oktober 2014 an den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen kurdischen Volkszugehörigen und Angehörigen der islamistischen Szene in St. Georg beteiligt hat. Die Ausschreitungen fanden am 7. und 8. Oktober 2014 statt. Der Antragsteller wurde laut Polizeibericht am 10. Oktober 2014 vor der Moschee „M“ nach Beendigung des dortigen Freitagsgebetes „als Teil einer relevanten Personengruppe festgestellt“ und aufgrund einer bei ihm aufgefundenen Sturmhaube in Gewahrsam genommen, weil befürchtet wurde, dass er „bei weiteren Zusammenrottungen seine Identität durch das Tragen der Sturmhaube verschleiern will“. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Antragsteller ein konkretes Verhalten beabsichtigt haben könnte, das den o.g. Bestrebungen förderlich gewesen wäre. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es am 10. Oktober 2014 überhaupt zu Ausschreitungen – wie am 7. und 8. Oktober 2014 – gekommen ist oder kommen sollte (vgl. auch Lageinformation aktuelle Entwicklung Kurden vs. IS, Gerichtsakte 19 K 3103/15, Bl. 108 ff.). Die Personenkontrollen am 10. Oktober 2014 hat die Polizei offenbar unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 7. und 8. Oktober 2014 durchgeführt. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers vor einer Moschee in einem Gebiet, in dem es Tage zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist, dürfte für sich genommen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Unterstützungshandlung darstellen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass bei dem Antragsteller eine Sturmhaube gefunden wurde. Im Eilverfahren 19 E 3104/15 hatte der Antragsteller vorgetragen, dass es sich bei der angeblichen Sturmhaube um einen Gesichtsschutz handele, den er beim Kart fahren kurz vor der Gewahrsamnahme getragen habe. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er habe den Imbiss seines Vaters besuchen wollen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dieser ist nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt. Eine Berücksichtigung der Gewahrsamnahme wäre nur im Rahmen einer Gesamtschau mit Blick auf die vom Antragsteller gegenüber den Polizisten getätigten Äußerungen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) möglich, soweit es um die Konversion des Antragstellers zum Islam geht (siehe dazu unten).

19

(d) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Antragstellers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen dürften sich aber aus dessen Aktivitäten im Internet ergeben.

20

Es spricht aufgrund der Stellungnahme des LfV vom 4. September 2015 vieles dafür, dass das Profil „A R“ dem Antragsteller zuzuordnen ist. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis des Antragstellers die Profile bei Facebook und ask.fm eingerichtet hatte. Das LfV hat aber herausgearbeitet, dass der Name „A R“ auch von einem Profil auf der Plattform ask.fm benutzt worden ist, bei dem ein Foto des Antragstellers als Profilbild sichtbar war. Laut eines Gesprächsvermerks des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) haben zudem der Vater und der Onkel des Antragstellers geäußert, dass die problematischen Inhalte auf der Facebook-Seite „nur aus Spaß im Rahmen seiner letzten Geburtstagsfeier hochgeladen worden“ seien, was als weiteres Indiz dafür herangezogen werden kann, dass das Profil tatsächlich dem Antragsteller zuzuordnen ist. Zudem wurden sämtliche Facebook-Profile gelöscht, nachdem der LfV den Vater und den Onkel des Antragstellers Ende Januar 2015 mit den problematischen Inhalten konfrontiert hatte. Gleichwohl besteht über die Zuordnung des Profils „A R“ nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Gewissheit.

21

Das Facebook-Profil „A R“ weist eine Vielzahl an Einträgen und Bildern sowie „Likes“ für solche Einträge und Bilder auf, die gewaltverherrlichend die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Jihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem wurde am 25. Oktober 2014 als Profilbild das Bild eines bewaffneten Jihadisten veröffentlicht, der vor einer schwarzen Flagge mit arabischen Schriftzeichen (womöglich der Flagge des IS) und Flammen steht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Antragsteller selbst als eine Art „Glaubenskrieger“ ansieht. Am 23. Oktober 2014 wurde ein Bild eingestellt, das eine neue Form der Evolution suggeriert, die beim Kleinkind beginnt und in der Zuwendung zum Glauben mündet, zum „Glaubenskrieger“ führt und ihr Finale im Märtyrertum (symbolisiert durch einen grünen Vogel) findet. Es finden sich „Likes“ für Einträge von Personen, die nach Syrien gereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen, z.B. für einen Eintrag von M B vom 20. Januar 2015, in dem dieser in Syrien gefallene „Märtyrer“ würdigt und „Likes“ für Bilder, mit denen Siege von „Glaubenskriegern“ in Syrien gefeiert werden. Es findet sich weiter ein „Like“ für den IS-Propaganda-Film „The Flames of War“, der massive Gewaltdarstellungen enthält. Weiter finden sich „Likes“ für die Organisationen „Lies! Hamburg“, „Hamburg Dawah Movement“, „Boko Haram“, „al-Nusra-Front“, „Jesus im Islam Hamburg“ sowie sonstige Inhalte mit Bezug zum Islam.

22

Der Unterstützungsbegriff des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG dürfte derartige Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter als öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen umfassen. Diese Art von Sympathiewerbung, bei der der allgemeinen Verurteilung der Gräueltaten des IS das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegensetzt wird, dürfte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirken. Durch das Veröffentlichen von entsprechenden Inhalten in sozialen Netzwerken nimmt das radikale Gedankengut an Verbreitung zu. Der Veröffentlichende betätigt sich damit als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Dies dürfte nicht nur für eigene Einträge, sondern auch für „Likes“ gelten. Einträge, die mit einem „Like“ versehen werden, sind danach auf der Facebook-Seite desjenigen sichtbar, der den Eintrag „geliked“ hat. Die Möglichkeit der jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. „Kämpfer“ anzuwerben, erhöht sich. Die potentielle Gefährlichkeit des jihadistischen Salafismus wird dadurch gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt, denn die Radikalisierung potentieller „Glaubenskrieger“ verläuft oftmals über das Internet. Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 34 f.:

23

„2014 stand die salafistische Szene im Mittelpunkt der Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes. Die Zahl der Salafisten, die den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) befürworten stieg um mehr als das Dreifache von 70 auf 240 an. Zusammen mit den in Hamburg aktiven politischen Salafisten beträgt das salafistische Gesamtpotenzial mittlerweile rund 400 Personen (2013: 240). Der Anstieg insbesondere der jihadistisch orientierten Salafisten ist sowohl auf eine verbesserte Einblickstiefe des Verfassungsschutzes nach einer weiteren Schwerpunktsetzung seit Sommer 2014 als auch auf eine schnell zunehmende Radikalisierung speziell jüngerer Erwachsener zurückzuführen.

24

Eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung kommt den Ereignissen in den Krisenregionen Syrien und Irak zu, medial transportiert über soziale Netzwerke. Insbesondere junge Menschen, die auf der Suche nach Vorbildern sind und die zum Beispiel in Familien ohne Vater aufwachsen, ohne Integration in ihr soziales Umfeld sind und Brüche in ihrer Biografie haben, möglicherweise auch Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder der Arbeitsstelle, lassen sich für die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) begeistern und haben der jihadistischen Szene einen Zulauf verschafft.
(….)

25

Diese rasante Steigerung ist auch auf die erfolgreichen Propagandastrategien der Salafisten zurückzuführen, mit denen sie in professioneller Weise für ihre Ziele werben. Vor allem über das Internet werden die salafistischen Ideologieinhalte in Form von Webseiten und Videosequenzen transportiert. Als weitere Aktionsformen werden im Rahmen der „Straßenmission“ unter anderem Infotische auf öffentlichen Plätzen und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Gerade für junge Menschen stellen diese Propagandastrategien die ersten Berührungspunkte zum Salafismus dar.“

26

Nach Angaben des LfV soll der Antragsteller über das Profil „A R“ zudem schwerpunktmäßig mit Personen befreundet sein, die der jihadistisch-salafistischen Szene in Hamburg zugeordnet werden können. Persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die sicherheitsgefährdende Aktivitäten entfalten, können tatsächliche Anhaltspunkte i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bilden. Erforderlich ist aber, dass die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht und der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 17.6.2010 – 5 K 1466/09, juris Rn. 21). Ob dies hier der Fall ist, kann vom Gericht derzeit nicht abschließend bewertet werden, da sich weitergehende Erkenntnisse über die einzelnen Personen nicht in den Stellungnahmen des LfV befinden. Auffällig ist aber, dass es sich bei den Kontakten offenbar – zumindest teilweise – nicht nur um bloße Internetbekanntschaften handelt. Einige der Facebook-Freunde, die vom LfV der jihadistisch-salafistischen Szene zugerechnet werden, gehören auch nach Angaben der Familie des Antragstellers zu seinen besten Freunden (und wohnen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft).

27

Diese Handlungen dürften auch gegen den Antragsteller verwendet werden können. Zwar sind nach Angaben des LfV die Facebook-Aktivitäten vor allem bei der Auswertung des Facebook-Profils (erst) am 26. Januar 2015 festgestellt worden. Viele der veröffentlichten Beiträge stammen aus der Zeit nach Vollzug der Einbürgerung am 12. September 2014. Auch soweit vor dem 12. September 2014 veröffentlichte Beiträge mit einem „Like“ versehen worden sind, ist nicht auszuschließen, dass dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen ist. In den meisten Fällen ist den vom LfV gefertigten Ausdrucken das Datum des „Like“ nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt überwiegend für den Zeitpunkt der Aufnahme der Freundschaften zu vermeintlichen Mitgliedern der jihadistisch-salafistischen Szene. Unklarheiten in Bezug auf den Zeitpunkt einer Unterstützungshandlung dürften zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.

28

Folgende Inhalte stammen aber ohne Zweifel aus einem Zeitraum vor dem Vollzug der Einbürgerung:

29

Zunächst finden sich diverse Inhalte, die Sympathien für den muslimischen Glauben zum Ausdruck bringen, wie z.B. die Veröffentlichung eines Profilfotos am 3. April 2014 mit der Inschrift „Ich bezeuge, dass niemand mit Recht angebetet wird außer Allah und dass Muhammad Sallallamu Alleihi wa Sallam der Gesandte Allahs ist“, eines Profilfotos am 11. Juni und 21. August 2013 mit der Inschrift „Ich bin ein Muslim, der Islam ist perfekt, ich bin es nicht. Wenn ich einen Fehler mache, so gib mir die Schuld, nicht dem Islam…“ und eines Profilfotos am 27. Juni 2013 mit der Inschrift „La ilaha illa Allah“. Diese Beiträge deuten als solche nicht auf Unterstützungshandlungen hin. Der Umstand, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert sein könnte, dürfte aber im Rahmen einer Gesamtschau als Indiz einzubeziehen sein (siehe dazu unten).

30

Mit einigen Facebook-Freunden ist „A R“ bereits seit 2013 befreundet. Inwieweit einzelne dieser Personen der jihadistisch-salafistischen Szene zugeordnet werden können, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher zu untersuchen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass im Freundesbereich des Profils Überschneidungen mit dem Klarnamenprofil des Antragstellers bestehen (teilweise ebenfalls seit 2013) und auch diese Personen laut LfV der jihadistisch-salafistischen Szene angehören sollen.

31

Im Juni 2013 wurden die Facebook-Seiten „PierreVogel.de“ und „Al-Haqq News“ mit einem „Like“ versehen. Pierre Vogel ist ein deutscher salafistischer Prediger, der vom evangelischen Christentum zum sunnitischen Islam konvertiert ist (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 225; Verfassungsschutzbericht Hamburg 2013, S. 31; s.a. Wikipedia-Eintrag „Pierre Vogel“, Abruf v. 19.2.2016). Er war Mitglied des inzwischen aufgelösten salafistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ (kurz EZP), der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 139). Bei „Al Haqq“ dürfte es sich um „Asa’ib Ahl al-Haqq“ handeln, eine paramilitärisch geführte, schiitische Extremistengruppe im Irak und Syrien (vgl. http://www.theguar-dian.com/world/2014/mar/12/iraq-battle-dead-valley-peace-syria; s.a. Wikipedia-Eintrag „Asa’ib Ahl al-Haqq“, Abruf jeweils v. 19.2.2016).

32

Auf einem am 24. August 2014 eingestellten Profilbild, das mit „A R al Indi“ (der Zusatz „al Indi“ könnte auf die indischen Wurzeln der Familie des Antragstellers hindeuten) überschrieben ist, wird ein muskulöser Mann in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Bart und dunkler Sonnenbrille dargestellt. Es soll sich wohl um eine Art „Glaubenskrieger“ handeln. Gewissermaßen hinter oder auf der linken Schulter des Mannes ist ein schwarzes Banner zu erkennen. Das schwarze Banner ist eine Flagge, die von vielen islamistischen Terrororganisationen wie al-Qaida sowie dem IS benutzt wird (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-islamischer-staat-macht-angst-mit-schwarzer -flagge-a-995797.html.; s.a. Wikipedia-Eintrag „Schwarzes Banner“, Abruf jeweils v. 19.2.2016). Auf dem Gürtel des Mannes befinden sich zwei gekreuzte Säbel. Die Säbel gelten als ein Symbol des Islam und als Erkennungszeichen islamischer Kämpfer (vgl. Wikipedia-Eintrag „Scimitar“ – Synonym für Säbel –, Abruf v. 19.2.2016). Mit der Darstellung des portraitierten Mannes als nahezu übernatürlich stark wird suggeriert, dass man als „Glaubenskrieger“ so sei – womöglich gar zu neuer Stärke finde, wenn man für den IS kämpfe. Ein derartiges Bild kann andere junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung im Leben sind, beeinflussen und sie dazu bringen, sich einer radikalen islamistischen Gruppierung wie dem IS anzuschließen (s.o. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014 zur von islamistischer Propaganda in sozialen Netzwerken im Internet ausgehenden Gefahr).

33

Die ohne Zweifel vor dem Vollzug der Einbürgerung veröffentlichten Inhalte und „Likes“ dürften bereits für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen genügen. Die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG müssen nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit dürfte mit Blick auf die vor dem 12. September 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ erfüllt sein. Zwischen den „Likes“ für „PierreVogel.de“ und „Al Haqq“ im Juni 2013 und der Veröffentlichung des Profilbildes im August 2014 ist mehr als ein Jahr vergangen. Letzteres Bild ist – wie dargelegt – eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Veröffentlichende mit radikalen islamistischen Gruppierungen wie dem IS identifiziert.

34

Selbst wenn man diese einzelnen Anhaltspunkte für sich genommen nicht ausreichen ließe, genügt es aber jedenfalls, dass die Gesamtschau aller vorhandenen Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung verfassungsfeindlicher und extremistischer Bestrebungen rechtfertigt (vgl. VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 32). Insoweit darf im Rahmen einer Gesamtschau auf die sonstigen Einträge, „Likes“ und Kontakte des Antragstellers bei Facebook wohl ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückgegriffen werden. Mit dem Verbot der Heranziehung verfassungsfeindlicher und extremistischer Unterstützungshandlungen, die erst nach Vollzug der Einbürgerung vorgenommen werden, soll der Gefahr begegnet werden, dass eine Einbürgerung zurückgenommen wird, obwohl sich der Betroffene erst nach seiner Einbürgerung aufgrund eines Sinneswandels radikalisiert. Zeigt sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor der Einbürgerung und danach hingegen – wie vorliegend – eine gewisse Konstanz, besteht diese Gefahr nicht. Die späteren Aktivitäten zeigen nur, dass der Antragsteller auch nach dem Vollzug seiner Einbürgerung in seinem radikalen Gedankengut verhaftet gewesen sein dürfte.

35

Ähnlich zu beurteilen sind insoweit die Auszüge aus dem ask.fm-Profil von „A R“. Dass das Profil dem Antragsteller zuzuordnen ist, hat der LfV plausibel dargelegt, ohne dass der Nachweis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geführt gilt. Folgende Indizien sprechen aber dafür: Der Profilinhaber gibt an, dass er aus Indien komme (die Familie des Antragstellers hat nach eigenen Angaben indische Wurzeln) und „sehr nah dran“ an zwei benannten Personen wohne, die tatsächlich in der Nachbarschaft des Antragstellers wohnten. Zudem besuche er eine Moschee am Hauptbahnhof (tatsächlich wurde er am 10. Oktober 2014 vor einer Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofes angetroffen, siehe oben). Auf dem Gruppenbild der ask.fm-Gruppe „I f D“, in der sich nach Angaben des LfV Profile jihadistischer Salafisten zusammengeschlossen hatten, findet sich ein Bild des Antragstellers mit dem Namenszug „A R“. Die Einträge auf dem Profil dürften teilweise von ca. Anfang September 2014 (vgl. Ausdruck vom 1.10.2014) stammen. Inhaltlich befassen sich die Einträge im Wesentlichen mit allgemeinen Fragen zum Islam und der Auslegung des Korans.

36

(e) Weiter liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert ist. Damit wird das Argument des Antragstellers, er sei Hindu und unterstütze schon deswegen keine jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, entkräftet. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich unabhängig von den vermeintlichen Internetaktivitäten des Antragstellers. Im Verfahren 19 E 3104/15 hatte der Schulleiter des von dem Antragsteller besuchten Gymnasiums eine E-Mail vorgelegt, in der der Antragsteller und ein Schulkollege darum bitten, an Freitagen den Unterricht früher verlassen zu dürfen, um am Gebet in einer Moschee teilnehmen zu dürfen. An der Aussagekraft der E-Mail bestehen aber Zweifel, da der Schulkollege später eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wonach es bei der Freistellung nur um ihn und nicht um den Antragsteller gegangen sei. Der Antragsteller sei gläubiger Hindu und nicht zum Islam konvertiert. Die Eltern des Antragstellers sind nach eigenen Angaben Hindus. Der Vater und der Onkel haben geäußert, von einer Konversion des Antragstellers nichts bemerkt zu haben. Auf der anderen Seite haben sie im Rahmen einer Befragung anlässlich der Konfrontation mit möglichen Plänen des Antragstellers, nach Syrien auszureisen, angegeben, der Reisepass des Antragstellers sei vorsorglich aufgrund „eines unguten Gefühls“ in einem Bankschließfach deponiert worden und bei dem Antragsteller könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich „den falschen Freunden“ angeschlossen habe. Der Sachverhalt bedürfte insoweit weiterer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren. Könnte dem Antragsteller nachgewiesen werden, dass er zum Islam konvertiert ist, würde dieser Umstand – auch in Verbindung mit den wohl anlässlich seiner Gewahrsamnahme vor der Moschee am 10. Oktober 2014 getätigten Aussagen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) – den Verdacht erhärten, dass die Einträge auf dem Facebook- und dem ask.fm-Profil tatsächlich von ihm stammen und der Unterstützung jihadistisch-salafistischer Bestrebungen dienen sollten.

37

b. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden. Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 14. April 2014 hat der Antragsteller sämtliche Fragen, die darauf abzielten festzustellen, ob er verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen unterstützt hat, mit „nein“ angekreuzt. Zugleich hat er eine entsprechende Loyalitätserklärung abgegeben. Wenn er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Antragsgegnerin darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2012 – 11 K 1038/12, Rn. 42 f.). Zudem hat der Antragsteller bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 12. September 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben hätten, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten. In der Niederschrift über die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 12. September 2014 hat der Antragsteller u.a. die Erklärung unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekenne.

38

Der Antragsteller dürfte seine Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt haben. Es dürfte für den Antragsteller aus Laiensicht völlig klar gewesen sein, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Antragsgegnerin die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben hätte, offenbar geworden wären.

39

3. Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme gemäß § 35 Abs. 1 StAG vorliegen dürften, dürfte der Bescheid aber jedenfalls derzeit ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO sein und wäre zumindest von daher aufzuheben. § 35 Abs. 1 StAG stellt die Entscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist (a.). Ob die Antragsgegnerin dementgegen von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist und bereits deswegen ein Ermessensfehler vorliegt, kann dahinstehen (b.). Denn jedenfalls hat sie ihr Ermessen auch im Übrigen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.). Das Gericht war weder gehalten, der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ermessenserwägungen zu ergänzen, noch dazu in der Lage, zu antizipieren, ob die Antragsgegnerin den Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren heilen wird (d.).

40

a. Die Rücknahmeentscheidung ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. ausführlich OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 657 f.; VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2015 – 6 K 168/15, NVwZ-RR 2015, 915, 916). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, würde dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 – 3 C 18.77, BVerwGE 57, 1, 4 Rn. 133). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s.a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2008 – 5 C 4/07, NVwZ 2008, 685, 686; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2007 – 13 S 2885/06, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006 – 5 B 15.03, juris Rn. 27). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9. 9. 2003 – 1 C 6/03, NVwZ 2004, 487, 489). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig – und dies gilt in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belang trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.). Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein.

41

b. Offen bleiben kann, ob Prämisse der Ermessensausübung der Antragsgegnerin die Annahme war, dass § 35 Abs. 1 StAG ein intendiertes Ermessen vorgibt und schon deswegen ein Ermessensfehler vorliegt. Darauf deuten einige Formulierungen in der Begründung des Bescheides hin. Die Antragsgegnerin formuliert auf S. 6 des Bescheides, die Maßnahme sei „Notwendigkeit dessen, dass eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, nicht Prämissen auf Missachtung ihrer selbst setzen darf (…)“. „Zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Begünstigten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten“, lägen nicht vor. Die Rücknahme bedeute „auch aus anderen Gründen keine außergewöhnliche Härte, die die Entscheidung zu Gunsten des Begünstigten beeinflussen könnte.“ Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin meint, die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

42

c. Jedenfalls hat es die Antragsgegnerin versäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden – den konkreten Einzelfall prägenden – persönlichen schutzwürdigen Belange des Antragstellers in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Den besonderen Lebensumständen des Antragstellers wird die Begründung der Antragsgegnerin nicht gerecht. So dürfte ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen sein, dass die Antragsgegnerin die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers (über zehn Jahre, davor Aufenthaltsgestattung/Duldungen) in der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt hat. Diesen Umstand erwähnt die Antragsgegnerin auf S. 7 der Begründung des Bescheides lediglich in dem Kontext, dass auch zwischenzeitlich die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht vorlägen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass der Antragsteller, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt (auch seine Eltern und sein Bruder leben hier), das Gymnasium besucht, voraussichtlich in diesem Jahr sein Abitur absolvieren wird und somit bedeutende Integrationsleistungen erbracht hat. Zudem lässt die Antragsgegnerin die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Antragsteller außer Betracht. Die Antragsgegnerin weist zwar daraufhin, dass mit der Rücknahme der Einbürgerung zugleich die früher erteilte Aufenthaltserlaubnis erlischt und nicht rückwirkend auflebt, stellt diesen Umstand aber nicht als einen Belang, der gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechen könnte, in die Abwägung ein. Vielmehr deutet sie mit der Äußerung an, dass – wie auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers befürchtet –, dem Antragsteller nach Vollzug der Rücknahme der Einbürgerung nicht ohne Weiteres erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden würde. Dass dem Antragsteller deshalb unter Umständen eine Abschiebung in sein Herkunftsland Afghanistan, dessen Staatsangehörigkeit er weiter besitzt, drohen könnte, und welche Folgen damit für den Antragsteller, der mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht vertraut ist, verbunden wären, lässt die Antragsgegnerin außen vor.

43

d. Das Gericht war nicht gehalten, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit zu geben, gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen insoweit zu ergänzen und den Ermessensfehler zu heilen. Für eine Anwendung dieser Vorschrift dürfte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kein Bedarf bestehen (vgl. VGH Wiesbaden, Beschl. v. 26.3.04 – 8 TG 721/04, juris Rn. 42; zweifelnd VG Chemnitz, Beschl. v. 29.1.1999 – 1 K 1996/96, NVwZ-RR 1998, 414). Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abzustellen. Soweit es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache ankommt, sind indes die Chancen für die Heilung des Ermessensmangels zu berücksichtigen (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e). Wie hier die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren – auch vor dem Hintergrund womöglich zu leistender weiterer Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren – ausüben wird, kann das Gericht allerdings nicht antizipieren. Es ist jedenfalls nicht so, dass aufgrund besonderer Umstände des Falles ausgeschlossen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis als im Ausgangsbescheid kommen könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und vor dem Hintergrund, dass die Unterstützungshandlungen des Antragstellers – mögen sie auch tatbestandsgemäß sein – im Vergleich zu anderen denkbaren Unterstützungshandlungen (z.B. aktive Mitarbeit in einer Organisation) weniger schwer wiegen.

44

4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse, vielmehr steht das öffentliche Interesse einer Vollziehung entgegen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külp-mann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 m.w.N.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215). Dass die Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und damit den mit Blick auf die Verfügung vom 6. November 2015 bestehenden Ermessensfehler heilt, ändert hieran nichts (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 11). Es besteht auch keine Veranlassung für eine zeitliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO im Vorgriff auf einen möglichen rechtmäßigen Widerspruchsbescheid bis zu dessen Erlass (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 14). Die Antragsgegnerin kann nämlich, wenn durch den Erlass eines rechtmäßigen Widerspruchsbescheids erstmals ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts begründet wird, einen Antrag auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen.

II.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 Streitwertkatalog (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164). In einem Hauptsachestreitverfahren wäre wegen der Bedeutung einer Einbürgerung der Streitwert in Höhe des doppelten Auffangstreitwertes festzusetzen. Dieser Betrag ist in Anbetracht der Vorläufigkeit dieses Verfahrens wiederum zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).

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4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

a)
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
b)
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
c)
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 können auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln. In diesem Fall gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Verhaltensweise der Einzelperson darauf gerichtet sein muss, die dort genannten Ziele zu verwirklichen. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte.

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:

a)
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b)
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c)
das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d)
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e)
die Unabhängigkeit der Gerichte,
f)
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g)
die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

Ziffer 2. der Verfügung des Beklagten vom 18.03.2015 wird vollständig und Ziff. 3 insoweit aufgehoben, als sie sich auch auf erlaubnisfreie Waffen bezieht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.
Der am ... 1965 geborene Kläger, ursprünglich türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 12.9.2002 beim Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis (Ordnungsamt, Einbürgerungsbehörde) seine Einbürgerung. Gleichzeitig beantragten seine Ehefrau (geb. ... 1968) und seine beiden ältesten Kinder (Sohn S., geb ... 1987 und Tochter T., geb. … 1989) ihre Einbürgerung. Der Kläger und seine Ehefrau, die sich im Wesentlichen seit 1980 ununterbrochen in Deutschland aufhielten, waren in diesem Zeitpunkt im Besitz jeweils unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse. Die beiden jüngsten Kinder der Familie (Tochter B., geb. … 1993 und Sohn M. Y., geb. … 2002) hatten zuvor bereits neben der türkischen ferner die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Verbunden mit dem Einbürgerungsantrag gab der Kläger eine schriftliche Loyalitätserklärung ab, wonach er sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekenne und ferner erklärte, dass er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die (u.a.) gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet seien.
Nachdem die Familie unter dem 4.2.3003 eine jeweilige Einbürgerungszusicherung und im Januar 2005 die Genehmigung des türkischen Innenministeriums zum Austritt aus der türkischen und zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhalten hatte, wurde ihnen am 9.2.2005 die jeweilige Einbürgerungsurkunde ausgehändigt. Die Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit folgte am 8.3.2005 nach. Während der Dauer des Einbürgerungsverfahrens vom Landratsamt im September 2002, August 2003 und Mai 2004 getätigte Regelanfragen beim Bundeszentralregister, der Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz waren stets dahin beantwortet worden, es lägen „keine nachteiligen Erkenntnisse“ gegen die Einbürgerungsbewerber vor. Unter dem 9.2.2005 teilte die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen der Ausländerbehörde des Landratsamts mit, die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittle gegen den Kläger wegen Verdachts einer Straftat gem. §§ 20 VereinsG, 85 StGB. Nachdem die Ausländerbehörde des Landratsamts dessen Ordnungsamt hiervon in Kenntnis gesetzt hatte, wurden im Mai 2005 die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe beigezogen, aus denen sich folgendes ergibt:
Eine zwischen Mitte August und Mitte Oktober 2002 durchgeführte allgemeine Postbeschlagnahme hatte zur Feststellung zahlreicher Personen, darunter der Kläger, geführt, die Publikationen des verbotenen „Kalifatsstaat“ bezogen. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 11.12.2003 wurden zahlreiche dem „Kalifatsstaat“ zuzuordnende Gegenstände beschlagnahmt (eine grüne Fahne mit dem Schriftzug „Hilafet Devleti“ [= „Kalifatsstaat“], ein Ordner mit 71 Teilausschnitten aus der Zeitschrift „Beklenen ASR-I-Saadet“ [= „Das erwartete Zeitalter der Glückseligkeit“], ferner ein Exemplar der Zeitschrift D.I.A. [= „Der Islam als Alternative“], Nr. 11 vom 11. Februar 2002, 8 Rückseiten dieser Zeitschrift, ein Ordner mit Kopien aus der früheren „Kalifatsstaat“-Publikation „Ümmet-i-Mohammed“ [= „Die Gemeinde Mohammeds“], die Reden von Kaplan enthalten, 6 vollständige Zeitschriften „Beklenen ASR-I-Saadet“ [Ausgaben vom 23.7.2003 bis 3.12.2003] sowie ein Bestellformular der in den Niederlanden ansässigen Buchhandlung „DAR`UL IIM“, die als Absenderadresse der Zeitschrift „Beklenen ASR-I-Saadet“ bekannt ist). Bei seiner am selben Tag erfolgten Beschuldigtenvernehmung gab der Kläger an, er sei kein Mitglied des „Kalifatsstaat“, habe aber Kontakt zu den Leuten seit ca. dem Jahr 2000. Mitgliedsbeiträge oder Spenden entrichte er nicht. Seit ca. 3 Jahren werde ihm die Zeitung „Beklenen ASR-I-Saadet“ zugeschickt, es gebe keine Bezahlung und auch keinen Abo-Vertrag, eine Kündigung sei geplant, die Adresse dafür sei jedoch nicht bekannt. Ihm sei bekannt, dass er hierdurch eine verbotene Organisation unterstützt und sich strafbar gemacht habe. Mit Zustimmung des Landgerichts Karlsruhe vom 18.3.2005 stellte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe das Verfahren gem. §§ 153b StPO, 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG, 85 Abs. 3 StGB i.V.m. § 84 Abs. 4 StGB im März 2005 ein. In der Einstellungsverfügung wird ausgeführt, Art und Anzahl der beschlagnahmten Gegenstände bestätigten den Anfangsverdacht zumindest insoweit, dass der Kläger eine verbotene Vereinigung unterstützt habe. Gleichwohl erscheine nach derzeitiger Lage der ggf. noch zu beweisende eigene Beitrag zur Unterstützung des „Kalifatsstaat“ von geringem Gewicht, weil nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden könne, dass der Kläger die dem „Kalifatsstaat“ zuzurechnenden Zeitschriften mit dessen Wissen und Wollen vorrätig gehalten habe. Die Nachweisbarkeit eines solchen Verhaltens unterstellt, würde jedoch seine Schuld als gering anzusehen sein.
Auf Veranlassung des Innenministeriums Baden-Württemberg führte das Ordnungsamt des Landratsamts am 21.11.2005 eine ausführliche Befragung des Klägers zu seinen Beziehungen zur Vereinigung „Kalifatsstaat“ durch. Hierbei gab der Kläger an, die Zeitschriften habe er vom B. Türkischen Verein, der später wegen des „Kalifatsstaat“ geschlossen worden sei, einfach mitgenommen. Die Zeitschriften „Beklenen ASR-I-Saadet“ und „Ümmet-i-Mohammed“ seien ihm einfach per Post zugeschickt worden, ohne dass er etwas bezahlt habe. Ferner sei der Bezug nicht regelmäßig gewesen, auch habe er die Zeitungen nicht immer gelesen. Ihm sei nie aufgefallen, dass in den Zeitschriften etwas über den „Kalifatsstaat“ gestanden habe. Er sei zu etwa 60 bis 70 % gläubiger Moslem. Die Ziele des „Kalifatsstaat“ könne er nicht beschreiben, weil er nie in dieser Vereinigung gewesen sei. Auch habe er nie zugegeben, Kontakte zu ihr gehabt zu haben. Einige Leute aus dem geschlossenen Türkischen Verein mögen diese Kontakte gehabt haben, zu diesen habe er, weil es Freunde und Arbeitskollegen gewesen seien, Kontakte gehabt, nicht hingegen zum „Kalifatsstaat“. Von dieser Vereinigung wisse er nur, dass sie in Köln bis 2001 erlaubt gewesen sei. Die Angaben, die er in der Loyalitätserklärung gemacht habe, seien damals wie heute gültig.
Nachdem es hierzu durch das IM Baden-Württemberg unter dem 17.1.2006 gebeten worden war, nahm das Landratsamt mit Entscheidung vom 24.1.2006 (zugestellt am 26.1.2006) die am 9.2.2005 erfolgte Einbürgerung, gestützt auf § 48 LVwVfG, mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, es habe von Anfang an der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG vorgelegen. Danach sei eine Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass ein Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die gegen die u.a. freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet seien. Maßgeblich hierfür seien die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft Karlsruhe anlässlich des gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Das Verbot der Vereinigung „Kalifatsstaat“ sei durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2002 bestätigt worden, wobei festgestellt worden sei, dass sich der „Kalifatsstaat“ gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung richte. Im Rahmen von Ermittlungsverfahren gegen Bezieher von „Kalifatsstaat“-Publikationen seien auch die Wohnung des Klägers durchsucht sowie verdächtige Gegenstände und Unterlagen sichergestellt worden, bei denen es sich um Kennzeichen und verbandseigene Zeitschriften bzw. deren Nachfolger handle. Zwar habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt, jedoch festgestellt, dass der Kläger den „Kalifatsstaat“ unterstützt habe. Der sich daraus ergebende hinreichende Tatverdacht einer Unterstützung genüge bereits. Den Äußerungen des Klägers in seiner Anhörung vom November 2005 könne keine glaubhafte Abwendung von derartigen Bestrebungen entnommen werden. Die folglich bereits bei Aushändigung der Urkunde rechtswidrige Einbürgerung könne zurückgenommen werden, ohne dass Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG entgegenstehe. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger angesichts der in der Loyalitätserklärung erkennbaren Umstände nicht berufen. Bei der Ermessensausübung sei schließlich berücksichtigt worden, dass er zwar staatenlos werde, er die türkische Staatsangehörigkeit jedoch ohne weiteres auch ohne Aufenthalt in der Türkei wieder erhalten könne. Der kurze Zeitraum der Einbürgerung sowie das Fehlen von Vertrauensschutz rechtfertigten ferner eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit. Schließlich müsse der Kläger auch keinen Verlust seines Aufenthaltsrechts fürchten, weil Ehefrau und Kinder weiterhin deutsche Staatsangehörige seien und es im Übrigen bei türkischen Familien nicht ungewöhnlich sei, dass sich nur ein Elternteil einbürgern lasse.
Der Kläger erhob am 1.2.2006 Widerspruch, den das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2006 , zugestellt am 26.9.2006, zurückwies. Unter Bestätigung der Gründe des Ausgangsbescheids, zugleich aber auch in Ergänzung, wurde ausgeführt: Die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sei wegen der Möglichkeit des Gerichts, von Strafe abzusehen, erfolgt. Selbst wenn jedoch Beitrag bzw. Schuld des Klägers als gering anzusehen wäre, so habe die Staatsanwaltschaft gleichwohl bestätigt, dass der Anfangsverdacht durch die aufgefundenen Gegenstände i. S. der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung bekräftigt worden sei. Tatsächliche Anhaltspunkte, die zugleich einer Beweisführung zugänglich seien, seien die aufgefundenen Zeitschriften und übrigen Unterlagen sowie Gegenstände. Aus Ermittlungen des Bundeskriminalamts gehe hervor, dass die Bezieher der Zeitschriften „Ümmet-i-Mohammed“ und „Beklenen ASR-I-Saadet“ hierfür Geld zahlten und folglich Mitglieder seien. Dies sowie das Aufbewahren zahlreicher früherer Artikel zeugten von der Identifikation des Klägers mit den Ideen und Anschauungen sowie Methoden zur Verbreitung und stellten folglich eine Unterstützungshandlung dar. Die Aufbewahrung früherer Publikationen dokumentiere ferner den Wunsch, jederzeit Zugriff zu haben und sich den Inhalt immer wieder vergegenwärtigen zu können. Dahinstehen könne letztlich, ob der Kläger entsprechende Bestrebungen auch verfolgt habe. Immerhin habe er sich regelmäßig im vom Vereinsverbot erfassten B. Verein aufgehalten. Seine Behauptung, diese Kontakte seien rein persönlich motiviert gewesen und hätten keinen religiösen Hintergrund, seien schwer nachvollziehbar. Es erscheine wenig glaubhaft, dass im Verein losgelöst und unbeeinflusst von sämtlichen durch den „Kalifatsstaat“ verkörperten Ideologien ausschließlich zwischenmenschliche Begegnungen gepflegt worden seien und Personen teilgenommen hätten, ohne bereits Mitglied zu sein oder hierzu bewegt worden zu sein. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, sich mittlerweile von der Unterstützung des „Kalifatsstaat“ abgewendet zu haben. Daran fehle es schon deshalb, weil er Verbindungen zur Vereinigung bestritten habe, so dass auch die bloße Erklärung nicht genüge, er beziehe mittlerweile keine Zeitschriften mehr. Bei der Ausübung des Ermessens habe der Umstand, dass der wahre Sachverhalt durch eine nochmalige Sicherheitsabfrage in Kenntnis hätte gebracht werden können, nicht entgegengestanden. Schützenswertes Vertrauen bestehe nicht, da die Loyalitätserklärung wahrheitswidrig gewesen sei und eine arglistige Täuschung darstelle. Der Kläger habe keine Ausweisung zu befürchten. Angesichts des Alters seiner Kinder sei eine einheitliche Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie nicht mehr zwingend.
Der Kläger hat am 25.10.2006 Klage erhoben und trägt in Wiederholung der Widerspruchsbegründung sowie ergänzend vor: Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens bestätige, dass sich der Verdacht nicht erhärtet habe. Gegen ihn sei lediglich wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot ermittelt worden, nachdem Ermittlungsbehörden dadurch auf ihn aufmerksam geworden seien, dass sein Name und seine Anschrift als Zustellungsadresse von Zeitschriften verwendet worden seien. Diese Versendung sei ohne Angabe eines Absenders erfolgt, der Empfänger habe deshalb keine Möglichkeit, Zeitschriften zurück zu schicken; auch die Post nehme sie deshalb nicht zurück. Namen und Anschriften von Empfängern seien der Organisation noch aus einer Zeit bekannt, als der „Kalifatsstaat“ und insbesondere muslimische Vereine wie derjenige in B. nicht verboten gewesen seien. Nur diesem Verein habe er seinen Namen und Anschrift genannt, die Weiterleitung seiner Daten sei ihm hingegen nicht bekannt gewesen. Eine Abonnementgebühr habe er nie gezahlt. Er habe zum „Kalifatsstaat“ keinen Kontakt gehabt, sondern ausschließlich zum Verein in B. und das auch nicht aus ideologischen oder religiösen, sondern im Wesentlichen aus persönlichen Gründen. Er habe früher gespielt und getrunken und sei fremdgegangen. Mit Hilfe der Vereinsleute, die teilweise auch Arbeitskollegen seien, sei ihm die Abkehr von diesem Leben gelungen. Er habe sich in der Anhörung vom November 2005 freimütig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt, etwaige in der Anhörung vom 21.11.2005 geäußerte Kritikpunkte stammten aus deutscher Medienberichterstattung, nicht hingegen aus islamischen Publikationen. Auch seine Meinung zu Ehe, Familie und Frauen sei weder religiös noch ideologisch geprägt, sondern habe persönlichen Erlebnisursprung; nicht umsonst habe er deshalb eingeräumt, dass seine Frau sich zu Recht hätte scheiden lassen können. Die Zeitschriftenartikel habe nicht er gesammelt; bei den aufgefundenen Ordnern handle es sich vielmehr um solche der Kinder, die diese für den Religionsunterricht angelegt hätten. Das Auffinden der Zeitschriften und sonstigen Gegenstände zeige sogar im Gegenteil, wie unbedarft er im Umgang mit ideologischen und religiösen Belangen sei. Als Mitglied und Unterstützer des „Kalifatsstaats“ hätte er sonst solche Gegenstände längst entsorgt.
Der Kläger beantragt,
10 
die Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 24.1.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des RP Freiburg vom 20.9.2006 aufzuheben.
11 
Das beklagte Land bezieht sich auf Ausgangs- und Widerspruchsbescheid und beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (2 Hefte des Landratsamts, ein Heft des RP Freiburg) Bezug genommen. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Wegen Einzelheiten seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mit dem angefochtenen Bescheid des Landratsamts verfügte Rücknahme der Einbürgerung ist in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid des RP Freiburg erhalten hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Rechtsgrundlage der Rücknahme ist § 48 Abs. 1 LVwVfG. In formell-rechtlicher Hinsicht könnte es allerdings vor Erlass der Rücknahme an einer Anhörung (§ 28 LVwVfG) gefehlt haben. Dass eine solche Anhörung stattgefunden haben soll, ist in der Korrespondenz zwischen Landratsamt, Regierungspräsidium und Innenministerium zwar bejaht worden, sie findet sich jedoch in den Unterlagen, insbesondere im Anhörungsprotokoll vom 21.11.2005 nicht ausdrücklich. Gleichwohl wäre selbst ein etwaiger Fehler geheilt worden, weil der Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit hatte, ausführlich seine Gründe vorzutragen und weil ferner die Widerspruchsbehörde hierauf eingegangen ist (§ 45 Abs. 2 LVwVfG).
16 
Die Rücknahme ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG bestimmt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Ein - wie hier - begünstigender Verwaltungsakt darf allerdings nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis Abs. 4 LVwVfG zurückgenommen werden.
17 
Die Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig. Im für diese Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt (allgemein: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 Rnr. 57 m.w.N.) - Februar 2005 - galten die mit Wirkung vom 1.1.2005 neu gefassten Vorschriften der §§ 10 ff. StAG, die die bis dahin für eine Anspruchseinbürgerung geltenden Regelungen der §§ 85 ff. AuslG abgelöst haben (siehe Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950). Eine entgegenstehende Übergangsvorschrift, die für den im September 2002 gestellten Einbürgerungsantrag des Klägers die Geltung früheren Rechts anordnet, enthält das Zuwanderungsgesetz nicht. Nicht zur Anwendung kommen hingegen die durch das AuslRÄndG 2007 (G. v. 19.8.2007, BGBl. I S. 1970) zum 28.8.2007 bewirkten Änderungen des StAG.
18 
Dass die erst mit der Aushändigung der Urkunde am 9.2.2005 wirksame Einbürgerung des Klägers (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 StAG) rechtswidrig war, ergibt sich zunächst bereits aus § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG (früher: § 88 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Danach ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auszusetzen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine bloße Verfahrensvorschrift, wird vielmehr gegen das Gebot der Aussetzung verstoßen, so ist eine gleichwohl erfolgte Einbürgerung i. S. v. § 48 Abs. 1 LVwVfG rechtsfehlerhaft (BVerwG, Urt. v. 3.6.2003 - 1 C 19.02 - NVwZ 2004, 489; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2007 - 13 S 2215/07 - VENSA und Juris). Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren aber war im Fall des Klägers am Tag der Einbürgerung bereits seit über einem Jahr anhängig. Es wurde auch erst nach der Einbürgerung, nämlich in der zweiten Märzhälfte 2005, eingestellt.
19 
Ferner lag beim Kläger aber auch ein Anspruchsausschlussgrund vor. Hierzu bestimmt § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., dass ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG nicht besteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt und unterstützt hat, die (u.a.) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
20 
Der Kläger ist im Februar 2005 einer solchen Unterstützung konkret verdächtig gewesen. Nach weithin gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur ist als tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. jede Handlung des Ausländers anzusehen, die für die dort genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 15.3.2005 - 1 C 28.03 - NVwZ 2005, 1091) zum Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG a.F. (vgl. entsprechend für die strafrechtliche Vorschrift des § 129a Abs. 5 StGB: BGH, Beschl. v. 16.5.2007 - AK 6/07 u. StB 3/07 - NJW 2007, 2782) ist darunter jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden und zwar auch das eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Darunter fallen neben der Gewährung finanzieller Unterstützung oder der Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele auch die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von gemäß § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. inkriminierten Bestrebungen. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an. Allerdings muss es für den Ausländer grundsätzlich erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, dass sein Handeln die Vereinigung und ihre Bestrebungen unterstützt. An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die inkriminierten Ziele befürwortet (vgl. aus jüngerer Zeit, zugleich mit zahlreichen Nachweisen: Saarl. OVG, Urt. v. 11.7.2007 - 1 A 224/07 - Juris). Das Vorliegen einer (früheren) Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung u.a. von radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können. Mit dieser gesetzlichen Regelung wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 12 S 1696/05 - VENSA [betr. Unterzeichnung der sog. PKK-Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK`ler“]; Bayer. VGH, Beschl. v. 13.7.2005 - 5 ZB 05.901 - Juris).
21 
Es liegen genügende tatsächliche Anhaltspunkte in Bezug auf die Person des Klägers vor, dass er verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen unterstützt hatte. Die meisten der im Dezember 2003 in seiner Wohnung beschlagnahmten Publikationen und Symbole sind solche des „Kalifatsstaat“ gewesen, einer gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Vereinigung. Das Bundesministerium des Innern stellte durch (sofort vollziehbare) Verfügung vom 8.12.2001 fest, dass sich der „Kalifatsstaat" einschließlich bestimmter Teilorganisationen - u.a. gerade auch die „Muslim Gemeinde B. e.V.“, in welcher der Kläger verkehrte - gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die Vereinigungen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des „Kalifatstaat“ sowie die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen verboten. Im Rechtsstreit um die Verbotsverfügung stellte das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 - NVwZ 2003, 986) fest, dass der „Kalifatsstaat“ sich gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung richtet und deshalb die Voraussetzungen für ein Verbot gemäß § 14 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG erfüllt. Der „Kalifatsstaat“ lehne die Demokratie und die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ab. Grundlage der staatlichen Herrschaftsordnung sei seiner Ansicht nach nicht die Selbstbestimmung des Volkes, sondern ausschließlich der Wille Allahs. Maß aller Dinge sei der Koran. Außerhalb der islamischen Religion könne es keinen Staat geben. Der „Kalifatsstaat" verstehe sich in diesem Sinn als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt. Das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland werde folglich nicht anerkannt. Muslime dürften nach Ansicht des „Kalifatsstaat" im Konfliktfall demokratische Gesetze nicht anerkennen und befolgen. Die Mitglieder des "Kalifatsstaat" bekennten sich offen zu einer antidemokratischen Haltung. Der „Kalifatsstaat“ richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, indem er das Ziel, sie zu untergraben, in kämpferisch-aggressiver Weise verfolge. Er richte sich - unabhängig von der Frage, in welchem Ausmaß die innere Sicherheit durch seine Tätigkeit bedroht sei - gegen die Grundlagen der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung. Zur aggressiv-kämpferischen Haltung gegenüber Demokratie und Rechtsstaat trete hinzu, dass der „Kalifatsstaat“ die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte in schwerwiegender und die Menschenwürde verletzender Weise missachte. So seien etwa die ihm zuzurechnenden Äußerungen in der verbandseigenen Zeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" über Juden und führende Politiker der Türkei von Ausdrücken geprägt, die eine menschenverachtende Intoleranz zum Ausdruck brächten. Die Diffamierungen seien stets mehr oder weniger deutlich mit der Aufforderung verbunden, die Diffamierten zu bekämpfen, was mit der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Würde des Menschen unvereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht (Nichtannahmebeschl. v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - NJW 2004, 47) führte schließlich aus, diese Feststellungen des BVerwG seien im Ergebnis unbedenklich.
22 
Sowohl die bei ihm aufgefundenen Publikationen und Symbole dieser inkriminierten Organisation - bei letzteren insbesondere der im PKW des Klägers sichergestellte Wimpel mit der türkischen Aufschrift „Hilafet Devleti“ (= „Kalifasstaat“) - als auch das sonstige (Aussage)Verhalten des Klägers machten ihn im Zeitpunkt der Einbürgerung konkret einer Unterstützung des „Kalifatsstaat“ verdächtig. Die Existenz zahlreicher Unterlagen lässt den Schluss zu, dass diese mit der Absicht aufbewahrt wurden, hierauf immer wieder - und sei es nur nichtöffentlich - zurückgreifen zu können. Der Besitz des Wimpels, eines Symbols, indiziert ferner einen gewissen Identifikationswunsch. Darauf, ob dieses Propagandamaterial im Auftrag des „Kalifatsstaat“ bzw. seiner Teilorganisation „Muslim Gemeinde B. e.V.“ gelagert und zu weiteren Verteilung bereitgehalten werden sollte, kommt es nach dem oben Dargelegten nicht an. Insoweit ist auch nicht entscheidend, dass in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 16.3.2005 ein außenwirksames Verhalten des Klägers als nicht mit Sicherheit nachweisbar erachtet wurde.
23 
Die Einlassung des Klägers, beim Inhalt der beiden Ordner (ein Ordner mit u.a. 71 Teilausschnitten aus der Zeitschrift „Beklenen ASR-I-Saadet“, ferner ein Ordner mit Kopien aus der früheren „Kalifatsstaat“-Publikation „Ümmet-i-Mohammed“) handele es sich um von seinen Kindern für Zwecke des Religionsunterrichts gesammeltes Material, ist unglaubhaft. Diese Behauptung hat er erst mit der Klagebegründung aufgestellt, obwohl es - träfe das zu - sich aufgedrängt hätte, es spätestens im November 2005 bei der Anhörung durch das Landratsamt als Entlastungsmoment vorzutragen. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei dieser Anhörung, die fast zwei Jahre nach der Wohnungsdurchsuchung erfolgte, dem Kläger sicher bekannt gewesen wäre, wenn seine Kinder für das inkriminierte Material verantwortlich gewesen wären. Gegen einen glaubhaften Umstand und vielmehr für eine Schutzbehauptung spricht überdies, dass der Kläger in keiner Weise substantiiert dargetan hat, warum seine Kinder für den Religionsunterricht (genauer wohl: Ethik-Unterricht) in einer deutschen Schule Material einer etwa zwei Jahre zuvor verbotenen Organisation hätten zusammentragen sollen. Ferner hat der Kläger auch nie näher dargetan, welche seiner vier Kinder dies gewesen sein sollen. Zwar hätten dies wohl am ehesten die beiden ältesten Kinder - der im Dezember 2003 16 Jahre alte Sohn S. bzw. die zu diesem Zeitpunkt 14-jährige Tochter T. - gewesen sein können. Gleichwohl blieb jedoch angesichts des damaligen Alters der Kinder widersprüchlich, dass sie Kopien aus der (bis Ende 2001 erschienenen) „Kalifatsstaat“-Verbandszeitung „ÜMMET-I-Mohammed“ von 1992 mit Reden Kaplans gesammelt haben sollten. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum solche evident religiös-fundamentalistischen Reden gerade von Kindern ausgesucht worden sein könnten. Schließlich leidet diese zuletzt aufgestellte Behauptung des Klägers auch deshalb an erheblichen Plausibilitätsmängeln, weil beide Ordner nicht etwa in den Zimmern der Kinder, sondern im Schlafzimmer der Eltern und im Wohnzimmer gefunden wurden.
24 
Widersprüchlich sind ferner aber auch die Angaben des Klägers betreffend seine Beziehung zu weiteren „Kalifatsstaat“-Publikationen - u.a. waren bei der Hausdurchsuchung neben den Ordnern auch 6 vollständige Zeitschriften „Beklenen ASR-I-Saadet“ (Ausgaben vom 23.7.2003 bis 3.12.2003) gefunden worden - gewesen. So passt es nämlich nicht zusammen, dass der Kläger sogar noch bis in das Jahr 2004 hinein solche Zeitschriften will unaufgefordert zugeschickt erhalten haben, ohne gleichwohl etwas Näheres über ihren Urheber und ihren Inhalt zu wissen. Der Kläger konnte auch sonst den von ihm behaupteten Zustand der Unwissenheit nicht überzeugend dartun. Bei der Anhörung im November 2005 durch das Landratsamt gab er immerhin an, Zeitungen zwar nicht immer gelesen zu haben, jedoch dann, wenn sie interessant gewesen seien. Erstaunlich wirkte für die Kammer die Behauptung des Klägers, seine Frau und seine Kinder seien für das Propagandamaterial bzw. dessen Existenz in der Wohnung verantwortlich gewesen. Die Kammer nimmt dem Kläger nicht ab, dass er als Familienoberhaupt solches ohne nähere Kenntnis des Inhalts geduldet haben könnte. Schließlich blieb auch die immer wieder vom Kläger aufgestellte Behauptung ohne durchschlagende Überzeugungskraft, man habe die unbestellt zugeschickten Zeitschriften mangels Absenderangabe nicht zurückschicken können. Hätte wirklich kein Interesse an den Publikationen bestanden, wäre nicht ihre Aufbewahrung, sondern die Vernichtung der vorgezeichnete Weg gewesen. Gerade weil der Kläger die Behauptung, er sei „Opfer“ einer Aufdrängung von Propagandamaterial geworden, mit der Einlassung verbindet, er hätte den Bezug kündigt, hätte er den Absender gekannt, rechtfertigt das einmal mehr erhebliche Zweifel an seiner Arglosigkeit bzw. an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Denn bei den beschlagnahmten Unterlagen befand sich gerade auch ein Bestellformular der in den Niederlanden ansässigen Buchhandlung „DAR`UL ILM“, die den deutschen Behörden als Absenderadresse der ab 2002 (nach dem Verbot des „Kalifatsstaat“) an Stelle der „ÜMMET-I-Mohammed“ getretenen „Beklenen ASR-I SAADET“ bekannt ist (vgl. das Schreiben des IM Baden-Württemberg vom 17.1.2006, dort Seite 3 [VAS. 381]).
25 
Bei Aushändigung der Einbürgerungsurkunde bestanden folglich ganz erhebliche tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Bestrebungen unterstützte bzw. unterstützt hatte, die in Gestalt von Betätigungen des „Kalifatsstaat“ bzw. seiner B. Teilorganisation gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet waren. Der Kläger konnte weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft machen, sich von einer früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen jedenfalls abgewandt zu haben. Das folgt bereits aus seiner wie dargelegt unglaubhaften Verneinung bzw. Leugnung von Kenntnissen über bzw. Kontakten zu diesen verbotenen Vereinigungen. Aber auch sonst gibt es nichts, was in dieser Hinsicht für den Kläger sprechen könnte. Zwar kann dem Umstand, dass nur eine Unterstützungshandlung von geringem Gewicht vorliegt, bei der Prüfung der Frage Rechnung getragen werden, ob sich der Einbürgerungsbewerber glaubhaft von den Bestrebungen abgewandt hat. Gleiches gilt, wenn ein Ermittlungsverfahren nach § 153 b Abs. 1 StPO i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG eingestellt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.). Gleichwohl erlangt der Umstand, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger kaum zwei Wochen nach der Einbürgerung gemäß §§ 153 b Abs. 1 StPO, 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG, 85 Abs. 3, 84 Abs. 4 StGB eingestellt wurde, hier keine Bedeutung. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die von den Strafverfolgungsbehörden (zugleich auch wegen fehlender sonstiger Vorstrafen) prognostizierte geringe Schuld wegen eines „reuigen“ - zugleich eine Abwendung indizierenden - Verhaltens des Klägers während des Ermittlungsverfahrens erfolgt wäre.
26 
Der mithin vorliegende Rechtswidrigkeitsgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. ist schließlich auch rücknahmerelevant. Zwar hatte die Einbürgerungsbehörde bei Vorliegen der Sicherheitsklausel des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. immer noch ein Ermessen dahin, ob sie einbürgert (anders wohl nunmehr § 11 StAG n.F.: „Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn …“). Eine Versagung der Einbürgerung ist indessen als im Regelfall gesetzlich gewollt anzusehen gewesen (intendiertes Ermessen), sodass von ihr nur ausnahmsweise abgesehen werden konnte (Berlit, in: GK-StAR, § 11 Rdnr. 203 [Oktober 2005]). Anhaltspunkte dafür, der Kläger wäre im Februar 2005 im Wege einer Ermessensentscheidung auch bei Kenntnis aller Verdachtsmomente ausnahmsweise dennoch eingebürgert worden, gibt es jedoch nicht.
27 
Die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers scheitert ferner nicht an einer besonderen Schutzwürdigkeit seiner Person. Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist, wenn sie verfassungskonform auf die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG Rücksicht nimmt, auch auf die Rücknahme von Einbürgerungen anwendbar. Hieraus folgt insbesondere, dass die Rücknahme einer Einbürgerung (nur) zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, erwirkt worden ist (grundlegend: BVerfG, Beschl. v. 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - InfAuslR 2006, 335; BVerwG, Beschl. v. 13.6.2007 - 5 B 132/07 - Juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.9.2007 - 13 S 2794/06 - VENSA und Juris).
28 
An einer zeitnahen Rücknahme bestehen hier keine Zweifel. Der Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände (vgl. ohnehin zur Nichtgeltung der Jahresfrist in Fällen der Arglist § 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG). Für die Bestimmung ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Die Staatsangehörigkeit des Einzelnen begründet regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Wirkungen auf den Status sonstiger Personen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - VENSA und Juris). Angesichts des hier zwischen Einbürgerung (am 9.2.2005) und ihrer Rücknahme (am 26.1.2006 = Wirksamwerden der angefochtenen Entscheidung) verstrichenen Zeitraums von wenig mehr als einem Jahr kann von einer zeitnahen Reaktion der Behörde ausgegangen werden (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.9.2007, a.a.O., wonach selbst 2 Jahre noch zeitnah sein dürften).
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung zur Überzeugung der Kammer schließlich auch durch Arglist im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Allerdings ist festzuhalten, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Einbürgerungsverfahrens unwahre Angaben gemacht hat. Er wurde - worauf er hätte falsch antworten können - weder nach Beziehungen zu extremistischen Vereinigungen im allgemeinen noch zum „Kalifatsstaat“ im besonderen befragt. Dass es sich bei der von ihm im September 2002 abgegebenen Loyalitätserklärung um ein bloßes „Lippenbekenntnis“ handelte, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Wie oben im Rahmen der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung dargelegt, besteht zwar der konkrete Verdacht der Unterstützung einer extremistischen Vereinigung, dass der Kläger - entgegen der Formerklärung - eine solche auch tatsächlich unterstützt hatte oder unterstützt, ist ihm jedoch nicht nachzuweisen. Auch sonst gibt es keine aktive Täuschungshandlung des Klägers. Zwar enthielt der im September 2002 ausgefüllte Antragsvordruck (letzte Seite, VAS. 4) unter der Rubrik „Straftaten und Ordnungswidrigkeiten des Einbürgerungsbewerbers“ Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren. Das Ankreuzen des „Nein“-Feldes entsprach damals - über ein Jahr vor Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen - jedoch evident der Wahrheit.
30 
Ein Erschleichen der Einbürgerung durch Täuschung liegt jedoch darin, dass der Kläger es zur Überzeugung der Kammer vorsätzlich unterlassen hat, dem Landratsamt vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde mitzuteilen, dass ein einbürgerungsrechtlich relevantes strafrechtliches Ermittlungsverfahren seit Ende des Jahres 2003 gegen ihn anhängig war. Eine Offenbarungspflicht während des gesamten Verfahrens ergab sich direkt aus § 12 a Abs. 3 StAG. Schon im September 2002, im Zusammenhang mit den erforderlichen Angaben im Formularantrag, war dem Kläger bekannt, dass es auf begangene Straftaten aber auch anhängige strafrechtliche Ermittlungen für eine Entscheidung ankam. Die Rubrik „Straftaten und Ordnungswidrigkeiten des Einbürgerungsbewerbers“ mit den dort gestellten Fragen nach nicht getilgten Vorstrafen, Ordnungswidrigkeiten sowie anhängigen Ermittlungsverfahren, die auch vom Kläger ausgefüllt wurde, ließ hieran keine Zweifel. Ferner war ihm auch aus der formularmäßigen Abschlusserklärung (Versicherung, dass alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß seien sowie dass falsche oder unvollständige Angaben zur Ablehnung oder Rücknahme der Einbürgerung führen können; schließlich Verpflichtung, Änderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zur endgültigen Entscheidung des Antrags unverzüglich mitzuteilen - vgl. die letzte Seite des Antragsvordrucks, VAS. 4) die offensichtliche Relevanz eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekannt.
31 
Vor allem aber enthielt auch das wenige Monate vor Einleitung der strafrechtlichen Ermittlungen der Einbürgerungszusicherung vom 4.2.2003 beigefügte Schreiben (vgl. VAS. 121 und 123) den Zusatz, dass auf das beigefügte Merkblatt besonders hingewiesen werde. Wie der Vertreter des Landratsamts glaubhaft - übrigens auch vom Kläger unwidersprochen - versicherte, wurde in diesem Merkblatt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Änderung der persönlichen Verhältnisse u. a. auch dann vorliege, wenn eine strafrechtliche Verurteilung erfolge oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Anhaltspunkte dafür, das Merkblatt sei dem Schreiben nicht beigefügt gewesen bzw. der Kläger habe es nicht erhalten, gibt es nicht. Überdies enthielt auch die Einbürgerungszusicherung noch einmal den Zusatz, sie werde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Klägers, bis zur Einbürgerung nicht änderten. Schon vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass der seit langen Jahren sich in Deutschland aufhaltende und deshalb sicher mit formalen Belehrungen und Erklärungen vertraute Kläger sich im Dezember 2003 (Wohnungsdurchsuchung und Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens) bewusst geworden war, diese Umstände dem Landratsamt mitteilen zu müssen (vgl. auch den ähnlichen Fall im Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 10.10.2007 - 13 S 2215/07 - AuAS 2007, 260). Dass er dieser Pflicht nicht nachkam, resultierte zur Überzeugung der Kammer daraus, dass er seine Einbürgerung nicht gefährden und die Behörde folglich im Irrtum lassen wollte, es hätten sich keine relevanten Änderungen ergeben.
32 
Die Kammer ist auf Grund des Eindrucks vom Kläger sowie insbesondere seiner Angaben davon überzeugt, dass sich ihm die Erkenntnis von der Relevanz der strafrechtlichen Ermittlungen für sein Einbürgerungsverfahren auch vor den sonstigen tatsächlichen Hintergründen aufgedrängt hatte. Der Kläger verkehrte seit Anfang 2000 bis mindestens Ende 2003 in der „Muslim Gemeinde B.“, einer im Jahr 2001 wegen ihrer Beziehung zum „Kalifatsstaat“ verbotenen Vereinigung. Wegen des Verdachts, Mitglied im „Kalifatsstaat“ zu sein bzw. dessen organisatorischen Zusammenhalt zu unterstützen, wurde ferner ab Dezember 2003 gegen ihn ermittelt. Damit handelte es sich für ihn erkennbar nicht um „irgendeine“ (mutmaßliche) strafrechtliche Verwicklung, sondern speziell um eine solche, die im Zusammenhang mit einer extremistischen, verfassungsfeindlichen Vereinigung stand und deshalb auch bei laienhafter Parallelwertung besondere Bezüge zur Einbürgerung in den deutschen Staatsverband hatte. Gerade aus seiner Loyalitätserklärung vom September 2002 wusste der Kläger, dass sowohl ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung als auch zugleich die Distanzierung von jeder Bestrebung von ihm verlangt wurde, die gegen eben diese verfassungsmäßige Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet war, mithin gerade jene Rechtsgüter, wegen deren eklatanter Missachtung sowohl der „Kalifatsstaat“ als auch die Muslimgemeinde verboten worden waren. Die Vereinigung, als deren mutmaßliches Mitglied bzw. Unterstützer er in Verdacht geraten war, stand mithin nicht „nur“ in der Beobachtung deutscher Verfassungsschutzbehörden, während sie hingegen sonst legal geblieben wäre (so aber die vom VGH Bad.-Württ. im Urteil vom 17.9.2007 [Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen islamischen Kulturgemeinschaft, die von der „Hisbollah“ zur Propagandierung und Durchsetzung verfassungsfeindlicher Ziele benutzt worden sei] und vom BVerwG im Beschluss vom 13.6.2007 [Mitgliedschaft des Klägers in der Islamischen Gemeinschaft „Milli Görüs“] entschiedenen Fälle).
33 
Die Kammer nimmt dem Kläger seine Einlassungen nicht als wahr ab. Sie sollen eine besondere Arglosigkeit und Unbekümmertheit markieren, drängen aber aufgrund auffälliger Plausibilitätsmängel und Widersprüchlichkeiten im Gegenteil den besonderen Eindruck auf, ein vorsätzliches Verschweigen gegenüber der Einbürgerungsbehörde kaschieren zu wollen. So überzeugt zunächst nicht, dass der Kläger im Anschluss an die polizeiliche Wohnungsdurchsuchung keine Angst gehabt haben („Ich habe nichts Schlimmes und Böses getan“) und deshalb nicht an eine Bedeutsamkeit dieser Umstände für sein Einbürgerungsverfahren gedacht haben will. Aus dem Ausgang des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens konnte er diese Sorglosigkeit unmöglich hergeleitet haben, denn es wurde erst nach Abschluss des Einbürgerungsverfahrens eingestellt und der Kläger hatte frühestens mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 16.3.2005 (VAS. 313) Kenntnis davon erhalten, man wolle das Verfahren gegen ihn einstellen. Vehement für seine Kenntnis der Bedeutung einer Strafverfolgung für das Einbürgerungsverfahren sprechen ferner einschlägige persönliche Verbindungen des Klägers. So wurde er zu Beginn des Jahres 2000 Mitglied in der B. Muslimgemeinde und damit zu einem Zeitpunkt, als diese dem „Kalifatsstaat“ zuzuordnende Teilorganisation noch nicht verboten war. Es spricht alles dafür, dass im Zeitpunkt des Jahres 2000 noch weitaus stärkere Aktivitäten im Bereich der Propaganda sowie der Anwerbung von Mitgliedern bzw. Unterstützern des „Kalifatsstaat“ entwickelt wurden, als ab Dezember 2001 unter der Geltung des Vereinigungsverbots. Es widerspricht folglich jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger, der sich mit dem Wunsch nach Hilfe in einer kritischen Lebenslage der Muslimgemeinde zugewendet hatte, neben zwischenmenschlicher Hilfestellung nicht zugleich auch mit religiös-politischen Zielsetzungen bzw. Interessen der Vereinigung konfrontiert worden sein soll. Deshalb überzeugt es die Kammer nicht, dass der Kläger neben dem Freitagsgebet in der Moschee der Gemeinde nichts vom „Kalifatsstaat“ erfahren und gewusst haben will. Gegen diese Einlassung spricht überdies auch, dass der Kläger in seiner Beschuldigtenvernehmung im Dezember 2003 gerade angab, die Zeitung „Beklenen ASR-I SAADET“ seit ca. 3 Jahren zugeschickt zu erhalten. Angesichts dieses evidenten Zusammenfallens von Mitgliedschaft des Klägers in der Muslimgemeinde mit dem Bezug einer „Kalifatsstaat“-Publikation hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass ihm der „Kalifatsstaat“ und seine Zielsetzungen sowie vor allem das Verbot wegen Verfassungswidrigkeit verborgen geblieben sein könnten.
34 
Gegen Arglosigkeit und Unwissenheit des Klägers spricht schließlich seine Beziehung zu bzw. sein Kontakt mit C. A.. Die Kammer ging in ihrem Herrn A. betreffenden, rechtskräftigen Urteil vom 8.2.2006 (1 K 1908/04) in tatsächlicher Hinsicht u.a. davon aus, dass er vor seinem Verlassen B. (im August 2002) zuletzt 1. Vorsitzender des Vereins „Muslim Gemeinde B. e.V.“ war. Sie war ferner davon überzeugt, dass er in dieser Eigenschaft eine herausragende Stellung hatte und damit nicht nur Ansprechpartner auch für neue Gemeindemitglieder war, sondern die ideologische Richtung der Gemeinde vorgab und für die Verbreitung der Ideologie verantwortlich war. So wurden noch nach dem Organisationsverbot bei einer Hausdurchsuchung Mitgliederlisten, Vereinsfahnen und schriftliche Unterlagen gefunden. Dass seine Bedeutung für den Kalifatsstaat über die des 1. Vorsitzenden der Muslim-Gemeinde noch hinausging, zeigte sich für die Kammer auch daran, dass Herr A. als Sprecher an der Demonstration anlässlich der Vorführung von Metin Kaplan vor dem Ermittlungsrichter am BGH im Jahre 1999 auftrat. Der Kläger hat eingeräumt, C. A., mit dem er seit den 1980er Jahren bis zu Beginn der 1990er Jahre zusammen gearbeitet hatte, bereits von Jugendzeit an zu kennen. Die Kammer nimmt dem Kläger gerade deshalb aber nicht ab, dass er erst durch einen Zeitungsartikel erfahren haben will, dass Herr A. „Chef der Muslimgemeinde gewesen sein könnte“. Ferner glaubt die Kammer dem Kläger nicht, dass er seinen langjährigen Jugendfreund und Arbeitskollegen („Ich habe acht Stunden jeden Tag neben ihm, etwa 5 m von ihm entfernt, gearbeitet.“) „etwa 7 bis 8 Jahre nicht mehr gesehen“ haben will, was einem Trennungszeitpunkt ab etwa 1999/2000 entsprechen würde. Die Kammer hält diese Angabe vielmehr gerade deshalb für eine Schutzbehauptung, weil der Kläger hierdurch erkennbar einen Kontakt zu Herrn A. verneinen wollte, der gerade in die „kritische Zeit“ ab Januar 2000 - des Klägers Beitritt zur Muslimgemeinde - fallen würde. Gerade aber weil C. A. bis in das Jahr 2002 hinein im kleinen B. wohnte, nimmt die Kammer dem Kläger schließlich auch nicht ab, dass er schon etwa zwei Jahre zuvor keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt haben will.
35 
Anhaltspunkte dafür, das mithin arglistige Verschweigen des Klägers sei für seine Einbürgerung nicht kausal gewesen - etwa weil das Landratsamt ihn auch bei Kenntnis der strafrechtlichen Ermittlungen und des Verdachts der Unterstützung einer extremistischen Vereinigung eingebürgert hätte - gibt es schließlich nicht. Ein frühzeitigerer Informationsaustausch unter deutschen Behörden hätte möglicherweise zwar eine Einbürgerung verhindern können. Zugunsten des Klägers kann dies jedoch nicht gehen. Im Gegenteil bezweckte seine Mitwirkungsobliegenheit gerade auch, der Einbürgerungsstelle sichere Kenntnisse der Sachlage für den Fall zu verschaffen, dass diese nicht anderweit (rechtzeitig) zu erhalten waren.
36 
Das schließlich auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen ist in der Gestalt, die der maßgebliche Widerspruchsbescheid unter zusätzlicher Bezugnahme auf die Erwägungen der Ausgangsentscheidung getätigt hat, rechtlich nicht zu beanstanden (§§ 79 Abs. 1 Nr. 1, 114 VwGO). Die Kammer macht von der Befugnis des § 117 Abs. 5 VwGO Gebrauch und verweist insoweit auf die behördlichen Ausführungen.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mit dem angefochtenen Bescheid des Landratsamts verfügte Rücknahme der Einbürgerung ist in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid des RP Freiburg erhalten hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Rechtsgrundlage der Rücknahme ist § 48 Abs. 1 LVwVfG. In formell-rechtlicher Hinsicht könnte es allerdings vor Erlass der Rücknahme an einer Anhörung (§ 28 LVwVfG) gefehlt haben. Dass eine solche Anhörung stattgefunden haben soll, ist in der Korrespondenz zwischen Landratsamt, Regierungspräsidium und Innenministerium zwar bejaht worden, sie findet sich jedoch in den Unterlagen, insbesondere im Anhörungsprotokoll vom 21.11.2005 nicht ausdrücklich. Gleichwohl wäre selbst ein etwaiger Fehler geheilt worden, weil der Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit hatte, ausführlich seine Gründe vorzutragen und weil ferner die Widerspruchsbehörde hierauf eingegangen ist (§ 45 Abs. 2 LVwVfG).
16 
Die Rücknahme ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG bestimmt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Ein - wie hier - begünstigender Verwaltungsakt darf allerdings nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis Abs. 4 LVwVfG zurückgenommen werden.
17 
Die Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig. Im für diese Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt (allgemein: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 Rnr. 57 m.w.N.) - Februar 2005 - galten die mit Wirkung vom 1.1.2005 neu gefassten Vorschriften der §§ 10 ff. StAG, die die bis dahin für eine Anspruchseinbürgerung geltenden Regelungen der §§ 85 ff. AuslG abgelöst haben (siehe Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950). Eine entgegenstehende Übergangsvorschrift, die für den im September 2002 gestellten Einbürgerungsantrag des Klägers die Geltung früheren Rechts anordnet, enthält das Zuwanderungsgesetz nicht. Nicht zur Anwendung kommen hingegen die durch das AuslRÄndG 2007 (G. v. 19.8.2007, BGBl. I S. 1970) zum 28.8.2007 bewirkten Änderungen des StAG.
18 
Dass die erst mit der Aushändigung der Urkunde am 9.2.2005 wirksame Einbürgerung des Klägers (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 StAG) rechtswidrig war, ergibt sich zunächst bereits aus § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG (früher: § 88 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Danach ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auszusetzen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine bloße Verfahrensvorschrift, wird vielmehr gegen das Gebot der Aussetzung verstoßen, so ist eine gleichwohl erfolgte Einbürgerung i. S. v. § 48 Abs. 1 LVwVfG rechtsfehlerhaft (BVerwG, Urt. v. 3.6.2003 - 1 C 19.02 - NVwZ 2004, 489; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2007 - 13 S 2215/07 - VENSA und Juris). Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren aber war im Fall des Klägers am Tag der Einbürgerung bereits seit über einem Jahr anhängig. Es wurde auch erst nach der Einbürgerung, nämlich in der zweiten Märzhälfte 2005, eingestellt.
19 
Ferner lag beim Kläger aber auch ein Anspruchsausschlussgrund vor. Hierzu bestimmt § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., dass ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG nicht besteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt und unterstützt hat, die (u.a.) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
20 
Der Kläger ist im Februar 2005 einer solchen Unterstützung konkret verdächtig gewesen. Nach weithin gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur ist als tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. jede Handlung des Ausländers anzusehen, die für die dort genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 15.3.2005 - 1 C 28.03 - NVwZ 2005, 1091) zum Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG a.F. (vgl. entsprechend für die strafrechtliche Vorschrift des § 129a Abs. 5 StGB: BGH, Beschl. v. 16.5.2007 - AK 6/07 u. StB 3/07 - NJW 2007, 2782) ist darunter jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden und zwar auch das eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Darunter fallen neben der Gewährung finanzieller Unterstützung oder der Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele auch die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von gemäß § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. inkriminierten Bestrebungen. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an. Allerdings muss es für den Ausländer grundsätzlich erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, dass sein Handeln die Vereinigung und ihre Bestrebungen unterstützt. An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die inkriminierten Ziele befürwortet (vgl. aus jüngerer Zeit, zugleich mit zahlreichen Nachweisen: Saarl. OVG, Urt. v. 11.7.2007 - 1 A 224/07 - Juris). Das Vorliegen einer (früheren) Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung u.a. von radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können. Mit dieser gesetzlichen Regelung wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 12 S 1696/05 - VENSA [betr. Unterzeichnung der sog. PKK-Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK`ler“]; Bayer. VGH, Beschl. v. 13.7.2005 - 5 ZB 05.901 - Juris).
21 
Es liegen genügende tatsächliche Anhaltspunkte in Bezug auf die Person des Klägers vor, dass er verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen unterstützt hatte. Die meisten der im Dezember 2003 in seiner Wohnung beschlagnahmten Publikationen und Symbole sind solche des „Kalifatsstaat“ gewesen, einer gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Vereinigung. Das Bundesministerium des Innern stellte durch (sofort vollziehbare) Verfügung vom 8.12.2001 fest, dass sich der „Kalifatsstaat" einschließlich bestimmter Teilorganisationen - u.a. gerade auch die „Muslim Gemeinde B. e.V.“, in welcher der Kläger verkehrte - gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die Vereinigungen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des „Kalifatstaat“ sowie die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen verboten. Im Rechtsstreit um die Verbotsverfügung stellte das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 - NVwZ 2003, 986) fest, dass der „Kalifatsstaat“ sich gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung richtet und deshalb die Voraussetzungen für ein Verbot gemäß § 14 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG erfüllt. Der „Kalifatsstaat“ lehne die Demokratie und die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ab. Grundlage der staatlichen Herrschaftsordnung sei seiner Ansicht nach nicht die Selbstbestimmung des Volkes, sondern ausschließlich der Wille Allahs. Maß aller Dinge sei der Koran. Außerhalb der islamischen Religion könne es keinen Staat geben. Der „Kalifatsstaat" verstehe sich in diesem Sinn als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt. Das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland werde folglich nicht anerkannt. Muslime dürften nach Ansicht des „Kalifatsstaat" im Konfliktfall demokratische Gesetze nicht anerkennen und befolgen. Die Mitglieder des "Kalifatsstaat" bekennten sich offen zu einer antidemokratischen Haltung. Der „Kalifatsstaat“ richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, indem er das Ziel, sie zu untergraben, in kämpferisch-aggressiver Weise verfolge. Er richte sich - unabhängig von der Frage, in welchem Ausmaß die innere Sicherheit durch seine Tätigkeit bedroht sei - gegen die Grundlagen der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung. Zur aggressiv-kämpferischen Haltung gegenüber Demokratie und Rechtsstaat trete hinzu, dass der „Kalifatsstaat“ die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte in schwerwiegender und die Menschenwürde verletzender Weise missachte. So seien etwa die ihm zuzurechnenden Äußerungen in der verbandseigenen Zeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" über Juden und führende Politiker der Türkei von Ausdrücken geprägt, die eine menschenverachtende Intoleranz zum Ausdruck brächten. Die Diffamierungen seien stets mehr oder weniger deutlich mit der Aufforderung verbunden, die Diffamierten zu bekämpfen, was mit der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Würde des Menschen unvereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht (Nichtannahmebeschl. v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - NJW 2004, 47) führte schließlich aus, diese Feststellungen des BVerwG seien im Ergebnis unbedenklich.
22 
Sowohl die bei ihm aufgefundenen Publikationen und Symbole dieser inkriminierten Organisation - bei letzteren insbesondere der im PKW des Klägers sichergestellte Wimpel mit der türkischen Aufschrift „Hilafet Devleti“ (= „Kalifasstaat“) - als auch das sonstige (Aussage)Verhalten des Klägers machten ihn im Zeitpunkt der Einbürgerung konkret einer Unterstützung des „Kalifatsstaat“ verdächtig. Die Existenz zahlreicher Unterlagen lässt den Schluss zu, dass diese mit der Absicht aufbewahrt wurden, hierauf immer wieder - und sei es nur nichtöffentlich - zurückgreifen zu können. Der Besitz des Wimpels, eines Symbols, indiziert ferner einen gewissen Identifikationswunsch. Darauf, ob dieses Propagandamaterial im Auftrag des „Kalifatsstaat“ bzw. seiner Teilorganisation „Muslim Gemeinde B. e.V.“ gelagert und zu weiteren Verteilung bereitgehalten werden sollte, kommt es nach dem oben Dargelegten nicht an. Insoweit ist auch nicht entscheidend, dass in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 16.3.2005 ein außenwirksames Verhalten des Klägers als nicht mit Sicherheit nachweisbar erachtet wurde.
23 
Die Einlassung des Klägers, beim Inhalt der beiden Ordner (ein Ordner mit u.a. 71 Teilausschnitten aus der Zeitschrift „Beklenen ASR-I-Saadet“, ferner ein Ordner mit Kopien aus der früheren „Kalifatsstaat“-Publikation „Ümmet-i-Mohammed“) handele es sich um von seinen Kindern für Zwecke des Religionsunterrichts gesammeltes Material, ist unglaubhaft. Diese Behauptung hat er erst mit der Klagebegründung aufgestellt, obwohl es - träfe das zu - sich aufgedrängt hätte, es spätestens im November 2005 bei der Anhörung durch das Landratsamt als Entlastungsmoment vorzutragen. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei dieser Anhörung, die fast zwei Jahre nach der Wohnungsdurchsuchung erfolgte, dem Kläger sicher bekannt gewesen wäre, wenn seine Kinder für das inkriminierte Material verantwortlich gewesen wären. Gegen einen glaubhaften Umstand und vielmehr für eine Schutzbehauptung spricht überdies, dass der Kläger in keiner Weise substantiiert dargetan hat, warum seine Kinder für den Religionsunterricht (genauer wohl: Ethik-Unterricht) in einer deutschen Schule Material einer etwa zwei Jahre zuvor verbotenen Organisation hätten zusammentragen sollen. Ferner hat der Kläger auch nie näher dargetan, welche seiner vier Kinder dies gewesen sein sollen. Zwar hätten dies wohl am ehesten die beiden ältesten Kinder - der im Dezember 2003 16 Jahre alte Sohn S. bzw. die zu diesem Zeitpunkt 14-jährige Tochter T. - gewesen sein können. Gleichwohl blieb jedoch angesichts des damaligen Alters der Kinder widersprüchlich, dass sie Kopien aus der (bis Ende 2001 erschienenen) „Kalifatsstaat“-Verbandszeitung „ÜMMET-I-Mohammed“ von 1992 mit Reden Kaplans gesammelt haben sollten. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum solche evident religiös-fundamentalistischen Reden gerade von Kindern ausgesucht worden sein könnten. Schließlich leidet diese zuletzt aufgestellte Behauptung des Klägers auch deshalb an erheblichen Plausibilitätsmängeln, weil beide Ordner nicht etwa in den Zimmern der Kinder, sondern im Schlafzimmer der Eltern und im Wohnzimmer gefunden wurden.
24 
Widersprüchlich sind ferner aber auch die Angaben des Klägers betreffend seine Beziehung zu weiteren „Kalifatsstaat“-Publikationen - u.a. waren bei der Hausdurchsuchung neben den Ordnern auch 6 vollständige Zeitschriften „Beklenen ASR-I-Saadet“ (Ausgaben vom 23.7.2003 bis 3.12.2003) gefunden worden - gewesen. So passt es nämlich nicht zusammen, dass der Kläger sogar noch bis in das Jahr 2004 hinein solche Zeitschriften will unaufgefordert zugeschickt erhalten haben, ohne gleichwohl etwas Näheres über ihren Urheber und ihren Inhalt zu wissen. Der Kläger konnte auch sonst den von ihm behaupteten Zustand der Unwissenheit nicht überzeugend dartun. Bei der Anhörung im November 2005 durch das Landratsamt gab er immerhin an, Zeitungen zwar nicht immer gelesen zu haben, jedoch dann, wenn sie interessant gewesen seien. Erstaunlich wirkte für die Kammer die Behauptung des Klägers, seine Frau und seine Kinder seien für das Propagandamaterial bzw. dessen Existenz in der Wohnung verantwortlich gewesen. Die Kammer nimmt dem Kläger nicht ab, dass er als Familienoberhaupt solches ohne nähere Kenntnis des Inhalts geduldet haben könnte. Schließlich blieb auch die immer wieder vom Kläger aufgestellte Behauptung ohne durchschlagende Überzeugungskraft, man habe die unbestellt zugeschickten Zeitschriften mangels Absenderangabe nicht zurückschicken können. Hätte wirklich kein Interesse an den Publikationen bestanden, wäre nicht ihre Aufbewahrung, sondern die Vernichtung der vorgezeichnete Weg gewesen. Gerade weil der Kläger die Behauptung, er sei „Opfer“ einer Aufdrängung von Propagandamaterial geworden, mit der Einlassung verbindet, er hätte den Bezug kündigt, hätte er den Absender gekannt, rechtfertigt das einmal mehr erhebliche Zweifel an seiner Arglosigkeit bzw. an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Denn bei den beschlagnahmten Unterlagen befand sich gerade auch ein Bestellformular der in den Niederlanden ansässigen Buchhandlung „DAR`UL ILM“, die den deutschen Behörden als Absenderadresse der ab 2002 (nach dem Verbot des „Kalifatsstaat“) an Stelle der „ÜMMET-I-Mohammed“ getretenen „Beklenen ASR-I SAADET“ bekannt ist (vgl. das Schreiben des IM Baden-Württemberg vom 17.1.2006, dort Seite 3 [VAS. 381]).
25 
Bei Aushändigung der Einbürgerungsurkunde bestanden folglich ganz erhebliche tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Bestrebungen unterstützte bzw. unterstützt hatte, die in Gestalt von Betätigungen des „Kalifatsstaat“ bzw. seiner B. Teilorganisation gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet waren. Der Kläger konnte weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft machen, sich von einer früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen jedenfalls abgewandt zu haben. Das folgt bereits aus seiner wie dargelegt unglaubhaften Verneinung bzw. Leugnung von Kenntnissen über bzw. Kontakten zu diesen verbotenen Vereinigungen. Aber auch sonst gibt es nichts, was in dieser Hinsicht für den Kläger sprechen könnte. Zwar kann dem Umstand, dass nur eine Unterstützungshandlung von geringem Gewicht vorliegt, bei der Prüfung der Frage Rechnung getragen werden, ob sich der Einbürgerungsbewerber glaubhaft von den Bestrebungen abgewandt hat. Gleiches gilt, wenn ein Ermittlungsverfahren nach § 153 b Abs. 1 StPO i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG eingestellt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005, a.a.O.). Gleichwohl erlangt der Umstand, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger kaum zwei Wochen nach der Einbürgerung gemäß §§ 153 b Abs. 1 StPO, 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG, 85 Abs. 3, 84 Abs. 4 StGB eingestellt wurde, hier keine Bedeutung. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die von den Strafverfolgungsbehörden (zugleich auch wegen fehlender sonstiger Vorstrafen) prognostizierte geringe Schuld wegen eines „reuigen“ - zugleich eine Abwendung indizierenden - Verhaltens des Klägers während des Ermittlungsverfahrens erfolgt wäre.
26 
Der mithin vorliegende Rechtswidrigkeitsgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. ist schließlich auch rücknahmerelevant. Zwar hatte die Einbürgerungsbehörde bei Vorliegen der Sicherheitsklausel des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. immer noch ein Ermessen dahin, ob sie einbürgert (anders wohl nunmehr § 11 StAG n.F.: „Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn …“). Eine Versagung der Einbürgerung ist indessen als im Regelfall gesetzlich gewollt anzusehen gewesen (intendiertes Ermessen), sodass von ihr nur ausnahmsweise abgesehen werden konnte (Berlit, in: GK-StAR, § 11 Rdnr. 203 [Oktober 2005]). Anhaltspunkte dafür, der Kläger wäre im Februar 2005 im Wege einer Ermessensentscheidung auch bei Kenntnis aller Verdachtsmomente ausnahmsweise dennoch eingebürgert worden, gibt es jedoch nicht.
27 
Die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers scheitert ferner nicht an einer besonderen Schutzwürdigkeit seiner Person. Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist, wenn sie verfassungskonform auf die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG Rücksicht nimmt, auch auf die Rücknahme von Einbürgerungen anwendbar. Hieraus folgt insbesondere, dass die Rücknahme einer Einbürgerung (nur) zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, erwirkt worden ist (grundlegend: BVerfG, Beschl. v. 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - InfAuslR 2006, 335; BVerwG, Beschl. v. 13.6.2007 - 5 B 132/07 - Juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.9.2007 - 13 S 2794/06 - VENSA und Juris).
28 
An einer zeitnahen Rücknahme bestehen hier keine Zweifel. Der Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände (vgl. ohnehin zur Nichtgeltung der Jahresfrist in Fällen der Arglist § 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG). Für die Bestimmung ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Die Staatsangehörigkeit des Einzelnen begründet regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Wirkungen auf den Status sonstiger Personen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - VENSA und Juris). Angesichts des hier zwischen Einbürgerung (am 9.2.2005) und ihrer Rücknahme (am 26.1.2006 = Wirksamwerden der angefochtenen Entscheidung) verstrichenen Zeitraums von wenig mehr als einem Jahr kann von einer zeitnahen Reaktion der Behörde ausgegangen werden (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.9.2007, a.a.O., wonach selbst 2 Jahre noch zeitnah sein dürften).
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung zur Überzeugung der Kammer schließlich auch durch Arglist im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Allerdings ist festzuhalten, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Einbürgerungsverfahrens unwahre Angaben gemacht hat. Er wurde - worauf er hätte falsch antworten können - weder nach Beziehungen zu extremistischen Vereinigungen im allgemeinen noch zum „Kalifatsstaat“ im besonderen befragt. Dass es sich bei der von ihm im September 2002 abgegebenen Loyalitätserklärung um ein bloßes „Lippenbekenntnis“ handelte, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Wie oben im Rahmen der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung dargelegt, besteht zwar der konkrete Verdacht der Unterstützung einer extremistischen Vereinigung, dass der Kläger - entgegen der Formerklärung - eine solche auch tatsächlich unterstützt hatte oder unterstützt, ist ihm jedoch nicht nachzuweisen. Auch sonst gibt es keine aktive Täuschungshandlung des Klägers. Zwar enthielt der im September 2002 ausgefüllte Antragsvordruck (letzte Seite, VAS. 4) unter der Rubrik „Straftaten und Ordnungswidrigkeiten des Einbürgerungsbewerbers“ Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren. Das Ankreuzen des „Nein“-Feldes entsprach damals - über ein Jahr vor Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen - jedoch evident der Wahrheit.
30 
Ein Erschleichen der Einbürgerung durch Täuschung liegt jedoch darin, dass der Kläger es zur Überzeugung der Kammer vorsätzlich unterlassen hat, dem Landratsamt vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde mitzuteilen, dass ein einbürgerungsrechtlich relevantes strafrechtliches Ermittlungsverfahren seit Ende des Jahres 2003 gegen ihn anhängig war. Eine Offenbarungspflicht während des gesamten Verfahrens ergab sich direkt aus § 12 a Abs. 3 StAG. Schon im September 2002, im Zusammenhang mit den erforderlichen Angaben im Formularantrag, war dem Kläger bekannt, dass es auf begangene Straftaten aber auch anhängige strafrechtliche Ermittlungen für eine Entscheidung ankam. Die Rubrik „Straftaten und Ordnungswidrigkeiten des Einbürgerungsbewerbers“ mit den dort gestellten Fragen nach nicht getilgten Vorstrafen, Ordnungswidrigkeiten sowie anhängigen Ermittlungsverfahren, die auch vom Kläger ausgefüllt wurde, ließ hieran keine Zweifel. Ferner war ihm auch aus der formularmäßigen Abschlusserklärung (Versicherung, dass alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß seien sowie dass falsche oder unvollständige Angaben zur Ablehnung oder Rücknahme der Einbürgerung führen können; schließlich Verpflichtung, Änderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zur endgültigen Entscheidung des Antrags unverzüglich mitzuteilen - vgl. die letzte Seite des Antragsvordrucks, VAS. 4) die offensichtliche Relevanz eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekannt.
31 
Vor allem aber enthielt auch das wenige Monate vor Einleitung der strafrechtlichen Ermittlungen der Einbürgerungszusicherung vom 4.2.2003 beigefügte Schreiben (vgl. VAS. 121 und 123) den Zusatz, dass auf das beigefügte Merkblatt besonders hingewiesen werde. Wie der Vertreter des Landratsamts glaubhaft - übrigens auch vom Kläger unwidersprochen - versicherte, wurde in diesem Merkblatt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Änderung der persönlichen Verhältnisse u. a. auch dann vorliege, wenn eine strafrechtliche Verurteilung erfolge oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Anhaltspunkte dafür, das Merkblatt sei dem Schreiben nicht beigefügt gewesen bzw. der Kläger habe es nicht erhalten, gibt es nicht. Überdies enthielt auch die Einbürgerungszusicherung noch einmal den Zusatz, sie werde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Klägers, bis zur Einbürgerung nicht änderten. Schon vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass der seit langen Jahren sich in Deutschland aufhaltende und deshalb sicher mit formalen Belehrungen und Erklärungen vertraute Kläger sich im Dezember 2003 (Wohnungsdurchsuchung und Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens) bewusst geworden war, diese Umstände dem Landratsamt mitteilen zu müssen (vgl. auch den ähnlichen Fall im Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 10.10.2007 - 13 S 2215/07 - AuAS 2007, 260). Dass er dieser Pflicht nicht nachkam, resultierte zur Überzeugung der Kammer daraus, dass er seine Einbürgerung nicht gefährden und die Behörde folglich im Irrtum lassen wollte, es hätten sich keine relevanten Änderungen ergeben.
32 
Die Kammer ist auf Grund des Eindrucks vom Kläger sowie insbesondere seiner Angaben davon überzeugt, dass sich ihm die Erkenntnis von der Relevanz der strafrechtlichen Ermittlungen für sein Einbürgerungsverfahren auch vor den sonstigen tatsächlichen Hintergründen aufgedrängt hatte. Der Kläger verkehrte seit Anfang 2000 bis mindestens Ende 2003 in der „Muslim Gemeinde B.“, einer im Jahr 2001 wegen ihrer Beziehung zum „Kalifatsstaat“ verbotenen Vereinigung. Wegen des Verdachts, Mitglied im „Kalifatsstaat“ zu sein bzw. dessen organisatorischen Zusammenhalt zu unterstützen, wurde ferner ab Dezember 2003 gegen ihn ermittelt. Damit handelte es sich für ihn erkennbar nicht um „irgendeine“ (mutmaßliche) strafrechtliche Verwicklung, sondern speziell um eine solche, die im Zusammenhang mit einer extremistischen, verfassungsfeindlichen Vereinigung stand und deshalb auch bei laienhafter Parallelwertung besondere Bezüge zur Einbürgerung in den deutschen Staatsverband hatte. Gerade aus seiner Loyalitätserklärung vom September 2002 wusste der Kläger, dass sowohl ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung als auch zugleich die Distanzierung von jeder Bestrebung von ihm verlangt wurde, die gegen eben diese verfassungsmäßige Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet war, mithin gerade jene Rechtsgüter, wegen deren eklatanter Missachtung sowohl der „Kalifatsstaat“ als auch die Muslimgemeinde verboten worden waren. Die Vereinigung, als deren mutmaßliches Mitglied bzw. Unterstützer er in Verdacht geraten war, stand mithin nicht „nur“ in der Beobachtung deutscher Verfassungsschutzbehörden, während sie hingegen sonst legal geblieben wäre (so aber die vom VGH Bad.-Württ. im Urteil vom 17.9.2007 [Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen islamischen Kulturgemeinschaft, die von der „Hisbollah“ zur Propagandierung und Durchsetzung verfassungsfeindlicher Ziele benutzt worden sei] und vom BVerwG im Beschluss vom 13.6.2007 [Mitgliedschaft des Klägers in der Islamischen Gemeinschaft „Milli Görüs“] entschiedenen Fälle).
33 
Die Kammer nimmt dem Kläger seine Einlassungen nicht als wahr ab. Sie sollen eine besondere Arglosigkeit und Unbekümmertheit markieren, drängen aber aufgrund auffälliger Plausibilitätsmängel und Widersprüchlichkeiten im Gegenteil den besonderen Eindruck auf, ein vorsätzliches Verschweigen gegenüber der Einbürgerungsbehörde kaschieren zu wollen. So überzeugt zunächst nicht, dass der Kläger im Anschluss an die polizeiliche Wohnungsdurchsuchung keine Angst gehabt haben („Ich habe nichts Schlimmes und Böses getan“) und deshalb nicht an eine Bedeutsamkeit dieser Umstände für sein Einbürgerungsverfahren gedacht haben will. Aus dem Ausgang des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens konnte er diese Sorglosigkeit unmöglich hergeleitet haben, denn es wurde erst nach Abschluss des Einbürgerungsverfahrens eingestellt und der Kläger hatte frühestens mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 16.3.2005 (VAS. 313) Kenntnis davon erhalten, man wolle das Verfahren gegen ihn einstellen. Vehement für seine Kenntnis der Bedeutung einer Strafverfolgung für das Einbürgerungsverfahren sprechen ferner einschlägige persönliche Verbindungen des Klägers. So wurde er zu Beginn des Jahres 2000 Mitglied in der B. Muslimgemeinde und damit zu einem Zeitpunkt, als diese dem „Kalifatsstaat“ zuzuordnende Teilorganisation noch nicht verboten war. Es spricht alles dafür, dass im Zeitpunkt des Jahres 2000 noch weitaus stärkere Aktivitäten im Bereich der Propaganda sowie der Anwerbung von Mitgliedern bzw. Unterstützern des „Kalifatsstaat“ entwickelt wurden, als ab Dezember 2001 unter der Geltung des Vereinigungsverbots. Es widerspricht folglich jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger, der sich mit dem Wunsch nach Hilfe in einer kritischen Lebenslage der Muslimgemeinde zugewendet hatte, neben zwischenmenschlicher Hilfestellung nicht zugleich auch mit religiös-politischen Zielsetzungen bzw. Interessen der Vereinigung konfrontiert worden sein soll. Deshalb überzeugt es die Kammer nicht, dass der Kläger neben dem Freitagsgebet in der Moschee der Gemeinde nichts vom „Kalifatsstaat“ erfahren und gewusst haben will. Gegen diese Einlassung spricht überdies auch, dass der Kläger in seiner Beschuldigtenvernehmung im Dezember 2003 gerade angab, die Zeitung „Beklenen ASR-I SAADET“ seit ca. 3 Jahren zugeschickt zu erhalten. Angesichts dieses evidenten Zusammenfallens von Mitgliedschaft des Klägers in der Muslimgemeinde mit dem Bezug einer „Kalifatsstaat“-Publikation hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass ihm der „Kalifatsstaat“ und seine Zielsetzungen sowie vor allem das Verbot wegen Verfassungswidrigkeit verborgen geblieben sein könnten.
34 
Gegen Arglosigkeit und Unwissenheit des Klägers spricht schließlich seine Beziehung zu bzw. sein Kontakt mit C. A.. Die Kammer ging in ihrem Herrn A. betreffenden, rechtskräftigen Urteil vom 8.2.2006 (1 K 1908/04) in tatsächlicher Hinsicht u.a. davon aus, dass er vor seinem Verlassen B. (im August 2002) zuletzt 1. Vorsitzender des Vereins „Muslim Gemeinde B. e.V.“ war. Sie war ferner davon überzeugt, dass er in dieser Eigenschaft eine herausragende Stellung hatte und damit nicht nur Ansprechpartner auch für neue Gemeindemitglieder war, sondern die ideologische Richtung der Gemeinde vorgab und für die Verbreitung der Ideologie verantwortlich war. So wurden noch nach dem Organisationsverbot bei einer Hausdurchsuchung Mitgliederlisten, Vereinsfahnen und schriftliche Unterlagen gefunden. Dass seine Bedeutung für den Kalifatsstaat über die des 1. Vorsitzenden der Muslim-Gemeinde noch hinausging, zeigte sich für die Kammer auch daran, dass Herr A. als Sprecher an der Demonstration anlässlich der Vorführung von Metin Kaplan vor dem Ermittlungsrichter am BGH im Jahre 1999 auftrat. Der Kläger hat eingeräumt, C. A., mit dem er seit den 1980er Jahren bis zu Beginn der 1990er Jahre zusammen gearbeitet hatte, bereits von Jugendzeit an zu kennen. Die Kammer nimmt dem Kläger gerade deshalb aber nicht ab, dass er erst durch einen Zeitungsartikel erfahren haben will, dass Herr A. „Chef der Muslimgemeinde gewesen sein könnte“. Ferner glaubt die Kammer dem Kläger nicht, dass er seinen langjährigen Jugendfreund und Arbeitskollegen („Ich habe acht Stunden jeden Tag neben ihm, etwa 5 m von ihm entfernt, gearbeitet.“) „etwa 7 bis 8 Jahre nicht mehr gesehen“ haben will, was einem Trennungszeitpunkt ab etwa 1999/2000 entsprechen würde. Die Kammer hält diese Angabe vielmehr gerade deshalb für eine Schutzbehauptung, weil der Kläger hierdurch erkennbar einen Kontakt zu Herrn A. verneinen wollte, der gerade in die „kritische Zeit“ ab Januar 2000 - des Klägers Beitritt zur Muslimgemeinde - fallen würde. Gerade aber weil C. A. bis in das Jahr 2002 hinein im kleinen B. wohnte, nimmt die Kammer dem Kläger schließlich auch nicht ab, dass er schon etwa zwei Jahre zuvor keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt haben will.
35 
Anhaltspunkte dafür, das mithin arglistige Verschweigen des Klägers sei für seine Einbürgerung nicht kausal gewesen - etwa weil das Landratsamt ihn auch bei Kenntnis der strafrechtlichen Ermittlungen und des Verdachts der Unterstützung einer extremistischen Vereinigung eingebürgert hätte - gibt es schließlich nicht. Ein frühzeitigerer Informationsaustausch unter deutschen Behörden hätte möglicherweise zwar eine Einbürgerung verhindern können. Zugunsten des Klägers kann dies jedoch nicht gehen. Im Gegenteil bezweckte seine Mitwirkungsobliegenheit gerade auch, der Einbürgerungsstelle sichere Kenntnisse der Sachlage für den Fall zu verschaffen, dass diese nicht anderweit (rechtzeitig) zu erhalten waren.
36 
Das schließlich auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen ist in der Gestalt, die der maßgebliche Widerspruchsbescheid unter zusätzlicher Bezugnahme auf die Erwägungen der Ausgangsentscheidung getätigt hat, rechtlich nicht zu beanstanden (§§ 79 Abs. 1 Nr. 1, 114 VwGO). Die Kammer macht von der Befugnis des § 117 Abs. 5 VwGO Gebrauch und verweist insoweit auf die behördlichen Ausführungen.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. März 2005 - 2 K 2364/04 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der am 18.03.1974 in Pertek/Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit. 1994 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19.07.1996 - A 3 K 12928/94 - wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Im Urteil wurde u.a. ausgeführt, es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger anlässlich des Begräbnisses von 12 mutmaßlichen Mitgliedern der linksextremistischen Untergrundorganisation DEV-Sol sowie zwei weitere Male von Soldaten festgenommen worden sei. Bei seiner Ausreise sei er aufgrund des Verdachts der PKK-Unterstützung jedenfalls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von unmittelbarer politischer Verfolgung bedroht gewesen. Ausweislich des Urteils hatte der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unter anderem angegeben, er sei wie viele andere Leute in seinem Dorf nicht Mitglied der PKK gewesen. Sie seien aber kurdische Patrioten und wenn die PKK-Leute Unterstützung bräuchten, erhielten sie sie meistens auch. Am 05.11.1996 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Er ist im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Unter dem 17.07.2001 unterzeichnete der Kläger die vorformulierte Erklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“. Der letzte Absatz der Erklärung lautet:
„Hiermit erkläre ich, dass ich das gegen die PKK ausgesprochene Verbot und die strafrechtliche Verfolgung der Mitgliedschaft in der PKK sowie der strafrechtlichen Verfolgung der aktiven Sympathie für die PKK, auf das Schärfste verurteile. Weiterhin erkläre ich, dass ich dieses Verbot nicht anerkenne und sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus ergibt.“
Bei seiner Anhörung durch die Polizeidirektion Offenburg gab der Kläger mit schriftlicher Erklärung vom 17.09.2001 an, er habe mit seiner Unterschrift auf dem Formular bekannt geben wollen, dass er Kurde sei. Er habe die zwei Jahre dauernden Friedens-/Versöhnungsbestrebungen der PKK unterstützen wollen. Er habe unterschrieben, weil er der Meinung gewesen sei, dass in Deutschland die Meinungsfreiheit zu den Menschenrechten zähle. Er könne sich nicht vorstellen, dass dies eine Straftat sei. Mit Zustimmung der Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe stellte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe (57 Js 7787/02) am 19.03.2002 das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 b Abs. 1 StPO ein, da sein Beitrag zur Unterstützung der PKK/ERNK von geringem Gewicht sei und sein Verschulden insgesamt gering erscheine.
Unter dem 17.09.2002 stellte der Kläger einen Einbürgerungsantrag und unterzeichnete eine Loyalitätserklärung, in der er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekannte und erklärte, dass er keine gegen diese Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, gegen die Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder gerichtete Bestrebungen oder solche Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe.
Wegen der im Rahmen der Identitätskampagne der PKK vom Kläger abgegebenen „Selbsterklärung“ verweigerte das Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 30.10.2003 die Zustimmung zur Einbürgerung.
Auf die Bitte um Stellungnahme zur „Selbsterklärung“ und der von ihm abgegebenen Loyalitätserklärung gab der Kläger mit Schreiben vom 23.11.2003 an, er habe den Inhalt der Kampagne im Jahr 2001 wegen seiner geringen Deutschkenntnisse nicht verstanden. Dass er ein Verbrechen begangen habe, habe er nicht gewusst. Er bitte dies zu verzeihen. Die Organisation sei ihm unbekannt. Er habe mit ihr nichts zu tun. Er entschuldige sich für sein Missverständnis.
In einer Stellungnahme vom 17.06.2004 lehnte das Innenministerium Baden-Württemberg erneut die Zustimmung zur Einbürgerung ab.
Mit Schriftsatz vom 15.07.2004 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dieser habe sich zu keinem Zeitpunkt für die PKK als aktives Mitglied oder Sympathisant betätigt. Er fühle sich dieser politischen Gruppe nicht zugehörig. Die Unterschrift sei im Jahr 2001 abgegeben worden, weil sich die Kampagne maßgeblich auf angebliche Friedensaktivitäten der PKK bezogen habe, die von der PKK als „Lockvogel“ benutzt worden seien, um Unterschriften zu erschleichen. Der Vorfall vom 17.07.2001 liege bereits mehr als drei Jahre zurück. Der Kläger habe zwischenzeitlich dargestellt, dass er sich von seiner damaligen Unterschrift, sofern ihm ihr gesamter Inhalt zugerechnet werde, distanziere.
10 
Mit Bescheid vom 03.08.2004 lehnte das Landratsamt Ortenaukreis die Einbürgerung im Hinblick auf die vom Kläger abgegebene „Selbsterklärung“ mit der Begründung ab, der Kläger versuche die Abgabe der Erklärung zu verharmlosen. Soweit er angegeben habe, dass er den Inhalt der Erklärung und der Kampagne nicht verstanden habe und dass ihm die Ziele und Aktivitäten der PKK nicht bekannt seien, stünden seine Angaben in krassem Widerspruch zu seinen Einlassungen im Asylanerkennungs- sowie im späteren Strafverfahren. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er sich glaubhaft von seiner damaligen Unterschrift und dem Inhalt der Selbsterklärung distanziert habe. Die von ihm abgegebene Loyalitätserklärung entspreche nicht der Wahrheit. Es fehle somit an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 85 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, wonach ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und die Erklärung erforderlich sei, dass keine gegen diese gerichteten oder sonst für eine Einbürgerung schädlichen Bestrebungen verfolgt oder unterstützt würden oder worden seien. Außerdem lägen die Ausschlussgründe des § 86 Nr. 2 und 3 AuslG vor.
11 
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2004 zurück.
12 
Der Kläger erhob am 03.11.2004 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage und trug zur Begründung u.a. vor, zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung habe er sich an seiner Arbeitsstelle im Betrieb seines Bruders aufgehalten. Es sei eine ihm nicht bekannte Person gekommen und habe sich den Anwesenden als Kurde vorgestellt. Sie habe angegeben, Unterschriften für den Friedens- bzw. den Waffenstillstand zwischen Kurden und Türken in der Türkei zu sammeln. Von der PKK habe der Kurde kein Wort gesagt. Die Erklärung selbst sei in deutscher Sprache gewesen. Der Kurde habe weder auf den Text hingewiesen noch ihm Gelegenheit zum Studium der Erklärung gegeben. Weil er dafür sei, dass in der Türkei zwischen Türken und Kurden Frieden herrsche, habe er aufgrund der mündlichen Angaben des Kurden spontan seine Unterschrift gegeben, ohne sich mit dem Inhalt der Erklärung zu beschäftigen bzw. diese zu lesen. Er habe auch nicht gelesen, dass für die Erklärung die PKK verantwortlich gewesen sei, weil eine entsprechende optische Hervorhebung auf der Erklärung nicht vorhanden gewesen sei. Er sei ahnungslos und gutgläubig gewesen und damit das Opfer einer geschickten Werbeaktion der PKK geworden. Er habe nicht das Bewusstsein gehabt, eine Unterstützungserklärung für die PKK abzugeben.
13 
Mit Urteil vom 16.03.2005 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Einbürgerung des Klägers. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, zwar gefährde die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisation KADEK die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Auch sei in der Unterzeichnung der „Selbsterklärung“ der PKK eine Unterstützung dieser verbotenen Organisation zu sehen. Indes führe nicht ausnahmslos jede Unterstützungshandlung zu der Anwendung eines Ausschlussgrundes i.S.v. § 11 Nr. 2 StAG. Bei einer Organisation wie der PKK, die einen erheblich höheren Mobilisierungsgrad aufweise als andere gewaltbereite Gruppen, sei eine Differenzierung erforderlich, um bloße - unpolitische - Mitläufer nicht zu erfassen. Der Ausschlussgrund sei deshalb erst dann erfüllt, wenn Tatsachen vorlägen, die auf eine nachhaltige Unterstützung auch nach dem Wirksamwerden des Verbots der PKK schließen ließen. Solche Tatsachen lägen im Fall des Klägers jedoch nicht vor. Es sei nicht dargetan, dass er die PKK nachhaltig unterstützt habe. Er sei in über zehn Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet nur ein einziges Mal anlässlich eines „Massendelikts“ durch Abgabe der „Selbsterklärung“ aufgefallen. Dies deute darauf hin, dass es sich bei ihm nicht um einen Unterstützer der PKK im eigentlichen Sinne, sondern höchstens um einen im Grunde genommen unpolitischen Mitläufer handle, der möglicherweise lediglich - wie er vortrage - Opfer einer geschickten Werbekampagne der PKK geworden sei.
14 
Mit Beschluss vom 16.08.2005 - 12 S 945/05 - hat der Senat auf Antrag des Beklagten die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. - Der Beschluss wurde dem Beklagten am 05.09.2005 zugestellt.
15 
Mit der am 05.10.2005 eingegangenen Berufungsbegründung führt der Beklagte ergänzend aus: Bei der Frage, ob durch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung ein Ausschlussgrund nach § 11 S. 1 Nr. 2 StAG gegeben sei, sei von entscheidender Bedeutung, ob beim Begriff des „Unterstützens“ i.S.d. Vorschrift auf eine gewisse Nachhaltigkeit abzustellen sei. Eine derartige Differenzierung verbiete sich aber schon nach dem Gesetzeswortlaut. Auch aus der gesetzlichen Begründung ergebe sich, dass der Gesetzgeber eine solche Gewichtung gerade nicht habe vornehmen wollen. Auch Handlungen und Tatbestände, die strafrechtlich noch nicht relevant seien und keine fassbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mit sich brächten, seien von der Vorschrift umfasst. Jede öffentliche oder nicht öffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.d. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG u.a. durch Wort, Schrift und Bild reiche aus. Bei der Abgabe der PKK-Selbsterklärung handle es sich aber sogar um eine erhebliche, strafrechtlich sanktionierte Unterstützung, wie der Bundesgerichtshof festgestellt habe. Auch das Bundesverwaltungsgericht gehe beim identischen Begriff der Unterstützung in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG (jetzt § 54 Nr. 5 AufenthG) davon aus, dass ausnahmslos jede unterstützende Tätigkeit tatbestandsmäßig sei. Eine Relevanz der Unterstützung sei für den Betroffenen nur dann nicht gegeben, wenn die Zielrichtung des Handelns für ihn nicht erkennbar und deshalb nicht zurechenbar gewesen sei. Eine solche fehlende Zurechenbarkeit und Erkennbarkeit könne jedoch bei der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung - von völlig atypischen Fällen abgesehen - nicht angenommen werden. Anders als bei der Teilnahme an manchen Veranstaltungen von inkriminierten Organisationen trete die unterstützende Zielrichtung der PKK-Selbsterklärung offen zutage, wie aus dem letzten Absatz der Erklärung deutlich werde.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. März 2005 - 2 K 2364/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Ergänzend führt er aus, er sei ausschließlich durch die Angaben des Werbers zur Unterschrift veranlasst worden. Dieser habe sich sinngemäß mit den Worten am Arbeitsplatz des Klägers vorgestellt: „Wir sind Kurden, es sterben jeden Tag Kurden wegen Krieg, wir sind für türkisch-kurdischen Frieden!“ und „Für Frieden, Freiheit, Demokratie in der ganzen Türkei!“ Von der PKK habe er kein einziges Wort gesagt. Aufgrund dieser Angaben habe der Kläger seine Unterschrift gegeben, ohne die Erklärung oder auch nur Teile davon zu lesen. Hätte er die Erklärung gelesen, hätte er sie nicht unterschrieben, weil er die gewaltbereite Durchsetzung politischer Ziele durch die PKK nicht billige. Der Werber habe seine Unterschrift - wie auch die anderer potenzieller Unterschriftsleistender - nach Art eines Gebrauchtwagenhändlers mit beschönigenden Angaben unter völliger Ausklammerung der verantwortlichen PKK in der Absicht, so viele Unterschriften wie möglich zu sammeln, erschlichen. Ihm könne allenfalls der Vorwurf gemacht werden, er habe fahrlässig vor Unterzeichnung die Erklärung nicht durchgelesen. Während seines gesamten bisherigen Aufenthaltes in Deutschland habe er an keiner einzigen Demonstration, Veranstaltung oder sonstigen Aktivität für die PKK teilgenommen, weil er deren Bestrebungen aufgrund der Durchsetzung der politischen Ziele mit gewaltsamen Mitteln nicht billige. Er bilde sich seine politische Meinung, indem er regelmäßig Zeitungen wie die Acherner Renchtalzeitung, die Bild-Zeitung und die türkische Zeitung Hürriyet lese. Er stehe in jeder Beziehung auf der Grundlage des Grundgesetzes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.
21 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts Ortenaukreis, die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Freiburg, die Akte der Staatsanwaltschaft Karlsruhe (57 Js 7787/02), die Akte des Verwaltungsgerichts Stuttgart betreffend das Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12928/94) und die Akte des Verwaltungsgerichts Freiburg sowie die in die mündliche Verhandlung vor dem Senat eingeführten Unterlagen vor.
22 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung unter anderem zu den Umständen der Unterzeichnung der Erklärung vom 17.07.2001 angehört. Zum Ergebnis der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 03.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 18.10.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einbürgerung noch kommt eine Ermessenseinbürgerung in Betracht. Das mit der Berufung angegriffene Urteil war dementsprechend abzuändern.
24 
Maßgeblich für die Frage, ob der Kläger einzubürgern ist, ist die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgebliche Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 49; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris). Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Einbürgerungsanspruch ist daher § 10 StAG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950). Allein umstritten ist, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG vorliegen bzw. ob ein Ausschlussgrund i.S.v. § 11 StAG gegeben ist. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG, wonach der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben muss, ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG abzusehen, da der Kläger im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Auch hat er seit mehr als acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Am 05.11.1996 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
25 
Für den Einbürgerungsanspruch eines Ausländers nach § 10 StAG ist Voraussetzung, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder dass er glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG). Im Zusammenhang damit regelt § 11 S. 1 Nr. 2 StAG, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG nicht besteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer die in §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 11 S. 1 Nr. 2 StAG genannten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
26 
Als tatbestandsmäßiges Unterstützen i.S.v. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG ist jede Handlung anzusehen, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG objektiv vorteilhaft ist; dazu zählen etwa die öffentliche oder nicht öffentliche Befürwortung von den in § 11 S. 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen durch Wort, Schrift und Bild, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der in § 11 S. 1 Nr. 2 StAG genannten Ziele (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - juris; Berlit in GK-StAR IV - 2 § 11 RdNrn. 96 ff., Stand Oktober 2005). Entsprechend legt das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, DVBl. 2005, 1203) den Begriff des Unterstützens terroristischer Vereinigungen in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG a.F. bzw. § 54 Nr. 5 AufenthG aus. Danach ist als tatbestandserhebliches Unterstützen - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt. Dies umfasst jedes Tätigwerden eines Nichtmitgliedes, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer (auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten) Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bzw. § 54 Nr. 5 AufenthG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit.
27 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist in der vom Kläger vorgenommenen Unterzeichnung der sog. PKK-Selbsterklärung eine i.S.v. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG maßgebliche Unterstützungshandlung zu sehen (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.2004 - 2 K 913/04 - Vensa; VG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2004 - 8 K 9265/03 -; VG Saarland, Urteil vom 12.04.2005 - 12 K 80/04 - juris; ebenso wohl OVG Hamburg, Beschluss vom 08.09.2005 - 3 BF 172/04 -; a.A. Berlit aaO RdNr. 121, wonach der Ausschlussgrund nur gegeben ist, soweit die Erklärung eine nachhaltige Identifizierung mit der PKK indiziert). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27.03.2003 - 3 StR 377/02 -, NJW 2003, 2621) liegt in der Unterzeichnung der Bekenntniserklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot, sich für die PKK zu betätigen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG). Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, einem Vereinsverbot handele auch ein nicht mitgliedschaftlich und sonst nicht organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein Verhalten auf die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dieser förderlich sei. Auf die Feststellung eines tatsächlich eingetretenen messbaren Nutzens komme es nicht an; es genüge, dass das Täterhandeln konkret geeignet sei, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen. Die PKK-Selbsterklärung sei auf die verbotene Tätigkeit der PKK bezogen und - jedenfalls unter Berücksichtigung der Kampagne, in deren Rahmen sie abgegeben worden sei - konkret geeignet, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung zu entfalten. Eine solche Eignung komme der Erklärung aufgrund der in ihr erklärten Absicht, das Verbot nicht anzuerkennen und sämtliche Verantwortung zu übernehmen, die sich daraus ergebe, in zweifacher Weise zu. Vorteilhafte Wirkungen könnten sich zum einen unmittelbar aus der persönlichen Festlegung jedes Unterzeichners darauf ergeben, das Verbot auch künftig nicht zu beachten und sich von Zuwiderhandlungen selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht abhalten zu lassen. Solche Selbstfestlegungen verschafften den Verantwortlichen der PKK für künftige Aktionen Planungsgrundlagen und erleichterten ihnen so die Fortsetzung der verbotenen Aktivitäten. Zum anderen liege es auf der Hand, dass derartige Bekenntnisse der Tätigkeit der PKK auch über eine durch sie vermittelte Stärkung der Solidarität mit anderen potenziellen Sympathisanten im Hinblick auf künftige verbotene Vereinsaktivitäten förderlich sei. Durch die Beteiligung an der groß angelegten Selbstbekenntnisaktion gebe der Unterzeichner auch anderen kurdischen Landsleuten, die der Sache der PKK nahe stünden, einen Anstoß, sich ihrerseits anzuschließen und auch selbst Bekenntnisse zu unterzeichnen. Hinzu komme, dass den einzelnen Mitgliedern und Sympathisanten bei künftigen verbotenen Aktivitäten die Überschreitung der Schwelle zur Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG in der Gewissheit, nicht allein zu stehen, wesentlich erleichtert werde. Unter diesem Aspekt wirke sich die Unterzeichnung von Selbstbekenntnissen im Rahmen einer groß angelegten Aktion auch schon aktuell vorteilhaft auf die Tätigkeit der PKK aus. Bei einer unmittelbaren Förderung der verbotenen Vereinstätigkeit durch Beteiligung an einer von der Führungsebene der PKK initiierten groß angelegten Kampagne, die auf die Stärkung der Bereitschaft von Sympathisanten zu verbotenen Aktivitäten abziele und eine Verfahrensflut - mit der Folge der Lahmlegung der Strafjustiz - auslösen solle, komme es auf eine Außenwirkung von vorneherein nicht an. Die Erklärungen könnten nicht dahin verstanden werden, dass die Unterzeichner - was durchaus ihr eigentliches und vorrangiges Anliegen sein möge - lediglich Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk forderten und die Überprüfung des Verbots der Betätigung für die PKK sowie dessen Aufhebung verlangten. Vielmehr gehe es den Erklärenden darum, unter allen Umständen, also gerade auch für den von ihnen erwarteten Fall, dass es bei dem Verbot bleibe, durch Selbstfestlegung und Stärkung der Solidarität mit der PKK einen Beitrag zur Fortführung ihrer Tätigkeit zu leisten. Schon durch die das Bekenntnis abschließende Erklärung, dass der Unterzeichner „sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus (also aus der Nichtanerkennung des Verbots) ergebe“, bringe der Unterzeichner unmissverständlich zum Ausdruck, dass er bereit sei, das Verbot, unabhängig von dessen geforderter Aufhebung, zu missachten und die der Zuwiderhandlung nachfolgende strafrechtliche Verfolgung in Kauf zu nehmen.
28 
Bei Anwendung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, hat der Kläger mit der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung die Bestrebungen der PKK unterstützt, weil sie für diese objektiv vorteilhaft gewesen sind. Dass der Kläger nur einer von mehreren zehntausend Unterzeichnern gewesen ist, steht dieser Annahme nicht entgegen, da ein objektiv messbarer Nutzen nicht feststellbar sein muss. Unerheblich ist auch, ob er sich - wie er inzwischen behauptet - der Bedeutung der Erklärung nicht bewusst und Opfer einer „Werbeaktion“ gewesen ist. Nach § 11 S. 1 Nr. 2 StAG muss ein durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützter Verdacht vorliegen, d.h. allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Einbürgerungsbehörde ist für die somit erforderlichen Anknüpfungstatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Diese Anknüpfungstatsachen müssen die Annahme sicherheitsrelevanter Aktivitäten rechtfertigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 aaO). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht nachgewiesen werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - unter Hinweis auf BT-Drcks. 14/533, S. 18). Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Einbürgerungsbewerbers sind in der Regel nicht erforderlich (vgl. Berlit aaO, RdNr. 99). Ein tatsachengestützter Verdacht auf Unterstützung sicherheitsgefährdender Bestrebungen ist daher auch dann gerechtfertigt, wenn der Ausländer behauptet, er sei sich der vorteilhaften Wirkung für die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen nicht bewusst gewesen oder er habe sie nicht bezwecken wollen.
29 
Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, soweit dieses ausgeführt hat, nicht ausnahmslos jede Unterstützungshandlung führe zum Ausschluss des Einbürgerungsanspruchs und bei einer Organisation wie der PKK, die einen erheblich höheren Mobilisierungsgrad habe, erscheine eine Differenzierung erforderlich, um bloße - im Grunde eher unpolitische - Mitläufer nicht mehr zu erfassen. Nach dem Urteil des 13. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 11.07.2002 (aaO) fallen auch Betätigungen unterhalb der Tätigkeit als Funktionär jedenfalls dann unter § 86 Nr. 2 AuslG (entspricht § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG), wenn sie auf eine „nachhaltige“ Unterstützung auch nach dem Wirksamwerden des Verbots der PKK schließen lassen. Berlit (aaO RdNr. 98) vertritt dementsprechend die Auffassung, einzelne Unterstützungshandlungen rechtfertigten als tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme einer Verfolgung oder Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nur (und erst) dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet seien, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit den Bestrebungen zu indizieren.
30 
Dem Wortlaut des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG lassen sich jedoch keine Hinweise für eine derart einschränkende Auslegung des Unterstützungsbegriffs bzw. für eine Einschränkung des weit gezogenen Kreises der einbürgerungsschädlichen Handlungen (vgl. Berlit aaO, RdNr. 94; BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 aaO) entnehmen. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG verlagert den Sicherheitsschutz weit in Handlungsbereiche vor, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und - für sich betrachtet - noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (vgl. Berlit aaO, RdNr. 65 und 89; BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - und Beschluss vom 13.07.2005 - 5 ZB 05.901 - juris). Einbürgerungsschädlich sind damit jedenfalls solche Unterstützungshandlungen, die (objektiv) strafbar sind.
31 
Auch den Motiven des Gesetzgebers, der mit der Einfügung des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. durch Gesetz vom 15.07.1999 (BGBl. I, S. 1618) insbesondere die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindern wollte, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (vgl. BT-Drcks. 14/533, S. 18 f.), lassen sich keine Hinweise auf eine Einschränkung des bewusst weiten Tatbestandes des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entnehmen. Soweit Berlit (aaO RdNr. 98) das Vorliegen von Tatsachen als erforderlich ansieht, die eine dauernde Identifikation mit den sicherheitsgefährdenden Bestrebungen indizieren, werden (indirekt) subjektive Elemente ins Spiel gebracht, obwohl Feststellungen zur inneren Einstellung des Einbürgerungsbewerbers gerade nicht getroffen werden müssen, weil ein tatsachengestützter Verdacht für Unterstützungshandlungen genügt. Dem Umstand, dass keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine dauernde Identifikation mit sicherheitsgefährdenden Bestrebungen vorliegen oder nur eine (strafbare) Unterstützungshandlung von geringem Gewicht vorliegt, kann bei der Prüfung der Frage Rechnung getragen werden, ob sich der Einbürgerungsbewerber glaubhaft von den Bestrebungen abgewandt hat. Gleiches gilt, wenn - wie hier - ein Ermittlungsverfahren nach § 153 b Abs. 1 StPO i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG eingestellt wird.
32 
Die von der PKK zum Zeitpunkt der Abgabe der Selbsterklärung des Klägers verfolgten Bestrebungen waren gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet. Eine entsprechende Feststellung hat der erkennende Gerichtshof (vgl. Urteil vom 11.07.2002 aaO) hinsichtlich eines Zeitraums bis Mitte 1999 aufgrund der von der PKK (auch) in Deutschland verübten Gewalttätigkeiten getroffen; die PKK/ERNK ging danach im Bundesgebiet gewalttätig gegen „Verräter“ in den eigenen Reihen und Angehörige konkurrierender kurdischer Organisationen vor und hat sich damit eine eigene Strafgewalt in Deutschland angemaßt. Es ist auch davon auszugehen, dass die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen zum Zeitpunkt der Abgabe der Selbsterklärung, also im Jahr 2001, aber auch noch heute, Bestrebungen verfolgen, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. Zwar verkündete die PKK auf dem 7. Parteikongress im Januar 2000, sie strebe die Anerkennung der kurdischen Identität und kulturellen Autonomie auf politischem Wege und ohne Gewalt an, und es sind auch seitdem - soweit ersichtlich - keine Anschläge auf türkische oder deutsche Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland seitens der PKK mehr verübt worden. An der strikt hierarchischen und autoritären Struktur der Organisation hat sich aber auch nach der Umbenennung der PKK in KADEK im April 2002 bzw. in KONGRA GEL im November 2003 nichts wesentliches geändert (vgl. Verfassungsschutzbericht 2004 des Bundesministeriums des Innern, S. 232). Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, S. 96) geht davon aus, innerhalb der Organisation herrsche statt freier Meinungsbildung immer noch das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Gewalt sei weiterhin ein Mittel zur Durchsetzung der Ziele. Eine Mobilisierung der Mitglieder und Anhänger für gewalttätige Aktionen sei auch in Baden-Württemberg nach wie vor möglich.
33 
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Guerillaverbände der PKK zum 01. Juni 2004 den aus ihrer Sicht „einseitigen Waffenstillstand“ für beendet erklärt haben. In der zweiten Jahreshälfte 2004 kam es darauf hin zu verstärkten Kampfhandlungen zwischen türkischer Armee und den Guerillaverbänden (vgl. Verfassungsschutzbericht 2004 des Bundes, S. 231). Das Auswärtige Amt berichtet im Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 03.05.2005, seit der Beendigung des „Waffenstillstandes“ sei es im Südosten nach offiziellen Angaben zu über 100 gewaltsamen Zusammenstößen zwischen türkischem Militär und PKK-Terroristen gekommen, bei denen nach einer internen türkischen Statistik zwischen Juni und Oktober 2004 13 Sicherheitskräfte und 57 PKK-Terroristen ums Leben gekommen seien. Eine dauerhafte Abkehr von gewalttätigen Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland ist unter diesen Umständen nicht feststellbar. Zudem wird weiterhin von „Bestrafungsaktionen“ im Rahmen der von der KONGRA GEL alljährlich in Deutschland durchgeführten Spendenkampagne, die auch der Versorgung der Guerillakämpfer in der Türkei und deren Ausstattung mit Waffen und Munition dient, berichtet (vgl. Verfassungsschutz des Landes Baden-Württemberg 2004, S. 100). Allein dies stellt eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.07.1994 - 1 VR 10.93 -, NVwZ 1995, 587; VGH Baden-Württem-berg, Urteil vom 11.07.2002 aaO; BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 -).
34 
Darüber hinaus gefährdet die PKK/KONGRA GEL auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Unter diese Alternative des § 11 S. 1 Nr. 2 StAG fallen Bestrebungen bzw. Organisationen, die im Bundesgebiet selbst keine Gewalt (mehr) anwenden oder vorbereiten, wohl aber im Herkunftsstaat gewalttätig agieren oder - als politische Exilorganisation - dortige Bestrebungen durch Wort („Propaganda“) oder Tat (etwa durch die Überweisung von Spenden; organisatorische bzw. logistische Unterstützung; Anwerbung von „Kämpfern“) unterstützen (vgl. Berlit aaO RdNr. 131). Das Sammeln von Spenden in der Bundesrepublik Deutschland für die Guerillakämpfer in der Türkei stellt sich als Vorbereitungshandlung für die Anwendung von Gewalt in der Türkei dar und gefährdet auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 -; VG Gießen, Urteil vom 03.05.2004 - 10 E 2961/03 - juris; Berlit aaO RdNr. 131, der auf die Hervorhebung der PKK im Gesetzgebungsverfahren hinweist).
35 
Der Kläger hat schließlich nicht im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG glaubhaft machen können, sich von der früheren Unterstützung der durch diese Vorschrift inkriminierten Bestrebungen „abgewandt“ zu haben. Hierfür genügt ein bloß äußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen der früheren Unterstützungshandlungen nicht. Vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang stattgefunden haben, der sich auf die inneren Gründe für die Handlungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen - auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherten Rechtsposition - auszuschließen ist. Bei veränderten Rahmenbedingungen kann eine Abwendung auch dann vorliegen, wenn für eine in der Vergangenheit liegende historisch-politische Situation die Entscheidung für die Verfolgung oder Unterstützung der inkriminierten Bestrebungen weiterhin als richtig behauptet, aber hinreichend deutlich erkennbar wird, dass und aus welchen Gründen sich die Rahmenbedingungen nachhaltig geändert haben und aus diesem Grunde eine von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG angesprochene Tätigkeit nicht mehr angenommen werden kann. Die Abwendung setzt grundsätzlich individuelle Lernprozesse voraus; dazu können aber auch von innerer Akzeptanz getragene kollektive Lernprozesse gehören. Die Glaubhaftmachung der Abwendung erfordert die Vermittlung einer entsprechenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 aaO). Die Dauer der verstrichenen Zeit zwischen der letzten Unterstützungshandlung und der Beurteilung des Einbürgerungsbewerbers kann auf der Ebene der Glaubhaftmachung der Abwendung von früheren Unterstützungshandlungen zu berücksichtigen sein (vgl. Berlit aaO, RdNr. 156 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2004 - 13 S 1276/04 -, InfAuslR 2005, 64; BayVGH, Beschluss vom 13.07.2005 - 5 ZB 05.901 - juris). Auch Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen sind für die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen maßgeblich (vgl. Berlit aaO, RdNr. 158; BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 00.1819 -). Je geringer das Gewicht der Unterstützungshandlungen ist und je länger sie zurückliegen, desto eher wird es dem Einbürgerungsbewerber gelingen, glaubhaft zu machen, dass er sich von den in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen dauerhaft abgewandt hat (vgl. VG Saarland, Urteil vom 12.04.2005 aaO).
36 
Gemessen daran hat der Kläger eine Abwendung bzw. Distanzierung von der durch Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung begangenen Unterstützungshandlung nicht glaubhaft gemacht. Aufgrund der Widersprüche und Ungereimtheiten im Vorbringen des Klägers nimmt der Senat ihm nicht ab, dass er vom Inhalt der sog. PKK-Selbsterklärung und dem Zusammenhang mit der Identitätskampagne der PKK nichts gewusst hat. Seine erstmals mit der Klagebegründung erhobene Behauptung, „der Kurde“ - im Gegensatz dazu war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von zwei Personen die Rede - habe von der PKK kein Wort gesagt und er sei sich nicht bewusst gewesen, eine Erklärung zugunsten der PKK abgegeben zu haben, weil er diese nicht gelesen habe, widerspricht seinen bisherigen Angaben. In der von ihm im Ermittlungsverfahren selbst geschriebenen Stellungnahme vom 17.09.2001 hatte er angegeben, er habe die Friedens-/Versöhnungsbestrebungen der PKK unterstützen wollen. Im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2004 heißt es, die Unterschrift sei von ihm abgegeben worden, weil sich die Kampagne maßgeblich auf angebliche Friedensaktivitäten der PKK bezogen habe. Wenn der Kläger aber die Friedens- bzw. Versöhnungsbestrebungen der PKK durch die Unterschrift unterstützen wollte, muss er sich zumindest der Herkunft der von ihm unterzeichneten Erklärung bewusst gewesen sein. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Vorhalt ausgeführt, die Stellungnahme vom 17.09.2001 sei zwischen den Verwandten, die am selben Tage wie er selbst die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hätten, abgestimmt worden. Dies löst jedoch den Widerspruch nicht auf. Zum einen ist damit nicht ausgedrückt, dass der Inhalt der Stellungnahme vom 17.09.2001 unzutreffend ist. Zum anderen hat sein Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 15.07.2004 die Angabe des Klägers, er habe die Friedensaktivitäten der PKK unterstützen wollen, noch einmal wiederholt. Auch dies spricht dafür, dass die Stellungnahme vom 17.09.2001 jedenfalls insoweit zutreffend war, als sich daraus die Kenntnis des Klägers von der Herkunft der Erklärung ergibt. Dass er dies nunmehr bestreitet, beruht nach Einschätzung des Senats eher auf prozesstaktischen Erwägungen. Zweifel an der behaupteten Abwendung bestehen damit nach wie vor.
37 
Es erscheint auch lebensfremd, dass keine der neun Personen, die bei der Unterschriftenaktion an der Arbeitsstelle des Klägers die PKK-Erklärungen unterzeichnet haben sollen, zumindest die Vermutung geäußert haben soll, die Erklärung stamme von der PKK bzw. die beiden Unterschriftensammler stünden der PKK nahe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab der Kläger an, die beiden Kurden, die die Unterschriften gesammelt hätten, seien ca. eine halbe Stunde lang an seiner Arbeitsstelle gewesen. Es sei Kaffee getrunken worden. Am Ende der Unterredung hätten alle neun Personen ihre Unterschrift geleistet. Von einer Überrumpelung des Klägers - wie dies in der Klagebegründung suggeriert wird, indem vorgetragen wurde, ihm sei keine Gelegenheit zum Studium des Textes der Erklärung gegeben worden und er habe spontan unterschrieben - kann deshalb auch aus seiner Sicht keine Rede sein. Auch jetzt fühlt sich der Kläger von den die Unterschrift verlangenden Personen in keiner Weise getäuscht. Angesichts seiner begrenzten Kenntnisse der deutschen Sprache mag es nachvollziehbar sein, dass er die Erklärung nicht im einzelnen gelesen und verstanden hat. Nicht glaubhaft ist aber, dass Inhalt und Herkunft der Erklärung, die in der Überschrift und im letzten, dem Feld für die Daten und die Unterschrift des Unterzeichners unmittelbar vorangestellten Absatz, aber auch im gesamten Text vielfach die PKK erwähnt, nicht angesprochen worden sein sollen. Es kommt hinzu, dass zur damaligen Zeit von der PKK massenhaft Unterschriften gesammelt worden sind - im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.03.2003 (aaO) ist von ca. 100.000 an die Behörden der Bundesrepublik Deutschland gelangten Erklärungen die Rede -; die Identitätskampagne der PKK dürfte deshalb bei den kurdischen Volkszugehörigen, etwa an der Arbeitsstelle des Klägers Gesprächsthema gewesen sein.
38 
Auffällig ist auch, dass der Kläger sich, wenn ihm der Inhalt von ihm unterzeichneter Erklärungen vorgehalten wurde, mehrfach darauf berufen hat, er kenne den Inhalt nicht bzw. die Erklärung sei nicht von ihm selbst formuliert worden. Sowohl hinsichtlich der hier streitigen PKK-Erklärung als auch hinsichtlich der von ihm gefertigten Stellungnahme vom 17.09.2001 sowie im Zusammenhang mit dem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 23.11.2003 ist dieses Aussageverhalten festzustellen. Auch dies deutet darauf hin, dass er sich der eigentlichen Problematik einer Unterstützung der PKK zu entziehen versucht. Da der Senat aufgrund der Widersprüche und Ungereimtheiten im Vortrag und in seinem Verhalten nicht davon überzeugt ist, dass er von der Herkunft der PKK-Erklärung nichts gewusst hat, ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er nicht erneut die PKK unterstützen wird. Seine Äußerung, die deutschen Gesetze (= das Verbot der PKK) gälten auch für ihn, genügt hierfür nicht.
39 
Wegen des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG hat der Kläger auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Einbürgerung nach § 8 StAG. In einer solchen Fallgestaltung ist das Ermessen in der Weise reduziert, dass lediglich die Versagung der Einbürgerung ermessensfehlerfrei möglich wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 aaO; Nr. 8.1.2.5 StAR-VwV). Offen bleiben kann, ob Ausschlussgründe nach § 11 Satz 1 StAG - wofür der Wortlaut spricht - nur den Rechtsanspruch, nicht aber eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 10 StAG ausschließen (so Berlit aaO, Rdnr.4 ff.). Denn im Regelfall ist eine Versagung der Ermessenseinbürgerung jedenfalls im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StAG als gesetzlich gewollt anzusehen, so dass nur ausnahmsweise davon abgesehen werden kann (vgl. Berlit aaO, Rdnr. 202 f.). Eine atypische Situation, die eine solche Annahme nahe legen könnte, ist hier nicht gegeben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Gründe

 
23 
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 03.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 18.10.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einbürgerung noch kommt eine Ermessenseinbürgerung in Betracht. Das mit der Berufung angegriffene Urteil war dementsprechend abzuändern.
24 
Maßgeblich für die Frage, ob der Kläger einzubürgern ist, ist die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgebliche Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 49; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris). Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Einbürgerungsanspruch ist daher § 10 StAG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950). Allein umstritten ist, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG vorliegen bzw. ob ein Ausschlussgrund i.S.v. § 11 StAG gegeben ist. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG, wonach der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben muss, ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG abzusehen, da der Kläger im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Auch hat er seit mehr als acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Am 05.11.1996 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
25 
Für den Einbürgerungsanspruch eines Ausländers nach § 10 StAG ist Voraussetzung, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder dass er glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG). Im Zusammenhang damit regelt § 11 S. 1 Nr. 2 StAG, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG nicht besteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer die in §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 11 S. 1 Nr. 2 StAG genannten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
26 
Als tatbestandsmäßiges Unterstützen i.S.v. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG ist jede Handlung anzusehen, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG objektiv vorteilhaft ist; dazu zählen etwa die öffentliche oder nicht öffentliche Befürwortung von den in § 11 S. 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen durch Wort, Schrift und Bild, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der in § 11 S. 1 Nr. 2 StAG genannten Ziele (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - juris; Berlit in GK-StAR IV - 2 § 11 RdNrn. 96 ff., Stand Oktober 2005). Entsprechend legt das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, DVBl. 2005, 1203) den Begriff des Unterstützens terroristischer Vereinigungen in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG a.F. bzw. § 54 Nr. 5 AufenthG aus. Danach ist als tatbestandserhebliches Unterstützen - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt. Dies umfasst jedes Tätigwerden eines Nichtmitgliedes, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer (auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten) Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bzw. § 54 Nr. 5 AufenthG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit.
27 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist in der vom Kläger vorgenommenen Unterzeichnung der sog. PKK-Selbsterklärung eine i.S.v. § 11 S. 1 Nr. 2 StAG maßgebliche Unterstützungshandlung zu sehen (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.2004 - 2 K 913/04 - Vensa; VG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2004 - 8 K 9265/03 -; VG Saarland, Urteil vom 12.04.2005 - 12 K 80/04 - juris; ebenso wohl OVG Hamburg, Beschluss vom 08.09.2005 - 3 BF 172/04 -; a.A. Berlit aaO RdNr. 121, wonach der Ausschlussgrund nur gegeben ist, soweit die Erklärung eine nachhaltige Identifizierung mit der PKK indiziert). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27.03.2003 - 3 StR 377/02 -, NJW 2003, 2621) liegt in der Unterzeichnung der Bekenntniserklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot, sich für die PKK zu betätigen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG). Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, einem Vereinsverbot handele auch ein nicht mitgliedschaftlich und sonst nicht organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein Verhalten auf die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dieser förderlich sei. Auf die Feststellung eines tatsächlich eingetretenen messbaren Nutzens komme es nicht an; es genüge, dass das Täterhandeln konkret geeignet sei, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen. Die PKK-Selbsterklärung sei auf die verbotene Tätigkeit der PKK bezogen und - jedenfalls unter Berücksichtigung der Kampagne, in deren Rahmen sie abgegeben worden sei - konkret geeignet, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung zu entfalten. Eine solche Eignung komme der Erklärung aufgrund der in ihr erklärten Absicht, das Verbot nicht anzuerkennen und sämtliche Verantwortung zu übernehmen, die sich daraus ergebe, in zweifacher Weise zu. Vorteilhafte Wirkungen könnten sich zum einen unmittelbar aus der persönlichen Festlegung jedes Unterzeichners darauf ergeben, das Verbot auch künftig nicht zu beachten und sich von Zuwiderhandlungen selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht abhalten zu lassen. Solche Selbstfestlegungen verschafften den Verantwortlichen der PKK für künftige Aktionen Planungsgrundlagen und erleichterten ihnen so die Fortsetzung der verbotenen Aktivitäten. Zum anderen liege es auf der Hand, dass derartige Bekenntnisse der Tätigkeit der PKK auch über eine durch sie vermittelte Stärkung der Solidarität mit anderen potenziellen Sympathisanten im Hinblick auf künftige verbotene Vereinsaktivitäten förderlich sei. Durch die Beteiligung an der groß angelegten Selbstbekenntnisaktion gebe der Unterzeichner auch anderen kurdischen Landsleuten, die der Sache der PKK nahe stünden, einen Anstoß, sich ihrerseits anzuschließen und auch selbst Bekenntnisse zu unterzeichnen. Hinzu komme, dass den einzelnen Mitgliedern und Sympathisanten bei künftigen verbotenen Aktivitäten die Überschreitung der Schwelle zur Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG in der Gewissheit, nicht allein zu stehen, wesentlich erleichtert werde. Unter diesem Aspekt wirke sich die Unterzeichnung von Selbstbekenntnissen im Rahmen einer groß angelegten Aktion auch schon aktuell vorteilhaft auf die Tätigkeit der PKK aus. Bei einer unmittelbaren Förderung der verbotenen Vereinstätigkeit durch Beteiligung an einer von der Führungsebene der PKK initiierten groß angelegten Kampagne, die auf die Stärkung der Bereitschaft von Sympathisanten zu verbotenen Aktivitäten abziele und eine Verfahrensflut - mit der Folge der Lahmlegung der Strafjustiz - auslösen solle, komme es auf eine Außenwirkung von vorneherein nicht an. Die Erklärungen könnten nicht dahin verstanden werden, dass die Unterzeichner - was durchaus ihr eigentliches und vorrangiges Anliegen sein möge - lediglich Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk forderten und die Überprüfung des Verbots der Betätigung für die PKK sowie dessen Aufhebung verlangten. Vielmehr gehe es den Erklärenden darum, unter allen Umständen, also gerade auch für den von ihnen erwarteten Fall, dass es bei dem Verbot bleibe, durch Selbstfestlegung und Stärkung der Solidarität mit der PKK einen Beitrag zur Fortführung ihrer Tätigkeit zu leisten. Schon durch die das Bekenntnis abschließende Erklärung, dass der Unterzeichner „sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus (also aus der Nichtanerkennung des Verbots) ergebe“, bringe der Unterzeichner unmissverständlich zum Ausdruck, dass er bereit sei, das Verbot, unabhängig von dessen geforderter Aufhebung, zu missachten und die der Zuwiderhandlung nachfolgende strafrechtliche Verfolgung in Kauf zu nehmen.
28 
Bei Anwendung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, hat der Kläger mit der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung die Bestrebungen der PKK unterstützt, weil sie für diese objektiv vorteilhaft gewesen sind. Dass der Kläger nur einer von mehreren zehntausend Unterzeichnern gewesen ist, steht dieser Annahme nicht entgegen, da ein objektiv messbarer Nutzen nicht feststellbar sein muss. Unerheblich ist auch, ob er sich - wie er inzwischen behauptet - der Bedeutung der Erklärung nicht bewusst und Opfer einer „Werbeaktion“ gewesen ist. Nach § 11 S. 1 Nr. 2 StAG muss ein durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützter Verdacht vorliegen, d.h. allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Einbürgerungsbehörde ist für die somit erforderlichen Anknüpfungstatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Diese Anknüpfungstatsachen müssen die Annahme sicherheitsrelevanter Aktivitäten rechtfertigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 aaO). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht nachgewiesen werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - unter Hinweis auf BT-Drcks. 14/533, S. 18). Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Einbürgerungsbewerbers sind in der Regel nicht erforderlich (vgl. Berlit aaO, RdNr. 99). Ein tatsachengestützter Verdacht auf Unterstützung sicherheitsgefährdender Bestrebungen ist daher auch dann gerechtfertigt, wenn der Ausländer behauptet, er sei sich der vorteilhaften Wirkung für die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen nicht bewusst gewesen oder er habe sie nicht bezwecken wollen.
29 
Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, soweit dieses ausgeführt hat, nicht ausnahmslos jede Unterstützungshandlung führe zum Ausschluss des Einbürgerungsanspruchs und bei einer Organisation wie der PKK, die einen erheblich höheren Mobilisierungsgrad habe, erscheine eine Differenzierung erforderlich, um bloße - im Grunde eher unpolitische - Mitläufer nicht mehr zu erfassen. Nach dem Urteil des 13. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 11.07.2002 (aaO) fallen auch Betätigungen unterhalb der Tätigkeit als Funktionär jedenfalls dann unter § 86 Nr. 2 AuslG (entspricht § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG), wenn sie auf eine „nachhaltige“ Unterstützung auch nach dem Wirksamwerden des Verbots der PKK schließen lassen. Berlit (aaO RdNr. 98) vertritt dementsprechend die Auffassung, einzelne Unterstützungshandlungen rechtfertigten als tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme einer Verfolgung oder Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nur (und erst) dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet seien, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit den Bestrebungen zu indizieren.
30 
Dem Wortlaut des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG lassen sich jedoch keine Hinweise für eine derart einschränkende Auslegung des Unterstützungsbegriffs bzw. für eine Einschränkung des weit gezogenen Kreises der einbürgerungsschädlichen Handlungen (vgl. Berlit aaO, RdNr. 94; BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 aaO) entnehmen. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG verlagert den Sicherheitsschutz weit in Handlungsbereiche vor, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und - für sich betrachtet - noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (vgl. Berlit aaO, RdNr. 65 und 89; BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - und Beschluss vom 13.07.2005 - 5 ZB 05.901 - juris). Einbürgerungsschädlich sind damit jedenfalls solche Unterstützungshandlungen, die (objektiv) strafbar sind.
31 
Auch den Motiven des Gesetzgebers, der mit der Einfügung des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. durch Gesetz vom 15.07.1999 (BGBl. I, S. 1618) insbesondere die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindern wollte, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (vgl. BT-Drcks. 14/533, S. 18 f.), lassen sich keine Hinweise auf eine Einschränkung des bewusst weiten Tatbestandes des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entnehmen. Soweit Berlit (aaO RdNr. 98) das Vorliegen von Tatsachen als erforderlich ansieht, die eine dauernde Identifikation mit den sicherheitsgefährdenden Bestrebungen indizieren, werden (indirekt) subjektive Elemente ins Spiel gebracht, obwohl Feststellungen zur inneren Einstellung des Einbürgerungsbewerbers gerade nicht getroffen werden müssen, weil ein tatsachengestützter Verdacht für Unterstützungshandlungen genügt. Dem Umstand, dass keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine dauernde Identifikation mit sicherheitsgefährdenden Bestrebungen vorliegen oder nur eine (strafbare) Unterstützungshandlung von geringem Gewicht vorliegt, kann bei der Prüfung der Frage Rechnung getragen werden, ob sich der Einbürgerungsbewerber glaubhaft von den Bestrebungen abgewandt hat. Gleiches gilt, wenn - wie hier - ein Ermittlungsverfahren nach § 153 b Abs. 1 StPO i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG eingestellt wird.
32 
Die von der PKK zum Zeitpunkt der Abgabe der Selbsterklärung des Klägers verfolgten Bestrebungen waren gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet. Eine entsprechende Feststellung hat der erkennende Gerichtshof (vgl. Urteil vom 11.07.2002 aaO) hinsichtlich eines Zeitraums bis Mitte 1999 aufgrund der von der PKK (auch) in Deutschland verübten Gewalttätigkeiten getroffen; die PKK/ERNK ging danach im Bundesgebiet gewalttätig gegen „Verräter“ in den eigenen Reihen und Angehörige konkurrierender kurdischer Organisationen vor und hat sich damit eine eigene Strafgewalt in Deutschland angemaßt. Es ist auch davon auszugehen, dass die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen zum Zeitpunkt der Abgabe der Selbsterklärung, also im Jahr 2001, aber auch noch heute, Bestrebungen verfolgen, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. Zwar verkündete die PKK auf dem 7. Parteikongress im Januar 2000, sie strebe die Anerkennung der kurdischen Identität und kulturellen Autonomie auf politischem Wege und ohne Gewalt an, und es sind auch seitdem - soweit ersichtlich - keine Anschläge auf türkische oder deutsche Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland seitens der PKK mehr verübt worden. An der strikt hierarchischen und autoritären Struktur der Organisation hat sich aber auch nach der Umbenennung der PKK in KADEK im April 2002 bzw. in KONGRA GEL im November 2003 nichts wesentliches geändert (vgl. Verfassungsschutzbericht 2004 des Bundesministeriums des Innern, S. 232). Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, S. 96) geht davon aus, innerhalb der Organisation herrsche statt freier Meinungsbildung immer noch das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Gewalt sei weiterhin ein Mittel zur Durchsetzung der Ziele. Eine Mobilisierung der Mitglieder und Anhänger für gewalttätige Aktionen sei auch in Baden-Württemberg nach wie vor möglich.
33 
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Guerillaverbände der PKK zum 01. Juni 2004 den aus ihrer Sicht „einseitigen Waffenstillstand“ für beendet erklärt haben. In der zweiten Jahreshälfte 2004 kam es darauf hin zu verstärkten Kampfhandlungen zwischen türkischer Armee und den Guerillaverbänden (vgl. Verfassungsschutzbericht 2004 des Bundes, S. 231). Das Auswärtige Amt berichtet im Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 03.05.2005, seit der Beendigung des „Waffenstillstandes“ sei es im Südosten nach offiziellen Angaben zu über 100 gewaltsamen Zusammenstößen zwischen türkischem Militär und PKK-Terroristen gekommen, bei denen nach einer internen türkischen Statistik zwischen Juni und Oktober 2004 13 Sicherheitskräfte und 57 PKK-Terroristen ums Leben gekommen seien. Eine dauerhafte Abkehr von gewalttätigen Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland ist unter diesen Umständen nicht feststellbar. Zudem wird weiterhin von „Bestrafungsaktionen“ im Rahmen der von der KONGRA GEL alljährlich in Deutschland durchgeführten Spendenkampagne, die auch der Versorgung der Guerillakämpfer in der Türkei und deren Ausstattung mit Waffen und Munition dient, berichtet (vgl. Verfassungsschutz des Landes Baden-Württemberg 2004, S. 100). Allein dies stellt eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.07.1994 - 1 VR 10.93 -, NVwZ 1995, 587; VGH Baden-Württem-berg, Urteil vom 11.07.2002 aaO; BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 -).
34 
Darüber hinaus gefährdet die PKK/KONGRA GEL auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Unter diese Alternative des § 11 S. 1 Nr. 2 StAG fallen Bestrebungen bzw. Organisationen, die im Bundesgebiet selbst keine Gewalt (mehr) anwenden oder vorbereiten, wohl aber im Herkunftsstaat gewalttätig agieren oder - als politische Exilorganisation - dortige Bestrebungen durch Wort („Propaganda“) oder Tat (etwa durch die Überweisung von Spenden; organisatorische bzw. logistische Unterstützung; Anwerbung von „Kämpfern“) unterstützen (vgl. Berlit aaO RdNr. 131). Das Sammeln von Spenden in der Bundesrepublik Deutschland für die Guerillakämpfer in der Türkei stellt sich als Vorbereitungshandlung für die Anwendung von Gewalt in der Türkei dar und gefährdet auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 -; VG Gießen, Urteil vom 03.05.2004 - 10 E 2961/03 - juris; Berlit aaO RdNr. 131, der auf die Hervorhebung der PKK im Gesetzgebungsverfahren hinweist).
35 
Der Kläger hat schließlich nicht im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG glaubhaft machen können, sich von der früheren Unterstützung der durch diese Vorschrift inkriminierten Bestrebungen „abgewandt“ zu haben. Hierfür genügt ein bloß äußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen der früheren Unterstützungshandlungen nicht. Vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang stattgefunden haben, der sich auf die inneren Gründe für die Handlungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen - auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherten Rechtsposition - auszuschließen ist. Bei veränderten Rahmenbedingungen kann eine Abwendung auch dann vorliegen, wenn für eine in der Vergangenheit liegende historisch-politische Situation die Entscheidung für die Verfolgung oder Unterstützung der inkriminierten Bestrebungen weiterhin als richtig behauptet, aber hinreichend deutlich erkennbar wird, dass und aus welchen Gründen sich die Rahmenbedingungen nachhaltig geändert haben und aus diesem Grunde eine von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG angesprochene Tätigkeit nicht mehr angenommen werden kann. Die Abwendung setzt grundsätzlich individuelle Lernprozesse voraus; dazu können aber auch von innerer Akzeptanz getragene kollektive Lernprozesse gehören. Die Glaubhaftmachung der Abwendung erfordert die Vermittlung einer entsprechenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 aaO). Die Dauer der verstrichenen Zeit zwischen der letzten Unterstützungshandlung und der Beurteilung des Einbürgerungsbewerbers kann auf der Ebene der Glaubhaftmachung der Abwendung von früheren Unterstützungshandlungen zu berücksichtigen sein (vgl. Berlit aaO, RdNr. 156 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2004 - 13 S 1276/04 -, InfAuslR 2005, 64; BayVGH, Beschluss vom 13.07.2005 - 5 ZB 05.901 - juris). Auch Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen sind für die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen maßgeblich (vgl. Berlit aaO, RdNr. 158; BayVGH, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 00.1819 -). Je geringer das Gewicht der Unterstützungshandlungen ist und je länger sie zurückliegen, desto eher wird es dem Einbürgerungsbewerber gelingen, glaubhaft zu machen, dass er sich von den in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen dauerhaft abgewandt hat (vgl. VG Saarland, Urteil vom 12.04.2005 aaO).
36 
Gemessen daran hat der Kläger eine Abwendung bzw. Distanzierung von der durch Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung begangenen Unterstützungshandlung nicht glaubhaft gemacht. Aufgrund der Widersprüche und Ungereimtheiten im Vorbringen des Klägers nimmt der Senat ihm nicht ab, dass er vom Inhalt der sog. PKK-Selbsterklärung und dem Zusammenhang mit der Identitätskampagne der PKK nichts gewusst hat. Seine erstmals mit der Klagebegründung erhobene Behauptung, „der Kurde“ - im Gegensatz dazu war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von zwei Personen die Rede - habe von der PKK kein Wort gesagt und er sei sich nicht bewusst gewesen, eine Erklärung zugunsten der PKK abgegeben zu haben, weil er diese nicht gelesen habe, widerspricht seinen bisherigen Angaben. In der von ihm im Ermittlungsverfahren selbst geschriebenen Stellungnahme vom 17.09.2001 hatte er angegeben, er habe die Friedens-/Versöhnungsbestrebungen der PKK unterstützen wollen. Im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2004 heißt es, die Unterschrift sei von ihm abgegeben worden, weil sich die Kampagne maßgeblich auf angebliche Friedensaktivitäten der PKK bezogen habe. Wenn der Kläger aber die Friedens- bzw. Versöhnungsbestrebungen der PKK durch die Unterschrift unterstützen wollte, muss er sich zumindest der Herkunft der von ihm unterzeichneten Erklärung bewusst gewesen sein. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Vorhalt ausgeführt, die Stellungnahme vom 17.09.2001 sei zwischen den Verwandten, die am selben Tage wie er selbst die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hätten, abgestimmt worden. Dies löst jedoch den Widerspruch nicht auf. Zum einen ist damit nicht ausgedrückt, dass der Inhalt der Stellungnahme vom 17.09.2001 unzutreffend ist. Zum anderen hat sein Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 15.07.2004 die Angabe des Klägers, er habe die Friedensaktivitäten der PKK unterstützen wollen, noch einmal wiederholt. Auch dies spricht dafür, dass die Stellungnahme vom 17.09.2001 jedenfalls insoweit zutreffend war, als sich daraus die Kenntnis des Klägers von der Herkunft der Erklärung ergibt. Dass er dies nunmehr bestreitet, beruht nach Einschätzung des Senats eher auf prozesstaktischen Erwägungen. Zweifel an der behaupteten Abwendung bestehen damit nach wie vor.
37 
Es erscheint auch lebensfremd, dass keine der neun Personen, die bei der Unterschriftenaktion an der Arbeitsstelle des Klägers die PKK-Erklärungen unterzeichnet haben sollen, zumindest die Vermutung geäußert haben soll, die Erklärung stamme von der PKK bzw. die beiden Unterschriftensammler stünden der PKK nahe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab der Kläger an, die beiden Kurden, die die Unterschriften gesammelt hätten, seien ca. eine halbe Stunde lang an seiner Arbeitsstelle gewesen. Es sei Kaffee getrunken worden. Am Ende der Unterredung hätten alle neun Personen ihre Unterschrift geleistet. Von einer Überrumpelung des Klägers - wie dies in der Klagebegründung suggeriert wird, indem vorgetragen wurde, ihm sei keine Gelegenheit zum Studium des Textes der Erklärung gegeben worden und er habe spontan unterschrieben - kann deshalb auch aus seiner Sicht keine Rede sein. Auch jetzt fühlt sich der Kläger von den die Unterschrift verlangenden Personen in keiner Weise getäuscht. Angesichts seiner begrenzten Kenntnisse der deutschen Sprache mag es nachvollziehbar sein, dass er die Erklärung nicht im einzelnen gelesen und verstanden hat. Nicht glaubhaft ist aber, dass Inhalt und Herkunft der Erklärung, die in der Überschrift und im letzten, dem Feld für die Daten und die Unterschrift des Unterzeichners unmittelbar vorangestellten Absatz, aber auch im gesamten Text vielfach die PKK erwähnt, nicht angesprochen worden sein sollen. Es kommt hinzu, dass zur damaligen Zeit von der PKK massenhaft Unterschriften gesammelt worden sind - im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.03.2003 (aaO) ist von ca. 100.000 an die Behörden der Bundesrepublik Deutschland gelangten Erklärungen die Rede -; die Identitätskampagne der PKK dürfte deshalb bei den kurdischen Volkszugehörigen, etwa an der Arbeitsstelle des Klägers Gesprächsthema gewesen sein.
38 
Auffällig ist auch, dass der Kläger sich, wenn ihm der Inhalt von ihm unterzeichneter Erklärungen vorgehalten wurde, mehrfach darauf berufen hat, er kenne den Inhalt nicht bzw. die Erklärung sei nicht von ihm selbst formuliert worden. Sowohl hinsichtlich der hier streitigen PKK-Erklärung als auch hinsichtlich der von ihm gefertigten Stellungnahme vom 17.09.2001 sowie im Zusammenhang mit dem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 23.11.2003 ist dieses Aussageverhalten festzustellen. Auch dies deutet darauf hin, dass er sich der eigentlichen Problematik einer Unterstützung der PKK zu entziehen versucht. Da der Senat aufgrund der Widersprüche und Ungereimtheiten im Vortrag und in seinem Verhalten nicht davon überzeugt ist, dass er von der Herkunft der PKK-Erklärung nichts gewusst hat, ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er nicht erneut die PKK unterstützen wird. Seine Äußerung, die deutschen Gesetze (= das Verbot der PKK) gälten auch für ihn, genügt hierfür nicht.
39 
Wegen des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG hat der Kläger auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Einbürgerung nach § 8 StAG. In einer solchen Fallgestaltung ist das Ermessen in der Weise reduziert, dass lediglich die Versagung der Einbürgerung ermessensfehlerfrei möglich wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 aaO; Nr. 8.1.2.5 StAR-VwV). Offen bleiben kann, ob Ausschlussgründe nach § 11 Satz 1 StAG - wofür der Wortlaut spricht - nur den Rechtsanspruch, nicht aber eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 10 StAG ausschließen (so Berlit aaO, Rdnr.4 ff.). Denn im Regelfall ist eine Versagung der Ermessenseinbürgerung jedenfalls im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StAG als gesetzlich gewollt anzusehen, so dass nur ausnahmsweise davon abgesehen werden kann (vgl. Berlit aaO, Rdnr. 202 f.). Eine atypische Situation, die eine solche Annahme nahe legen könnte, ist hier nicht gegeben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Sonstige Literatur

 
42 
Rechtsmittelbelehrung
43 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
44 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
45 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
46 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
47 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert wird gem. § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 42.1) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
50 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau und seinen vier ältesten Kindern im Januar 1990 in das Bundesgebiet ein, beantragte die Gewährung politischen Asyls und gab an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein.

Am 22.11.1991 machten er und seine Ehefrau ausweislich notarieller Urkunde gleichen Datums - Urkundenrolle-Nr. .../1991 - (Bl. 12 - 14 d. Verwaltungsakte) im Rahmen einer Versicherung an Eides statt unter Hinzuziehung eines für die arabische Sprache - nicht hingegen für türkisch oder kurdisch - vereidigten Dolmetschers Angaben zu den Geburtsdaten und -orten der einzelnen Familienmitglieder (jeweils Beirut) sowie zu Tag und Ort ihrer Eheschließung (ebenfalls Beirut). Weitere Schriftstücke zu Herkunft und Abstammung des Klägers befinden sich in der Verwaltungsakte in Gestalt von Übersetzungen den Libanon betreffender Aufenthaltserlaubnisse seiner Eltern, die - ausweislich der Übersetzungen - am 23.7.1975 (Vater) bzw. am 21.8.1975 (Mutter) von der Libanesischen Republik - Innenministerium - ausgestellt worden sind und hinsichtlich der Nationalität jeweils den Eintrag „ungeklärt“ enthalten (Bl. 227 und 228 d. Verwaltungsakte).

Nach rechtskräftiger Abweisung der Asylklage im März 1993 wurden dem seit Dezember 1993 verwitweten Kläger und seinen zwischenzeitlich sechs Kindern am 14.11.1996 auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse aufgrund der Härtefallregelung für Familien mit langjährigem Aufenthalt erteilt, deren Geltung später mehrfach verlängert wurde. Seit 1997 ist der Kläger erwerbstätig, hat aber zunächst noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt der Familie bezogen, die zum 1.2.2002 eingestellt werden konnte, weil das Familieneinkommen seitdem zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht.

Am 19.7.2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Er gab in dem entsprechenden Antragsformular hinsichtlich seiner Selbst, seiner verstorbenen Ehefrau, seiner Kinder und seiner Eltern an, staatenlose kurdische Volkszugehörige zu sein, und beantwortete die Fragen „wehrpflichtig“ bzw. „anderer Militärdienst“ jeweils durch Ankreuzen der Antwort „nein“. In den Rubriken „vom Wehrdienst befreit“ bzw. „Wehrdienst abgeleistet“ befinden sich keine Eintragungen. Zu seinem bisherigen Aufenthalt gab er an, von seiner Geburt bis Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben.

Am 9.9.2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Während des Einbürgerungsverfahrens aufgetretene Zweifel an der Herkunft des Klägers aus dem Libanon bestätigten sich im Rahmen einer im Oktober/November 2004 durchgeführten erkennungsdienstlichen Überprüfung seiner Identität nicht.

Am 3.12.2004 wurde der Kläger durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingebürgert. Seine Kinder wurden unter gleichem Datum bzw. unter dem Datum 6.5.2005 eingebürgert.

Im Juni/Juli 2005 teilte die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim der für den Kläger zuständig gewesenen Ausländerbehörde unter Vorlage eines türkischen Registerauszugs mit, dass Anhaltspunkte für eine türkische Staatsangehörigkeit des Klägers bestünden. Ein Personenfeststellungsverfahren unter Beteiligung von Interpol Ankara ergab im Dezember 2006, dass der Kläger als türkischer Staatsbürger registriert ist.

Zu diesen Erkenntnissen und der auf sie gestützten Absicht der Rücknahme seiner Einbürgerung wurde der Kläger durch Schreiben des Beklagten vom 22.5.2007 angehört.

Mit Schreiben vom 31.7.2007 ließ er sich dahingehend ein, dass er kurdischer Volkszugehöriger und in Beirut geboren sei. Dort habe er bis 1976 gelebt und sei dann wegen des Ausbruchs des Bürgerkrieges mit seinen Eltern und der gesamten Familie in die Türkei geflohen, wo sein Vater Verwandtschaft gehabt habe. Da die Familienmitglieder die libanesische Staatsangehörigkeit nicht besessen hätten, hätten sie keine libanesischen Pässe, sondern nur Laissez-Passer als Identitätspapiere gehabt, mit denen sie nicht in die Türkei hätten einreisen können. Aus Erzählungen des Vaters wisse er, dass dieser die Grenzbeamten bestochen habe, um die Einreise in die Türkei zu bewerkstelligen und türkische Pässe, ausgestellt auf den türkischen Namen K. - A. sei ein arabischer Name -, zu beschaffen. In der Folge habe er auch den zweijährigen türkischen Wehrdienst abgeleistet. Als sich die Lage im Libanon um1980 beruhigt habe, sei die Familie dorthin zurückgekehrt, sei aber etwa 1982 wegen Verschlechterung der politischen Lage erneut in die Türkei ausgewandert. Dieses Hin und Her habe sich in der Folgezeit wiederholt. 1990 habe er sich im Libanon befunden und sei von dort unter seinem richtigen libanesischen (arabischen) Namen A. in die Bundesrepublik ausgereist. Bei der Einreise habe er sein libanesisches Laissez-Passer vorgelegt.

Am 16.4.2009 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Merzig von dem strafrechtlichen Vorwurf, durch falsche Angaben gegen das Ausländergesetz verstoßen und eine mittelbare Falschbeurkundung begangen zu haben, mangels Nachweises der türkischen Staatsangehörigkeit freigesprochen (25 Cs 24 Js 1557/02).

Durch Bescheid vom 9.9.2009, zugestellt am 10.9.2009, nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers unter Rückforderung der Einbürgerungsurkunde und Festsetzung einer Verwaltungsgebühr von 255,- Euro nach § 35 StAG rückwirkend zum 3.12.2004 zurück, da der Inlandsaufenthalt und die Einbürgerung durch arglistige Täuschung in Gestalt des Vorspiegelns falscher Personalien und bewussten Verschweigens persönlicher Verhältnisse erwirkt worden seien und der Kläger daher keinen Vertrauensschutz genieße. Hinsichtlich der Kinder des Klägers sind keine entsprechenden Verfahren eingeleitet worden.

Gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung hat der Kläger am 16.9.2009 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe keine falsche Identität vorgetäuscht, da er von seiner Abstammung her staatenloser kurdischer Volkszugehöriger sei. Die türkische Staatsangehörigkeit habe er nie besessen und auch 1976 nicht erworben, da die Bestechung der türkischen Grenzbeamten keine ordnungsgemäße Einbürgerung bewirkt habe. Seine Angaben im Einbürgerungsformular zum Thema Wehrdienst seien nicht falsch gewesen, da er die Fragen auf sein Herkunftsland Libanon bezogen und diesbezüglich vollständig und zutreffend beantwortet habe. Mangels damaliger Beherrschung der deutschen Schriftsprache habe er die Ausfüllung des Formulars seinem ältesten Kind überlassen. Auch im strafgerichtlichen Verfahren habe sich der Vorwurf falscher Angaben nicht bestätigt. Die Festsetzung der Höchstgebühr als Verwaltungsgebühr sei nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der strafgerichtliche Freispruch ändere nichts daran, dass der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. So habe er bewusst alle Angaben, die auf einen Bezug zur Türkei hingedeutet hätten, unterlassen, um seine Einbürgerung nicht zu gefährden. Seine diesbezüglichen Erklärungsversuche überzeugten weder rechtlich noch tatsächlich und müssten als Schutzbehauptungen bewertet werden.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.9.2010 ergangenes Urteil, dem Beklagten zugestellt am 3.11.2010, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der die Rücknahme einer Einbürgerung regelnden Vorschrift des § 35 StAG erfüllt seien, da der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. Ungeachtet der Frage, ob § 35 StAG der Behörde ein intendiertes oder ein freies Ermessen einräume, fehle es an einer ordnungsgemäßen, den Verhältnismäßigkeitgrundsatz im Einzelfall angemessen berücksichtigenden Ermessensbetätigung, die auch im Rahmen eines intendierten Ermessens unabdingbar sei. Dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände im Staatsangehörigkeitsrecht sei durchschlagendes Gewicht beigemessen worden, ohne die besonderen Lebensumstände des Klägers - insbesondere seine gelungene wirtschaftliche und soziale Integration, seine nachgewiesen ausgezeichneten Deutschkenntnisse und seine strafrechtliche Unbescholtenheit - sowie die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahme bereits fast verstrichen war, in die Abwägung einzubeziehen und ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten.

Der Beklagte hat am 25.11.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.12.2010, eingegangen am 23.12.2010, begründet.

Seines Erachtens steht außer Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind. Der Kläger habe sowohl im ausländerrechtlichen Verfahren wie auch im Einbürgerungsverfahren über seine Staatsangehörigkeit getäuscht, da er seine Aufenthalte in der Türkei, seine dortige Registrierung als türkischer Staatsangehöriger und die Tatsache, in der Türkei Wehrdienst abgeleistet zu haben, verschwiegen habe. Hierdurch habe er zunächst ein Daueraufenthaltsrecht und sodann seine Einbürgerung erlangt, letzteres ohne zuvor das Verfahren zur Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit zu durchlaufen. Durch die so erschlichene Einbürgerung sei die Ausländerbehörde unzuständig und damit eine Rücknahme der rechtswidrigen Aufenthaltstitel unmöglich geworden. Es könne nicht sein, dass der Beklagte die einbürgerungsrelevante Täuschung infolge seiner Bindung an Entscheidungen der Ausländerbehörde reaktionslos hinnehmen müsse. Der vom Kläger bewirkte Irrtum über dessen Staatsangehörigkeit habe sich unmittelbar auf eine tatbestandliche Voraussetzung der Einbürgerung bezogen, so dass die konkret erfolgte Einbürgerung auf diesem Irrtum beruhe. Ob der Kläger nach heutiger Rechtslage eingebürgert werden könne, sei völlig offen, da hinsichtlich der Deutschkenntnisse und der Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung noch Tests abzulegen wären. Ebenso sei fraglich, ob den Anforderungen an die abzulegende Loyalitätserklärung Rechnung getragen wäre. In rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte der Auffassung, dass § 35 StAG ein intendiertes Ermessen eröffne, was insbesondere in Verbindung mit der Fünfjahresfrist des Absatzes 3 der Vorschrift zur Folge habe, dass die Rücknahme die regelmäßige Folge einer Täuschung sei und dem Betroffenen während des Zeitraums von fünf Jahren grundsätzlich kein Vertrauensschutz zugebilligt werden könne. Ein Absehen von der Rücknahme könne daher nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar sein müssten, gerechtfertigt sein. Die vom Verwaltungsgericht angeführten, nach dessen Auffassung im Rahmen der Ermessensbetätigung nicht gebührend berücksichtigten Umstände seien keine besonderen Gründe in diesem Sinne und entsprächen im Übrigen weitgehend nicht einmal den tatsächlichen Gegebenheiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 35 Abs. 1 StAG kein intendiertes Ermessen vorgibt und daher die allgemeinen Grundsätze zur Ausübung und gerichtlichen Überprüfung des Rücknahmeermessens Anwendung finden müssten. Die Rücknahme seiner Einbürgerung sei aber selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn man die Vorschrift im Sinne eines intendierten Ermessens verstehe. Auch unter dieser Prämisse seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahmeverfügung bereits fast vollständig verstrichen gewesen sei, seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, die Einbürgerung seiner Kinder und die hieran anknüpfende Unzumutbarkeit einer Rückkehr in den Libanon oder die Türkei in die behördlichen Erwägungen einzustellen, was nicht geschehen sei.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seiner Abstammung und den näheren Umständen der behaupteten Aufenthalte in der Türkei in den Jahren von 1976 bis 1990 angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Vorprozesses 12 K 47/05, des im Asylverfahren ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 2.3.1993 - 5 K 118/92 - und der Verwaltungsakte (1 Ordner), der zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Tenor

Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau und seinen vier ältesten Kindern im Januar 1990 in das Bundesgebiet ein, beantragte die Gewährung politischen Asyls und gab an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein.

Am 22.11.1991 machten er und seine Ehefrau ausweislich notarieller Urkunde gleichen Datums - Urkundenrolle-Nr. .../1991 - (Bl. 12 - 14 d. Verwaltungsakte) im Rahmen einer Versicherung an Eides statt unter Hinzuziehung eines für die arabische Sprache - nicht hingegen für türkisch oder kurdisch - vereidigten Dolmetschers Angaben zu den Geburtsdaten und -orten der einzelnen Familienmitglieder (jeweils Beirut) sowie zu Tag und Ort ihrer Eheschließung (ebenfalls Beirut). Weitere Schriftstücke zu Herkunft und Abstammung des Klägers befinden sich in der Verwaltungsakte in Gestalt von Übersetzungen den Libanon betreffender Aufenthaltserlaubnisse seiner Eltern, die - ausweislich der Übersetzungen - am 23.7.1975 (Vater) bzw. am 21.8.1975 (Mutter) von der Libanesischen Republik - Innenministerium - ausgestellt worden sind und hinsichtlich der Nationalität jeweils den Eintrag „ungeklärt“ enthalten (Bl. 227 und 228 d. Verwaltungsakte).

Nach rechtskräftiger Abweisung der Asylklage im März 1993 wurden dem seit Dezember 1993 verwitweten Kläger und seinen zwischenzeitlich sechs Kindern am 14.11.1996 auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse aufgrund der Härtefallregelung für Familien mit langjährigem Aufenthalt erteilt, deren Geltung später mehrfach verlängert wurde. Seit 1997 ist der Kläger erwerbstätig, hat aber zunächst noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt der Familie bezogen, die zum 1.2.2002 eingestellt werden konnte, weil das Familieneinkommen seitdem zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht.

Am 19.7.2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Er gab in dem entsprechenden Antragsformular hinsichtlich seiner Selbst, seiner verstorbenen Ehefrau, seiner Kinder und seiner Eltern an, staatenlose kurdische Volkszugehörige zu sein, und beantwortete die Fragen „wehrpflichtig“ bzw. „anderer Militärdienst“ jeweils durch Ankreuzen der Antwort „nein“. In den Rubriken „vom Wehrdienst befreit“ bzw. „Wehrdienst abgeleistet“ befinden sich keine Eintragungen. Zu seinem bisherigen Aufenthalt gab er an, von seiner Geburt bis Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben.

Am 9.9.2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Während des Einbürgerungsverfahrens aufgetretene Zweifel an der Herkunft des Klägers aus dem Libanon bestätigten sich im Rahmen einer im Oktober/November 2004 durchgeführten erkennungsdienstlichen Überprüfung seiner Identität nicht.

Am 3.12.2004 wurde der Kläger durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingebürgert. Seine Kinder wurden unter gleichem Datum bzw. unter dem Datum 6.5.2005 eingebürgert.

Im Juni/Juli 2005 teilte die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim der für den Kläger zuständig gewesenen Ausländerbehörde unter Vorlage eines türkischen Registerauszugs mit, dass Anhaltspunkte für eine türkische Staatsangehörigkeit des Klägers bestünden. Ein Personenfeststellungsverfahren unter Beteiligung von Interpol Ankara ergab im Dezember 2006, dass der Kläger als türkischer Staatsbürger registriert ist.

Zu diesen Erkenntnissen und der auf sie gestützten Absicht der Rücknahme seiner Einbürgerung wurde der Kläger durch Schreiben des Beklagten vom 22.5.2007 angehört.

Mit Schreiben vom 31.7.2007 ließ er sich dahingehend ein, dass er kurdischer Volkszugehöriger und in Beirut geboren sei. Dort habe er bis 1976 gelebt und sei dann wegen des Ausbruchs des Bürgerkrieges mit seinen Eltern und der gesamten Familie in die Türkei geflohen, wo sein Vater Verwandtschaft gehabt habe. Da die Familienmitglieder die libanesische Staatsangehörigkeit nicht besessen hätten, hätten sie keine libanesischen Pässe, sondern nur Laissez-Passer als Identitätspapiere gehabt, mit denen sie nicht in die Türkei hätten einreisen können. Aus Erzählungen des Vaters wisse er, dass dieser die Grenzbeamten bestochen habe, um die Einreise in die Türkei zu bewerkstelligen und türkische Pässe, ausgestellt auf den türkischen Namen K. - A. sei ein arabischer Name -, zu beschaffen. In der Folge habe er auch den zweijährigen türkischen Wehrdienst abgeleistet. Als sich die Lage im Libanon um1980 beruhigt habe, sei die Familie dorthin zurückgekehrt, sei aber etwa 1982 wegen Verschlechterung der politischen Lage erneut in die Türkei ausgewandert. Dieses Hin und Her habe sich in der Folgezeit wiederholt. 1990 habe er sich im Libanon befunden und sei von dort unter seinem richtigen libanesischen (arabischen) Namen A. in die Bundesrepublik ausgereist. Bei der Einreise habe er sein libanesisches Laissez-Passer vorgelegt.

Am 16.4.2009 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Merzig von dem strafrechtlichen Vorwurf, durch falsche Angaben gegen das Ausländergesetz verstoßen und eine mittelbare Falschbeurkundung begangen zu haben, mangels Nachweises der türkischen Staatsangehörigkeit freigesprochen (25 Cs 24 Js 1557/02).

Durch Bescheid vom 9.9.2009, zugestellt am 10.9.2009, nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers unter Rückforderung der Einbürgerungsurkunde und Festsetzung einer Verwaltungsgebühr von 255,- Euro nach § 35 StAG rückwirkend zum 3.12.2004 zurück, da der Inlandsaufenthalt und die Einbürgerung durch arglistige Täuschung in Gestalt des Vorspiegelns falscher Personalien und bewussten Verschweigens persönlicher Verhältnisse erwirkt worden seien und der Kläger daher keinen Vertrauensschutz genieße. Hinsichtlich der Kinder des Klägers sind keine entsprechenden Verfahren eingeleitet worden.

Gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung hat der Kläger am 16.9.2009 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe keine falsche Identität vorgetäuscht, da er von seiner Abstammung her staatenloser kurdischer Volkszugehöriger sei. Die türkische Staatsangehörigkeit habe er nie besessen und auch 1976 nicht erworben, da die Bestechung der türkischen Grenzbeamten keine ordnungsgemäße Einbürgerung bewirkt habe. Seine Angaben im Einbürgerungsformular zum Thema Wehrdienst seien nicht falsch gewesen, da er die Fragen auf sein Herkunftsland Libanon bezogen und diesbezüglich vollständig und zutreffend beantwortet habe. Mangels damaliger Beherrschung der deutschen Schriftsprache habe er die Ausfüllung des Formulars seinem ältesten Kind überlassen. Auch im strafgerichtlichen Verfahren habe sich der Vorwurf falscher Angaben nicht bestätigt. Die Festsetzung der Höchstgebühr als Verwaltungsgebühr sei nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der strafgerichtliche Freispruch ändere nichts daran, dass der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. So habe er bewusst alle Angaben, die auf einen Bezug zur Türkei hingedeutet hätten, unterlassen, um seine Einbürgerung nicht zu gefährden. Seine diesbezüglichen Erklärungsversuche überzeugten weder rechtlich noch tatsächlich und müssten als Schutzbehauptungen bewertet werden.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.9.2010 ergangenes Urteil, dem Beklagten zugestellt am 3.11.2010, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der die Rücknahme einer Einbürgerung regelnden Vorschrift des § 35 StAG erfüllt seien, da der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. Ungeachtet der Frage, ob § 35 StAG der Behörde ein intendiertes oder ein freies Ermessen einräume, fehle es an einer ordnungsgemäßen, den Verhältnismäßigkeitgrundsatz im Einzelfall angemessen berücksichtigenden Ermessensbetätigung, die auch im Rahmen eines intendierten Ermessens unabdingbar sei. Dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände im Staatsangehörigkeitsrecht sei durchschlagendes Gewicht beigemessen worden, ohne die besonderen Lebensumstände des Klägers - insbesondere seine gelungene wirtschaftliche und soziale Integration, seine nachgewiesen ausgezeichneten Deutschkenntnisse und seine strafrechtliche Unbescholtenheit - sowie die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahme bereits fast verstrichen war, in die Abwägung einzubeziehen und ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten.

Der Beklagte hat am 25.11.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.12.2010, eingegangen am 23.12.2010, begründet.

Seines Erachtens steht außer Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind. Der Kläger habe sowohl im ausländerrechtlichen Verfahren wie auch im Einbürgerungsverfahren über seine Staatsangehörigkeit getäuscht, da er seine Aufenthalte in der Türkei, seine dortige Registrierung als türkischer Staatsangehöriger und die Tatsache, in der Türkei Wehrdienst abgeleistet zu haben, verschwiegen habe. Hierdurch habe er zunächst ein Daueraufenthaltsrecht und sodann seine Einbürgerung erlangt, letzteres ohne zuvor das Verfahren zur Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit zu durchlaufen. Durch die so erschlichene Einbürgerung sei die Ausländerbehörde unzuständig und damit eine Rücknahme der rechtswidrigen Aufenthaltstitel unmöglich geworden. Es könne nicht sein, dass der Beklagte die einbürgerungsrelevante Täuschung infolge seiner Bindung an Entscheidungen der Ausländerbehörde reaktionslos hinnehmen müsse. Der vom Kläger bewirkte Irrtum über dessen Staatsangehörigkeit habe sich unmittelbar auf eine tatbestandliche Voraussetzung der Einbürgerung bezogen, so dass die konkret erfolgte Einbürgerung auf diesem Irrtum beruhe. Ob der Kläger nach heutiger Rechtslage eingebürgert werden könne, sei völlig offen, da hinsichtlich der Deutschkenntnisse und der Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung noch Tests abzulegen wären. Ebenso sei fraglich, ob den Anforderungen an die abzulegende Loyalitätserklärung Rechnung getragen wäre. In rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte der Auffassung, dass § 35 StAG ein intendiertes Ermessen eröffne, was insbesondere in Verbindung mit der Fünfjahresfrist des Absatzes 3 der Vorschrift zur Folge habe, dass die Rücknahme die regelmäßige Folge einer Täuschung sei und dem Betroffenen während des Zeitraums von fünf Jahren grundsätzlich kein Vertrauensschutz zugebilligt werden könne. Ein Absehen von der Rücknahme könne daher nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar sein müssten, gerechtfertigt sein. Die vom Verwaltungsgericht angeführten, nach dessen Auffassung im Rahmen der Ermessensbetätigung nicht gebührend berücksichtigten Umstände seien keine besonderen Gründe in diesem Sinne und entsprächen im Übrigen weitgehend nicht einmal den tatsächlichen Gegebenheiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 35 Abs. 1 StAG kein intendiertes Ermessen vorgibt und daher die allgemeinen Grundsätze zur Ausübung und gerichtlichen Überprüfung des Rücknahmeermessens Anwendung finden müssten. Die Rücknahme seiner Einbürgerung sei aber selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn man die Vorschrift im Sinne eines intendierten Ermessens verstehe. Auch unter dieser Prämisse seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahmeverfügung bereits fast vollständig verstrichen gewesen sei, seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, die Einbürgerung seiner Kinder und die hieran anknüpfende Unzumutbarkeit einer Rückkehr in den Libanon oder die Türkei in die behördlichen Erwägungen einzustellen, was nicht geschehen sei.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seiner Abstammung und den näheren Umständen der behaupteten Aufenthalte in der Türkei in den Jahren von 1976 bis 1990 angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Vorprozesses 12 K 47/05, des im Asylverfahren ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 2.3.1993 - 5 K 118/92 - und der Verwaltungsakte (1 Ordner), der zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. August 2006 - 11 K 4702/04 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein im Jahre 1962 geborener ehemaliger pakistanischer Staatsangehöriger, reiste erstmalig am 6.10.1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Nach Rücknahme seines Asylantrags kehrte er zunächst am ... freiwillig nach Pakistan zurück, reiste jedoch am ... erneut als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 21.4.1987 ab, welcher nach Rücknahme der hiergegen erhobenen Klage bestandskräftig wurde. Am ... heiratete der Kläger in Stockholm eine deutsche Staatsangehörige, worauf ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Gestützt auf § 9 Abs.1 RuStAG in der damals gültigen Fassung beantragte er am... bei den seinerzeit örtlich zuständigen Behörden des Saarlands seine Einbürgerung. Zur Begründung des Einbürgerungsantrags verwies der Kläger auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Frau und den Willen, mit ihr auf Dauer in Deutschland zu leben. Mit Urkunde des Saarländischen Ministeriums des Innern vom ... ausgehändigt am ... wurde der Kläger in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Die Ehe des Klägers wurde auf Antrag seiner Frau mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Familiengericht - vom ... geschieden. Im Urteil des Familiengerichts ist als Trennungsdatum August 1992 angegeben. In der Folgezeit verzog der Kläger in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Rems-Murr-Kreis.
Nachdem der Kläger eine pakistanische Staatsangehörige geheiratet hatte und ein Verfahren auf Familiennachzug für seine Ehefrau einleitete, teilte die Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad mit Schreiben vom ... der zuständigen unteren Ausländerbehörde mit, Ermittlungen eines von der Botschaft eingeschalteten Vertrauensanwalts hätten Hinweise darauf ergeben, dass es sich bei der Vorehe des Klägers mit seiner deutschen Ehefrau um eine Scheinehe gehandelt habe. So habe die Mutter des Klägers gegenüber dem Vertrauensanwalt eingeräumt, dass die vom ... bis zum ... bestehende Ehe des Klägers nur den Zweck gehabt habe, ihm eine Aufenthaltssicherung zu ermöglichen und vereinbarungsgemäß nach Zweckerreichung aufgelöst worden sei. Nachdem der Beklagte von dieser Mitteilung der deutschen Auslandsvertretung am 5.8.2002 Kenntnis erlangte, hörte er den Kläger mit Schreiben vom ... zu einer beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung wegen des Verdachts der Scheinehe an. Der Kläger trat diesem Vorwurf entgegen und brachte hierzu u.a. eine Bestätigung seiner ehemaligen Ehefrau bei, wonach die eheliche Lebensgemeinschaft bis August 1993 bestanden habe.
Mit Bescheid vom 16.7.2003 nahm das Landratsamt Rems-Murr-Kreis die Einbürgerung des Klägers vom ... in den deutschen Staatsverband unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück (1.) und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde sowie der ihm ausgestellten Ausweispapiere auf (2.). Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führt das Landratsamt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da es sich bei seiner damaligen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zur Überzeugung der Behörde um eine Scheinehe gehandelt habe. Das Landratsamt habe keinerlei Zweifel an der Echtheit der vertrauensanwaltlichen Ermittlungen, welche den Verdacht einer Scheinehe bestätigt hätten. Es sei nicht ersichtlich, warum eine deutsche Auslandsvertretung falsche Aussagen machen und damit anderen Leuten Lügen unterstellen sollte. Im übrigen habe der Kläger gegen seine Mitwirkungsobliegenheiten im Einbürgerungsverfahren verstoßen, indem er die im Jahre 1992 erfolgte Trennung von seiner Ehefrau nicht mitgeteilt habe. Aufgrund der Feststellungen in dem Scheidungsurteil ergebe sich eindeutig, dass eine etwa bestehende eheliche Lebensgemeinschaft bereits im August 1992 und nicht wie von dem Kläger behauptet erst ein Jahr später aufgelöst worden sei. Die gegenteiligen Bekundungen des Klägers seien bereits deshalb nicht glaubhaft, weil sich ansonsten die Beteiligten bereits früher gegen das unrichtige Scheidungsurteil gewehrt hätten.
Die Annahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft sei für die auf § 9 StAG gestützte Einbürgerung auch ursächlich gewesen, weil sie andernfalls nicht hätte erfolgen dürfen. Aufgrund der arglistigen Täuschung könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen, so dass die Einbürgerung gemäß § 48 Abs. 3 LVwVfG zurückgenommen werden könne. Da es sich um keinen rechtmäßigen , sondern um einen durch arglistige Täuschung herbeigeführten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gehandelt habe, greife das Entziehungsverbot des Art. 16 GG nicht ein. Diese Vorschrift solle vielmehr nur gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern. Bei Bewertung der Gesamtumstände gehe die Staatsangehörigkeitsbehörde davon aus, dass der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erworben habe und somit deren Rücknahme gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und stellte beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 27.8.2003 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Mit Beschluss vom 17.10.2003 (7 K 3492/03) gab das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Eilantrag statt.
Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2004 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids mit ergänzenden Gründen zurück. Zur Klarstellung werde darauf hingewiesen, dass die Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit erfolge, wie es der gesetzlichen Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entspreche. Anlass für die Rücknahme sei die Annahme einer Scheinehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen basierend auf den Aussagen, welche seine Mutter gegenüber einem Vertrauensanwalt der deutschen Auslandsvertretung getätigt habe. Die Ausgangsbehörde habe ihr Rücknahmeermessen noch hinreichend ausgeübt und dabei zutreffend auf das Vorliegen einer arglistigen Täuschung und den daraus resultierenden Ausschluss von Vertrauensschutz abgehoben. Die Widerspruchsbehörde schließe sich der Auffassung des Landratsamts an, wonach das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erteilten Einbürgerung das Interesse des Klägers an deren weiterem Fortbestand überwiege. Keiner abschließenden Klärung bedürfe, ob der Kläger aufgrund der Rücknahme der Einbürgerung tatsächlich staatenlos werde, was nach pakistanischem Staatsangehörigkeitsrecht im wesentlichen davon abhänge, ob ein etwaiger Verzichtsantrag von der zuständigen Behörde entgegengenommen worden sei.
Auf die am 26.11.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
die Verfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufzuheben,
10 
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 1.8.2006 - 11 K 4702/04 -die angefochtenen Bescheide insgesamt aufgehoben.
11 
In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die von dem Beklagten herangezogene allgemeine Vorschrift des § 48 LVwVfG stelle in der vorliegenden Fallkonstellation keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers dar. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der für die Einbürgerung ursächlichen vorgegangenen Ehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen um eine Scheinehe gehandelt habe. Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle nur dann eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung dar, wenn diese zeitnah erfolge. Da zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung mehr als zehn Jahre verstrichen seien, liege eine derartige zeitnahe Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Die frühere gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 (2 BvR 669/04) überholt. Das Gericht schließe sich der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach es Sache des Gesetzgebers sei, im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst eine eigenständige Regelung für die Rücknahme einer aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten erlangten Einbürgerung zu schaffen, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme gehe.
12 
Gegen das am 10.11.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1.12.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1.8.2006 - 11 K 4702/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte am 5.1.2007 ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der vom Kläger erschlichenen Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, dass im vorliegenden Fall keine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, Az. 2 BvR 669/04) erfolgt sei. Zudem liege der für die Rücknahmeentscheidung maßgebliche Zeitpunkt auch nicht mehr als zehn Jahre nach der Einbürgerung des Klägers, sondern weniger. Abzustellen sei nicht auf den Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung selbst, sondern auf den Zeitpunkt der Anhörung des Klägers mit Schreiben des Landratsamts vom .... Zwischen der Einbürgerung und der maßgeblichen, den Vertrauensschutz ausschließenden Anhörung des Klägers liege deshalb lediglich ein Zeitraum von etwas über neuneinhalb Jahren. Im Hinblick auf die weitreichenden Statusfolgen einer Einbürgerung dürften an den Begriff der zeitnahen Rücknahme keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Zeitraum von zehn Jahren stelle noch eine gut überschaubare Zeitspanne dar. Im übrigen habe sich das Bundesverfassungsgericht in seinem genannten Urteil vom 24.5.2006 hinsichtlich der zeitlichen Grenzen für die Rücknahme einer Einbürgerung aufgrund allgemeinen Landesverwaltungsverfahrensrechts besonders zurückhaltend geäußert. Insbesondere verlange das Bundesverfassungsgericht gerade nicht, dass der Gesetzgeber selbst eine abschließende zeitliche Grenze für die Rücknahmemöglichkeit schaffe.
15 
Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung stelle die Vorschrift des § 48 LVwVfG auch für den Fall einer nicht zeitnah erfolgten Rücknahme eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG jedenfalls für die Fälle, in denen Dritte durch eine Rücknahme der Einbürgerung nicht tangiert würden, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle, sei durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise überholt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Er wendet sich gegen die Annahme des Beklagten, es habe sich bei seiner Ehe mit der früheren deutschen Frau um eine Scheinehe gehandelt bzw. er habe das Trennungsdatum falsch angegeben. Im übrigen sei das Verwaltungsgericht Stuttgart zutreffend davon ausgegangen, dass die Rücknahme nicht mehr zeitnah im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt sei. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob bei der Berechnung der Frist auf den 16.7.2003 oder auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom ... abzustellen sei. Auch ein Zeitraum von etwas mehr als neuneinhalb Jahren könne nicht mehr als unverzügliche Rücknahme im Sinne des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden.
19 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
20 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Beklagten einschließlich der Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Beklagten entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufgehoben, weil diese rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die verfügte Verpflichtung, die Einbürgerungsurkunde sowie die deutschen Ausweispapiere zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
24 
1.1 Für die verfügte Rücknahme der im Jahre 1993 erfolgten Einbürgerung fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 - DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 - DVBl. 2004, 322, Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht seit jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 9 (damals noch RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 9 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
25 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vg. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess. VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 - AuAS 2007,77). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie vom Betroffenen auf vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und zeitnah erfolgt. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer zeitnahen Rücknahme liegt hier nicht vor. Hierzu im einzelnen:
26 
Dahingestellt kann mit dem Verwaltungsgericht bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom ... tatsächlich wegen Bestehens einer Scheinehe bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor erfolgter Einbürgerung im August 1992 rechtswidrig war, wie von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angenommen. Zwar ist im Ergebnis dem Beklagten zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG entfallen lässt, aber die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigt, welcher der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern, so dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig von einer rechtswidrigen Einbürgerung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu umfassend Urteil des Senats vom 29.11.2002, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann für die Entscheidung ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Kläger eine etwaige rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat. Denn auch eine erschlichene rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris).
27 
Die von dem Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme derselben ein Zeitraum von knapp über zwei Jahren lag. Unter Hervorhebung dieses Umstandes haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Dieser Umstand wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn 72, 73, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mehrfach dargelegt, dass in dem Fall, in dem der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt habe und diese zeitnah zurückgenommen werde, der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan werde, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen konnte (vgl. Rn 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Rn 85) hinreichend und unproblematisch durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme des Beklagten zwingend, dass § 48 LVwVfG in den Fällen einer nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage bei nicht zeitnaher Rücknahme offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung darstellt, wenn diese aufgrund eines bestehenden zeitlichen Zusammenhangs den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und Normenklarheit genügt. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei einer zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen (vgl. hierzu auch umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.).
28 
Für diese Auslegung sprechen im übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Der hierdurch vermittelte Status bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände selbst bei arglistigem Handeln des Betroffenen nicht ohne weiteres zeitlich unbegrenzt überwiegt. Auch an den wenigen bestehenden Spezialregelungen zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Stabilitätsanliegen im Staatsangehörigkeitswesen besonderes Gewicht zumisst. So kann gemäß § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden, selbst wenn die Einbürgerung durch schuldhafte Falschangaben des Betroffenen erwirkt worden ist. Auch die vorgesehene Neuregelung in § 3 des StAG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben soll, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat, spricht dafür, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Vertrauensschutzgesichtspunkten und Stabilitätserwägungen im Bereich des Staatsangehörigkeitswesens zentrale Bedeutung zukommt. Auch der Umstand, dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG, wonach die Rücknahme grundsätzlich nur binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Behörde von den rücknahmebegründenden Tatsachen zulässig ist, im Fall einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung gerade nicht anwendbar ist, spricht dafür, eine absolute zeitliche Rücknahmegrenze zu fordern.
29 
1.2 Die Einbürgerung des Klägers ist nicht in diesem Sinne „zeitnah“ zurückgenommen worden. Der in dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände. Dieser absolute zeitliche Rahmen und nicht etwa die Entschließungsfrist der Behörde war im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gegenstand der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion über die zeitliche Begrenzung der Befugnis der Behörde zur Rücknahme der Einbürgerung (vgl. umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.; zusammenfassend Nettersheim, DVBl. 2004, 1144). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am ... und deren Rücknahme am 16.7.2003 verstrichenen Zeitraum von über zehn Jahren kann jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. Gleiches gilt im übrigen, wenn entsprechend der Ansicht des Beklagten lediglich auf den verstrichenen Zeitraum bis zur Kenntniserlangung des Klägers von der beabsichtigten Rücknahme durch Anhörungsschreiben vom ... abzustellen wäre. Bei Klärung der Frage, was unter „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, begründet die Staatsangehörigkeit des Einzelnen regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Weiterungen auf den Status sonstiger Personen.
30 
1.3 Die mit Bescheid vom 16.7.2003 verfügte Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist unabhängig von der Frage, ob § 48 LVwVfG hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, auch deshalb rechtswidrig, weil sie an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) leidet. Dabei spricht bereits vieles dafür, dass der angefochtene Ausgangsbescheid an einem vollständigen Ermessensausfall und deshalb an einem nicht heilbaren Ermessensfehler leidet. Der nach der Tatbestandsprüfung erfolgte Hinweis des Landratsamts, wonach aufgrund der dargelegten Gesamtumstände von einer arglistigen Täuschung auszugehen und damit die Rücknahme der Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei, deutet darauf hin, dass der Beklagte das auch im Fall einer Täuschung zwingend auszuübende umfassende Rücknahmeermessen nicht erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3.6.2003 und 9.9.2003, a.a.O.). Jedenfalls hat es das Landratsamt versäumt, die für eine Ermessensausübung über die Rücknahme maßgeblichen Umstände in seine Erwägungen einzustellen. So ist ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen, dass der Beklagte weder die Dauer der seit der Einbürgerung des Klägers verstrichenen Zeit als solche noch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt hat. Ebenso blieben die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger gänzlich unberücksichtigt. Gleiches gilt für die im Rahmen des Rücknahmeermessens zentrale Frage, ob der Betroffene bei erfolgter Rücknahme staatenlos wird oder ob er seine frühere Staatsangehörigkeit beibehalten hat bzw. diese in zumutbarer Weise wieder erlangen könnte. Auch der für die gerichtliche Ermessenskontrolle (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) maßgebliche Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 heilt diese Ermessensfehler nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Regierungspräsidium überhaupt ergänzende eigene Ermessenserwägungen angestellt hat oder sich lediglich auf eine Ermessensüberprüfung der Ausgangsbehörde beschränkt hat, wofür freilich die im Widerspruchsbescheid verwendete Formulierung spricht. Jedenfalls hat auch das Regierungspräsidium nicht aufgeklärt, ob der Kläger durch die Rücknahme staatenlos wurde oder nicht. Die Widerspruchsbehörde hätte sich im Rahmen einer etwaigen Ermessensausübung nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, wonach sich aus den Einbürgerungsakten nicht ergebe, ob ein Verzicht auf die pakistanische Staatsangehörigkeit wie nach pakistanischem Recht maßgeblich registriert worden ist oder nicht.
31 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid ist zu Recht vom Verwaltungsgericht auch insoweit aufgehoben worden, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und seiner deutschen Identitätspapiere aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 137 VwGO vorliegt. Zwar ist die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, nicht geklärt; eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung war dem Senat jedoch verwehrt, da der angegriffene Rücknahmebescheid unabhängig von dieser ungeklärten Frage wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben war. Die Frage, dass im Rahmen einer Rücknahme der Einbürgerung umfassend Ermessen auszuüben ist, ist nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt; welche Ermessenserwägungen zu fordern sind, ist eine im Revisionsverfahren nicht zu klärende Frage des Einzelfalls.
34 
Beschluss
vom 9. August 2007
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
36 
In Anlehnung an Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
37 
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Beklagten entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufgehoben, weil diese rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die verfügte Verpflichtung, die Einbürgerungsurkunde sowie die deutschen Ausweispapiere zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
24 
1.1 Für die verfügte Rücknahme der im Jahre 1993 erfolgten Einbürgerung fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 - DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 - DVBl. 2004, 322, Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht seit jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 9 (damals noch RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 9 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
25 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vg. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess. VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 - AuAS 2007,77). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie vom Betroffenen auf vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und zeitnah erfolgt. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer zeitnahen Rücknahme liegt hier nicht vor. Hierzu im einzelnen:
26 
Dahingestellt kann mit dem Verwaltungsgericht bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom ... tatsächlich wegen Bestehens einer Scheinehe bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor erfolgter Einbürgerung im August 1992 rechtswidrig war, wie von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angenommen. Zwar ist im Ergebnis dem Beklagten zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG entfallen lässt, aber die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigt, welcher der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern, so dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig von einer rechtswidrigen Einbürgerung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu umfassend Urteil des Senats vom 29.11.2002, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann für die Entscheidung ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Kläger eine etwaige rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat. Denn auch eine erschlichene rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris).
27 
Die von dem Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme derselben ein Zeitraum von knapp über zwei Jahren lag. Unter Hervorhebung dieses Umstandes haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Dieser Umstand wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn 72, 73, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mehrfach dargelegt, dass in dem Fall, in dem der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt habe und diese zeitnah zurückgenommen werde, der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan werde, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen konnte (vgl. Rn 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Rn 85) hinreichend und unproblematisch durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme des Beklagten zwingend, dass § 48 LVwVfG in den Fällen einer nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage bei nicht zeitnaher Rücknahme offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung darstellt, wenn diese aufgrund eines bestehenden zeitlichen Zusammenhangs den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und Normenklarheit genügt. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei einer zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen (vgl. hierzu auch umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.).
28 
Für diese Auslegung sprechen im übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Der hierdurch vermittelte Status bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände selbst bei arglistigem Handeln des Betroffenen nicht ohne weiteres zeitlich unbegrenzt überwiegt. Auch an den wenigen bestehenden Spezialregelungen zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Stabilitätsanliegen im Staatsangehörigkeitswesen besonderes Gewicht zumisst. So kann gemäß § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden, selbst wenn die Einbürgerung durch schuldhafte Falschangaben des Betroffenen erwirkt worden ist. Auch die vorgesehene Neuregelung in § 3 des StAG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben soll, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat, spricht dafür, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Vertrauensschutzgesichtspunkten und Stabilitätserwägungen im Bereich des Staatsangehörigkeitswesens zentrale Bedeutung zukommt. Auch der Umstand, dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG, wonach die Rücknahme grundsätzlich nur binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Behörde von den rücknahmebegründenden Tatsachen zulässig ist, im Fall einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung gerade nicht anwendbar ist, spricht dafür, eine absolute zeitliche Rücknahmegrenze zu fordern.
29 
1.2 Die Einbürgerung des Klägers ist nicht in diesem Sinne „zeitnah“ zurückgenommen worden. Der in dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände. Dieser absolute zeitliche Rahmen und nicht etwa die Entschließungsfrist der Behörde war im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gegenstand der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion über die zeitliche Begrenzung der Befugnis der Behörde zur Rücknahme der Einbürgerung (vgl. umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.; zusammenfassend Nettersheim, DVBl. 2004, 1144). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am ... und deren Rücknahme am 16.7.2003 verstrichenen Zeitraum von über zehn Jahren kann jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. Gleiches gilt im übrigen, wenn entsprechend der Ansicht des Beklagten lediglich auf den verstrichenen Zeitraum bis zur Kenntniserlangung des Klägers von der beabsichtigten Rücknahme durch Anhörungsschreiben vom ... abzustellen wäre. Bei Klärung der Frage, was unter „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, begründet die Staatsangehörigkeit des Einzelnen regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Weiterungen auf den Status sonstiger Personen.
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1.3 Die mit Bescheid vom 16.7.2003 verfügte Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist unabhängig von der Frage, ob § 48 LVwVfG hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, auch deshalb rechtswidrig, weil sie an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) leidet. Dabei spricht bereits vieles dafür, dass der angefochtene Ausgangsbescheid an einem vollständigen Ermessensausfall und deshalb an einem nicht heilbaren Ermessensfehler leidet. Der nach der Tatbestandsprüfung erfolgte Hinweis des Landratsamts, wonach aufgrund der dargelegten Gesamtumstände von einer arglistigen Täuschung auszugehen und damit die Rücknahme der Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei, deutet darauf hin, dass der Beklagte das auch im Fall einer Täuschung zwingend auszuübende umfassende Rücknahmeermessen nicht erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3.6.2003 und 9.9.2003, a.a.O.). Jedenfalls hat es das Landratsamt versäumt, die für eine Ermessensausübung über die Rücknahme maßgeblichen Umstände in seine Erwägungen einzustellen. So ist ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen, dass der Beklagte weder die Dauer der seit der Einbürgerung des Klägers verstrichenen Zeit als solche noch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt hat. Ebenso blieben die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger gänzlich unberücksichtigt. Gleiches gilt für die im Rahmen des Rücknahmeermessens zentrale Frage, ob der Betroffene bei erfolgter Rücknahme staatenlos wird oder ob er seine frühere Staatsangehörigkeit beibehalten hat bzw. diese in zumutbarer Weise wieder erlangen könnte. Auch der für die gerichtliche Ermessenskontrolle (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) maßgebliche Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 heilt diese Ermessensfehler nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Regierungspräsidium überhaupt ergänzende eigene Ermessenserwägungen angestellt hat oder sich lediglich auf eine Ermessensüberprüfung der Ausgangsbehörde beschränkt hat, wofür freilich die im Widerspruchsbescheid verwendete Formulierung spricht. Jedenfalls hat auch das Regierungspräsidium nicht aufgeklärt, ob der Kläger durch die Rücknahme staatenlos wurde oder nicht. Die Widerspruchsbehörde hätte sich im Rahmen einer etwaigen Ermessensausübung nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, wonach sich aus den Einbürgerungsakten nicht ergebe, ob ein Verzicht auf die pakistanische Staatsangehörigkeit wie nach pakistanischem Recht maßgeblich registriert worden ist oder nicht.
31 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid ist zu Recht vom Verwaltungsgericht auch insoweit aufgehoben worden, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und seiner deutschen Identitätspapiere aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 137 VwGO vorliegt. Zwar ist die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, nicht geklärt; eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung war dem Senat jedoch verwehrt, da der angegriffene Rücknahmebescheid unabhängig von dieser ungeklärten Frage wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben war. Die Frage, dass im Rahmen einer Rücknahme der Einbürgerung umfassend Ermessen auszuüben ist, ist nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt; welche Ermessenserwägungen zu fordern sind, ist eine im Revisionsverfahren nicht zu klärende Frage des Einzelfalls.
34 
Beschluss
vom 9. August 2007
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
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In Anlehnung an Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
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Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau und seinen vier ältesten Kindern im Januar 1990 in das Bundesgebiet ein, beantragte die Gewährung politischen Asyls und gab an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein.

Am 22.11.1991 machten er und seine Ehefrau ausweislich notarieller Urkunde gleichen Datums - Urkundenrolle-Nr. .../1991 - (Bl. 12 - 14 d. Verwaltungsakte) im Rahmen einer Versicherung an Eides statt unter Hinzuziehung eines für die arabische Sprache - nicht hingegen für türkisch oder kurdisch - vereidigten Dolmetschers Angaben zu den Geburtsdaten und -orten der einzelnen Familienmitglieder (jeweils Beirut) sowie zu Tag und Ort ihrer Eheschließung (ebenfalls Beirut). Weitere Schriftstücke zu Herkunft und Abstammung des Klägers befinden sich in der Verwaltungsakte in Gestalt von Übersetzungen den Libanon betreffender Aufenthaltserlaubnisse seiner Eltern, die - ausweislich der Übersetzungen - am 23.7.1975 (Vater) bzw. am 21.8.1975 (Mutter) von der Libanesischen Republik - Innenministerium - ausgestellt worden sind und hinsichtlich der Nationalität jeweils den Eintrag „ungeklärt“ enthalten (Bl. 227 und 228 d. Verwaltungsakte).

Nach rechtskräftiger Abweisung der Asylklage im März 1993 wurden dem seit Dezember 1993 verwitweten Kläger und seinen zwischenzeitlich sechs Kindern am 14.11.1996 auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse aufgrund der Härtefallregelung für Familien mit langjährigem Aufenthalt erteilt, deren Geltung später mehrfach verlängert wurde. Seit 1997 ist der Kläger erwerbstätig, hat aber zunächst noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt der Familie bezogen, die zum 1.2.2002 eingestellt werden konnte, weil das Familieneinkommen seitdem zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht.

Am 19.7.2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Er gab in dem entsprechenden Antragsformular hinsichtlich seiner Selbst, seiner verstorbenen Ehefrau, seiner Kinder und seiner Eltern an, staatenlose kurdische Volkszugehörige zu sein, und beantwortete die Fragen „wehrpflichtig“ bzw. „anderer Militärdienst“ jeweils durch Ankreuzen der Antwort „nein“. In den Rubriken „vom Wehrdienst befreit“ bzw. „Wehrdienst abgeleistet“ befinden sich keine Eintragungen. Zu seinem bisherigen Aufenthalt gab er an, von seiner Geburt bis Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben.

Am 9.9.2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Während des Einbürgerungsverfahrens aufgetretene Zweifel an der Herkunft des Klägers aus dem Libanon bestätigten sich im Rahmen einer im Oktober/November 2004 durchgeführten erkennungsdienstlichen Überprüfung seiner Identität nicht.

Am 3.12.2004 wurde der Kläger durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingebürgert. Seine Kinder wurden unter gleichem Datum bzw. unter dem Datum 6.5.2005 eingebürgert.

Im Juni/Juli 2005 teilte die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim der für den Kläger zuständig gewesenen Ausländerbehörde unter Vorlage eines türkischen Registerauszugs mit, dass Anhaltspunkte für eine türkische Staatsangehörigkeit des Klägers bestünden. Ein Personenfeststellungsverfahren unter Beteiligung von Interpol Ankara ergab im Dezember 2006, dass der Kläger als türkischer Staatsbürger registriert ist.

Zu diesen Erkenntnissen und der auf sie gestützten Absicht der Rücknahme seiner Einbürgerung wurde der Kläger durch Schreiben des Beklagten vom 22.5.2007 angehört.

Mit Schreiben vom 31.7.2007 ließ er sich dahingehend ein, dass er kurdischer Volkszugehöriger und in Beirut geboren sei. Dort habe er bis 1976 gelebt und sei dann wegen des Ausbruchs des Bürgerkrieges mit seinen Eltern und der gesamten Familie in die Türkei geflohen, wo sein Vater Verwandtschaft gehabt habe. Da die Familienmitglieder die libanesische Staatsangehörigkeit nicht besessen hätten, hätten sie keine libanesischen Pässe, sondern nur Laissez-Passer als Identitätspapiere gehabt, mit denen sie nicht in die Türkei hätten einreisen können. Aus Erzählungen des Vaters wisse er, dass dieser die Grenzbeamten bestochen habe, um die Einreise in die Türkei zu bewerkstelligen und türkische Pässe, ausgestellt auf den türkischen Namen K. - A. sei ein arabischer Name -, zu beschaffen. In der Folge habe er auch den zweijährigen türkischen Wehrdienst abgeleistet. Als sich die Lage im Libanon um1980 beruhigt habe, sei die Familie dorthin zurückgekehrt, sei aber etwa 1982 wegen Verschlechterung der politischen Lage erneut in die Türkei ausgewandert. Dieses Hin und Her habe sich in der Folgezeit wiederholt. 1990 habe er sich im Libanon befunden und sei von dort unter seinem richtigen libanesischen (arabischen) Namen A. in die Bundesrepublik ausgereist. Bei der Einreise habe er sein libanesisches Laissez-Passer vorgelegt.

Am 16.4.2009 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Merzig von dem strafrechtlichen Vorwurf, durch falsche Angaben gegen das Ausländergesetz verstoßen und eine mittelbare Falschbeurkundung begangen zu haben, mangels Nachweises der türkischen Staatsangehörigkeit freigesprochen (25 Cs 24 Js 1557/02).

Durch Bescheid vom 9.9.2009, zugestellt am 10.9.2009, nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers unter Rückforderung der Einbürgerungsurkunde und Festsetzung einer Verwaltungsgebühr von 255,- Euro nach § 35 StAG rückwirkend zum 3.12.2004 zurück, da der Inlandsaufenthalt und die Einbürgerung durch arglistige Täuschung in Gestalt des Vorspiegelns falscher Personalien und bewussten Verschweigens persönlicher Verhältnisse erwirkt worden seien und der Kläger daher keinen Vertrauensschutz genieße. Hinsichtlich der Kinder des Klägers sind keine entsprechenden Verfahren eingeleitet worden.

Gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung hat der Kläger am 16.9.2009 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe keine falsche Identität vorgetäuscht, da er von seiner Abstammung her staatenloser kurdischer Volkszugehöriger sei. Die türkische Staatsangehörigkeit habe er nie besessen und auch 1976 nicht erworben, da die Bestechung der türkischen Grenzbeamten keine ordnungsgemäße Einbürgerung bewirkt habe. Seine Angaben im Einbürgerungsformular zum Thema Wehrdienst seien nicht falsch gewesen, da er die Fragen auf sein Herkunftsland Libanon bezogen und diesbezüglich vollständig und zutreffend beantwortet habe. Mangels damaliger Beherrschung der deutschen Schriftsprache habe er die Ausfüllung des Formulars seinem ältesten Kind überlassen. Auch im strafgerichtlichen Verfahren habe sich der Vorwurf falscher Angaben nicht bestätigt. Die Festsetzung der Höchstgebühr als Verwaltungsgebühr sei nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der strafgerichtliche Freispruch ändere nichts daran, dass der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. So habe er bewusst alle Angaben, die auf einen Bezug zur Türkei hingedeutet hätten, unterlassen, um seine Einbürgerung nicht zu gefährden. Seine diesbezüglichen Erklärungsversuche überzeugten weder rechtlich noch tatsächlich und müssten als Schutzbehauptungen bewertet werden.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.9.2010 ergangenes Urteil, dem Beklagten zugestellt am 3.11.2010, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der die Rücknahme einer Einbürgerung regelnden Vorschrift des § 35 StAG erfüllt seien, da der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. Ungeachtet der Frage, ob § 35 StAG der Behörde ein intendiertes oder ein freies Ermessen einräume, fehle es an einer ordnungsgemäßen, den Verhältnismäßigkeitgrundsatz im Einzelfall angemessen berücksichtigenden Ermessensbetätigung, die auch im Rahmen eines intendierten Ermessens unabdingbar sei. Dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände im Staatsangehörigkeitsrecht sei durchschlagendes Gewicht beigemessen worden, ohne die besonderen Lebensumstände des Klägers - insbesondere seine gelungene wirtschaftliche und soziale Integration, seine nachgewiesen ausgezeichneten Deutschkenntnisse und seine strafrechtliche Unbescholtenheit - sowie die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahme bereits fast verstrichen war, in die Abwägung einzubeziehen und ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten.

Der Beklagte hat am 25.11.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.12.2010, eingegangen am 23.12.2010, begründet.

Seines Erachtens steht außer Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind. Der Kläger habe sowohl im ausländerrechtlichen Verfahren wie auch im Einbürgerungsverfahren über seine Staatsangehörigkeit getäuscht, da er seine Aufenthalte in der Türkei, seine dortige Registrierung als türkischer Staatsangehöriger und die Tatsache, in der Türkei Wehrdienst abgeleistet zu haben, verschwiegen habe. Hierdurch habe er zunächst ein Daueraufenthaltsrecht und sodann seine Einbürgerung erlangt, letzteres ohne zuvor das Verfahren zur Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit zu durchlaufen. Durch die so erschlichene Einbürgerung sei die Ausländerbehörde unzuständig und damit eine Rücknahme der rechtswidrigen Aufenthaltstitel unmöglich geworden. Es könne nicht sein, dass der Beklagte die einbürgerungsrelevante Täuschung infolge seiner Bindung an Entscheidungen der Ausländerbehörde reaktionslos hinnehmen müsse. Der vom Kläger bewirkte Irrtum über dessen Staatsangehörigkeit habe sich unmittelbar auf eine tatbestandliche Voraussetzung der Einbürgerung bezogen, so dass die konkret erfolgte Einbürgerung auf diesem Irrtum beruhe. Ob der Kläger nach heutiger Rechtslage eingebürgert werden könne, sei völlig offen, da hinsichtlich der Deutschkenntnisse und der Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung noch Tests abzulegen wären. Ebenso sei fraglich, ob den Anforderungen an die abzulegende Loyalitätserklärung Rechnung getragen wäre. In rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte der Auffassung, dass § 35 StAG ein intendiertes Ermessen eröffne, was insbesondere in Verbindung mit der Fünfjahresfrist des Absatzes 3 der Vorschrift zur Folge habe, dass die Rücknahme die regelmäßige Folge einer Täuschung sei und dem Betroffenen während des Zeitraums von fünf Jahren grundsätzlich kein Vertrauensschutz zugebilligt werden könne. Ein Absehen von der Rücknahme könne daher nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar sein müssten, gerechtfertigt sein. Die vom Verwaltungsgericht angeführten, nach dessen Auffassung im Rahmen der Ermessensbetätigung nicht gebührend berücksichtigten Umstände seien keine besonderen Gründe in diesem Sinne und entsprächen im Übrigen weitgehend nicht einmal den tatsächlichen Gegebenheiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 35 Abs. 1 StAG kein intendiertes Ermessen vorgibt und daher die allgemeinen Grundsätze zur Ausübung und gerichtlichen Überprüfung des Rücknahmeermessens Anwendung finden müssten. Die Rücknahme seiner Einbürgerung sei aber selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn man die Vorschrift im Sinne eines intendierten Ermessens verstehe. Auch unter dieser Prämisse seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahmeverfügung bereits fast vollständig verstrichen gewesen sei, seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, die Einbürgerung seiner Kinder und die hieran anknüpfende Unzumutbarkeit einer Rückkehr in den Libanon oder die Türkei in die behördlichen Erwägungen einzustellen, was nicht geschehen sei.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seiner Abstammung und den näheren Umständen der behaupteten Aufenthalte in der Türkei in den Jahren von 1976 bis 1990 angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Vorprozesses 12 K 47/05, des im Asylverfahren ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 2.3.1993 - 5 K 118/92 - und der Verwaltungsakte (1 Ordner), der zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.