Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 24. Okt. 2018 - 3 K 988/16.MZ
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, den Luftreinhalteplan für Mainz so fortzuschreiben, dass dieser unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten zum 1. April 2019 die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwerts für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Mainz enthält.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleitung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin ist ein bundesweit tätiger und nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannter Umweltschutzverband. Sie begehrt mit der vorliegenden Klage die Fortschreibung des Luftreinhalteplans der beklagten Stadt Mainz in Bezug auf Stickstoffdioxidimmissionen.
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Für das Stadtgebiet der Beklagten wurde durch das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz im Jahr 2005 erstmals ein Luftreinhalte- und Aktionsplan aufgestellt. Dieser Luftreinhalte- und Aktionsplan wurde in der Folgezeit – auch in Bezug auf Stickstoffdioxidimmissionen – mehrfach fortgeschrieben. Aktuell gilt die von der Beklagten im März 2017 erstellte 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Mainz für den Zeitraum 2016 bis 2020.
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Nach den Messungen des Landesamtes für Umwelt wurde der seit 1. Januar 2010 geltende, über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m³ an mehreren Messstellen im Innenstadtgebiet überschritten. Insoweit ist von folgenden Messergebnissen an den Messstationen im Stadtgebiet der Beklagten auszugehen:
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Mit einer Grenzwert-Überschreitung ist jedenfalls für die Parcusstraße auch im Jahr 2018 zu rechnen. Die Überschreitungen führt die Beklagte im Wesentlichen auf eine Veränderung der lokalen Zusatzbelastung durch den Straßenverkehr infolge einer Zunahme von Dieselfahrzeugen zurück.
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In die Fortschreibung 2016 bis 2020 des Luftreinhalteplans nahm die Beklagte über die in den vorangegangenen Fassungen des Luftreinhalteplans getroffenen Maßnahmen hinaus u.a. den Austausch der alten Taxi-Dieselflotte gegen Taxis mit schadstoffarmem Antrieb, den Ausbau des Radwegenetzes und der Radabstellkapazitäten, die Verbesserung der Fußgängerinfrastruktur, die Förderung der Elektromobilität, die Inbetriebnahme weiterer Straßenbahnlinien, die Anschaffung von ÖPNV-Fahrzeugen mit emissionsarmen oder emissionsfreien Abgasstandards, die Optimierung der Verkehrssteuerung bzw. die Entwicklung eines P+R-Konzepts als Maßnahmen auf kommunaler Ebene auf.
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Bereits am 30. November 2011 hat die Klägerin – zunächst gerichtet gegen das Land Rheinland-Pfalz – Klage erhoben (3 K 1668/11.MZ). Nach Wechsel der Zuständigkeit für die Luftreinhalteplanung zum 1. Januar 2012 ging die Klage im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels auf die Beklagte über.
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Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vor, der seit 1. Januar 2010 verbindliche, über ein Kalenderjahr zu mittelnde Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m³ werde im Stadtgebiet der Beklagten ausweislich der Ergebnisse der Messstationen nicht eingehalten. Auch die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Zeitraum 2016 bis 2020 enthalte nicht die Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, um den Zeitraum der Überschreitung des Grenzwerts so kurz wie möglich zu halten; vielmehr gehe die Fortschreibung selbst davon aus, dass eine signifikante Minderung der Stickstoffdioxidimmissionen erst ab einem Zeitraum von 10 Jahren ab Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6, mithin erst ab 2025 zu erwarten sei. Vor diesem Hintergrund müsse die Beklagte die Möglichkeit von Verkehrsbeschränkungen insbesondere für ältere Diesel-Pkw in Betracht ziehen. So komme auch ein von der Beklagten eingeholtes Gutachten zu dem Ergebnis, dass sich in von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen eine Verbesserung der Situation durch eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens erreichen lasse. Verkehrsverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge – etwa strecken- oder zonenbezogen – seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich zulässig. Der Umstand, dass in der Zwischenzeit die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet zurückgegangen sei, führe nicht dazu, dass die Beklagte von der Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Stickstoffdioxidreduzierung befreit sei. So sei auch noch 2017 an zwei Messstellen (Parcusstraße, Große Langgasse) der über ein Kalenderjahr gemittelte Grenzwert von 40 µg/m³ überschritten worden. Außerdem zeige die Auswertung von Passivsammlern des Landesamtes für Umwelt, dass auch an anderen Stellen im Stadtgebiet der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid – teilweise sogar mit steigender Tendenz – deutlich überschritten werde. Soweit die Beklagte zwischenzeitlich einen Green City Plan Mainz – Masterplan M³ aufgestellt habe, der Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffdioxidimmissionen vorsehe, sei nicht ersichtlich, dass die dort genannten Maßnahmen geeignet seien, damit spätestens im Jahr 2019 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Grenzwert für Stickstoffdioxid einzuhalten. Hinsichtlich der als Maßnahme vorgesehenen Nachrüstung der Busflotte des öffentlichen Personennahverkehrs mit SCR-Filtern könne nicht als gesichert angesehen werden, dass diese in dem von der Beklagten vorgesehenen Zeitfenster durchführbar sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass es an der Messstelle Parcusstraße gegenüber dem 2017 gemessenen, über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwert für Stickstoffdioxid (48 µg/m³) für 2018 zu einem Rückgang der Immissionen auf 46 µg/m³ komme. Vielmehr ließen neuere Auswertungen sogar auf einen Anstieg des NO2-Werts an dieser Messstation schließen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, den Luftreinhalteplan für Mainz so fortzuschreiben, dass dieser unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten zum 1. April 2019 die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwerts für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Mainz enthält.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, bereits die Fortschreibung des Luftreinhalteplans 2011 bis 2015 habe zu einer Reduzierung des Kfz-Binnenverkehrs und zu einer Erhöhung der Fahrrad- sowie der ÖPNV-Nutzung geführt. Darüber hinaus enthalte die Fortschreibung des Luftreinhalteplans 2016 bis 2020 weitere Maßnahmen zur Stickstoffdioxidreduzierung. Die Festsetzung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge im Innenstadtgebiet sei nicht erforderlich. Die in dem Ende Juli 2018 verabschiedeten Green City Plan Mainz – Masterplan M³ vorgesehenen Maßnahmen führten bis Ende 2019 zu einer Stickstoffdioxidreduzierung von 7 – 8 µg/m³ und bis Juni 2020 sogar zu einer Reduzierung von 9 – 10 µg/m³. Diese Werte seien auf der Grundlage eines konservativen Ansatzes ermittelt worden. Die in dem Masterplan M³ berücksichtigten Maßnahmen, die vollumfänglich Bestandteil der aktuell laufenden Fortschreibung des Luftreinhalteplans 2016 bis 2020 würden, seien geeignet, die Stickstoffdioxidimmissionen in dem genannten Umfang und Zeitraum zu reduzieren. Dies gelte im Besonderen für die beabsichtigte Nachrüstung der Busflotte mit SCR-Filtern. Hierfür sei am 20. September 2018 die Auftragsvergabe erfolgt; die Umrüstung solle nach Angaben des Herstellers bis zum 14. Dezember 2018 erfolgen. Zudem werde die Beschaffung von 23 Dieselbussen der Abgasnorm Euro 6 auf das Jahr 2018 vorgezogen; 2019 würden jeweils 4 Batterie- und 4 Brennstoffzellenbusse angeschafft. Von Belang sei ferner, dass infolge des Umbaus der Großen Langgasse und der damit verbundenen Verkehrsberuhigung eine Überschreitung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid dort nicht mehr zu erwarten sei; die dort vorhandene Messstation sei abgebaut worden. Auch an der Messstation Parcusstraße sei für das Jahr 2018 relativ sicher mit einem Rückgang der Stickstoffdioxidimmissionen auf einen Wert von 46 µg/m³ auszugehen, weshalb angesichts der prognostizierten Stickstoffdioxidreduzierung infolge der geplanten kurzfristigen Maßnahmen der Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ Ende 2019 eingehalten werden könne, ohne dass es eines Verkehrsverbots bedürfe. Soweit an Passivsammlern ebenfalls den Wert von 40 µg/m³ überschreitende Messergebnisse aufgetreten seien, handele es sich hierbei lediglich um orientierende Messungen mit einer Unsicherheit von bis zu 25 %. Diese Messwerte würden vom Landesamt für Umwelt nicht zur Beurteilung der Luftqualität gemäß der 39. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz verwendet und auch nicht an das Bundesumweltamt bzw. die Europäische Union weitergeleitet. Abzustellen sei allein auf das Ergebnis der ortsfesten Messungen, mithin der Messstationen. Überdies seien in der zwischenzeitlich begonnenen Fortschreibung des Luftreinhalteplans weitere, nicht im Masterplan enthaltene Maßnahmen wie etwa der Einsatz von Gehwegplatten aus photokatalytisch wirkenden Materialen, die Sperrung der Rheinschiene für den Lkw-Durchgangsverkehr oder eine Neugestaltung des Parkraums in der Parcusstraße und der Kaiserstraße vorgesehen, die ebenfalls zu einer Reduzierung der Stickstoffdioxidimmissionen führten. Ein Verkehrsverbot sei überdies unverhältnismäßig und auch in der Umsetzung mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet. So sei in Mainz bei einem Anteil an Diesel-Pkw von knapp 35 % eine extrem hohe Anzahl von Fahrzeugen betroffen. Gegen die Einführung eines Verkehrsverbots – welches aufgrund der in der Umgebung der Messstation Parcusstraße vergleichbar hohen Stickstoffdioxidbelastung wohl nur zonenweise in Betracht komme – sprächen erhebliche Vollzugsdefizite bei der Überwachung. Da eine auf der Grundlage der 35. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz mögliche Kennzeichnung von Dieselfahrzeugen („blaue Plakette“) politisch nicht durchsetzbar sei, sei eine wirksame Kontrolle verkehrsbeschränkender Maßnahmen kaum praktikabel.
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Aufgrund von Kammerbeschlüssen vom 4. Juni 2012, 13. März 2014 und 14. Februar 2017 hat das Klageverfahren – zuletzt bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Verfahren 7 C 26.16 über die Sprungrevision gegen das Urteil des VG Düsseldorf vom 23. September 2016 (3 K 7695/15) – geruht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Die Fortschreibungen des Luftreinhalteplans der Beklagten für die Zeiträume 2011 bis 2015 und 2016 bis 2020 sowie der Green City Plan Mainz – Masterplan M³ der Beklagten (Stand: 31. Juli 2018) – jeweils einschließlich der Verwaltungsvorgänge – lagen der Kammer vor und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg. Die Klägerin kann die Fortschreibung des Luftreinhalteplans der beklagten Stadt Mainz in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang beanspruchen.
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I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht auch das für die Entscheidung über den Rechtsstreit instanziell zuständige Gericht. Die zum 2. Juni 2017 in Kraft getretenen Änderungen des Umweltrechtbehelfsgesetzes (UmwRG) für Klagen gegen Luftreinhaltepläne oder deren Unterlassen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG sowie § 2 Abs. 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung [UVPG] i.V.m. Nr. 2.2 der Anlage 5 zum UVPG) begründen hier nicht die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Das streitgegenständliche Klageverfahren wurde bereits Ende 2011 und damit vor der genannten Gesetzesänderung rechtshängig. Nach dem auch im Verwaltungsprozessrecht geltenden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 1955 – I A 2.55 –, BVerwGE 2, 43 = juris Rn. 8), nunmehr in § 83 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – normierten Grundsatz der „perpetuatio fori“ wird die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine während der Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der die Zuständigkeit begründenden Umstände – insbesondere eine nachträgliche gesetzliche Änderung der Zuständigkeit – nicht berührt. Es bedarf (umgekehrt) einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Normierung, wenn in Fällen einer gesetzlichen Änderung der Zuständigkeit von dem Grundsatz der „perpetuatio fori“ abgewichen werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 1955, a.a.O. = juris Rn. 12). Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber ausweislich der hier einschlägigen Gesetzesmaterialien keinen Gebrauch gemacht.
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Des Weiteren ist die Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, denn als nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung steht ihr das Recht zu, einen Anspruch auf Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans (im Wege der Leistungsklage) gerichtlich durchzusetzen (vgl. schon BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 – 7 C 21/12 –, BVerwGE 147, 312 = juris Rn. 38).
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II. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans dahingehend, dass dieser bis zum 1. April 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Mainz enthält.
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Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 47 Abs. 1 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Nach dieser Vorschrift hat die zuständige Behörde – dies ist seit dem 1. Januar 2012 die beklagten Kommune (vgl. Nr. 1.5.6 der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes – ImSchZuVO –) – dann, wenn die durch eine Rechtsverordnung nach § 48 a Abs. 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Die in dem Luftreinhalteplan zu treffenden Maßnahmen müssen dabei geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten (§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG).
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Die Voraussetzungen für einen auf dieser Rechtsgrundlage bestehenden Anspruch der Klägerin auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Beklagten liegen vor. Der vorliegend allein in Streit stehende Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid wird im Stadtgebiet der Beklagten überschritten (1.). Der derzeit geltende Luftreinhalteplan der Beklagten legt nicht die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen fest und enthält insbesondere keine Maßnahmen, die geeignet sind, den Zeitraum der Einhaltung der Überschreitung des Jahresgrenzwerts für NO2 so kurz wie möglich zu halten (2.). Der Luftreinhalteplan der Beklagten ist daher so fortzuschreiben, dass er diejenigen Maßnahmen ausweist, die die schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts erwarten lassen; dabei hat die Beklagte auch ein Konzept für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge aufzunehmen (3.).
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1. Der zum Schutz der menschlichen Gesundheit verbindliche Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid wird im Stadtgebiet der Beklagten nicht eingehalten.
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Nach § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV –), bei der es sich um eine Rechtsverordnung im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 a BImSchG handelt und die u.a. der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 (Luftqualitätsrichtlinie) dient, beträgt der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid 40 µg/m³. Dieser Wert entspricht dem im Anhang XI Buchst. B der Richtlinie 2008/50/EG festgelegten und seit 1. Januar 2010 für die Mitgliedsstaaten geltenden Grenzwert für NO2.
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Der hiernach verbindliche Jahresimmissionsgrenzwert für NO2 von 40 µg/m³ wird im Stadtgebiet der Beklagten seit Jahren überschritten, wie die im Tatbestand aufgelisteten Messergebnisse an den in Mainz befindlichen Messstationen des Zentralen Immissionsmessnetzes (ZIMEN) des Landsamtes für Umwelt zeigen. Auch wenn die Grenzwertüberschreitungen insbesondere in der jüngeren Vergangenheit rückläufig sind und zuletzt auch an der Messstation Rheinallee der Stickstoffdioxidgrenzwert eingehalten wird, wurde der Jahresgrenzwert noch im Jahr 2017 an zwei Messstationen im Stadtgebiet überschritten (Große Langgasse 42 µg/m³; Parcusstraße 48 µg/m³). Mit einer deutlichen Überschreitung ist nach den von den Klageparteien vorgelegten Zwischenmessergebnissen jedenfalls für die Parcusstraße auch im Jahr 2018 zu rechnen. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie die bestehende Verpflichtung zur Einhaltung des Grenzwerts. Anders dürfte es sich für die Große Langgasse darstellen, die in den laufenden Sanierungsarbeiten als verkehrsberuhigter Bereich und teilweise mit stickstoffdioxidmindernden Baumaterialien ausgebaut werden soll.
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2. Der geltende Luftreinhalteplan der Beklagten legt nicht die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften, schnellstmöglichen Verminderung von Luftverunreinigungen durch Stickstoffdioxid fest.
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Bei Überschreitung des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwerts für NO2 ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG die Verpflichtung der zuständigen Behörde, einen zur Einhaltung des Grenzwerts führenden Luftreinhalteplan entweder erstmals aufzustellen oder einen vorhandenen Plan so zu ändern, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und damit den Anforderungen der 39. BImSchV entspricht. Dabei müssen die Maßnahmen des Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung des Grenzwerts so kurz wie möglich zu halten (§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG). Auf diese Weise werden die für die Mitgliedstaaten verbindlichen Regelungen der Art. 13 Abs. 1 und 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG in nationales Recht umgesetzt.
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Die für den Erlass des Luftreinhalteplans zuständige Behörde verfügt bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen über einen gewissen Spielraum. Dieser ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, beschränkt durch die normative Vorgabe, dass die festgelegten Maßnahmen es ermöglichen müssen, den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, NVwZ 2018, 890 = juris Rn. 31, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, NVwZ 2018, 883 = juris Rn. 34). Innerhalb dieses Rahmens ist einzelfallbezogen der jeweilige Luftreinhalteplan zu würdigen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu berücksichtigen, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält (vgl. BVerwG, wie vor). Es genügt indes nicht ein etwaiger teilweiser rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der nicht dazu führt, dass der Grenzwert eingehalten wird; denn erst mit Wahrung des Grenzwerts erfüllt der Luftreinhalteplan die gesetzlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 29, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 32, unter Verweis auf EuGH-Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen die auf europäisches Recht zurückgehenden Regelungen des § 47 BImSchG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst ab den Jahren 2020 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2 -Grenzwerts vermissen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 32, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 35). Entsprechendes gilt, wenn die für eine zeitnahe Grenzwerteinhaltung vorgesehenen Maßnahmen von Bedingungen abhängig sind, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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Ausgehend hiervon hat der Umstand, dass der in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV normierte Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid – bereits seit dem 1. Januar 2010 zum Schutz der menschlichen Gesundheit zwingend einzuhalten (vgl. Anhang XI Buchst. B der Richtlinie 2008/50/EG) – im Stadtgebiet der Beklagten im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seit nahezu 9 Jahren und damit in einem erheblichen Zeitraum überschritten wird, besondere Berücksichtigung bei der Bestimmung der „so kurz wie möglich zu haltenden“ Dauer der Grenzwertüberschreitung im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG zu erfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 31, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 34, unter Verweis auf Rechtsprechung des EuGH; Hofmann, NVwZ 2018, 928, 934: Das schwierige Verhältnis des deutschen Immissionsschutzrechts zum europäischen Luftqualitätsrecht“; Giesberts, NVwZ 2018, 1276, 1277 f.: Diesel-Verkehrsverbote“ ausnahmsweise möglich!). An der zeitlichen Vorgabe muss sich die Planung der Behörde ausrichten; sie ist auch rechtlicher Maßstab für die angesichts des Gestaltungsspielraums der Behörde eingeschränkte gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 – 7 C 21/12 –, a.a.O. = juris, Rn. 59). Eine Luftreinhalteplanung genügt ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung des dem Schutz eines Guts von rechtlich hohem Wert dienenden Grenzwerts daher nur dann, wenn sie all diejenigen Maßnahmen umfasst, die eine Einhaltung des hier maßgeblichen Grenzwerts für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ nunmehr wenigstens im bevorstehenden Jahr 2019 erwarten lassen.
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Diesen rechtlichen Anforderungen genügt der Luftreinhalteplan der Beklagten in seiner aktuellen Fassung (4. Fortschreibung 2016 – 2020 „Reduzierung der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid“, ABl. Nr. 13 vom 31. März 2017, S. 1) nicht; dies dürfte zwischen den Beteiligten auch im Kern unstreitig sein. Der Luftreinhalteplan führt in seinem Kapitel 7 zur Erfolgskontrolle selbst aus, dass die Einhaltung des Jahresgrenzwerts für Stickstoffdioxid (trotz der bereits durchgeführten Maßnahmen) kurzfristig nicht sichergestellt werden könne; der entscheidende Durchbruch bei der Reduzierung der NO2-Emissionen sei vielmehr erst zu erwarten, wenn die allgemein in Nutzung befindliche Fahrzeugflotte weitgehend aus Dieselfahrzeugen der Euro 6 Abgasnorm bestehe und diese Fahrzeuge die Grenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern im realen Fahrbetrieb einhielten, mithin erst etwa 2025 (vgl. S. 78 der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans 2016 – 2020). Darüber hinaus listet die geltende Fortschreibung des Luftreinhalteplans überwiegend Maßnahmen auf, deren Minderungspotential in Bezug auf NO2-Emissionen in der Zeit bis 2020 (bis teilweise 2030) wirken soll, so ihre Umsetzung denn überhaupt in der Hand der beklagten Kommune liegt (vgl. S. 75 ff. der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans). Soweit der Plan auch Maßnahmen mit einer zeitlich früheren Wirkung enthält, so ist insoweit festzustellen, dass deren Reduktionspotenzial bislang nicht zur Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid geführt hat. Letztlich hat die Beklagte aber mit der Aufstellung des Green City Plan Mainz – Masterplan M³ im Juli 2018 und der angekündigten Übernahme der dort beschriebenen Maßnahmen in die im Frühherbst 2018 begonnene weitere Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans (vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 27. Juli 2018) selbst zu erkennen gegeben, dass sie die in der geltenden Fassung des Plans aufgenommenen Maßnahmen nicht als ausreichend erachtet, um das Ziel einer schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Grenzwerts zu erreichen.
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Angesichts der Eindeutigkeit, dass die aktuelle Fassung des Luftreinhalteplans der Beklagten nicht die notwendigen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts für NO2 enthält, bedarf es keiner ins Einzelne gehenden Betrachtung der dort festgeschriebenen Maßnahmen, die nachweislich bislang nicht zur Zielerreichung geführt haben. Für die Verpflichtung hierzu ist es auch nicht von Bedeutung, ob die Überschreitung des Grenzwerts vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wird oder ob sie auf technischen Schwierigkeiten beruht, auf die die Beklagte nicht unmittelbar einwirken kann. Allenfalls in Fällen höherer Gewalt kann sich die zuständige Behörde auf unüberwindliche Schwierigkeiten für den Zeitraum berufen, der zu deren Ausräumung erforderlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – C-68/11 –, juris Rn. 63 f. m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 29, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 32). Derartige unüberwindliche Schwierigkeiten liegen indes nicht vor und ergeben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass auch moderne Dieselfahrzeuge im Realbetrieb bzw. aufgrund herstellerseitiger Manipulationen deutlich mehr NO2 emittieren als allgemein erwartet bzw. erlaubt.
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3. Der geltende Luftreinhalteplan der Beklagten muss daher so geändert werden, dass er die erforderlichen Maßnahmen ausweist, die die schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts für NO2 erwarten lassen. Schon wegen des Anpassungsbedarfs hat die Klägerin mit ihrer Klage dem Grunde nach Erfolg. Die von der Beklagten zur Aufnahme in die begonnene Fortschreibung des Plans vorgesehenen weiteren Maßnahmen zur Stickstoffdioxidreduzierung im Stadtgebiet stellen nach Auffassung der Kammer jedoch kein ausreichendes Vorgehen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid im Jahr 2019 dar (a). Die Beklagte muss deshalb in ihren aktuell in Änderung begriffenen Luftreinhalteplan zusätzlich Regelungen für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge aufnehmen (b).
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a) Die Kammer hat Zweifel daran, dass der von der Beklagten wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung vorgelegte Entwurf zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans Mainz 2016 – 2020 „Anpassung Stickstoffdioxid“ (Stand: Oktober 2018), der den Green City Plan Mainz – Masterplan M³ (Stand: 31. Juli 2018) einschließen soll, in seiner Gesamtheit geeignet ist, eine schnellstmögliche Einhaltung des NO2-Grenzwerts zu gewährleisten. Eine – von der Beklagten angenommene – Einhaltung des Immissionsgrenzwerts mit Hilfe der dort genannten Maßnahmen (erst) im Laufe des Jahres 2020 nach dann 10-jähriger Überschreitung des zum Schutz der menschlichen Gesundheit eingeführten Grenzwerts ist indes zu spät und stellt nicht die gesetzlich geforderte schnellstmögliche Immissionsbegrenzung dar.
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Die Beklagte hat in den vorgenannten Masterplan M³, der als Grundlage für die Einwerbung von Fördermitteln aus dem Sofortprogramm des Bundes „Saubere Luft 2017 – 2020“ nach dem sog. Dieselgipfel 2017 erarbeitet worden ist, ein Bündel von Sofort- und kurzfristigen Maßnahmen aufgenommen, die zu einer Reduzierung der NO2-Emissionen von 7 – 8 µg/m³ im Stadtgebiet bis Ende des Jahres 2019 führen sollen (vgl. Anlage 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24. September 2018). Als zentrale Elemente der Sofort- und kurzfristigen Maßnahmen sieht der Masterplan M³ (mit einem Reduktionspotenzial von 4 – 5 µg/m³ für den Innenstadtbereich) die Nachrüstung von insgesamt 97 Bussen der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) mit SCR-Filtern und die Ersatzbeschaffung von 23 Dieselbussen der Schadstoffklasse Euro 6 – beides bis Ende 2018 – sowie die Anschaffung von jeweils 4 Brennstoffzellen- und 4 Batteriebussen im Jahr 2019 vor (Maßnahmen V-2-6 und V-2-7, E-1-1 und E-1-2). Es bestehen Zweifel, ob in diesem eng gesetzten Zeitrahmen eine vollständige Umsetzung insbesondere der noch für das Ende des Jahres 2018 vorgesehenen Maßnahmen realistischerweise erwartet werden kann. Verzögerungen innerhalb eines kleinen Zeitfensters, die in verschiedentlicher Hinsicht denkbar sind (z.B. technische Umrüstschwierigkeiten, Liefer- und Handwerkerengpässe angesichts gestiegener Nachfrage), sind zum Stand der mündlichen Verhandlung nicht auszuschließen. Dies betrifft eine erfolgreiche Umrüstung und Einsatzfähigkeit der 97 Dieselbusse mit SCR-Filtern bis Ende des Jahres 2018. Aber auch hinsichtlich des Erwerbs von (nach Angaben des Geschäftsführers der MVG in der mündlichen Verhandlung zwischenzeitlich bestellten) Batterie- und Brennstoffzellenbussen zum Austausch von Dieselbussen des öffentlichen Personennahverkehrs im Jahr 2019 lässt sich infolge eines engen Marktes und der großen Nachfrage kaum ausschließen, dass es zu Verzögerungen bei der Auslieferung (der lediglich aus dem Ausland beziehbaren Fahrzeuge) und der anschließenden Inbetriebnahme der Fahrzeuge kommt. So sind zwischenzeitlich Schwierigkeiten hinsichtlich der tatsächlichen sofortigen Einsatzbereitschaft von Batteriebussen bei anderen Verkehrsbetrieben bekannt geworden (vgl. etwa Hannoversche Allgemeine vom 6. März 2017: Elektrobusse zeigen noch immer Probleme; Kölnische Rundschau vom 16. Januar 2018: Unzuverlässig – Elektrobusse der Stadtwerke Bonn werden beim Hersteller nachgerüstet); hinzu kommt die notwendige Umschulung des Bedienpersonals.
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Neben den Zweifeln an einer tatsächlich kurzfristig gelingenden Umsetzung der Sofortmaßnahmen zur Umstellung der Dieselbusflotte des öffentlichen Personennahverkehrs der Beklagten bestehen jedoch auch Zweifel an einer schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts, wie sie die Beklagte mit ihrem Sofort- und Kurzfristmaßnahmenkomplex für Ende des Jahres 2019 erwartet. Ungeachtet eines wegen verzögerter Busumstellung im öffentlichen Personennahverkehr dann ohnehin geringeren Reduktionspotenzials: Die hinsichtlich der gesamten Sofort- und Kurzfristmaßnahmen des Masterplans M³ (vgl. Anlage 6 zum Schriftsatz vom 24. September 2018) ermittelte Reduzierung der Stickstoffdioxidemissionen von 7 – 8 µg/m³ bis Ende 2019 würde nur sehr knapp die Einhaltung des Grenzwerts von 40 µg/m³ angesichts des für das Jahr 2017 noch ermittelten Werts von 48 µg/m³ erreichen; die für das Jahr 2018 von den Parteien mitgeteilten Werte liegen zwischen 46 und 48,6 µg/m³ und bieten daher ebenfalls keinen Anlass für die Annahme einer grundsätzlich positiveren Ausgangslage. Noch ungünstiger stellt sich die Eignungsprognose nach dem Entwurf zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans (Stand: Oktober 2018) dar, der bei der Umsetzung der Sofortmaßnahmen nach dem Masterplan von einem zu erwartenden Reduktionspotenzial von lediglich 6 – 7 µg/m³ an der besonders betroffenen Parcusstraße ausgeht (vgl. S. 96 des Entwurfs zur Fortschreibung). Der Masterplan betont selbst in deutlicher Weise, dass das angenommene Reduktionspotenzial nur bei konsequenter Umsetzung des Gesamtkonzepts erreicht werden kann (vgl. nur S. VIII des Masterplans). Daher ist insgesamt die Zielerreichung des verbindlichen Immissionsgrenzwerts auch für Ende des Jahres 2019 – unabhängig von der Frage der zeitlichen Umsetzung der Maßnahmen – als nicht ausreichend realistisch zu bezeichnen, ohne dass das Gericht Zweifeln an den (nach Angaben der Beklagten konservativ ermittelten) Prognosen im Einzelnen nachzugehen hätte.
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Auf die allgemeine Tendenz eines Abwärtstrends der gemessenen Stickstoffdioxidwerte bundesweit kann sich die Beklagte zur Stützung ihres Reduktionspotenzials auf den Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ nicht mit Erfolg berufen. Die Berücksichtigung allgemeiner Entwicklungen ist jedenfalls dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn entgegenstehende Besonderheiten des Einzelfalls gegeben sind, so wie hier. Der Rückgang von 53 µg/m³ im Jahr 2016 auf 48 µg/m³ im Jahr 2017 in der besonders durch Stickstoffdioxidimmissionen belasteten Parcusstraße muss nach Auffassung der Kammer auch im Zusammenhang gesehen werden mit den Umbauarbeiten in der Bahnhofstraße im Jahr 2017, die zu einer deutlichen Verringerung des kreuzenden Busverkehrs geführt haben. Deshalb dürfte für 2018 in der Parcusstraße eher wieder ein höherer Immissionsjahreswert im Raum stehen, so wie es auch in den Jahren 2009 bis 2016 gewesen ist (Werte zwischen 53 und 61 µg/m³; Ausnahmefall nach unten war lediglich das Jahr 2017 mit 48 µg/m³). Des Weiteren sind nach den an den Messstationen im Stadtgebiet ermittelten Jahresstickstoffdioxidwerten Anstiege jeweils in den Zeiträumen 2012 bis 2014 zu verzeichnen gewesen, die erst nach und nach wieder unter die früheren Werte gefallen sind. Insgesamt vermag daher der allgemeine Trend der (langsamen) Abnahme von Stickstoffdioxidwerten in den Städten die Zweifel an einer Einhaltung des Jahresgrenzwert im Jahr 2019 im Stadtgebiet der Beklagten nicht grundsätzlich zu beseitigen. Als zu unsicher hinsichtlich seiner Wirkungsbeurteilung auf das Stadtgebiet der Beklagten erscheint auch der Hinweis auf Reduktionspotenziale durch Software-Updates bei Dieselfahrzeugen aufgrund freiwilliger Absprachen mit den Fahrzeugherstellern anlässlich des sog. Dieselgipfels 2017, die derzeit erst in einem etwa hälftigen Umfang von den betroffenen Kraftfahrzeugbesitzern nachgefragt worden sind (vgl. Mainzer Allgemeine Zeitung vom 19. Juli 2018: Diesel-Nachrüstung nur schleppend).
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Soweit darüber hinaus die Beklagte in ihrem Masterplan M³ weitere Sofort- und kurzfristige Maßnahmen vorgesehen hat, die ohnehin nur gemeinsam mit der Umstellung der Busflotte des eigenen öffentlichen Personennahverkehrs die Annahme eines Reduktionspotenzials von 7 – 8 µg/m³ für das Jahr 2019 ergeben können sollen (vgl. Anlage 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24. September 2018), bestehen ebenfalls Zweifel an deren tatsächlichen zeitnahen Umsetzbarkeit und Wirkung. Viele dieser Maßnahmen in den Bereichen Digitalisierung, Vernetzung und Elektrifizierung des Verkehrs/öffentlichen Personennahverkehrs sind auf die Umsetzung oder Mitwirkung durch Dritte, insbesondere die Verkehrsteilnehmer angewiesen, um erfolgreich die Reduzierung von Stickstoffdioxidimmissionen erreichen zu können. In weiten Teilen sind sie auf eine Anreizfunktion beschränkt, etwa im Bereich der Maßnahmen zum Radverkehr. Auch insoweit kommt es im Kern auf die Teilnahmebereitschaft der Verkehrsteilnehmer an. Die tatsächliche Annahme dieser Maßnahmen ist daher als insgesamt ungewiss anzusehen und erlaubt keine verlässliche Beurteilung, ob und in welchem Umfang diese Maßnahmen tatsächlich zu einer Verminderung der NO2-Emmissionen noch im Jahr 2019 im Stadtgebiet der Beklagten beitragen können.
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Auch die zuletzt von der Beklagten in den Entwurf zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans Mainz 2016 – 2020 „Anpassung Stickstoffdioxid“ (Stand: Oktober 2018) aufgenommenen Maßnahmen wie der Einsatz von Gehwegplatten aus photokatalytisch wirksamen Materialien, die Einführung eines Lkw-Durchfahrverbots auf der Rheinschiene oder die Neugestaltung des Parkraums in der Parcusstraße/Kaiserstraße (vgl. S. 91 des Entwurfs zur Fortschreibung), lassen keine andere belastbare Betrachtung zu. Mit der Listung diese Maßnahmen ist keinerlei Bewertung hinsichtlich des zu erwartenden Reduktionspotenzials an NO2 verbunden, teilweise ist der Zeitpunkt der Umsetzung nicht näher konkretisiert. Die Maßnahmen sind weitgehend auch nicht für die besonders von Stickstoffdioxidimmissionen betroffene Parcusstraße vorgesehen, so dass eine positive Wirkung für das Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresgrenzwerts im Stadtgebiet der Beklagten nicht als verlässlich gegeben angesehen werden kann. Nicht zuletzt steht die Maßnahme betreffend das Lkw-Durchfahrtverbot auf der Rheinschiene nicht in der alleinigen Umsetzung durch die Beklagte, sondern hängt vom Einvernehmen des Landesbetriebs Mobilität ab (vgl. S. 92 des Entwurfs der Fortschreibung).
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Kurzfristige signifikante Sondereffekte zur zeitnahen Erreichung des NO2–Grenzwerts lässt auch das von der Bundesregierung am 1. Oktober 2018 beschlossene „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ (abrufbar auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/konzept-klarheit-fuer-dieselfahrer.html) zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht erwarten. Hinsichtlich der Umsetzung dieses Konzepts sind sehr viele Fragen offen. So kann bspw. in zeitlicher Hinsicht nicht abgeschätzt werden, wann die dort genannten Maßnahmen der Hardwarenachrüstung für Dieselfahrzeuge (Kommunalfahrzeuge über 3,5 t und Handwerker- und Lieferfahrzeuge) mit SCR-Filtern umgesetzt werden können. Ebenso unsicher ist, wie sich die Annahmebereitschaft der betroffenen Fahrzeughalter entwickeln wird, u.a. weil die Bundesregierung Fragen der Kostentragung noch nicht mit den Automobilherstellern geklärt hat, die Hardwarenachrüstungen eher skeptisch gegenüberstehen. Die Beklagte zählt auch nicht (jedenfalls derzeit nicht) zu den in dem Konzept genannten 14 (bzw. mittlerweile 15) besonders mit Stickstoffdioxidimmissionen belasteten Städten, in denen bestimmten Dieselfahrzeughaltern zur Vermeidung von Verkehrsbeschränkungen in den Städten die Möglichkeit von Fahrzeugumtauschangeboten oder alternativ Hardwarenachrüstungen eröffnet werden soll. Hier bestehen zahlreiche technische, rechtliche und kostenmäßige Unsicherheiten (u.a. Haftungsfragen), die das Annahmeverhalten der Dieselfahrzeughalter beeinflussen werden. Umfang und zeitlicher Rahmen einer NO2-Reduktion, die sich auch auf das Stadtgebiet der Beklagten positiv auswirken können, können daher derzeit nur als offen bezeichnet werden (so das Umweltbundesamt, vgl. auch Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Oktober 2018: Reicht der Diesel-Plan nicht aus?).
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Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagte zwischenzeitlich insbesondere mit der beabsichtigten Aufnahme von Sofort- und kurzfristigen Maßnahmen in den Luftreinhalteplan begonnen hat, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die geeignet sind, zur Reduzierung der NO2-Belastung im Stadtgebiet zu führen. Die Gesamtheit der in dem Entwurf der Fortschreibung des Luftreinhalteplans 2016 – 2020 (Stand: Oktober 2018) einschließlich des integrierten Masterplans M³ gelisteten Vorhaben lässt jedoch nicht ausreichend sicher erwarten, dass (allein) durch sie der Jahresgrenzwert für NO2 von 40 µg/m³ schnellstmöglich bereits im Jahr 2019 eingehalten wird. Hiervon geht die Beklagte selbst aus, wenn sie etwa im Masterplan M³ ausführt, der Grenzwert für NO2 könne (erst) im Jahresmittel 2020 unterschritten werden, unter der Prämisse, dass die in diesem Plan dargelegten Annahmen und Projektionen im Ergebnis zutreffen (vgl. dort S. 72). Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eingeräumt, dass der Jahresgrenzwert für NO2 im Jahr 2019 auch bei planmäßiger Umsetzung der vorgenannten Sofort- und kurzfristigen Maßnahmen nicht eingehalten werden kann.
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b) Kann danach im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass das von der Beklagten in dem aktuellen Entwurf zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans Mainz 2016 – 2020 „Anpassung Stickstoffdioxid“ (Stand: Oktober 2018) und dem darin eingeschlossenen Masterplan M³ aufgeführte Maßnahmenpaket zur Erreichung des Ziels der schnellstmöglichen Einhaltung des Immissionsgrenzwerts im Jahr 2019 ausreichend ist, sind die Handlungsmöglichkeiten der Beklagten nicht ausgeschöpft. Sie wird bei der notwendigen Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans weitere geeignete Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresgrenzwerts zu prüfen und dabei ein Konzept für Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Dieselmotoren in den Luftreinhalteplan aufzunehmen haben. Nur auf diese Weise kann sie der seit dem 1. Januar 2010 dem Schutz der menschlichen Gesundheit geltenden Pflicht zur schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresgrenzwerts für NO2 bei dessen Überschreitung Rechnung tragen.
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Für diese Betrachtung spielt eine maßgebliche Rolle die Vorschrift des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG, wonach die in den Luftreinhalteplan aufzunehmenden Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen. Zu den Emittenten von Stickstoffdioxid in Stadtgebieten zählen vor allem Dieselfahrzeuge, weshalb sie als Adressaten von Maßnahmen zur Verringerung der NO2-Belastung ebenfalls in den Blick zu nehmen sind, wenn keine anderen, zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts gleich geeigneten Maßnahmen für die Aufnahme in den Luftreinhalteplan zur Verfügung stehen. Letzteres ist vorliegend der Fall, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen: Die Beklagte kann mit den von ihr mit der Änderung ihres Luftreinhalteplans verfolgten (Sofort)Maßnahmen – auch unter Berücksichtigung der von ihr angestrebten Umrüstung der Busflotte des öffentlichen Personennahverkehrs – eine kurzfristige Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid in ihrem Stadtgebiet im Jahr 2019 nicht gewährleisten.
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In der öffentlichen Erörterung, belegt durch Erhebungen in unterschiedlichen Städten, ist mittlerweile anerkannt, dass wichtigster Verursacher für die Überschreitung der Stickstoffdioxidgrenzwerte der motorisierte Straßenverkehr ist und dass rund vier Fünftel dieses Verkehrsbeitrags von Dieselfahrzeugen stammen (vgl. insoweit nur Bundesumweltamt, Neun Fragen und Antworten zum Diesel, www.umweltbundesamt.de/themen/neun-fragen-antworten-diesel; LAI, Bericht vom 16. Februar 2016 „Handlungsbedarf und -empfehlungen zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte“, S. 8 f., www.lai-immissionsschutz.de/documents/handlungs-bedarf_2_1503573109.pdf; vgl. auch Hofmann, NVwZ 2018, 928, 935). Auch das von der Beklagten eingeholte Gutachten „Stationäre NO2-Messung Parcusstraße Mainz“ des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg vom 27. Juni 2016 (DOAS-Studie) kommt zu vergleichbaren Daten; so wurde festgestellt, dass an der Parcusstraße ungefähr 30 µg/m³ vom lokalen Straßenverkehr verursacht werden (vgl. S. 23 der DOAS-Studie; Schwerpunkt der Untersuchung war das Verhältnis der verschiedenen Verkehrsträger an den Emissionen). Es steht nach den angesprochenen Erhebungen gleichermaßen fest, dass die allgemeine städtische Schadstoffbelastung („städtischer Hintergrund“) deutlich hinter dem verkehrlichen Anteil zurücksteht (vgl. nur S. 29, 45 des geltenden Luftreinhalteplans der Beklagten). Dieselfahrzeuge sind damit als Hauptemittenten für Stickstoffdioxid in städtischen Bereichen anzusehen. Schon von daher sind solchen Maßnahmen Grenzen gesetzt, die etwa auf die Begrenzung der Emissionen von Kleinfeuerungsanlagen gerichtet sind; Belastungen durch den internationalen Schiffsverkehr auf dem Rhein sind ebenfalls schwer in den Zeitrahmen den § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG einzugliedern (vgl. zu beiden Gesichtspunkten auch Hofmann, NVwZ 2018, 928, 935). Vor diesem Hintergrund verringert sich der Spielraum der zuständigen Behörde für schnell wirkende Handlungsoptionen deutlich. § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG verlangt angesichts des erheblichen Belastungsbeitrags insgesamt und des auf den Verkehr bezogenen Anteils durch Dieselfahrzeuge daher von der Beklagten, auch Maßnahmen für diese Verkehrsgruppe in ihren Luftreinhalteplan aufzunehmen (vgl. zur vorrangigen Heranziehung BayVGH, Beschluss vom 27. Februar 2017 – 22 C 16.1427 –, NVwZ 2017, 894 = juris Rn. 138; VG Aachen, Urteil vom 8. Juni 2018 – 6 K 2211/15 –, juris Rn. 90; VG Wiesbaden, Urteil vom 5. September 2018 – 4 K 1613/15 –, juris Rn. 97). Hierbei hat die Beklagte als anerkannt wirksamste Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid ein Konzept für Verkehrsverbote von Dieselfahrzeugen in den Luftreinhalteplan einzubeziehen. Dies ist geboten, weil sie nach den obigen Ausführungen derzeit keine anderen gleich effektiven Maßnahmen aufgezeigt hat, die sie umzusetzen bereit ist.
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Die Beklagte wird danach ein Konzept für Verkehrsverbote als Handlungsoption in die anstehende Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu integrieren haben, um dem mit dem Stickstoffdioxidgrenzwert verfolgten Schutz der menschlichen Gesundheit in ihrem Stadtbereich schnellstmöglich Rechnung zu tragen. Die Pflicht zur Aufnahme in den Luftreinhalteplan ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, 3 BImSchG deutlich: Die zuständige Behörde hat einen Luftreinhalteplan vorzuhalten, der die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Immissionsgrenzwerts bei dessen Überschreitung festlegt. Dabei hat die Beklagte – ihren Entscheidungsspielraum nutzend und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – verschiedene Verkehrsverbotsmöglichkeiten zu erwägen und zu bestimmen, bei der sie auch die Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen berücksichtigen kann bzw. muss (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 41, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 44). Die Beklagte kann in Abhängigkeit von der Höhe der Grenzwertüberschreitungen einen Verzicht oder eine spätere Einführung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge je nach Abgasnormgruppe oder technischer Nachrüstung festlegen. Der Luftreinhalteplan hat auch insoweit eine Auflistung und Beschreibung aller beabsichtigten Maßnahmen und einen Zeitplan für deren Durchführung einschließlich einer Schätzung der angestrebten Verbesserung der Luftqualität zu enthalten (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Anhang XV A. Nr. 8 der Richtlinie 2008/50/EG). Von der notwendigen Aufnahme von Verkehrsregelungen für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan ist – wie die Vorschrift des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG erkennbar werden lässt – die späterhin tatsächliche Durchsetzung der dort normierten Maßnahmen zu unterscheiden, die nur erforderlich ist, wenn und soweit der Immissionsgrenzwert weiterhin nicht eingehalten wird. Die Umsetzung von im Plan enthaltenen Maßnahmen steht und fällt letztlich mit der Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen. Die normative Verpflichtung, die Überschreitung des Grenzwerts möglichst schnell zu beenden, fordert jedoch eine Bewertung und Aufnahme der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung in den Luftreinhalteplan hier aber schon jetzt. Nur so kann verhindert werden, dass nach – wie hier – langjähriger Überschreitung des Grenzwerts und späterer erneuter Feststellung der Nichteinhaltung die Erreichung des Grenzwerts sich immer weiter in die Zukunft verschiebt. Die Weigerung der Beklagten, Dieselfahrverbote aufzunehmen, würde nämlich bedeuten, dass sie bei Nichterreichen des Grenzwerts mit den nun zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehenen Maßnahmen erneut in die Änderung des Plans mit allen Verfahrensabschnitten nach § 47 Abs. 5 a BImSchG eintreten müsste, um sich dann erst mit Verkehrsverboten auseinanderzusetzen. Die damit verbundene weitere Verzögerung der Zielerreichung ist angesichts der Notwendigkeit der zeitnahen Einhaltung des zum Schutz der menschlichen Gesundheit geltenden Grenzwerts und dessen bereits jahrelangem Überschreiten sowie der von § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG vorgegebenen Berücksichtigung des Verursacherprinzips nicht mehr hinnehmbar.
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Der Aufnahme eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan stehen ferner keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Für eine derartige Maßnahme fehlt es insbesondere nicht an einer Ermächtigungsgrundlage. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 16 ff., 32 ff., und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 19 ff., 36 f.) zwischenzeitlich unter Auseinandersetzung mit den bundes- und unionsrechtlichen Rahmenbedingungen ausdrücklich klargestellt. Zwar lassen die derzeit geltenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts. Um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu ermöglichen, das die schnellstmögliche Einhaltung überschrittener NO2–Grenzwerte fordert, und ihm zur Durchsetzung zu verhelfen, sind die entgegenstehenden Vorschriften der 35. BImSchV entweder unionsrechtskonform auszulegen oder müssen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge entgegenstehen. Ermächtigungsgrundlage für eine solche Maßnahme ist § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Eine Umsetzung von Verkehrsverboten scheitert auch nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Für die Kennzeichnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge kann auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) in Verbindung mit einem geeigneten – neu zu schaffenden – Zusatzzeichen zurückgegriffen werden (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 48 ff., 56, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 51 ff., 57). Vollzugshindernisse, die auf ein normativ angelegtes Defizit zurückgehen, bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls nicht. Die Vollzugsbehörden sind zur effektiven Kontrolle und konsequenten Durchsetzung eines Verkehrsverbots verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 60 ff., und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 61 ff.).
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Die Regelungen über Dieselverkehrsverbote in einem Luftreinhalteplan müssen verhältnismäßig ausgestaltet sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 35 ff., 38, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 38 ff., 41). Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Dieselverkehrsverbote zur Erreichung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid nicht von vornherein unverhältnismäßig, vielmehr muss (lediglich) die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von der für die Erstellung eines Luftreinhalteplans zuständigen Behörde eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung des geltenden NO2–Grenzwerts verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeughalter und -nutzer und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft verbunden sind. Dabei unterscheidet diese Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 38 ff., und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 41 ff.) zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und die ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinausgehen, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen, und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Zusammenfassen lässt sich diese Rechtsprechung, der die Kammer folgt, dahingehend, dass streckenbezogene Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ohne Übergangsfrist und damit sofort möglich sind. Hinsichtlich zonaler Verkehrsverbote ist zu unterscheiden: Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 5 dürfen ebenfalls ohne Übergangsfrist und damit sofort ausgeschlossen werden. Für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 ist – unter Vertrauensschutzgesichtspunkten – ein Verkehrsverbot frühestens ab dem 1. September 2019 möglich. Darüber hinaus hat die Beklagte zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch zu prüfen, ob und für welche Personengruppen (Gewerbetreibende, Anwohner) bzw. Einzelpersonen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Auch in diesem Zusammenhang kann sie Übergangsfristen etwa für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 in Betracht ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 42, und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 45). Die konkrete Ausgestaltung eines Konzepts über Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge im Luftreinhalteplan in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht obliegt der Beklagten in Ausübung ihres Gestaltungsspielraums und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit selbst.
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Dabei hat die Beklagte aber weiter darauf zu achten, dass aufgrund der von ihr vorgesehenen Maßnahmen der in Rede stehende Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid schnellstmöglich im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 3. September 2018 vorgelegte Listung des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz über Passivsammelmessungen an verschiedenen Straßen im Stadtgebiet legt nahe, dass der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid nicht nur an der Parcusstraße, sondern auch an weiteren Stellen nur knapp erreicht oder gar überschritten wird. Auch diese Umstände hat die Beklagte, die nach Landesrecht zuständige Verwaltungsträgerin für die Erstellung des Luftreinhalteplan, einzubeziehen, um ihrer Verpflichtung aus § 47 BImSchG und den europarechtlichen Grundlagen für das gesamte Stadtgebiet Genüge zu tun. Dass sie hierbei auf das Beibringen von Messdaten durch das Landesumweltamt angewiesen sein mag, ändert an ihrer Verantwortung für die Luftreinhalteplanung nichts. Der Gesichtspunkt des räumlichen Geltungsbereichs von Verkehrsverboten ist vor dessen Festlegung im Luftreinhalteplan auch mit Blick auf etwaige Verlagerungseffekte von Relevanz. Zwar sind Verkehrsverlagerungen infolge von Verkehrsbeschränkungen nicht generell unzulässig. Weil § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) die Einhaltung des NO2–Grenzwerts verlangt, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG aber dann kein geeignetes Mittel zur Einhaltung des Grenzwerts mehr, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des Grenzwerts an anderer Stelle führen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 (Düsseldorf) –, a.a.O. = juris Rn. 64 f., und vom 27. Februar 2018 – 7 C 30/17 (Stuttgart) –, a.a.O. = juris Rn. 66 f.).
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Auch wenn im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Wirksamkeit der von der Beklagten in dem laufenden Änderungsverfahren zum Luftreinhalteplan vorgesehenen Maßnahmen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte und sich daher derzeit ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge als effektive Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung des Stickstoffdioxidgrenzwerts aufdrängt, steht der Klägerin kein Anspruch auf eine Verurteilung der Beklagten zur Aufnahme dieser bestimmten Maßnahme in den Luftreinhalteplan zu, sondern allein auf eine Verurteilung zu der beantragten Änderung mit dem Ziel der schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung. Im Rahmen ihres Planungsermessens hat die Beklagte noch Feststellungen zu den Fragen, ob ein streckenbezogenes oder ein zonales Verkehrsverbot zur Zielerreichung erforderlich ist, wie der räumliche Geltungsbereich des Verkehrsverbots für den im gesamten Stadtgebiet einzuhaltenden Grenzwerts festzulegen ist, welche Dieselfahrzeuge ab welchem Zeitpunkt von dem Verkehrsverbot erfasst werden und welche Ausnahmeregelungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu treffen sind.
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Unter Berücksichtigung vorstehender Maßgaben hat die Beklage den Luftreinhalteplan fortzuschreiben. Hierfür ist eine Frist bis zum 1. April 2019 zu gewähren, d.h. der fortgeschriebene Luftreinhalteplan muss ab diesem Datum wirksam sein. Angesichts der langjährigen Überschreitung des in Rede stehenden Grenzwerts und der bereits angegangenen Vorbereitung der laufenden Fortschreibung des Luftreinhalteplans hält die Kammer auch unter Berücksichtigung der zwingenden Verfahrensvorgaben des § 47 BImSchG (insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 47 Abs. 5 a BImSchG) die ausgesprochene Frist für ausreichend und angemessen.
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Der von der Beklagten unter Einbeziehung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge fortzuschreibende Luftreinhalteplan stellt die Grundlage für die anschließende Durchsetzung der in ihm festgelegten Maßnahmen durch die zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung dar (§ 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG). Die Änderung des Luftreinhalteplans durch die Beklagte verlangt jedoch – wie ausgeführt – noch weiteres Verwaltungshandeln. Ein vergleichbarer zeitlicher Bedarf wird auch für die Umsetzung der in dem geänderten Luftreinhalteplan dann niedergelegten Maßnahmen notwendig sein. Des Weiteren sieht die Kammer das Bestreben der Beklagten, kurzfristig die Busflotte des öffentlichen Personennahverkehrs, auf den an der besonders betroffenen Parcusstraße rund ein Viertel der verkehrlich verursachten Stickstoffdioxidkonzentrationen entfällt (vgl. S. 23 der DOAS-Studie), auf schadstoffärmere Fahrzeuge umzustellen. Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten ein gewisser zeitlicher Spielraum hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung von Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge im Stadtgebiet auch noch im Jahr 2019 zu Gute kommen. Sie wird jedoch spätestens ab dem 1. September 2019 Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge umsetzen müssen, wenn die Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid aufgrund anderer schnellwirkender Maßnahmen sowie mit Verhaltensänderungen der Verkehrsteilnehmer (z.B. Umstieg auf öffentlichen Personennahverkehr, Nutzung schadstoffärmerer Kraftfahrzeuge) im Mittel der ersten 6 Monate des Jahres 2019 nicht erreicht werden kann. Auf die Durchsetzung von Verkehrsverboten kann bei dann ggfls. nur noch geringfügiger Überschreitung des Grenzwerts verzichtet werden, wenn die Beklagte unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine ebenso effektive, schnellstmöglich wirkende andere Maßnahme im genannten Zeitrahmen zum Einsatz bringt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten des Verfahrens beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Beschluss der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. Oktober 2018
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Der Streitwert wird auf 30.000,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG) Die Kammer orientiert sich an Nr. 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57) und nimmt dabei die Obergrenze des dort gezogenen Rahmens an (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2018 – 7 C 26/16 und 7 C 30/17 –).
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(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen:
- 1.
Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach - a)
dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, - b)
der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder - c)
landesrechtlichen Vorschriften
- 2.
Genehmigungen für Anlagen, die in Spalte c des Anhangs 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen mit dem Buchstaben G gekennzeichnet sind, gegen Entscheidungen nach § 17 Absatz 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, gegen Erlaubnisse nach § 8 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für Gewässerbenutzungen, die mit einem Vorhaben im Sinne der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) verbunden sind, sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 35 Absatz 2 des Kreislaufwirtschaftgesetzes; - 2a.
Genehmigungen für Anlagen nach § 23b Absatz 1 Satz 1 oder § 19 Absatz 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder Zulassungen für Betriebspläne nach § 57d Absatz 1 des Bundesberggesetzes; - 2b.
Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes darstellen und die innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zu einem Betriebsbereich nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verwirklicht werden sollen und einer Zulassung nach landesrechtlichen Vorschriften bedürfen; - 3.
Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz; - 4.
Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und im Sinne der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, für die nach - a)
Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
landesrechtlichen Vorschriften
- 5.
Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, und - 6.
Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen.
- 1.
§ 44a der Verwaltungsgerichtsordnung, - 2.
§ 17 Absatz 3 Satz 3 bis 5 und § 19 Absatz 2 Satz 5 bis 7 des Standortauswahlgesetzes sowie - 3.
§ 15 Absatz 3 Satz 2 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz, § 17a Absatz 5 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, § 6 Absatz 9 Satz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, § 47 Absatz 4 und § 49 Absatz 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und andere entsprechende Rechtsvorschriften.
(2) Dieses Gesetz gilt auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone oder des Festlandsockels im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799, 1995 II S. 602).
(3) Soweit in Planfeststellungsverfahren, die Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 5 unterfallen, Rechtsbehelfe nach diesem Gesetz eröffnet sind, wird § 64 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes nicht angewendet.
(4) Umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 des Umweltinformationsgesetzes oder - 2.
Faktoren im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 2 des Umweltinformationsgesetzes
(1) Schutzgüter im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit, - 2.
Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, - 3.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, - 4.
kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie - 5.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.
(2) Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens oder der Durchführung eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter. Dies schließt auch solche Auswirkungen des Vorhabens ein, die aufgrund von dessen Anfälligkeit für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, soweit diese schweren Unfälle oder Katastrophen für das Vorhaben relevant sind.
(3) Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltauswirkungen eines Vorhabens in einem anderen Staat.
(4) Vorhaben im Sinne dieses Gesetzes sind nach Maßgabe der Anlage 1
- 1.
bei Neuvorhaben - a)
die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage, - b)
der Bau einer sonstigen Anlage, - c)
die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme,
- 2.
bei Änderungsvorhaben - a)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage, - b)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage oder der Beschaffenheit einer sonstigen Anlage, - c)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.
(5) Windfarm im Sinne dieses Gesetzes sind drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Ein funktionaler Zusammenhang wird insbesondere angenommen, wenn sich die Windkraftanlagen in derselben Konzentrationszone oder in einem Gebiet nach § 7 Absatz 3 des Raumordnungsgesetzes befinden.
(6) Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren, - 2.
Linienbestimmungen und andere Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren nach den §§ 47 und 49, - 3.
Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, sowie Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über Bebauungspläne, die Planfeststellungsbeschlüsse für Vorhaben im Sinne der Anlage 1 ersetzen.
(7) Pläne und Programme im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die
- 1.
von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden, - 2.
von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder - 3.
von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden.
(8) Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes sind einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen.
(9) Betroffene Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, deren Belange durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt werden; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes.
(10) Umweltprüfungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen.
(11) Einwirkungsbereich im Sinne dieses Gesetzes ist das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung
- 1.
nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert, - 2.
im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist, - 3.
die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bietet; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen, - 4.
gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolgt und - 5.
jeder Person den Eintritt als Mitglied ermöglicht, die die Ziele der Vereinigung unterstützt; Mitglieder sind Personen, die mit dem Eintritt volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der Vereinigung erhalten; bei Vereinigungen, deren Mitgliederkreis zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen besteht, kann von der Voraussetzung nach Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt.
(2) Für eine ausländische Vereinigung sowie für eine Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch das Umweltbundesamt ausgesprochen. Bei der Anerkennung einer Vereinigung nach Satz 1, die im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, ergeht diese Anerkennung im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz. Für die Anerkennung werden keine Gebühren und Auslagen erhoben.
(3) Für eine inländische Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes ausgesprochen.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Änderung des Luftreinhalteplans für D.
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Für den Ballungsraum des Rhein-Main-Gebietes besteht seit 2005 ein Luftreinhalteplan. Der Teilplan D. wurde im Februar 2011 fortgeschrieben. Im Luftreinhalteplan ist eine Reihe von lokalen Maßnahmen vorgesehen, mit denen die Schadstoffkonzentrationen für Feinstaub und Stickoxide (NOx) im Stadtgebiet von D. bis zum Zieljahr 2015 reduziert werden sollen. Die im Luftreinhalteplan aus dem Jahr 2005 enthaltenen Maßnahmen sollen aufrechterhalten bleiben. Dazu gehören insbesondere Durchfahrtsverbote für Lkw. Der Luftreinhalteplan geht davon aus, dass im Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub an allen Straßenzügen in D. sicher eingehalten werden können, während dies für Stickstoffdioxid (NO2) nicht gilt. Nach der Prognose sollen allein aufgrund der fortschreitenden Euronormen für den Schadstoffausstoß bei Kraftfahrzeugen die Immissionen für NOx um 22,1 % und der direkte NO2-Ausstoß um knapp 9 % verringert werden. Aufgrund der Maßnahmen der Stadt D. zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens wird ein weiterer Rückgang der Luftschadstoffimmissionen bei Stickoxiden um 11,6 % erwartet. Die Prognose kommt zum Ergebnis, dass bis zum Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für NO2 zumindest an den drei am höchsten belasteten Straßenzügen in D. zwar nicht eingehalten werden, aber doch deutlich reduziert werden können.
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Nachdem der Kläger beim Beklagten mit Schreiben vom 10. Januar 2012 eine Änderung des Luftreinhalteplans beantragt und zur Begründung darauf hingewiesen hatte, dass eine Umweltzone trotz der nicht garantierten Einhaltung des Grenzwerts bis zum Jahr 2015 nicht in Betracht gezogen worden sei, erhob er am 14. Februar 2012 Klage zum Verwaltungsgericht.
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Mit Urteil vom 16. August 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den für D. geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerts für NO2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet D. enthält. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das als allgemeine Leistungsklage erhobene Begehren sei als altruistische Verbandsklage zulässig. Dies folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren C-240/09, wonach ein Gericht das nationale Verfahrensrecht so auslegen müsse, dass es einer nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltschutzvereinigung ermöglicht werde, eine Entscheidung, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Europäischen Union stehe, vor einem Gericht anzufechten. Es sei unbeachtlich, dass diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Die Klage sei auch begründet. Der Beklagte sei nach § 47 Abs. 1 BImSchG und § 27 Abs. 2 der 39. BImSchV verpflichtet, im Rahmen des Luftreinhalteplans für D. alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Überschreitung des einzuhaltenden Grenzwerts für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Dem Beklagten stehe hinsichtlich des "Ob" der Aufstellung des Luftreinhalteplans Ermessen nicht zu, sondern nur hinsichtlich des "Wie" der Umsetzung der normativen Vorgaben. Er sei verpflichtet, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel der Einhaltung des Grenzwerts im Rahmen des tatsächlich Möglichen und rechtlich Verhältnismäßigen aufzustellen. Diesen Anforderungen werde der Luftreinhalteplan nicht gerecht, denn auch bei Durchführung aller darin vorgesehenen Maßnahmen würden die Grenzwerte für NO2 nicht eingehalten oder unterschritten. Angesichts der zwingenden, dem Gesundheitsschutz dienenden Grenzwerte müsste dies nur hingenommen werden, wenn alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Verminderung der Stickstoffdioxidkonzentration in D. ausgeschöpft seien. Das sei schon deshalb nicht der Fall, weil eine Umweltzone, die zwischenzeitlich als durchaus gut geeignete Maßnahme anerkannt werde, nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden sei. Angesichts des Schutzguts der Grenzwerte für NO2 sei die Einführung einer Umweltzone ungeachtet möglicher finanzieller Belastungen von Bevölkerung und Wirtschaft auch nicht unverhältnismäßig. Ein Rechtsanspruch auf Festsetzung konkreter Maßnahmen bestehe bei der Luftreinhalteplanung zwar nicht. Der planerische Gestaltungsspielraum sei jedoch begrenzt durch die normativen Zielvorgaben; diesen werde nicht genügt, wenn sich aufdrängende Maßnahmen trotz fortdauernder Überschreitung des Grenzwerts nicht in den Plan aufgenommen würden.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und trägt zur Begründung vor: Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, die auch für die allgemeine Leistungsklage erforderlich sei. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011, das nicht überzeugen könne und eine andere Fallgestaltung betreffe, ergebe sich nichts anderes (siehe auch Schink, DÖV 2012, 622). Aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) sei eine Verbandsklage, gerichtet auf Einhaltung des europäischen Umweltrechts, nicht abzuleiten. Art. 9 Abs. 3 AK habe, anders als Art. 9 Abs. 2 AK, im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung. Jedenfalls fehle es an der in der EuGH-Entscheidung vorausgesetzten interpretationsfähigen Vorschrift des nationalen Rechts. Auch führe es hier nicht weiter, durchsetzbare individuelle Rechte, die das Unionsrecht gewähre, als subjektive Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO anzusehen. Denn Art. 9 Abs. 3 AK räume gerade keine vollzugsfähigen Rechte ein. Des Weiteren werde Art. 9 Abs. 3 AK durch die EU-Luftreinhalterichtlinie nicht umgesetzt. Darin sei in Art. 26 Abs. 1 lediglich die Unterrichtung der Öffentlichkeit vorgesehen; Mitwirkungsrechte von Verbänden, die - wenn überhaupt - Ansatzpunkt für eine Verbandsklage sein könnten, würden demgegenüber nicht normiert.
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Der Klageantrag sei unbestimmt, nicht vollstreckungsfähig und deshalb unzulässig.
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Die Klage sei auch nicht begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Änderung des Luftreinhalteplans nicht zu. Der Beklagte sei zwar verpflichtet gewesen, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel aufzustellen, eine Verminderung der Überschreitung des Immissionsgrenzwerts für NO2 schrittweise zu bewirken und den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte aber bereits nachgekommen.
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Das Verwaltungsgericht gewähre letztlich einen verkappten Anspruch auf Einführung einer Umweltzone, da weitere Maßnahmen nicht ersichtlich seien. Einzelne Maßnahmen der Luftreinhalteplanung könnten aber wegen des planerischen Gestaltungsspielraums des Beklagten nicht eingeklagt werden. Der Beklagte werde zu einer Luftreinhalteplanung verurteilt, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht wahre. Eine Umweltzone sei in D. wegen der Ausgestaltung der Plakettenregelung der 35. BImSchV keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der Grenzwertüberschreitung für Stickoxide; insoweit habe das Verwaltungsgericht den Vortrag des Beklagten nicht beachtet und gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Die Auswertung von Umweltzonen in anderen Städten belege deren Geeignetheit zur NO2-Reduktion nicht. Die Einrichtung einer Umweltzone sei auch nicht erforderlich, weil der Anteil des Lkw-Durchgangsverkehrs aufgrund des bevorstehenden Abschlusses von Straßenbauarbeiten sich deutlich reduzieren werde. Schließlich sei die Einführung einer Umweltzone auch unverhältnismäßig im engeren Sinne.
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Der Beklagte beantragt,
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1. unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 die Klage abzuweisen,
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2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:
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a) Ist Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 8. März 2011 - C-240/09 - so zu interpretieren, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, so auszulegen, dass sie es einer Umweltschutzvereinigung, die die Förderung und Einhaltung des Umweltrechts der Europäischen Union zu ihrem Satzungszweck erklärt hat, ermöglicht, eine Entscheidung, die im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten?
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b) Gibt Art. 23 Abs. 1 der Luftqualitätsrichtlinie (RL 2008/50/EG vom 21. Mai 2008, ABl EG Nr. L 152 vom 11. Juni 2011, S. 1) Umweltverbänden einen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte des Anhangs XI B und XIV D dieser Richtlinie für NO2?
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c) Gibt Art. 23 der Luftqualitätsrichtlinie Umweltverbänden einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der bewirkt, dass die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für NO2 schnellstmöglich eingehalten werden?
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen,
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hilfsweise,
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das Verfahren auszusetzen und die Vorabentscheidung des EuGH zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:
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1. Ist Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs vom 8. März 2011 - C-240/09 - so auszulegen,
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dass die Vorschrift einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger geltend macht, durch die Unterlassung des staatlichen Handelns in seinen Rechten verletzt zu sein,
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wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Klage einer nach nationalem Recht anerkannten Umweltschutzvereinigung ist, die die Aufstellung eines der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 entsprechenden Luftqualitätsplans begehrt?
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2. Ist Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 so zu interpretieren, dass Umweltschutzvereinigungen einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftqualitätsplans geltend machen können, der Maßnahmen zum Inhalt hat, mit denen die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für Stickstoffdioxid schnellstmöglich eingehalten werden?
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt insbesondere vertiefend aus, dass er in unionsrechtskonformer Auslegung der § 42 Abs. 2 VwGO, § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK klagebefugt sei (siehe auch Klinger, NVwZ 2013, 850; EurUP 2013, 95).
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Der Vertreter des Bundesinteresses betont zur Frage der Ableitung einer Klagebefugnis aus Art. 9 Abs. 3 AK den Freiraum, den die Aarhus-Konvention den Vertragsstaaten einräume. Dieses Verständnis von Art. 9 Abs. 3 AK sei jedoch umstritten. Eine Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs ins deutsche Verwaltungsprozessrecht sei nicht möglich. Die in § 42 Abs. 2 VwGO vorgesehene Öffnung für andere gesetzliche Regelungen sei hier nicht einschlägig. Allerdings könne der Kreis rügefähiger subjektiv-öffentlicher Rechte in Auslegung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs weiter gezogen werden. Der Vertreter des Bundesinteresses regt eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof an. Er verteidigt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht und mit Zustimmung des Klägers erhobene Sprungrevision ist zulässig, aber nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt zwar insoweit revisibles Recht, als es die Klagebefugnis des Klägers mit unzutreffenden Erwägungen bejaht (1.); die Entscheidung stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO; 2.). Im Übrigen steht die Entscheidung mit Bundesrecht in Einklang (3.).
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1. a) Die Überprüfung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Klagebefugnis des Klägers ist dem Senat nicht durch § 134 Abs. 4 VwGO verwehrt. Danach kann die Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden. Zwar handelt es sich bei § 42 Abs. 2 VwGO um eine Vorschrift des Prozessrechts. Bei der Prüfung der Klagebefugnis geht es jedoch nicht um die von § 134 Abs. 4 VwGO ausgeschlossene Kontrolle des Verfahrens der Vorinstanz. Die Beurteilung der Klagebefugnis verlangt vielmehr eine von § 134 Abs. 4 VwGO nicht erfasste Bewertung materiell-rechtlicher Vorfragen (vgl. Urteile vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <95> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 2, vom 12. März 1998 - BVerwG 4 C 3.97 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 149 sowie vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - juris Rn. 11
§ 113 hwo nr. 6 nicht abgedruckt>; Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 134 Rn. 77).
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b) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass für den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Anspruch auf Ergänzung des Luftreinhalteplans das Erfordernis der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO entsprechende Anwendung findet. Eigene Rechte mache der Kläger zwar nicht geltend. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Rechtssache C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK ("slowakischer Braunbär" - Slg. 2011, I-1255), die eine rechtsschutzfreundliche Auslegung des nationalen Verfahrensrechts fordere, sei der Kläger gleichwohl klagebefugt, auch wenn diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei.
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Aus diesen knappen Ausführungen, die ausdrücklich auf den vom Europäischen Gerichtshof erteilten Auslegungsauftrag verweisen, geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis des Klägers nicht unabhängig vom nationalen Recht unmittelbar aus unionsrechtlichen Vorgaben entnehmen will. Wenn das Verwaltungsgericht Unionsrecht heranzieht, um ungeachtet der verneinten Betroffenheit in eigenen Rechten eine Klagebefugnis im Sinne einer altruistischen Verbandsklage zu bejahen, die sich im nationalen Verfahrensrecht noch nicht finde, bezieht sich das auf die in § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO normierte Öffnungsklausel, die unter Beachtung des Unionsrechts ausgefüllt werden soll.
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Diese Rechtsauffassung verletzt revisibles Recht.
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aa) Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der seiner Rechtsnatur nach einer Verwaltungsvorschrift ähnlich ist (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 47), im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (zuletzt etwa Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) hat das Verwaltungsgericht die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Denn in § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG ist er, wenn auch nicht ausschließlich (siehe § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO), so doch in erster Linie, auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet (vgl. etwa Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 196 S. 46). Wollte man die allgemeine Leistungsklage - im Gegensatz zur Verpflichtungsklage als einer besonderen Leistungsklage - von dieser Grundentscheidung ausnehmen, käme es zu Wertungswidersprüchen, die in der Sache nicht gerechtfertigt werden könnten. Das im Verfahren aufgeworfene Sachproblem der Zulässigkeit einer Verbandsklage ist demnach ungeachtet der Rechtsnatur des erstrebten behördlichen Handelns und folglich der prozessualen Einordnung des Rechtsschutzbegehrens zu bewältigen.
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bb) Bei der Prüfung, ob dem Kläger die Möglichkeit einer Verbandsklage eröffnet ist, hat das Verwaltungsgericht sich zu Recht an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs orientiert.
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Im Urteil vom 8. März 2011 hat sich der Europäische Gerichtshof zu den Rechtswirkungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen
; Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl II S. 1251) verhalten. Die Aarhus-Konvention ist nicht nur von allen Mitgliedstaaten der EU, sondern auch von der EU selbst ratifiziert worden (Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005, ABl EU Nr. L 124 S. 1). Als sogenanntes gemischtes Abkommen ist sie Teil des Unionsrechts und als solcher war sie Gegenstand der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren Rs. C-240/09.
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Der Europäische Gerichtshof hat zunächst festgestellt, dass die EU und damit der Gerichtshof jedenfalls dann für die Umsetzung und Auslegung von Art. 9 Abs. 3 AK zuständig sind, wenn es um Fragen der Beteiligung und des Rechtsschutzes in Verfahren geht, die inhaltlich die Durchsetzung des EU-Umweltrechts zum Gegenstand haben. Sodann hat er ausgeführt, dass Art. 9 Abs. 3 AK wegen des darin enthaltenen Ausgestaltungsvorbehalts derzeit keine unmittelbare Wirkung zukommt. Die nationalen Gerichte sind aber gleichwohl verpflichtet, ihr nationales Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht soweit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzvereinigung zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise in Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.
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(1) Die nationalen Gerichte sind gehalten, die Entscheidung als Teil des Unionsrechts bei ihren rechtlichen Erwägungen zu beachten (vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 267 Rn. 104). Die Kritik, der sich die Argumentation des Urteils ausgesetzt sieht, ändert daran nichts. Denn die Grenzen zum "ausbrechenden Rechtsakt", etwa wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV, dessen Annahme im Übrigen die Pflicht zur "Remonstration" in Gestalt eines neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens nach sich zöge (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <303 f.>), sind ersichtlich nicht überschritten (vgl. Berkemann, DVBl 2013, 1137 <1143 f.>).
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(2) Die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Auslegungsleitlinie erfasst auch die vorliegende Fallkonstellation. Die Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 1 BImSchG (i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 31. Juli 2010, BGBl I S. 1059) dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl EU Nr. L 152 S. 1). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kommt es allein darauf an.
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Das zutreffende Verständnis einer im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung (Auslegungsurteil) erschließt sich zwar vor dem Hintergrund des Streitgegenstands des Ausgangsverfahrens. Darin ging es um die verfahrensrechtliche Stellung der klagenden Vereinigung. Den Urteilsgründen ist indessen nichts zu entnehmen, was darauf schließen lassen könnte, dass sich die Verpflichtung der nationalen Gerichte, Auslegungsspielräume zugunsten von Klagerechten der Umweltverbände zu nutzen, allein auf Verfahrensrecht bezieht und lediglich bereits eingeräumte Mitwirkungsrechte prozessual verstärkt werden sollen (so auch Berkemann, a.a.O. S. 1145; Schlacke, ZUR 2011, 312 <315>).
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cc) Der Europäische Gerichtshof gibt den Gerichten auf, nach Maßgabe interpretationsfähiger Vorschriften des nationalen Rechts auch Umweltverbänden einen möglichst weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, um so die Durchsetzung des Umweltrechts der Union zu gewährleisten. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass diesem Anliegen über die Vorschrift des § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO Rechnung getragen werden kann.
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Diese Regelungsalternative erlaubt Ausnahmen vom Erfordernis der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten. Sie ist jedoch als solche keine im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs interpretationsfähige Norm, sondern lediglich eine Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel, die durch eine Entscheidung des zuständigen Normgebers umgesetzt werden muss. § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO selbst ist allerdings der Auslegung zugänglich, dass neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Regelung eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln können. Erst auf der Grundlage einer solchen normativen Entscheidung stellt sich die Frage nach unionsrechtlich dirigierten Auslegungsspielräumen.
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Eine die Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel ausfüllende Norm, die es vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erweiternd auslegt, benennt das Verwaltungsgericht nicht. Eine einer solchen Auslegung zugängliche Vorschrift ist auch nicht vorhanden.
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Eine besondere Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden. Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig.
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(1) Der Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Verbandsklage nach § 64 Abs. 1 BNatSchG ist nicht eröffnet. Gleiches gilt für § 1 UmwRG. Die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen von Absatz 1, der vermittelt über Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl Nr. L 175 S. 40) i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl EU Nr. L 156 S. 17) auch der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 AK dient (vgl. BTDrucks 16/2497 S. 42), sind nicht gegeben.
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(2) Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes kann nicht im Wege der Analogie auf Art. 9 Abs. 3 AK erstreckt werden (so auch Schlacke, a.a.O. S. 316; unklar Kahl, JZ 2012, 667 <673>). Denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.
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Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz dient, wie sich bereits aus seiner amtlichen Bezeichnung (Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG) sowie der amtlichen Anmerkung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften ergibt, der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 AK. Demgegenüber hat der Gesetzgeber ausweislich der Denkschrift zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention hinsichtlich der Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 3 AK keinen Änderungsbedarf im innerstaatlichen Recht gesehen (BTDrucks 16/2497 S. 42, 46). Insoweit hat sich das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Zeitpunkt seiner Verabschiedung als seinen Anwendungsbereich abschließend umschreibende Regelung verstanden. Daran hat sich auch mittlerweile nichts geändert. Ungeachtet der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 hat der Gesetzgeber an der ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auch im Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) festgehalten. Darin werden lediglich die durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 12. Mai 2011 (Rs. C-115/09, Trianel - Slg. 2011, I-3673) geforderten Änderungen mit dem Ziel einer "lückenlosen 1:1-Umsetzung" von Art. 10a UVP-RL sowie von Art. 9 Abs. 2 AK eingefügt (BTDrucks 17/10957 S. 11); eine Ausdehnung auf die von Art. 9 Abs. 3 AK erfassten Sachverhalte wird damit ausgeschlossen.
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Eine planwidrige Regelungslücke kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil vieles dafür spricht, dass die vom Gesetzgeber bei der Ratifizierung der Aarhus-Konvention vertretene Rechtsansicht zur fehlenden Notwendigkeit der Anpassung des innerstaatlichen Rechts unzutreffend ist. Sie steht mit dem sich auf internationaler Ebene herausbildenden Verständnis der Vertragspflichten nicht in Einklang.
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Mit dem Compliance Committee haben die Vertragsparteien auf der Grundlage von Art. 15 AK ein Gremium errichtet, das über die Einhaltung des Abkommens wachen soll, ohne jedoch ein förmliches Streitschlichtungsverfahren nach Art. 16 AK zu präjudizieren (siehe zur Arbeitsweise des Compliance Committee The Aarhus Convention: An Implementation Guide, Second Edition, 2013, S. 234 ff.). Durch dessen Spruchpraxis soll das Abkommen für alle Vertragsparteien klare Konturen erhalten. Auch wenn sich das Compliance Committee mit Empfehlungen begnügt, kommt den darin geäußerten Rechtsansichten gleichwohl bedeutendes Gewicht zu; das folgt nicht zuletzt daraus, dass bislang alle Feststellungen des Compliance Committee über die Konventionswidrigkeit der Rechtslage in einem Vertragsstaat in den Zusammenkünften der Vertragparteien (Art. 10 AK) gebilligt worden sind (siehe Implementation Guide, S. 238).
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Nach einer gefestigten Spruchpraxis zu Art. 9 Abs. 3 AK stellt sich die den Vertragsparteien nach dem Wortlaut der Bestimmung zugebilligte Gestaltungsfreiheit geringer dar, als insbesondere von Deutschland angenommen. In einer ganzen Reihe von Empfehlungen hat das Compliance Committee sein Verständnis der sogenannten dritten Säule der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Gerichten nach Art. 9 Abs. 3 AK dargelegt (grundlegend ACCC/C/2005/11
vom 16. Juni 2006, Rn. 35 ff.; ACCC/C/2006/18 vom März 2008 Rn. 29 ff.; ACCC/C/2008/32 Part I vom 14. April 2011, Rn. 77 ff.; ACCC/C/2010/48 <Österreich> vom 16. Dezember 2011, Rn. 68 ff.; dazu auch Implementation Guide, S. 197 ff., 207 f.) . Dabei betont es zwar - auch im Anschluss an die während der Zusammenkunft der Vertragsparteien vom 25. bis 27. Mai 2005 angenommene Entscheidung II/2, die in Rn. 14 bis 16 ein ersichtlich rechtsschutzfreundliches Verständnis des Art. 9 Abs. 3 AK anmahnt (ECE/MP.PP/2005/2/Add.3 vom 8. Juni 2005) - zunächst die Ausgestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers und die Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung des normativen Umfelds. Die folgenden Ausführungen lassen aber keinen Zweifel daran, dass nach Auffassung des Compliance Committee den Umweltverbänden grundsätzlich eine Möglichkeit eingeräumt werden muss, die Anwendung des Umweltrechts gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Vertragsparteien müssen zwar kein System der Popularklage einführen, so dass jedermann jegliche umweltbezogene Handlung anfechten kann. Die Formulierung "sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen" kann aber nach Auffassung des Compliance Committee die Einführung oder Beibehaltung solcher strikter Kriterien nicht rechtfertigen, die im Ergebnis alle oder fast alle Umweltverbände an der Anfechtung von Handlungen hindern, die im Widerspruch zum nationalen Umweltrecht stehen. Die Formulierung deutet nach Ansicht des Compliance Committee vielmehr auf die Selbstbeschränkung der Vertragsparteien, keine zu strengen Kriterien aufzustellen. Für den Zugang zu dem Überprüfungsverfahren soll eine Vermutung sprechen; er darf nicht die Ausnahme sein. Als Kriterien kommen die Betroffenheit oder ein Interesse in Betracht. Ausdrücklich als nicht ausreichend hat es das Compliance Committee im Verfahren gegen Österreich angesehen, dass im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 AK eine Verbandsklage vorgesehen ist (ACCC/C/2010/48 Rn. 71 ff.).
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Wenn danach das "Ob" einer umweltrechtlichen Verbandsklage durch das Abkommen entschieden ist, behalten die Vertragsstaaten gleichwohl einen Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich des "Wie". Die hiernach ausstehende Umsetzung einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung durch den nationalen Gesetzgeber steht einer planwidrigen Regelungslücke nicht gleich.
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Eine Auslegung contra legem - im Sinne einer methodisch unzulässigen richterlichen Rechtsfindung - fordert das Unionsrecht nicht (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Juli 2006 - Rs. C-212/04, Adeneler - Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 und vom 16. Juni 2005 - Rs. C-105/03, Pupino - Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47). Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - (BGHZ 179, 27). Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Reduktion oder Extension einer Vorschrift des nationalen Rechts setzt jedenfalls eine hinreichend bestimmte, nämlich klare, genaue und unbedingte, im Grundsatz unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschrift voraus, an der es hier nach Scheitern des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 24. Oktober 2003 - KOM(2003) 624 - endgültig mangels unionsrechtlicher Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK (noch) fehlt.
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(3) Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch im Unionsrecht eine solche auslegungsfähige Norm nicht auszumachen ist. Das folgt bereits zwingend aus der Tatsache, dass Art. 9 Abs. 3 AK nicht unmittelbar anwendbar ist. Eine nicht unmittelbar anwendbare Bestimmung kann aber nicht Anknüpfungspunkt einer Auslegung sein, die diese Norm der Sache nach anwendbar macht. Eine solche Argumentation wäre zirkulär (vgl. Seibert, NVwZ 2013, 1040 <1042 f.>; ein gesetzgeberisches Handeln fordert wohl auch Epiney, EurUP 2012, 88 <89>; a.A. wohl Berkemann, a.a.O. S. 1147 f.).
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2. Der festgestellte Rechtsverstoß ist indessen nicht erheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers im Ergebnis zu Recht bejaht. Sie folgt aus § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung der Aufstellung eines Luftreinhalteplans, der den Anforderungen des § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl I S. 1065) genügt, in seinen Rechten verletzt zu sein. § 47 Abs. 1 BImSchG räumt nicht nur unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, sondern auch nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbänden das Recht ein, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen.
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a) Nach § 47 Abs. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die durch eine Rechtsverordnung festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Entsprechendes gilt, soweit eine Rechtsverordnung die Aufstellung eines Luftreinhalteplans zur Einhaltung von Zielwerten regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Mit dieser Vorschrift verfolgt das Luftqualitätsrecht zwei sich überschneidende Schutzzwecke: Mit der Umsetzung der festgelegten Luftqualitätsziele sollen schädliche Auswirkungen sowohl auf die menschliche Gesundheit als auch auf die Umwelt insgesamt vermieden, verhütet oder verringert werden (Art. 1 Nr. 1 RL 2008/50/EG).
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aa) Aus dem vom Gesetz bezweckten Schutz der menschlichen Gesundheit folgt ein Klagerecht für die von den Immissionsgrenzwertüberschreitungen unmittelbar betroffenen natürlichen Personen. Das ist durch den Europäischen Gerichtshof geklärt. Seine zu den Aktionsplänen nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl EG Nr. L 296 S. 55) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl EU Nr. L 284 S. 1), § 47 Abs. 2 BImSchG a.F. ergangene Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - Rs. C-237/07, Janecek - Slg. 2008, I-6221 Rn. 42) ist in dieser Hinsicht ohne Weiteres auch auf die Luftreinhaltepläne nach Art. 23 Abs. 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 BImSchG n.F. zu übertragen (vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BImSchG § 47 Rn. 29e; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 50 m.w.N.; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <72>).
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Der Kläger kann als juristische Person in seiner Gesundheit nicht betroffen sein; die Verletzung eines aus der Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit folgenden subjektiven Rechts auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte kann er nicht geltend machen. Nach dem hergebrachten Begriffsverständnis des subjektiven Rechts würde Entsprechendes gelten, soweit das Luftqualitätsrecht dem Schutz der Umwelt als solcher und damit einem Allgemeininteresse dient.
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bb) Das Unionsrecht gebietet indessen eine erweiternde Auslegung der aus dem Luftqualitätsrecht folgenden subjektiven Rechtspositionen.
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Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass unmittelbar betroffenen juristischen Personen in gleicher Weise wie natürlichen Personen ein Klagerecht zusteht (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 39). Die Kriterien für die Betroffenheit als Anknüpfungspunkt für eine subjektive, klagefähige Rechtsposition hat er nicht näher erläutert. Die Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die Geltendmachung individueller Rechtspositionen hinaus ist darin indessen angelegt.
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(1) Wird die Betroffenheit durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt (so den EuGH verstehend Ziekow, NVwZ 2010, 793 <794>), so folgt aus dieser Rechtsprechung gleichwohl, dass sich die juristische Person - gemessen an der in Rn. 38 des Urteils betonten Schutzrichtung der Vorschrift - ein fremdes Interesse, so etwa als dort ansässiges Unternehmen die Gesundheit seiner Mitarbeiter, zum eigenen Anliegen machen darf.
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Die in dieser Weise vom Unionsrecht zugebilligte Rechtsmacht ist in unionsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO im Interesse des aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden Effektivitätsgebots als subjektives Recht anzuerkennen (vgl. etwa Gärditz, VwGO, 2013, § 42 Rn. 69 f. m.w.N.). Sie bestimmt zugleich das Verständnis der zur Umsetzung des Unionsrechts erlassenen mitgliedstaatlichen Vorschriften und hat eine Ausdehnung des Begriffs des subjektiven Rechts zur Folge. Allein ein solches Verständnis trägt der Entwicklung des Unionsrechts Rechnung. Es ist von Anfang an von der Tendenz geprägt gewesen, durch eine großzügige Anerkennung subjektiver Rechte den Bürger auch für die dezentrale Durchsetzung des Unionsrechts zu mobilisieren. Der Bürger hat damit zugleich - bezogen auf das objektive Interesse an einer Sicherung der praktischen Wirksamkeit und der Einheit des Unionsrechts - eine "prokuratorische" Rechtsstellung inne. Diese kann auch in den Vordergrund rücken (siehe hierzu - mit verschiedenen Akzentuierungen - etwa Masing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 7 Rn. 91 ff., 98 ff., 112 ff.; Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Einleitung Rn. 21a; Schmidt-Aßmann, in: Gedächtnisschrift Brugger, 2013, S. 411 ff.; Hong, JZ 2012, 380 <383 ff.>; Gärditz, EurUP 2010, 210 <219 ff.>).
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(2) Zu den unmittelbar betroffenen juristischen Personen, denen durch § 47 Abs. 1 BImSchG ein Klagerecht eingeräumt ist, gehören auch die nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände.
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Eine Auslegung des § 47 Abs. 1 BImSchG dahingehend, dass neben unmittelbar betroffenen natürlichen Personen auch Umweltverbände das Recht haben, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, ist durch Art. 23 RL 2008/50/EG und Art. 9 Abs. 3 AK geboten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 8. März 2011 in Bezug auf Sachverhalte, die - wie hier die Aufstellung von Luftreinhalteplänen - dem Unionsrecht unterliegen, für Umweltverbände einen weiten Zugang zu Gericht gefordert; er hat dies damit begründet, dass der "Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte" gewährleistet werden müsse (a.a.O. Rn. 48, 51). Ausgehend hiervon müssen sich die Klagerechte, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juli 2008 (a.a.O.) auf dem Gebiet der Luftreinhaltung anerkannt hat, auch auf Umweltverbände erstrecken. Eine grundsätzliche Verneinung derartiger Rechte von Umweltverbänden wäre zudem, wie oben dargelegt, unvereinbar mit der Spruchpraxis des Compliance Committee zu Art. 9 Abs. 3 AK.
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Weder das Unionsrecht noch Art. 9 Abs. 3 AK verlangen jedoch, jedem Umweltverband ein Recht auf Einhaltung der zwingenden Vorschriften bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zu gewähren. Umweltverbände können - nicht anders als natürliche Personen - Träger von materiellen subjektiven Rechten nur sein, wenn sie Teil nicht nur der allgemeinen Öffentlichkeit, sondern der "betroffenen Öffentlichkeit" sind. Als "betroffene Öffentlichkeit" definieren Art. 2 Nr. 5 AK und - für die Umweltverträglichkeitsprüfung - inhaltlich entsprechend Art. 3 Nr. 1 RL 2003/35/EG die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse (siehe auch Art. 2 Abs. 3 RL 2003/35/EG). Diese Vereinigungen sollen sich die öffentlichen Belange des Umweltschutzes zum eigenen Anliegen machen können.
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Welche Voraussetzungen ein Umweltverband nach innerstaatlichem Recht erfüllen muss, um berechtigt zu sein, sich die Belange des Umweltschutzes bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zum eigenen Anliegen zu machen, ist nicht ausdrücklich geregelt. § 3 UmwRG regelt lediglich, welche Umweltverbände Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz einlegen können. Dieser Vorschrift ist jedoch die Grundentscheidung zu entnehmen, dass nur die nach dieser Vorschrift anerkannten Umweltverbände berechtigt sein sollen, vor Gericht geltend zu machen, dass dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschriften verletzt worden seien. Auch die Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfsbefugnisse nach §§ 63, 64 BNatSchG sind an die Anerkennung nach § 3 UmwRG geknüpft. Ein normativer Anhaltspunkt dafür, dass bei Aufstellung von Luftreinhalteplänen das grundsätzlich auch Umweltverbänden eingeräumte Recht, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein könnte, sind nicht ersichtlich.
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3. Im Übrigen beruht das angegriffene Urteil nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts.
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a) Zu Unrecht rügt der Beklagte eine unzulässige Antragstellung.
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Auch dieser Rüge steht § 134 Abs. 4 VwGO nicht entgegen. Denn die Frage, ob der Antrag angesichts des Rechtsschutzbegehrens hinreichend bestimmt ist, kann nur vor dem Hintergrund des geltend gemachten materiellen Anspruchs beantwortet werden.
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Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet; ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Schließlich soll aus einem dem Klageantrag stattgebenden Urteil eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 82 Rn. 7 ff.; Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 253 Rn. 29, jeweils m.w.N.). Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab.
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Hiernach entspricht die Antragstellung dem Bestimmtheitserfordernis. Die vom Beklagten bemängelte Benennung allein des durch die Ergänzung des Luftreinhalteplans zu erreichenden Ziels spiegelt die planerische Gestaltungsfreiheit wider, die das Gesetz der Behörde einräumt (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 26 f. = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 11). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von sonstigen Fallkonstellationen, in denen nur ein Erfolg geschuldet wird, während die Wahl der geeigneten Maßnahmen Sache des Schuldners bleibt; auch dann genügt die Angabe dieses Erfolgs (vgl. Foerste, a.a.O. Rn. 32).
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Der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils wird dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen kann, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten sind.
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b) Ohne Rechtsverstoß hat das Verwaltungsgericht als Grundlage seines Entscheidungsausspruchs festgestellt, dass der Beklagte seinen Verpflichtungen aus § 47 Abs. 1 BImSchG, deren Erfüllung der Kläger einfordern kann, mit dem bestehenden Luftreinhalteplan noch nicht nachgekommen ist.
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aa) Der in Anlage 11 Abschnitt B der 39. BImSchV genannte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid, der ab dem 1. Januar 2010 einzuhalten ist, wird an mehreren Orten im Stadtgebiet überschritten. Nach § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchV hat der Beklagte in dieser Situation einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen festlegt. Diese Maßnahmen müssen nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG normiert in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG eine zeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwerts als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten; es ist zugleich rechtlicher Maßstab für die angesichts der Gestaltungsspielräume der Behörde eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele. Daraus kann sich eine Einschränkung des planerischen Ermessens ergeben, wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lässt (vgl. Köck/Lehmann, a.a.O. S. 70 f.). Auch insoweit wird aber nicht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen; vielmehr kann auch hier - nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes - ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (Köck/Lehmann, a.a.O. S. 71). Dem trägt das Verwaltungsgericht dadurch Rechnung, dass es im Entscheidungsausspruch nicht zu einer sofortigen, sondern ausdrücklich nur zur schnellstmöglichen Zielerreichung verpflichtet.
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bb) Der Beklagte kann sich zur Stützung seiner abweichenden Rechtsauffassung, wonach es schon ausreiche, dass ein Luftreinhalteplan die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte jedenfalls schrittweise anstrebe, auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2008 in der Rechtssache C-237/07, nicht berufen. Denn diese Entscheidung ist zu einer insoweit anderen Rechtslage ergangen. Sie bezieht sich auf Aktionspläne nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG. Abgesehen von der unterschiedlichen Zielsetzung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen bzw. Plänen für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen ist in der genannten Vorschrift im Unterschied zu Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 RL 2008/50/EG der ausdrückliche Hinweis auf die Eignung der zu ergreifenden Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts nicht enthalten; die Maßnahmen sollen nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG lediglich dazu dienen, die Gefahr der Überschreitung zu verringern und die Dauer der Überschreitung zu beschränken. Der Europäische Gerichtshof hat aus dem Aufbau der Richtlinie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten entnommen, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Dauer der Überschreitung unter Berücksichtigung aller Umstände auf ein Minimum zu reduzieren (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 45). Wenn hiernach auch insoweit ein Minimierungsgebot gilt, ist der Entscheidung nicht etwa zu entnehmen, dass die Möglichkeit zur schrittweisen Erreichung der Grenzwerte voraussetzungslos eingeräumt sein soll. Vielmehr muss sich die Maßnahme auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments rechtfertigen lassen.
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c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Einrichtung einer Umweltzone als eine Maßnahme eingeordnet hat, die bei der Aufstellung des Luftreinhalteplans zu berücksichtigen ist.
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Soweit sich der Beklagte gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Geeignetheit der Umweltzone zur Erreichung des Luftqualitätsziels einer Verminderung der NO2-Belastung wendet, richtet er sich letztlich gegen die tatrichterlichen Feststellungen und Annahmen, gegen die nach § 134 Abs. 4 VwGO wirksame Verfahrensrügen nicht erhoben werden können. Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die als materiell-rechtliche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO einzuordnen wären, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
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Schließlich hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob sich die Einrichtung einer Umweltzone als unverhältnismäßig im engeren Sinne darstellen könnte, keine unzutreffenden rechtlichen Maßstäbe angelegt. Es hat zu Recht die betroffenen rechtlich geschützten Interessen gegenübergestellt und abgewogen. Der Bewältigung besonderer Härten trägt die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV) vom 10. Oktober 2006 (BGBl I S. 2218) Rechnung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
- 8
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
- 15
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
- 17
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
- 18
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
- 19
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
- 22
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
- 24
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
- 8
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
- 15
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
- 17
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
- 18
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
- 19
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
- 22
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
- 24
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Änderung des Luftreinhalteplans für D.
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Für den Ballungsraum des Rhein-Main-Gebietes besteht seit 2005 ein Luftreinhalteplan. Der Teilplan D. wurde im Februar 2011 fortgeschrieben. Im Luftreinhalteplan ist eine Reihe von lokalen Maßnahmen vorgesehen, mit denen die Schadstoffkonzentrationen für Feinstaub und Stickoxide (NOx) im Stadtgebiet von D. bis zum Zieljahr 2015 reduziert werden sollen. Die im Luftreinhalteplan aus dem Jahr 2005 enthaltenen Maßnahmen sollen aufrechterhalten bleiben. Dazu gehören insbesondere Durchfahrtsverbote für Lkw. Der Luftreinhalteplan geht davon aus, dass im Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub an allen Straßenzügen in D. sicher eingehalten werden können, während dies für Stickstoffdioxid (NO2) nicht gilt. Nach der Prognose sollen allein aufgrund der fortschreitenden Euronormen für den Schadstoffausstoß bei Kraftfahrzeugen die Immissionen für NOx um 22,1 % und der direkte NO2-Ausstoß um knapp 9 % verringert werden. Aufgrund der Maßnahmen der Stadt D. zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens wird ein weiterer Rückgang der Luftschadstoffimmissionen bei Stickoxiden um 11,6 % erwartet. Die Prognose kommt zum Ergebnis, dass bis zum Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für NO2 zumindest an den drei am höchsten belasteten Straßenzügen in D. zwar nicht eingehalten werden, aber doch deutlich reduziert werden können.
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Nachdem der Kläger beim Beklagten mit Schreiben vom 10. Januar 2012 eine Änderung des Luftreinhalteplans beantragt und zur Begründung darauf hingewiesen hatte, dass eine Umweltzone trotz der nicht garantierten Einhaltung des Grenzwerts bis zum Jahr 2015 nicht in Betracht gezogen worden sei, erhob er am 14. Februar 2012 Klage zum Verwaltungsgericht.
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Mit Urteil vom 16. August 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den für D. geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerts für NO2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet D. enthält. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das als allgemeine Leistungsklage erhobene Begehren sei als altruistische Verbandsklage zulässig. Dies folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren C-240/09, wonach ein Gericht das nationale Verfahrensrecht so auslegen müsse, dass es einer nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltschutzvereinigung ermöglicht werde, eine Entscheidung, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Europäischen Union stehe, vor einem Gericht anzufechten. Es sei unbeachtlich, dass diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Die Klage sei auch begründet. Der Beklagte sei nach § 47 Abs. 1 BImSchG und § 27 Abs. 2 der 39. BImSchV verpflichtet, im Rahmen des Luftreinhalteplans für D. alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Überschreitung des einzuhaltenden Grenzwerts für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Dem Beklagten stehe hinsichtlich des "Ob" der Aufstellung des Luftreinhalteplans Ermessen nicht zu, sondern nur hinsichtlich des "Wie" der Umsetzung der normativen Vorgaben. Er sei verpflichtet, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel der Einhaltung des Grenzwerts im Rahmen des tatsächlich Möglichen und rechtlich Verhältnismäßigen aufzustellen. Diesen Anforderungen werde der Luftreinhalteplan nicht gerecht, denn auch bei Durchführung aller darin vorgesehenen Maßnahmen würden die Grenzwerte für NO2 nicht eingehalten oder unterschritten. Angesichts der zwingenden, dem Gesundheitsschutz dienenden Grenzwerte müsste dies nur hingenommen werden, wenn alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Verminderung der Stickstoffdioxidkonzentration in D. ausgeschöpft seien. Das sei schon deshalb nicht der Fall, weil eine Umweltzone, die zwischenzeitlich als durchaus gut geeignete Maßnahme anerkannt werde, nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden sei. Angesichts des Schutzguts der Grenzwerte für NO2 sei die Einführung einer Umweltzone ungeachtet möglicher finanzieller Belastungen von Bevölkerung und Wirtschaft auch nicht unverhältnismäßig. Ein Rechtsanspruch auf Festsetzung konkreter Maßnahmen bestehe bei der Luftreinhalteplanung zwar nicht. Der planerische Gestaltungsspielraum sei jedoch begrenzt durch die normativen Zielvorgaben; diesen werde nicht genügt, wenn sich aufdrängende Maßnahmen trotz fortdauernder Überschreitung des Grenzwerts nicht in den Plan aufgenommen würden.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und trägt zur Begründung vor: Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, die auch für die allgemeine Leistungsklage erforderlich sei. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011, das nicht überzeugen könne und eine andere Fallgestaltung betreffe, ergebe sich nichts anderes (siehe auch Schink, DÖV 2012, 622). Aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) sei eine Verbandsklage, gerichtet auf Einhaltung des europäischen Umweltrechts, nicht abzuleiten. Art. 9 Abs. 3 AK habe, anders als Art. 9 Abs. 2 AK, im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung. Jedenfalls fehle es an der in der EuGH-Entscheidung vorausgesetzten interpretationsfähigen Vorschrift des nationalen Rechts. Auch führe es hier nicht weiter, durchsetzbare individuelle Rechte, die das Unionsrecht gewähre, als subjektive Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO anzusehen. Denn Art. 9 Abs. 3 AK räume gerade keine vollzugsfähigen Rechte ein. Des Weiteren werde Art. 9 Abs. 3 AK durch die EU-Luftreinhalterichtlinie nicht umgesetzt. Darin sei in Art. 26 Abs. 1 lediglich die Unterrichtung der Öffentlichkeit vorgesehen; Mitwirkungsrechte von Verbänden, die - wenn überhaupt - Ansatzpunkt für eine Verbandsklage sein könnten, würden demgegenüber nicht normiert.
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Der Klageantrag sei unbestimmt, nicht vollstreckungsfähig und deshalb unzulässig.
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Die Klage sei auch nicht begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Änderung des Luftreinhalteplans nicht zu. Der Beklagte sei zwar verpflichtet gewesen, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel aufzustellen, eine Verminderung der Überschreitung des Immissionsgrenzwerts für NO2 schrittweise zu bewirken und den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte aber bereits nachgekommen.
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Das Verwaltungsgericht gewähre letztlich einen verkappten Anspruch auf Einführung einer Umweltzone, da weitere Maßnahmen nicht ersichtlich seien. Einzelne Maßnahmen der Luftreinhalteplanung könnten aber wegen des planerischen Gestaltungsspielraums des Beklagten nicht eingeklagt werden. Der Beklagte werde zu einer Luftreinhalteplanung verurteilt, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht wahre. Eine Umweltzone sei in D. wegen der Ausgestaltung der Plakettenregelung der 35. BImSchV keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der Grenzwertüberschreitung für Stickoxide; insoweit habe das Verwaltungsgericht den Vortrag des Beklagten nicht beachtet und gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Die Auswertung von Umweltzonen in anderen Städten belege deren Geeignetheit zur NO2-Reduktion nicht. Die Einrichtung einer Umweltzone sei auch nicht erforderlich, weil der Anteil des Lkw-Durchgangsverkehrs aufgrund des bevorstehenden Abschlusses von Straßenbauarbeiten sich deutlich reduzieren werde. Schließlich sei die Einführung einer Umweltzone auch unverhältnismäßig im engeren Sinne.
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Der Beklagte beantragt,
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1. unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 die Klage abzuweisen,
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2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:
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a) Ist Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 8. März 2011 - C-240/09 - so zu interpretieren, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, so auszulegen, dass sie es einer Umweltschutzvereinigung, die die Förderung und Einhaltung des Umweltrechts der Europäischen Union zu ihrem Satzungszweck erklärt hat, ermöglicht, eine Entscheidung, die im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten?
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b) Gibt Art. 23 Abs. 1 der Luftqualitätsrichtlinie (RL 2008/50/EG vom 21. Mai 2008, ABl EG Nr. L 152 vom 11. Juni 2011, S. 1) Umweltverbänden einen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte des Anhangs XI B und XIV D dieser Richtlinie für NO2?
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c) Gibt Art. 23 der Luftqualitätsrichtlinie Umweltverbänden einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der bewirkt, dass die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für NO2 schnellstmöglich eingehalten werden?
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen,
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hilfsweise,
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das Verfahren auszusetzen und die Vorabentscheidung des EuGH zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:
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1. Ist Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs vom 8. März 2011 - C-240/09 - so auszulegen,
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dass die Vorschrift einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger geltend macht, durch die Unterlassung des staatlichen Handelns in seinen Rechten verletzt zu sein,
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wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Klage einer nach nationalem Recht anerkannten Umweltschutzvereinigung ist, die die Aufstellung eines der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 entsprechenden Luftqualitätsplans begehrt?
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2. Ist Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 so zu interpretieren, dass Umweltschutzvereinigungen einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftqualitätsplans geltend machen können, der Maßnahmen zum Inhalt hat, mit denen die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für Stickstoffdioxid schnellstmöglich eingehalten werden?
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt insbesondere vertiefend aus, dass er in unionsrechtskonformer Auslegung der § 42 Abs. 2 VwGO, § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK klagebefugt sei (siehe auch Klinger, NVwZ 2013, 850; EurUP 2013, 95).
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Der Vertreter des Bundesinteresses betont zur Frage der Ableitung einer Klagebefugnis aus Art. 9 Abs. 3 AK den Freiraum, den die Aarhus-Konvention den Vertragsstaaten einräume. Dieses Verständnis von Art. 9 Abs. 3 AK sei jedoch umstritten. Eine Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs ins deutsche Verwaltungsprozessrecht sei nicht möglich. Die in § 42 Abs. 2 VwGO vorgesehene Öffnung für andere gesetzliche Regelungen sei hier nicht einschlägig. Allerdings könne der Kreis rügefähiger subjektiv-öffentlicher Rechte in Auslegung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs weiter gezogen werden. Der Vertreter des Bundesinteresses regt eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof an. Er verteidigt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht und mit Zustimmung des Klägers erhobene Sprungrevision ist zulässig, aber nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt zwar insoweit revisibles Recht, als es die Klagebefugnis des Klägers mit unzutreffenden Erwägungen bejaht (1.); die Entscheidung stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO; 2.). Im Übrigen steht die Entscheidung mit Bundesrecht in Einklang (3.).
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1. a) Die Überprüfung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Klagebefugnis des Klägers ist dem Senat nicht durch § 134 Abs. 4 VwGO verwehrt. Danach kann die Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden. Zwar handelt es sich bei § 42 Abs. 2 VwGO um eine Vorschrift des Prozessrechts. Bei der Prüfung der Klagebefugnis geht es jedoch nicht um die von § 134 Abs. 4 VwGO ausgeschlossene Kontrolle des Verfahrens der Vorinstanz. Die Beurteilung der Klagebefugnis verlangt vielmehr eine von § 134 Abs. 4 VwGO nicht erfasste Bewertung materiell-rechtlicher Vorfragen (vgl. Urteile vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <95> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 2, vom 12. März 1998 - BVerwG 4 C 3.97 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 149 sowie vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - juris Rn. 11
§ 113 hwo nr. 6 nicht abgedruckt>; Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 134 Rn. 77).
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b) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass für den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Anspruch auf Ergänzung des Luftreinhalteplans das Erfordernis der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO entsprechende Anwendung findet. Eigene Rechte mache der Kläger zwar nicht geltend. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Rechtssache C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK ("slowakischer Braunbär" - Slg. 2011, I-1255), die eine rechtsschutzfreundliche Auslegung des nationalen Verfahrensrechts fordere, sei der Kläger gleichwohl klagebefugt, auch wenn diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei.
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Aus diesen knappen Ausführungen, die ausdrücklich auf den vom Europäischen Gerichtshof erteilten Auslegungsauftrag verweisen, geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis des Klägers nicht unabhängig vom nationalen Recht unmittelbar aus unionsrechtlichen Vorgaben entnehmen will. Wenn das Verwaltungsgericht Unionsrecht heranzieht, um ungeachtet der verneinten Betroffenheit in eigenen Rechten eine Klagebefugnis im Sinne einer altruistischen Verbandsklage zu bejahen, die sich im nationalen Verfahrensrecht noch nicht finde, bezieht sich das auf die in § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO normierte Öffnungsklausel, die unter Beachtung des Unionsrechts ausgefüllt werden soll.
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Diese Rechtsauffassung verletzt revisibles Recht.
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aa) Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der seiner Rechtsnatur nach einer Verwaltungsvorschrift ähnlich ist (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 47), im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (zuletzt etwa Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) hat das Verwaltungsgericht die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Denn in § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG ist er, wenn auch nicht ausschließlich (siehe § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO), so doch in erster Linie, auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet (vgl. etwa Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 196 S. 46). Wollte man die allgemeine Leistungsklage - im Gegensatz zur Verpflichtungsklage als einer besonderen Leistungsklage - von dieser Grundentscheidung ausnehmen, käme es zu Wertungswidersprüchen, die in der Sache nicht gerechtfertigt werden könnten. Das im Verfahren aufgeworfene Sachproblem der Zulässigkeit einer Verbandsklage ist demnach ungeachtet der Rechtsnatur des erstrebten behördlichen Handelns und folglich der prozessualen Einordnung des Rechtsschutzbegehrens zu bewältigen.
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bb) Bei der Prüfung, ob dem Kläger die Möglichkeit einer Verbandsklage eröffnet ist, hat das Verwaltungsgericht sich zu Recht an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs orientiert.
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Im Urteil vom 8. März 2011 hat sich der Europäische Gerichtshof zu den Rechtswirkungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen
; Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl II S. 1251) verhalten. Die Aarhus-Konvention ist nicht nur von allen Mitgliedstaaten der EU, sondern auch von der EU selbst ratifiziert worden (Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005, ABl EU Nr. L 124 S. 1). Als sogenanntes gemischtes Abkommen ist sie Teil des Unionsrechts und als solcher war sie Gegenstand der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren Rs. C-240/09.
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Der Europäische Gerichtshof hat zunächst festgestellt, dass die EU und damit der Gerichtshof jedenfalls dann für die Umsetzung und Auslegung von Art. 9 Abs. 3 AK zuständig sind, wenn es um Fragen der Beteiligung und des Rechtsschutzes in Verfahren geht, die inhaltlich die Durchsetzung des EU-Umweltrechts zum Gegenstand haben. Sodann hat er ausgeführt, dass Art. 9 Abs. 3 AK wegen des darin enthaltenen Ausgestaltungsvorbehalts derzeit keine unmittelbare Wirkung zukommt. Die nationalen Gerichte sind aber gleichwohl verpflichtet, ihr nationales Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht soweit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzvereinigung zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise in Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.
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(1) Die nationalen Gerichte sind gehalten, die Entscheidung als Teil des Unionsrechts bei ihren rechtlichen Erwägungen zu beachten (vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 267 Rn. 104). Die Kritik, der sich die Argumentation des Urteils ausgesetzt sieht, ändert daran nichts. Denn die Grenzen zum "ausbrechenden Rechtsakt", etwa wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV, dessen Annahme im Übrigen die Pflicht zur "Remonstration" in Gestalt eines neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens nach sich zöge (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <303 f.>), sind ersichtlich nicht überschritten (vgl. Berkemann, DVBl 2013, 1137 <1143 f.>).
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(2) Die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Auslegungsleitlinie erfasst auch die vorliegende Fallkonstellation. Die Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 1 BImSchG (i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 31. Juli 2010, BGBl I S. 1059) dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl EU Nr. L 152 S. 1). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kommt es allein darauf an.
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Das zutreffende Verständnis einer im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung (Auslegungsurteil) erschließt sich zwar vor dem Hintergrund des Streitgegenstands des Ausgangsverfahrens. Darin ging es um die verfahrensrechtliche Stellung der klagenden Vereinigung. Den Urteilsgründen ist indessen nichts zu entnehmen, was darauf schließen lassen könnte, dass sich die Verpflichtung der nationalen Gerichte, Auslegungsspielräume zugunsten von Klagerechten der Umweltverbände zu nutzen, allein auf Verfahrensrecht bezieht und lediglich bereits eingeräumte Mitwirkungsrechte prozessual verstärkt werden sollen (so auch Berkemann, a.a.O. S. 1145; Schlacke, ZUR 2011, 312 <315>).
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cc) Der Europäische Gerichtshof gibt den Gerichten auf, nach Maßgabe interpretationsfähiger Vorschriften des nationalen Rechts auch Umweltverbänden einen möglichst weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, um so die Durchsetzung des Umweltrechts der Union zu gewährleisten. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass diesem Anliegen über die Vorschrift des § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO Rechnung getragen werden kann.
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Diese Regelungsalternative erlaubt Ausnahmen vom Erfordernis der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten. Sie ist jedoch als solche keine im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs interpretationsfähige Norm, sondern lediglich eine Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel, die durch eine Entscheidung des zuständigen Normgebers umgesetzt werden muss. § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO selbst ist allerdings der Auslegung zugänglich, dass neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Regelung eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln können. Erst auf der Grundlage einer solchen normativen Entscheidung stellt sich die Frage nach unionsrechtlich dirigierten Auslegungsspielräumen.
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Eine die Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel ausfüllende Norm, die es vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erweiternd auslegt, benennt das Verwaltungsgericht nicht. Eine einer solchen Auslegung zugängliche Vorschrift ist auch nicht vorhanden.
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Eine besondere Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden. Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig.
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(1) Der Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Verbandsklage nach § 64 Abs. 1 BNatSchG ist nicht eröffnet. Gleiches gilt für § 1 UmwRG. Die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen von Absatz 1, der vermittelt über Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl Nr. L 175 S. 40) i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl EU Nr. L 156 S. 17) auch der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 AK dient (vgl. BTDrucks 16/2497 S. 42), sind nicht gegeben.
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(2) Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes kann nicht im Wege der Analogie auf Art. 9 Abs. 3 AK erstreckt werden (so auch Schlacke, a.a.O. S. 316; unklar Kahl, JZ 2012, 667 <673>). Denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.
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Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz dient, wie sich bereits aus seiner amtlichen Bezeichnung (Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG) sowie der amtlichen Anmerkung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften ergibt, der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 AK. Demgegenüber hat der Gesetzgeber ausweislich der Denkschrift zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention hinsichtlich der Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 3 AK keinen Änderungsbedarf im innerstaatlichen Recht gesehen (BTDrucks 16/2497 S. 42, 46). Insoweit hat sich das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Zeitpunkt seiner Verabschiedung als seinen Anwendungsbereich abschließend umschreibende Regelung verstanden. Daran hat sich auch mittlerweile nichts geändert. Ungeachtet der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 hat der Gesetzgeber an der ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auch im Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) festgehalten. Darin werden lediglich die durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 12. Mai 2011 (Rs. C-115/09, Trianel - Slg. 2011, I-3673) geforderten Änderungen mit dem Ziel einer "lückenlosen 1:1-Umsetzung" von Art. 10a UVP-RL sowie von Art. 9 Abs. 2 AK eingefügt (BTDrucks 17/10957 S. 11); eine Ausdehnung auf die von Art. 9 Abs. 3 AK erfassten Sachverhalte wird damit ausgeschlossen.
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Eine planwidrige Regelungslücke kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil vieles dafür spricht, dass die vom Gesetzgeber bei der Ratifizierung der Aarhus-Konvention vertretene Rechtsansicht zur fehlenden Notwendigkeit der Anpassung des innerstaatlichen Rechts unzutreffend ist. Sie steht mit dem sich auf internationaler Ebene herausbildenden Verständnis der Vertragspflichten nicht in Einklang.
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Mit dem Compliance Committee haben die Vertragsparteien auf der Grundlage von Art. 15 AK ein Gremium errichtet, das über die Einhaltung des Abkommens wachen soll, ohne jedoch ein förmliches Streitschlichtungsverfahren nach Art. 16 AK zu präjudizieren (siehe zur Arbeitsweise des Compliance Committee The Aarhus Convention: An Implementation Guide, Second Edition, 2013, S. 234 ff.). Durch dessen Spruchpraxis soll das Abkommen für alle Vertragsparteien klare Konturen erhalten. Auch wenn sich das Compliance Committee mit Empfehlungen begnügt, kommt den darin geäußerten Rechtsansichten gleichwohl bedeutendes Gewicht zu; das folgt nicht zuletzt daraus, dass bislang alle Feststellungen des Compliance Committee über die Konventionswidrigkeit der Rechtslage in einem Vertragsstaat in den Zusammenkünften der Vertragparteien (Art. 10 AK) gebilligt worden sind (siehe Implementation Guide, S. 238).
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Nach einer gefestigten Spruchpraxis zu Art. 9 Abs. 3 AK stellt sich die den Vertragsparteien nach dem Wortlaut der Bestimmung zugebilligte Gestaltungsfreiheit geringer dar, als insbesondere von Deutschland angenommen. In einer ganzen Reihe von Empfehlungen hat das Compliance Committee sein Verständnis der sogenannten dritten Säule der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Gerichten nach Art. 9 Abs. 3 AK dargelegt (grundlegend ACCC/C/2005/11
vom 16. Juni 2006, Rn. 35 ff.; ACCC/C/2006/18 vom März 2008 Rn. 29 ff.; ACCC/C/2008/32 Part I vom 14. April 2011, Rn. 77 ff.; ACCC/C/2010/48 <Österreich> vom 16. Dezember 2011, Rn. 68 ff.; dazu auch Implementation Guide, S. 197 ff., 207 f.) . Dabei betont es zwar - auch im Anschluss an die während der Zusammenkunft der Vertragsparteien vom 25. bis 27. Mai 2005 angenommene Entscheidung II/2, die in Rn. 14 bis 16 ein ersichtlich rechtsschutzfreundliches Verständnis des Art. 9 Abs. 3 AK anmahnt (ECE/MP.PP/2005/2/Add.3 vom 8. Juni 2005) - zunächst die Ausgestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers und die Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung des normativen Umfelds. Die folgenden Ausführungen lassen aber keinen Zweifel daran, dass nach Auffassung des Compliance Committee den Umweltverbänden grundsätzlich eine Möglichkeit eingeräumt werden muss, die Anwendung des Umweltrechts gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Vertragsparteien müssen zwar kein System der Popularklage einführen, so dass jedermann jegliche umweltbezogene Handlung anfechten kann. Die Formulierung "sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen" kann aber nach Auffassung des Compliance Committee die Einführung oder Beibehaltung solcher strikter Kriterien nicht rechtfertigen, die im Ergebnis alle oder fast alle Umweltverbände an der Anfechtung von Handlungen hindern, die im Widerspruch zum nationalen Umweltrecht stehen. Die Formulierung deutet nach Ansicht des Compliance Committee vielmehr auf die Selbstbeschränkung der Vertragsparteien, keine zu strengen Kriterien aufzustellen. Für den Zugang zu dem Überprüfungsverfahren soll eine Vermutung sprechen; er darf nicht die Ausnahme sein. Als Kriterien kommen die Betroffenheit oder ein Interesse in Betracht. Ausdrücklich als nicht ausreichend hat es das Compliance Committee im Verfahren gegen Österreich angesehen, dass im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 AK eine Verbandsklage vorgesehen ist (ACCC/C/2010/48 Rn. 71 ff.).
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Wenn danach das "Ob" einer umweltrechtlichen Verbandsklage durch das Abkommen entschieden ist, behalten die Vertragsstaaten gleichwohl einen Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich des "Wie". Die hiernach ausstehende Umsetzung einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung durch den nationalen Gesetzgeber steht einer planwidrigen Regelungslücke nicht gleich.
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Eine Auslegung contra legem - im Sinne einer methodisch unzulässigen richterlichen Rechtsfindung - fordert das Unionsrecht nicht (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Juli 2006 - Rs. C-212/04, Adeneler - Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 und vom 16. Juni 2005 - Rs. C-105/03, Pupino - Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47). Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - (BGHZ 179, 27). Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Reduktion oder Extension einer Vorschrift des nationalen Rechts setzt jedenfalls eine hinreichend bestimmte, nämlich klare, genaue und unbedingte, im Grundsatz unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschrift voraus, an der es hier nach Scheitern des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 24. Oktober 2003 - KOM(2003) 624 - endgültig mangels unionsrechtlicher Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK (noch) fehlt.
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(3) Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch im Unionsrecht eine solche auslegungsfähige Norm nicht auszumachen ist. Das folgt bereits zwingend aus der Tatsache, dass Art. 9 Abs. 3 AK nicht unmittelbar anwendbar ist. Eine nicht unmittelbar anwendbare Bestimmung kann aber nicht Anknüpfungspunkt einer Auslegung sein, die diese Norm der Sache nach anwendbar macht. Eine solche Argumentation wäre zirkulär (vgl. Seibert, NVwZ 2013, 1040 <1042 f.>; ein gesetzgeberisches Handeln fordert wohl auch Epiney, EurUP 2012, 88 <89>; a.A. wohl Berkemann, a.a.O. S. 1147 f.).
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2. Der festgestellte Rechtsverstoß ist indessen nicht erheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers im Ergebnis zu Recht bejaht. Sie folgt aus § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung der Aufstellung eines Luftreinhalteplans, der den Anforderungen des § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl I S. 1065) genügt, in seinen Rechten verletzt zu sein. § 47 Abs. 1 BImSchG räumt nicht nur unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, sondern auch nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbänden das Recht ein, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen.
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a) Nach § 47 Abs. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die durch eine Rechtsverordnung festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Entsprechendes gilt, soweit eine Rechtsverordnung die Aufstellung eines Luftreinhalteplans zur Einhaltung von Zielwerten regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Mit dieser Vorschrift verfolgt das Luftqualitätsrecht zwei sich überschneidende Schutzzwecke: Mit der Umsetzung der festgelegten Luftqualitätsziele sollen schädliche Auswirkungen sowohl auf die menschliche Gesundheit als auch auf die Umwelt insgesamt vermieden, verhütet oder verringert werden (Art. 1 Nr. 1 RL 2008/50/EG).
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aa) Aus dem vom Gesetz bezweckten Schutz der menschlichen Gesundheit folgt ein Klagerecht für die von den Immissionsgrenzwertüberschreitungen unmittelbar betroffenen natürlichen Personen. Das ist durch den Europäischen Gerichtshof geklärt. Seine zu den Aktionsplänen nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl EG Nr. L 296 S. 55) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl EU Nr. L 284 S. 1), § 47 Abs. 2 BImSchG a.F. ergangene Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - Rs. C-237/07, Janecek - Slg. 2008, I-6221 Rn. 42) ist in dieser Hinsicht ohne Weiteres auch auf die Luftreinhaltepläne nach Art. 23 Abs. 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 BImSchG n.F. zu übertragen (vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BImSchG § 47 Rn. 29e; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 50 m.w.N.; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <72>).
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Der Kläger kann als juristische Person in seiner Gesundheit nicht betroffen sein; die Verletzung eines aus der Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit folgenden subjektiven Rechts auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte kann er nicht geltend machen. Nach dem hergebrachten Begriffsverständnis des subjektiven Rechts würde Entsprechendes gelten, soweit das Luftqualitätsrecht dem Schutz der Umwelt als solcher und damit einem Allgemeininteresse dient.
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bb) Das Unionsrecht gebietet indessen eine erweiternde Auslegung der aus dem Luftqualitätsrecht folgenden subjektiven Rechtspositionen.
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Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass unmittelbar betroffenen juristischen Personen in gleicher Weise wie natürlichen Personen ein Klagerecht zusteht (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 39). Die Kriterien für die Betroffenheit als Anknüpfungspunkt für eine subjektive, klagefähige Rechtsposition hat er nicht näher erläutert. Die Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die Geltendmachung individueller Rechtspositionen hinaus ist darin indessen angelegt.
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(1) Wird die Betroffenheit durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt (so den EuGH verstehend Ziekow, NVwZ 2010, 793 <794>), so folgt aus dieser Rechtsprechung gleichwohl, dass sich die juristische Person - gemessen an der in Rn. 38 des Urteils betonten Schutzrichtung der Vorschrift - ein fremdes Interesse, so etwa als dort ansässiges Unternehmen die Gesundheit seiner Mitarbeiter, zum eigenen Anliegen machen darf.
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Die in dieser Weise vom Unionsrecht zugebilligte Rechtsmacht ist in unionsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO im Interesse des aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden Effektivitätsgebots als subjektives Recht anzuerkennen (vgl. etwa Gärditz, VwGO, 2013, § 42 Rn. 69 f. m.w.N.). Sie bestimmt zugleich das Verständnis der zur Umsetzung des Unionsrechts erlassenen mitgliedstaatlichen Vorschriften und hat eine Ausdehnung des Begriffs des subjektiven Rechts zur Folge. Allein ein solches Verständnis trägt der Entwicklung des Unionsrechts Rechnung. Es ist von Anfang an von der Tendenz geprägt gewesen, durch eine großzügige Anerkennung subjektiver Rechte den Bürger auch für die dezentrale Durchsetzung des Unionsrechts zu mobilisieren. Der Bürger hat damit zugleich - bezogen auf das objektive Interesse an einer Sicherung der praktischen Wirksamkeit und der Einheit des Unionsrechts - eine "prokuratorische" Rechtsstellung inne. Diese kann auch in den Vordergrund rücken (siehe hierzu - mit verschiedenen Akzentuierungen - etwa Masing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 7 Rn. 91 ff., 98 ff., 112 ff.; Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Einleitung Rn. 21a; Schmidt-Aßmann, in: Gedächtnisschrift Brugger, 2013, S. 411 ff.; Hong, JZ 2012, 380 <383 ff.>; Gärditz, EurUP 2010, 210 <219 ff.>).
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(2) Zu den unmittelbar betroffenen juristischen Personen, denen durch § 47 Abs. 1 BImSchG ein Klagerecht eingeräumt ist, gehören auch die nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände.
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Eine Auslegung des § 47 Abs. 1 BImSchG dahingehend, dass neben unmittelbar betroffenen natürlichen Personen auch Umweltverbände das Recht haben, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, ist durch Art. 23 RL 2008/50/EG und Art. 9 Abs. 3 AK geboten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 8. März 2011 in Bezug auf Sachverhalte, die - wie hier die Aufstellung von Luftreinhalteplänen - dem Unionsrecht unterliegen, für Umweltverbände einen weiten Zugang zu Gericht gefordert; er hat dies damit begründet, dass der "Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte" gewährleistet werden müsse (a.a.O. Rn. 48, 51). Ausgehend hiervon müssen sich die Klagerechte, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juli 2008 (a.a.O.) auf dem Gebiet der Luftreinhaltung anerkannt hat, auch auf Umweltverbände erstrecken. Eine grundsätzliche Verneinung derartiger Rechte von Umweltverbänden wäre zudem, wie oben dargelegt, unvereinbar mit der Spruchpraxis des Compliance Committee zu Art. 9 Abs. 3 AK.
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Weder das Unionsrecht noch Art. 9 Abs. 3 AK verlangen jedoch, jedem Umweltverband ein Recht auf Einhaltung der zwingenden Vorschriften bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zu gewähren. Umweltverbände können - nicht anders als natürliche Personen - Träger von materiellen subjektiven Rechten nur sein, wenn sie Teil nicht nur der allgemeinen Öffentlichkeit, sondern der "betroffenen Öffentlichkeit" sind. Als "betroffene Öffentlichkeit" definieren Art. 2 Nr. 5 AK und - für die Umweltverträglichkeitsprüfung - inhaltlich entsprechend Art. 3 Nr. 1 RL 2003/35/EG die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse (siehe auch Art. 2 Abs. 3 RL 2003/35/EG). Diese Vereinigungen sollen sich die öffentlichen Belange des Umweltschutzes zum eigenen Anliegen machen können.
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Welche Voraussetzungen ein Umweltverband nach innerstaatlichem Recht erfüllen muss, um berechtigt zu sein, sich die Belange des Umweltschutzes bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zum eigenen Anliegen zu machen, ist nicht ausdrücklich geregelt. § 3 UmwRG regelt lediglich, welche Umweltverbände Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz einlegen können. Dieser Vorschrift ist jedoch die Grundentscheidung zu entnehmen, dass nur die nach dieser Vorschrift anerkannten Umweltverbände berechtigt sein sollen, vor Gericht geltend zu machen, dass dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschriften verletzt worden seien. Auch die Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfsbefugnisse nach §§ 63, 64 BNatSchG sind an die Anerkennung nach § 3 UmwRG geknüpft. Ein normativer Anhaltspunkt dafür, dass bei Aufstellung von Luftreinhalteplänen das grundsätzlich auch Umweltverbänden eingeräumte Recht, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein könnte, sind nicht ersichtlich.
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3. Im Übrigen beruht das angegriffene Urteil nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts.
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a) Zu Unrecht rügt der Beklagte eine unzulässige Antragstellung.
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Auch dieser Rüge steht § 134 Abs. 4 VwGO nicht entgegen. Denn die Frage, ob der Antrag angesichts des Rechtsschutzbegehrens hinreichend bestimmt ist, kann nur vor dem Hintergrund des geltend gemachten materiellen Anspruchs beantwortet werden.
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Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet; ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Schließlich soll aus einem dem Klageantrag stattgebenden Urteil eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 82 Rn. 7 ff.; Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 253 Rn. 29, jeweils m.w.N.). Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab.
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Hiernach entspricht die Antragstellung dem Bestimmtheitserfordernis. Die vom Beklagten bemängelte Benennung allein des durch die Ergänzung des Luftreinhalteplans zu erreichenden Ziels spiegelt die planerische Gestaltungsfreiheit wider, die das Gesetz der Behörde einräumt (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 26 f. = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 11). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von sonstigen Fallkonstellationen, in denen nur ein Erfolg geschuldet wird, während die Wahl der geeigneten Maßnahmen Sache des Schuldners bleibt; auch dann genügt die Angabe dieses Erfolgs (vgl. Foerste, a.a.O. Rn. 32).
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Der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils wird dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen kann, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten sind.
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b) Ohne Rechtsverstoß hat das Verwaltungsgericht als Grundlage seines Entscheidungsausspruchs festgestellt, dass der Beklagte seinen Verpflichtungen aus § 47 Abs. 1 BImSchG, deren Erfüllung der Kläger einfordern kann, mit dem bestehenden Luftreinhalteplan noch nicht nachgekommen ist.
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aa) Der in Anlage 11 Abschnitt B der 39. BImSchV genannte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid, der ab dem 1. Januar 2010 einzuhalten ist, wird an mehreren Orten im Stadtgebiet überschritten. Nach § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchV hat der Beklagte in dieser Situation einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen festlegt. Diese Maßnahmen müssen nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG normiert in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG eine zeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwerts als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten; es ist zugleich rechtlicher Maßstab für die angesichts der Gestaltungsspielräume der Behörde eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele. Daraus kann sich eine Einschränkung des planerischen Ermessens ergeben, wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lässt (vgl. Köck/Lehmann, a.a.O. S. 70 f.). Auch insoweit wird aber nicht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen; vielmehr kann auch hier - nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes - ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (Köck/Lehmann, a.a.O. S. 71). Dem trägt das Verwaltungsgericht dadurch Rechnung, dass es im Entscheidungsausspruch nicht zu einer sofortigen, sondern ausdrücklich nur zur schnellstmöglichen Zielerreichung verpflichtet.
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bb) Der Beklagte kann sich zur Stützung seiner abweichenden Rechtsauffassung, wonach es schon ausreiche, dass ein Luftreinhalteplan die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte jedenfalls schrittweise anstrebe, auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2008 in der Rechtssache C-237/07, nicht berufen. Denn diese Entscheidung ist zu einer insoweit anderen Rechtslage ergangen. Sie bezieht sich auf Aktionspläne nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG. Abgesehen von der unterschiedlichen Zielsetzung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen bzw. Plänen für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen ist in der genannten Vorschrift im Unterschied zu Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 RL 2008/50/EG der ausdrückliche Hinweis auf die Eignung der zu ergreifenden Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts nicht enthalten; die Maßnahmen sollen nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG lediglich dazu dienen, die Gefahr der Überschreitung zu verringern und die Dauer der Überschreitung zu beschränken. Der Europäische Gerichtshof hat aus dem Aufbau der Richtlinie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten entnommen, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Dauer der Überschreitung unter Berücksichtigung aller Umstände auf ein Minimum zu reduzieren (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 45). Wenn hiernach auch insoweit ein Minimierungsgebot gilt, ist der Entscheidung nicht etwa zu entnehmen, dass die Möglichkeit zur schrittweisen Erreichung der Grenzwerte voraussetzungslos eingeräumt sein soll. Vielmehr muss sich die Maßnahme auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments rechtfertigen lassen.
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c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Einrichtung einer Umweltzone als eine Maßnahme eingeordnet hat, die bei der Aufstellung des Luftreinhalteplans zu berücksichtigen ist.
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Soweit sich der Beklagte gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Geeignetheit der Umweltzone zur Erreichung des Luftqualitätsziels einer Verminderung der NO2-Belastung wendet, richtet er sich letztlich gegen die tatrichterlichen Feststellungen und Annahmen, gegen die nach § 134 Abs. 4 VwGO wirksame Verfahrensrügen nicht erhoben werden können. Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die als materiell-rechtliche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO einzuordnen wären, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
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Schließlich hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob sich die Einrichtung einer Umweltzone als unverhältnismäßig im engeren Sinne darstellen könnte, keine unzutreffenden rechtlichen Maßstäbe angelegt. Es hat zu Recht die betroffenen rechtlich geschützten Interessen gegenübergestellt und abgewogen. Der Bewältigung besonderer Härten trägt die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV) vom 10. Oktober 2006 (BGBl I S. 2218) Rechnung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
- 54
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
- 62
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
- 68
-
Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
- 69
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
Tenor
I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Beschwerde des Klägers eingestellt.
II. Auf die Beschwerde des Beklagten hin erhält die Nummer I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 folgende Fassung:
„1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.
2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.
3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“%2. Im Übrigen werden der Vollstreckungsantrag des Klägers und die Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen.%2. Unter Abänderung der Nummer II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016 fallen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug zu zwei Fünfteln dem Kläger, zu drei Fünfteln dem Beklagten zur Last. Die Beigeladene trägt ihre im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zur Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene zu je einem Viertel zu tragen. Dem Kläger fallen ferner jeweils die Hälfte der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zur Last. Diese Beteiligten haben ihrerseits je ein Viertel der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I.
LÜB - Stationen |
Jahresmittel 2010 µg/m³ |
Jahresmittel 2011 µg/m³ |
Jahresmittel 2012 µg/m³ |
Jahresmittel 2013 µg/m³ |
Anzahl der Überschreitungen*) 2010 |
Anzahl der Überschreitungen*) 2011 |
Anzahl der Überschreitungen*) 2012 |
Anzahl der Überschreitungen*) 2013 |
Stachus |
32 |
31 |
26 |
26 |
47 |
35 |
[11] 14 |
[17] 19 |
Landshuter Allee |
38 |
36 |
29 |
31 |
65 |
48 |
[17] 27 |
[30] 39 |
Prinzregenten Straße |
28 |
25 |
- |
- |
31 |
17 |
- |
- |
Johanneskirchen |
22 |
21 |
16 |
18 |
23 |
9 |
4 |
8 |
Loth Straße |
24 |
22 |
18 |
20 |
27 |
11 |
5 |
11 |
LÜB - Stationen |
Jahresmittel 2010 µg/m³ |
Jahresmittel 2011 µg/m³ |
Jahresmittel 2012 µg/m³ |
Jahresmittel 2013 µg/m³ |
Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2010 |
Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2011 |
Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2012 |
Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2013 |
Stachus |
74 |
76 |
60 |
64 |
8 |
6 |
1 |
0 |
Landshuter Allee |
99 |
85 |
81 |
81 |
192 |
50 |
27 |
50 |
Prinzregenten Straße |
68 |
61 |
- |
- |
8 |
7 |
- |
- |
Johanneskirchen |
28 |
23 |
22 |
22 |
0 |
0 |
0 |
0 |
Loth Straße |
35 |
33 |
31 |
31 |
2 |
2 |
0 |
0 |
Moosach |
39 |
39 |
35 |
- |
2 |
2 |
0 |
- |
LÜB-Stationen |
Jahresmittel [µg/m³] |
Anzahl der Überschreitungen beim Tagesmittelwert |
LandshuterAllee |
27 |
[16] 17 |
Stachus |
23 |
[13] 14 |
Loth Straße |
18 |
8 |
Johanneskirchen |
16 |
6 |
LÜB-Stationen |
Jahresmittel [µg/m³[ |
Anzahl der Überschreitungen beim 1-h-Mittelwert |
LandshuterAllee |
83 |
24 |
Stachus |
62 |
0 |
Loth Straße |
31 |
0 |
Johanneskirchen |
22 |
0 |
„einschneidendere“ als die in der vierten Fortschreibung erwähnten Maßnahmen - insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone - zu prüfen und sie ggf. in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Verlangt werde mithin ein Katalog an wirksamen Maßnahmen, die geeignet seien, die Grenzwerte so schnell wie möglich - nach den Entscheidungsgründen vor 2015 bzw. 2020 - einzuhalten.
II.
LÜB-Station |
lokaler Verkehr |
verkehrsbedingteHintergrundbelas- tung aus dem städtischen Raum |
von genehmigungsbedürf- tigen Anlagen ausdem städtischen Raum verursachteHintergrundbelastung |
von nichtgenehmigungsbe- dürftigen Anlagen aus dem städtischen Raum verursachteHintergrundbelastung |
sonstige Einflüsseauf die ausdem städtischen Raum stammende Hintergrundbelas- tung |
regionale Hintergrund- Belastung |
Stachus |
51,0 |
22,5 |
0,5 |
2,7 |
0,0 |
23,2 |
Landshuter Allee |
67,8 |
13,3 |
0,3 |
1,7 |
0,0 |
16,9 |
Johanneskirchen |
0,0 |
33,3 |
1,1 |
5,1 |
0,0 |
60,6 |
Loth Straße |
11,4 |
37,2 |
1,1 |
4,7 |
0,0 |
45,6 |
dass auch die zum Vollzug des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zuständigen Stellen dieser Bindung unterliegen, da - insbesondere ortsfremde - Verkehrsteilnehmer schutzwürdig davon ausgehen dürfen, dass ihnen die Ge- und Verbote, die sie bei der Verkehrsteilnahme zu beachten haben, ausschließlich auf diese Art und Weise zur Kenntnis gebracht werden.
Dr. Schenk Demling Ertl
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
- 2
-
Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
- 3
-
Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
- 4
-
Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
- 5
-
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
- 6
-
Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
- 7
-
Der Beklagte beantragt,
-
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
- 8
-
Der Kläger beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
- 9
-
Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
- 10
-
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
- 12
-
A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
- 13
-
Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
- 14
-
Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
- 15
-
Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
- 16
-
2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
- 17
-
a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
- 18
-
b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
- 19
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
- 20
-
c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
- 21
-
Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
- 22
-
Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
- 23
-
Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
- 24
-
Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
- 25
-
Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
- 26
-
d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
- 27
-
Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
- 28
-
3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
- 29
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
- 6
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
-
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
- 21
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
- 22
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
- 23
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Die zuständige Straßenverkehrsbehörde beschränkt oder verbietet den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 dies vorsehen. Die Straßenverkehrsbehörde kann im Einvernehmen mit der für den Immissionsschutz zuständigen Behörde Ausnahmen von Verboten oder Beschränkungen des Kraftfahrzeugverkehrs zulassen, wenn unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.
(2) Die zuständige Straßenverkehrsbehörde kann den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften auf bestimmten Straßen oder in bestimmten Gebieten verbieten oder beschränken, wenn der Kraftfahrzeugverkehr zur Überschreitung von in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerten beiträgt und soweit die für den Immissionsschutz zuständige Behörde dies im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse für geboten hält, um schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu vermindern oder deren Entstehen zu vermeiden. Hierbei sind die Verkehrsbedürfnisse und die städtebaulichen Belange zu berücksichtigen. § 47 Absatz 6 Satz 1 bleibt unberührt.
(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, sowie die hierfür maßgebenden Kriterien und die amtliche Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge festzulegen. Die Verordnung kann auch regeln, dass bestimmte Fahrten oder Personen ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, wenn das Wohl der Allgemeinheit oder unaufschiebbare und überwiegende Interessen des Einzelnen dies erfordern.
(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.
(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
- 22
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
- 23
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
- 24
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
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ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
(1) Die zuständige Straßenverkehrsbehörde beschränkt oder verbietet den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 dies vorsehen. Die Straßenverkehrsbehörde kann im Einvernehmen mit der für den Immissionsschutz zuständigen Behörde Ausnahmen von Verboten oder Beschränkungen des Kraftfahrzeugverkehrs zulassen, wenn unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.
(2) Die zuständige Straßenverkehrsbehörde kann den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften auf bestimmten Straßen oder in bestimmten Gebieten verbieten oder beschränken, wenn der Kraftfahrzeugverkehr zur Überschreitung von in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerten beiträgt und soweit die für den Immissionsschutz zuständige Behörde dies im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse für geboten hält, um schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu vermindern oder deren Entstehen zu vermeiden. Hierbei sind die Verkehrsbedürfnisse und die städtebaulichen Belange zu berücksichtigen. § 47 Absatz 6 Satz 1 bleibt unberührt.
(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, sowie die hierfür maßgebenden Kriterien und die amtliche Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge festzulegen. Die Verordnung kann auch regeln, dass bestimmte Fahrten oder Personen ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, wenn das Wohl der Allgemeinheit oder unaufschiebbare und überwiegende Interessen des Einzelnen dies erfordern.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
- 18
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.
(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.
(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.
(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:
- 1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6, - 2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen, - 3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, - 6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und - 7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.
(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.
(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.
(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte
- 1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen, - 2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen, - 3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen, - 4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
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die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Düsseldorf um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Düsseldorf besteht seit 2013 ein Luftreinhalteplan, der den 2008 aufgestellten ersten Luftreinhalteplan fortschreibt und ersetzt. Er sieht zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vor. An den Messpunkten in der Cornelius- und der Merowingerstraße prognostiziert der Plan bis 2015 Immissionsreduktionen, geht aber nicht von der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) aus. 2015 lag der Messwert für NO2 in der Corneliusstraße bei 59 µg/m³.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die anhaltende Überschreitung der Grenzwerte sei ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen nicht geeignet seien, die Überschreitungszeiträume so kurz wie möglich zu halten. Für eine spürbare Senkung der Stickstoffdioxidbelastung seien auch zeitlich und sachlich beschränkte Verkehrsverbote in Betracht zu ziehen.
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Mit Urteil vom 13. September 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet der Beigeladenen im Jahr 2014 bei 60 µg/m³ und im Jahr 2015 bei 59 µg/m³ gelegen habe. Der Beklagte sei verpflichtet, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der geltenden Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. In Bezug auf das Reizgas Stickstoffdioxid fehle ein Gesamtkonzept, das alle effektiven, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossen Maßnahmen aufliste, bewerte und über deren (Nicht-)Umsetzung entscheide. Auch fehle eine differenzierte Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik von Dieselfahrzeugen, die unstreitig überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt seien. Effektive, in der Zuständigkeit des Beklagten bzw. der Beigeladenen selbst liegende Maßnahmen zur Eingrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen würden nicht ernsthaft in den Blick genommen. Insbesondere fehlen auch die Angaben von konkreten Zeithorizonten hinsichtlich der Einhaltung des Grenzwertes. Die besonders effektive Maßnahme eines (beschränkten) Fahrverbots für (bestimmte) Dieselfahrzeuge sei rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen. Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlaubten dem Beklagten schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das von der Klägerin zur Umsetzung vorgeschlagene Zeichen 251 (Verbot für Kraftwagen) mit entsprechenden - auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge bezogenen - Zusatzzeichen habe weder der Beklagte vorgetragen noch seien diese sonst ersichtlich. Es sei Aufgabe des Beklagten, etwaige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Beschränkungen auf bestimmte Dieselfahrzeuge (mit schlechterem Emissionsverhalten) durch eine allgemein verständliche und widerspruchsfreie Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe "schnellstmöglich" sei ein zeitlicher Orientierungsrahmen für die Änderung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf 2013 von etwa einem Jahr angemessen.
- 6
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Mit einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Dieselfahrverbot sei rechtlich unzulässig. Für die Anordnung eines (beschränkten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge auf Landesebene fehle eine Rechtsgrundlage. Die Privilegienfeindlichkeit der Straßenverkehrsordnung gebiete die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Eine Bevorzugung bestimmter Personengruppen oder Fahrzeuge sei nur unter der weiteren Voraussetzung einer rechtmäßigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Grundlage möglich. Die Straßenverkehrsordnung kenne keine Verbote oder Beschränkungen für eine bestimmte Antriebsart. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beziehe sich ausdrücklich nicht auf eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Antriebsarten. Maßgeblich sei die Höhe der Emissionen. Mit den vorhandenen rechtlichen Instrumentarien lasse sich eine Verhältnismäßigkeit einer Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nicht herstellen. Die Anordnung (bestimmter) Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb sehe sich zudem dem Vorwurf mangelnder Vollzugsfähigkeit ausgesetzt. Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Frage des fehlenden Gesamtkonzepts unter Angabe der zeitlichen Horizonte sei unmittelbar mit der Frage der Zulässigkeit der Anordnung eines (bestimmten) Fahrverbots für Dieselfahrzeuge verknüpft. Weitere effektive, rechtlich oder tatsächlich nicht von vornherein ausgeschlossene Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte führten, existierten nicht.
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Der Beklagte beantragt,
-
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Sowohl streckenbezogene als auch zonenbezogene Verkehrsbeschränkungen zum Zwecke der Reduzierung von Luftschadstoffen seien rechtlich zulässig. Für ein streckenbezogenes Fahrverbot stehe das vorhandene Verkehrszeichen 251 zur Verfügung, um den gesamten Kraftfahrzeugverkehr allgemein zu sperren und lediglich durch Allgemeinverfügungen Ausnahmen zuzulassen. Es müsse daher erst recht möglich sein, das Verbot mittels eines Zusatzzeichens ("gilt für Diesel" oder "Diesel") von vornherein auf Fahrzeuge mit Dieselantrieb zu beschränken. Eine Novelle der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei in diesem Zusammenhang wünschenswert, aber nicht notwendig. Eine Einschränkung von Fahrverboten auf Diesel der Abgasnorm bis Euro 5 sei aus Rechtsgründen (Verhältnismäßigkeit) nicht geboten. Das Urteil erweise sich auch aus anderen Gründen als richtig. Hielte man streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen für unzulässig, kämen zonenbezogene Dieselverkehrsbeschränkungen in Betracht. Zudem stünden dem Beklagten eine ganze Reihe weiterer zulässiger Maßnahmen, etwa stärkere Einschränkungen des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkverbote, zur Verfügung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan Düsseldorf 2013 so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet der Beigeladenen enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) der zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ an der Messstation Corneliusstraße nicht eingehalten. Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten - festgestellt, dass Dieselfahrzeuge überproportional an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes beteiligt sind und es sich bei einem (beschränkten) Fahrverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge um eine besonders effektive Maßnahme der Luftreinhaltung handelt.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein (beschränktes) Verkehrsverbot für (bestimmte) Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 und 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE, 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem (beschränkten) Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge entgegenstehen, die sich als einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung von NO2-Grenzwerten erweisen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlt. Wie dargelegt (oben Rn. 18 f.) stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Es bleibt undeutlich, was unter (beschränkten) "Fahrverboten" für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu verstehen ist. Zwar legt der Bezug auf die Grenzwertüberschreitung 2015 insbesondere in der Corneliusstraße und die Einschränkung auf "bestimmte" Dieselfahrzeuge nahe, dass dem Verwaltungsgericht auf einzelne Straßen oder Straßenabschnitte beschränkte (streckenbezogene) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI vor Augen standen. Das Urteil beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern verlangt ein Gesamtkonzept, das auf einer aktuellen Bestandsaufnahme und Prüfung "auch einschneidenderer Maßnahmen in Bezug auf Dieselfahrzeuge" (UA S. 11) umfasst.
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist - auch bei auf bestimmte Dieselfahrzeuge beschränkten streckenbezogenen Verkehrsverboten - zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines (beschränkten) Verkehrsverbotes für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen, steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte könne auf das Zeichen 251 aus der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Kraftwagen) oder auf die Zeichen 270.1 und 270.2 (Beginn und Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) zurückgegriffen werden.
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a) Hinsichtlich einzelstreckenbezogener Verkehrsverbote trifft § 45 Abs. 1f StVO, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet, keine Regelung und kann insoweit einer nicht den zonenbezogenen Maßgaben des § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Beschilderung von Verkehrsverboten nicht entgegenstehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, eine Sperrwirkung für streckenbezogene Verkehrsverbote bzw. für deren Beschilderung ergebe sich schon allein aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1f StVO entsprechenden Regelung für die Kennzeichnung streckenbezogener Verkehrsverbote in der Straßenverkehrsordnung (in diesem Sinn etwa Brenner, DAR 2018, 71 f.), findet im Verordnungstext keine Stütze. Für ein diesbezügliches beredtes Schweigen des Verordnungsgebers fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Zudem handelt es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO um eine bei Inkrafttreten der 35. BImSchV noch nicht vorhandene, erst durch die Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) eingefügte Ergänzung der Straßenverkehrsordnung, die auch hinweggedacht werden kann, ohne dass die Möglichkeit zur Beschilderung von Umweltzonen hierdurch entfiele (vgl. auch BR-Drs. 428/12 S. 144 f.).
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b) Dagegen kann ein zonales Verbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination gestützt werden. Das Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverbote, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 34) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - (VwV-StVO) - vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen zum Zeichen 251, das das Verbot auf (bestimmte) Dieselfahrzeuge beschränkt, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I, durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die beigeladene Stadt Stuttgart um Maßnahmen zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten für Stickstoffdioxid.
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Für Stuttgart besteht seit 2006 ein Luftreinhalteplan, der zahlreiche Maßnahmen zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastungen vorsieht. Wegen der zum 1. Januar 2010 geänderten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid schrieb der Beklagte im Februar 2010 den Luftreinhalteplan fort. Darin sind als weitere Maßnahmen u.a. ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen vorgesehen. Eine zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2014 erweiterte den Maßnahmenkatalog erneut.
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Am 18. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) sei im Jahr 2013 an allen verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden und habe auch im Jahr 2014 an bestimmten Messstationen deutlich über den Grenzwerten gelegen. Die Luftreinhalteplanung schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus und gebe für den Großteil der Maßnahmen kein Wirkpotenzial an.
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Anfang Mai 2017 legte der Beklagte den Entwurf einer "3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung von PM10 und NO2-Belastungen" vor. In dieser auf einer gutachterlichen Gesamtwirkungsanalyse basierenden Fortschreibung der Luftreinhalteplanung wurden insgesamt 20 neue Maßnahmen beschrieben, mit denen die Luftschadstoffgrenzwerte bis 2020 - spätestens bis 2021 - eingehalten werden sollen. Unter anderem sind für den Fall der Einführung einer sogenannten "Blauen Plakette" ab dem 1. Januar 2020 ganzjährige Verkehrsverbote für alle Fahrzeuge vorgesehen, die die Voraussetzungen einer solchen Plakette nicht erfüllen. Weitere Voraussetzung für diese Maßnahme ist nach dem Willen der Planbehörde, dass von ihr nur 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind.
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Mit Urteil vom 26. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl der NO2-Jahresmittelwert als auch der Stundengrenzwert für NO2 werde an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten. Die von dem Beklagten in den Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommenen Vorhaben seien weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
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Ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 führe zu einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts an der Messstation "Am Neckartor" auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 1. Januar 2020. Insoweit sei ein entsprechendes Verkehrsverbot die effektivste und damit am besten geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte. Ein Auswahlermessen gegenüber anderen Luftreinhaltemaßnahmen bestehe nicht, weil nach den Feststellungen im Gesamtwirkungsgutachten keine andere gleich gut geeignete Maßnahme zur Verfügung stehe. Ein solches Verkehrsverbot sei vom Beklagten bereits vor dem Jahr 2020 in Betracht zu ziehen. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung ordnungsgemäß bekannt gegeben werden könne.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend: Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sei rechtlich unzulässig. Die Plakettenregelung nach der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei hinsichtlich der Differenzierungskriterien, welche Fahrzeuge von etwaigen Verkehrsverboten betroffen seien und welche nicht, abschließend. Zudem seien Dieselverkehrsverbote wegen fehlender Beschilderbarkeit und fehlender Kontrollierbarkeit sowie wegen eines damit verbundenen Anstiegs der verkehrsbedingten CO2-Emissionen unzulässig. Verkehrsverbote für Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllten, stellten sich zulasten des Fahrzeugeigentümers als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Die erforderliche gesetzliche Entschädigungsregelung fehle. Das Urteil erweise sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes sei allein ein ganzjähriges zonales Verkehrsverbot für Fahrzeuge mit einer Abgasnorm schlechter als Euro 6 (Diesel) bzw. Euro 3 (Benziner) geeignet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch könne nicht anders erfüllt werden als mit diesem Verkehrsverbot, für welches es aber an einer Rechtsgrundlage fehle.
- 9
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Die Beigeladene rügt eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Selbstverwaltungsrechts. Sie werde in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen spürbar beeinträchtigt.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes diene der Bundeseinheitlichkeit und damit der größeren Praktikabilität und Kontrollierbarkeit von Verkehrsbeschränkungen, habe aber keine weitere Differenzierungen ausschließende Wirkung. Dieselverkehrsverbote ließen sich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die so auszulegen seien, dass sie eine volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisteten, visualisieren und könnten sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr kontrolliert werden. Zur CO2-Problematik treffe das verwaltungsgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Verkehrsverbote erforderten keine Entschädigungsregelung. Das Urteil sei jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit gegebenenfalls zeitlich beschränkter streckenbezogener Dieselverkehrsverbote aus anderen Gründen richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend nicht begründet. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Beklagte den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen hat, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Im Rahmen dieser Fortschreibung hat der Beklagte ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in Betracht zu ziehen. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit und Ausgestaltung eines Verkehrsverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
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A.1. Werden durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten, hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
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Nach § 3 Abs. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2244), beträgt zum Schutz der menschlichen Gesundheit der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 40 µg/m³ (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV).
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Die 39. BImSchV dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1), in der die ab 1. Januar 2010 einzuhaltenden, vom Verordnungsgeber übernommenen Grenzwerte in Anhang XI, Abschnitt B, festgelegt sind. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten; die in Anlage XI festgelegten Grenzwerte für NO2 und Benzol dürfen von dem dort genannten Zeitpunkt an (1. Januar 2010) nicht mehr überschritten werden. Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass für Gebiete oder Ballungsräume, in denen Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert überschreiten, Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden Grenzwerte einzuhalten. Im Falle der Überschreitung von Grenzwerten enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann (Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG).
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Nach den im Rahmen der Sprungrevision vom Beklagten als Revisionskläger mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren (§ 134 Abs. 4 VwGO) und auch von der Beigeladenen mit einer Gegenrüge nicht angegriffenen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375 f.>; BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 35.87 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 39 S. 10) und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) wird sowohl der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ als auch der Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten.
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Weiter hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das von der Beklagten vorgelegte Gesamtwirkungsgutachten - festgestellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führt, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme ist die Messstation "Am Neckartor", bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten werden. Ferner hat das Gericht festgestellt, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme ist und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung steht, das Ziel zu erreichen (juris Rn. 243, 294). Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verkehrsverbot für die genannten Kraftfahrzeuge in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden kann und daher vom Beklagten in Betracht zu ziehen ist. Zwar lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts.
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a) Die Maßnahmen, die ein Luftreinhalteplan gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG festlegt, sind nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Unverhältnismäßige oder aus anderen Gründen rechtswidrige Maßnahmen muss und darf die zuständige Behörde nicht ergreifen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 - 7 C 36.07 - BVerwGE 129, 296 Rn. 26). Die Maßnahmen müssen daher umsetzungsfähig sein; immissionsschutzrechtliche oder sonstige Vorschriften müssen ihre Durchführung erlauben (BT-Drs. 14/8450 S. 14). Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen dabei einer gesonderten (fach-)gesetzlichen Befugnis (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 47 BImSchG, Rn. 29a; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 47 Rn. 15, 52).
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b) Eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Hierbei sind die Maßnahmen nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es für die Anordnung von Maßnahmen, die danach differenzieren, welchen Beitrag Kraftfahrzeuge zur Schadstoffbelastung leisten, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zugleich zwingend des Erlasses einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG. Der Gesetzgeber hat mit der Verordnungsermächtigung in Absatz 3 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, zu regeln, dass Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise ausgenommen sind oder ausgenommen werden können sowie die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dann, wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, Verkehrsverbote, die an die Schadstoffbelastung von Kraftfahrzeugen anknüpfen, ausgeschlossen sind. Dieser schon dem Gesetzeswortlaut ("wird ermächtigt") zu entnehmende Befund wird von den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die zuständigen Behörden Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs bereits anordnen können, bevor eine Rechtsverordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG erlassen sein wird (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 21 und BT-Drs. 14/8895 S. 7 f.).
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c) Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht.
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Wesentlicher Inhalt der 35. BImSchV ist es, dass Kraftfahrzeuge, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette nach Anhang 1 der Verordnung gekennzeichnet sind, von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 BImSchG befreit sind, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht (§ 2 Abs. 1 der 35. BImSchV).
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Im Einzelnen werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus Anhang 2 der Verordnung und folgt den vom Unionsrecht vorgegebenen Abgasnormstufen Euro 1 bis Euro 4. Sie erfolgt sowohl hinsichtlich von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 2 der 35. BImSchV) als auch hinsichtlich von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 1 der 35. BImSchV) nach dem jeweiligen Gesamt-Abgasverhalten des Fahrzeugs einschließlich der vorliegend relevanten Emissionen von Stickoxiden anhand der einschlägigen EG-Abgasrichtlinien (vgl. BR-Drs. 162/06 S. 25). Letztere beziehen sich auch auf die Emission der Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe sowie auf Feinstaubpartikel. Anders als vom Kläger eingewandt, beschränkte der Verordnungsgeber der 35. BImSchV seine Regelung also nicht allein auf das Ziel der Reduzierung der verkehrsbedingten Feinstaubmengen (vgl. auch Klinger, NVwZ 2007, 785 <786>).
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Kraftfahrzeuge mit Antrieb ohne Verbrennungsmotor, also etwa mit Elektromotor- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, werden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 2 Abs. 3 der 35. BImSchV der Schadstoffgruppe 4 zugeordnet. Dies macht zum einen deutlich, dass die Antriebsart eines Kraftfahrzeugs als solche kein maßgebliches Differenzierungskriterium der 35. BImSchV darstellt. Zum anderen wird erkennbar, dass der Regelungsbereich der 35. BImSchV auch besonders emissionsarme Kraftfahrzeuge erfasst und auch insoweit eine abschließende Regelung trifft.
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Dass die 35. BImSchV für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen der Klassen M und N hinsichtlich einer Freistellung von Verkehrsverboten eine abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Reese, in: BeckOK, Umweltrecht, Hrsg. Giesberts/Reinhardt, Stand Dezember 2017, BImSchG § 40 Rn. 9a; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <74>), lässt sich darüber hinaus auch dem historischen Willen des Verordnungsgebers entnehmen.
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Der Verordnungsgeber der 35. BImSchV betont, dass mit dem Plakettensystem eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen getroffen werde, die einen differenzierenden Eingriff in die Fahrzeugflotte zulasse, die Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs vereinfache und zu einer leicht erkennbaren Gleichbehandlung aller Fahrzeuge aus den EU-Mitgliedstaaten führe (BR-Drs. 162/06 S. 1, 21).
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d) Nach allem lässt sich feststellen, dass die für die Kategorisierung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG abschließende 35. BImSchV eine Differenzierung allein danach, ob das Kraftfahrzeug mit einem Selbstzündungsmotor (Dieselantrieb) oder einem Fremdzündungsmotor (Ottomotor) angetrieben wird, nicht kennt. Nichts anderes gilt für eine Unterscheidung danach, ob Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren lediglich Abgasnormen unterhalb der Abgasnorm Euro 3 einhalten. Vielmehr erfolgt die Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Kraftfahrzeugen allein nach Kriterien, die dem Emissionsverhalten der Kraftfahrzeuge nach ihrer Zuordnung zu den Schadstoffgruppen 1 bis 4 folgen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang 2 der 35. BImSchV).
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Dieses Ergebnis gilt gleichermaßen für Verkehrsverbote in Gestalt von Umweltzonen wie für streckenbezogene Verkehrsverbote. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehen sich sowohl die Befugnisnorm des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG als auch die Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. 3 BImSchG auf Verkehrsverbote allgemein. Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf zonale oder auf streckenbezogene Verkehrsverbote ergeben sich auch aus der 35. BImSchV nicht.
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3. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (fortan EuGH) reicht eine Überschreitung der einzuhaltenden Grenzwerte für sich genommen aus, um eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG i.V.m. Anhang XI dieser Richtlinie feststellen zu können (Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 [ECLI:EU:C:2017:267], Kommission/Bulgarien - Rn. 69). Danach ist auch ein etwaiger teilweise rückläufiger Trend bei der Immissionsbelastung, der jedoch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte eingehalten werden, nicht geeignet, die Feststellung der einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 [ECLI:EU:C:2018:94], Kommission/Polen - Rn. 62 und 65). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zugleich unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem der Verstoß zuzurechnen ist, diesen mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob er auf technischen Schwierigkeiten beruht, denen sich der Mitgliedstaat möglicherweise gegenüber sah (EuGH, Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 - Rn. 76 m.w.N.). Eine Berufung des Mitgliedstaates auf unüberwindliche Schwierigkeiten kommt nur in besonderen Fällen, namentlich beim Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-68/11 [ECLI:EU:C:2012:815], Kommission/Italien - Rn. 64 m.w.N.).
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Aus der Verletzung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG ergibt sich allerdings noch keine auf eine bestimmte Einzelmaßnahme hin konkretisierte Handlungspflicht.
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Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Grenzwerte in der Luft überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um einen Verstoß des Mitgliedstaates gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG festzustellen. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen vielmehr über einen gewissen Spielraum. Dessen ungeachtet müssen es die festgelegten Maßnahmen aber jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Unter diesen Umständen ist in einer einzelfallbezogenen Untersuchung zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Pläne im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG stehen. Hierbei ist auch die Länge des Zeitraums zu betrachten, die eine Grenzwertüberschreitung bereits anhält. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2017 - C-488/15 (Rn. 115) einen systematischen und andauernden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, bereits deshalb als gegeben erachtet, weil die Grenzwerte für Feinstaub auch noch im Jahr 2014 in allen sechs bulgarischen Gebieten und Ballungsräumen nicht eingehalten waren. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018 - C-336/16 (Rn. 99 ff.) hat er gerügt, dass die von der Republik Polen erlassenen Pläne es dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichten, auf Überschreitungen erst 10 oder sogar 14 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese festgestellt wurden, abzustellen. Er hat in diesem Zusammenhang den Hinweis Polens, die festgelegten Fristen seien an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst, die nötig seien, um die Überschreitung der Grenzwerte in der Luft abzustellen und die damit verbundenen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen zu bewältigen, nicht gelten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass die geltend gemachten Schwierigkeiten die Festlegung einer weniger langen Frist unmöglich gemacht hätten.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können.
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b) Kommt die Luftreinhalteplanung den Verpflichtungen nach der Richtlinie 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (EuGH, Urteil vom 19. November 2014 - C-404/13 [ECLI:EU:C:2014:2382], Client Earth - Rn. 58). Das angerufene nationale Gericht ist gehalten, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Unionsrechts zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect Umweltorganisation - Rn. 55 f. m.w.N.).
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Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung, dem Unionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der 35. BImSchV (vgl. zu deren Grenzen: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.) oder jedenfalls dadurch erfüllt wird, dass die Regelungen insoweit unangewendet bleiben, als sie einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen führt letzteres nicht dazu, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote ganz fehlte. Wie dargelegt (oben Rn. 21 f.), stellt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Ermächtigungsgrundlage für in einem Luftreinhalteplan vorgesehene Verkehrsbeschränkungen dar, die unabhängig davon gilt, ob die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung erlassen hat. Angesichts dessen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine methodisch unzulässige Rechtsfortbildung contra legem (vgl. hierzu, BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 36 m.w.N.).
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B. Eine Anordnung eines ganzjährigen Verkehrsverbots in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 muss unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Ausführungen hierzu halten aber nicht in jeder Hinsicht bundesrechtlichen Maßstäben stand. Dies gilt insbesondere soweit es annimmt, ein sofortiges Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 begegne keinen rechtlichen Bedenken (juris Rn. 312 ff.).
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1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht jegliches staatliche Handeln und hat verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 <348 f.>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <50> und vom 17. Juni 2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54 <82>). Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf eine staatliche Maßnahme auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 20 Rn. 117).
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Die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, sind ebenfalls Bestandteil der Rechtsordnung der Europäischen Union (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-492/13 [ECLI:EU:C:2014:2267], Traum - Rn. 27 m.w.N.). Zugleich nimmt die Richtlinie 2008/50/EG selbst auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Satz 2 des 25. Erwägungsgrundes der Richtlinie ausdrücklich Bezug. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH können Luftreinhaltepläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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a) Mithin muss die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von dem Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO2-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer - und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft - verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz (zonale Verbote) gelten sollen. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück "bis unmittelbar vor die Haustür" gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 - 11 C 38.92 - BVerwGE 94, 136 <139, 142> m.w.N.). Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem große Teile eines Stadtgebiets erfassenden Verkehrsverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
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Um dem gebotenen Interessenausgleich gerecht zu werden, wird daher für zonale Verkehrsverbote eine phasenweise Einführung dergestalt zu prüfen sein, dass in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) von Verkehrsverboten erfasst werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 143/09 - juris Rn. 73). Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro 5 für alle Fahrzeuge seit 1. Januar 2011) kommen zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 für alle Fahrzeuge zum 1. September 2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat der Senat berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro 5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Dies gilt im Ergebnis für alle Käufer, die nach dem 1. September 2014 ein Dieselneufahrzeug der Abgasnorm Euro 5 erworben haben. Denn bereits ab diesem Zeitpunkt konnten gemäß Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) die nationalen Behörden keine Typgenehmigungen mehr für neue Fahrzeugtypen erteilen, die den in Anhang I Tabelle 2 der Verordnung aufgeführten Euro-6-Grenzwerten nicht entsprachen. Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, ist dagegen mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten.
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Hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro 4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 bedarf es keiner Übergangsfristen. Typgenehmigungen für diese Fahrzeuge durften lediglich bis zum 31. Dezember 2010 bzw. bis zum 31. Dezember 2000 erteilt werden (vgl. Richtlinie 70/220/EWG in der Fassung von Richtlinie 98/69/EG). Es liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Beschränkung möglicher sofortiger Verkehrsverbote auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter keine nennenswerte Reduzierung der Schadstoffbelastungen erreichbar wäre.
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Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Geltung von etwaigen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge insbesondere der Abgasnorm Euro 5 wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen zudem die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren.
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b) Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV gewährt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen.
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Soweit von dem Beklagten zu bewältigende Sachverhaltskonstellationen von den Ausnahmetatbeständen nicht angemessen erfasst werden sollten (zu diesbezüglichen Bedenken vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894 Rn. 162), erscheint ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO jedenfalls im Wege unionsrechts- und verfassungskonformer Auslegung nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn dies geboten sein sollte, um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz und den Belangen der von Verkehrsverboten negativ Betroffenen zu erreichen (ablehnend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 11 S 50.09 - juris Rn. 9). Allerdings können Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Eine Einführung eines Verkehrsverbotes für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Stufen und unter Gewährung von Ausnahmen steht mit der Verpflichtung der zuständigen Behörden aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG und aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, die Zeit der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten, in Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Recht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr kann nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 59 sowie EuGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - C-336/16 - Rn. 93 m.w.N.).
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3. Ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart, das unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet ist, erfordert keine Entschädigungsregelung zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer. Eine verhältnismäßige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs durch ein örtlich begrenztes Verkehrsverbot und der damit gegebenenfalls verbundene Marktwertverlust des Kraftfahrzeugs stellt eine vom jeweiligen Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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Der in Art. 14 GG verankerte Bestandsschutz des Eigentums verlangt im Rahmen des Möglichen vorrangig, eigentumsbelastende Regelungen ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen verhältnismäßig auszugestalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 260 m.w.N.). Dies hat namentlich durch die Schaffung von Übergangs- und Ausnahmeregelungen zu erfolgen. Der Normgeber muss demgegenüber nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit und gewährleistet nicht, jede sich bietende Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums auszunutzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 f. m.w.N.).
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Dessen ungeachtet kann nach Lage der Dinge ohnedies nicht davon ausgegangen werden, dass ein lokal eingeführtes Verkehrsverbot - auch im Zusammenwirken mit weiteren lokalen Verkehrsverboten - insbesondere für (bestimmte) Dieselfahrzeuge zu einem Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes für betroffene Kraftfahrzeuge oder zu unverhältnismäßigen Belastungen durch besonders hohe Marktwertverluste führten. Verkehrsverbote werden nämlich nur für einen Bruchteil des Straßennetzes in Deutschland und beschränkt auf nur wenige Ballungsräume überhaupt in Betracht kommen.
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C. Erweist sich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 unionsrechtlich als geboten, scheitert dessen Umsetzung nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbote zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte sei in erster Linie auf die für die Ausweisung von Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen. Zutreffend hat es weiter festgestellt, dass sich das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht auf § 45 Abs. 1f StVO und die darin vorgesehene Verkehrszeichenkombination stützen lasse. Nach § 45 Abs. 1f StVO ordnet die zuständige Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 ("Beginn einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") und 270.2 ("Ende einer Verkehrsverbotszone zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone") in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an. Das angesprochene Zusatzzeichen "Freistellung vom Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 1 BImSchG" in Nr. 46 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ermöglicht Freistellungen nur für Kraftfahrzeuge, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. BImSchV mit einer roten, gelben oder grünen Plakette ausgestattet sind. Die Verwendung anderer Zusatzzeichen sieht der Verordnungsgeber im Rahmen der Errichtung von Umweltzonen nicht vor. Dies ergibt sich außer aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit der 35. BImSchV auch aus dem im Singular gefassten Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO ("in Verbindung mit dem dafür vorgesehenen Zusatzzeichen") und gilt unabhängig davon, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften") eine Rechtsgrund- oder, wie überwiegend angenommen wird, eine Rechtsfolgenverweisung darstellt (vgl. hierzu nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 12 m.w.N.). § 45 Abs. 1f StVO statuiert nämlich keine (zusätzlichen) straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sondern betrifft mit der Art und Weise von deren Kennzeichnung lediglich die Rechtsfolgenseite und ist insoweit jedenfalls von dem Verweis des § 40 Abs. 1 BImSchG auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften umfasst.
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Allerdings handelt es sich bei § 45 Abs. 1f StVO jedenfalls deshalb nicht um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten, weil dies gegen die unionsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verstoßen würde. Insoweit kann ebenfalls dahinstehen, ob § 45 Abs. 1f StVO - wie das Verwaltungsgericht annimmt - einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist (siehe oben Rn. 37) oder auch insoweit - wie bei der 35. BImSchV - die Norm teilweise unanwendbar bleiben muss, weil sie im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Verpflichtungen die in Frage kommenden Verkehrszeichen beschränkt. In beiden Fällen entfällt die "Sperre" für eine Kombination der Zeichen 270.1 und 270.2 mit anderen als dem in Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO vorgesehen Zusatzzeichen.
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2. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, die notwendigen Einschränkungen von Verkehrsverboten ließen sich durch die Schaffung bislang in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelter Zusatzzeichen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde umsetzen. Dies steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
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Um kenntlich zu machen, auf welche Kraftfahrzeuge das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot beschränkt ist, stellt die Straßenverkehrsordnung ein geeignetes Zusatzzeichen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch für den amtlichen Katalog der Verkehrszeichen, auf den § 39 Abs. 9 StVO verweist. Der Katalog der Zusatzzeichen nach der Straßenverkehrsordnung ist jedoch nicht abschließend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO) und kann insoweit um geeignete Zusatzzeichen ergänzt werden.
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Hinsichtlich der Anforderungen an Zusatzzeichen bestimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8) unter dem Gliederungspunkt "Zu den §§ 39 bis 43 - Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen", Ziff. III.16 Buchst. a, dass Zusatzzeichen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen sollten. Zusatzzeichen, die im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen nicht enthalten sind, bedürfen nach dieser Verwaltungsvorschrift zudem der – gegebenenfalls einzuholenden - Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Nach "Zu den §§ 39 bis 43...", Ziff. III.16 Buchst. b VwV-StVO sollten - mit Rücksicht auf den Sichtbarkeitsgrundsatz - an einem Pfosten nicht mehr als zwei Zusatzzeichen angebracht werden.
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In Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, für die Antriebsart Diesel bzw. für die verschiedenen Euro-Abgasnorm-Stufen allgemein verständliche Sinnbilder zu entwickeln, dürfte der jedenfalls nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung mit verwaltungsinterner Bindungswirkung zur Anwendung kommende Vorrang der Verwendung von Sinnbildern ("wenn irgend möglich") einem textlichen Zusatzzeichen wie etwa "Diesel Euro 6 und andere ab Euro 3 frei", wie es das Verwaltungsgericht in den Blick genommen hat, nicht entgegenstehen. Ein derartiges Zusatzzeichen stünde auch mit § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO in Einklang, wonach Zusatzzeichen nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen enthalten.
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Da Verkehrszeichen sofort zu befolgen sind (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), müssen durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelungen klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer unter Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.). Eine hinreichende Erfassbarkeit erscheint jedenfalls bei der beispielhaft genannten Beschilderung als gegeben.
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3. Die zur Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit gebotenen Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 müssen nicht durch Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. Aus der Bestimmung des § 45 Abs. 4 StVO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr, mit Ausnahme der Fälle des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Dies gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Ausnahmen von Verkehrsverboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.). Der dem zugrunde liegende Grundsatz, wonach sich ein Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Regelung eines Verkehrszeichens, die für jedermann gelten soll, verlassen können muss, beansprucht allerdings, wie sich auch aus der Zusammenschau des § 45 Abs. 4 StVO mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO entnehmen lässt, im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung keine Geltung für Ausnahmen, die nicht für jedermann gelten sollen, sondern die in bestimmten Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis Platz greifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 25 f.).
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In diesem Sinne ermächtigen § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV und § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu Ausnahmeregelungen in Einzelfällen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, die keiner Bekanntgabe durch ein Verkehrszeichen bedürfen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Mai 2011 - 12 LC 139/09 - Rn. 75 f.; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 40 Rn. 17; Hofmann/Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, a.a.O., § 40 BImSchG Rn. 19). Für den Bereich zonenbezogener Verkehrsverbote wird dieses Ergebnis durch die amtlichen Hinweise zum Zeichen 270.1 in Spalte 3 der Anlage 2 zur StVO bestätigt, wonach Ausnahmen im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sein können. Eine indirekte Bestätigung erfährt dieses Ergebnis zudem durch den Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sowie des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV, die - anders als § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG - die Maßgeblichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften jeweils nicht vorsehen. Gemäß der Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der 35. BImSchV geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Verfügung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV nicht durch ein Verkehrszeichen umgesetzt werden muss (BR-Drs. 819/07 S. 10).
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D. Etwaige Erschwernisse beim Vollzug des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes führen nicht zur Rechtswidrigkeit von dessen Anordnung. Die Einführung einer Verbotsregelung scheitert nicht an einer fehlenden Kontrollierbarkeit.
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Zwar dürfte der Vollzug von Verkehrsverboten ohne eine Kennzeichnung der von einem Verkehrsverbot ausgenommenen Kraftfahrzeuge - namentlich durch eine im Zuge einer Anpassung der 35. BImSchV einzuführende, hierfür geeignete Plakette (etwa einer "Blauen Plakette") - deutlich erschwert sein. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Verbotsregelung. Von einem die Rechtswidrigkeit einer Regelung begründenden strukturellen Vollzugsdefizit kann insoweit keine Rede sein. Ein solches setzt ein normativ angelegtes Hindernis voraus, das strukturbedingt zu einer defizitären Vollzugspraxis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127 Rn. 47 m.w.N.). Bloße Vollzugsmängel oder die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen sind demgegenüber nicht ausreichend. Erforderlich ist ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl des materiellen Rechts und den nicht auf dessen Durchsetzung angelegten Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 <113> m.w.N.).
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Ein derartiges, auf eine Verfehlung der Regelungswirkung angelegtes normatives Defizit lässt sich vorliegend nicht feststellen. Im ruhenden Verkehr erscheinen wirksame Kontrollen von Kraftfahrzeugen im Wege von Halterabfragen möglich. Polizei und Verwaltungsbehörden sind zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befugt, beim Zentralen Fahrzeugregister die erforderlichen Daten abzurufen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Hierzu gehören auch die Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung, Identifizierungsmerkmale und Zulassungsmerkmale einschließlich der Abgasnorm, in die das Fahrzeug eingestuft ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 9 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- vom 3. Februar 2011 , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 31. Juli 2017 , § 39 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 FZV). Kontrollen sind auch im fließenden Verkehr, etwa durch Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil I durchführbar. Im Übrigen werden auch andere geltende Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen, von den zuständigen Behörden nur stichprobenartig überprüft.
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Ein etwaigen (sonstigen) Vollzugsdefiziten entgegenwirkender landeseinheitlicher Vollzug von Verkehrsverboten einschließlich der Schaffung landeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen zu angeordneten Verkehrsverboten ist zudem gegebenenfalls Aufgabe der zuständigen obersten Landesbehörden.
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E. Auch weitere vom Beklagten und von der Beigeladenen gegen das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot vorgebrachte Einwände greifen nicht durch. Namentlich die Gefahr von Verkehrsverlagerungen, aus denen sich Immissionsbelastungen an anderer Stelle ergeben, schließt den Erlass eines Verkehrsverbots für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart nicht aus.
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Zwar sind vor der Festlegung eines Verkehrsverbots in einem Luftreinhalteplan, worauf auch das angefochtene Urteil zutreffend hinweist, Verlagerungseffekte zu berücksichtigen und zu bewerten. Verkehrsverlagerungen sind allerdings nicht per se unzulässig. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein allgemeines Minimierungsgebot enthält, sondern (lediglich) zur Einhaltung des NO2-Grenzwertes verpflichtet, ist eine Verkehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erst dann kein geeignetes Mittel mehr, um die Einhaltung des Grenzwertes sicherzustellen, wenn die hierdurch bedingten Umlenkungen von Verkehrsströmen zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle führen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 31).
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Soweit der Beklagte auf eine etwaige Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr insgesamt im Zuge von Verkehrsverboten spezifisch für Dieselfahrzeuge verweist, fehlen Tatsachenfeststellungen durch das Verwaltungsgericht. Im Übrigen würde auch eine "CO2-Problematik" eines wegen der Überschreitung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten verhängten Verkehrsverbots nichts an der Verpflichtung zur schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen ändern. Eine Gesamtwirkungsanalyse sehen weder die unionsrechtlichen noch die nationalen Vorschriften vor.
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Soweit sich schließlich die Beigeladene durch Verkehrsverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge in ihrer Funktion als Wirtschaftsstandort für Produktions- und Handelsbetriebe sowie für Dienstleistungsunternehmen und damit in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht, greift auch dies nicht durch. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung sichert den Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <400> m.w.N.). Dass durch allgemein geltende Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge in diesen Gewährleistungsgehalt eingegriffen würde, ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.