Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 13. Juli 2017 - 1 K 125/16.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2017:0713.1K125.16.00
bei uns veröffentlicht am13.07.2017

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Oktober 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2016 verpflichtet, den Antrag auf Informationserteilung vom 25. August 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zur Hälfte und die Kläger gesamtschuldnerisch zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Herausgabe von Kostenkalkulationen im Pflegebereich.

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Die Klägerin zu 1) ist eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisierte Anwaltskanzlei, die sich unter anderem auf die Themen der Sozialwirtschaft spezialisiert hat. Der Kläger zu 2) ist ein Rechtsanwalt dieser Kanzlei. Gegenüber dem beklagten Land begehren sie Auskunft über die Höhe der abrechenbaren Investitionskosten von stationären Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz.

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Die Klägerin zu 1) stellte ihren Antrag auf Informationserteilung am 25. August 2015 zunächst auf der Grundlage des damaligen Landesinformationsfreiheitsgesetzes Rheinland-Pfalz (LIFG). Das Landesamt für ... lehnte diesen mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 ab. Zur Begründung führte es unter anderem aus, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, da die Vorschriften der § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sowie § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gemäß § 4 Abs. 2 LIFG vorrangige Gültigkeit beanspruchten. Zudem enthielten die gewünschten Informationen teilweise Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Maßgabe von § 11 LIFG, die nicht zu veröffentlichen seien. Soweit einer unbestimmten Vielzahl von Personen der Zugang zu den Informationen gewährt werden solle, werde dies bereits auf entsprechenden Internetseiten getan.

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Der am 15. Oktober 2015 hiergegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung verwies der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2016 auf die vorherige Begründung sowie auf das Erfordernis der Einhaltung des Sozialgeheimnisses des § 35 SGB I. Im Übrigen seien die gemäß § 3 Abs. 3, Satz 1 Nr. 3 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) informationsberechtigten Personen ein hinreichend begrenzter Personenkreis, so dass der Kreis der Zugangsberechtigten ohnehin weitgehend beschränkt bleibe. Eine Informationspflicht bestehe gerade nur, wenn die Information durch einen Verbraucher begehrt werde, der tatsächlich beabsichtige, einen Vertrag zu schließen. Auch verfüge der Beklagte nicht vollständig über die begehrten Informationen. Es kämen nämlich nicht alle in Rheinland-Pfalz ansässigen Einrichtungen ihrer Mitteilungspflicht aus § 82 Abs. 4 SGB XI nach. Außerdem sei der Verwaltungsaufwand zur Erstellung der Liste unverhältnismäßig hoch. Ebenso erfordere die Einsichtsgewährung in die Akten einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand. Dies ergebe sich daraus, dass die Akten zunächst durchgesehen und geschwärzt werden müssten. Im Übrigen wurde die Klägerin zu 1) erneut auf die Möglichkeit verwiesen, sich auf einschlägigen Websites zu informieren. Sie könne zudem selbst die Einrichtungen kontaktieren, um an die Informationen zu gelangen.

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Die Klägerin zu 1) hat am 4. März 2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie zunächst vor, sie sei antragsbefugt im Sinne des nunmehr allein maßgeblichen Landestransparenzgesetzes vom 27. November 2015 (LTranspG). Es könne keinen Unterschied machen, ob Bürger sich zu einer GmbH zusammenschlössen und damit antragsbefugt seien oder eine GbR oder OHG gründeten. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, müsse der Beklagte den Antrag so umdeuten, dass die hinter der GbR stehenden Gesellschafter als natürliche Personen gemeinschaftlich die Auskunft begehrten. Hilfsweise trägt sie vor, die GbR sei (nur) teilrechtsfähig und damit zugleich eine nichtrechtsfähige Vereinigung im Sinne von § 2 Abs. 2 LTranspG. Zudem verfüge der Beklagte über alle Informationen, da diese entweder – im Falle der Nichtförderung – gemäß § 82 Abs. 4 SGB XI anzuzeigen oder aber nach Maßgabe von § 82 Abs. 3 SGB XI genehmigungsbedürftig seien, sofern der Träger der Einrichtung eine Förderung gemäß § 9 SGB XI erhalten habe.

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Auf diese Informationen bestünde nach Maßgabe des Landestransparenzgesetzes ein Anspruch der Klägerin. Der Zeitaufwand des Beklagten zur Herrichtung der Informationen sei mit maximal einem Vormittag bzw. „wenigen Stunden“ anzusetzen und schon daher nicht missbräuchlich. Die Annahme eines Missbrauchs sei im Übrigen darauf beschränkt, dass es einziger Zweck des Begehrens sei, die Verwaltung lahmzulegen. Dies sei hier offensichtlich nicht der Fall.

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Ob die Klägerin zu 1) geschäftliche Interessen verfolge, könne offen bleiben. Eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Pflegeeinrichtungen komme nicht in Betracht, da jedermann einen Antrag auf Informationsgewährung stellen könnte. Auch werde der Auftrag des Beklagten aufgrund des sogenannten „Tatsächlichkeitsgrundsatzes“ bei den Investitionskosten nicht gefährdet. Soweit die Klägerin zu 1) die Daten bereits besitze, könne sie diese aufgrund des Mandatsgeheimnisses nicht nutzen und könne auch nicht ihren Antrag so stellen, dass diese Daten ausgenommen seien. Hiermit würde sich die Klägerin zu 1) einer Strafbarkeit gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) aussetzen. Es handele sich auch nicht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, da die Angaben einem potentiell nicht begrenzten Personenkreis offen stünden. Die Investitionskosten würden potentiellen Bewohnern offenbart und es sei nicht möglich, die Weitergabe zu verhindern. Der Verweis des Beklagten auf die Internetseiten pflegelotse.de oder aok-pflegeheimnavigator.de genüge nicht. Der Bürger sei nicht verpflichtet, sich auf anderem Wege Informationen zu beschaffen. Im Übrigen sei nicht sicher, ob die dort geführten Informationen zutreffend und richtig seien. Die Daten seien jedenfalls nicht vollständig.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern in Form einer Liste Auskunft zu erteilen, welche Investitionskosten von sämtlichen nicht im Sinne des § 9 SGB XI geförderten stationären Pflegeeinrichtungen im Land Rheinland-Pfalz nach § 82 Abs. 4 SGB XI gegenüber Selbstzahlern einerseits und gegenüber dem Sozialhilfeträger andererseits berechnet werden und

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den Beklagten zu verurteilen, den Klägern in Form einer Liste Auskunft zu erteilen, welche Investitionskosten von sämtlichen im Sinne des § 9 SGB XI geförderten Einrichtungen im Land Rheinland-Pfalz nach § 82 Abs. 3 SGB XI berechnet werden,

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hilfsweise

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den Beklagten zu verurteilen, den Klägern zu den in der Anlage 5 zu dieser Klage aufgeführten Pflegeeinrichtungen jeweils mitzuteilen, ob es sich um eine geförderte oder nichtgeförderte Einrichtung handelt sowie die Höhe der Investitionskosten mitzuteilen, die nach § 82 Abs. 3 SGB XI genehmigt sind beziehungsweise die nach § 84 Abs. 4 SGB XI mitgeteilt wurden sowie der Betrag, der nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit dem Sozialhilfeträger vereinbart wurde.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, die Klägerin zu 1) sei bereits keine Berechtigte nach dem LTranspG, da sie weder natürliche noch juristische Person noch eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung sei.

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Im Übrigen stünden der Informationsgewährung öffentliche Belange entgegen. Insbesondere seien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1 LTranspG auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als entgegenstehende Belange betroffen. Für die Qualifikation als Geschäftsgeheimnis komme es darauf an, ob die Information allgemein, also ohne großen Zeit- und Kostenaufwand zugänglich sei. Dem stehe die Veröffentlichung auf Websites nicht entgegen, da die dort angegebenen Werte zumeist eine Spanne aufwiesen oder gemittelt seien. Ansonsten seien auch anonymisierte Daten des Statistischen Bundes- bzw. Landesamts verfügbar.

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Die Spezialisierung der Klägerin zu 1) auf das Fachgebiet des Sozialrechts begründe allein bereits ein geschäftliches Interesse an dem begehrten Auskunftsersuchen, welches aber gänzlich an der Intention des Gesetzgebers nach einer bürgernahen Verwaltung vorbeigehe. Der Umfang des Auskunftsersuchens, welcher sich auf alle ca. 500 rheinland-pfälzischen Pflegeeinrichtungen und deren Investitionskostendaten erstrecke und keinerlei Beschränkung vorsehe, unterstreiche zudem die Annahme, dass von einem rein geschäftlichen Interesse auszugehen sei.

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Die Klägerin zu 1) würde mit dem Erhalt des von ihr begehrten Datenpools über einen strategischen Wettbewerbsvorteil in ihrer Funktion als Vertreterin von Einrichtungsträgern verfügen. Zudem habe der Gesetzgeber mit der durch § 82 Abs. 4 SGB XI erteilten Autonomie den Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit gegeben, ihre Investitionskosten selbst festzulegen. Dies sei mit dem Ziel erfolgt, dass jede Pflegeeinrichtung den Bewohnern unter Ausschöpfung ihrer individuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten ein möglichst umfangreiches Leistungsangebot bieten könne. Mit diesem System habe der Gesetzgeber den Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen fördern wollen, um dadurch das Leistungsniveau zu Gunsten einer Qualitätssicherung in der Pflege anzuheben. Dieser Wettbewerb würde durch die Herausgabe der zusammengestellten Investitionskostendaten sämtlicher rheinland-pfälzischer Pflegeeinrichtungen monopolistisch durch die Fachkenntnisse der Klägerin zu 1) und ihr gezieltes Agieren beeinflusst oder sogar gesteuert werden.

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Aufgrund der landesrechtlichen Finanzierungsverantwortung für die Investitionskosten müsse den Ländern auch die Möglichkeit eingeräumt werden, auf die Höhe dieser Kosten Einfluss zu nehmen. Diesen Einfluss sichere § 82 Abs. 3 und 4 SGB XI in Verbindung mit § 9 SGB XI. Im Umfang der von der Landesbehörde erteilten Zustimmung sei die Pflegeeinrichtung zwar berechtigt, die nicht von einer landesrechtlichen Förderung gedeckten Investitionskosten dem Pflegebedürftigen in Rechnung zu stellen. In diesem Umfang seien die Investitionskosten jedoch vom Sozialhilfeträger zu übernehmen (Verweis auf: Jaritz/Eicher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII, Rn. 163,180). Diese gesetzlich verankerten Verhandlungs- und Regulierungsgeschicke würden mit der Offenlegung aller rheinland-pfälzischen Investitionskosten außer Kraft gesetzt. Diese Veröffentlichung würde zu unverhältnismäßigen Erhöhungsverlangen führen, welche sich jeweils nicht an den tatsächlichen Investitionsaufwendungen jeder einzelnen Pflegeeinrichtung, sondern schlichtweg an dem Maximalprinzip orientierten.

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Hiermit würde dem Beklagten zudem die Möglichkeit entzogen, zum Schutze der Bewohner agieren zu können, die ebenfalls von unverhältnismäßigen Kostensteigerungen betroffen wären. Der Anspruch auf Informationszugang nach dem LTranspG, in dem Maße wie er in dem vorliegenden Fall beantragt wurde, sei folglich gegen die Möglichkeit der Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe des Beklagten abzuwägen. Diese Gegenüberstellung könne aber letztendlich nur zu dem Ergebnis führen, dass der Beklagte bei Entzug seiner ureigenen gesetzlichen Aufgabe nicht mehr handlungsfähig wäre und diese Handlungsfähigkeit gegen den Transparenzanspruch aufwiege. Damit sei letztlich auch die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2, Nr. 3 LTranspG gefährdet, wenn die Informationen herausgegeben würden, weil es zu Erhöhungsverlangen kommen und dabei ein Vergleich zwischen nicht vergleichbaren Sachverhalten vorgenommen würde.

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Vor der Informationsgewährung müssten zudem die Pflegeeinrichtungen als Dritte im Sinne von § 13 LTranspG angehört werden. Dies sei bei ca. 500 Pflegeeinrichtungen nicht durchführbar, da die Aufbereitung und Bereitstellung von etwa 1000 Daten erforderlich wäre. Das Informationsgesuch der Klägerin zu 1) sei auch daher insgesamt rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 12 LTranspG und verstoße gegen das Schikaneverbot analog § 226 BGB.

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Zusammengefasst sei die Intention der Klägerin zu 1) insgesamt rein geschäftlicher Natur. Ihr würde ein regelwidriger Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten zukommen, wenn ihr die Informationen zur Verfügung gestellt würden. Es drohten außerdem unberechtigte Erhöhungsverlangen hinsichtlich der Investitionsaufwendungen ohne ausreichende Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls. Dies würde die Handlungsfähigkeit des Beklagten untergraben, so dass insgesamt die Abwägung im Hinblick auf § 16 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1 LTranspG sowie den Schutzbereich des LTranspG zulasten der Klägerin zu 1) auszugehen habe.

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Beide Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Vorbringen mehrfach vertieft und erweitert. Die Klägerin zu 1) legte ergänzend eine exemplarische und anonymisierte Investitionskostenberechnung vor. Zur Zumutbarkeit der Datenerhebung hat die Klägerin zu 1) die Beweiserhebung durch einen sachverständigen Zeugen angeregt.

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Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 hat der Kläger zu 2) auf der Klägerseite den Parteibeitritt erklärt, dem der Beklagte zunächst widersprochen hat. Nach Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung zur Zulässigkeit der Klageerweiterung hat der Beklagte diesbezüglich sein Einverständnis erklärt.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

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1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. § 22 Satz 1 LTranspG kommt demgegenüber nur deklaratorische Wirkung zu. Denn dem Landesgesetzgeber fehlt es an der Gesetzgebungskompetenz für eine aufdrängende Sonderzuweisung (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Klage ist nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO als Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage statthaft. Bei der begehrten Auskunft des Beklagten handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG.

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2. Die Klage ist auch ansonsten zulässig.

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a. Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 2 Abs. 2, Abs. 1 LTranspG analog klagebefugt; die Klägerin zu 1) hat auch die Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO gewahrt. Sie hat das nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 22 Satz 2 LTranspG erforderliche Vorverfahren gemäß § 70 VwGO form- und fristgerecht durchgeführt. Hinsichtlich des Klägers zu 2) ist das nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 22 Satz 2 LTranspG grundsätzlich erforderliche Vorverfahren gemäß § 70 VwGO durch den hier zulässigen Parteibeitritt entbehrlich geworden.

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b. Der Parteibeitritt ist eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO. Diese ist zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder der Beitritt sachdienlich ist (§ 91 Abs. 1 VwGO). Aufgrund des zunächst erklärten ausdrücklichen Widerspruchs des Beklagten wäre der Parteiwechsel nur bei Sachdienlichkeit zulässig gewesen. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts (Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 31. EL 2016, § 91 Rn. 61). Der Parteibeitritt ist sachdienlich, wenn die geänderte Klage der endgültigen Ausräumung des Streitstoffes zwischen den Parteien im laufenden Verfahren zu dienen geeignet ist und wenn der Streitstoff im Wesentlichen derselbe ist (Ortloff/Riese, a.a.O., Rn. 62).

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c. Vorliegend ist auch bei Einbeziehung des neuen Klägers der Streitstoff im Wesentlichen derselbe geblieben. Allein die Argumentation, die Klägerin zu 1) sei als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht antragsbefugt, konnte dem neuen Kläger nicht entgegengehalten werden. Überdies hätte der Kläger zu 2) jederzeit selbst einen Antrag bei der transparenzpflichtigen Stelle stellen können. Bei Ablehnung müsste ein erneutes Verfahren mit denselben Rechtsfragen wie im vorliegenden Rechtsstreit geführt werden, was nicht der Prozessökonomie entspräche. Die Sachdienlichkeit der Klageänderung durch Parteibeitritt kann durch Zwischenurteil im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 303 ZPO festgestellt werden (Ortloff/Riese, a.a.O., Rn. 75), es ist jedoch ebenso eine Entscheidung im Endurteil möglich (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1969 – VIII C 36/69 –, BeckRS 1969, 30438385). Die Kammer hat hierüber im Rahmen der mündlichen Verhandlung beraten, woraufhin der Beklagte nach entsprechenden Hinweis dem Beitritt zugestimmt hat.

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d. Die Zulässigkeit der Klageänderung bedeutet hingegen nicht, dass auch die geänderte Klage im Übrigen zulässig ist. Der Beklagte hat in seiner Klagebegründung bislang zum Ausdruck gebracht, dass ein Antrag auf Zugang zu den Informationen nicht erfolgreich sein könnte, unabhängig davon, wer den Antrag stellte. Der Umstand, dass im Wesentlichen über denselben Streitstoff verhandelt wird, macht hier jedoch das Vorverfahren gemäß § 70 VwGO entbehrlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2005, 4 C 13/04, NVwZ 2006, 87 <88>; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1970 – IV C 28/67 –, NJW 1970, 1564 <1565>; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 68 Rn. 23a).

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II. Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; sie war im Übrigen gemäß § 113 Abs. 5 der VwGO nicht spruchreif und daher neu zu bescheiden.

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1. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger ist § 2 Abs. 2, Abs. 1 LTranspG.

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a. Gemäß § 30 LTranspG ist das LIFG mit Wirkung zum 1. Januar 2016 außer Kraft getreten. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es bei einer Verpflichtungsklage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz an (vgl. schon: BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1954 – V C 97.54 –, juris, Rn. 12 ff.; Urteil vom 3. November 1994; – 3 C 17/92 –, juris, Rn. 23; Urteil vom 19. April 2012 – 1 C 10/11 –, juris, Rn. 11; zum LTranspG: OVG RP, Urteil vom 10. Juni 2016 – 10 A 10878/15 –, juris, Rn. 26). Dem steht keine Übergangsregelung im LTranspG entgegen. § 26 Abs. 3 LTranspG bestimmt hierzu, dass über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des LTranspG nach den Bestimmungen des LIFG gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des LTranspG zu entscheiden ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 10. Juni 2016 – 10 A 10878/15 –, juris, Rn. 26; VG Trier, Urteil vom 22. Februar 2016 – 6 K 2390/15.TR –, juris, Rn. 25 f.).

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b. Nach § 2 Abs. 2, Abs. 1 LTranspG haben natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts und nicht rechtsfähige Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist. Die Kläger haben den nach § 2 Abs. 2, 11 Abs. 1 Satz 1 LTranspG erforderlichen Antrag gestellt. Der Beklagte war nach § 11 Abs. 1 Satz 2 LTranspG zudem zuständige Stelle, da er über die von den Klägern begehrten Informationen zumindest potentiell verfügt.

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c. Die Klägerin zu 1) ist Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 2 LTranspG. Sie ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese ist, nach der überwiegenden Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung in der Literatur ein teilrechtsfähiges Rechtssubjekt mit eigener Rechtspersönlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2001, II ZR 331/00, NJW 2001, 1056; Kohler in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, 2017, § 873 Rn. 23), nicht jedoch eine juristische Person des Privatrechts (Schäfer in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, 2017, Vorbem. zu § 705 Rn. 12).

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d. Für die Einbeziehung der GbR unter den Begriff der juristischen Person spricht jedoch bereits die weite Fassung des § 2 Abs. 1 und 2 LTranspG, der eine vom Gesetzgeber intendierte Einschränkung in keiner Weise nahelegt. Zudem dient das LTranspG der Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie (RL 2003/4/EG vom 28. Januar 2003, ABl. L 41, S. 26) und des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen, BGBl. 2006 II S. 1251, 1252). Es ist nicht ersichtlich, dass in diesem Zusammenhang unionsrechtlich Benachteiligungen von teilrechtsfähigen Personenvereinigungen vorgesehen bzw. zu rechtfertigen wären.

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Zwar geht es vorliegend nicht um unweltbezogene Informationen, sondern um Investitionsaufwendungen im Sozialbereich, jedoch ist eine einheitliche Auslegung des LTranspG mit den umweltbezogenen Informationen geboten. Denn es ist eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar, wo umweltbezogene und nicht umweltbezogene Informationen nebeneinander begehrt werden, was eine schwierige Abgrenzung im Einzelfall zur Folge hätte. Daher gebietet auch das Erfordernis effektiver, einheitlicher Wirkung des EU-Rechts in allen Mitgliedsländern (sog. „effet utile“) den Kreis der Berechtigten nicht zu eng zu ziehen. Danach sind europarechtliche Vorschriften so auszulegen, dass ihnen größtmögliche praktische Wirksamkeit zukommt (vgl. etwa VGH BW, Urteil vom 29. Juni 2006 – 11 S 2299/05 –, juris). Eine Trennung von umweltrelevanten und sonstigen Informationen nach dem LTranspG ist auch nicht landesrechtlich geboten; aus den Gesetzgebungsmaterialen (vgl. Drucksache des Landtags Rheinland-Pfalz vom 16/5173 vom 23. Juni 2015) ergeben sich diesbezüglich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zweck dieses Gesetzes ist es nach § 1 Abs. 1 LTranspG, den Zugang zu amtlichen Informationenund Umweltinformationen zu gewähren, um damit die Transparenz und Offenheit der Verwaltung nachhaltig zu vergrößern. Die Informationsarten stehen demnach gleichwertig nebeneinander.

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e. Die Einbeziehung rechtsfähiger Personenvereinigungen ergibt sich aber im Übrigen erst Recht, wenn nichtrechtsfähige Vereinigungen Informationen erlangen können. Insofern stellten sich nahezu unvermeidlich Abgrenzungsschwierigkeiten. So könnte eine GbR – solange sie nur als sogenannte Innen-GbR handelt – grundsätzlich Informationen erlangen, da der Innen-GbR die Rechtsfähigkeit fehlt (VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23. März 2009 – 3 L 417/09 –, BeckRS 2010, 46589; Schöne in: BeckOK BGB, 41. Edition, 2016, § 705, Rn. 14; Schäfer in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, 2017, § 714, Rn. 8). Sobald sie aber nach außen auftreten würde, wäre sie teilrechtsfähig und damit nicht mehr antragsberechtigt. Dies zeigt auf, dass eine Differenzierung nach diesem Kriterium nicht maßgeblich sein kann für den Anspruch nach dem LTranspG. Auch das von den Beteiligten genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2008 (4 C 13/07 –, BVerwGE 130, 223) steht dem nicht entgegen. Hierin führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass auch nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse – sofern sie organisatorisch hinreichend verfestigt sind – antragsberechtigt im Rahmen des Hessischen Umweltinformationsgesetzes (HUIG) seien. Zu der hier relevanten Frage, ob auch (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften antragsberechtigt sind, äußert sich das Bundesverwaltungsgericht zwar in diesem Zusammenhang nicht, die Entscheidung spricht aber deutlich gegen eine restriktive Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des Informationsfreiheits- und Transparenzrechts.

41

f. Die Berechtigungen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) entfallen auch nicht dadurch, dass diese geschäftliche Interessen verfolgen. Für den Ausschluss geschäftlicher Interessen findet sich im LTranspG kein Anhaltspunkt. Vielmehr ist das Interesse an den Informationen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 LTranspG nicht maßgeblich, da ein rechtliches oder berechtigtes Interesse gerade nicht dargelegt werden muss (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. Februar 2010 – 10 A 11156/09 –, NZI 2010, 357 <358>). Einen solchen Ausschluss hätte der Gesetzgeber als wesentlichen Teil der transparenzrechtlichen Materie selbst regeln müssen (vgl. zur Wesentlichkeitslehre nur: BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 –, BVerfGE 139, 19). Zudem spricht die Einbeziehung (jeglicher) juristischer Personen gerade dafür, dass auch geschäftliche Zwecke verfolgt werden können.

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2. Bei den begehrten Informationen handelt es sich auch – jedenfalls teilweise – um Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG.

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a. Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 LTranspG abzulehnen, soweit Rechte am geistigen Eigentum oder an Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen verletzt, durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten Dritter offenbart würden oder Informationen dem Statistikgeheimnis unterliegen, es sei denn, die Betroffenen haben eingewilligt, die Offenbarung ist durch Rechtsvorschrift erlaubt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 6 LTranspG sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03, 1 BvR 21 BvR 2111/03 –, juris, Rn. 87; BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 20 F 13/10 –, juris, Rn. 17 m.w.N.; Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2/09 –, juris, Rn. 50; Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18/08 –, juris, Rn. 12; OVG RP, Urteil vom 12. März 2015 – 10 A 10472/14 –, juris, Rn. 38; Urteil vom 10. Juni 2016 – 10 A 10878/15 –, juris, Rn. 51).

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b. Während Betriebsgeheimnisse vornehmlich technisches Wissen betreffen, zielen Geschäftsgeheimnisse auf den Schutz kaufmännischen Wissens. Sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können oder die Rückschlüsse auf diese zulassen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kostenkalkulation, Vertragsunterlagen, Patentanmeldungen sowie sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03, 1 BvR 21 BvR 2111/03 –, juris, Rn. 87, 89; BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 20 F 11/13 –, juris, Rn. 9; Beschluss vom 8. Februar 2011 – 20 F 13/10 –, juris, Rn. 17; Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2/09 –, juris, Rn. 50, 55; OVG RP, Urteil vom 12. März 2015 – 10 A 10472/14 –, juris, Rn. 38).

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c. Die hier begehrten Kalkulationsgrundlagen stellen damit im Grundsatz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen dar, da diesen Zahlenwerken eine wesentliche Bedeutung für deren wirtschaftlichen Verhältnisse zukommt. Stationäre Pflegeeinrichtungen stellen ihren Bewohnern für die Aufnahme in die Einrichtung, die Pflegeleistungen, die Verpflegung etc. nicht einen einheitlichen (regulierten) Preis in Rechnung. Vielmehr setzt sich das Entgelt für die Leistungen einer stationären Pflegeeinrichtung, welches die Bewohner – oder im Falle deren Mittellosigkeit der Sozialhilfeträger – zu bezahlen haben, aus verschiedenen Positionen zusammen. Dies sind neben dem Pflegesatz, welcher die Pflegeleistungen der Einrichtung abdeckt, die Positionen Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten. Die Position Investitionskosten deckt diejenigen Aufwendungen der Träger ab, welche für die Anschaffung der Gebäude, des Inventars, der Kraftfahrzuge und der weiteren Betriebseinrichtungen erforderlich waren. Die Höhe dieser Investitionskosten richtet sich nicht allein nach den Aufwendungen des Betreibers der stationären Pflegeeinrichtung. Sie hängt auch davon ab, ob der Träger in der Vergangenheit bereits eine Förderung nach § 9 SGB XI erhalten hat.

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d. Nach § 9 SGB XI tragen die Länder die Verantwortung für die „Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur“. Zu diesem Zweck wurden in der Vergangenheit offenbar in Rheinland-Pfalz in einer Mehrzahl von Fällen Pflegeeinrichtungen Zuschüsse zu den Investitionskosten gewährt. Einrichtungen, die eine solche Förderung erhalten haben, benötigen für die Abrechnung der gesondert berechenbaren Aufwendungen gegenüber dem Bewohner eine Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Stelle (§ 82 Abs. 3 SGB XI). Einrichtungen, die eine solche Förderung nicht erhalten haben, können dem Bewohner grundsätzlich den von ihnen errechneten Betrag ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde in Rechnung stellen. Sie müssen jedoch den Preisanteil „Investitionskosten“ anzeigen (§ 82 Abs. 4 SGB XI). Für sozialhilfeberechtigte Bewohner gibt es die Möglichkeit einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3, 5 SGB XII. Bei den „nichtgeförderten“ Einrichtungen können diejenigen Beträge, die Selbstzahlern in Rechnung gestellt werden (§ 82 Abs. 4 SGB XI), von denjenigen, die mit dem Sozialhilfeträger vereinbart sind (§ 75 Abs. 3, 5 SGB XII), abweichen.

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3. Die zuvor genannten Konstellationen bedingen demnach geradezu unterschiedliche Tarifgestaltungen und betreffen somit zugleich grundsätzlich eine Vielzahl von Geschäftsgeheimnissen im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 1 LTranspG.

48

a. Diese Geschäftsgeheimnisse sind auch nicht offenkundig und somit auch nicht aus diesem Grund vom Anspruch auf Transparenz ausgenommen. Offenkundigkeit liegt zwar nicht erst dann vor, wenn die Information allgemein bekannt ist, sondern bereits dann, wenn sie sich außerhalb des Unternehmens befindet und für Dritte leicht zugänglich ist. Ein Geschäftsgeheimnis ist in diesem Zusammenhang dann anzunehmen, wenn die Information nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist (vgl. hierzu etwa Kloepfer/Greve, Das Informationsfreiheitsgesetz und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, NVwZ 2011, 577 <581>). Diese Begrenzung ist nicht strikt quantitativ zu verstehen, vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es kommt darauf an, ob der Unternehmer die Kontrolle über die Informationen behält (Kloepfer/Greve, a.a.O.). Allerdings dürfen dabei keine überzogenen Anforderungen an die Kontrollmöglichkeit gestellt werden. So ist zu beachten, dass der Unternehmer ohnehin niemals eine vollständige Kontrolle über den Umgang mit betriebsbezogenen Informationen hat. So könnte beispielsweise auch ein Mitarbeiter des Unternehmers eine Information (etwa nach Austritt aus dem Unternehmen) unbefugt weitergeben (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2006 – I ZR 126/03 –, GRUR 2006, 1044 <1045>).

49

b. Vorliegend werden die Informationen an alle potentiellen Bewohner der Einrichtung weitergegeben. Diese können über diese Information grundsätzlich frei verfügen. Eine Beschränkung der Möglichkeit einer Weitergabe besteht nicht. Dabei wäre auch noch der tatsächliche Umgang mit den offenbarten Informationen in den Blick zu nehmen. Der Kammer liegen keine Informationen vor, dass die Informationen von den potentiellen Bewohnern der Einrichtung tatsächlich Dritte offengelegt werden. Die Klägerin zu 1) müsste vielmehr erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die begehrten Informationen zu erlangen. In diesem Fall ist eine Offenkundigkeit auszuschließen (Kloepfer/Greve, a.a.O.; BayObLG, Urteil vom 28. August 1990 – RReg 4 St 250/89 –, NJW 1991, 438 <439>).

50

c. Soweit Verwaltungsgerichte im Bereich des Lebensmittelrechts Informationen als offenkundig betrachteten, da jeder Marktteilnehmer eine entsprechende biochemische Analyse durchführen lassen könnte (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 18. Juli 2006, 5 A 383/05; VG Ansbach, Urteil vom 26. November 2009, 16 K 08.01750,– jeweils bei juris), vermag dies nicht zu einer anderen Bewertung zu führen. Die fraglichen Lebensmittel konnten tatsächlich von jeder – auch fachkundigen – Person im Lebensmitteleinzelhandel erworben werden. Der Hersteller hatte also keinen Einfluss mehr darauf, welcher Person ihr Produkt unmittelbar zugänglich wurde. In den hier in Betracht zu ziehenden Vertragskonstellationen werden die Informationen jedoch von vorneherein nur an Personen im Sinne von § 3 Abs. 3 WBVG weitergegeben. Gegenüber sonstigen Interessenten braucht die Information gerade nicht bekanntgemacht zu werden, so dass sich die Kläger in treuwidriger Handlungsweise als Verbraucher im Sinne des WBVG gerieren müssten, um an die entsprechenden Daten zu gelangen.

51

d. An der fehlenden Offenkundigkeit ändern auch die benannten Veröffentlichungen im Internet nichts. Denn wie die Kläger plausibel vorgetragen haben, ist schon unklar, ob die Informationen richtig und umfassend sind (vgl. auch OVG RP, Urteil vom 28. September 2016 – 8 A 10342/16 –, BeckRS 2016, 52851 Rn. 32). Schließlich werden die von dem Beklagten genannten Websites von externen Anbietern betrieben.

52

4. § 16 Abs. 1 Satz 1 LTranspG sieht vor, dass eine Versagung wegen Schutzes der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nur ausgeschlossen ist, wenn keine Einwilligung vorliegt, eine Rechtsvorschrift die Veröffentlichung erlaubt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

53

a. Vorliegend handelt es sich nach Maßgabe der vorherigen Ausführungen um Geschäftsgeheimnisse. Ob vorliegend das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt, kann derzeit indessen nicht abschließend entschieden werden (§ 113 Abs. 5 VwGO), da erst nach Einbeziehung der Geheimnisträger eine abwägungsgerechte Entscheidung möglich ist. Die Begründung des Beklagten ist daher hinsichtlich der Frage des überwiegenden Interesses bisher nicht ausreichend, da insbesondere nicht versucht worden ist, eine Einwilligung der Betroffenen zu erreichen. Dies wäre nach den Vorgaben des LTranspG vor einer Interessenabwägung und Entscheidung jedoch Verpflichtung des Beklagten gewesen. Gemäß § 13 Abs. 1 LTranspG gibt die transparenzpflichtige Stelle Dritten, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben können. Ein Ermessen sieht das LTranspG insofern nicht vor, der Beklagte kann aber im Falle der Nichtbeantwortung nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 LTranspG verfahren. Er kann sich jedoch nicht darauf berufen, dass es einen unverhältnismäßigen Aufwand im Sinne von § 12 Abs. 2 LTranspG bedeute, bei den Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz anzufragen, ob diese einwilligten. Zwar müssten etwa 500 Einrichtungen angeschrieben werden, dies könnte jedoch mit Hilfe einer Serienbriefverarbeitung und tabellarischer Aufarbeitung in (noch) zumutbarer Zeit vorgenommen werden können. Eine entsprechende Einschränkung läge wiederum in der Zuständigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers.

54

b. Auch § 35 Abs. 1 SGB I steht einem solchen Vorgehen nicht grundsätzlich entgegen. Das Sozialgeheimnis erfasst zwar nach § 35 Abs. 4 SGB I auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Hierunter sind etwa auch Daten wie Kalkulationsgrundlagen sowie die Berechnung von Sach- und Personalkosten zu verstehen (Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 92 EL, 2016, § 35 SGB I, Rn. 7a). Allerdings verbietet § 35 Abs. 1 SGB I allein die unbefugte Weitergabe. Würde eine Einwilligung nach § 13 Abs. 1 LTranspG erteilt, so wäre die Weitergabe der Daten nicht unbefugt (vgl. LSG BW, Urteil vom 24. Juli 2015 – L 8 U 633/15 –, BeckRS 2015, 70794; LSG Bln-Bbg, Urteil vom 27. Januar 2015 – L 14 AL 84/11 –, BeckRS 2016, 69934). Insbesondere ist aber auch die Zielrichtung des LTranspG eine andere, so dass ein nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LTranspG abgewogener Auskunftsanspruch ebenfalls keine unbefugte Weitergabe der Daten darstellen kann.

55

c. Bei der Beurteilung des Anspruchs nach dem LTranspG sind die §§ 1 LVwVfG i.V.m. 29 VwVfG sowie § 25 SGB X zudem nicht vorrangig. Für § 29 VwVfG ergibt sich dies unmittelbar aus § 2 Abs. 3 LTranspG. Auch § 25 SGB X ist keine vorrangige Norm im Sinne des § 2 Abs. 3 LTranspG. Nach Sinn und Zweck der Regelung sollen nur solche Spezialgesetze Vorrang vor den Regelungen des LTranspG haben, die einen sachlich identischen Regelungsgehalt haben. Neben der Informationsgewährung muss die Norm also typischerweise und nicht bloß im Einzelfall den Zugang zu Informationen regeln (zum IFG des Bundes etwa: VG Köln, Urteil vom 1. Dezember 2016 – 13 K 2824/15 –, BeckRS 2016, 109910). Dagegen dient § 25 SGB X der Gewährung rechtlichen Gehörs sowie effektiven Rechtsschutzes (vgl. Mutschler in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 92 EL, 2016, § 25 Rn. 2f.). Überdies gilt § 25 SGB X im Rahmen eines laufenden Verwaltungsverfahrens, während sich das LTranspG grundsätzlich auf abgeschlossene Verwaltungsverfahren beschränkt (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 11 LTranspG und § 15 Abs. 1 Nr. 1 LTranspG).

56

d. Auch ist der Anspruch nicht wegen Missbrauchs im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 12 LTranspG ausgeschlossen. Missbrauch läge insbesondere vor, wenn es dem Antragsteller primär darum ginge, personelle Kräfte der transparenzpflichtigen Stelle zu binden (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016, 7 C 7/14, NVwZ 2016, 1814, 1816). Hierfür bestehen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin zu 1) bereits über einen Teil der Informationen verfügt. Eine Nutzung außerhalb des Mandatsverhältnisses würde voraussetzen, dass die Klägerin die Daten offiziell, aber gerade auch außerhalb eines Mandatsverhältnisses erlangte. Andernfalls unterfallen die Daten weiterhin dem Geheimnisschutz (HessVGH, Urteil vom 29. November 2013 – 6 A 1426/13 –, juris).

57

e. Schließlich ist der Anspruch auch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LTranspG ausgeschlossen, wonach die Veröffentlichung unterbleiben soll, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen würde. Die Berufung des Beklagten auf Rechtsprechung zum Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2015 – 8 A 2429/14 –, juris) greift nach Maßgabe des Landesrechtes Rheinland-Pfalz in der vorliegenden Konstellation nicht durch. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LTranspG stellt hinreichend klar, welche Arten von Gefahren („insbesondere die Tätigkeit der Polizei, der sonstigen für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden“) im Schwerpunkt Zielrichtung der gesetzgeberischen Einschränkung hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit waren. Sicherheitsrelevante Informationen sollen zum Schutz der Allgemeinheit und von Individuen im Regelfall nicht veröffentlicht werden; Investitionskosten von stationären Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz zählen hierzu indessen nicht. Es ist insofern auch nicht der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Aufsichtsbehörde im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 LTranspG betroffen.

58

Die angefochtenen Bescheide waren nach alledem zur Neubescheidung aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), die abschließende Abwägung auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 Satz 1 LTranspG kann demnach im Anschluss an das Verfahren nach § 13 Abs. 1 und 2 LTranspG erfolgen.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

60

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

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(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 des Zehnten Buches durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren.

(2) Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

(2a) Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(3) Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

(4) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen Sozialdaten gleich.

(5) Sozialdaten Verstorbener dürfen nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches verarbeitet werden. Sie dürfen außerdem verarbeitet werden, wenn schutzwürdige Interessen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen dadurch nicht beeinträchtigt werden können.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden neben den in Absatz 1 genannten Stellen auch Anwendung auf solche Verantwortliche oder deren Auftragsverarbeiter,

1.
die Sozialdaten im Inland verarbeiten, sofern die Verarbeitung nicht im Rahmen einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt, oder
2.
die Sozialdaten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeiten.
Sofern die Absätze 1 bis 5 nicht gemäß Satz 1 anzuwenden sind, gelten für den Verantwortlichen oder dessen Auftragsverarbeiter nur die §§ 81 bis 81c des Zehnten Buches.

(7) Bei der Verarbeitung zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

(1) Der Unternehmer hat den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in Textform und in leicht verständlicher Sprache über sein allgemeines Leistungsangebot und über den wesentlichen Inhalt seiner für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen zu informieren.

(2) Zur Information des Unternehmers über sein allgemeines Leistungsangebot gehört die Darstellung

1.
der Ausstattung und Lage des Gebäudes, in dem sich der Wohnraum befindet, sowie der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen, zu denen der Verbraucher Zugang hat, und gegebenenfalls ihrer Nutzungsbedingungen,
2.
der darin enthaltenen Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang,
3.
der Ergebnisse der Qualitätsprüfungen, soweit sie nach § 115 Absatz 1a Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder nach landesrechtlichen Vorschriften zu veröffentlichen sind.

(3) Zur Information über die für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen gehört die Darstellung

1.
des Wohnraums, der Pflege- oder Betreuungsleistungen, gegebenenfalls der Verpflegung als Teil der Betreuungsleistungen sowie der einzelnen weiteren Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang,
2.
des den Pflege- oder Betreuungsleistungen zugrunde liegenden Leistungskonzepts,
3.
der für die in Nummer 1 benannten Leistungen jeweils zu zahlenden Entgelte, der nach § 82 Absatz 3 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berechenbaren Investitionskosten sowie des Gesamtentgelts,
4.
der Voraussetzungen für mögliche Leistungs- und Entgeltveränderungen,
5.
des Umfangs und der Folgen eines Ausschlusses der Angebotspflicht nach § 8 Absatz 4, wenn ein solcher Ausschluss vereinbart werden soll.
Die Darstellung nach Satz 1 Nummer 5 muss in hervorgehobener Form erfolgen.

(4) Erfüllt der Unternehmer seine Informationspflichten nach den Absätzen 1 bis 3 nicht, ist § 6 Absatz 2 Satz 2 und 3 entsprechend anzuwenden. Weitergehende zivilrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bleiben unberührt.

(5) Die sich aus anderen Gesetzen ergebenden Informationspflichten bleiben unberührt.

(1) Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1.
eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie
2.
bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. Sie umfasst auch die Betreuung und, soweit bei stationärer Pflege kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, die medizinische Behandlungspflege. Für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen.

(2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.
Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,
2.
den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,
3.
Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,
4.
den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,
5.
die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.

(3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen sowie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt. Die Pauschalen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen stehen.

(4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

(5) Öffentliche Zuschüsse oder andere Unterstützungsmaßnahmen zu den laufenden Aufwendungen einer Pflegeeinrichtung (Betriebskostenzuschüsse), die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind von der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung abzuziehen, um Doppelfinanzierungen auszuschließen. Bei deren prospektiven Bemessung und Vereinbarung sind Betriebskostenzuschüsse im Sinne des Satzes 1 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für bereits vereinbarte Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Bezuschussung; die Vertragsparteien haben dazu eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen. § 115 Absatz 3 Satz 3 bis 6 findet entsprechend Anwendung. Die Pflegeeinrichtungen haben eine Pflegekasse als Partei der Pflegevergütungsvereinbarung unaufgefordert über Betriebskostenzuschüsse in Kenntnis zu setzen.

Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung

1.
der Pflegebedürftigen bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder
2.
der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen.

(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2.
Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung,
3.
Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten,
3a.
Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder europäischen niedergelassenen Rechtsanwälten oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit,
4.
Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
5.
Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
6.
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder
7.
Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1.
Amtsträger oder Europäischer Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
4.
Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates,
5.
öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder
6.
Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.

(2a) (weggefallen)

(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm bei der Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Tätigkeit als mitwirkende Person oder als bei den in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen tätiger Datenschutzbeauftragter bekannt geworden ist. Ebenso wird bestraft, wer

1.
als in den Absätzen 1 und 2 genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind,
2.
als im Absatz 3 genannte mitwirkende Person sich einer weiteren mitwirkenden Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, bedient und nicht dafür Sorge getragen hat, dass diese zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, oder
3.
nach dem Tod der nach Satz 1 oder nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichteten Person ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das er von dem Verstorbenen erfahren oder aus dessen Nachlass erlangt hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.

(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung

1.
der Pflegebedürftigen bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder
2.
der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen.

(1) Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1.
eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie
2.
bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. Sie umfasst auch die Betreuung und, soweit bei stationärer Pflege kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, die medizinische Behandlungspflege. Für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen.

(2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.
Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,
2.
den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,
3.
Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,
4.
den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,
5.
die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.

(3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen sowie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt. Die Pauschalen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen stehen.

(4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

(5) Öffentliche Zuschüsse oder andere Unterstützungsmaßnahmen zu den laufenden Aufwendungen einer Pflegeeinrichtung (Betriebskostenzuschüsse), die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind von der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung abzuziehen, um Doppelfinanzierungen auszuschließen. Bei deren prospektiven Bemessung und Vereinbarung sind Betriebskostenzuschüsse im Sinne des Satzes 1 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für bereits vereinbarte Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Bezuschussung; die Vertragsparteien haben dazu eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen. § 115 Absatz 3 Satz 3 bis 6 findet entsprechend Anwendung. Die Pflegeeinrichtungen haben eine Pflegekasse als Partei der Pflegevergütungsvereinbarung unaufgefordert über Betriebskostenzuschüsse in Kenntnis zu setzen.

Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung

1.
der Pflegebedürftigen bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder
2.
der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen.

(1) Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1.
eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie
2.
bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. Sie umfasst auch die Betreuung und, soweit bei stationärer Pflege kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, die medizinische Behandlungspflege. Für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen.

(2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.
Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,
2.
den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,
3.
Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,
4.
den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,
5.
die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.

(3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen sowie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt. Die Pauschalen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen stehen.

(4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

(5) Öffentliche Zuschüsse oder andere Unterstützungsmaßnahmen zu den laufenden Aufwendungen einer Pflegeeinrichtung (Betriebskostenzuschüsse), die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind von der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung abzuziehen, um Doppelfinanzierungen auszuschließen. Bei deren prospektiven Bemessung und Vereinbarung sind Betriebskostenzuschüsse im Sinne des Satzes 1 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für bereits vereinbarte Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Bezuschussung; die Vertragsparteien haben dazu eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen. § 115 Absatz 3 Satz 3 bis 6 findet entsprechend Anwendung. Die Pflegeeinrichtungen haben eine Pflegekasse als Partei der Pflegevergütungsvereinbarung unaufgefordert über Betriebskostenzuschüsse in Kenntnis zu setzen.

(1) Pflegesätze sind die Entgelte der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger für die teil- oder vollstationären Pflegeleistungen des Pflegeheims sowie für die Betreuung und, soweit kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, für die medizinische Behandlungspflege. In den Pflegesätzen dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden, die nicht der Finanzierungszuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung unterliegen.

(2) Die Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein. Sie sind nach dem Versorgungsaufwand, den der Pflegebedürftige nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit benötigt, entsprechend den fünf Pflegegraden einzuteilen. Davon ausgehend sind bei vollstationärer Pflege nach § 43 für die Pflegegrade 2 bis 5 einrichtungseinheitliche Eigenanteile zu ermitteln; dies gilt auch bei Änderungen der Leistungsbeträge. Die Pflegesätze müssen einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos. Überschüsse verbleiben dem Pflegeheim; Verluste sind von ihm zu tragen. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist zu beachten. Bei der Bemessung der Pflegesätze einer Pflegeeinrichtung können die Pflegesätze derjenigen Pflegeeinrichtungen, die nach Art und Größe sowie hinsichtlich der in Absatz 5 genannten Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Wesentlichen gleichartig sind, angemessen berücksichtigt werden.

(3) Die Pflegesätze sind für alle Heimbewohner des Pflegeheimes nach einheitlichen Grundsätzen zu bemessen; eine Differenzierung nach Kostenträgern ist unzulässig.

(4) Mit den Pflegesätzen sind alle für die Versorgung der Pflegebedürftigen nach Art und Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit erforderlichen Pflegeleistungen der Pflegeeinrichtung (allgemeine Pflegeleistungen) abgegolten. Für die allgemeinen Pflegeleistungen dürfen, soweit nichts anderes bestimmt ist, ausschließlich die nach § 85 oder § 86 vereinbarten oder nach § 85 Abs. 5 festgesetzten Pflegesätze berechnet werden, ohne Rücksicht darauf, wer zu ihrer Zahlung verpflichtet ist.

(5) In der Pflegesatzvereinbarung sind die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale der Einrichtung festzulegen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Zuordnung des voraussichtlich zu versorgenden Personenkreises sowie Art, Inhalt und Umfang der Leistungen, die von der Einrichtung während des nächsten Pflegesatzzeitraums erwartet werden,
2.
die von der Einrichtung für den voraussichtlich zu versorgenden Personenkreis individuell vorzuhaltende personelle Ausstattung, gegliedert nach Berufsgruppen, sowie
3.
Art und Umfang der Ausstattung der Einrichtung mit Verbrauchsgütern (§ 82 Abs. 2 Nr. 1).

(6) Der Träger der Einrichtung ist verpflichtet, mit der vereinbarten personellen Ausstattung die Versorgung der Pflegebedürftigen jederzeit sicherzustellen. Er hat bei Personalengpässen oder -ausfällen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Versorgung der Pflegebedürftigen nicht beeinträchtigt wird. Auf Verlangen einer Vertragspartei hat der Träger der Einrichtung in einem Personalabgleich nachzuweisen, dass die vereinbarte Personalausstattung tatsächlich bereitgestellt und bestimmungsgemäß eingesetzt wird. Das Nähere zur Durchführung des Personalabgleichs wird in den Verträgen nach § 75 Abs. 1 und 2 geregelt.

(7) Der Träger der Einrichtung ist ab dem 1. September 2022 verpflichtet, die bei der Vereinbarung der Pflegesätze zugrunde gelegte Bezahlung der Gehälter nach § 82c Absatz 1 oder Absatz 2a und der Entlohnung nach § 82c Absatz 2 jederzeit einzuhalten und auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt in Richtlinien bis zum 1. Juli 2022 das Nähere zur Durchführung des Nachweises nach Satz 1 fest. Dabei ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe zu beteiligen; den Bundesvereinigungen der Träger von Pflegeeinrichtungen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 72 Absatz 3c Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(8) Vergütungszuschläge sind abweichend von Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 sowie unter entsprechender Anwendung des Absatzes 2 Satz 1 und 5, des Absatzes 7 und des § 87a zusätzliche Entgelte zur Pflegevergütung für die Leistungen nach § 43b. Der Vergütungszuschlag ist von der Pflegekasse zu tragen und von dem privaten Versicherungsunternehmen im Rahmen des vereinbarten Versicherungsschutzes zu erstatten; § 28 Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden. Mit den Vergütungszuschlägen sind alle zusätzlichen Leistungen der Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen abgegolten. Pflegebedürftige dürfen mit den Vergütungszuschlägen weder ganz noch teilweise belastet werden.

(9) Vergütungszuschläge sind abweichend von Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 sowie unter entsprechender Anwendung des Absatzes 2 Satz 1 und 5, des Absatzes 7 und des § 87a zusätzliche Entgelte zur Pflegevergütung für die Unterstützung der Leistungserbringung durch zusätzliches Pflegehilfskraftpersonal in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Der Vergütungszuschlag ist von der Pflegekasse zu tragen und von dem privaten Versicherungsunternehmen im Rahmen des vereinbarten Versicherungsschutzes zu erstatten; § 28 Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden. Pflegebedürftige dürfen mit den Vergütungszuschlägen weder ganz noch teilweise belastet werden.

(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.

(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.

(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit

1.
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist,
2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt,
3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten,
4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
Die allgemeinen Grundsätze der Absätze 1 bis 4 und 6 sowie die Vorschriften zum Inhalt der Vereinbarung (§ 76), zur Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung (§ 77a), zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung (§ 78), zur Kürzung der Vergütung (§ 79) und zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung (§ 79a) gelten entsprechend.

(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.

(1) Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1.
eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie
2.
bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. Sie umfasst auch die Betreuung und, soweit bei stationärer Pflege kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, die medizinische Behandlungspflege. Für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen.

(2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.
Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,
2.
den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,
3.
Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,
4.
den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,
5.
die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.

(3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen sowie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt. Die Pauschalen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen stehen.

(4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

(5) Öffentliche Zuschüsse oder andere Unterstützungsmaßnahmen zu den laufenden Aufwendungen einer Pflegeeinrichtung (Betriebskostenzuschüsse), die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind von der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung abzuziehen, um Doppelfinanzierungen auszuschließen. Bei deren prospektiven Bemessung und Vereinbarung sind Betriebskostenzuschüsse im Sinne des Satzes 1 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für bereits vereinbarte Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Bezuschussung; die Vertragsparteien haben dazu eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen. § 115 Absatz 3 Satz 3 bis 6 findet entsprechend Anwendung. Die Pflegeeinrichtungen haben eine Pflegekasse als Partei der Pflegevergütungsvereinbarung unaufgefordert über Betriebskostenzuschüsse in Kenntnis zu setzen.

Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung

1.
der Pflegebedürftigen bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder
2.
der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen.

Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, begehrt die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG, hilfsweise die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG.

2

Die 1966 geborene Klägerin reiste Mitte 2000 im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland ein und erhielt wegen ihrer Ehe mit einem türkischen Staatsangehörigen eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt im August 2005 - trotz zwischenzeitlicher Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft - nach § 30 AufenthG bis zum 1. August 2007 verlängert wurde.

3

Seit Juni 2004 steht die Klägerin bei der L. GmbH als Raumpflegerin in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis. Hierbei handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung, für die sie zunächst durchschnittlich rund 180 € monatlich bezog. Nach dem erstmalig im November 2007 schriftlich abgefassten Arbeitsvertrag betrug die Wochenarbeitszeit 5 1/2 Stunden. Im Mai 2008 wurde das Arbeitsverhältnis auf 10 Wochenstunden zu einem pauschalen Monatslohn in Höhe von 400 € erweitert.

4

Ab September 2004 bezog die Klägerin ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und ab Januar 2005 ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Außerdem wurden ab Juli 2007 die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung übernommen, weil sie nicht mehr familienversichert war. Im Mai 2008 wurden sämtliche Leistungen eingestellt.

5

Im August 2007 beantragte die Klägerin die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Februar 2008 ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an. Zur Begründung ist ausgeführt, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG scheitere daran, dass der Lebensunterhalt der Klägerin nicht gesichert sei. Die Klägerin besitze auch kein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht.

6

Das Verwaltungsgericht holte in dieser Sache eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 ein. Der Gerichtshof beantwortete die Vorlagefragen mit Urteil vom 4. Februar 2010 - Rs. C-14/09 - (NVwZ 2010, 367). Mit Urteil vom 2. Juli 2010 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG auszustellen. Zur Begründung führte es aus: Die Klägerin habe bei Ablauf der Geltungsdauer der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis im August 2007 aufgrund ihrer Beschäftigung bei der L. GmbH eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 innegehabt, die ihr weiterhin zustehe.

7

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 30. März 2011 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin könne sich inzwischen auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 berufen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Klägerin Arbeitnehmerin. Ihre Beschäftigung bei der L. GmbH stelle bei der europarechtlich gebotenen Gesamtbewertung eine tatsächliche und echte Tätigkeit dar, die trotz des geringen Umfangs und des ergänzenden Bezugs öffentlicher Leistungen nicht völlig untergeordnet und unwesentlich sei. Das Verhalten der Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie habe erst nach der Trennung von ihrem Ehemann und mehr als vier Jahre nach der Einreise öffentliche Mittel beantragt. Einem türkischen Arbeitnehmer dürfe nicht vorgehalten werden, dass er ergänzende öffentliche Mittel in Anspruch nehme, obwohl er seinen Lebensunterhalt bei weiteren Arbeitsbemühungen vollständig bestreiten könnte. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des beanspruchten Aufenthaltsrechts lägen ebenfalls vor. Der Aufenthalt der Klägerin sei in formeller und materieller Hinsicht legal gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass sie bei der letzten Verlängerung über den Aufenthaltszweck oder in sonstiger Weise getäuscht habe. Außerdem hätte sie, selbst wenn die Aufenthaltserlaubnis seinerzeit nach § 31 AufenthG verlängert worden wäre, ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 erworben und verfestigt.

8

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er ist der Auffassung, das Beschäftigungsverhältnis bei der L. GmbH begründe keine Arbeitnehmereigenschaft, da es vor Ablauf der Gültigkeit der der Klägerin zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis und auch noch bei Antragsablehnung völlig untergeordnet und unwesentlich gewesen sei. Das Berufungsgericht habe weder den geringen Arbeitsumfang und den überwiegenden Bezug öffentlicher Leistungen noch die Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchs ausreichend in den Blick genommen.

9

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg (§ 144 Abs. 2 VwGO). Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und damit im Ergebnis die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, die den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids zur Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG verpflichtet hat. Die Klägerin hat nach dieser Bestimmung einen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis, da ihr im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (1.) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, 3. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ANBA 1981 S. 4) - ARB Nr. 1/80 - zusteht (2.).

11

1. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Leitsatz 3 und Rn. 37 ff.). Nichts anderes gilt für das im vorliegenden Verfahren verfolgte Verpflichtungsbegehren auf Ausstellung einer (deklaratorischen) Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG zum Nachweis eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854), zugrunde zu legen. Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier einschlägigen Bestimmungen aber nicht geändert.

12

2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nach § 4 Abs. 5 AufenthG einen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Denn die Klägerin kann sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (30. März 2011) auf ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, 3. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 berufen.

13

Nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht, weiterhin eine unselbständige Erwerbstätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber auszuüben (1. Spiegelstrich). Nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung hat er grundsätzlich das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl zu bewerben (2. Spiegelstrich). Nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung hat er freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (3. Spiegelstrich). Türkische Staatsangehörige, die sich auf die in Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 vorgesehenen Rechte berufen wollen, müssen mithin drei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen Arbeitnehmer sein, dem regulären Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat angehören und dort - über einen gewissen Zeitraum - einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgehen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Rs. C-14/09, Genc - Slg. 2010, I-00931 Rn. 16).

14

Die Rechte, die türkischen Arbeitnehmern nach dieser Bestimmung in einer nach der Dauer einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis abgestuften Weise vermittelt werden, sollen dazu beitragen, ihre Situation im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise zu festigen (EuGH, Urteil vom 29. September 2011 - Rs. C-187/10, Unal - NVwZ 2012, 31 Rn. 28). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) erwachsen einem türkischen Arbeitnehmer, der die in Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 genannten Voraussetzungen erfüllt, daher nicht nur beschäftigungsrechtliche Ansprüche, sondern setzt die praktische Wirksamkeit dieser Ansprüche zwangsläufig das Bestehen eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus (Urteil vom 24. Januar 1995 - BVerwG 1 C 2.94 - BVerwGE 97, 301 <304 f.> m.w.N. aus der Rspr des EuGH).

15

2.1 Die Klägerin ist Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80. Dieser Begriff ist unionsrechtlich auszulegen. Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut von Art. 12 des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei und Art. 36 des am 23. November 1970 unterzeichneten Zusatzprotokolls sowie aus dem Zweck des Beschlusses Nr. 1/80 hergeleitet, dass die im Rahmen der Art. 48 und 49 EG-Vertrag (später: Art. 39 und 40 EG; inzwischen: Art. 45 und 46 AEUV) sowie des Art. 50 EG-Vertrag (später: Art. 41 EG; inzwischen: Art. 47 AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden müssen. Dem Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Art. 45 AEUV (ex Art. 39 EG) kommt im Unionsrecht eine autonome Bedeutung zu. Er darf nicht eng ausgelegt werden und ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Arbeitnehmer ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung ausübt und hierfür eine Vergütung erhält, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (stRspr, vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 13.00 - NVwZ 2001, 333; EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 17 und 19 jeweils m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EuGH, die dieser in der vom Verwaltungsgericht eingeholten Vorabentscheidung nochmals erläutert hat, bedarf es hierzu einer Gesamtbewertung, die anhand aller ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Aspekte zu treffen ist. Diese Beurteilung fällt in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Denn diese verfügen allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und sind am besten in der Lage, die erforderlichen Prüfungen vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 26 f.).

16

Nach den im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin seit Mitte Juni 2004 entgeltlich für dasselbe Unternehmen als Raumpflegerin tätig. Damit liegen die Grundmerkmale eines Arbeitsverhältnisses vor, nämlich ein Abhängigkeitsverhältnis und die Zahlung einer Vergütung als Gegenleistung für die von der Klägerin erbrachten Leistungen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 19). Der Arbeitnehmereigenschaft steht - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht entgegen, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine geringfügige Beschäftigung handelt, für die die Klägerin bei einer anfänglichen Wochenarbeitszeit von 5 1/2 Stunden als Entlohnung zunächst im Durchschnitt nur etwa 180 € im Monat erhielt. Hiermit konnte die Klägerin nicht ohne Inanspruchnahme erheblicher öffentlicher Mittel ihren Lebensunterhalt bestreiten. Vorübergehend musste der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Wegfall der Familienversicherung auch für die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aufkommen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entsprach die vereinbarte Bezahlung allerdings von Anfang an dem Tariflohn. Außerdem bestand nach dem im November 2007 nachträglich unterzeichneten Arbeitsvertrag ein (tarifvertraglicher) Anspruch auf 125 € Urlaubsgeld und 28 Tage Urlaub sowie auf Lohnfortzahlung. Ab Mai 2008 wurde die Wochenarbeitszeit zudem auf 10 Stunden erhöht und das Beschäftigungsverhältnis zu einem pauschalen Monatslohn in Höhe von 400 € fortgesetzt.

17

Diese nachträgliche Erweiterung des Arbeitsumfangs ist bei der Frage, ob die Klägerin Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 ist, mit zu berücksichtigen, da bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Beschäftigungsverhältnisses auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (30. März 2011) und nicht - wie der Beklagte meint - auf die Verhältnisse bei Ablauf der Geltungsdauer der der Klägerin zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis oder bei Ablehnung ihres Verlängerungsantrags abzustellen ist. Bei der Arbeitnehmereigenschaft handelt es sich um ein - gegenüber den weiteren Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 - eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Dieses setzt keinen legalen Aufenthalt voraus, sondern knüpft an die konkret ausgeübte Tätigkeit an und erfordert - unabhängig von der Zugehörigkeit des Betroffenen zum regulären Arbeitsmarkt und der Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung (vgl. dazu nachfolgend 2.2 und 2.3) - eine an arbeitsrechtlichen Maßstäben ausgerichtete Bewertung des Beschäftigungsverhältnisses. Dabei ist jedenfalls in Fällen, in denen die Betroffene - wie hier - über einen längeren Zeitraum ohne Unterbrechung und qualitative Änderungen für ein Unternehmen tätig war, das Beschäftigungsverhältnis in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen und anhand der vom EuGH bezeichneten Kriterien zu würdigen. Diese Würdigung ergibt, dass die Klägerin in der Rückschau mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der L. GmbH zur Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 wurde und es im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz weiterhin ist.

18

Zu Recht ist das Berufungsgericht bei der Bewertung der von der Klägerin bei der L. GmbH ausgeübten Tätigkeit als Raumpflegerin davon ausgegangen, dass der geringen Wochenarbeitszeit von anfänglich 5 1/2 Stunden (ab Mai 2008 wurde die Wochenarbeitszeit allerdings auf 10 Stunden erhöht) nur indizielle Bedeutung zukommt. Dass ein Beschäftigter einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht und seinen Lebensunterhalt nicht mit den Einnahmen aus einer solchen Tätigkeit bestreiten kann, hindert nach der Rechtsprechung des EuGH nicht, ihn dennoch als Arbeitnehmer anzusehen. Der Umstand, dass im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, kann zwar ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit nur untergeordnet und unwesentlich ist. Den Entscheidungen des EuGH ist aber keine absolute Grenze in Bezug auf die Arbeitszeit zu entnehmen, unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft generell oder zumindest regelmäßig verneint werden muss. Auch weist der EuGH ausdrücklich darauf hin, dass weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch der Umstand, dass der Betreffende ergänzend auf eine aus öffentlichen Mitteln gezahlte finanzielle Unterstützung angewiesen ist, irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts haben kann (Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 20 und 25 f. m.w.N.). Von daher findet die Auffassung des Beklagten, eine Beschäftigung gelte regelmäßig als völlig untergeordnet und unwesentlich, wenn durch sie weder wenigstens die Hälfte des Lebensunterhalts bestritten werden könne noch die Arbeitszeit wenigstens dem Umfang eines vollen Arbeitstags eines tarifvertraglich Vollbeschäftigten entspreche, schon im Ansatz keine Stütze in der Rechtsprechung des EuGH.

19

Der Annahme einer tatsächlichen und echten Tätigkeit, die sich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt, steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem von der Klägerin eingegangenen Arbeitsverhältnis um ein sozialversicherungsfreies geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass derartige Beschäftigungsverhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt weit verbreitet und in bestimmten Branchen - wie dem Reinigungsgewerbe - geradezu typisch sind. Dem Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass die im vorliegenden Fall anfänglich vereinbarte Arbeitszeit von 5 1/2 Wochenarbeitsstunden auch für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis eher niedrig war. Bei der gebotenen Gesamtbewertung sind nach der Rechtsprechung des EuGH neben der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und der Höhe der Vergütung hier aber auch die weitere Ausgestaltung und die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 20 ff.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin bereits seit Juni 2004 (im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht also seit fast sieben Jahren) ohne Unterbrechung oder Kündigung als Raumpflegerin bei der L. GmbH tätig. Zudem wurde die Beschäftigung im Mai 2008 auf 10 Wochenstunden erweitert und auf 400 €-Basis fortgeführt. Im Übrigen erhielt sie als Gegenleistung von Anfang an den tariflichen Arbeitslohn und weitere tarifvertragliche Vergünstigungen.

20

Bei dieser Sachlage stellt sich die von der Klägerin bei der L. GmbH ausgeübte Tätigkeit in der Rückschau schon mit Blick auf die Dauer und die der Klägerin vertraglich eingeräumten Ansprüche nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich dar, auch wenn die wöchentliche Arbeitszeit zunächst nur 5 1/2 Stunden umfasste. Dies würde nach Auffassung des Senats im Übrigen selbst dann gelten, wenn man - wie der Beklagte meint - entgegen der obigen Ausführungen bei der Bewertung der Tätigkeit nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer der der Klägerin zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis oder der Ablehnung ihres Antrags abstellen würde. Denn auch bei einer auf diese früheren Zeitpunkte bezogenen Beurteilung war das Beschäftigungsverhältnis nach Umfang, Dauer und seiner konkreten Ausgestaltung nicht von so geringem Umfang, dass es sich bei wertender Betrachtung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellte.

21

Der vom Beklagten angeführte Missbrauchsgedanke steht der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls nicht entgegen. Die Klägerin ist nicht in das Bundesgebiet eingereist, um hier öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Sie kam im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland und wurde zunächst von ihrem Ehemann unterhalten. Erst nach der Trennung von ihrem Ehemann und mehr als vier Jahre nach ihrer Einreise hat sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von September 2004 bis April 2008 ergänzende öffentliche Mittel in Anspruch genommen. Soweit der Beklagte darauf hinweist, die Klägerin habe vor Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis keinerlei ernsthafte und zielführende Anstrengungen nachgewiesen, auch nur eine geringe Aufstockung ihrer Beschäftigung zu erreichen, steht dies der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen. Liegen die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 vor, ist die Berufung auf ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht auch bei Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts grundsätzlich nicht missbräuchlich. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es primär Aufgabe des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist, unzureichenden Eigenbemühungen im Rahmen der sozialrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nach §§ 31 ff. SGB II zu begegnen.

22

2.2 Die Klägerin gehört im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland an. Für die Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats lokalisiert werden kann oder eine hinreichend enge Verknüpfung mit diesem Gebiet aufweist. Der Begriff "regulärer Arbeitsmarkt" stellt gegenüber dem weiteren Tatbestandsmerkmal der Ausübung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.3) während eines bestimmten Zeitraums keine zusätzlichen Voraussetzungen auf, sondern bezeichnet die Gesamtheit der Arbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise in sein Hoheitsgebiet und über die Beschäftigung nachkommen und somit das Recht haben, in diesem Staat eine Berufstätigkeit auszuüben (Urteil vom 19. September 2000 a.a.O.; EuGH, Urteil vom 26. November 1998 - Rs. C-1/97, Birden - Slg. 1998, I-7747 Rn. 33 und 51). Der Betroffene muss sich also legal im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und hier einer legalen Beschäftigung nachgehen.

23

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beschäftigung der Klägerin bei der L. GmbH weist keinerlei Verknüpfung mit einem anderen Staat auf und steht im Einklang mit den einschlägigen deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Unerheblich ist, dass die Klägerin nach Aktenlage im August 2007 möglicherweise erst wenige Tage nach Ablauf der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung beantragt hat und dieser Antrag vom Beklagten abgelehnt worden ist. Dabei kann dahinstehen, welche aufenthaltsrechtlichen Folgen eine verspätete Antragstellung nach nationalem Recht hat. Denn die Klägerin verfügte bereits bei Ablauf der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnis am 1. August 2007 auf Grund ihrer Tätigkeit bei der L. GmbH über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80. Sie war schon damals Arbeitnehmerin (vgl. vorstehend 2.1) und ging seit über 3 Jahren beim gleichen Arbeitgeber einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach (vgl. nachfolgend 2.3). Dieses Aufenthaltsrecht erlaubte der Klägerin die Fortführung ihrer Beschäftigung bei der L. GmbH. Schon aus diesem Grund gehörte sie auch nach dem 1. August 2007 weiterhin dem regulären Arbeitsmarkt an.

24

2.3 Zutreffend ist das Berufungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass sich die Klägerin nach einer im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht über vierjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung bei der L. GmbH inzwischen auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 berufen kann. Die Ordnungsmäßigkeit einer Beschäftigung setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus. Außerdem muss die Beschäftigung im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats stehen. Eine in diesem Sinne nur vorläufige Position kann sich namentlich aus verfahrensrechtlichen Vorschriften (etwa betreffend die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels) ergeben (Urteil vom 19. September 2000 a.a.O; EuGH, Urteil vom 30. September 1997 - Rs. C-98/96, Ertanir - Slg. 1997, I-05193 Rn. 47 ff. m.w.N.). Beschäftigungszeiten können folglich so lange nicht als ordnungsgemäß angesehen werden, wie nicht endgültig feststeht, dass dem Betroffenen während des fraglichen Zeitraums das Aufenthaltsrecht von Rechts wegen zustand (Urteil vom 19. September 2000 a.a.O; EuGH, Urteil vom 30. September 1997 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Auch Beschäftigungszeiten, die ein türkischer Arbeitnehmer während der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hat, die ihm nur aufgrund einer Täuschung der Behörden erteilt worden ist, beruhen nicht auf einer gesicherten Rechtsposition, sondern sind als in einer nur vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten, da ihm während dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (EuGH, Urteil vom 30. September 1997 a.a.O. Rn. 51 m.w.N.).

25

Der Annahme einer ordnungsgemäßen Beschäftigung über einen Zeitraum von vier Jahren steht nicht entgegen, dass die Geltungsdauer der der Klägerin zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf von vier Jahren nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses bei der L. GmbH endete. Da eine ordnungsgemäße Beschäftigung ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraussetzt, ist im Streit um das Bestehen eines aus Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrechts bei der Frage, wie lange der Betroffene einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgegangen ist, zunächst zu prüfen, ob der Betroffene bei Ablauf der Geltungsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels bereits über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügte. Fehlt es daran, kann er ein solches Aufenthaltsrecht nicht allein über eine vorläufige aufenthaltsrechtliche Rechtsposition während des laufenden Verfahrens erwerben. Ergibt die Inzidentprüfung hingegen, dass der Betroffene - wie hier - bei Ablauf der Geltungsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels bereits ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht erworben hatte, kommt einer Aufenthaltserlaubnis, solange die Voraussetzungen für ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht weiter vorliegen, lediglich deklaratorische Wirkung zu. Aus diesem Grund sieht § 4 Abs. 5 Satz 2 AufenthG für den Nachweis des Bestehens eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts auch nur das "Ausstellen" und nicht das "Erteilen" einer Aufenthaltserlaubnis vor. In diesen Fällen bleibt das bei Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bereits entstandene assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - nicht nur erhalten, sondern kann sich während des gerichtlichen Verfahrens auch weiter verfestigen.

26

Die von der Klägerin seit Juni 2004 ausgeübte Beschäftigung bei der L. GmbH war bis zum Ablauf der Gültigkeit der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis am 1. August 2007 ordnungsgemäß, denn die Klägerin verfügte durchgängig über eine Aufenthaltserlaubnis und durfte - aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlich - einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Unerheblich ist, dass und aus welchen Gründen die Aufenthaltserlaubnis im August 2005 nochmals für zwei Jahre nach § 30 AufenthG verlängert wurde. Diese letzte Verlängerung war zwar objektiv rechtswidrig, da nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG nicht (mehr) vorlagen. Der Beklagte hat diese Verlängerung aber nie zurückgenommen, möglicherweise mit Blick darauf, dass die Klägerin nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zumindest nach § 31 Abs. 1 AufenthG einen gesetzlichen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht hatte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Ausländerbehörde bei der letzten Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis auch nicht getäuscht. Im Übrigen verfügte die Klägerin schon damals über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80, das sie zur Fortführung ihrer Beschäftigung bei der L. GmbH berechtigte. Denn sie war auch schon im August 2005 Arbeitnehmerin (vgl. vorstehend 2.1) und ging seit über einem Jahr einer ordnungsgemäßen Beschäftigung bei der L. GmbH nach.

27

3. Da die Klage bereits im Hauptantrag Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beigeladenen durch Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe abzuwenden, wenn nicht die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt Mainz Zugang zu Informationen, die die Planung eines Kohlekraftwerks betreffen.

2

An der Beigeladenen, einem als Aktiengesellschaft organisierten Energieversorgungs- und Energieerzeugungsunternehmen, sind die Stadtwerke Mainz AG, deren ausschließliche Eignerin die Beklagte ist, und die ESWE Versorgungs AG mit der Stadt Wiesbaden als Mehrheitseignerin zu jeweils 50 % beteiligt. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen ist Unternehmenszweck die Erzeugung, Bereitstellung und Verteilung von Energie sowie die Entsorgung einschließlich der Erbringung von Dienstleistungen auf den vorgenannten Gebieten. Im Jahre 2006 beschloss die Beigeladene die Errichtung eines Kohlekraftwerks auf der I... . Nach Widerstand in der Bevölkerung und auf kommunalpolitischer Ebene wurde dieser Plan im Jahre 2012 endgültig aufgegeben.

3

Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr auf der Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – Informationen in schriftlicher Form zugänglich zu machen. Sie fragte nach den der Beigeladenen im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk entstandenen Kosten sowie nach eventuellen Vertragsstrafen oder Kompensationsgeschäften, nach der Schaffung von Arbeitsstellen in diesem Zusammenhang sowie nach Rückstellungen und deren Auflösung und nach Gewinnabführungsvereinbarungen. Außerdem begehrte sie Informationen zur künftigen Entwicklung der Beigeladenen sowie zur Dauer und etwaigen Verlängerung der Verträge ihrer Vorstandsmitglieder.

4

Im Februar 2013 erweiterte die Klägerin ihren Fragenkatalog. Unter Hinweis auf Medienberichte, nach denen die Beigeladene Karten für eine Fastnachtssitzung abgenommen und diese an Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter verteilt haben solle, fragte die Klägerin insbesondere, wer nach welchen Gesichtspunkten Karten erhalten habe, welche Kosten entstanden seien und ob solche Einladungen häufiger erfolgten.

5

Mit Bescheid vom 18. März 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei nicht verpflichtet, Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren, weil sie sich der Beigeladenen nicht nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 LIFG zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe bediene. Die Tätigkeit der Beigeladenen, insbesondere die unternehmerische Entscheidung zur Errichtung eines Kohlekraftwerks, sei keine Verwaltungstätigkeit, die sie, die Beklagte, ansonsten vorgenommen hätte. Anders als im Bereich der Wasserversorgung gebe es infolge der Liberalisierung des Energiemarkts keinen öffentlichen Träger der Stromversorgung mehr. Die Beigeladene sei vielmehr ein privatrechtliches Unternehmen, das im Wettbewerb mit vergleichbaren Unternehmen stehe. Ungeachtet dessen bezögen sich die Fragen teilweise nicht auf vorhandene, dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen. Im Übrigen unterlägen sie der aktienrechtlichen Verschwiegenheitsverpflichtung und beträfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

6

In der Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, öffentlich-rechtliche Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG seien nicht nur staatliche Tätigkeiten, die sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ableiten ließen, sondern auch solche gemeinwohlerheblichen Angelegenheiten, die der Staat durch eigene Initiative zur öffentlichen Aufgabe gemacht habe. Hiervon sei die Energieversorgung als klassischer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge erfasst. Dieser Aufgabe komme die Beklagte durch ein in Form einer Aktiengesellschaft organisiertes Unternehmen nach. Da der Anspruch des Bürgers auf Informationszugang unabhängig von der Wahl der Organisationsform öffentlichen Handelns bestehe und eine „Flucht ins Privatrecht“ verhindert werden solle, sei der Auskunftsanspruch umfassend. Zugang zu Informationen sei mithin auch dann zu gewähren, wenn sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Unternehmen bediene; die Behörde müsse sich die Informationen gegebenenfalls bei dem privaten Unternehmen beschaffen. Zumindest hinsichtlich eines Teils der erbetenen Informationen verfüge die Beklagte selbst über Aufsichtsratsprotokolle, Gutachten und Jahresabschlussberichte. Die von der Beklagten angeführten Ausnahmetatbestände – für deren Vorliegen diese beweispflichtig sei – griffen nicht durch. Es sei insbesondere bereits fraglich, ob der Beigeladenen als juristischer Person des Privatrechts, die Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehme, eine Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse möglich sei. Der Bescheid der Beklagten lasse zudem Ausführungen vermissen, welche Geheimnisse überhaupt konkret einer Auskunft entgegenstehen sollten. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung sei im Einzelnen darzulegen.

7

Nachdem der Widerspruch insbesondere mit Blick darauf, dass es sich bei der Energieversorgung nicht um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG handele, zurückgewiesen worden war, hat die Klägerin mit ihrer Klage ihr Auskunftsbegehren weiterverfolgt und ihre bisherigen Ausführungen vertieft. Der Anspruch auf Informationszugang folge nicht erst aus § 2 Abs. 3 LIFG, sondern bereits aus § 2 Abs. 1 LIFG. Denn § 2 Abs. 3 LIFG betreffe juristische Personen des Privatrechts, die durch ein Auftragsverhältnis an die Behörde gebunden seien. § 2 Abs. 1 LIFG sei hingegen bei einem eigenen Handeln der Behörde anzuwenden, und zwar auch dann, wenn sich die Behörde in Form der formellen Aufgabenprivatisierung einer juristischen Person des Privatrechts bediene. Werde dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt, sei jedenfalls festzustellen, dass eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG der Kommune nicht aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Bestimmung zugewiesen sein müsse oder es einer konkreten spezialgesetzlichen Verpflichtung zur Erfüllung dieser Angelegenheit bedürfe. Ausreichend sei vielmehr die Übernahme gemeinwohlerheblicher Aufgaben durch den Staat. Die Energieversorgung sei damit vorliegend eine öffentlich-rechtliche Aufgabe. Sie sei trotz der Liberalisierung des Energiesektors eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge, die die Beklagte über eine Beteiligung ihrer Stadtwerke an der Beigeladenen erfülle, und damit der öffentlichen Leistungsverwaltung zuzurechnen. Die Beklagte habe sich folglich entschieden, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nicht privater Initiative zu überlassen. Soweit die danach dem Grunde nach herauszugebenden Informationen bei der Beklagten nicht vorlägen, müsse sie sich diese verschaffen, ansonsten laufe der Informationszugangsanspruch faktisch ins Leere. Diesem stünden weder aktienrechtliche Vorschriften entgegen, noch könne sich die Beklagte auf den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses sowie personenbezogener Daten berufen.

8

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 18. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013 zu den in dem Schriftsatz vom 14. Mai 2013 genannten Fragen I., den Fragen II.1., 3. und 4., den Fragen III. und IV., zu der im Schriftsatz vom 3. Juni 2013 genannten Frage und den im Schriftsatz vom 20. April 2015 genannten Fragen Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren.

9

Die gestellten Fragen lauten wie folgt:

10

I. Kohlekraftwerk

1.) Welche Kosten sind der KMW AG im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk C-Stadt insgesamt entstanden?

2.) Welche Kosten sind der KMW AG durch Abschlagszahlungen und Reservierungs-/Bereitstellungskosten an den Generalunternehmer und andere Vertragspartner entstanden?

3.) Welche Kosten sind der KMW AG im Zusammenhang mit der technischen Planung des Kohlekraftwerks entstanden?

4.) Welche Kosten sind der KMW AG durch Finanzierungsberatung entstanden?

5.) Welche Kosten sind der KMW AG durch juristische Beratungsleistungen, Verfahrenskosten, etc. im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk entstanden?

6.) Welche Kosten sind der KMW AG durch die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit entstanden?

7.) Waren im Zusammenhang mit der Beendigung des Kohlekraftwerks Vertragsstrafen an Vertragspartner/Lieferanten zu zahlen? Wenn ja: Wie hoch beliefen sich die Zahlungen? An wen wurden sie geleistet? Gab oder gibt es in diesem Zusammenhang Kompensationsgeschäfte?

8.) Wurden im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk bei der KMW AG Arbeitsstellen geschaffen? Wenn ja: Wie viele. Sollen diese weiterbeschäftigt werden? Wenn ja: Mit welchem Aufgabenbereich?

9.) Auf welche Summe beliefen/belaufen sich die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk gebildeten Rückstellungen der KMW AG? Für welchen Zweck wurden die Rückstellungen im Einzelnen gebildet? Sind die Rückstellungen zwischenzeitlich aufgelöst? Wenn nein: Wann sollen diese aufgelöst werden? Wem oder welchem Zweck sollen die Rückstellungen nach deren Auflösung zugeführt werden? Bestehen Gewinnabführungsvereinbarungen zwischen der KMW AG und deren Muttergesellschaften? Für diesen Fall: Wie sind diese ausgestaltet?

11

II. Zukünftige Entwicklung

1.) Gibt es konkrete Vorstellungen oder Planungen der KMW AG im Hinblick auf das Grundstück auf dem das Kohlekraftwerk errichtet werden sollte? Soll das Grundstück veräußert werden oder alternativ ein anderes Vorhaben hierauf umgesetzt werden?

2.) Hält die KMW AG derzeit ein Konzept zur Erzeugung und Bereitstellung von Energie nach Auslaufen des derzeit bestehenden Gaslieferungsvertrages vor? Wenn ja: Wie sieht dieses aus. Wenn nein: Warum nicht?

3.) Mit welchem Personalbedarf rechnet die KMW AG in diesem Zusammenhang?

12

III. Geschäftsführung

1.) Wann laufen die Verträge der Vorstandsmitglieder aus?

2.) Ist geplant, die Verträge mit den Vorstandsmitgliedern erneut (vorzeitig) zu verlängern?

3.) Wie lange läuft der Vertrag mit dem neu bestellten Vorstandsmitglied, Herrn Eigenmann?

4.) Wieso braucht die KMW AG, nachdem sie bisher mit zwei Vorstandsmitgliedern ausgekommen ist, nunmehr drei Vorstandsmitglieder?

5.) Welche Mehrkosten entstehen dem Unternehmen dadurch?

6.) Erscheint die Entscheidung, das Unternehmen künftig durch drei Vorstandsmitglieder führen zu lassen, vor dem Hintergrund, dass sich sowohl Geschäftstätigkeit als auch Umsatz des Unternehmens durch die immer kürzer werdenden Einsatzzeiten des Gaskraftwerkes und offensichtlich mangelnder Alternativen zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks maßgeblich reduziert haben, gerechtfertigt?

7.) Ist die Entscheidung im Aufsichtsrat der KMW AG zur Bestellung des neuen Vorstandes und zur künftigen Bestellung eines dritten Vorstandsmitgliedes einstimmig gefallen?

13

IV. Von der KMW AG ausgesprochene Einladungen zu einer Fastnachtsveranstaltung des Mainzer Carneval Vereins

1.) Ist es zutreffend, dass die KMW AG 110 Karten für eine Fastnachtssitzung des Mainzer Carneval Vereins in der Kampagne 2013 abgenommen und diese an Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter verteilt haben soll?

2.) Für diesen Fall: An wen (namentliche Aufstellung) sind die Karten verteilt worden?

3.) Welche Kriterien haben bei der Auswahl der Begünstigten eine Rolle gespielt?

4.) Wie teuer waren die Karten?

5.) Hat die KMW AG neben den Karten weitere Kosten auf der Veranstaltung (Bewirtung, Anreise etc.) für die Begünstigten übernommen? Wenn ja, in welcher Höhe?

6.) War der Vorstand der KMW AG über diese Aktion informiert? Hat dieser an der Veranstaltung teilgenommen?

7.) Hat die KMW AG in den vergangenen Jahren bereits häufiger Gäste zu kulturellen Unterhaltungen (Fastnachtssitzungen, Konzerte, Fußballspiele, Ausflugsfahrten etc.) eingeladen? Wenn ja, wie hoch beliefen sich die Kosten hierzu und war der Vorstand hierüber informiert?

8.) Wer hat die Einladungen der KMW AG zu der in der Medienberichterstattung angesprochenen Fastnachtssitzung angenommen? Es wird die Herausgabe einer namentlichen Aufstellung beantragt.

14

Die Beklagte hat beantragt,

 die Klage abzuweisen.

15

Sie ist der Klage entgegengetreten und hat in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens ergänzend und vertiefend vorgetragen, sie sei nur mittelbar an der Beigeladenen beteiligt, ohne rechtlichen Einfluss auf diese ausüben zu können. Die Beigeladene sei vielmehr ein eigenständiges wirtschaftliches Unternehmen. Zum Thema „Kohlekraftwerk“ verfüge sie lediglich über Aufsichtsratsprotokolle der Stadtwerke Mainz AG, kaum Protokolle von Aufsichtsratssitzungen der Beigeladenen, verschiedene Gutachten sowie Jahresabschlussberichte der Beigeladenen in Auszügen. Nach Durchsicht der Unterlagen seien die meisten Fragen der Klägerin hieraus nicht zu beantworten.

16

Die Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Sie ist der Klage ebenfalls entgegengetreten und hat geltend gemacht, § 2 Abs. 1 LIFG sei nicht Grundlage des Informationszugangsanspruchs, weil diese Norm ein unmittelbares Tätigwerden der Behörde voraussetze. Da es keine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Energieversorgung gebe, könne die Klägerin aber auch aus § 2 Abs. 3 LIFG keinen Anspruch auf Informationszugang herleiten. Außerdem enthalte das Landesinformationsfreiheitsgesetz keine Ermächtigungsgrundlage für ein Herausgabeverlangen gegenüber einem Dritten. Die Möglichkeit der Berufung auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und gesellschaftliche Geheimhaltungsvorschriften bestehe auch zugunsten von Unternehmen, deren Anteilseignerin die öffentliche Hand sei. Auch wenn das Projekt „Kohlekraftwerk“ beendet sei, beeinflussten diese Vorgänge weiterhin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und seien daher vertraulich. Eine uneingeschränkte Offenlegung der begehrten Informationen ermögliche Rückschlüsse auf ihre - der Beigeladenen - Betriebsführung, Wirtschafts- und Marktstrategie sowie die Kostenkalkulation. Den Fragen zu den Einladungen zu einer Fastnachtsveranstaltung und den Verträgen der einzelnen Vorstandsmitglieder stehe auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen entgegen.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht anspruchsverpflichtet, weil sie sich der Beigeladenen nicht zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG bedient habe. Eine Aufgabe sei nach dieser Vorschrift nur dann öffentlich-rechtlich, wenn sie der Behörde durch eine öffentlich-rechtliche Bestimmung auferlegt sei. Sie müsse ihr durch eine Rechtsnorm zugewiesen sein; das öffentliche Interesse an ihrer Erfüllung sei nicht ausreichend. Die Betätigung auf dem Gebiet der Energieversorgung sei zwar eine öffentliche Aufgabe im Gemeinwohlinteresse und gehöre zum Bereich der Daseinsvorsorge. Sie sei aber keine öffentlich-rechtliche Aufgabe, weil sie nicht allein oder vorrangig den Kommunen, sondern gleichermaßen den privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmen zugewiesen sei. Insoweit nehme die Beklagte „freiwillig“ an der allen Energieversorgungsunternehmen obliegenden Aufgabe der Energieversorgung teil. Darüber hinaus gewähre das Landesinformationsfreiheitsgesetz einen Informationszugang nur zu den bei der Behörde vorhandenen amtlichen Informationen. Eine Rechtsgrundlage, gegenüber anderen Behörden oder Privaten ein Herausgabeverlangen durchzusetzen, enthalte das Gesetz hingegen nicht. Diese ergebe sich für die Beklagte auch nicht aus aktienrechtlichen Vorschriften, zumal einem Herausgabeanspruch die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstünden. Die von der Klägerin begehrten Informationen über das Kohlekraftwerk, über die zukünftige Geschäftsausrichtung, über die Geschäftsführung und über die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern beträfen wesentliche Vorgänge der Beigeladenen in Bezug auf ihre Wettbewerbsposition am Markt. In ihren Schriftsätzen habe die Beigeladene die Gründe, aus denen sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln seien, hinreichend plausibel gemacht. Die Beteiligung der Beklagten an der Beigeladenen ändere nichts an der umfassenden Geltung des bundesgesetzlichen Gesellschaftsrechts. Soweit Informationen bei der Beklagten tatsächlich vorlägen, gelte dasselbe.

19

Mit ihrer vom Senat wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihr Vorbringen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes, welches auf den vorliegenden Fall Anwendung finde, die Auslegung des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ nicht mehr streitentscheidend sein könne. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Beigeladene für die Beklagte eine öffentliche Aufgabe erfülle; letzteres sei zweifellos der Fall. Es bestehe auch eine Informationsverschaffungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der für sie tätig werdenden Beigeladenen. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht bilde insoweit kein Hindernis. Sie gelte im Übrigen nicht generell, sondern lediglich im Hinblick auf die vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft. Zum berechtigten Interesse an der Geheimhaltung fehle es weiterhin an einem substantiellen Vortrag der Beklagten und der Beigeladenen. Gleiches gelte in Bezug auf entgegenstehende Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. April 2015 nach den von ihr in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.

21

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie verteidigen das verwaltungsgerichtliche Urteil. Das Verwaltungsgericht habe eine Verpflichtung der Beklagten zum Informationszugang zu Recht auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 LIFG geprüft und die Aufgabe der Energieversorgung nicht als öffentlich-rechtliche Aufgabe eingeordnet. Nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes gelte nicht anderes. Obwohl dieses den Begriff der öffentlichen Aufgabe benutze, sei inhaltlich, wie sich insbesondere der Gesetzesbegründung entnehmen lasse, keine Änderung erfolgt.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

25

Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zugang zu Informationen zu den von ihr gestellten Fragen zu Recht verneint.

26

Nach Außerkrafttreten des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – und mit Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. S.383) zum 1. Januar 2016 ist über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden (§§ 26 Abs. 3, 30 Abs. 2 Nr. 1 LTranspG). Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist hiernach § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 LTranspG. Danach haben natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts und nicht rechtsfähige Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zugangsanspruch nach den Vorschriften des Landestransparenzgesetzes nicht zu. Sie ist zwar anspruchsberechtigt (I.) und die Beklagte dem Grunde nach auch anspruchsverpflichtet (II.). Es fehlt aber an weiteren Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag (III.).

27

I. Als natürliche Person ist die Klägerin anspruchsberechtigt, und zwar unabhängig davon, aus welchem Interesse der Informationszugang geltend gemacht wird (§ 2 Abs. 2 LTranspG).

28

II. Die Beklagte ist für die von der Klägerin begehrten Informationen auch anspruchsverpflichtet. Entgegen der klägerischen Auffassung ergibt sich diese Verpflichtung nicht bereits aus § 3 Abs. 1 LTranspG, sondern erst aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG (1.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben (2.).

29

1. Nach § 3 Abs. 1 LTranspG gilt das Landestransparenzgesetz (u.a.) für Behörden der Gemeinden, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben. Unerheblich für eine Informationspflicht nach Maßgabe dieser Vorschrift ist, ob sich die Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen bedient (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 16/5173, S. 33). Die Norm hat aber immer die eigene Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe durch die Behörde im Blick. Dies hat das Verwaltungsgericht für die gleichlautende Regelung in § 2 Abs. 1 LIFG überzeugend ausgeführt. Danach handelt es sich bei der Energieversorgung und dem darauf gerichteten Geschäftsbetrieb der Beigeladenen nicht um eine eigene Tätigkeit der Beklagten. Zwar ist die Beklagte über die Stadtwerke Mainz AG an der Beigeladenen beteiligt; der Geschäftsbetrieb der Beigeladenen wird von dieser aber als selbstständige juristische Person des Privatrechts wahrgenommen. Für diese Konstellationen ist nicht § 3 Abs. 1 LTranspG, sondern § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG einschlägig (siehe in diesem Sinne zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG – auch Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 107, 214). Dabei ist der Antrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 LTranspG an die Behörde zu richten, die sich der Person bedient.

30

2. § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG, der mithin eine vorgehende „Sonderregelung“ bei der Einschaltung selbstständiger privatrechtlicher Personen enthält, setzt voraus, dass sich die Behörde der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedient. Was unter einer „öffentlichen Aufgabe“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG nicht ohne Weiteres entnehmen. Aus der Auslegung des Gesetzestextes unter Einbeziehung teleologischer und gesetzessystematischer Gesichtspunkte sowie der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 16/5173) folgt aber, dass die Energieversorgung von dem Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ umfasst ist.

31

a) § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG baut auf § 3 Abs. 1 LTranspG auf. Nach der letztgenannten Vorschrift besteht eine Informationspflicht der Behörde dann, wenn sie – in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form – Verwaltungstätigkeit ausübt. Ausschlaggebend ist, dass sich die Tätigkeit (nach Maßgabe des materiellen Verwaltungsbegriffs) als Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe – im Gegensatz zur Rechtsprechung und Rechtsetzung – darstellt (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33). Weitere Einschränkungen enthält die Regelung nicht. Weder bedarf es eines hoheitlichen Handelns noch muss die Behörde aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm zum Handeln verpflichtet sein (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 119). Hiervon ausgehend soll, so die Begründung zum Gesetzentwurf, § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG den Informationsanspruch umfassend ausgestalten für den Fall, dass sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient. Diese Zielsetzung des Landestransparenzgesetzes würde angesichts der den Behörden zunehmend eröffneten Möglichkeiten, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf privatrechtliche Organisations- und Handlungsformen zurückzugreifen, verfehlt, wenn sich der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht auch auf diese Personen des Privatrechts erstreckte (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33 f.).

32

Die Begründung zum Gesetzentwurf spricht dafür, den Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG mit Blick auf § 3 Abs. 1 LTranspG auszulegen und es für eine Anspruchsverpflichtung auch hier genügen zu lassen, dass sich die Behörde einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgaben bedient. Allenfalls könnte sich aus der Zufügung des Wortes „öffentlich“ ergeben, dass nur solche Aufgaben erfasst sind, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit ein maßgebliches Interesse hat (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf auf S. 34 für den Zugang zu Umweltinformationen).

33

Nichts anderes folgt aus der Anmerkung in der Begründung zum Gesetzentwurf, § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG entspreche in seinem Regelungsgehalt der bisherigen Bestimmung des § 2 Abs. 3 LIFG (LT-Drs. 16/5173, S. 34), obwohl diese Vorschrift – bei ansonsten identischem Wortlaut – nicht von „öffentlichen“, sondern von „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ spricht. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ im Landestransparenzgesetz eng auszulegen wäre. Im Gegenteil bestätigt sich nunmehr, dass mit der Beifügung des Wortes „rechtlich“ zu „öffentlich“ in § 2 Abs. 3 LIFG nicht die Einschränkung verbunden sein sollte, die das Verwaltungsgericht angenommen hat. Dieses hat aus der Wortwahl in § 2 Abs. 3 LIFG geschlossen, die Person müsse von der Behörde zur Erfüllung einer Aufgabe eingesetzt werden, die letzterer durch eine öffentlich-rechtliche Bestimmung auferlegt sei. Die Beifügung „rechtlich“ zu „öffentlich“ verdeutliche, dass die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bzw. ein Tätigwerden im Gemeinwohlinteresse – wie bei der vorliegend in Rede stehenden Energieversorgung – nicht ausreichend sei. Gerade mit Blick auf die Klarstellung im Landestransparenzgesetz kann die Bedeutung, die das Verwaltungsgericht dem Begriff der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ zugemessen hat, keinen Bestand haben.

34

Denn sie ist zu eng und wird den Zielsetzungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, die denjenigen des Landestransparenzgesetzes entsprechen, nicht gerecht. Für das Landesinformationsfreiheitsgesetz gilt gleichermaßen, dass § 2 Abs. 3 LIFG auf § 2 Abs. 1 LIFG aufbaut. Bei eigener Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe ist die Behörde nach § 2 Abs. 1 LIFG unabhängig von der Rechtsform ihres Handelns informationspflichtig. Es kommt nur darauf an, dass die Behörde eine Tätigkeit ausübt, die im öffentlichen Recht wurzelt und nicht Rechtsprechung oder Rechtsetzung ist (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 15/2085, S.11). Eine Begrenzung auf Verwaltungsaufgaben, zu deren Wahrnehmung die Behörde verpflichtet ist, ist der Norm nicht zu entnehmen. § 2 Abs. 3 LIFG dient wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG der umfassenden Ausgestaltung des Informationsanspruchs für den Fall, dass sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient (vgl. LT-Drs. 15/2085, S. 11). Vor diesem Hintergrund wird nur eine möglichst weite Auslegung des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ im Sinne der nunmehrigen Formulierung im Landestransparenzgesetz dem Zweck des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, eine „Flucht ins Privatrecht“ zu verhindern, gerecht. Dass sie vom Gesetzgeber des Landesinformationsfreiheitsgesetzes auch gewollt war, folgt im Übrigen auch aus dem unterschiedslosen Gebrauch sowohl des Begriffs „öffentliche Aufgaben“ als auch des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 2 Abs. 3 LIFG (LT-Drs. 15/2085, S. 11).

35

Auch der Wortlaut „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ gebietet nicht, dass die Behörde zur Erfüllung der dem Privaten übertragenen Aufgabe verpflichtet sein muss. Ausreichend ist insoweit vielmehr – wie bei § 2 Abs. 1 LIFG – eine Verwurzelung der Aufgaben im öffentlichen Recht. Schon dann sind sie öffentlich-rechtlich geprägt und im öffentlichen Recht verankert bzw. begründet (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 220). Andere Vorgaben lassen sich dem Begriff „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere für die Erforderlichkeit einer Zuweisung der Aufgabenerledigung durch Rechtssatz (so im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen LT-Drs. 16/5173, S. 34) bzw. einer konkreten spezialgesetzlichen Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung (vgl. zum IFG Scheel, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 68; so aber offensichtlich Rossi, IFG Kommentar 2006, § 1 Rn. 74 f.).

36

Letzteres gilt auch in Anbetracht der Erwägung, das Landesinformationsfreiheitsgesetz biete dann prinzipiell ein Einfallstor, um an Informationen von privaten Unternehmen zu gelangen. Dies ist vielmehr wegen der Zielsetzung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, den Anspruch auf Informationszugang umfassend auszugestalten, hinzunehmen, zumal ihren berechtigten Belangen durch die Schutzbestimmungen in §§ 9 ff. LIFG und weiteren Vorschriften Rechnung getragen wird.

37

Aus alledem folgt, dass sowohl § 2 Abs. 3 LIFG als auch § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG eine Anspruchsverpflichtung begründen, wenn sich die Behörde zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgaben einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts bedient. Es besteht also grundsätzlich insoweit kein Unterschied, ob die Behörde selbst oder durch Dritte handelt.

38

In diesem Zusammenhang verfängt auch der Einwand nicht, erst § 3 Abs. 2 Satz 3 LTranspG gehe für den Zugang zu Umweltinformationen von einem weiten Begriff der öffentlichen Aufgaben aus. Denn die Vorschrift erweitert nicht den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG für den Zugang zu Umweltinformationen, sondern schafft hierfür eine eigene Anspruchsverpflichtung. Dass die Begründung zum Gesetzentwurf im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen eine Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und öffentlichen Aufgaben macht (LT-Drs. 16/5173, S. 34), hat ebenfalls keine Auswirkungen auf die vorstehende Auslegung des Begriffs der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ im Landesinformationsfreiheitsgesetz und der „öffentlichen Aufgaben“ im Landestransparenzgesetz. Sie wurde wortgleich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zum Landesumweltinformationsgesetz (LT-Drs. 14/4307, S. 14) übernommen und kann nicht zur Interpretation der Begriffe in Landesinformationsfreiheitsgesetz und Landestransparenzgesetz herangezogen werden.

39

b) Hiervon ausgehend handelt es sich bei der Energieversorgung um eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe. Sie gehört zum Bereich der Daseinsvorsorge; sie ist eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 20. März 1984 – 1 BvL 28/82 –, BVerfGE 66, 248 und juris). Insoweit besteht - auch nach der Liberalisierung des Energiesektors - ein Gewährleistungsauftrag des Staates, obwohl dieser nicht ausdrücklich geregelt ist; dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt. Schon dadurch wurzelt die Aufgabe der Energieversorgung im öffentlichen Recht. Selbst Energieversorger muss der Staat zwar nur werden, wenn es an einer flächendeckenden Versorgung durch private Unternehmen fehlt; übernimmt er dennoch freiwillig diese Aufgabe im Rahmen der Leistungsverwaltung, bleibt es aber auch für diesen Fall bei der öffentlich-rechtlichen Verwurzelung desselben. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Rechtsform er tätig wird und ob er die Aufgabe selbst übernimmt oder sich eines Unternehmens in Privatrechtsform bedient (in diesem Sinne auch Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 119, 220).

40

Nach alledem ist die Beklagte nach § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG dem Grunde nach verpflichtet, Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren. Dies gilt auch, wenn sich, wie oben angesprochen, aus dem Begriff „öffentlich“ die besondere Anforderung ergeben sollte, dass die Tätigkeit im Sinne des Gemeinwohls erbracht wird und erforderlich ist. Hieran bestehen nämlich keine Zweifel.

41

III. Dennoch steht der Klägerin der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Dies gilt sowohl hinsichtlich der bei der Beigeladenen vorhandenen Informationen (1.) als auch für die Unterlagen, die der Beklagten vorliegen (2.).

42

1. Soweit sich die begehrten Informationen in den Händen der Beigeladenen befinden, spricht bereits vieles dafür, dass der Klägerin der Zugang zu ihnen verwehrt ist, weil sie nicht bei der auskunftsverpflichteten Behörde vorhanden sind. Denn es dürfte - obwohl sich die Beklagte der Beigeladenen zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bedient und daher eine Informationsbeschaffungspflicht anzunehmen sein könnte - an der für ein Herausgabeverlangen erforderlichen Ermächtigungsgrundlage im Landestransparenzgesetz (a) und im Aktiengesetz (b) fehlen. Jedenfalls aber stehen einer Weitergabe der Informationen die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegen (c).

43

a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LTranspG unterliegen der Transparenzpflicht (vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Satz 1 LTranspG) Informationen, über die die transparenzpflichtigen Stellen verfügen oder die für sie bereitgehalten werden. Wie auch das Informationsfreiheitsrecht sieht auch das Landestransparenzgesetz keine generelle Informationsbeschaffungspflicht der Behörde vor (vgl. LT-Drs. 15/2085, S. 12, sowie LT-Drs. 16/5173, S. 36). Die gesetzlich geregelte Ausnahme („die für sie bereitgehalten werden“) greift ein, wenn – was vorliegend nicht der Fall ist – transparenzpflichtige Stellen Dritte mit der Aufbewahrung von (Umwelt-)informationen beauftragen (LT-Drs. 16/5173, S. 36). Im Übrigen soll – jedenfalls im Grundsatz – dem Bürger der Kenntnisstand vermittelt werden, über den auch die Behörde verfügt. Insoweit zu Recht hat das Verwaltungsgericht zum Landesinformationsfreiheitsgesetz ausgeführt, es enthalte keine Rechtsgrundlage, gegenüber anderen Behörden oder Privaten, die im Besitz von Informationen sind, ein Herausgabeverlangen durchzusetzen (unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 – 7 B 43/12 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2012 – 12 B 27.11 –; ferner Beschluss des erkennenden Senats vom 4. Oktober 2013 – 10 A 10631/13 – zu § 33 GemO, alle juris).

44

In den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG könnte hingegen abweichend davon zumindest eine Informationsverschaffungspflicht der Behörde anzunehmen sein. Geht man nämlich davon aus, dass hier die bei der Privatperson vorliegenden Informationen der Behörde „zugerechnet“ werden, könnte eine Behörde verpflichtet sein, sich die Informationen dort zu beschaffen (in diesem Sinne zum IFG Scheel, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, a.a.O., § 2 IFG Rn. 27; siehe auch Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 38, der von einer „unechten Informationsbeschaffungspflicht der Behörde“ spricht). Selbst wenn aber eine solche Pflicht im Landestransparenzgesetz verankert sein sollte, müsste eine Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch der Behörde hinzukommen. Ob auch diese sich noch dem Landestransparenzgesetz entnehmen lässt, ist sehr zweifelhaft (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 38 a.E.).

45

b) Noch weniger dürften die aktienrechtlichen Vorschriften eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Informationen enthalten. Dies gilt zunächst für die Beklagte als Aktionärin. Abgesehen davon, dass sie an der Beigeladenen nur mittelbar über ihre (hundertprozentigen) Anteile an den Stadtwerken Mainz AG beteiligt ist, üben, wie vom Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt, die Aktionäre nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 119 Aktiengesetz - AktG - ihre Rechte grundsätzlich nur über die Hauptversammlung aus. Hierzu gehören auch ihre Auskunftsrechte, die nach § 131 Abs. 1 AktG von den Aktionären in der Hauptversammlung wahrgenommen und vom Vorstand an gleicher Stelle befriedigt werden (vgl. Kubis, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2013, § 131 Rn. 141). Der Vorstand kann die Aktionäre zwar auch zwischen den Hauptversammlungen informieren (vgl. hierzu § 131 Abs. 4 AktG), ein Auskunftsrecht des Aktionärs besteht aber nur in der dargelegten formalisierten Weise. Ein genereller Auskunftsanspruch, der vorliegend zur Erlangung der einzelnen Informationen gegeben sein müsste, ist hingegen gesetzlich nicht vorgesehen. Des Weiteren kann die Beklagte die begehrten Informationen auch nicht über den Aufsichtsrat der Beigeladenen, in den erstere ihren Oberbürgermeister sowie weitere Stadtratsmitglieder entsendet, herausverlangen. Denn es besteht kein allgemeines Auskunftsrecht einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Vielmehr kann der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktG nur als Organ die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen und prüfen (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 111 Rn. 62). Ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied kann zwar nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG vom Vorstand jederzeit Bericht verlangen, aber nur an den Aufsichtsrat.

46

c) Ob und inwieweit dem Landestransparenzgesetz oder dem Aktiengesetz eine Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch zu entnehmen ist, kann aber letztlich offenbleiben, weil im vorliegenden Fall einem solchen Verlangen jedenfalls die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen. In der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/5173, S. 34) heißt es hierzu, die besonderen gesellschaftsrechtlichen Geheimhaltungspflichten seien auch von den Bediensteten öffentlicher Stellen zu beachten und könnten auch vom Landesgesetzgeber nicht gelockert werden. Die transparenzpflichtige Stelle könne daher nur solche Informationen zugänglich machen, für die dies nach Gesellschaftsrecht zulässig sei; sie könne allerdings in dem zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag auf eine Bindung an das Landestransparenzgesetz hinwirken. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, hindert die aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung die Beklagte, ein Herausgabeverlangen erfolgreich durchzusetzen.

47

aa) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben die Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Stillschweigen zu bewahren. Dieselbe Verschwiegenheitspflicht gilt nach § 116 Satz 1 und 2 AktG auch für die Aufsichtsratsmitglieder. Sie betrifft jede Offenbarung von vertraulichen Angaben und Geheimnissen an Dritte durch Erklärung, Weitergabe von Schriftstücken oder Gestatten der Einsichtnahme. Auch den Aktionären gegenüber sind die Vorstand- und Aufsichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl. Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 93 Rn. 124, 125 und Habersack, a.a.O., § 116 Rn. 57). Zwar ist in der Hauptversammlung den Aktionären auf Verlangen vom Vorstand über Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Diese darf der Vorstand allerdings verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG); er muss sie verweigern, wenn er durch die Erteilung der Auskunft gegen seine Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG verstoßen würde (Kubis, a.a.O., § 131 Rn. 107). Vorliegend dürfen hiernach weder Vorstand noch Mitglieder des Aufsichtsrats der Beigeladenen gegenüber der Beklagten vertrauliche Angaben oder Geheimnisse der Gesellschaft offenbaren; eine unbefugte Offenbarung ist sogar nach § 404 AktG strafbewehrt.

48

bb) An diesem Ergebnis ändern auch die speziellen Regelungen in §§ 394 und 395 AktG nichts. Nach § 394 Satz 1 und 2 AktG unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht. Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht gilt aber nicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichte keine Bedeutung hat. Außerdem wird die Vertraulichkeitspflicht in dieser Fallgruppe nur insoweit durchbrochen, als vertrauliche Informationen Eingang in die Berichte finden dürfen. Diese Berichte unterliegen ihrerseits der Vertraulichkeitspflicht aus § 395 Abs. 1 AktG. Danach haben (u.a.) Personen, die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aus Berichten nach § 394 AktG bekanntgeworden sind, mit Ausnahme von Mitteilungen im dienstlichen Verkehr Stillschweigen zu bewahren (vgl. VG Berlin, Urteil vom 13. November 2013 - 2 K 41/13 -, juris). Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählt oder entsandt worden sind, ist also nach § 394 AktG im öffentlichen Interesse eingeschränkt. Dies gilt aber nur im Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gebietskörperschaft, der sie berichterstattungspflichtig sind. Zweck des § 395 AktG ist es, dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Wahrung ihrer vertraulichen Informationen Rechnung zu tragen und so deren Interessen angemessen zu wahren. Deshalb wird nach dieser Vorschrift in der Sache die organschaftliche Pflichtenstellung des Aufsichtsratsmitglieds auf die für die Gebietskörperschaft tätigen Personen erstreckt (Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2011, § 395 Rn. 1, 5).

49

Nach alledem besteht nach den aktienrechtlichen Vorschriften außerhalb der Berichtspflicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft eine umfassende Verschwiegenheitspflicht von Vorstand und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Beklagten. Sie schließt einen Anspruch auf Herausgabe entsprechender Informationen aus.

50

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es sich bei der Beigeladenen um eine Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand handelt bzw. dass die Mitglieder des Aufsichtsrats (zum Teil) von einer Gebietskörperschaft entsandt wird, die dem Landestransparenzgesetz unterliegt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt den Kommunen als wirtschaftlichen Unternehmen kein Sonderstatus zu. Sie unterliegen – mit den Einschränkungen in §§ 394, 395 AktG – wie jeder Aktionär umfassend den Vorschriften des Aktienrechts. Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane und ihrer Mitglieder richten sich ausschließlich nach dem bundesgesetzlichen Gesellschaftsrecht; der für das Kommunalrecht zuständige Landesgesetzgeber kann in diesen Bereich nicht eindringen. Die Gemeinde, die sich an Gesellschaften beteiligt, „unterwirft“ sich dem für diese geltenden Recht und muss es so hinnehmen, wie es ausgestaltet ist (siehe dazu HessVGH, Urteil vom 9. Februar 2012 – 8 A 2043/10 –, juris). Mit dem Landestransparenzgesetz kann der Landesgesetzgeber über die gesellschaftsrechtlichen Regelungen nicht hinausgehen (vgl. Art. 31 Grundgesetz). Wie sich der bereits zitierten Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/5173, S. 34) entnehmen lässt, ist die Informationsfreiheit nach dem Landestransparenzgesetz daher begrenzt durch gesellschaftsrechtlich angeordnete Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflichten.

51

dd) Inhaltlich ist die Verschwiegenheitspflicht weit zu ziehen; erfasst sind Geheimnisse der Gesellschaft und vertrauliche Angaben. „Geheimnisse der Gesellschaft“, zu denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gehören, sind Tatsachen, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig sind, wenn sie nach dem bekundeten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen und wenn an der Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Zu den Tatsachen in diesem Sinne gehören auch Ansichten, Meinungen und Wertungen. Die Schweigepflicht beschränkt sich nicht auf geheim zu haltende Umstände, die das Geschäft oder den Betrieb betreffen und deren Offenbarung daher für die Gesellschaft wirtschaftlich nachteilig ist; sie bezieht sich auch auf Tatsachen, deren Offenbarung immaterielle Schäden für die Gesellschaft zur Folge haben können. Ob eine Tatsache ein Geheimnis ist, beurteilt sich grundsätzlich objektiv nach dem Unternehmensinteresse. Vertrauliche Angaben sind alle Informationen, deren Mitteilung sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken kann, unabhängig davon, ob sie allgemein bekannt und daher keine Geheimnisse mehr sind. Es muss sich aber um Angaben handeln, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Gesellschaft bzw. des Unternehmens liegt (vgl. Spindler, a.a.O, § 93 AktG Rn. 116 ff.).

52

Die von der Klägerin begehrten Informationen über das Kohlekraftwerk, über die künftige Geschäftsausrichtung, über die Geschäftsführung und über die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern betreffen wesentliche Vorgänge der Beigeladenen in Bezug auf ihre Wettbewerbsposition am Markt. Insbesondere die für das Kohlekraftwerk entstandenen Kosten und die Einzelheiten der weiteren Geschäftsausrichtung lassen voraussichtlich bei ihrer Offenlegung weitreichende Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen und ihre Verhandlungsposition zu.

53

Die Beigeladene hat die Gründe, aus denen sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln sind, in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung  dargelegt. Sie hat ausgeführt, dass die Fragen unter Ziffer I des Klageantrags sämtlich Informationen beträfen, die auf die Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse gerichtet seien. Dies gelte namentlich für die Fragen nach den Kosten des Kohlekraftwerks sowie den Vertragsstrafen und Rückstellungen. Die Fragen unter Ziffer I. 1 bis 6 verlangten die Offenlegung unterschiedlicher Kostenpositionen, die ihr – der Beigeladenen – im Rahmen der Planung des Kohlekraftwerks entstanden seien. Sie hätten Kosten für Generalunternehmer, für Vertragspartner, für die technische Planung und für die durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit zum Gegenstand. Aus all diesen Vergütungen – aufgrund der komplexen Struktur der Kosten auch in ihrem Zusammenspiel – könnten Rückschlüsse auf die Vertragsgestaltung, die Kalkulation der Preise und somit auf Details ihrer Geschäftsbeziehungen gezogen werden. Die Offenlegung dieser Informationen könne dazu führen, dass Geschäfts- und Vertragspartner diese Informationen bei zukünftigen Vertragsverhandlungen über neue Projekte mit ihr nutzen könnten. Außerdem könnten Konkurrenten Vertragspartner mit günstigeren Angeboten abwerben. Im Übrigen handele es sich bei diesen Informationen auch um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihrer Vertragspartner. Im Generalunternehmervertrag sei ausdrücklich eine Vertraulichkeitsabrede getroffen worden. Bei einer Preisgabe vertraulich zu behandelnder Informationen hafte ihr der Makel der Unzuverlässigkeit an. Soweit in Ziffer I. 7 die Frage nach vereinbarten Vertragsstrafen und Kompensationsgeschäften gestellt würde, würden ebenfalls Interna aus der Vertragsgestaltung und der Kostenkalkulation an die Öffentlichkeit gelangen. Auch dies würde ihr Verhandlungen mit Geschäftspartnern bei zukünftigen Projekten erheblich erschweren. Die Beantwortung der Frage Ziffer I. 8 nach der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk sowie der Weiterbeschäftigung und den entsprechenden Aufgabenbereichen führe ebenfalls zu einer Offenlegung von betrieblichen Organisationsabläufen, die sowohl die gegenwärtige Personalverteilung offenbarten als auch Rückschlüsse auf ihre zukünftige Ausrichtung für ihre Wettbewerber zuließen.

54

Die Fragen unter Ziffer II des Klageantrags seien unmittelbar auf die Umsetzung von Projekten und Investitionsverpflichtungen gerichtet und damit zweifellos Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Käme es zu einer Offenlegung dieser Informationen, würden grundsätzliche Informationen über die geplante Betriebsführung sowie ihre Wirtschafts- und Marktstrategie an die Öffentlichkeit, an Konkurrenten und Vertragspartner gelangen. Zu einer Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse komme es auch bei Beantwortung der Fragen nach der Geschäftsführung in Ziffer III des Klageantrags sowie durch die unter Ziffer IV begehrten Informationen über von ihr ausgesprochene Einladungen. Ziffer III des Fragenkatalogs ziele auf Details in der Geschäftsführung der Beigeladenen ab; die Fragen in Ziffer IV beträfen die Modalitäten ihrer Kontaktpflege. Bei ihrer Beantwortung würden zwangsläufig derzeitige oder zukünftige Geschäftsbeziehungen offenbart und es würde Raum für Spekulationen gegeben. Die Fragen unter Ziffer III und IV beträfen im Übrigen auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Vorstandsmitglieder bzw. der eingeladenen Gäste. Weitergehende Darlegungen zum Geheimhaltungsinteresse erforderten zudem die Offenlegung vertraulicher Angaben.

55

Diese Ausführungen der Beigeladenen lassen in Anbetracht des Inhalts der begehrten Informationen ihr Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung grundsätzlich nachvollziehbar und ausreichend plausibel erscheinen. Dieser Grad an Überzeugungsgewissheit ist ausreichend, weil die Bewertung wettbewerbsrelevanter Auswirkungen wegen ihrer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung notwendigerweise mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2015 – 10 A 10472/14.OVG –, juris, sowie Urteil vom 6. September 2012 – 8 A 10096/12.OVG –, juris). Den von der Klägerin geforderten gesonderten Darlegungen zu jeder einzelnen Frage bedurfte es nicht, weil sich die Vertraulichkeit der geforderten Informationen aus den Ausführungen der Beigeladenen mit hinreichender Deutlichkeit auch ohne Bezugnahme auf jeden Unterpunkt innerhalb des Fragenkatalogs ergibt. Nicht durchgreifend ist insoweit auch der Einwand der Klägerin, es sei nicht erkennbar, dass die Offenlegung der Informationen der Beigeladenen einen Nachteil im Wettbewerb zufügen könnte, weil das nie über die Planungsphase hinausgegangene Projekt bereits im Jahre 2009 vorläufig (und 2012 endgültig) beendet worden sei und die Beigeladene auf dem Gebiet der Kohleverstromung nicht mehr tätig sein wolle; die Zahlen zu dem Projekt seien veraltet und nicht mehr auf das aktuelle Marktgeschehen übertragbar. Für die Fragen zu Ziffer II bis IV des Fragenkatalogs verfängt diese Argumentation von vornherein nicht, weil diese Fragen die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen in der jüngeren Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft betreffen. Aber auch hinsichtlich der Fragen zu den Kosten des Kohlekraftwerks ist die Wettbewerbsrelevanz der begehrten Informationen trotz der Aufgabe des Projekts weiterhin plausibel vor dem Hintergrund, dass sich aus den einzelnen Kostenpositionen und ihrer Verflechtung Rückschlüsse auf die allgemeine Geschäftsausrichtung sowie die Unternehmensstrategie der Beigeladenen ziehen lassen und aufgrund der Langfristigkeit derartiger Planungsvorhaben auch mehrere Jahre alte Informationen über Kosten noch immer eine gewichtige Aussagekraft haben.

56

2. Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Unterlagen, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihr vorhanden sind (Aufsichtsratsprotokolle der Stadtwerke Mainz AG, wenige Protokolle der Aufsichtsratssitzungen der Beigeladenen, verschiedene Gutachten sowie Jahresabschlussberichte der Beigeladenen in Auszügen), sofern sie überhaupt die von der Klägerin begehrten Informationen enthalten. Soweit der Beklagten solche Unterlagen in Form von Aufsichtsratsprotokollen vorliegen, hat diese der Oberbürgermeister in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied erhalten. Es handelt sich weiterhin um originäre Unterlagen des Aufsichtsrats, die nicht durch den Verwahrort bei der Beklagten zu Informationen werden, über die die Beklagte verfügt (so auch das Verwaltungsgericht mit weiteren Nachweisen). Wenn die Beklagte weitergehende  Informationen aufgrund der Berichtspflicht der Aufsichtsratsmitglieder erlangt hat, verfügt sie dadurch zwar über diese. Sie unterliegen aber der aktienrechtlichen Bindung nach § 395 AktG, sodass die mit der Beteiligungsverwaltung betrauten Personen zur Geheimhaltung verpflichtet sind.

57

3. Da nach alledem ein Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen bereits aufgrund der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nicht gegeben ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob dem Zugangsanspruch auch Belange nach §§ 14 ff. LTranspG, insbesondere der Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG, entgegenstehen. Daher ist auch nicht die in dieser Vorschrift i.V.m. § 17 LTranspG vorgesehene Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Informationen vorzunehmen.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.

60

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

61

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Einsichtnahme in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen betreffend einer Nutzung der Fläche „A...“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen.

2

Die Beklagte schloss mit der Beigeladenen einen Vertrag über die Nutzung der im Eigentum der Beklagten stehenden Waldfläche „A...“, der die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen zum Gegenstand hat. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 19. Januar 2015 die Gewährung von Einsicht in den Vertrag. Die Beigeladene widersprach diesem Begehren. Mit Bescheid vom 26. März 2015 lehnte die Verbandsgemeindeverwaltung B... daraufhin namens und im Auftrag der Beklagten den Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in das Vertragswerk ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass dem Informationsanspruch des Klägers ein Ausschließungsgrund nach § 11 S. 2 des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG - entgegenstehe. Danach dürfe der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt habe. Bei dem von der Beklagten unterzeichneten Vertrag handele sich um ein vom Vertragspartner individuell erarbeitetes Werk, dessen Informationen nicht offenkundig seien. Der Vertragspartner – die Beigeladene – habe ihre Einwilligung zur Einsichtnahme ausdrücklich nicht erteilt.

3

Am 13. April 2015 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 26. März 2015 Widerspruch ein.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2015 wies der Kreisrechtsausschuss der Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, bei den begehrten Informationen handele es sich zwar zumindest teilweise um Umweltinformationen i.S.d. § 2 Abs. 3 LUIG. Zudem sei der Kläger auch grundsätzlich anspruchsberechtigt und die Beklagte als informationspflichtige Stelle auskunftsverpflichtet. Dem Auskunftsbegehren stünden jedoch Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 LUIG entgegen. Das Vertragswerk sei vom Geschäftsführer der Beigeladenen entworfen; es handele sich nicht um einen allgemein verfügbaren Mustervertrag. Zudem gehe es nach der hier entscheidenden Gesamtsicht des Vertrages – auch soweit Fragen der Waldrodung bzw. der Zuwegungen betroffen seien – um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Kenntnisse aus diesem Vertag könnten zu einem wettbewerbsrechtlichen Nachteil für die Beigeladene führen. So könne etwa die Breite der Zuwegung Rückschlüsse auf den Anlagentyp sowie dessen Größe und Funktionsweise geben. Es verbiete sich, für jede Vertragsregelung festzustellen, ob es sich jeweils um eine Umweltinformation handele. Vielmehr sei der Vertrag in Bezug auf den Begriff der Umweltinformation als auch des Begriffs der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Ganzes zu sehen. Eine Einsicht in den Vertrag unter Schwärzung von Passagen sei daher nicht tunlich. Das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen überwiege auch nicht die Interessen der Beigeladenen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die seitens des Klägers begehrten Informationen mit Umweltbezug größtenteils erst im Genehmigungsverfahren entstünden und dann auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Zudem bestünden für den Kläger bereits jetzt umfangreiche Informationsquellen, etwa eine Informationsveranstaltung sowie Informationsmöglichkeiten im Internetauftritt der Beklagten, sodass das Interesse der Beigeladenen an der Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegenüber den klägerischen Interessen der Vorrang einzuräumen sei.

5

Zur Begründung seiner bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheids erhobenen Klage trägt der Kläger vor:

6

Ein Anspruch auf Einsicht in den Vertrag ergebe sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 LUIG, alternativ aus § 4 Abs. 1 S. 1 LIFG. Der Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 LUIG – der dem Anspruch nach dem LIFG vorgehe – bestehe unabhängig davon, ob die Beklagte im konkreten Fall in rein öffentlich-rechtlicher oder in privat-rechtlicher Form Verwaltungstätigkeiten ausgeübt habe. Der Begriff der Umweltinformation sei grundsätzlich weit auszulegen. Auch bloß mittelbare Auswirkungen von Maßnahmen und Tätigkeiten auf Umweltbestandteile seien vom Informationsanspruch erfasst.

7

Der (Umwelt-) Informationsanspruch sei grundsätzlich voraussetzungslos und bestehe unabhängig davon, aus welchem Interesse dieser geltend gemacht werde. Ungeachtet dessen besitze der Kläger eine Vielzahl von Gründen dafür, warum er Einsicht in diesen Vertrag begehre. Neben der Tatsache, dass der Vertrag erhebliche finanzielle Folgen für die Beklagte habe, bestünden Zweifel, ob bei dem gesamten Vorgehen ein rechtsstaatliches Verfahren eingehalten worden sei. Darüber hinaus stelle sich die Frage, inwieweit der Vertrag eine Bauverpflichtung enthalte und unmittelbaren Bezug auf die Fortschreibung des Flächennutzungsplanes nehme. Damit seien auch umweltrechtliche Belange tangiert. Der Kläger besitze ein Interesse daran zu erfahren, ob im Vertrag geregelt ist, auf welchen Waldwegen und in welcher Breite die Zuwegung des Standortes „A...“ erfolgen solle, um abschätzen zu können, wie viele Waldrodungen für den Transport der Rotoren mit Schwerlast-LKW erforderlich sein würden. Zudem stellten sich die immissionsschutzrechtlichen Fragen des Lärmschutzes sowie des Schattenwurfes auf die benachbarten Gebäude. Ferner wolle er wissen, ob im Vertrag Vorsorge zur Rekultivierung der Waldflächen getroffen worden sei. Über den konkreten Verlauf der Zuwegungen seien bei der Informationsveranstaltung, auf die der Kreisrechtsausschuss Bezug nehme, keine Angaben gemacht worden.

8

Der Anspruch könne nicht durch den Verweis auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verwehrt werden. Bei der im Vertrag üblicherweise geregelten Zuwegung fehle es bereits an der Unternehmensbezogenheit der Daten. Selbst wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegen sollten, müsse neben dem Mangel an Offenkundigkeit ein berechtigtes Interesse des Unternehmers an der Nichtverbreitung der betreffenden Informationen bestehen. Die Ausnahmetatbestände des Umweltinformationsanspruches seien eng auszulegen. Ferner habe sich die Beklagte nicht damit befasst, ob unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 1 S. 1 LUIG ein Anspruch auch ohne Zustimmung des Betroffenen – der Beigeladenen als Vertragspartner der Beklagten – dann bestehe, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege. Hiervon sei vor dem Hintergrund, dass im Zuge eines seitens des Klägers durchgeführten Bürgerbegehrens 285 Unterschriften gesammelt worden seien, auszugehen. Selbst wenn man einen Ausschließungsgrund annehme, könne dieser jedenfalls nicht auf den gesamten Vertrag durchschlagen. Die Beklagte habe nach § 9 Abs. 1 S. 4 LUIG nur dann von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auszugehen, soweit übermittelte Informationen als Betrieb- oder Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnet seien. Eine Kennzeichnung habe die Beigeladene jedoch bisweilen nicht vorgenommen.

9

Auch nach dem nunmehr seit dem 1. Januar 2016 geltenden Landestransparenzgesetz - LTranspG - seien die Voraussetzungen für einen Einsichtnahmeanspruch des Klägers erfüllt. Es handele sich inhaltlich auch um die Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe. So verbleibe es in der Verwaltungszuständigkeit einer Ortsgemeinde, Verpflichtungserklärungen abzugeben. Zudem betreffe ein Gestattungsvertrag über die Nutzung der Windenergie mit der Energieversorgung die Daseinsvorsorge. Die Vorgaben für die Bereitstellung von Flächen für die Windenergie seien ebenso dem öffentlichen Recht, etwa der Raumordnung und dem Flächennutzungsplan, zu entnehmen. Zudem handele es sich bei der Nutzung des Kommunalwaldes um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der Selbstverwaltung.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Verbandsgemeindeverwaltung B... vom 26. März 2015 und des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prüm vom 21. Oktober 2015 zu verpflichten, ihm Einsicht in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen bezüglich der Nutzung der Fläche „A...“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen zu gewähren,

12

hilfsweise, ihm unter Aufhebung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides zu verpflichten, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Zur Begründung trägt sie vor:

16

Der streitgegenständliche Nutzungsvertrag enthalte keine Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 LUIG, die sich auf Umweltbestandteile auswirken könnten. In diesem Zusammenhang sei auf das erforderliche Genehmigungsverfahren zu verweisen; das Vertragswerk enthalte keine Umweltinformationen, deren Beantwortung sich der Kläger mit der Vertragseinsicht erhoffe. Zudem habe die Beklagte im Rahmen einer Informationsveranstaltung das Projekt „Windkraft A...“ der Öffentlichkeit vorgestellt und Fragen durch den Vertreter der Beigeladenen beantworten lassen. Diese Informationen stünden nach wie vor online im Internet zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte das ihr zur Verfügung stehende Ermessen, wie der Zugang zu Informationen hergestellt werden könne, fehlerfrei angewendet. Letztlich stehe § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LUIG dem Auskunftsanspruch des Klägers entgegen. Die Beigeladene habe auch ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung, da die Offenlegung dieser Informationen jedenfalls geeignet sei, exklusives Wissen der Beigeladenen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen. Auch seien bereits solche Informationen schützenswert, die Rückschlüsse auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zuließen. Eine Schwärzung oder Abtrennung verschiedener Vertragspassagen sei bereits deshalb nicht möglich, weil Informationen, die im Interesse der Beigeladenen geheim zu halten seien, erst aus dem Regelungszusammenhang des gesamten Vertragswerks erkennbar seien. Unter Berücksichtigung der bereits zur Verfügung stehenden Informationen und der Tatsache, dass Umweltinformationen überhaupt erst im Laufe des Genehmigungsverfahrens entstünden, sei das Interesse des Klägers auch nicht gegenüber dem Interesse der Beigeladenen als überwiegend anzusehen.

17

Die Beigeladene beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung trägt sie vor:

20

Es sei bereits fraglich, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Nutzungsvertrag überhaupt um Umweltinformationen handele. Der Vertrag enthalte als solcher vornehmlich lediglich die umfassende Regelung des Rechtsverhältnisses, insbesondere Rechte und Pflichten der Vertragsparteien bezüglich des geplanten Vorhabens. Der Vertrag selbst wirke sich weder unmittelbar noch mittelbar auf Umweltbestandteile aus. Zudem habe die Beklagte alle Bürgerinnen und Bürger über das Projekt „Windkraft A...“ im Rahmen einer Informationsveranstaltung, an der auch der Kläger teilgenommen habe, informiert. Gegenstand dieser Informationsveranstaltung sei insbesondere der Standort der beiden Windkraftanlagen, die Abstände zur Wohnbebauung, der Schutz wertvoller Waldbestände, die benötigte Kranstellfläche sowie die Darstellung und Analyse der Sichtbarkeit beider Anlagen gewesen. Hierbei hätte sich der Kläger gegebenenfalls weitergehend über das Vorhaben informieren können. Eine Darstellung des Projekts befinde sich darüber hinaus nach wie vor auf der Internetseite der Beklagten. Unabhängig davon seien die Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LUIG zu berücksichtigen. Bei dem zwischen der Beklagten und der Beigeladenen abgeschlossenen Vertrag handele es sich um ein von der Beigeladenen auf die betriebseigene spezielle Abwicklung der Projekte hin entworfenes Vertragswerk, welches als sein geistiges Eigentum anzusehen sei. Als solches sei es urheberrechtlich geschützt. Ferner handele es sich bei dem Vertragswerk um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. In der Windkraftbranche komme dem Nutzungsvertrag eine zentrale Bedeutung im Wettbewerb um Nutzungsrechte zu. Die Wettbewerbssituation werde entscheidend durch den Inhalt des speziellen Nutzungsvertrages und den darin enthaltenen speziellen Vertragsbedingungen bestimmt. Dementsprechend werde das von der Beigeladenen entwickelte Vertragswerk flächendeckend von ihr eingesetzt. Wenn die Zusammensetzung der zu zahlenden Entschädigungshöhe den Konkurrenten der Beigeladenen bekannt würde, könnten diese das Wissen nutzen und ihre Angebote entsprechend ausgestalten, wodurch ein erheblicher Wettbewerbsnachteil entstünde. Ein Herausfiltern der Umweltinformationen aus dem Vertrag sei nicht möglich; diese seien vielmehr mit der vertraglichen Gestaltung der Rechte und Pflichten der Beteiligten untrennbar verknüpft, sodass mithin der Vertrag als Ganzes zu schützen sei.

21

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zudem wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Klage hat in der Sache sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg.

23

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen bezüglich der Nutzung der Fläche „A...“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen noch auf Neubescheidung seines diesbezüglichen Antrags, so dass er durch den ablehnenden Bescheid der Verbandsgemeindeverwaltung B... vom 26. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prüm vom 21. Oktober 2015 nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

24

1. Die für die Beurteilung seines Antrages auf Einsichtnahme in den Vertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 2 Abs. 2 des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. 2015, 383).

25

Nach dem einschlägigen Prozessrecht kann sowohl eine Anfechtungs- als auch eine Verpflichtungsklage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob aber ein belastender Verwaltungsakt den Kläger i.S. des § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt oder die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht. Das materielle Recht regelt nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs, sondern auch zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 - 8 C 5/03 -, BVerwGE 120, 246, ständige Rechtsprechung).

26

Nach § 30 Abs. 1 LTranspG trat dieses Gesetz am 1. Januar 2016 in Kraft; gleichzeitig traten - vorbehaltlich der für die vorliegende Entscheidung nicht maßgeblichen Regelung des § 26 Abs. 5 LTranspG - das Landesinformationsfreiheitsgesetz vom 26. November 2008 (GVBl. S. 296) sowie das Landesumweltinformationsgesetz vom 19. Oktober 2005 (GVBl. S. 484) gemäß § 30 Abs. 2 LTranspG außer Kraft. Bereits dies spricht dafür, auch vor dem 1. Januar 2016 gestellte, aber noch nicht bestandskräftig abgelehnte Anträge auf Informationserteilung dem Landestransparenzgesetz zu unterwerfen (vgl. zum Umweltinformationsgesetz des Bundes vom 22. Dezember 2004: BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2005 – 7 C 5/04 –, NVwZ 2006, 343). Dies gilt erst recht angesichts der Regelung in § 26 Abs. 3 LTranspG, wonach auch in den Fällen, in denen Anträge auf Zugang zu Informationen vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes nach den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes oder des Landesumweltinformationsgesetzes gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden ist. Dass als Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift lediglich Entscheidungen im Verwaltungs- einschließlich des Widerspruchsverfahrens zu verstehen sein sollten, nicht hingegen gerichtliche Entscheidungen über noch nicht bestandskräftig abgelehnte Anträge auf Informationsgewährung, ist nicht ersichtlich. Auch die Gesetzesmaterialien enthalten keine diesbezüglichen Hinweise (vgl. LT-Drs. 16/5173, zu § 26 Abs. 3 LTranspG).

27

2. Nach § 2 Abs. 2 LTranspG haben die in § 2 Abs. 1 S. 2 und 3 LTranspG genannten Personen – folglich insbesondere natürliche Personen wie der Kläger – einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist; ein rechtliches oder berechtigtes Interesse muss nicht dargelegt werden. Die Beklagte ist aber im vorliegenden Falle keine transparenzpflichtige Stelle, mithin steht dem Kläger ihr gegenüber kein Informationsanspruch zu. Ob es sich bei dem Vertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen um vom Anspruch erfasste amtliche Informationen im Sinne des § 5 Abs. 2 LTranspG oder auch um Umweltinformationen im Sinne des § 5 Abs. 3 LTranspG handelt, kann daher dahinstehen.

28

a) Nach § 3 Abs. 1 HS 1 LTranspG gilt das LTranspG für die Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben (insoweit abweichend von der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2005, a.a.O., zugrundeliegenden Gesetzeslage). Zwar unterfällt die Beklagte als rheinland-pfälzische Kommune grundsätzlich dem Anwendungsbereich des LTranspG, jedoch übt sie im vorliegenden Fall keine Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 HS 1 LTranspG aus. Durch den Zusatz „Verwaltungstätigkeit“ hat der Landesgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Behörde inhaltlich eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe wahrgenommen haben muss (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33). Was allerdings unter einer Verwaltungsaufgabe zu verstehen ist, wird weder im Landestransparenzgesetz noch in den Gesetzesmaterialien definiert. Allerdings macht das Gesetz deutlich, dass auch Behörden nicht hinsichtlich sämtlicher Aktivitäten dem Landestransparenzgesetz unterworfen sind. Ausgenommen müssen jedenfalls solche Vorgänge sein, bei denen eine Gemeinde in gleicher Weise wie eine Privatperson von ihren Eigentümerrechten Gebrauch macht, ohne dadurch unmittelbar Verwaltungsaufgaben wie etwa Daseinsvorsorge wahrzunehmen.

29

b) Mit dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages hat die Beklagte lediglich der Beigeladenen die Nutzung eines Vermögensgegenstandes überlassen (§ 79 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Gemeindeordnung – GemO –), also lediglich von ihren Befugnissen aus ihrem Grundeigentum Gebrauch gemacht. Dies mag zwar mittelbar Auswirkungen auf die Verwaltungstätigkeit der Gemeinde haben. Das allein löst jedoch noch nicht die Unterwerfung unter die Normen des Landestransparenzgesetzes aus, da ansonsten die gesetzliche Beschränkung auf die Wahrnehmung von „Verwaltungstätigkeiten“ leerliefe. Anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, stellt die zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vereinbarte Nutzungsüberlassung insbesondere keine Maßnahme der Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes (vgl. §§ 3 Abs. 2, 11 des Bundeswaldgesetzes – BundeswaldG -, §§ 2 Nr. 2, 9 f., 26 ff. des Landeswaldgesetzes - LWaldG -) dar, zumal die forstfachliche Leitung im Körperschaftswald durch das Forstamt ausgeübt wird (§ 27 Abs. 1 LWaldG). Auch im Hinblick auf die Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes wirkt sich die vereinbarte Nutzungsüberlassung vielmehr lediglich mittelbar aus und ist daher keine Verwaltungstätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 HS 1 LTranspG. Da es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme gibt, die getroffene Vereinbarung enthalte unter Umständen auch Vereinbarungen über Bewirtschaftungsmaßnahmen, konnte davon abgesehen werden, die Beklagte zur Vorlage des Vertrages aufzufordern und gegebenenfalls den Ausgang eines Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abzuwarten (vgl. OVG RP, Urteil vom 30. Januar 2014 – 1 A 10999/13.OVG -, DVBl 2014, 730).

30

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

31

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

32

Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 1, 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

33

Beschluss

34

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).

35

Beschluss

36

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Beigeladene wird für notwendig erklärt (§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
und
VERSÄ UMNISURTEIL
II ZR 331/00 Verkündet am:
29. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit
sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten
begründet.

b) In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifähig.

c) Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit
der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen
bei der OHG (Akzessorietät) - Fortführung von BGHZ 142, 315.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 – OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. März 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und hinsichtlich der Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Vorbehaltsurteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ansbach vom 26. November 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zu 1 neben den Beklagten zu 2 und 3 wie eine Gesamtschuldnerin verurteilt wird.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4 trägt die Klägerin. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich des ersten Rechtszuges tragen die Beklagten zu 2 und 3 gesamtschuldnerisch und daneben die Beklagte zu 1 wie eine Gesamtschuldnerin 3/4 und die Klägerin 1/4 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in den Rechts- mittelinstanzen sowie die Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1 je zur Hälfte. Die Gerichtskosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1 zu 1/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin klagt im Wechselprozeß auf Zahlung der Wechselsumme von 90.000,00 DM zuzüglich Nebenforderungen gegen die Beklagte zu 1, eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, als Wechselakzeptantin und die früheren Beklagten zu 2 und 3 als deren Gesellschafterinnen. Die Haftung des Beklagten zu 4 für die Wechselforderung leitet sie aus Rechtsscheinsgesichtspunkten her. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß gesamtschuldnerisch zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 4 auf deren Berufung hin abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


Da die Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die sie betreffende Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage wendet. Im übrigen ist sie unbegründet.

A.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Beklagte zu 1 unzulässig, weil es sich bei dieser um eine nicht parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts handele. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der Senat hält es unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung für geboten, die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts in dem Umfang als im Zivilprozeß parteifähig anzusehen (§ 50 ZPO), in dem sie als Teilnehmer am Rechtsverkehr Träger von Rechten und Pflichten sein kann.
I. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich, das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (BGHZ 116, 86, 88; 136, 254, 257; im Ansatz auch bereits BGHZ 79, 374, 378 f.). Soweit sie in
diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).
1. Über die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden sich im Gesetz keine umfassenden und abschließenden Regeln. Im ersten Entwurf des BGB war die Gesellschaft nach römischrechtlichem Vorbild als ein ausschließlich schuldrechtliches Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern ohne eigenes, von dem ihrer Gesellschafter verschiedenen, Gesellschaftsvermögen gestaltet (vgl. Mot. II 591 = Mugdan II 330). Die zweite Kommission konstituierte hingegen ein Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen (vgl. die heutigen §§ 718, 719 BGB), ohne jedoch die aus dem Gesamthandsprinzip folgenden Konsequenzen im einzelnen zu regeln. Es ist vielmehr im wesentlichen bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis geblieben, dem in unvollständiger Weise das Gesamthandsprinzip "darüber gestülpt" wurde (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. I/1 1977, S. 3 f.; vgl. auch Ulmer, FS Robert Fischer 1979, S. 785, 788 f.). Zum Inhalt des Gesamthandsprinzips heißt es in den Protokollen lediglich, die Meinungen "darüber, wie die Rechtsgemeinschaft der gesammten Hand theoretisch zu konstruiren sei und was man als das charakteristische Merkmal derselben anzusehen habe, (gingen) auseinander" (Prot. II 429 = Mugdan II 990). "Die Kom. glaubte, zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der gesammten Hand nicht Stellung nehmen zu sollen, vielmehr nur entscheiden zu müssen, welche Bestimmungen sachlich den Vorzug verdienen" (Prot. II 430 = Mugdan II 990).
2. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung und das erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu ver-
meiden, lassen Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Gesamthandsprinzips orientierte Beurteilung der Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Danach verdient die Auffassung von der nach außen bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft den Vorzug. Diese Auffassung geht auf die deutschrechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zurück (vgl. Otto Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 1895, S. 663 ff., 682). Sie wurde maßgeblich von Flume (aaO S. 50 ff.; ZHR 136 [1972], 177 ff.) in die moderne Diskussion eingeführt und hat sich im neueren Schrifttum weitgehend durchgesetzt (vgl. vor allem MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl. § 705 Rdn. 130 ff. m.w.N. in Fn. 373; ders. AcP 198 [1998], 113 ff.; ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. § 8 III, S. 203 ff.; Wiedemann, WM 1994 Sonderbeilage 4, S. 6 ff.; Huber, FS Lutter 2000, 107, 122 ff.; Hüffer, Gesellschaftsrecht 5. Aufl. S. 47 ff.; DaunerLieb , Die BGB-Gesellschaft im System der Personengesellschaften, in: Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften [Schriftenreihe der Bayer-Stiftung für deutsches und internationales Arbeits- und Wirtschaftsrecht ] 1999, S. 95, 99 ff.; Reiff, ZIP 1999, 517, 518; Mülbert, AcP 1999, 39, 43 ff.; Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung 2000, S. 211 ff.).

a) Dieses Verständnis der Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft bietet ein praktikables und weitgehend widerspruchsfreies Modell für die vom Gesetz (§§ 718-720 BGB) gewollte rechtliche Absonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter. Die sogenannte traditionelle Auffassung, die ausschließlich die einzelnen Gesellschafter als Zuordnungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten ansieht (vgl. Zöllner, FS Gernhuber 1993, S. 563 ff.; ders. FS
Kraft 1998, S. 701 ff.; Hueck, FS Zöllner 1998, S. 275 ff.) weist demgegenüber konzeptionelle Schwächen auf. Betrachtet man die Gesellschaftsverbindlichkeiten lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter gemäß § 427 BGB, widerspricht dies dem Gesamthandsprinzip. Der einzelne Gesellschafter kann, wenn sich der geschuldete Gegenstand im Gesellschaftsvermögen befindet, die Leistung wegen § 719 BGB nicht als Gesamtschuldner allein erbringen. Dies führt dazu, daß auch die Vertreter der traditionellen Auffassung zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterschuld differenzieren müssen. Bei der für die "Gesellschaft" abgeschlossenen Verbindlichkeit handele es sich um eine "einheitliche Verpflichtung mit doppelter Wirkung" in Bezug auf einerseits das Gesamthandsvermögen, andererseits das persönliche Vermögen der Gesellschafter (vgl. Hueck, FS Zöllner, S. 293; Zöllner, FS Gernhuber, S. 573). Dies verwischt aber die Grenzen zwischen Schuld und Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen (Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft 1981, S. 110 f.; Dauner-Lieb aaO, S. 100 ff.).

b) Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im oben beschriebenen Sinne besteht darin, daß danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluß auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl. Senat, BGHZ 79, 374, 378 f.). Bei strikter Anwendung der traditionellen Auffassung müßten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis nur ein Schuldverhältnis darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern bestehende Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von
Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermag im übrigen keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern, warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte. Die dafür angebotene Begründung, wonach der neue Gesellschafter in einer Art Gesamtrechtsnachfolge "in alle bestehenden Rechts- und Vertragspositionen hineinwachse" (Zöllner, FS Kraft, S. 715), läßt sich mit der Auffassung der Gesellschaft als reines Schuldverhältnis der Gesellschafter im Grunde nicht vereinbaren (dazu auch Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 142).

c) Die hier vertretene Auffassung ist zudem eher in der Lage, identitätswahrende Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in andere Rechtsformen und aus anderen Rechtsformen zu erklären. Betreibt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gewerbe, dann wird sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG, sobald das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 105 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 HGB). Da der OHG jedenfalls Rechtssubjektivität im oben beschriebenen Sinne zukommt (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), würden sich bei konsequenter Anwendung der traditionellen Auffassung die Eigentumsverhältnisse an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung zur OHG ändern. Dies würde für die Praxis insbesondere deshalb schwierige Probleme bereiten (vgl. Reiff, ZIP 1999, 517, 518 f.), weil für den Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG infolge des wertungsabhängigen Kriteriums des Erfordernisses eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs ein genauer
Zeitpunkt der Umwandlung kaum ausgemacht werden kann. Auch der Umstand , daß im neuen Umwandlungsrecht (§§ 190 ff., 226 ff. UmwG) Kapitalgesellschaften im Wege des identitätswahrenden Formwechsels in Personengesellschaften - auch in Gesellschaften bürgerlichen Rechts, vgl. § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG - umgewandelt werden können, läßt sich auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung ohne weiteres, aus Sicht der traditionellen Auffassung aber - wenn überhaupt - nur mit Mühe erklären (vgl. dazu Wiedemann, ZGR 1996, 286, 289 f.; Mülbert, AcP 199 [1999], 38, 60 ff.; Timm, NJW 1995, 3209 ff.; Hueck, FS Zöllner, S. 280 ff.; Zöllner, FS Claussen 1997, 423, 429 ff.).

d) Schließlich unterstützt die Tatsache, daß der Gesetzgeber mittlerweile die Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO wie auch schon § 1 Abs. 1 GesO), die Gesellschaft mithin als Träger der Insolvenzmasse ansieht, ebenfalls die Annahme der Rechtssubjektivität.
3. Gegen diese Auffassung läßt sich nicht mit dem Gesetzeswortlaut insbesondere des § 714 BGB argumentieren. Zwar zeigt der Umstand, daß dort nur von einer Vertretungsmacht für die Gesellschafter, nicht aber für die "Gesellschaft" die Rede ist, daß bei der Formulierung der Norm an eine Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer verpflichtungsfähigen Organisation nicht gedacht worden ist (Senat, BGHZ 142, 315, 319 f.). Bedenkt man aber, daß die Vorschrift im Kern unverändert aus § 640 Abs. 1 des ersten Entwurfs (abgedruckt bei Mugdan II CVI) in das BGB übernommen wurde und dieser erste Entwurf das Gesamthandsprinzip noch nicht kannte, gibt der Wortlaut für eine Deutung der Rechtsnatur der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nichts her. Der Senat braucht insoweit nicht der Frage nachzugehen,
ob bereits der historische Gesetzgeber in Ansehung der deutschrechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft als ungeschriebenes geltendes Recht angesehen hat (dazu Wertenbruch aaO, S. 34 ff.). Entscheidend ist, daß er jedenfalls eine solche Annahme nicht hat ausschließen wollen.
4. In der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft liegt kein Widerspruch zu den §§ 21, 22, 54 BGB, wo mit Rechtsfähigkeit offensichtlich die Fähigkeit der Gesellschaft gemeint ist, Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit "als solcher" und nicht als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder zu sein. Wie § 14 Abs. 2 BGB zeigt, geht aber das Gesetz davon aus, daß es auch Personengesellschaften gibt, die Rechtsfähigkeit besitzen. So ist es praktisch unbestritten, daß OHG und KG Träger von Rechten und Pflichten sein können und damit rechtsfähig sind, ohne als Gesamthandsgemeinschaften den Status einer juristischen Person zu besitzen. Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 80, 129, 132; 117, 323, 326) für die Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften.
II. Erkennt man die Fähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann ihr die Parteifähigkeit im Zivilprozeß , die gemäß § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, nicht abgesprochen werden.
1. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die notwendige prozeßrechtliche Konsequenz der Anerkennung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten (bejahend auch Wiedemann
aaO, S. 9 f.; Hüffer, FS Stimpel 1985, S. 165, 168 ff.; Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl. § 714 BGB Rdn. 52; Wertenbruch aaO, S. 213 ff.; MünchKomm ZPO/Lindacher, § 50 Rdn. 23 ff.; Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. § 50 Rdn. 22; für die Mitunternehmer-Gesellschaft auch K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1805 ff.). Im Zivilprozeß ist aktivlegitimiert, das heißt "richtige" Partei, wer Inhaber des geltend gemachten Rechts ist; derjenige ist passivlegitimiert, also "richtiger" Beklagter, der Verpflichteter aus dem geltend gemachten Recht ist. Dieser Sachbefugnis entspricht - von den Fällen der Prozeßstandschaft abgesehen - grundsätzlich auch die Prozeßführungsbefugnis. Da nicht die einzelnen Gesellschafter , sondern die Gesellschaft materiell Rechtsinhaberin oder Verpflichtete ist, ist diese "richtige" Partei eines Rechtsstreits um eine Gesellschaftsforderung oder -verpflichtung und insoweit parteifähig und prozeßführungsbefugt.
2. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist dem bisher praktizierten Modell, wonach die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich das Gesellschaftsvermögen betreffender Forderungen und Verbindlichkeiten bei den eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO bildenden Gesellschaftern liegt (vgl. Senat, BGHZ 30, 195, 197; Urt. v. 12. März 1990 - II ZR 312/88, ZIP 1990, 715, 716; MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 42 f.; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 50 Rdn. 17; Heller, Der Zivilprozeß der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1989, S. 56 ff., 110 ff.), in mehrfacher Hinsicht vorzuziehen.

a) Die notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter kann nicht als adäquater Ersatz für die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft angesehen werden, weil das Instrument der notwendigen Streitgenossenschaft
nicht die angemessenen prozessualen Konsequenzen aus den gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsregeln zieht. Zwar stimmen notwendige Streitgenossenschaft und Gesamthandsprinzip insoweit überein, als die Klage nur gegen alle Gesamthänder erhoben werden kann und das Urteil einheitlich ergehen muß. Im übrigen gewährleistet aber die notwendige Streitgenossenschaft keine den Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand entsprechende Prozeßführung, denn bei der notwendigen Streitgenossenschaft betreibt jeder Streitgenosse seinen eigenen Prozeß (§ 63 ZPO). Die Verbindung mit den anderen Streitgenossen besteht lediglich in der erforderlichen Einheitlichkeit des Urteils und der Zurechnung des Verhandelns der anderen Streitgenossen im Falle der Säumnis eines Teils der Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO). Es gibt bei der notwendigen Streitgenossenschaft aber keine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Vornahme von Prozeßhandlungen. Vielmehr kann jeder Streitgenosse unabhängig von den anderen Prozeßhandlungen mit Wirkung für sein Prozeßrechtsverhältnis vornehmen (BGHZ 131, 376, 379) und kann jeder Streitgenosse auch einen eigenen Prozeßbevollmächtigten bestellen. Sich widersprechenden Vortrag verschiedener Streitgenossen kann das Gericht gemäß § 286 ZPO frei würdigen (MünchKommZPO/Schilken, § 62 Rdn. 48; Heller aaO, S. 159). Jeder der Streitgenossen kann gesondert Rechtsmittel mit der Folge einlegen, daß das Urteil auch gegenüber den anderen Streitgenossen nicht rechtskräftig wird (BGHZ 131, 376, 382).
Es bestehen somit wesentliche Unterschiede zur materiellrechtlichen Vertretungs- und Verfügungsbefugnis bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Wenn beispielsweise nur ein Gesellschafter geschäftsführungsbefugt ist, können die anderen Gesellschafter materiellrechtlich für die Gesellschaft
keine wirksamen Erklärungen abgeben; wenn zwei nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugte Gesellschafter sich widersprechende materiellrechtliche Erklärungen abgeben, kann keine davon wirksam sein. Das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft ist also nicht in der Lage, eine den materiellrechtlichen Verhältnissen adäquate Prozeßführung zu gewährleisten, weil die Prozeßführung bei einer notwendigen Streitgenossenschaft anderen Regeln unterliegt als sie für die Vertretung der Gesellschaft gelten.
Dieses Ergebnis ließe sich allenfalls dadurch umgehen, daß man die materiellrechtliche Vertretungsbefugnis auf die Prozeßführungsbefugnis der Gesamthänder als Streitgenossen überträgt, die Gesellschafter prozessual als "Gruppe", vertreten durch ihren Geschäftsführer, behandelt und nur vom Geschäftsführer vorgenommene Prozeßhandlungen als wirksam anerkennt. Eine solche Lösung wäre jedoch mit den Grundprinzipien der notwendigen Streitgenossenschaft nicht vereinbar. Die Bevollmächtigung des Geschäftsführers im Gesellschaftsvertrag kann dem einzelnen als Streitgenossen verklagten Gesellschafter nicht die Prozeßführungsbefugnis in einem Prozeß nehmen, in dem er selbst Partei ist. Im Ergebnis liefe ein derartiger Korrekturversuch auf eine verschleierte Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hinaus. Geht man hingegen offen von der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus, läßt sich die gewünschte Übereinstimmung von Prozeßführungsund gesellschaftsrechtlicher Vertretungsbefugnis zwanglos und ohne Verletzung prozessualer Grundsätze erreichen. Es sind dann von vornherein nur diejenigen Prozeßhandlungen wirksam, die in Übereinstimmung mit den gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln erfolgen.

b) Gegen das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft der Gesellschafter spricht des weiteren, daß unter seiner Geltung sowohl im Aktiv- als auch im Passivprozeß immer sämtliche gegenwärtigen Mitglieder der Gesellschaft verklagt werden und klagen müssen, um einen Titel gegen und für die Gesamthand zu erhalten. Das kann den Gesellschaftsgläubigern bei größeren Gesellschaften und bei solchen mit häufigem Mitgliederwechsel erfahrungsgemäß erhebliche Probleme bereiten. Als Beispiele hierfür sei auf die den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 12. März 1990 (Senat aaO, ZIP 1990, 715) und vom 15. Oktober 1999 (V ZR 141/98, ZIP 1999, 2009) zugrundeliegenden Sachverhalte verwiesen. Der Senat ist im erstgenannten Fall dem klagenden Gesellschaftsgläubiger, der aus eigener Kenntnis nicht über die Namen der inzwischen mehr als 70 Gesellschafter verfügte, dadurch entgegengekommen, daß er die korrekte Einbeziehung aller Gesellschafter in die Klage lediglich als einen Akt der Rubrumsberichtigung aufgefaßt hat (Senat aaO, ZIP 1990, 715, 716). Diese Lösung verläßt im Grunde bereits die Auffassung von den Gesellschaftern als notwendigen Streitgenossen, denn die unterbliebene Benennung aller aus materiellrechtlichen Gründen notwendigen Streitgenossen hätte zur Unzulässigkeit der Klage führen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 1991 - V ZR 196/90, WM 1992, 313, 315; Stein/Jonas/Bork aaO, § 62 Rdn. 20 f., 25; Musielak/Weth aaO, § 62 Rdn. 11). Im Ergebnis ist dieser Fall bereits so behandelt worden, als sei die Gesellschaft selbst die beklagte Partei und mithin parteifähig. Vor ähnlichen Schwierigkeiten stehen die Beteiligten auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung auch in den nicht seltenen Fällen, in denen die Mitgliedschaft eines Gesellschafters unklar und streitig ist. In diesen Fällen muß - sei es im Aktivverfahren oder im Passivverfahren - vor einer Entscheidung in der Sache zunächst die mit dem Kern des Rechtsstreits in keiner Weise zusammenhängende Frage geklärt werden, inwiefern die fragliche
Person wirksam Mitglied geworden ist, bzw. inwiefern sie wirksam ausgeschieden ist. Auch hier hat sich die Rechtsprechung damit zu behelfen versucht, daß bei irrtümlich unterbliebener Aufführung eines Gesellschafters lediglich das Rubrum unrichtig sei (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1996 - IX ZR 135/95, NJW 1997, 1236; vgl. auch OLG Hamburg LZ 1917, 78). Diese Hilfskonstruktionen der bisherigen Rechtsprechung, die es im Interesse der Sachgerechtigkeit ermöglichen sollten, trotz formalen Festhaltens am Streitgenossenschaftsmodell die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als parteifähig zu behandeln, können aber letztlich nicht überzeugen. Insbesondere versagen sie im Stadium der Zwangsvollstreckung, denn der Gerichtsvollzieher hat in Zweifelsfällen nicht die Möglichkeit zu prüfen, ob es sich bei den in einem Titel aufgeführten Gesellschaftern um sämtliche Gesellschafter handelt. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist demgegenüber sowohl im Erkenntnis-, als auch im Vollstreckungsverfahren die einfachere und konsequentere Lösung.

c) Zu erheblichen Problemen, die praktisch nicht befriedigend gelöst werden können, kommt die Streitgenossenschaftslösung auch im Falle des Neueintritts und des Mitgliederwechsels während des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens im Gesamthandsschuldprozeß. Die Vertreter der Streitgenossenschaftslösung gehen bei einem während des Erkenntnisverfahrens eingetretenen Parteiwechsel analog §§ 239, 241, 246 ZPO von einem gesetzlichen Parteiwechsel aus (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 60 ff.; Heller aaO, S. 200 f.): Auf Antrag sei der Prozeß in diesem Fall analog § 246 ZPO bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den neuen Gesellschafter zu unterbrechen; das Rubrum sei vom Gericht zu berichtigen; bleibe ein nach Rechtshängigkeit erfolgter Neueintritt oder Mitgliederwechsel bis zum Abschluß
des Erkenntnisverfahrens unbekannt, könne der Titel nachträglich analog § 727 ZPO auf den neueingetretenen Gesellschafter umgeschrieben werden; gleiches gelte für den nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens und vor Beginn der Zwangsvollstreckung neu eingetretenen Gesellschafter.
Dieser Lösungsvorschlag ist in praktischer Hinsicht unzulänglich. So ist eine Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn der unerkannte Neueintritt oder Mitgliederwechsel vor Rechtshängigkeit der Klage erfolgt ist. Die Vorschrift ist nur auf nach Rechtshängigkeit eingetretene Rechtsänderungen anwendbar (BGHZ 120, 387, 392). Die Möglichkeit der Titelumschreibung versagt zudem, wenn der Gläubiger den Neueintritt nicht in der gemäß § 727 ZPO erforderlichen Art und Weise (Offenkundigkeit bei Gericht oder öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden) nachweisen kann. Er müßte dann erst Klage auf Klauselerteilung gemäß § 731 ZPO erheben. Im übrigen ist zu bedenken, daß bei Bekanntwerden eines vom Titel abweichenden Bestandes der Gesellschafter zunächst in jedem Fall erst einmal das Zwangsvollstreckungsverfahren eingestellt werden müßte. Etwa bereits eingeleitete Forderungspfändungen und andere Zwangsmaßnahmen gingen ins Leere und die Gesellschaft könnte inzwischen anderweitig über die zur Zwangsvollstreckung ausersehenen Gegenstände verfügen. Im übrigen könnte die Gesellschaft - die Gefahr ist insbesondere bei Publikumsgesellschaften gegeben - die Vollstreckung durch sukzessive Bekanntgabe immer weiterer Veränderungen im Gesellschafterbestand nahezu gänzlich unmöglich machen (vgl. Wiedemann aaO, S. 5). Die Streitgenossenschaftslösung kann demnach die infolge des Auseinanderfallens von materieller Berechtigung (die der Gesellschaft zukommt) und Prozeßführungsbefugnis (die bei den Gesellschaftern liegen soll) unweigerlich auftretenden Probleme nicht befriedigend lösen, sondern
verlagert sie lediglich vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren. Bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hindert eine Veränderung im Gesellschafterbestand - sei sie vor, während oder nach dem Prozeß erfolgt - die Rechtsdurchsetzung hingegen in keiner Weise.
3. Die Regelung des § 736 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist, steht der Anerkennung der Parteifähigkeit nicht entgegen. Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil ist ein Urteil "gegen alle Gesellschafter" im Sinne des § 736 ZPO. Die Vorschrift verlangt weder vom Wortlaut noch vom Zweck her ein Urteil gegen jeden einzelnen Gesellschafter.

a) Aus der Entstehungsgeschichte des § 736 ZPO folgt, daß Zweck dieser Regelung die Verhinderung der Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Ausschluß der Parteifähigkeit der Gesellschaft ist (ausführlich Wertenbruch aaO, S. 122 ff.; vgl. auch Wiedemann aaO, S. 10). Nach § 645 des ersten Entwurfs (E I) zum BGB (abgedruckt bei Mugdan II CVII), der die Gesellschaft als römischrechtliche Bruchteilsgemeinschaft gestaltete, war die Verfügung des Gesellschafters über seinen Anteil nicht dinglich, sondern nur schuldrechtlich ausgeschlossen. Privatgläubiger einzelner Gesellschafter hätten im Rahmen der Zwangsvollstreckung also direkt Zugriff auf deren Anteile am Gesellschaftsvermögen gehabt. Um eine solche Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zu verhindern, beschloß die zweite Kommission zunächst "in eventueller Abstimmung, für den Fall der Beibehaltung des § 645 des Entwurfs" (Prot. II 428 = Mugdan II 989) folgenden § 645 a:

"Die Zwangsvollstreckung in die gemeinschaftlichen Gegenstände findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt. Aufgrund eines nur gegen einen Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels findet die Zwangsvollstreckung nur in dasjenige statt, was dem Gesellschafter als Gewinnantheil oder bei der Auseinandersetzung zukommt. ..." (Prot. II 426 = Mugdan II 988). Im weiteren Verlauf der Beratungen entschied sich die zweite Kommission , an Stelle des § 645 E I das Prinzip der gesamten Hand zu setzen (Prot. II 428 ff. = Mugdan II 990 ff.), welches in § 658 des zweiten Entwurfs (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. III 1983, S. 296) seinen Ausdruck fand. § 658 E II entspricht dem heutigen § 719 BGB und enthielt zunächst zusätzlich folgenden Absatz 3:
"Die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt." Später wurde dieser Abs. 3 aus dem zweiten Entwurf zum BGB gestrichen. "Als Ersatz" sollte "im Art. 11 des Einführungsgesetzes vor dem § 671 a folgender § 671 in die Civilprozeßordnung eingestellt werden" (Jakobs /Schubert aaO, S. 297 Fn. 20):
"Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 745 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter vollstreckbares Urtheil erforderlich." Hieraus wurde schließlich die Bestimmung des § 736 ZPO.
Diese Entwicklung zeigt, daß die Regelung eine Ausprägung des Prinzips der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens darstellt, mit dessen Übernahme der historische Gesetzgeber erreichen wollte, daß der einzelne Gesellschafter nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), daß er sich nicht durch Aufrechnung mit einer ihm nur gegen einen der anderen Gesellschafter zustehenden Forderung aus einer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft befreien (§ 719 Abs. 2 BGB) und daß nicht ein Gläubiger nur eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen vollstrecken können soll (§ 736 ZPO). Diese Zielsetzung ist in der dem Reichstag mit dem Gesetzentwurf des BGB vom Reichsjustizamt vorgelegten Denkschrift (Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1896, S. 87 f.) ausdrücklich in diesem Sinne formuliert worden. Die Regelung in § 736 ZPO stellt mithin als Ausdruck der gesamthänderischen Vermögensbindung das vollstreckungsrechtliche Pendant zu § 719 Abs. 1 BGB dar und wird treffend auch als "§ 719 Abs. 3 BGB" (Wertenbruch aaO, S. 124, 129) bezeichnet.
Das Ziel der Verhinderung einer Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch Gläubiger nur einzelner Gesellschafter wird bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft mindestens ebenso gut erreicht wie bei Zulassung von Klagen nur gegen die einzelnen Gesellschafter. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, daß die Regelung des § 736 ZPO zum Ziel hat, die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß auszuschließen. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft ist vom Gesetzgeber ebensowenig abschließend geregelt worden wie das "Wesen der Gesamthand" allgemein. Dementsprechend hat Gottlieb Planck, Generalreferent der zweiten Kommission, bereits in der im Jahre 1900 erschienenen ersten Auflage seines
Kommentars zum BGB trotz Ablehnung der Parteifähigkeit ausgeführt, die §§ 736, 859 ZPO berührten die Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht, sie seien lediglich mit Rücksicht auf das Gesamthandsprinzip in das Gesetz aufgenommen worden (vor § 705 Anm. II 2, S. 453).

b) Kein durchgreifendes Argument gegen die Anerkennung einer Parteifähigkeit kann auch der amtlichen Begründung der CPO-Novelle zu § 670 b CPO (später § 736 ZPO) aus dem Jahre 1897 (Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 8. Band, 1898, S. 138 f.) entnommen werden. Soweit es darin heißt, die Gesellschaft könne nicht "als solche" verklagt werden, muß das nicht im Sinne einer Ablehnung der Parteifähigkeit gemeint sein. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert galt der Begriff "Gesellschaft als solche" - wie Wertenbruch (aaO S. 9 ff.; 46 ff.; 132) nachgewiesen hat - als Umschreibung für juristische Person. So hieß es in Art. 231 ADHGB zur Aktiengesellschaft, diese könne "als solche" klagen und verklagt werden (vgl. auch den heutigen § 41 Abs. 1 AktG). Bei der OHG hingegen wurde der Zusatz, die Gesellschaft habe "als solche" ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen, wie er noch in Art. 87 des preußischen Entwurfs zum ADHGB aus dem Jahre 1857 enthalten war, nicht in den späteren Art. 111 ADHGB (heute § 124 HGB) übernommen, weil darin eine Definition der juristischen Person zu sehen sei (vgl. Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858, S. 156). Daß die Formulierung "als solche" in bezug auf die Aktiengesellschaft die Gestaltung als juristische Person zum Ausdruck bringen soll, geht auch aus den Ausführungen von Makower (HGB Band I 13. Aufl. 1906, § 210 Anm. I a) und Flechtheim (in Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. 1934, § 210 Anm. 2) hervor.

c) Die Bestimmung des § 736 ZPO wird durch die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht überflüssig. Versteht man die Bestimmung so, daß der Gläubiger nicht nur mit einem Titel gegen die Gesellschaft als Partei in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann, sondern auch mit einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter aus ihrer persönlichen Mithaftung (vgl. auch MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 54), behält sie durchaus einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Rechtslage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist insoweit anders als bei der OHG, wo gemäß § 124 Abs. 2 HGB eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ausschließlich mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Titel möglich ist.
4. Auch der Umstand der fehlenden Registerpublizität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hindert nicht die Anerkennung ihrer Parteifähigkeit. Der Senat verkennt zwar nicht, daß es wegen der fehlenden Publizität in einigen Fällen schwierig werden könnte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Prozeß so klar zu bezeichnen, daß eine eindeutige Identifizierung - vor allem auch im Vollstreckungsverfahren - möglich ist. Auch ist von außen nicht immer leicht zu ermitteln, inwieweit ein Zusammenschluß mehrerer tatsächlich als (Außen -)Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist (vgl. K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1806 f.). Diese Schwierigkeiten wiegen aber nicht so schwer, daß daran die Anerkennung der Parteifähigkeit scheitern müßte.
Im Aktivprozeß der Gesellschaft ist es den für die Gesellschaft auftretenden Personen ohne weiteres zumutbar, die Gesellschaft - beispielsweise durch die möglichst exakte Bezeichnung der Gesellschafter, der gesetzlichen Vertreter und der Bezeichnung, unter der die Gesellschaft im Verkehr auftritt - identifizierbar zu beschreiben. Sollte sich im Verlauf des Prozesses heraus-
stellen, daß tatsächlich keine Außengesellschaft existiert, müßte zumindest derjenige für die Prozeßkosten aufkommen, der im Namen der vermeintlichen Gesellschaft den Prozeß als deren Vertreter ausgelöst hat. Im Falle des Auftretens für eine nicht existierende Partei trägt der in deren Namen auftretende und die Existenz der Partei behauptende Vertreter als Veranlasser des unzulässigen Verfahrens die Prozeßkosten (Sen.Urt. v. 25. Januar 1999 - II ZR 383/96, ZIP 1999, 489, 491 m.w.N.). Es ist also immer zumindest eine natürliche Person als Kostenschuldner vorhanden.
Im Passivprozeß ist es wegen der persönlichen Gesellschafterhaftung für den Kläger - wie bei der OHG (vgl. Behr, NJW 2000, 1137, 1139) - praktisch immer ratsam, neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter persönlich zu verklagen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht sicher ist, ob eine wirkliche Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen existiert. Stellt sich während des Prozesses heraus, daß die Gesellschafter nicht als Gesamthandsgemeinschaft verpflichtet sind, sondern nur einzeln als Gesamtschuldner aus einer gemeinschaftlichen Verpflichtung schulden (§ 427 BGB), wird nur die Klage gegen die Gesellschaft - nicht aber die gegen die Gesellschafter persönlich - abgewiesen. Stellt sich erst während der Zwangsvollstreckung heraus, daß überhaupt kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, bleiben dem Gläubiger noch die Titel gegen die einzelnen Gesellschafter. Es besteht also bei Annahme einer Parteifähigkeit der Gesellschaft kein Unterschied zur Situation, wie sie sich auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung darstellt, denn auch hier wird zwischen der Klage gegen die Gesamthand (Gesamthandsschuldklage ) und gegen die Gesellschafter (Gesamtschuldklage) unterschieden (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 47 ff.; Heller aaO, S. 73 ff.). Im übrigen bleibt es dem Gesellschaftsgläubiger auch bei Anerkennung der Par-
teifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unbenommen, ausschließlich die Gesellschafter persönlich in Anspruch zu nehmen. Dem Gesellschaftsgläubiger wird die Rechtsverfolgung demnach durch die Anerkennung der Parteifähigkeit in keiner Weise erschwert.

B.


Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage ist auch begründet. Insbesondere ist die Beklagte zu 1 wechselfähig. Die Gründe, die vom Bundesgerichtshof zur Begründung der Scheckfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts herangezogen worden sind (BGHZ 136, 254, 257 f.), sprechen in gleichem Maße auch für deren Wechselfähigkeit (vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil aaO, S. 108 f.; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 21. Aufl. Einl. WG Rdn. 20 a).
Damit erweist sich das landgerichtliche Urteil, soweit es die Verurteilung der Beklagten zu 1, 2 und 3 betrifft, im Grunde als zutreffend. Im Urteilstenor war jedoch kenntlich zu machen, daß zwischen den Ansprüchen gegen die Beklagte zu 1 einerseits und denen gegen die Beklagten zu 2 und 3 andererseits kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, jedoch die Beklagte zu 1 neben den ihrerseits untereinander gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafterinnen wie eine Gesamtschuldnerin verpflichtet ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. September 1999 (BGHZ 142, 315, 318 ff.) die Frage der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung noch offengelassen. Sie ist nunmehr in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne einer akzessorischen Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu entscheiden. So-
weit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet (BGHZ 142, 315, 318), ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend. Insoweit entspricht das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit der Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128 f. HGB bei der OHG. Danach ist eine unmittelbare Anwendung der §§ 420 ff. BGB nicht möglich, weil kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht; es ist aber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der jeweils verschiedenartigen Interessen der Beteiligten der Rechtsgedanke der §§ 420 ff. BGB im Einzelfall zur Anwendung kommt oder nicht (BGHZ 39, 319, 329; 44, 229, 233; 47, 376, 378 ff.; 104, 76, 78). Für die Gesellschaft als originär Verpflichtete ist die entsprechende Anwendung der Gesamtschuldregeln im Verhältnis zur Gesellschafterhaftung grundsätzlich angebracht. Stehen den Gesellschaftern beispielsweise individuelle Einreden im Sinne des § 425 BGB gegen ihre persönliche Inanspruchnahme zu, wäre es nicht gerechtfertigt, daß sich auch die Gesellschaft darauf berufen könnte.

C.


Hinsichtlich der Abweisung der gegen den Beklagten zu 4 gerichteten Klage auf Haftung kraft Rechtsscheins hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision stand. Eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten zu 4 für die Wechselverbindlichkeit der Beklagten zu 1 käme in Betracht, wenn er gegenüber der Klägerin in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hätte, er sei selbst Mitglied der ARGE und folglich persönlich haftender Gesellschafter (vgl. BGHZ 17, 13, 15). Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen , daß die von der Klägerin dargelegten Umstände nicht den Schluß darauf zulassen, der als Architekt tätige Beklagte zu 4 sei ihr gegenüber als Gesellschafter der ARGE aufgetreten.
Insbesondere reicht es für eine solche Schlußfolgerung nicht aus, daß der Beklagte zu 4 in dem von der ARGE gegenüber der Klägerin - die als Nachunternehmerin der ARGE beauftragt war - verwendeten Briefkopf aufgeführt ist. Dieser Briefkopf ist in der Form gestaltet, daß dort unter der hervorgehobenen Überschrift "Arbeitsgemeinschaft W. " die Beklagten zu 2 und 3 - beides Gesellschaften mit beschränkter Haftung - als "Technische Geschäftsführung" (Beklagte zu 2) und als "Kaufm. Geschäftsführung" (Beklagte zu 3) sowie der Beklagte zu 4 als "Bauleitung" bezeichnet werden. Läßt sich ein Architekt in dieser Weise im Briefkopf einer bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft aufführen, muß er nicht damit rechnen, daß bei deren Nachunternehmern , denen gegenüber der Briefkopf verwendet wird, der Eindruck entsteht , er sei selbst Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft. Bei "technischer Geschäftsführung", "kaufmännischer Geschäftsführung" und "Bauleitung" handelt es sich gemäß § 5 des Mustervertrages des Hauptverbandes der Deut-
schen Bauindustrie für Arbeitsgemeinschaften (ARGE-Vertrag, abgedruckt bei Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl.), der seit vielen Jahren verwendet wird, im Baugewerbe weit verbreitet ist (vgl. Langen in Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 1999, S. 64, 69) und auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kam, um die nach außen in Erscheinung tretenden "Organe" der in Teilen körperschaftlich strukturierten Arbeitsgemeinschaften. Es ist deshalb anzunehmen , daß der baugewerbliche Rechtsverkehr bei einer Auflistung dieser Bezeichnungen im allgemeinen an eine Benennung der Gesellschaftsorgane, nicht aber an eine Benennung der Gesellschafter denkt. Zwar trifft es zu, daß nach dem personengesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Selbstorganschaft als technische und kaufmännische Geschäftsführer nur Personen in Frage kommen, die auch Gesellschafter sind. Es würde aber zu weit gehen, würde man dem Rechtsverkehr ein Verständnis dahingehend unterstellen, daß die Nennung von Geschäftsführung und Bauleitung in einem Briefkopf darauf schließen ließe, auch der Bauleiter müsse Gesellschafter sein. Üblicherweise wird nämlich die Bauleitung auf solche Personen übertragen, die zwar Mitarbeiter eines Gesellschafters, nicht aber selbst Gesellschafter sind (Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 7, 12 ff.). In diese Richtung weist im vorliegenden Fall zudem der Umstand, daß im Vertragsformular des der Hingabe des Wechsels zugrunde liegenden Nachunternehmervertrages zwischen Klägerin und Beklagter zu 1 ausdrücklich zwischen der ARGE als "Auftraggeber und Bauherr i.S. dieses Vertrages" und dem Beklagten zu 4, der unter der Rubrik "Planung und Bauleitung" aufgeführt ist, differenziert wird.
Der Umstand, daß der Beklagte zu 4 nach dem Vortrag der Klägerin sämtliche Vertragsverhandlungen mit ihr geführt und auch das streitgegenständliche Wechselakzept im Namen der Beklagten zu 1 unterschrieben hat,
reicht für die Begründung einer Rechtsscheinhaftung ebenfalls nicht aus. Der Beklagte zu 4 war Geschäftsführer der ihrerseits als technische Geschäftsführerin der ARGE eingesetzten Beklagten zu 2 und in dieser Funktion allgemein zum Abschluß von Nachunternehmerverträgen für die ARGE befugt (§ 7.45 ARGE-Vertrag). Selbst wenn die Klägerin keine Kenntnis von dieser Funktion des Beklagten zu 4 gehabt hätte, hätte dessen Handeln nicht zwangsläufig darauf schließen lassen müssen, daß er in eigener Person Gesellschafter der ARGE ist. Es wäre vielmehr auch denkbar - wenn nicht sogar naheliegender - gewesen, daß Abschluß und Abwicklung des Nachunternehmervertrages von der Geschäftsführung der ARGE auf den Bauleiter als Unterbevollmächtigten weiterdelegiert worden ist, was durchaus zulässig gewesen wäre (vgl. Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 9) und ebenfalls nicht zu einer persönlichen Haftung des Beklagten zu 4 geführt hätte. Der von der Revision zur Begründung der Rechtsscheinhaftung schließlich noch herangezogene Vortrag der Klägerin, wonach der Beklagte zu 4 sämtliche Bankgeschäfte der ARGE erledigt habe, vermag eine Rechtsscheinhaftung gegenüber der Klägerin schon
deshalb nicht zu begründen, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern es sich bei einem solchen Handeln des Beklagten zu 4 gegenüber Dritten um einen im Verhältnis zur Klägerin gesetzten Rechtsschein gehandelt haben könnte.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. September 2005 - 3 K 3786/04 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Androhung der Abschiebung in die Türkei.
Der 1970 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. 1991 heiratete er eine türkische Staatsangehörige, die seit 1975 in Deutschland lebt, 1990 eine Aufenthaltsberechtigung erhalten hatte und als angestellte Friseurin beschäftigt war. Nach der Eheschließung reiste der Kläger mit einem Visum zur Familienzusammenführung zu seiner in Köln lebenden Ehefrau in das Bundesgebiet ein. Am 06.11.1992 erteilte ihm die Stadt Köln erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit verlängert wurde. Am 19.07.1993 wurde der gemeinsame Sohn der Eheleute geboren. Am 25.11.1997 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1998 lebt der Kläger von seiner Ehefrau getrennt; mittlerweile ist die Ehe geschieden.
Von Juli 1993 bis März 1995 arbeitete der Kläger bei der Firma .... Ab April 1995 bis Dezember 2002 war der Kläger bei der Firma A. G. ... als Metallputzer beschäftigt. Als die Gießerei Ende 2002 ihren Betrieb aufgab, wurde er arbeitslos.
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.03.2004 - 14 K Ls 203 Js 79186/02 - wurde der Kläger wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten bewaffneten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zur Schaffung einer Einnahmequelle hatte der Kläger im Januar/Februar 2003 zusammen mit anderen Mittätern 500 g aus den Niederlanden eingeführtes Kokain an einen verdeckten Ermittler der Polizei verkauft sowie darüber hinaus versucht, an diesen Ermittler weitere 5 kg Kokain (bzw. Kokainimitat) zu verkaufen. Das Strafgericht hat die Taten bei allen Tatbeteiligten als minder schweren Fall angesehen, weil von vornherein auf der Käuferseite bei beiden Geschäften verdeckte Ermittler eingeschaltet gewesen seien. Bei der Strafzumessung ist das Strafgericht beim Kläger von einem erheblichen Maß an krimineller Energie ausgegangen und hat berücksichtigt, dass der Kläger bei der zweiten Tat eine Waffe mit sich geführt sowie im wesentlichen den telefonischen Kontakt aus Deutschland zu den Lieferanten aus Holland gehalten habe.
Wegen der genannten Straftat wurde der Kläger am 09.02.2003 aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt in Untersuchungshaft in die JVA Mannheim genommen. Als Anschrift des Klägers war in diesem Haftbefehl die K. ... in K. angegeben, von wo der Kläger allerdings nach den Daten des Ausländerzentralregisters am 29.05.2000 „nach unbekannt“ abgemeldet worden war. Mit Schreiben vom 28.02.2003 hörte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger zu seiner beabsichtigten Ausweisung an. Der Kläger machte sinngemäß (nur) geltend, mit einer Ausweisung nicht einverstanden zu sein.
Mit Schreiben vom 06.03.2003 und 14.03.2003 teilte die Stadtverwaltung Köln dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass der Kläger seine letzte Meldeanschrift ohne Abmeldung verlassen habe, von seiner Ehefrau getrennt lebe und die Wohnung K. ... leer stehe.
Am 23.06.2003 ging beim Regierungspräsidium Karlsruhe die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 11.06.2003 ein, aus der sich ergibt, dass der Kläger von April 1999 bis zu seiner Inhaftierung bei seiner (seinerzeit noch anderweitig verheirateten) Lebensgefährtin L. B. in deren Wohnung in der O. Straße ... K. gewohnt habe, ohne dort gemeldet gewesen zu sein.
Im September 2004 wurde der Kläger in die JVA Köln verlegt.
Mit Verfügung vom 12.10.2004 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt: Der Kläger erfülle die Ist-Ausweisungstatbestände des § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG. Besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG stehe dem Kläger nicht zu, da er zwar über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfüge, aber nicht als Minderjähriger, sondern erst als Erwachsener in das Bundesgebiet eingereist sei. Er könne aber auch dann ausgewiesen werden, wenn er diesen Schutz genieße. Aufgrund der am 11.03.2004 abgeurteilten Straftat liege ein schwerwiegender spezialpräventiver Ausweisungsgrund vor. Vom Kläger gehe auch nach wie vor eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus. Bei schwerwiegenden Straftaten wie dem unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge dürfe im allgemeinen allein aufgrund des abgeurteilten Verhaltens eine hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen bejaht werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger bis zu seiner Verurteilung vom 11.03.2004 nicht vorbestraft gewesen sei. Bei der begangenen schweren Betäubungsmittelstraftat habe der Kläger eine erhebliche kriminelle Energie offenbart, die auch in Zukunft - zur eigenen Bereicherung - die Begehung schwerer Betäubungsmittelstraftaten erwarten lasse. Weder die Ehe noch die Geburt eines Kindes noch der Umstand, dass der Kläger in Deutschland bei verschiedenen Firmen erwerbstätig gewesen sei, habe ihn von der Begehung der schweren Betäubungsmittelstraftaten abhalten können. Angesichts des hohen Ranges der durch den Kläger gefährdeten Rechtsgüter seien geringere Anforderungen an den Grad der bestehenden Wiederholungsgefahr zu stellen. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ausweisung des Klägers auch allein aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt wäre. Dies dürfe aber wohl der Fall sein, denn es bestehe ein dringendes Bedürfnis dafür, anderen Ausländern vor Augen zu führen, dass insbesondere schwere Betäubungsmittelstraftaten nicht nur strafrechtliche Konsequenzen hätten.
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Eine Ausweisung aus rein generalpräventiven Gründen sei aber nur dann rechtlich zulässig, wenn der Kläger keine Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 habe. Sollte der Kläger (noch) assoziationsrechtlich privilegiert sein, wovon zu seinen Gunsten ausgegangen werde, könne er nur im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung nach §§ 45 Abs. 1, 46 Nr. 2 AuslG ausgewiesen werden. Im vorliegenden Fall sei es unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich, den Kläger zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen. Die Ausweisung verstoße insbesondere nicht gegen Art. 6 GG, da der Kläger von Ehefrau und Sohn getrennt lebe. Es sei davon auszugehen, dass zu dem Sohn keine Lebens- und Beistandsgemeinschaft mehr, sondern nur noch eine bloße Begegnungsgemeinschaft bestanden habe. Selbst wenn der Kläger seinem Sohn bis zu seiner Inhaftierung Lebenshilfe im Sinne einer Beistandsgemeinschaft geleistet hätte, stünde in Anbetracht der schweren Betäubungsmittelstraftaten und der vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr die Vater-Kind-Beziehung der Ausweisung nicht entgegen. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Sohn des Klägers durch die Ausweisung und Abschiebung in die Türkei nennenswerte Schäden davontragen werde, da er bei seiner Mutter lebe und von dieser ausreichend versorgt werde. Außerdem könnten die privaten Belange des Klägers und seines Sohnes auch im Rahmen einer Befristungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AuslG angemessen berücksichtigt werden. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen supranationale Rechtsvorschriften. Da spezialpräventive Gründe vorlägen, die nach Art. 14 ARB 1/80 eine Ausweisung rechtfertigten, könne insbesondere der Assoziationsratsbeschluss 1/80 keine Ausweisungsbeschränkung darstellen. Auch Art. 8 EMRK stehe einer Ausweisung nicht entgegen. Es sei insbesondere in keiner Weise ersichtlich, dass der Kläger zu einem seinem Heimatland völlig entfremdeten „faktischen Inländer“ geworden sei, dem eine Rückkehr in die Türkei nicht zugemutet werden könne.
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Im Zusammenhang mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung führte das Regierungspräsidium Folgendes aus: Es bestehe die begründete Besorgnis, dass der Kläger während eines Klageverfahrens, welches erfahrungsgemäß mehrere Jahre in Anspruch nehmen könne, erneut strafbare Handlungen begehen werde. Die fortbestehende qualifizierte Wiederholungsgefahr bestehe nicht nur für die Zeit nach der Haftentlassung, sondern auch - wenn auch abgeschwächt - für die Zeit des Strafvollzuges; auch im Strafvollzug würden erwiesenermaßen viele Straftaten, insbesondere auch Betäubungsmittelstraftaten, begangen. Es liege daher im besonderen öffentlichen Interesse - auch allein aufgrund der bekanntermaßen völlig überfüllten Strafanstalten -, dass das gesetzliche Abschiebegebot nach § 49 AuslG zum rechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt vollzogen werde. Eine Freigabe zur Abschiebung sei bereits zum Halbstrafentermin möglich bzw. werde - wie andere Entscheidungen von Strafvollstreckungskammern bzw. Strafvollstreckungsbehörden zeigten - im Ausnahmefall auch schon vor dem Halbstrafentermin erteilt. Darüber hinaus dürfe die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung auch aus Gründen der Generalprävention gerechtfertigt sein. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass eine möglichst zeitnah zu der Anlasstat getroffene und vollzogene Sanktion besonders wirksam sei. Je dringender das Bedürfnis sei, andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Tat und Schwere abzuhalten, um so eher bedürfe es einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung. Die durch die Ausweisung angestrebte Generalprävention verliere gerade dann erheblich an Wirkung, wenn der Ausgewiesene auch nach der Begehung schwerwiegender Straftaten wegen der Dauer der Rechtsbehelfsverfahren unter Umständen noch mehrere Jahre im Bundesgebiet verbleibe.
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Gegen die Ausweisung hat der Kläger Klage erhoben und im Klageverfahren zur Begründung ausgeführt, das Regierungspräsidium Karlsruhe sei für den Erlass der Verfügung nicht zuständig gewesen. Örtlich zuständig sei die Behörde, in deren Bezirk der Ausländer seinen Aufenthalt habe oder zuletzt gehabt habe. Der Kläger sei seit September 2004 in Köln gemeldet und habe seinen Lebensmittelpunkt schon seit seiner Einreise in das Bundesgebiet in Köln gehabt. Durch die Verbüßung einer Untersuchungshaft werde typischerweise kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet. Außerdem habe der Kläger zum Zeitpunkt der Verfügung bereits nicht mehr in der JVA Mannheim, sondern in der JVA Köln eingesessen. Die Ausweisung verstoße außerdem gegen den Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80. Der Kläger sei 1992 im Zuge der Familienzusammenführung zu seiner assoziationsberechtigten türkischen Ehefrau in das Bundesgebiet eingereist und habe bis zu seiner Inhaftierung seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland gelebt. Danach sei er im Sinne des Art. 7 ARB 1/80 assoziationsrechtlich privilegiert. Die für die Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern entwickelten Grundsätze müssten auf die Ausweisung von Assoziationsberechtigten übertragen werden. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Die für eine Ermessensentscheidung erforderlichen spezialpräventiven Gründe lägen nicht vor. Der Kläger habe einen Schlussstrich unter seine strafrechtliche Vergangenheit gezogen. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht mehr gegeben. Auch liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Die Beziehung des Klägers zu seinem Sohn sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.
13 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ergänzend geltend gemacht, das Regierungspräsidium Karlsruhe sei für die Ausweisungsentscheidung zuständig gewesen, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Verfügung schon seit längerem in der JVA Mannheim eingesessen sei. Eine spätere Verlegung nach Köln sei nicht bekannt gewesen und auch unerheblich.
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Mit Beschluss vom 02.12.2004, dem Regierungspräsidium Karlsruhe zugegangen am 20.12.2004, hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Ausweisung des Klägers ab dem 09.05.2005 (d.h. nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe) von einer weiteren Strafvollstreckung abgesehen.
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Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat die Stadt Köln mit Schriftsatz vom 02.09.2005 - auch rückwirkend - der Fortführung des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens durch das Regierungspräsidium Karlsruhe zugestimmt.
16 
Mit Urteil vom 05.09.2005 (3 K 3786/04) hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2004 aufgehoben. Das Verwaltungsgericht hat dabei seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Frage, ob das Regierungspräsidium Karlsruhe für das Ausweisungsverfahren örtlich zuständig gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, denn die Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004 sei jedenfalls rechtswidrig und daher aufzuheben, weil sie gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 verstoße. Der Kläger habe, wie zwischen den Beteiligten unstreitig sei, durch seine Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland die Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 erworben und diesen Status auch nicht dadurch verloren, dass er zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine zeitliche Freiheitsstrafe verbüße. Es könne dahingestellt bleiben, ob die erworbene Rechtsstellung in Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 materiell-rechtlich beendet werden dürfe, denn für den Kläger fänden die für freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger geltenden verfahrensrechtlichen Maßstäbe Anwendung, denen vorliegend nicht Rechnung getragen worden sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 02.06.2005 , InfAuslR 2005, 289 ff.) seien im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auch die für EU-Bürger geltenden verfahrensrechtlichen Maßstäbe anzuwenden. Die Ausweisung des Klägers verstoße gegen Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25.02.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850; im Folgenden: RL 64/221/EWG). Nach dieser Vorschrift habe, sofern keine Rechtsmittel gegeben seien oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde über aufenthaltsbeendende Maßnahmen, außer in dringenden Fällen, erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes zu entscheiden, wobei diese Stelle eine andere sein müsse als diejenige, welche für die aufenthaltsbeendende Maßnahme zuständig sei. In Baden-Württemberg regele § 6a Abs. 1 AGVwGO in Fällen, in denen - wie beim Kläger - die Ausweisung vom Regierungspräsidium verfügt worden sei, den Wegfall des in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgesehenen Vorverfahrens, das der Nachprüfung von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes diene. Damit könne eine vom Regierungspräsidium verfügte Ausweisung nur noch unmittelbar mit der verwaltungsgerichtlichen Klage angegriffen werden. In diesem Verfahren werde die Ausweisung jedoch im Sinne von Art. 9 RL 64/221/EWG nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft. Die angefochtene Ausweisungsverfügung erweise sich damit als rechtswidrig, weil es an der für diesen Fall von der Richtlinie geforderten gesonderten Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ vor Erlass der Verfügung fehle. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren erfülle nicht die Anforderungen an ein Rechtsmittelverfahren, welche nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG erfüllt sein müssten, damit vor einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf eine vorherige Stellungnahme durch eine gesonderte Stelle verzichtet werden könne, da in einem solchen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsüberprüfung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht stattfinde. Ohne das in § 68 VwGO geregelte Vorverfahren entspreche damit das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren, welches auf eine bloße Überprüfung der Grenzen einer fremden Ermessensentscheidung (§ 114 VwGO) beschränkt und zudem erst zeitlich nach dem Erlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stattfinde, den Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nicht.
17 
Im vorliegenden Fall sei auch nicht der Ausnahmefall des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG gegeben, wonach „in dringenden Fällen“ die vorherige Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ unterbleiben könne. Zwar habe das Regierungspräsidium die Ausweisungsverfügung für sofort vollziehbar erklärt, weil die Besorgnis bestehe, der Kläger werde während eines erfahrungsgemäß mehrere Jahre dauernden Klageverfahrens erneut strafbare Handlungen begehen. Zudem bestehe die Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten - wenn auch abgeschwächt - für die Zeit des Strafvollzuges. Diese Bewertung halte das Gericht, bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004, für nicht zutreffend. Zu diesem Zeitpunkt sei für die Behörde nicht ersichtlich gewesen, dass eine Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet in absehbarer Zeit möglich sei. Der Kläger sei mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.03.2004 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Ein Verzicht der Vollstreckungsbehörde gemäß § 456a StPO auf die Vollstreckung der Rest-Freiheitsstrafe unter der Bedingung einer Abschiebung sei zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung noch nicht erteilt worden und habe auch noch nicht im Raum gestanden. Angesichts dessen rechtfertige auch die von Seiten der Beklagten angeführte abstrakte Möglichkeit, dass der Kläger auch in der JVA weitere Straftaten begehen könne, keine andere Beurteilung. Darauf, ob zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen eines besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht werden könne, insbesondere nachdem die Staatsanwaltschaft am 02.12.2004 die Freigabe zur Abschiebung ab dem 09.05.2005 erklärt habe, komme es für die Beurteilung, ob ein „dringender Fall“ im Sinne von Art. 9 RL 64/221/EWG vorliege, nach Auffassung der Kammer nicht an. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung sei der Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung. Da Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG die vorherige Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ vor der Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates, d.h. vor Erlass der Ausweisungsverfügung, voraussetze, könne die Frage, ob ein dringender Fall vorliege und somit das in Art. 9 der Richtlinie vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausnahmsweise nicht vorauszugehen habe, nur nach der sich zum Zeitpunkt dieser Entscheidung darstellenden Sachlage beurteilt werden.
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Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Berufung gegen dieses Urteil gemäß §§ 124a Abs. 1 i.V.m. 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zugelassen, weil die Kammer bezüglich der Frage, ob Art. 9 RL 64/221/EWG verletzt sei, von den Urteilen des erkennenden Senats vom 21.07.2004 - 11 S 535/04 (VBlBW 2004, 481 ff.) - und vom 15.05.2005 - 11 S 2966/04 - abweiche. Das Urteil wurde dem Beklagten am 12.10.2005 zugestellt.
19 
Mit Schriftsatz vom 18.10.2005, beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingegangen am 09.11.2005, hat der Beklagte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe Berufung eingelegt und die Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beurteilung der Frage der Dringlichkeit sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 05.03.1980, NJW 1980, 2630 ff.) allein Sache der Verwaltung. Durch das in Art. 9 RL 64/221/EWG vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme solle den Gerichten im Rahmen der verfahrensrechtlichen Überprüfung nicht das Recht zur Prüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet verliehen werden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe habe darüber hinaus die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet. Insofern liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschlüsse vom 22.03.2004 - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff., und vom 26.08.2005 - 13 S 1482/05 - ) ein dringender Fall i.S.d. RL 64/221/EWG vor. Die (andere) ex-post-Beurteilung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe sei diesbezüglich unbeachtlich. Zudem bestehe im vorliegenden Fall auch angesichts der hohen Rückfallgefahr des Klägers am Vorliegen eines dringenden Falles im Sinne der genannten Bestimmung kein Zweifel. Es sei schlicht falsch, dass für das Regierungspräsidium Karlsruhe zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004 nicht ersichtlich gewesen sei, dass eine Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet in absehbarer Zeit möglich gewesen sei, weil noch keine Freigabeentschließung der Staatsanwaltschaft erteilt worden sei. Denn dann könne nie ein dringender Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG bejaht werden, weil die Strafvollstreckungsbehörde in Ausweisungsfällen die für den Vollzug der Ausweisung (Abschiebung) erforderliche Freigabe erst nach Erlass der Ausweisungsverfügung bzw. frühestens dann erteile, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig sei, was erst mit Zustellung der vollziehbaren Ausweisungsverfügung der Fall sei. Die für die Abschiebung erforderliche Entschließung nach § 456a StPO werde von der Ausländerbehörde sinnvollerweise erst dann bei der zuständigen Strafvollstreckungsbehörde beantragt, wenn der Betroffene ausgewiesen worden bzw. vollziehbar ausreisepflichtig sei. Die besondere Dringlichkeit habe sich im vorliegenden Fall bereits aus der Besorgnis ergeben, die mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr werde sich schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren. Das Regierungspräsidium habe von der Tatsache ausgehen müssen, dass die Freigabe zur Abschiebung von der Strafvollstreckungsbehörde bei vollziehbarer Ausreisepflicht in der Regel zum Halbstrafenzeitpunkt oder spätestens zwischen dem Halbstrafenzeitpunkt und dem Zweidrittel-Zeitpunkt erteilt werde. Aus der Sicht von Oktober 2004 sei deshalb bei realistischer Betrachtungsweise, ausgehend vom bekannten Beginn der Untersuchungshaft des Klägers und der ebenfalls bekannten Verurteilung zu vier Jahren und sechs Monaten, eine Freigabe zur Abschiebung bereits innerhalb eines Zeitraumes von weit unter einem Jahr (Mai 2005) in Betracht gekommen, bzw. bei vorzeitiger Haftentlassung nach zwei Dritteln der verhängten Strafe innerhalb eines Zeitraums von knapp eineinhalb Jahren (Februar 2006). Die Freigabe sei tatsächlich erwartungsgemäß zum 09.05.2005 erteilt worden. Bei realistischer Betrachtungsweise habe daher im Oktober 2004 die begründete Besorgnis bestanden, dass sich die vom Kläger ausgehende Gefahr vor Rechtskraft einer abschließenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die von ihm erhobene Anfechtungsklage realisieren werde, so dass das Regierungspräsidium bei Erlass der Ausweisungsverfügung zu Recht vom Vorliegen eines dringenden Falles ausgegangen sei.
20 
Das Verwaltungsgericht gehe schließlich zu Unrecht davon aus, dass bei der Beurteilung, ob ein dringender Fall vorliege, der Zeitpunkt des Verwaltungshandelns - allein - maßgeblich sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224) sei für türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach ARB 1/80 inne hätten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt sei die Freigabe bereits erteilt gewesen, so dass eine Dringlichkeit unzweifelhaft zu bejahen sei.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05.09.2005 - 3 K 3786/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
23 
Der Kläger beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er trägt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe mit seinen Urteilen vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - (InfAuslR 2006, 110 ff.) und vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - (InfAuslR 2006, 114 ff.) ausgeführt, dass nach Abschaffung des behördlichen Widerspruchsverfahrens bei Ausweisungen von Regierungspräsidien in Baden-Württemberg die in Art. 9 RL 64/221/EWG vorgesehene Einschaltung einer unabhängigen Stelle neben der Ausländerbehörde („Vier-Augen-Prinzip“) nicht mehr gewährleistet sei. Die Ausweisung des Klägers sei daher wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig, da für die Annahme eines dringenden Falls im Sinne der Richtlinie keine Anhaltspunkte vorlägen. Die angegriffene Verfügung berücksichtige zudem nicht in ausreichendem Maße das Verhältnis des Klägers zu seinem in Deutschland lebenden Sohn und den durch Art. 6 GG garantierten Schutz durch den Staat. Durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von 1997 sei das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und die Beziehung jeden Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förderungswürdig anerkannt worden.
26 
Das Landgericht Köln hat während des Berufungsverfahrens mit Beschluss vom 02.03.2006 - StVK 2/06 3252 VRs 203 Js 79186/02 - nach Verbüßung von mehr als zwei Drittel der durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.03.2004 verhängten Freiheitsstrafe die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. In der Begründung heißt es, der vom Gericht beauftragte Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass beim Kläger keine Gefahr mehr bestehe, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fort bestehe. Zwar bestehe bei Drogendelinquenz eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 50 %; letzteres müsse allerdings relativiert werden, da der Kläger selbst nicht drogenabhängig sei. Positiv für den Kläger spreche, dass es sich bei dem Delikt und der gezeigten Kriminalität um einen Ausdruck einer lebensphasischen Veränderung gehandelt habe und Kriminalität kein eingeschliffenes Verhaltensmuster in der Biographie des Klägers sei. Der Kläger sei auch von der Haft deutlich beeindruckt und habe Reue gezeigt. Das Verhalten des Klägers während der Haft sei weit überwiegend positiv gewesen; er werde als freundlicher, ruhiger und unauffälliger Gefangener geschildert. Für eine positive Prognose spreche schließlich, dass der Kläger über feste soziale Bindungen verfüge. Er sei seit 1999 mit seiner Freundin/Verlobten L. B. zusammen, in deren Wohnung er nach seiner Entlassung auch wohnen werde. Der Kontakt zu seinem Sohn aus der mittlerweile geschiedenen Ehe habe auch während der Haftzeit aufrecht erhalten werden können. Der Kläger verfüge schließlich über eine Arbeitsstelle für die Zeit nach seiner Haftentlassung. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und nach dem vom Verurteilten im Anhörungstermin gewonnenen persönlichen Eindruck könne erwartet werden, dass er unter dem Eindruck der Aussetzung der Reststrafe künftig keine Straftaten mehr begehen werde.
27 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe zugelassene Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt (vgl. § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und den inhaltlichen Anforderungen entsprechend fristgerecht begründet worden (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO).
29 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2004 zu Recht aufgehoben, denn diese ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar war entgegen der Auffassung des Klägers das Regierungspräsidium Karlsruhe für die Ausweisungsentscheidung örtlich zuständig (dazu unter I.). Die Entscheidung verstößt jedoch gegen die auch für den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung geltenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in der Auslegung, die sie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110 ff., und vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 ff.) erfahren hat und der sich der Senat zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung anschließt (dazu unter II.). Die unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG erlassene Ausweisungsverfügung ist wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels rechtswidrig; daran ändert sich auch nichts dadurch, dass - nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - die RL 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden ist (dazu unter III).
I.
30 
Das Regierungspräsidium Karlsruhe war für den Erlass der Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004 örtlich zuständig, obwohl der Kläger vor seiner Inhaftierung (U-Haft in der JVA Mannheim) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Köln hatte und auch bereits vor Erlass der Ausweisungsverfügung in die JVA Köln verlegt wurde.
31 
Weder im während des Ausweisungsverfahrens des Klägers geltenden Ausländergesetz noch in dem seit dem 01.01.2005 geltenden Aufenthaltsgesetz waren bzw. sind Regelungen über die örtliche Behördenzuständigkeit enthalten (vgl. § 63 AuslG, § 71 AufenthG). Diese richtet sich vielmehr nach dem Verfahrensrecht der Länder, die die Bundesgesetze gemäß Art. 83 GG als eigene Angelegenheiten ausführen (vgl. auch Nr. 63.1.2.1 der nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen AuslG-VwV vom 28.06.2000 des BMI, GMBl. 2000, S. 618 ff.). Die örtliche Zuständigkeit im Ausländerrecht richtet sich mithin in Baden-Württemberg nach der Aufenthalts- und Asyl- Zuständigkeitsverordnung (im Folgenden: AAZuVO) in der jeweils maßgeblichen Fassung und ergänzend nach § 3 LVwVfG (vgl. § 1 Abs. 1 LVwVfG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AAZuVO in der bei Einleitung des Ausweisungsverfahrens des Klägers geltenden Fassung vom 19.07.1995 (GBl. S. 586 ff, mit Änderungen vom 21.10.1996, GBl. S. 649 ff., und vom 23.03.1998, GBl. S. 187) bleibt, wenn der Ausländer sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, die Ausländerbehörde - örtlich - zuständig, in deren Dienstbezirk sich der Ausländer vor der Hafteinweisung oder der Ingewahrsamnahme gewöhnlich aufgehalten hat. Ist der vorige gewöhnliche Aufenthalt nicht bekannt , ist die Ausländerbehörde, in deren Dienstbezirk sich der Ausländer in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, zuständig (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AAZuVO). Eine nach Satz 2 begründete Zuständigkeit bleibt erhalten, wenn der Ausländer während der Haft in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde verlegt wird (§ 4 Abs. 3 Satz 3 AAZuVO).
32 
Im vorliegenden Fall war bei Einleitung des Ausweisungsverfahrens dem Regierungspräsidium Karlsruhe der gewöhnliche Aufenthaltsort des Klägers vor seiner Inhaftierung nicht bekannt. Der Kläger befand sich auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart vom 07.02.2003 in Untersuchungshaft in der JVA Mannheim im Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Unter der in dem o.g. Beschluss angegebenen Wohnanschrift K. ... in K. hat der Kläger sich vor seiner Inhaftierung unstreitig nicht aufgehalten. Anhaltspunkte für eine andere Wohnanschrift lagen dem Regierungspräsidium bei Einleitung des Ausweisungsverfahrens nicht vor. Vielmehr ergab sich aus dem Ausländerzentralregister, dass der Kläger am 29.05.2000 „nach unbekannt“ verzogen war. Auch die Stadtverwaltung der Stadt Köln hat dem Regierungspräsidium auf entsprechende Nachfrage mitgeteilt (Schreiben vom 06.03.2003), dass der Kläger seine letzte Meldeanschrift ohne Abmeldung verlassen habe. Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung bestand für das Regierungspräsidium auch keine Veranlassung für weitere Nachforschungen, nachdem selbst der Kläger bei seiner Anhörung vor Erlass der Ausweisungsverfügung keine weitergehenden Angaben zu seinem Aufenthalt vor der Inhaftierung oder zu seinen persönlichen Bindungen gemacht hat.
33 
Danach war das Regierungspräsidium Karlsruhe zumindest bis zur Übersendung der Anklageschrift vom 06.06.2003, aus der sich der frühere tatsächliche Aufenthalt des Klägers bei seiner Lebensgefährtin in der O. Straße ... in K. ergab, nach § 4 Abs. 3 Satz 2 AAZuVO für das Ausweisungsverfahren zuständig. Daran hätte auch die vor Erlass der Ausweisungsverfügung erfolgte Verlegung des Klägers in die JVA Köln nichts geändert (vgl. § 4 Abs. 3 S. 3 AAZuVO).
34 
Nachdem durch die Übersendung der Anklageschrift der Aufenthaltsort des Klägers vor seiner Inhaftierung (d.h. von April 1999 bis Februar 2003) bekannt war, ist das Regierungspräsidium Karlsruhe im laufenden Ausweisungsverfahren allerdings örtlich unzuständig geworden. Gemäß § 3 Abs. 3 LVwVfG kann jedoch, wenn sich im Laufe des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern, die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, nachdem die Stadt Köln mit Erklärung vom 02.09.2005 im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der (Fort-)Führung des Ausweisungsverfahrens rückwirkend zugestimmt hat.
35 
Eine Änderung der die örtliche Zuständigkeit begründenden Umstände liegt typischerweise bei einer Änderung äußerer Umstände, etwa bei einem Wohnsitzwechsel, vor. Nachdem im vorliegenden Fall aber gerade die Unkenntnis des früheren Aufenthalts des Klägers der die Zuständigkeit begründende Umstand war, stellt umgekehrt dessen spätere Kenntnis eine Änderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände dar. Geht man davon aus, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe örtlich unzuständig geworden ist, lag auch kein sog. positiver Kompetenzkonflikt, d.h. eine Zuständigkeit von Ausländerbehörden mehrerer Länder nach landesrechtlichen Vorschriften, vor, der ein Zurückgreifen auf die zu § 63 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ergangenen Regelungen in der AuslG-VwV (a.a.O., Nr. 63.2.2, insbes. Nr. 63.2.2.1 und 63.2.2.2.1) erfordert hätte. Für die Anwendung des § 3 Abs. 3 LVwVfG genügt auch die Zustimmungserklärung der Behörde eines anderen Bundeslandes(Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 3 Rn. 44, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 3 Rn. 38, jeweils m.w.N.). Auch die Tatsache, dass die Stadt Köln der (Fort-)Führung des Ausweisungsverfahrens erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - rückwirkend -zugestimmt hat, steht der Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 LVwVfG nicht entgegen. Zwar wird teilweise (vgl. etwa Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 3 Rn. 38) die Auffassung vertreten, die Zustimmung könne wirksam bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erklärt werden. In dem als Beleg dafür angeführten Fall des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18.04.1986 - 8 C 81/83 -, NVwZ 1987, 224 f.) war streitig, ob die im Widerspruchsverfahren erklärte Zustimmung zu berücksichtigen war, was das Bundesverwaltungsgericht bejaht hat. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Zustimmungserklärung nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erteilt werden kann, zumal § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG die Nachholung erforderlicher Mitwirkungshandlungen grundsätzlich bis zur letzten Tatsacheninstanz zulässt.
36 
Schließlich ist die Fortführung des Ausweisungsverfahrens durch das Regierungspräsidium Karlsruhe auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall war es aus Sicht der Behörden zweckmäßig, trotz Kenntnis des früheren Aufenthalts des Klägers das Ausweisungsverfahren durch das Regierungspräsidium Karlsruhe fortführen zu lassen, nachdem dieses dort bereits eingeleitet worden sowie die Anhörung erfolgt war und die Akten entscheidungsreif vorlagen. Auch die Interessen des Klägers sind dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt worden. Zwar ist die Rechtsverfolgung für den Kläger durch die räumliche Entfernung der für das Klage- und Berufungsverfahren zuständigen Gerichte (VG Karlsruhe bzw. VGH Mannheim) erschwert. Andererseits hängt die Durchführung des Ausweisungsverfahrens durch das Regierungspräsidium Karlsruhe ursächlich damit zusammen, dass der Kläger offensichtlich seine alte Wohnanschrift ohne Abmeldung verlassen hat und „nach unbekannt“ verzogen ist, so dass jedenfalls der Ausländerbehörde der tatsächliche Aufenthalt des Klägers unbekannt war; diesen Umstand muss der Kläger sich zurechnen lassen.
II.
37 
Letztlich kommt es jedoch auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage der örtlichen Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe nicht entscheidungserheblich an. Denn die Verfügung des Regierungspräsidiums verstößt jedenfalls gegen die auch für den Kläger - ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung geltenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in der Auslegung, wie sie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13.09.2005 und vom 06.10.2005, a.a.O.) vorgenommen worden ist. Sie ist damit wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels rechtswidrig.
38 
1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 02.06.2005 , InfAuslR 2005, 289 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts in den o.g. Urteilen vom 13.09.2005 und 06.10.2005 sind die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben.
39 
Der Kläger war von Juli 1993 bis März 1995 bei der Fa. ... und von April 1995 bis Dezember 2002 bei der Firma A.-... ordnungsgemäß, d.h. mit Besitz von Aufenthaltserlaubnissen, beschäftigt. Damit hat er - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - die Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Diesen Rechtsstatus hat er seither auch nicht verloren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 07.07.2005 - C 383/03 - , InfAuslR 2005, 350 ff.) ist ein Verlust dieser Rechtsstellung insbesondere nicht dadurch eingetreten, dass der Kläger eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt hat.
40 
Möglicherweise hat der Kläger als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach drei- bzw. fünfjährigem Aufenthalt auch den Rechtsstatus nach Art. 7 Satz 1 1. oder 2. Spiegelstrich erworben. Der Kläger ist 1992 im Wege des Familiennachzugs zu seiner türkischen Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ausweislich der beigezogenen Behördenakten war die Ehefrau des Klägers - jedenfalls zum Zeitpunkt der Einreise - als angestellte Friseurin bei der Firma F. beschäftigt. Wie lange die Ehefrau der Klägers danach noch dem regulären Arbeitsmarkt angehört hat, ist den Akten nicht zu entnehmen, kann aber - da nicht entscheidungserheblich - auch auf sich beruhen.
41 
2. Nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG trifft, „sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben“, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen „außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes“, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann, wobei „diese Stelle eine andere sein muss als diejenige, welche für die aufenthaltsbeendende Maßnahme zuständig ist“.
42 
Nach der vom EuGH in der Rechtssache Dörr und Ünal (Urteil vom 02.06.2005, a.a.O., Rn. 47) getroffenen Auslegung muss die gesonderte Stelle i.S.d. Richtlinie zur Gewährleistung eines hinreichend effektiven Schutzes eine sichere Garantie einer erschöpfenden Prüfung der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme geben. Nach der im Anschluss daran ergangenen o.g. Rechtsprechung des BVerwG (Urteile vom 13.09.2005 und 06.10.2005, a.a.O.) wird in Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige - außer in dringenden Fällen - Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Deutschland verletzt, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird (behördliches Vorverfahren i.S.d. § 68 VwGO). Das deutsche verwaltungsgerichtliche Rechtsmittelverfahren, welches lediglich eine Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vorsehe, insbesondere bei behördlichen Ermessenserwägungen auf die Überprüfung beschränkt sei, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten seien bzw. von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sei, genüge den Anforderungen an eine zweite zuständige Stelle nicht. Daraus folge, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei von den Regierungspräsidien verfügten Ausweisungen (vgl. § 6a S. 1 AGVwGO; eingefügt durch das Gesetz zur Entlastung der Regierungspräsidien vom 10.05.1999, GBl. S. 173, in Kraft getreten am 01.07.1999) die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde („Vier-Augen-Prinzip“) entfallen sei. Die gegen begünstigte Ausländer verfügten Ausweisungen seien daher wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig, es sei denn, es habe ein „dringender Fall“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorgelegen.
43 
Der Senat hatte demgegenüber in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf den Begriff der Zweckmäßigkeit nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffes - etwa im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeitskontrolle im Widerspruchsverfahren, § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO - auszugehen sei und die vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert werde (Urteil vom 21.07.2004 - 11 S 535/04 -, VBlBW 2004, 481 ff.; unter Fortführung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -; ebenso Senatsurteil vom 15.05.2005 - 11 S 2966/04 -). Im Hinblick auf die o.g. Entscheidungen des BVerwG vom 13.09.2005 und 06.10.2005 hat der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben. Dies gilt weiterhin und ungeachtet der Tatsache, dass Art. 31 der seit dem 01.05.2006 unmittelbar geltenden Richtlinie 2004/38/EG (vgl. dazu Groß, ZAR 2006, 61 ff., 64), die u.a. eine „genauere Definition der Verfahrensgarantien“ bei der Ausweisung von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bezweckt (vgl. 22. Erwägungsgrund), - deren Anwendbarkeit auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige unterstellt - nicht die Einschaltung einer zweiten außergerichtlichen Stelle vor Abschluss des behördlichen Verfahrens verlangt, sondern den gerichtlichen Rechtsbehelf ausreichen lässt (vgl. dazu im einzelnen unter III).
44 
3. Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe am 12.10.2004 verfügte Ausweisung erfolgte im Hinblick auf § 6a AGVwGO ohne vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und damit ohne Einschaltung einer zweiten unabhängigen Stelle vor Abschluss des behördlichen Verfahrens. Dies ist auch nicht deshalb unschädlich, weil ein „dringender Fall“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorgelegen hätte, bei dem die vorherige Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ entbehrlich gewesen wäre.
45 
a) Entgegen der Ansicht des Beklagten unterliegt die Beurteilung, ob von einem „dringender Fall“ i. S. von Art. 9 RL 64/221/EWG auszugehen ist, der gerichtlichen Überprüfung und ist nicht allein Sache der Verwaltung. In dem vom Beklagten für seine Auffassung herangezogenen Urteil des EuGH vom 05.03.1980 (Rs 98/79 , NJW 1980, 2630 ff.) heißt es zwar, dass durch das in Art. 9 RL 64/221/EWG vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme den Gerichten nicht das Recht zur Prüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet habe verliehen werden sollen. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Prüfung auch nach nationalem Recht nicht zu erfolgen hat. Das verdeutlicht der Gerichtshof im Übrigen in derselben Entscheidung dadurch, dass er für die Ausübung derartiger Befugnisse durch die einzelstaatlichen Gerichte auf Art. 8 RL 64/221EWG und damit auf die nationale Rechtsordnung verweist. Nach der deutschen Rechtsordnung unterliegen zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm grundsätzlich der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ohne dass eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Bewertungen besteht. Dies gilt auch für Prognoseentscheidungen wie z.B. die Beurteilung einer polizeirechtlichen Gefahr oder der Wiederholungsgefahr im Ausländerrecht. Eine Ausnahme von der eigenständigen Beurteilungspflicht der Verwaltungsgerichte muss sich aus dem jeweiligen materiellen Recht eindeutig ergeben, was hier nicht der Fall ist (vgl. zu dem Problemkreis etwa Kuntze in Bader u.a., VwGO, 3. Aufl., § 114 Rn. 30 ff.).
46 
Die Auffassung, die Überprüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme sei allein Sache der Verwaltung, ist im übrigen nach der eigenen Rechtsprechung des EuGH überholt. Der EuGH hat diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 29.04.2004 (verb. Rs. C 482/01 und C 493/01 , NVwZ 2004, 1099 ff.) nicht wieder aufgegriffen und hat in seinem Urteil vom 02.06.2005 (, a.a.O., Rn. 56) das Vorliegen eines dringenden Falles selbst geprüft und ausdrücklich verneint (vgl. dazu auch Gutmann, GK zum AufenthG, Bd. 5, IX-1 Art. 14 Rn. 124.6). Auch das Bundesverwaltungsgericht geht von einer vollen gerichtlichen Überprüfung der Dringlichkeit der Maßnahme aus. So hat es in seinem Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) Kriterien zur Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Begriffs des „dringenden Falls“ entwickelt und die Rechtssache zur erneuten Überprüfung an Hand dieser Kriterien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
47 
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner o.g. Entscheidung ausgeführt, das Merkmal der Dringlichkeit sei als Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit „besonders eng auszulegen“. Ein dringender Fall könne sich daher nicht schon aus der mit einer Ausweisung stets verbundenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung ergeben, sondern könne erst dann angenommen werden, wenn ein Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung im Einzelfall nicht zu verantworten sei. Ein dringender Fall komme demnach nur in Betracht, wenn die begründete Besorgnis bestehe, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Dann sei auch eine Verzögerung durch Einschaltung einer zweiten Behörde nicht hinnehmbar. Die Voraussetzungen für die Annahme eines dringenden Falles ähnelten damit den Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (etwa in BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2005 - 2 BvR 485/05 -, NVwZ 2005, 1053). Ein dringender Fall sei danach nicht schon dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet habe und diese Anordnung im gerichtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bestätigt werde. Vielmehr müsse ein besonderes öffentliches Interesse daran festgestellt sein, das „Hauptverfahren“ nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer „weiteren, unmittelbar drohenden erheblichen Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen. Ob ein dringender Fall in diesem Sinne zu bejahen sei, müsse nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im Wege einer Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange beurteilt werden. Von Bedeutung sei hierbei vorrangig die Schwere der vom Ausländer ausgehenden Gefahr. Diese werde in der Regel entfallen, wenn und solange der Ausländer sich in Haft befinde. Die Annahme eines dringenden Falles komme unter solchen Umständen nur für den Fall in Frage, dass der Ausländer aus der Haft heraus abgeschoben werden solle. Zu berücksichtigen sei ferner, ob die Ausländerbehörde selbst den Fall als dringlich erachte und behandele. Die Annahme eines dringenden Falles scheide aus, wenn die Behörde das Verfahren nicht zügig betreibe und selbst die sofortige Vollziehung nicht anordne oder von der Anordnung nicht unverzüglich - gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung - Gebrauch mache.
48 
c) Nach dieser Rechtsprechung, der auch der Senat im Grundsatz folgt, ist ein dringender Fall entgegen der Auffassung des Beklagten nicht schon dann - gewissermaßen als Automatismus - anzunehmen, wenn wie im vorliegenden Fall die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet wurde. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des 13. Senats des erkennenden Gerichtshofs (Beschlüsse vom 22.03.2004 - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff., und vom 26.08.2005 - 13 S 1482/05 -) dürfte durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt sein. Insgesamt ergibt sich bei der - auch nach Ansicht des Senats gebotenen - besonders engen Auslegung, dass ein dringender Fall grundsätzlich erst dann angenommen werden kann, wenn wegen der vom Ausländer ausgehenden Gefahr ein weiteres Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung im Einzelfall nicht zu verantworten ist. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr entfällt in der Regel, wenn und solange er sich in Haft befindet. Davon sind wiederum Ausnahmen in den Fällen denkbar, in denen konkrete Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten in der Haft vorliegen bzw. der Ausländer aus der Haft heraus abgeschoben werden soll und die Einschaltung einer zweiten Verwaltungsstelle - auch bei der gebotenen zügigen Bearbeitung - nicht durchführbar ist. Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass bei einer beabsichtigten Abschiebung aus der Haft und einem zu erwartenden Absehen von der Strafvollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde nach § 456a StPO (etwa nach Verbüßung der Hälfte oder zwei Dritteln einer gegen den Ausländer verhängten zeitigen Freiheitsstrafe) der konkrete Abschiebungstermin regelmäßig durch die Ausländerbehörde selbst bestimmt wird und diese den Termin nicht so festlegen darf, dass die dem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen grundsätzlich zustehenden Verfahrensgarantien unterlaufen werden, ohne dass eine besondere Gefahrensituation vorliegt.
49 
Fraglich ist, wie - insbesondere in Haftfällen - die Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts zu verstehen ist, ein dringender Fall komme (nur) in Betracht, wenn die Besorgnis bestehe, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Mit „Hauptverfahren“ dürfte wohl das gerichtliche Hauptsache verfahren (vgl. auch den 3. Leitsatz zum Urteil vom 13.09.2005, a.a.O., wo vom „gerichtlichen Hauptverfahren“ die Rede ist). Nach dem Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, vor der behördlichen Ausweisungsentscheidung grundsätzlich eine Überprüfung durch eine zweite unabhängige Stelle zu gewährleisten, unddavon in dringenden Fällen eine Ausnahme zuzulassen, kann es nach Ansicht des Senats bei der Dringlichkeitsprüfung aber nur darauf ankommen, ob eine Verzögerung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar ist oder die Gefahr besteht, dass sich die vom Ausländer ausgehende Gefahr bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens einschließlich des Kontrollverfahrens bei der anderen Stelle realisiert. Dies gilt umso mehr, als auch im Anschluss an die Einschaltung einer zweiten Stelle noch eine Ausweisungsentscheidung mit Sofortvollzug ergehen kann. Die aufgeworfene Frage ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen der Ausländer sich in Haft befindet und vor seiner bevorstehenden Entlassung oder seiner beabsichtigten Abschiebung aus der Haft noch ausreichend Zeit besteht, eine Überprüfung der Ausweisungsentscheidung durch eine zweite Stelle vornehmen zu lassen. Wenn nicht ersichtlich ist, dass in diesem Zeitraum vom Ausländer eine erhebliche Gefahr ausgeht, liegen die Voraussetzungen für die Annahme eines dringenden Falles nach Auffassung des Senats nicht vor. Auf die Frage, ob sich die vom Ausländer ausgehende Gefahr vor Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert, kommt es dann nur für die Entscheidung über die Anordnung des Sofortvollzuges an, deren Voraussetzungen aber - wie das Bundesverwaltungsgericht selbst ausgeführt hat - nicht identisch sind mit denen der besonderen Dringlichkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG. Gegenstand der Dringlichkeitsprüfung nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist vielmehr ausschließlich das „Hauptverfahren“ auf Verwaltungsebene einschließlich der Kontrollentscheidung der „anderen Stelle“.
50 
d) Ebenso wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil ist auch der Senat der Auffassung, dass es für die Beurteilung, ob ein „dringender Fall“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorliegt, auf die Sachlage zu dem Zeitpunkt ankommt, zu dem die Behörde ihre Ausweisungsentscheidung zu treffen hat.
51 
Bereits die Verwendung der Gegenwartsform im Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie („ … trifft die Verwaltungsbehörde …“) legt es nahe, für die Beurteilung eines „dringenden Falles“ auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung abzustellen. Die Tatsache, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie dievorherige Einschaltung einer zuständigen Stelle vor der Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates, d.h. vor Erlass der Ausweisungsverfügung, voraussetzt, spricht ebenfalls für eine solche Auslegung (ebenso VG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2006 - 5 K 5146/04 -, ). Schließlich dient eine solche Auslegung auch der Verfahrenssicherheit, da sich allein aus der Beurteilung der Dringlichkeit bei Erlass der Ausweisungsverfügung ergibt, welches Verfahren im Einzelfall einzuhalten ist, d.h. ob vor dem Erlass noch eine zweite Stelle einzuschalten ist oder nicht.
52 
Diese Auslegung führt entgegen der Auffassung des Beklagten auch im Hinblick auf die Regelung in § 456a Abs. 1 StPO nicht zu sachwidrigen Ergebnissen. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckungsbehörde u.a. von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe absehen, wenn der Verurteilte ausgewiesen wird. Der Beklagte trägt in diesem Zusammenhang sinngemäß vor, zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung stehe noch nicht fest, ob und wann der Ausländer aus der Haft abgeschoben werden könne (mithin nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein dringender Fall anzunehmen sei), da die Vollstreckungsbehörde eine Entscheidung nach § 456a StPO erst treffe, nachdem die Ausweisung erfolgt und der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig sei.
53 
Dieses vom Beklagten geschilderte Prozedere erscheint dem Senat aber nicht zwingend. Die Vollstreckungsbehörde kann unter den Voraussetzungen des § 456a StPO nach ihrem Ermessen auf Antrag oder von Amts wegen ganz oder teilweise von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe absehen. Nach den für das Land Baden-Württemberg dazu erlassenen Richtlinien (AV d. JuM vom 17. Oktober 1996 - Die Justiz S. 500) prüft die Vollstreckungsbehörde von Amts wegen, ob von der Vollstreckung abzusehen ist. Sie setzt sich hierzu mit der Ausländerbehörde in Verbindung, um festzustellen, ob gegen den Verurteilten eine Ausweisungsverfügung ergangen ist oder ob mit dem Erlass einer solchen Verfügung gerechnet werden kann (Ziffer III 2. a der Richtlinien). Die Maßnahme nach § 456a StPO wird regelmäßig bereits unmittelbar nach Rechtskraft bei Einleitung der Vollstreckung und ohne Rücksicht darauf getroffen werden können, ob bereits eine Ausweisungsverfügung vorliegt (Ziffer III 2 b Satz 1). In jedem Fall soll die Maßnahme nach § 456a StPO so frühzeitig angeordnet werden, dass die u.a. zur Ausweisung notwendigen Vorbereitungen der Ausländerbehörde rechtzeitig getroffen werden können (Ziffer III 2 b Satz 2). In der Regel ist nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe von der weiteren Vollstreckung abzusehen; bei besonderen, in der Tat oder der Person des Verurteilten liegenden Gründen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung kann nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit von der weiteren Vollstreckung abgesehen werden (Ziffer III 1. c).
54 
Daraus ergibt sich für den Senat, dass auch schon vor Erlass einer Ausweisungsverfügung eine Entscheidung nach § 456a StPO möglich und nach den o.g. Richtlinien sogar geboten ist. Sollte diese trotz entsprechender Bemühungen bei der Strafvollstreckungsbehörde dennoch nicht erwirkt werden können, wird man möglicherweise eine Prognoseentscheidung auf der Basis einer zu erwartenden Freigabe nach der Hälfte bzw. zwei Dritteln der verhängten Strafe ausreichen lassen können. Zu berücksichtigen ist aber auch hier, dass selbst bei einer beabsichtigten Abschiebung aus der Haft und einer zu erwartenden Freigabeentscheidung nach § 456a StPO der konkrete Abschiebungstermin regelmäßig durch die Ausländerbehörde selbst bestimmt wird und insoweit eine Abschiebung vor Einschaltung einer zweiten Stelle häufig nicht zwingend ist.
55 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem o.g. Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dringlichkeit nicht ausdrücklich entschieden. Zwar führt auch das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil aus, Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG werde verletzt, „ … wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Rahmen der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird“ und beendet seine diesbezüglichen Ausführungen mit der Feststellung, dass ein Verstoß - vorbehaltlich des Vorliegens eines dringenden Falles - zu einem unheilbaren Verfahrensfehler führt (Rn. 13 a.E. des amtl. Urteilsabdrucks). Diese Ausführungen sprechen ebenfalls dafür, maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung abzustellen und später eintretende Veränderungen unberücksichtigt zu lassen. In seinen weiteren Erwägungen (vgl. Rn. 19 des Abdrucks) ermöglicht das Bundesverwaltungsgericht allerdings (auch) die Berücksichtigung des behördlichen Verhaltens nach Erlass der verfügten Ausweisung, etwa indem es ausführt, die Annahme eines dringenden Falles scheide aus, wenn die Behörde das Verfahren nicht zügig betreibe und von der Anordnung des Sofortvollzuges - ggf. nach gerichtlicher Bestätigung - nicht unverzüglich Gebrauch mache. Insoweit dürfte es sich allerdings eher um einen Fall widersprüchlichen Verhaltens handeln, der eine Berufung auf das Vorliegen eines dringenden Falles durch die Behörde als unzulässig erscheinen lassen kann.
56 
d) Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, lag zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe über die Ausweisung des Klägers ein „dringender Fall“, der ausnahmsweise die Einschaltung einer zweiten Stelle i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG entbehrlich gemacht hätte, nicht vor. Die Ausweisungsverfügung ist damit unter Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorschriften ergangen.
57 
Für die Annahme eines dringenden Falles sprach zwar, dass der Kläger eine besonders schwerwiegende Betäubungsmittelstraftat mit „harten“ Drogen begangen und dabei - wie auch vom Strafgericht zu Recht betont - eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt hat. Das Regierungspräsidium hat das Verfahren auch zügig betrieben (nach Eingang des rechtskräftigen Strafurteils am 20.09.2004 erging bereits am 12.10.2004 die Ausweisungsverfügung) und seinerseits den Sofortvollzug angeordnet. Im Ergebnis zu Recht ist das Regierungspräsidium bei seiner Entscheidung auch davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers mit einer Freigabeentscheidung gemäß § 456a StPO nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe gerechnet werden konnte und eine Abschiebung aus der Haft in Frage kam.
58 
Diese Gesichtspunkte reichen jedoch nicht aus, im Falle des Klägers eine besondere Dringlichkeit zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung zu begründen.
59 
Wie dargelegt ist diese Merkmal als Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders eng auszulegen und erfordert eine Situation, bei der wegen der vom Ausländer unmittelbar drohenden erheblichen Gefahr ein weiteres Zuwarten mit der Ausweisung bzw. deren Vollzug nicht zu verantworten ist. Diese engen Voraussetzungen waren beim Kläger nicht gegeben. Der Kläger war zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden und befand sich seit dem 09.02.2003 in Strafhaft. Selbst eine Freigabeentscheidung nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Haftstrafe (deren Erteilung zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung allerdings keineswegs feststand), war frühestens zum 09.05.2005 zu erwarten; konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Freigabe bereits vor diesem Termin lagen nicht vor. Es stand mithin bei Erlass der Ausweisungsentscheidung vom 12.10.2004 bis zu einer eventuell möglichen Abschiebung aus der Haft (die ihrerseits nicht zwingend unmittelbar nach Freigabe zu erfolgen hatte) noch ein Zeitraum von sieben Monaten zur Verfügung. Nach Auffassung des Senats ist ein solcher Zeitraum - unter Berücksichtigung der grundsätzlich bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien und der gebotenen zügigen Bearbeitung - ausreichend, eine beabsichtigte Ausweisungsverfügung durch eine zweite Verwaltungsstelle überprüfen zu lassen. Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass im vorliegenden Fall die persönlichen Belange des Klägers (insbesondere sein lang dauernder Aufenthalt in der Bundesrepublik, davon seit 1997 mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, sowie sein Umgangsrecht mit seinem 1993 hier geborener Sohn) ein nicht unerhebliches Gewicht haben. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass vor diesem Hintergrund die bloß abstrakte Möglichkeit, der Kläger könne in der Strafhaft weitere Straftaten begehen, keine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigt.
60 
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, weist der Senat noch darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Rechtsauffassung des Beklagten, für die Beurteilung der Dringlichkeit i.S.d. Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sei (ebenso wie bei der Beurteilung der materiellen Ausweisungsvoraussetzungen, vgl. BVerwG, Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224 ff.) auf die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen, wohl nicht zu einem anderen Ergebnis führen dürfte. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (29.06.2006) war der Kläger auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 02.03.2006 über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung aus der Haft entlassen worden. Damit kommt eine Abschiebung aus der Haft nicht mehr in Betracht. Der Entscheidung des Landgerichts lag ein klinisch-forensisches Fachgutachten vom 06.02.2006 zu Grunde, welches zu dem Ergebnis gekommen war, beim Kläger bestehe keine Gefahr mehr, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe. Ungeachtet der Tatsache, dass dieses im Strafverfahren erstellte und dort auch unter Resozialisierungsgesichtspunkten zu verstehende Gutachten möglicherweise bei der Beurteilung einer qualifizierten Wiederholungsgefahr als materielle Ausweisungsvoraussetzung einer kritischen Würdigung zu unterziehen wäre (zumal das Gutachten davon ausging, dass der Kläger nach Haftentlassung über eine Arbeitsstelle verfüge, wohingegen die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, dass er arbeitslos ist), dürfte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine unmittelbar drohende erhebliche Gefahr als Voraussetzung für eine besondere Dringlichkeit schwerlich zu begründen sein.
61 
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt sei ferner darauf hingewiesen, dass die vom Regierungspräsidium in der angefochtenen Verfügung enthaltene Erwägung, eine zeitnahe Aufenthaltsbeendigung sei (auch) aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt, wohl nicht tragfähig sein dürfte, auch wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung als solcher, sondern (nur) im Zusammenhang mit der Anordnung des Sofortvollzuges steht. Bei assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen ist bei Beschränkungen der Freizügigkeit zur Gefahrenabwehr nur auf die auf Grund des persönlichen Verhaltens des Betroffenen vorliegende Gefährdung abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, a.a.O.). Es spricht einiges dafür, dass dies auch im Hinblick auf die Begründung des Sofortvollzuges (d.h. die sofortige Aufenthaltsbeendigung und damit unmittelbare Beschränkung der Freizügigkeit) gelten dürfte.
62 
4. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Heilung des Verfahrensmangels nach § 46 LVwVfG nicht in Betracht.
63 
Nach § 46 LVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, ein eventueller Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sei nach § 46 LVwVfG letztlich unbeachtlich, da die Stellungnahme einer im Vorfeld der Maßnahme zu beteiligenden Stelle angesichts der massiven kriminellen Energie des Antragstellers unter Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen die Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe im Ergebnis offensichtlich nicht hätte beeinflussen können.
64 
a) Fraglich ist bereits, ob § 46 LVwVfG auf die Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften Anwendung findet. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage in seinen Urteilen vom 13.09.2005 und 06.12.2005 (a.a.O.) nicht aufgeworfen, geht allerdings im Ergebnis - ohne nähere Begründung - von einem unheilbaren Verfahrensmangel aus.
65 
§ 46 LVwVfG findet keine Anwendung bei sog. absoluten Verfahrensfehlern (vg. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 46 Rn. 18 m.w.N., Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 46 Rn. 22). Dies ist bei einem Verstoß gegen solche Vorschriften anzunehmen, die nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs dienen, sondern dem Betroffenen eine eigene, unabhängig vom materiellen Recht durchsetzbare Rechtsposition gewähren wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325 ff., Rn. 25). Wegen des Erfordernisses effektiver, einheitlicher Wirkung des EU-Rechts in allen Mitgliedsländern (sog. „effet utile“, vgl. dazu etwa Kenntner, Rechtsschutz in Europa, in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 76) werden nach wohl überwiegender Meinung die Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts und solche nationale Vorschriften, die auf Gemeinschaftsrecht beruhen, wie absolute Verfahrensvorschriften behandelt mit der Folge, dass eine Heilung nach § 46 LVwVfG ausscheidet (ebenso Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46 Rn. 20; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. § 46 Rn. 9, § 45 Rn. 187; VG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2006 - 5 K 5146/04 -, ; z.T. a.A. Papier, DVBl 1993, 809 ff., 814). Für diese Auffassung spricht auch, dass die Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die Heilung von Verfahrensmängeln von äußerster Zurückhaltung geprägt ist (vgl. dazu ausführlich Wahl, DVBl. 2003, 1285 ff, 1290, und Kment, ArchöR 2005, 571 ff., 584, 612, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH). Es zeigt sich darin ein vom deutschen Verwaltungsverfahrensrecht grundlegend abweichendes Verständnis vom Verwaltungsverfahren in dem Sinn, dass Verfahrensregelungen nicht nur der wirksamen Durchsetzung materiellen Rechts dienen, sondern zugleich auch eine gewisse Gewähr für die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung bieten sollen.
66 
b) Im Ergebnis kann die Frage der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorschriften aber offen bleiben, denn selbst seine Anwendbarkeit unterstellt würde er im vorliegenden Fall nicht zu einer Heilung des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG führen. Die Verletzung einer Verfahrensvorschrift ist nämlich nach § 46 LVwVfG nur dann unbeachtlich, wenn „offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.“ Eröffnet das materielle Recht im konkreten Einzelfall Ermessen, so ist im Regelfall nicht auszuschließen, dass sich die Verletzung der in § 46 LVwVfG genannten Vorschriften auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat. Deswegen sind in diesen Fällen Fehler grundsätzlich relevant (vgl. Kopp-Ramsauer, a.a.O., § 46 Rn. 32 m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rn. 66).
67 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - , a.a.O.) dürfen türkische Staatsangehörige, die - wie der Kläger - ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung gemäß §§ 45, 46 AuslG ausgewiesen werden. Der Senat hat seine gegenteilige Auffassung, es lasse sich dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nicht entnehmen, dass freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger - und entsprechend assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige - ausschließlich im Wege einer behördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürfen (vgl. etwa Senatsurteil vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 f.; ebenso zuletzt Renner, ZAR 2005, 295 ff.) im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung aufgegeben. Nach der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung neben der Art und Schwere der begangenen Straftat die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und die privaten Belange des Betroffenen umfassend abzuwägen. Hat der Betroffene Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54 AufenthG (ehemals § 47 Abs. 1 und 2 AuslG - sog. Ist- oder Regelausweisungstatbestände -) verwirklicht, darf dies zwar in die Abwägung einbezogen werden, jedoch nicht im Sinne einer Regelvermutung oder sonstigen schematisierenden Entscheidungsdirektive, die auch nur den Anschein eines Automatismus begründet. Vielmehr ist auch hier stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.
68 
Bei einer danach für die Ausweisung des Klägers erforderliche Ermessensentscheidung unter umfassender Berücksichtigung einer Vielzahl von Gesichtspunkten und ohne isolierte Betrachtung der Art und Schwere der vom Kläger verwirklichten Straftat kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine zweite Stelle zu einer anderen Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Unter diesen Umstände scheidet eine Heilung des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nach § 46 LVwVfG aus.
69 
5. Eine Heilung des Verfahrensverstoßes nach § 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 LVwVfG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach den genannten Vorschriften ist die Verletzung von Verfahrensvorschriften unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Bereits der Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, eine erschöpfende Prüfung aller Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeitvor der Ausweisungsentscheidung sicherzustellen, sprechen dagegen, die fehlende Prüfung durch eine zweite zuständige Stelle im Laufe des Gerichtsverfahrens noch nachholen zu können. Auch das o.g. gemeinschaftsrechtliche Prinzip des „effet utile“ dürfte der nachträglichen Heilung auf Grund nationaler Verfahrensvorschriften entgegenstehen. Der Senat hat vor diesem Hintergrund keine Veranlassung gesehen, das Rechtsmittelverfahren etwa entsprechend § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen, um Gelegenheit zur Nachholung der fehlenden Prüfung zu geben. Auch von der Beklagten wurde während des anhängigen Verfahrens nicht nachträglich eine zweite zuständige Stelle eingeschaltet. Eine solche Möglichkeit ist auch zwischenzeitlich entfallen, da die Änderung der AAZuVO vom 04.10.2005 (GBl. S. 678), mit der in § 10 Abs. 7 für Ausweisungsentscheidungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe das Regierungspräsidium Freiburg als zweite zuständige Stelle i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG bestimmt wurde, mit Ablauf des 30.04.2006 wieder außer Kraft getreten ist.
III.
70 
Die unter Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ergangene Ausweisungsverfügung des Klägers wird nicht dadurch rechtmäßig, dass - nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - die RL 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden ist. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - , a.a.O., und - 1 C 30.02 -, NVwZ 2005, 220 ff.) für die gerichtliche Überprüfung von Ausweisungen von Unionsbürgern sowie von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist. Denn dieser Zeitpunkt ist (nur) für die Überprüfung der materiellen Voraussetzungen der Ausweisung maßgeblich, nicht aber dafür, welches Verfahrensrecht im Verwaltungsverfahren anzuwenden ist.
71 
1. Gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Freizügigkeitsrichtlinie, im Folgenden RL 2004/38/EG; ABl. L 229/35 vom 29.06.2005, in Kraft getreten am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, vgl. Art. 41;) ist die RL 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist zum 30.04.2006 auch Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG entfallen.
72 
a) Ob und in welchen Teilen die neue Richtlinie, die nach ihrem Wortlaut nur für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen gilt und anders als die Richtlinie 64/221/EWG nicht nur Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, enthält, auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anwendbar ist, ist bisher ungeklärt (offen gelassen von Nieders. OVG, Urteil vom 16.05.2006 - 11 LC 324/05 -; bzgl. der materiell-rechtlichen Grundsätze des Art. 28 Abs. 3 verneint, bzgl. Art. 30 Abs. 3 bejaht von VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263 ff.; aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der RL 2004/38/EG vgl. auch folgende Entscheidungen, die sich im Wesentlichen mit einer evt. Vorwirkung und der Geltung der materiell-rechtlichen Grundsätze des Art. 28 beschäftigen: Hess. VGH, Beschluss vom 02.05.2005 - 12 TG 1205/05 -, InfAuslR 2005, 295 ff.; Nieders. OVG, Beschlüsse vom 06.06.2005 - 11 ME 39,05, NVwZ-RR 2005, 654 f. und vom 05.10.2005 - 11 ME 247/04 -, InfAuslR 2005, 453 ff.; zum Ganzen s. auch Gutmann, Die neue Unionsbürger-Richtlinie 2004/38/EG und ihr Verhältnis zu Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, InfAuslR 2005, 401 ff.). Für die Anwendung zumindest der Verfahrensvorschriften könnte sprechen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die im Rahmen des Art. 39 geltenden Grundsätze über die Freizügigkeit der Unionsbürger so weit wie möglich auf assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer übertragen werden sollen (vgl. zuletzt Urteil vom 11.11.2004 , InfAuslR 2005, 13 ff.) und die verfahrensrechtlichen Garantien untrennbar mit dem materiellen Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit verbunden sind (vgl. Urteil vom 02.06.2005, a.a.O., Rn. 67).
73 
b) Die in der RL 2004/38/EG enthaltenen Verfahrensvorschriften verlangen jedenfalls nicht (mehr) die Einschaltung einer unabhängigen Stelle neben der Ausländerbehörde vor Abschluss des behördlichen Verfahrens (ebenso Nieders. OVG, Urteil vom 16.05.2006, a.a.O.). Nach der Richtlinie ist lediglich erforderlich, dass gegen eine Ausweisungsentscheidung „ein Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedsstaates eingelegt werden kann (Art. 31 Abs. 1). Im Rechtsbehelfsverfahren sind die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen; dabei ist zu gewährleisten, dass die Entscheidung insbesondere (im Hinblick auf die gemäß Art. 28 Abs. 1 zu berücksichtigenden Gesichtspunkte) nichtunverhältnismäßig ist.
74 
Aus alledem ergibt sich die Erforderlichkeit eines behördlichen „Vier-Augen-Prinzips“ nicht mehr, so dass es ab dem 01.05.2006 gemeinschaftsrechtlich unbedenklich sein dürfte, wenn das Widerspruchsverfahren gesetzlich ausgeschlossen ist. Durch den gerichtlichen Rechtsschutz (einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes, vgl. dazu Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie), der in Deutschland entsprechend den o.g. Vorgaben eine umfassende Prüfung der tatsächlichen Grundlagen der Ausweisungsentscheidung sowie der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beinhaltet, wird den gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien genügt (Dass die vom Gemeinschaftsrecht geforderte rechtliche Prüfungsdichte in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert werde, war vom Senat bereits unter der Geltung des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG angenommen worden - vgl. Senatsurteil vom 21.07.2004 - 11 S 535/04 -, a.a.O.; er hat diese Rechtsprechung aber im Hinblick auf die Entscheidungen des BVerwG vom 13.09.2005 und 06.10.2005, (a.a.O.) aufgegeben, vgl dazu unter II. 2. ).
75 
2. Die Tatsache, dass damit ab dem 01.05.2006 das gemeinschaftsrechtliche Erfordernis der Nachprüfung einer Ausweisungsentscheidung durch eine zweite behördliche Stelle („Vier-Augen-Prinzip“) ersatzlos weggefallen ist, führt allerdings nicht dazu, dass die gegen den Kläger unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG erlassene Ausweisungsverfügung nunmehr als rechtmäßig anzusehen wäre. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 und 1 C 30.02 -, a.a.O.), wonach für die gerichtliche Überprüfung von Ausweisungen von Unionsbürgern sowie von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist.
76 
a) Ob und inwieweit eine nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eingetretene Veränderung der Sach- oder Rechtslage das Urteil über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes beeinflusst, ist keine Frage des Prozessrechts-, sondern des zu Grunde liegenden materiellen Rechts (vgl. ausführlich zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage etwa Kopp/Schenke, 14. Aufl., § 113, Rn. 34 ff. und Rn. 47 ff., und Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten, VerwArch 1990, 149 ff., jeweils m.w.N.).
77 
Die o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruht auf der Anwendung materiellen Gemeinschaftsrechts über die Voraussetzungen der Aufenthaltsbeendigung von Unionsbürgern bzw. assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt dabei Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 29.04.2004 , a.a.O.), wonach Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, nach der die Gerichte nicht verpflichtet sind, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann. Da die Ausnahmen vom Grundsatz der Freizügigkeit nach Art. 39 EG eng auszulegen seien, müssten die Voraussetzungen der gegenwärtigen Gefährdung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt erfüllt sein, zu dem die Ausweisung erfolge. Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auslegung des materiellen Gemeinschaftsrechts gefolgt und hat - möglicherweise sogar darüber hinausgehend - entschieden, dass für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Ausweisungen freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger bzw. assoziationsberechtigter Türken in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nunmehr insgesamt der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich sei. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen müsse, zu dem die Ausweisung erfolge, ergebe sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen seien.
78 
c) Aus dieser zu den materiellen Ausweisungsvoraussetzungen ergangenen Rechtsprechung lässt sich nichts dafür herleiten, dass eine ursprünglich unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften von der Behörde rechtswidrig erlassene Ausweisungsverfügung durch eine spätere Änderung der Verfahrensvorschriften nachträglich als rechtmäßig zu behandeln wäre (a.A., allerdings ohne nähere Begründung, Nieders. OVG, Urteil vom 16.05.2006 - 11 LC 324/05 -). Ob ein behördlicher Verfahrensfehler vorliegt, der zur Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung führt, richtet sich vielmehr nach dem während des Verwaltungsverfahrens geltenden Verfahrensrecht, mithin nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG.
79 
Die (Übergangs-)Regelung in Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG bestimmt, dass die RL 64/221/EWG (erst) zum 30.04.2006 und damit nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden soll. Bereits dies spricht dagegen, dass die Regelungen in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG durch das Inkrafttreten der RL 2004/38/EG auch für ergangene Ausweisungsentscheidungen überholt sind (ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 14.07.2005 - 4 K 743/03 - ).
80 
Darüber hinaus entspricht es allgemeinen, aus dem Wesen und der Funktion des Rechts hergeleiteten Grundsätzen, dass neue Rechtsnormen grundsätzlich für die Zukunft gelten, sofern nicht spezielle Übergangsvorschriften ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Neues Verfahrensrecht gilt damit im Zweifel, d.h. mangels Vorliegens anders lautender Überleitungsvorschriften, vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an, und zwar i.d.R. (auch) für bereits anhängige, nicht jedoch für bereits abgeschlossene Verfahren oder Verfahrensabschnitte; letztere können nur nach dem im Zeitpunkt ihres Ergehens geltenden Recht beurteilt werden (vgl. dazu etwa Nieders. OVG, Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 -, m.w.N.; das Nieders. OVG bejaht in dieser Entscheidung die Anwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem Inkrafttreten der Norm - 01.01.2005 - in das Bundesgebiet eingereiste oder geborene Kinder, weil mit der Antragstellung das Verwaltungsverfahren erst eingeleitet werde; vgl. demgegenüber BverwG - Urteil vom 01.11.2005 - 1 C 21/04 -, InfAuslR 2006, 244 ff., wonach § 73 Abs. 2a AsylVfG auf vor dem 01.01.2005 ergangene Widerrufsentscheidungen, d.h. bereits abgeschlossene Verfahren, keine Anwendung findet). Ist ein belastender Verwaltungsakt unter Verletzung einer zur Zeit seines Erlasses geltenden Verfahrensvorschrift ergangenen und damit rechtswidrig, führt grundsätzlich der spätere Wegfall der Verfahrensvorschrift nicht zu einer Umwandlung eines rechtswidrigen in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rn. 47, der davon spricht, dass der spätere Wegfall nicht eine „Metamorphose“ eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes in einen rechtmäßigen bewirke). Allenfalls kann der Gesetzgeber (unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze) die Verletzung der Verfahrensvorschrift für unbeachtlich erklären, wie dies etwa in §§ 45, 46 LVwVfG geschehen ist, mit der Folge, dass der Verwaltungsakt trotz seines rechtswidrigen Zustandekommens als rechtmäßig anzusehen ist (vgl. Kleinlein, a.a.O., S. 161). Die Voraussetzungen für eine Heilung nach §§ 45, 46 LVwVfG sind aber im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben (vgl unter II. 4. und 5.).
81 
Im Ergebnis hat daher das Außerkrafttreten der RL 64/221/EWG zum 30.04.2006 und das Inkrafttreten der RL 2004/38/EG zum 01.05.2006 keinen entscheidungserheblichen Einfluss auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004. Diese ist vielmehr wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben worden.
IV.
82 
Ob die Ausweisung auch gegen materielles Gemeinschaftsrecht verstößt, ob insbesondere zum diesbezüglich maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch von einer qualifizierten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden kann und die Verfügung im übrigen den an eine Ermessensausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen zu stellenden Anforderungen genügt (vgl. dazu im einzelnen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 und 1 C 30.02 -, a.a.O.), kann danach offen bleiben. Offen bleiben kann damit auch, ob das Regierungspräsidium im Hinblick auf das Umgangsrecht des Klägers mit seinem 1993 in der Bundesrepublik geborenen Sohn bei seiner Entscheidung die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG (vgl. dazu insbes. Kammerbeschluss des BVerfG vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122 ff.) ausreichend gewichtet hat.
V.
83 
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass bei einer Aufhebung der Ausweisung auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben kann.
VI.
84 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
VII.
85 
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen das Außerkrafttreten des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zum 30.04.2006 auf in der Vergangenheit unter Verstoß gegen diese Vorschrift erlassene Ausweisungsverfügungen von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen hat, gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Die Frage ist vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht geklärt; das Nieders. OVG hat in seinem - noch unveröffentlichten - Urteil vom 16.05.2006 (11 LC 324/05) eine von der Ansicht des zulassenden Gerichtshofs abweichende Rechtsauffassung vertreten; ebenso das VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263 ff.). Zwar handelt es sich bei Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG um außer Kraft getretenes Recht; die aufgeworfene Frage ist aber angesichts der Vielzahl der unter der Geltung dieser Vorschrift erlassenen und noch nicht bestandkräftig gewordenen Ausweisungen für einen nicht überschaubaren Personenkreis auf unabsehbare Zeit noch von Bedeutung; darüber hinaus kann die Frage auch Bedeutung haben für die Vielzahl der bei den Ausländerbehörden und Gerichten bereits anhängigen - sowie ggf. noch zu erwartenden - Verfahren auf Wiederaufgreifen von gemeinschaftsrechtswidrig erlassenen bestandskräftigen Ausweisungsverfügungen (zur Zulassung der Revision bei auslaufendem oder außer Kraft getretenen Recht vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24.10.1994 - 9 B 83.94 - , DVBl 1995, 569, und vom 20.10.1995 - 6 B 35/95 -, NVwZ-RR 1996, 712, jeweils m.w.N.). Das Revisionsverfahren bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Beurteilung der Dringlichkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zu klären sowie die entstandenen Unklarheiten im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffes „Hauptverfahren“ im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.09.2005 (a.a.O.) zu beseitigen.
86 
Beschluss
87 
vom 29. Juni 2006
88 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats kommt der nur im Zuge der Anfechtung einer Ausweisung angefochtenen Abschiebungsandrohung keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.04.1982 - 1 B 38.82 -, InfAuslR 1982, 167 und vom 29.01.1982 - 1 B 1.92 -, BayVBl. 1982, 380). Das gilt unabhängig von der Relevanz des angedrohten Zielstaats oder des ausländerrechtlichen Status des Betroffenen (vgl. Beschluss des Senats vom 24.06.2004 - 11 S 1168/04 -) und ungeachtet dessen, dass bei der Anfechtung einer isolierten Abschiebungsandrohung der volle Regelstreitwert anzusetzen ist.
89 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
28 
Die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe zugelassene Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt (vgl. § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und den inhaltlichen Anforderungen entsprechend fristgerecht begründet worden (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO).
29 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2004 zu Recht aufgehoben, denn diese ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar war entgegen der Auffassung des Klägers das Regierungspräsidium Karlsruhe für die Ausweisungsentscheidung örtlich zuständig (dazu unter I.). Die Entscheidung verstößt jedoch gegen die auch für den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung geltenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in der Auslegung, die sie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110 ff., und vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 ff.) erfahren hat und der sich der Senat zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung anschließt (dazu unter II.). Die unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG erlassene Ausweisungsverfügung ist wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels rechtswidrig; daran ändert sich auch nichts dadurch, dass - nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - die RL 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden ist (dazu unter III).
I.
30 
Das Regierungspräsidium Karlsruhe war für den Erlass der Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004 örtlich zuständig, obwohl der Kläger vor seiner Inhaftierung (U-Haft in der JVA Mannheim) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Köln hatte und auch bereits vor Erlass der Ausweisungsverfügung in die JVA Köln verlegt wurde.
31 
Weder im während des Ausweisungsverfahrens des Klägers geltenden Ausländergesetz noch in dem seit dem 01.01.2005 geltenden Aufenthaltsgesetz waren bzw. sind Regelungen über die örtliche Behördenzuständigkeit enthalten (vgl. § 63 AuslG, § 71 AufenthG). Diese richtet sich vielmehr nach dem Verfahrensrecht der Länder, die die Bundesgesetze gemäß Art. 83 GG als eigene Angelegenheiten ausführen (vgl. auch Nr. 63.1.2.1 der nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen AuslG-VwV vom 28.06.2000 des BMI, GMBl. 2000, S. 618 ff.). Die örtliche Zuständigkeit im Ausländerrecht richtet sich mithin in Baden-Württemberg nach der Aufenthalts- und Asyl- Zuständigkeitsverordnung (im Folgenden: AAZuVO) in der jeweils maßgeblichen Fassung und ergänzend nach § 3 LVwVfG (vgl. § 1 Abs. 1 LVwVfG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AAZuVO in der bei Einleitung des Ausweisungsverfahrens des Klägers geltenden Fassung vom 19.07.1995 (GBl. S. 586 ff, mit Änderungen vom 21.10.1996, GBl. S. 649 ff., und vom 23.03.1998, GBl. S. 187) bleibt, wenn der Ausländer sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, die Ausländerbehörde - örtlich - zuständig, in deren Dienstbezirk sich der Ausländer vor der Hafteinweisung oder der Ingewahrsamnahme gewöhnlich aufgehalten hat. Ist der vorige gewöhnliche Aufenthalt nicht bekannt , ist die Ausländerbehörde, in deren Dienstbezirk sich der Ausländer in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, zuständig (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AAZuVO). Eine nach Satz 2 begründete Zuständigkeit bleibt erhalten, wenn der Ausländer während der Haft in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde verlegt wird (§ 4 Abs. 3 Satz 3 AAZuVO).
32 
Im vorliegenden Fall war bei Einleitung des Ausweisungsverfahrens dem Regierungspräsidium Karlsruhe der gewöhnliche Aufenthaltsort des Klägers vor seiner Inhaftierung nicht bekannt. Der Kläger befand sich auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart vom 07.02.2003 in Untersuchungshaft in der JVA Mannheim im Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Unter der in dem o.g. Beschluss angegebenen Wohnanschrift K. ... in K. hat der Kläger sich vor seiner Inhaftierung unstreitig nicht aufgehalten. Anhaltspunkte für eine andere Wohnanschrift lagen dem Regierungspräsidium bei Einleitung des Ausweisungsverfahrens nicht vor. Vielmehr ergab sich aus dem Ausländerzentralregister, dass der Kläger am 29.05.2000 „nach unbekannt“ verzogen war. Auch die Stadtverwaltung der Stadt Köln hat dem Regierungspräsidium auf entsprechende Nachfrage mitgeteilt (Schreiben vom 06.03.2003), dass der Kläger seine letzte Meldeanschrift ohne Abmeldung verlassen habe. Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung bestand für das Regierungspräsidium auch keine Veranlassung für weitere Nachforschungen, nachdem selbst der Kläger bei seiner Anhörung vor Erlass der Ausweisungsverfügung keine weitergehenden Angaben zu seinem Aufenthalt vor der Inhaftierung oder zu seinen persönlichen Bindungen gemacht hat.
33 
Danach war das Regierungspräsidium Karlsruhe zumindest bis zur Übersendung der Anklageschrift vom 06.06.2003, aus der sich der frühere tatsächliche Aufenthalt des Klägers bei seiner Lebensgefährtin in der O. Straße ... in K. ergab, nach § 4 Abs. 3 Satz 2 AAZuVO für das Ausweisungsverfahren zuständig. Daran hätte auch die vor Erlass der Ausweisungsverfügung erfolgte Verlegung des Klägers in die JVA Köln nichts geändert (vgl. § 4 Abs. 3 S. 3 AAZuVO).
34 
Nachdem durch die Übersendung der Anklageschrift der Aufenthaltsort des Klägers vor seiner Inhaftierung (d.h. von April 1999 bis Februar 2003) bekannt war, ist das Regierungspräsidium Karlsruhe im laufenden Ausweisungsverfahren allerdings örtlich unzuständig geworden. Gemäß § 3 Abs. 3 LVwVfG kann jedoch, wenn sich im Laufe des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern, die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, nachdem die Stadt Köln mit Erklärung vom 02.09.2005 im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der (Fort-)Führung des Ausweisungsverfahrens rückwirkend zugestimmt hat.
35 
Eine Änderung der die örtliche Zuständigkeit begründenden Umstände liegt typischerweise bei einer Änderung äußerer Umstände, etwa bei einem Wohnsitzwechsel, vor. Nachdem im vorliegenden Fall aber gerade die Unkenntnis des früheren Aufenthalts des Klägers der die Zuständigkeit begründende Umstand war, stellt umgekehrt dessen spätere Kenntnis eine Änderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände dar. Geht man davon aus, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe örtlich unzuständig geworden ist, lag auch kein sog. positiver Kompetenzkonflikt, d.h. eine Zuständigkeit von Ausländerbehörden mehrerer Länder nach landesrechtlichen Vorschriften, vor, der ein Zurückgreifen auf die zu § 63 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ergangenen Regelungen in der AuslG-VwV (a.a.O., Nr. 63.2.2, insbes. Nr. 63.2.2.1 und 63.2.2.2.1) erfordert hätte. Für die Anwendung des § 3 Abs. 3 LVwVfG genügt auch die Zustimmungserklärung der Behörde eines anderen Bundeslandes(Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 3 Rn. 44, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 3 Rn. 38, jeweils m.w.N.). Auch die Tatsache, dass die Stadt Köln der (Fort-)Führung des Ausweisungsverfahrens erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - rückwirkend -zugestimmt hat, steht der Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 LVwVfG nicht entgegen. Zwar wird teilweise (vgl. etwa Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 3 Rn. 38) die Auffassung vertreten, die Zustimmung könne wirksam bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erklärt werden. In dem als Beleg dafür angeführten Fall des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18.04.1986 - 8 C 81/83 -, NVwZ 1987, 224 f.) war streitig, ob die im Widerspruchsverfahren erklärte Zustimmung zu berücksichtigen war, was das Bundesverwaltungsgericht bejaht hat. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Zustimmungserklärung nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erteilt werden kann, zumal § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG die Nachholung erforderlicher Mitwirkungshandlungen grundsätzlich bis zur letzten Tatsacheninstanz zulässt.
36 
Schließlich ist die Fortführung des Ausweisungsverfahrens durch das Regierungspräsidium Karlsruhe auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall war es aus Sicht der Behörden zweckmäßig, trotz Kenntnis des früheren Aufenthalts des Klägers das Ausweisungsverfahren durch das Regierungspräsidium Karlsruhe fortführen zu lassen, nachdem dieses dort bereits eingeleitet worden sowie die Anhörung erfolgt war und die Akten entscheidungsreif vorlagen. Auch die Interessen des Klägers sind dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt worden. Zwar ist die Rechtsverfolgung für den Kläger durch die räumliche Entfernung der für das Klage- und Berufungsverfahren zuständigen Gerichte (VG Karlsruhe bzw. VGH Mannheim) erschwert. Andererseits hängt die Durchführung des Ausweisungsverfahrens durch das Regierungspräsidium Karlsruhe ursächlich damit zusammen, dass der Kläger offensichtlich seine alte Wohnanschrift ohne Abmeldung verlassen hat und „nach unbekannt“ verzogen ist, so dass jedenfalls der Ausländerbehörde der tatsächliche Aufenthalt des Klägers unbekannt war; diesen Umstand muss der Kläger sich zurechnen lassen.
II.
37 
Letztlich kommt es jedoch auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage der örtlichen Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe nicht entscheidungserheblich an. Denn die Verfügung des Regierungspräsidiums verstößt jedenfalls gegen die auch für den Kläger - ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung geltenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in der Auslegung, wie sie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13.09.2005 und vom 06.10.2005, a.a.O.) vorgenommen worden ist. Sie ist damit wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels rechtswidrig.
38 
1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 02.06.2005 , InfAuslR 2005, 289 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts in den o.g. Urteilen vom 13.09.2005 und 06.10.2005 sind die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben.
39 
Der Kläger war von Juli 1993 bis März 1995 bei der Fa. ... und von April 1995 bis Dezember 2002 bei der Firma A.-... ordnungsgemäß, d.h. mit Besitz von Aufenthaltserlaubnissen, beschäftigt. Damit hat er - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - die Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Diesen Rechtsstatus hat er seither auch nicht verloren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 07.07.2005 - C 383/03 - , InfAuslR 2005, 350 ff.) ist ein Verlust dieser Rechtsstellung insbesondere nicht dadurch eingetreten, dass der Kläger eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt hat.
40 
Möglicherweise hat der Kläger als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach drei- bzw. fünfjährigem Aufenthalt auch den Rechtsstatus nach Art. 7 Satz 1 1. oder 2. Spiegelstrich erworben. Der Kläger ist 1992 im Wege des Familiennachzugs zu seiner türkischen Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ausweislich der beigezogenen Behördenakten war die Ehefrau des Klägers - jedenfalls zum Zeitpunkt der Einreise - als angestellte Friseurin bei der Firma F. beschäftigt. Wie lange die Ehefrau der Klägers danach noch dem regulären Arbeitsmarkt angehört hat, ist den Akten nicht zu entnehmen, kann aber - da nicht entscheidungserheblich - auch auf sich beruhen.
41 
2. Nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG trifft, „sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben“, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen „außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes“, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann, wobei „diese Stelle eine andere sein muss als diejenige, welche für die aufenthaltsbeendende Maßnahme zuständig ist“.
42 
Nach der vom EuGH in der Rechtssache Dörr und Ünal (Urteil vom 02.06.2005, a.a.O., Rn. 47) getroffenen Auslegung muss die gesonderte Stelle i.S.d. Richtlinie zur Gewährleistung eines hinreichend effektiven Schutzes eine sichere Garantie einer erschöpfenden Prüfung der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme geben. Nach der im Anschluss daran ergangenen o.g. Rechtsprechung des BVerwG (Urteile vom 13.09.2005 und 06.10.2005, a.a.O.) wird in Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige - außer in dringenden Fällen - Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Deutschland verletzt, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird (behördliches Vorverfahren i.S.d. § 68 VwGO). Das deutsche verwaltungsgerichtliche Rechtsmittelverfahren, welches lediglich eine Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vorsehe, insbesondere bei behördlichen Ermessenserwägungen auf die Überprüfung beschränkt sei, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten seien bzw. von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sei, genüge den Anforderungen an eine zweite zuständige Stelle nicht. Daraus folge, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei von den Regierungspräsidien verfügten Ausweisungen (vgl. § 6a S. 1 AGVwGO; eingefügt durch das Gesetz zur Entlastung der Regierungspräsidien vom 10.05.1999, GBl. S. 173, in Kraft getreten am 01.07.1999) die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde („Vier-Augen-Prinzip“) entfallen sei. Die gegen begünstigte Ausländer verfügten Ausweisungen seien daher wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig, es sei denn, es habe ein „dringender Fall“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorgelegen.
43 
Der Senat hatte demgegenüber in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf den Begriff der Zweckmäßigkeit nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffes - etwa im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeitskontrolle im Widerspruchsverfahren, § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO - auszugehen sei und die vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert werde (Urteil vom 21.07.2004 - 11 S 535/04 -, VBlBW 2004, 481 ff.; unter Fortführung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -; ebenso Senatsurteil vom 15.05.2005 - 11 S 2966/04 -). Im Hinblick auf die o.g. Entscheidungen des BVerwG vom 13.09.2005 und 06.10.2005 hat der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben. Dies gilt weiterhin und ungeachtet der Tatsache, dass Art. 31 der seit dem 01.05.2006 unmittelbar geltenden Richtlinie 2004/38/EG (vgl. dazu Groß, ZAR 2006, 61 ff., 64), die u.a. eine „genauere Definition der Verfahrensgarantien“ bei der Ausweisung von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bezweckt (vgl. 22. Erwägungsgrund), - deren Anwendbarkeit auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige unterstellt - nicht die Einschaltung einer zweiten außergerichtlichen Stelle vor Abschluss des behördlichen Verfahrens verlangt, sondern den gerichtlichen Rechtsbehelf ausreichen lässt (vgl. dazu im einzelnen unter III).
44 
3. Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe am 12.10.2004 verfügte Ausweisung erfolgte im Hinblick auf § 6a AGVwGO ohne vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und damit ohne Einschaltung einer zweiten unabhängigen Stelle vor Abschluss des behördlichen Verfahrens. Dies ist auch nicht deshalb unschädlich, weil ein „dringender Fall“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorgelegen hätte, bei dem die vorherige Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ entbehrlich gewesen wäre.
45 
a) Entgegen der Ansicht des Beklagten unterliegt die Beurteilung, ob von einem „dringender Fall“ i. S. von Art. 9 RL 64/221/EWG auszugehen ist, der gerichtlichen Überprüfung und ist nicht allein Sache der Verwaltung. In dem vom Beklagten für seine Auffassung herangezogenen Urteil des EuGH vom 05.03.1980 (Rs 98/79 , NJW 1980, 2630 ff.) heißt es zwar, dass durch das in Art. 9 RL 64/221/EWG vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme den Gerichten nicht das Recht zur Prüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet habe verliehen werden sollen. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Prüfung auch nach nationalem Recht nicht zu erfolgen hat. Das verdeutlicht der Gerichtshof im Übrigen in derselben Entscheidung dadurch, dass er für die Ausübung derartiger Befugnisse durch die einzelstaatlichen Gerichte auf Art. 8 RL 64/221EWG und damit auf die nationale Rechtsordnung verweist. Nach der deutschen Rechtsordnung unterliegen zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm grundsätzlich der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ohne dass eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Bewertungen besteht. Dies gilt auch für Prognoseentscheidungen wie z.B. die Beurteilung einer polizeirechtlichen Gefahr oder der Wiederholungsgefahr im Ausländerrecht. Eine Ausnahme von der eigenständigen Beurteilungspflicht der Verwaltungsgerichte muss sich aus dem jeweiligen materiellen Recht eindeutig ergeben, was hier nicht der Fall ist (vgl. zu dem Problemkreis etwa Kuntze in Bader u.a., VwGO, 3. Aufl., § 114 Rn. 30 ff.).
46 
Die Auffassung, die Überprüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme sei allein Sache der Verwaltung, ist im übrigen nach der eigenen Rechtsprechung des EuGH überholt. Der EuGH hat diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 29.04.2004 (verb. Rs. C 482/01 und C 493/01 , NVwZ 2004, 1099 ff.) nicht wieder aufgegriffen und hat in seinem Urteil vom 02.06.2005 (, a.a.O., Rn. 56) das Vorliegen eines dringenden Falles selbst geprüft und ausdrücklich verneint (vgl. dazu auch Gutmann, GK zum AufenthG, Bd. 5, IX-1 Art. 14 Rn. 124.6). Auch das Bundesverwaltungsgericht geht von einer vollen gerichtlichen Überprüfung der Dringlichkeit der Maßnahme aus. So hat es in seinem Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) Kriterien zur Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Begriffs des „dringenden Falls“ entwickelt und die Rechtssache zur erneuten Überprüfung an Hand dieser Kriterien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
47 
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner o.g. Entscheidung ausgeführt, das Merkmal der Dringlichkeit sei als Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit „besonders eng auszulegen“. Ein dringender Fall könne sich daher nicht schon aus der mit einer Ausweisung stets verbundenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung ergeben, sondern könne erst dann angenommen werden, wenn ein Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung im Einzelfall nicht zu verantworten sei. Ein dringender Fall komme demnach nur in Betracht, wenn die begründete Besorgnis bestehe, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Dann sei auch eine Verzögerung durch Einschaltung einer zweiten Behörde nicht hinnehmbar. Die Voraussetzungen für die Annahme eines dringenden Falles ähnelten damit den Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (etwa in BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2005 - 2 BvR 485/05 -, NVwZ 2005, 1053). Ein dringender Fall sei danach nicht schon dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet habe und diese Anordnung im gerichtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bestätigt werde. Vielmehr müsse ein besonderes öffentliches Interesse daran festgestellt sein, das „Hauptverfahren“ nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer „weiteren, unmittelbar drohenden erheblichen Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen. Ob ein dringender Fall in diesem Sinne zu bejahen sei, müsse nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im Wege einer Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange beurteilt werden. Von Bedeutung sei hierbei vorrangig die Schwere der vom Ausländer ausgehenden Gefahr. Diese werde in der Regel entfallen, wenn und solange der Ausländer sich in Haft befinde. Die Annahme eines dringenden Falles komme unter solchen Umständen nur für den Fall in Frage, dass der Ausländer aus der Haft heraus abgeschoben werden solle. Zu berücksichtigen sei ferner, ob die Ausländerbehörde selbst den Fall als dringlich erachte und behandele. Die Annahme eines dringenden Falles scheide aus, wenn die Behörde das Verfahren nicht zügig betreibe und selbst die sofortige Vollziehung nicht anordne oder von der Anordnung nicht unverzüglich - gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung - Gebrauch mache.
48 
c) Nach dieser Rechtsprechung, der auch der Senat im Grundsatz folgt, ist ein dringender Fall entgegen der Auffassung des Beklagten nicht schon dann - gewissermaßen als Automatismus - anzunehmen, wenn wie im vorliegenden Fall die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet wurde. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des 13. Senats des erkennenden Gerichtshofs (Beschlüsse vom 22.03.2004 - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff., und vom 26.08.2005 - 13 S 1482/05 -) dürfte durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt sein. Insgesamt ergibt sich bei der - auch nach Ansicht des Senats gebotenen - besonders engen Auslegung, dass ein dringender Fall grundsätzlich erst dann angenommen werden kann, wenn wegen der vom Ausländer ausgehenden Gefahr ein weiteres Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung im Einzelfall nicht zu verantworten ist. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr entfällt in der Regel, wenn und solange er sich in Haft befindet. Davon sind wiederum Ausnahmen in den Fällen denkbar, in denen konkrete Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten in der Haft vorliegen bzw. der Ausländer aus der Haft heraus abgeschoben werden soll und die Einschaltung einer zweiten Verwaltungsstelle - auch bei der gebotenen zügigen Bearbeitung - nicht durchführbar ist. Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass bei einer beabsichtigten Abschiebung aus der Haft und einem zu erwartenden Absehen von der Strafvollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde nach § 456a StPO (etwa nach Verbüßung der Hälfte oder zwei Dritteln einer gegen den Ausländer verhängten zeitigen Freiheitsstrafe) der konkrete Abschiebungstermin regelmäßig durch die Ausländerbehörde selbst bestimmt wird und diese den Termin nicht so festlegen darf, dass die dem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen grundsätzlich zustehenden Verfahrensgarantien unterlaufen werden, ohne dass eine besondere Gefahrensituation vorliegt.
49 
Fraglich ist, wie - insbesondere in Haftfällen - die Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts zu verstehen ist, ein dringender Fall komme (nur) in Betracht, wenn die Besorgnis bestehe, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Mit „Hauptverfahren“ dürfte wohl das gerichtliche Hauptsache verfahren (vgl. auch den 3. Leitsatz zum Urteil vom 13.09.2005, a.a.O., wo vom „gerichtlichen Hauptverfahren“ die Rede ist). Nach dem Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, vor der behördlichen Ausweisungsentscheidung grundsätzlich eine Überprüfung durch eine zweite unabhängige Stelle zu gewährleisten, unddavon in dringenden Fällen eine Ausnahme zuzulassen, kann es nach Ansicht des Senats bei der Dringlichkeitsprüfung aber nur darauf ankommen, ob eine Verzögerung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar ist oder die Gefahr besteht, dass sich die vom Ausländer ausgehende Gefahr bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens einschließlich des Kontrollverfahrens bei der anderen Stelle realisiert. Dies gilt umso mehr, als auch im Anschluss an die Einschaltung einer zweiten Stelle noch eine Ausweisungsentscheidung mit Sofortvollzug ergehen kann. Die aufgeworfene Frage ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen der Ausländer sich in Haft befindet und vor seiner bevorstehenden Entlassung oder seiner beabsichtigten Abschiebung aus der Haft noch ausreichend Zeit besteht, eine Überprüfung der Ausweisungsentscheidung durch eine zweite Stelle vornehmen zu lassen. Wenn nicht ersichtlich ist, dass in diesem Zeitraum vom Ausländer eine erhebliche Gefahr ausgeht, liegen die Voraussetzungen für die Annahme eines dringenden Falles nach Auffassung des Senats nicht vor. Auf die Frage, ob sich die vom Ausländer ausgehende Gefahr vor Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert, kommt es dann nur für die Entscheidung über die Anordnung des Sofortvollzuges an, deren Voraussetzungen aber - wie das Bundesverwaltungsgericht selbst ausgeführt hat - nicht identisch sind mit denen der besonderen Dringlichkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG. Gegenstand der Dringlichkeitsprüfung nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist vielmehr ausschließlich das „Hauptverfahren“ auf Verwaltungsebene einschließlich der Kontrollentscheidung der „anderen Stelle“.
50 
d) Ebenso wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil ist auch der Senat der Auffassung, dass es für die Beurteilung, ob ein „dringender Fall“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorliegt, auf die Sachlage zu dem Zeitpunkt ankommt, zu dem die Behörde ihre Ausweisungsentscheidung zu treffen hat.
51 
Bereits die Verwendung der Gegenwartsform im Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie („ … trifft die Verwaltungsbehörde …“) legt es nahe, für die Beurteilung eines „dringenden Falles“ auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung abzustellen. Die Tatsache, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie dievorherige Einschaltung einer zuständigen Stelle vor der Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates, d.h. vor Erlass der Ausweisungsverfügung, voraussetzt, spricht ebenfalls für eine solche Auslegung (ebenso VG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2006 - 5 K 5146/04 -, ). Schließlich dient eine solche Auslegung auch der Verfahrenssicherheit, da sich allein aus der Beurteilung der Dringlichkeit bei Erlass der Ausweisungsverfügung ergibt, welches Verfahren im Einzelfall einzuhalten ist, d.h. ob vor dem Erlass noch eine zweite Stelle einzuschalten ist oder nicht.
52 
Diese Auslegung führt entgegen der Auffassung des Beklagten auch im Hinblick auf die Regelung in § 456a Abs. 1 StPO nicht zu sachwidrigen Ergebnissen. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckungsbehörde u.a. von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe absehen, wenn der Verurteilte ausgewiesen wird. Der Beklagte trägt in diesem Zusammenhang sinngemäß vor, zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung stehe noch nicht fest, ob und wann der Ausländer aus der Haft abgeschoben werden könne (mithin nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein dringender Fall anzunehmen sei), da die Vollstreckungsbehörde eine Entscheidung nach § 456a StPO erst treffe, nachdem die Ausweisung erfolgt und der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig sei.
53 
Dieses vom Beklagten geschilderte Prozedere erscheint dem Senat aber nicht zwingend. Die Vollstreckungsbehörde kann unter den Voraussetzungen des § 456a StPO nach ihrem Ermessen auf Antrag oder von Amts wegen ganz oder teilweise von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe absehen. Nach den für das Land Baden-Württemberg dazu erlassenen Richtlinien (AV d. JuM vom 17. Oktober 1996 - Die Justiz S. 500) prüft die Vollstreckungsbehörde von Amts wegen, ob von der Vollstreckung abzusehen ist. Sie setzt sich hierzu mit der Ausländerbehörde in Verbindung, um festzustellen, ob gegen den Verurteilten eine Ausweisungsverfügung ergangen ist oder ob mit dem Erlass einer solchen Verfügung gerechnet werden kann (Ziffer III 2. a der Richtlinien). Die Maßnahme nach § 456a StPO wird regelmäßig bereits unmittelbar nach Rechtskraft bei Einleitung der Vollstreckung und ohne Rücksicht darauf getroffen werden können, ob bereits eine Ausweisungsverfügung vorliegt (Ziffer III 2 b Satz 1). In jedem Fall soll die Maßnahme nach § 456a StPO so frühzeitig angeordnet werden, dass die u.a. zur Ausweisung notwendigen Vorbereitungen der Ausländerbehörde rechtzeitig getroffen werden können (Ziffer III 2 b Satz 2). In der Regel ist nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe von der weiteren Vollstreckung abzusehen; bei besonderen, in der Tat oder der Person des Verurteilten liegenden Gründen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung kann nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit von der weiteren Vollstreckung abgesehen werden (Ziffer III 1. c).
54 
Daraus ergibt sich für den Senat, dass auch schon vor Erlass einer Ausweisungsverfügung eine Entscheidung nach § 456a StPO möglich und nach den o.g. Richtlinien sogar geboten ist. Sollte diese trotz entsprechender Bemühungen bei der Strafvollstreckungsbehörde dennoch nicht erwirkt werden können, wird man möglicherweise eine Prognoseentscheidung auf der Basis einer zu erwartenden Freigabe nach der Hälfte bzw. zwei Dritteln der verhängten Strafe ausreichen lassen können. Zu berücksichtigen ist aber auch hier, dass selbst bei einer beabsichtigten Abschiebung aus der Haft und einer zu erwartenden Freigabeentscheidung nach § 456a StPO der konkrete Abschiebungstermin regelmäßig durch die Ausländerbehörde selbst bestimmt wird und insoweit eine Abschiebung vor Einschaltung einer zweiten Stelle häufig nicht zwingend ist.
55 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem o.g. Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dringlichkeit nicht ausdrücklich entschieden. Zwar führt auch das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil aus, Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG werde verletzt, „ … wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Rahmen der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird“ und beendet seine diesbezüglichen Ausführungen mit der Feststellung, dass ein Verstoß - vorbehaltlich des Vorliegens eines dringenden Falles - zu einem unheilbaren Verfahrensfehler führt (Rn. 13 a.E. des amtl. Urteilsabdrucks). Diese Ausführungen sprechen ebenfalls dafür, maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung abzustellen und später eintretende Veränderungen unberücksichtigt zu lassen. In seinen weiteren Erwägungen (vgl. Rn. 19 des Abdrucks) ermöglicht das Bundesverwaltungsgericht allerdings (auch) die Berücksichtigung des behördlichen Verhaltens nach Erlass der verfügten Ausweisung, etwa indem es ausführt, die Annahme eines dringenden Falles scheide aus, wenn die Behörde das Verfahren nicht zügig betreibe und von der Anordnung des Sofortvollzuges - ggf. nach gerichtlicher Bestätigung - nicht unverzüglich Gebrauch mache. Insoweit dürfte es sich allerdings eher um einen Fall widersprüchlichen Verhaltens handeln, der eine Berufung auf das Vorliegen eines dringenden Falles durch die Behörde als unzulässig erscheinen lassen kann.
56 
d) Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, lag zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe über die Ausweisung des Klägers ein „dringender Fall“, der ausnahmsweise die Einschaltung einer zweiten Stelle i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG entbehrlich gemacht hätte, nicht vor. Die Ausweisungsverfügung ist damit unter Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorschriften ergangen.
57 
Für die Annahme eines dringenden Falles sprach zwar, dass der Kläger eine besonders schwerwiegende Betäubungsmittelstraftat mit „harten“ Drogen begangen und dabei - wie auch vom Strafgericht zu Recht betont - eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt hat. Das Regierungspräsidium hat das Verfahren auch zügig betrieben (nach Eingang des rechtskräftigen Strafurteils am 20.09.2004 erging bereits am 12.10.2004 die Ausweisungsverfügung) und seinerseits den Sofortvollzug angeordnet. Im Ergebnis zu Recht ist das Regierungspräsidium bei seiner Entscheidung auch davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers mit einer Freigabeentscheidung gemäß § 456a StPO nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe gerechnet werden konnte und eine Abschiebung aus der Haft in Frage kam.
58 
Diese Gesichtspunkte reichen jedoch nicht aus, im Falle des Klägers eine besondere Dringlichkeit zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung zu begründen.
59 
Wie dargelegt ist diese Merkmal als Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders eng auszulegen und erfordert eine Situation, bei der wegen der vom Ausländer unmittelbar drohenden erheblichen Gefahr ein weiteres Zuwarten mit der Ausweisung bzw. deren Vollzug nicht zu verantworten ist. Diese engen Voraussetzungen waren beim Kläger nicht gegeben. Der Kläger war zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden und befand sich seit dem 09.02.2003 in Strafhaft. Selbst eine Freigabeentscheidung nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Haftstrafe (deren Erteilung zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung allerdings keineswegs feststand), war frühestens zum 09.05.2005 zu erwarten; konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Freigabe bereits vor diesem Termin lagen nicht vor. Es stand mithin bei Erlass der Ausweisungsentscheidung vom 12.10.2004 bis zu einer eventuell möglichen Abschiebung aus der Haft (die ihrerseits nicht zwingend unmittelbar nach Freigabe zu erfolgen hatte) noch ein Zeitraum von sieben Monaten zur Verfügung. Nach Auffassung des Senats ist ein solcher Zeitraum - unter Berücksichtigung der grundsätzlich bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien und der gebotenen zügigen Bearbeitung - ausreichend, eine beabsichtigte Ausweisungsverfügung durch eine zweite Verwaltungsstelle überprüfen zu lassen. Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass im vorliegenden Fall die persönlichen Belange des Klägers (insbesondere sein lang dauernder Aufenthalt in der Bundesrepublik, davon seit 1997 mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, sowie sein Umgangsrecht mit seinem 1993 hier geborener Sohn) ein nicht unerhebliches Gewicht haben. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass vor diesem Hintergrund die bloß abstrakte Möglichkeit, der Kläger könne in der Strafhaft weitere Straftaten begehen, keine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigt.
60 
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, weist der Senat noch darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Rechtsauffassung des Beklagten, für die Beurteilung der Dringlichkeit i.S.d. Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sei (ebenso wie bei der Beurteilung der materiellen Ausweisungsvoraussetzungen, vgl. BVerwG, Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224 ff.) auf die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen, wohl nicht zu einem anderen Ergebnis führen dürfte. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (29.06.2006) war der Kläger auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 02.03.2006 über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung aus der Haft entlassen worden. Damit kommt eine Abschiebung aus der Haft nicht mehr in Betracht. Der Entscheidung des Landgerichts lag ein klinisch-forensisches Fachgutachten vom 06.02.2006 zu Grunde, welches zu dem Ergebnis gekommen war, beim Kläger bestehe keine Gefahr mehr, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe. Ungeachtet der Tatsache, dass dieses im Strafverfahren erstellte und dort auch unter Resozialisierungsgesichtspunkten zu verstehende Gutachten möglicherweise bei der Beurteilung einer qualifizierten Wiederholungsgefahr als materielle Ausweisungsvoraussetzung einer kritischen Würdigung zu unterziehen wäre (zumal das Gutachten davon ausging, dass der Kläger nach Haftentlassung über eine Arbeitsstelle verfüge, wohingegen die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, dass er arbeitslos ist), dürfte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine unmittelbar drohende erhebliche Gefahr als Voraussetzung für eine besondere Dringlichkeit schwerlich zu begründen sein.
61 
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt sei ferner darauf hingewiesen, dass die vom Regierungspräsidium in der angefochtenen Verfügung enthaltene Erwägung, eine zeitnahe Aufenthaltsbeendigung sei (auch) aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt, wohl nicht tragfähig sein dürfte, auch wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung als solcher, sondern (nur) im Zusammenhang mit der Anordnung des Sofortvollzuges steht. Bei assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen ist bei Beschränkungen der Freizügigkeit zur Gefahrenabwehr nur auf die auf Grund des persönlichen Verhaltens des Betroffenen vorliegende Gefährdung abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, a.a.O.). Es spricht einiges dafür, dass dies auch im Hinblick auf die Begründung des Sofortvollzuges (d.h. die sofortige Aufenthaltsbeendigung und damit unmittelbare Beschränkung der Freizügigkeit) gelten dürfte.
62 
4. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Heilung des Verfahrensmangels nach § 46 LVwVfG nicht in Betracht.
63 
Nach § 46 LVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, ein eventueller Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sei nach § 46 LVwVfG letztlich unbeachtlich, da die Stellungnahme einer im Vorfeld der Maßnahme zu beteiligenden Stelle angesichts der massiven kriminellen Energie des Antragstellers unter Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen die Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe im Ergebnis offensichtlich nicht hätte beeinflussen können.
64 
a) Fraglich ist bereits, ob § 46 LVwVfG auf die Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften Anwendung findet. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage in seinen Urteilen vom 13.09.2005 und 06.12.2005 (a.a.O.) nicht aufgeworfen, geht allerdings im Ergebnis - ohne nähere Begründung - von einem unheilbaren Verfahrensmangel aus.
65 
§ 46 LVwVfG findet keine Anwendung bei sog. absoluten Verfahrensfehlern (vg. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 46 Rn. 18 m.w.N., Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 46 Rn. 22). Dies ist bei einem Verstoß gegen solche Vorschriften anzunehmen, die nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs dienen, sondern dem Betroffenen eine eigene, unabhängig vom materiellen Recht durchsetzbare Rechtsposition gewähren wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325 ff., Rn. 25). Wegen des Erfordernisses effektiver, einheitlicher Wirkung des EU-Rechts in allen Mitgliedsländern (sog. „effet utile“, vgl. dazu etwa Kenntner, Rechtsschutz in Europa, in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 76) werden nach wohl überwiegender Meinung die Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts und solche nationale Vorschriften, die auf Gemeinschaftsrecht beruhen, wie absolute Verfahrensvorschriften behandelt mit der Folge, dass eine Heilung nach § 46 LVwVfG ausscheidet (ebenso Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46 Rn. 20; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. § 46 Rn. 9, § 45 Rn. 187; VG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2006 - 5 K 5146/04 -, ; z.T. a.A. Papier, DVBl 1993, 809 ff., 814). Für diese Auffassung spricht auch, dass die Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die Heilung von Verfahrensmängeln von äußerster Zurückhaltung geprägt ist (vgl. dazu ausführlich Wahl, DVBl. 2003, 1285 ff, 1290, und Kment, ArchöR 2005, 571 ff., 584, 612, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH). Es zeigt sich darin ein vom deutschen Verwaltungsverfahrensrecht grundlegend abweichendes Verständnis vom Verwaltungsverfahren in dem Sinn, dass Verfahrensregelungen nicht nur der wirksamen Durchsetzung materiellen Rechts dienen, sondern zugleich auch eine gewisse Gewähr für die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung bieten sollen.
66 
b) Im Ergebnis kann die Frage der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorschriften aber offen bleiben, denn selbst seine Anwendbarkeit unterstellt würde er im vorliegenden Fall nicht zu einer Heilung des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG führen. Die Verletzung einer Verfahrensvorschrift ist nämlich nach § 46 LVwVfG nur dann unbeachtlich, wenn „offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.“ Eröffnet das materielle Recht im konkreten Einzelfall Ermessen, so ist im Regelfall nicht auszuschließen, dass sich die Verletzung der in § 46 LVwVfG genannten Vorschriften auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat. Deswegen sind in diesen Fällen Fehler grundsätzlich relevant (vgl. Kopp-Ramsauer, a.a.O., § 46 Rn. 32 m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rn. 66).
67 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - , a.a.O.) dürfen türkische Staatsangehörige, die - wie der Kläger - ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung gemäß §§ 45, 46 AuslG ausgewiesen werden. Der Senat hat seine gegenteilige Auffassung, es lasse sich dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nicht entnehmen, dass freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger - und entsprechend assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige - ausschließlich im Wege einer behördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürfen (vgl. etwa Senatsurteil vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 f.; ebenso zuletzt Renner, ZAR 2005, 295 ff.) im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung aufgegeben. Nach der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung neben der Art und Schwere der begangenen Straftat die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und die privaten Belange des Betroffenen umfassend abzuwägen. Hat der Betroffene Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54 AufenthG (ehemals § 47 Abs. 1 und 2 AuslG - sog. Ist- oder Regelausweisungstatbestände -) verwirklicht, darf dies zwar in die Abwägung einbezogen werden, jedoch nicht im Sinne einer Regelvermutung oder sonstigen schematisierenden Entscheidungsdirektive, die auch nur den Anschein eines Automatismus begründet. Vielmehr ist auch hier stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.
68 
Bei einer danach für die Ausweisung des Klägers erforderliche Ermessensentscheidung unter umfassender Berücksichtigung einer Vielzahl von Gesichtspunkten und ohne isolierte Betrachtung der Art und Schwere der vom Kläger verwirklichten Straftat kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine zweite Stelle zu einer anderen Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Unter diesen Umstände scheidet eine Heilung des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nach § 46 LVwVfG aus.
69 
5. Eine Heilung des Verfahrensverstoßes nach § 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 LVwVfG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach den genannten Vorschriften ist die Verletzung von Verfahrensvorschriften unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Bereits der Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, eine erschöpfende Prüfung aller Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeitvor der Ausweisungsentscheidung sicherzustellen, sprechen dagegen, die fehlende Prüfung durch eine zweite zuständige Stelle im Laufe des Gerichtsverfahrens noch nachholen zu können. Auch das o.g. gemeinschaftsrechtliche Prinzip des „effet utile“ dürfte der nachträglichen Heilung auf Grund nationaler Verfahrensvorschriften entgegenstehen. Der Senat hat vor diesem Hintergrund keine Veranlassung gesehen, das Rechtsmittelverfahren etwa entsprechend § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen, um Gelegenheit zur Nachholung der fehlenden Prüfung zu geben. Auch von der Beklagten wurde während des anhängigen Verfahrens nicht nachträglich eine zweite zuständige Stelle eingeschaltet. Eine solche Möglichkeit ist auch zwischenzeitlich entfallen, da die Änderung der AAZuVO vom 04.10.2005 (GBl. S. 678), mit der in § 10 Abs. 7 für Ausweisungsentscheidungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe das Regierungspräsidium Freiburg als zweite zuständige Stelle i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG bestimmt wurde, mit Ablauf des 30.04.2006 wieder außer Kraft getreten ist.
III.
70 
Die unter Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ergangene Ausweisungsverfügung des Klägers wird nicht dadurch rechtmäßig, dass - nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - die RL 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden ist. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - , a.a.O., und - 1 C 30.02 -, NVwZ 2005, 220 ff.) für die gerichtliche Überprüfung von Ausweisungen von Unionsbürgern sowie von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist. Denn dieser Zeitpunkt ist (nur) für die Überprüfung der materiellen Voraussetzungen der Ausweisung maßgeblich, nicht aber dafür, welches Verfahrensrecht im Verwaltungsverfahren anzuwenden ist.
71 
1. Gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Freizügigkeitsrichtlinie, im Folgenden RL 2004/38/EG; ABl. L 229/35 vom 29.06.2005, in Kraft getreten am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, vgl. Art. 41;) ist die RL 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist zum 30.04.2006 auch Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG entfallen.
72 
a) Ob und in welchen Teilen die neue Richtlinie, die nach ihrem Wortlaut nur für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen gilt und anders als die Richtlinie 64/221/EWG nicht nur Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, enthält, auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anwendbar ist, ist bisher ungeklärt (offen gelassen von Nieders. OVG, Urteil vom 16.05.2006 - 11 LC 324/05 -; bzgl. der materiell-rechtlichen Grundsätze des Art. 28 Abs. 3 verneint, bzgl. Art. 30 Abs. 3 bejaht von VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263 ff.; aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der RL 2004/38/EG vgl. auch folgende Entscheidungen, die sich im Wesentlichen mit einer evt. Vorwirkung und der Geltung der materiell-rechtlichen Grundsätze des Art. 28 beschäftigen: Hess. VGH, Beschluss vom 02.05.2005 - 12 TG 1205/05 -, InfAuslR 2005, 295 ff.; Nieders. OVG, Beschlüsse vom 06.06.2005 - 11 ME 39,05, NVwZ-RR 2005, 654 f. und vom 05.10.2005 - 11 ME 247/04 -, InfAuslR 2005, 453 ff.; zum Ganzen s. auch Gutmann, Die neue Unionsbürger-Richtlinie 2004/38/EG und ihr Verhältnis zu Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, InfAuslR 2005, 401 ff.). Für die Anwendung zumindest der Verfahrensvorschriften könnte sprechen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die im Rahmen des Art. 39 geltenden Grundsätze über die Freizügigkeit der Unionsbürger so weit wie möglich auf assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer übertragen werden sollen (vgl. zuletzt Urteil vom 11.11.2004 , InfAuslR 2005, 13 ff.) und die verfahrensrechtlichen Garantien untrennbar mit dem materiellen Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit verbunden sind (vgl. Urteil vom 02.06.2005, a.a.O., Rn. 67).
73 
b) Die in der RL 2004/38/EG enthaltenen Verfahrensvorschriften verlangen jedenfalls nicht (mehr) die Einschaltung einer unabhängigen Stelle neben der Ausländerbehörde vor Abschluss des behördlichen Verfahrens (ebenso Nieders. OVG, Urteil vom 16.05.2006, a.a.O.). Nach der Richtlinie ist lediglich erforderlich, dass gegen eine Ausweisungsentscheidung „ein Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedsstaates eingelegt werden kann (Art. 31 Abs. 1). Im Rechtsbehelfsverfahren sind die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen; dabei ist zu gewährleisten, dass die Entscheidung insbesondere (im Hinblick auf die gemäß Art. 28 Abs. 1 zu berücksichtigenden Gesichtspunkte) nichtunverhältnismäßig ist.
74 
Aus alledem ergibt sich die Erforderlichkeit eines behördlichen „Vier-Augen-Prinzips“ nicht mehr, so dass es ab dem 01.05.2006 gemeinschaftsrechtlich unbedenklich sein dürfte, wenn das Widerspruchsverfahren gesetzlich ausgeschlossen ist. Durch den gerichtlichen Rechtsschutz (einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes, vgl. dazu Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie), der in Deutschland entsprechend den o.g. Vorgaben eine umfassende Prüfung der tatsächlichen Grundlagen der Ausweisungsentscheidung sowie der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beinhaltet, wird den gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien genügt (Dass die vom Gemeinschaftsrecht geforderte rechtliche Prüfungsdichte in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert werde, war vom Senat bereits unter der Geltung des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG angenommen worden - vgl. Senatsurteil vom 21.07.2004 - 11 S 535/04 -, a.a.O.; er hat diese Rechtsprechung aber im Hinblick auf die Entscheidungen des BVerwG vom 13.09.2005 und 06.10.2005, (a.a.O.) aufgegeben, vgl dazu unter II. 2. ).
75 
2. Die Tatsache, dass damit ab dem 01.05.2006 das gemeinschaftsrechtliche Erfordernis der Nachprüfung einer Ausweisungsentscheidung durch eine zweite behördliche Stelle („Vier-Augen-Prinzip“) ersatzlos weggefallen ist, führt allerdings nicht dazu, dass die gegen den Kläger unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG erlassene Ausweisungsverfügung nunmehr als rechtmäßig anzusehen wäre. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 und 1 C 30.02 -, a.a.O.), wonach für die gerichtliche Überprüfung von Ausweisungen von Unionsbürgern sowie von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist.
76 
a) Ob und inwieweit eine nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eingetretene Veränderung der Sach- oder Rechtslage das Urteil über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes beeinflusst, ist keine Frage des Prozessrechts-, sondern des zu Grunde liegenden materiellen Rechts (vgl. ausführlich zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage etwa Kopp/Schenke, 14. Aufl., § 113, Rn. 34 ff. und Rn. 47 ff., und Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten, VerwArch 1990, 149 ff., jeweils m.w.N.).
77 
Die o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruht auf der Anwendung materiellen Gemeinschaftsrechts über die Voraussetzungen der Aufenthaltsbeendigung von Unionsbürgern bzw. assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt dabei Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 29.04.2004 , a.a.O.), wonach Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, nach der die Gerichte nicht verpflichtet sind, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann. Da die Ausnahmen vom Grundsatz der Freizügigkeit nach Art. 39 EG eng auszulegen seien, müssten die Voraussetzungen der gegenwärtigen Gefährdung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt erfüllt sein, zu dem die Ausweisung erfolge. Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auslegung des materiellen Gemeinschaftsrechts gefolgt und hat - möglicherweise sogar darüber hinausgehend - entschieden, dass für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Ausweisungen freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger bzw. assoziationsberechtigter Türken in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nunmehr insgesamt der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich sei. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen müsse, zu dem die Ausweisung erfolge, ergebe sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen seien.
78 
c) Aus dieser zu den materiellen Ausweisungsvoraussetzungen ergangenen Rechtsprechung lässt sich nichts dafür herleiten, dass eine ursprünglich unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften von der Behörde rechtswidrig erlassene Ausweisungsverfügung durch eine spätere Änderung der Verfahrensvorschriften nachträglich als rechtmäßig zu behandeln wäre (a.A., allerdings ohne nähere Begründung, Nieders. OVG, Urteil vom 16.05.2006 - 11 LC 324/05 -). Ob ein behördlicher Verfahrensfehler vorliegt, der zur Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung führt, richtet sich vielmehr nach dem während des Verwaltungsverfahrens geltenden Verfahrensrecht, mithin nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG.
79 
Die (Übergangs-)Regelung in Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG bestimmt, dass die RL 64/221/EWG (erst) zum 30.04.2006 und damit nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden soll. Bereits dies spricht dagegen, dass die Regelungen in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG durch das Inkrafttreten der RL 2004/38/EG auch für ergangene Ausweisungsentscheidungen überholt sind (ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 14.07.2005 - 4 K 743/03 - ).
80 
Darüber hinaus entspricht es allgemeinen, aus dem Wesen und der Funktion des Rechts hergeleiteten Grundsätzen, dass neue Rechtsnormen grundsätzlich für die Zukunft gelten, sofern nicht spezielle Übergangsvorschriften ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Neues Verfahrensrecht gilt damit im Zweifel, d.h. mangels Vorliegens anders lautender Überleitungsvorschriften, vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an, und zwar i.d.R. (auch) für bereits anhängige, nicht jedoch für bereits abgeschlossene Verfahren oder Verfahrensabschnitte; letztere können nur nach dem im Zeitpunkt ihres Ergehens geltenden Recht beurteilt werden (vgl. dazu etwa Nieders. OVG, Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 -, m.w.N.; das Nieders. OVG bejaht in dieser Entscheidung die Anwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem Inkrafttreten der Norm - 01.01.2005 - in das Bundesgebiet eingereiste oder geborene Kinder, weil mit der Antragstellung das Verwaltungsverfahren erst eingeleitet werde; vgl. demgegenüber BverwG - Urteil vom 01.11.2005 - 1 C 21/04 -, InfAuslR 2006, 244 ff., wonach § 73 Abs. 2a AsylVfG auf vor dem 01.01.2005 ergangene Widerrufsentscheidungen, d.h. bereits abgeschlossene Verfahren, keine Anwendung findet). Ist ein belastender Verwaltungsakt unter Verletzung einer zur Zeit seines Erlasses geltenden Verfahrensvorschrift ergangenen und damit rechtswidrig, führt grundsätzlich der spätere Wegfall der Verfahrensvorschrift nicht zu einer Umwandlung eines rechtswidrigen in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rn. 47, der davon spricht, dass der spätere Wegfall nicht eine „Metamorphose“ eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes in einen rechtmäßigen bewirke). Allenfalls kann der Gesetzgeber (unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze) die Verletzung der Verfahrensvorschrift für unbeachtlich erklären, wie dies etwa in §§ 45, 46 LVwVfG geschehen ist, mit der Folge, dass der Verwaltungsakt trotz seines rechtswidrigen Zustandekommens als rechtmäßig anzusehen ist (vgl. Kleinlein, a.a.O., S. 161). Die Voraussetzungen für eine Heilung nach §§ 45, 46 LVwVfG sind aber im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben (vgl unter II. 4. und 5.).
81 
Im Ergebnis hat daher das Außerkrafttreten der RL 64/221/EWG zum 30.04.2006 und das Inkrafttreten der RL 2004/38/EG zum 01.05.2006 keinen entscheidungserheblichen Einfluss auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004. Diese ist vielmehr wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben worden.
IV.
82 
Ob die Ausweisung auch gegen materielles Gemeinschaftsrecht verstößt, ob insbesondere zum diesbezüglich maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch von einer qualifizierten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden kann und die Verfügung im übrigen den an eine Ermessensausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen zu stellenden Anforderungen genügt (vgl. dazu im einzelnen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 und 1 C 30.02 -, a.a.O.), kann danach offen bleiben. Offen bleiben kann damit auch, ob das Regierungspräsidium im Hinblick auf das Umgangsrecht des Klägers mit seinem 1993 in der Bundesrepublik geborenen Sohn bei seiner Entscheidung die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG (vgl. dazu insbes. Kammerbeschluss des BVerfG vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122 ff.) ausreichend gewichtet hat.
V.
83 
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass bei einer Aufhebung der Ausweisung auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben kann.
VI.
84 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
VII.
85 
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen das Außerkrafttreten des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zum 30.04.2006 auf in der Vergangenheit unter Verstoß gegen diese Vorschrift erlassene Ausweisungsverfügungen von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen hat, gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Die Frage ist vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht geklärt; das Nieders. OVG hat in seinem - noch unveröffentlichten - Urteil vom 16.05.2006 (11 LC 324/05) eine von der Ansicht des zulassenden Gerichtshofs abweichende Rechtsauffassung vertreten; ebenso das VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263 ff.). Zwar handelt es sich bei Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG um außer Kraft getretenes Recht; die aufgeworfene Frage ist aber angesichts der Vielzahl der unter der Geltung dieser Vorschrift erlassenen und noch nicht bestandkräftig gewordenen Ausweisungen für einen nicht überschaubaren Personenkreis auf unabsehbare Zeit noch von Bedeutung; darüber hinaus kann die Frage auch Bedeutung haben für die Vielzahl der bei den Ausländerbehörden und Gerichten bereits anhängigen - sowie ggf. noch zu erwartenden - Verfahren auf Wiederaufgreifen von gemeinschaftsrechtswidrig erlassenen bestandskräftigen Ausweisungsverfügungen (zur Zulassung der Revision bei auslaufendem oder außer Kraft getretenen Recht vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24.10.1994 - 9 B 83.94 - , DVBl 1995, 569, und vom 20.10.1995 - 6 B 35/95 -, NVwZ-RR 1996, 712, jeweils m.w.N.). Das Revisionsverfahren bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Beurteilung der Dringlichkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zu klären sowie die entstandenen Unklarheiten im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffes „Hauptverfahren“ im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.09.2005 (a.a.O.) zu beseitigen.
86 
Beschluss
87 
vom 29. Juni 2006
88 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats kommt der nur im Zuge der Anfechtung einer Ausweisung angefochtenen Abschiebungsandrohung keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.04.1982 - 1 B 38.82 -, InfAuslR 1982, 167 und vom 29.01.1982 - 1 B 1.92 -, BayVBl. 1982, 380). Das gilt unabhängig von der Relevanz des angedrohten Zielstaats oder des ausländerrechtlichen Status des Betroffenen (vgl. Beschluss des Senats vom 24.06.2004 - 11 S 1168/04 -) und ungeachtet dessen, dass bei der Anfechtung einer isolierten Abschiebungsandrohung der volle Regelstreitwert anzusetzen ist.
89 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger, ein Fachjournalist, auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) Einsicht in Unterlagen, die im Zusammenhang mit Cross-Border-Leasing-Transaktionen stehen, die die Stadt Recklinghausen mit amerikanischen Vertragspartnern vereinbart hat.

2

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 forderte das Hauptsachegericht den Beklagten auf, den Originalvertrag der Cross-Border-Leasing-Transaktionen zwischen der Stadt und ihren amerikanischen Vertragspartnern, die Transaktionsbeschreibungen, die für die Stadt angefertigt worden seien, sowie die die vorgenannten Punkte betreffende Ratsvorlage vorzulegen, und führte zur Begründung aus: Die Unterlagen seien entscheidungserheblich. Mit seiner Klage begehre der Kläger umfassende Einsichtnahme in die genannten Unterlagen; die Klage sei nicht beschränkt darauf, Kenntnis zu erlangen über die Identität des US-Unternehmens, das den Eigenkapitalanteil des Trust aufgebracht habe, sowie über die Identität der Kreditinstitute, die für die verschiedenen Aufgaben erwogen und ausgewählt worden seien. Dass es dem Kläger nicht nur um eine gegebenenfalls auch unabhängig von einer Akteneinsichtnahme zu erlangende Namenskenntnis, sondern um umfassende Einsicht in die Unterlagen gehe, belege unter anderem die Klagebegründung.

3

Auf gerichtliche Nachfrage übersandte der Beklagte ein Schreiben des Beigeladenen vom 13. Februar 2009, dem als Anlage die (undatierte) Erklärung beigefügt war, dass der Beklagte nicht verpflichtet sei, dem Kläger aus Anlass seiner Klage Akteneinsicht in die Unterlagen zu gewähren. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Angesichts des Zusammenspiels von § 99 Abs. 1 VwGO mit § 100 VwGO seien die Akten ihrem Wesen nach geheim zu halten. Dem Kläger entstehe kein Nachteil dadurch, dass er die Namen der Vertragspartner nicht erfahre; das Gericht könne darüber auch ohne Kenntnis der Akten entscheiden. Soweit das Gericht das Klagebegehren als Antrag auf umfassende Einsicht in die Akten ausgelegt habe, sei im Ergebnis keine andere Entscheidung zu treffen. Die Stadt habe sich in einer Vertraulichkeitsvereinbarung verpflichtet, die Vorgänge geheim zu halten; sie sei im Fall der Offenlegung Schadensersatzansprüchen ausgesetzt. Die Ausübung des Ermessens sei letztlich rechtlich zwingend vorgezeichnet. Es handele sich um grundrechtlich geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner der Stadt. Der Geheimnisschutz überwiege gegenüber dem allgemeinen, grundrechtlich nicht geschützten Informationsinteresse des Klägers.

4

Nach gerichtlichen Nachfragen zum Verfahrensfortgang, zuletzt verbunden mit einer förmlichen Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO, stellte der Kläger einen Antrag gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

5

Mit Beschluss vom 3. Mai 2010 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der Akten rechtswidrig sei. Der Antrag sei zulässig; er unterliege keinen besonderen Frist- und Formerfordernissen. Die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur Entscheidungserheblichkeit der Akten liege vor. Die Auffassung des Hauptsachegerichts sei - auch angesichts der unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten - nicht offensichtlich fehlerhaft, so dass der Beschluss Bindungswirkung für den Fachsenat entfalte. Die Sperrerklärung vom 13. Februar 2009 sei fehlerhaft. Der Beigeladene habe zwar die unterschiedlichen Interessenlagen bei seinen Ermessenserwägungen im Ansatz zutreffend erkannt. In die Abwägung seien aber nicht alle relevanten Gesichtspunkte eingeflossen, so dass die Entscheidung im Ergebnis nicht tragfähig sei. Aus der dem Hauptsachegericht vorgelegten Vertraulichkeitsvereinbarung als solcher könne sich ein die Verweigerung der Aktenvorlage rechtfertigender Umstand nicht ergeben. Eine Schutzwürdigkeit von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen sei hier in Bezug auf die Cross-Border-Leasing-Verträge nicht gegeben, da die Vertragswerke bereits abgeschlossen seien und eine Laufzeit von ca. 25 bis 99 Jahren hätten, so dass auch Konkurrenten aus ihrer Offenlegung keinen wirtschaftlichen Nutzen für sich ziehen könnten. Selbst wenn das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses angenommen würde, stünde dies dem Informationsanspruch des Klägers nicht entgegen. Einer abschließenden Bewertung der Frage, ob es sich um ein dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfallendes Geschäftsgeheimnis handele, bedürfe es nicht. Nach § 8 Satz 3 IFG NRW greife dieser Schutz nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs habe und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Ein solches überwiegendes Allgemeininteresse sei hier zu bejahen.

II

6

Die gegen den Beschluss vom 3. Mai 2010 erhobene Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Weigerung des Beigeladenen, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, rechtswidrig ist.

7

1. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Klägers auf Entscheidung gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zulässig erachtet.

8

1.1 Das selbständige Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO wird durch einen Antrag eingeleitet, den alle Beteiligten ohne Bindung an eine Frist bis zum Abschluss des Verfahrens, gegebenenfalls auch in der Berufungsinstanz (Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <15> = Buchholz 237.7 § 85 NWLBG Nr. 9), stellen können. Auch ein Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt als allgemeine Prozessvoraussetzung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. dazu auch Beschluss vom 11. Juni 2010 - BVerwG 20 F 12.09 - juris Rn. 3). Entgegen der Auffassung des Beklagten entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht, wenn der Antrag auf Einleitung des Zwischenverfahrens erst auf eine gerichtliche Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO hin gestellt wird. Ob das Hauptsachegericht die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO hat bejahen dürfen, ist nicht Gegenstand des Zwischenverfahrens. Dass die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zugunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen kann, hat nicht zur Folge, dass verfahrensleitende Verfügungen des Hauptsachegerichts, die gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar sind, im Zwischenverfahren zu überprüfen wären. Das gilt auch für den Einwand des Beklagten, es sei von einer Befangenheit des Richters auszugehen, der die Betreibensaufforderung verfügt habe. Der nach § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage (Sperrerklärung) durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 46 Rn. 11 und vom 10. August 2010 - BVerwG 20 F 5.10 - juris Rn. 6). Im Übrigen würde auch eine etwaige unrichtige Handhabung des Verfahrensrechts für sich genommen nicht zur begründeten Besorgnis der Befangenheit eines Richters führen (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - juris Rn. 12 ). Dass der Kläger sein Antragsrecht verwirkt haben könnte, macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch nicht zu erkennen.

9

1.2 Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Bindungswirkung entfaltet auch die Auslegung des Klagebegehrens durch das Gericht der Hauptsache (Beschluss vom 10. August 2010 - BVerwG 20 F 5.10 - a.a.O. Rn. 7). Die vom Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung zur Auslegung des Klageantrags im Revisionsverfahren lässt sich nicht auf das Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO übertragen. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist.

10

Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Auslegung des Klagebegehrens als Anspruch auf umfassende Akteneinsicht erscheint nicht offensichtlich fehlerhaft. Die Grenze zur Offensichtlichkeit ist erst dann überschritten, wenn sich die Rechtsauffassung als nicht vertretbar erweist. Das Hauptsachegericht hat unter Bezugnahme auf die Klagebegründung und nachfolgende Schriftsätze des Klägers sowie mit Blick auf die Antragstellung im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass der Anspruch auf umfassende Einsicht gerichtet sei. Mit dieser Begründung folgt das Hauptsachegericht gängigen Auslegungsregeln und hält sich im Rahmen des § 88 VwGO. Der Beklagte zeigt mit seinen Einwänden nicht auf, dass die Grenze zur Offensichtlichkeit überschritten wurde; er hält dem letztlich nur entgegen, der Klageantrag sei nicht auslegungsfähig. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass - wie der Beklagte weiter geltend macht - die Grenzen zulässiger Auslegung deswegen überschritten sein könnten, weil der Kläger anwaltlich vertreten wird.

11

1.3 Es ist nicht zu beanstanden, dass das Hauptsachegericht sich in dem Beweisbeschluss vom 13. Dezember 2007 über die Darlegungen zur Zulässigkeit hinaus nicht zur Begründetheit der Klage verhalten hat. Werden materiellrechtliche Geheimhaltungsgründe geltend gemacht, also Gründe, die sich unmittelbar aus dem Inhalt der Akte ergeben, liegt es in der Regel auf der Hand, dass sich im Streitfall nur durch Einsichtnahme in die Akten verlässlich klären lässt, ob der Geheimhaltungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - juris Rn. 4 ; vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - juris Rn. 7 und vom 2. November 2010 - BVerwG 20 F 2.10 - juris Rn. 11 f.).

12

So liegt der Fall hier. Zur Begründung der Vorlageverweigerung wird nur auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Vertragspartner der Stadt verwiesen. Auch hinsichtlich der angeforderten Ratsvorlage werden keine prozeduralen Geheimhaltungsgründe geltend gemacht, sondern nur, dass darin Informationen enthalten seien, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zusammenhang mit dem streitigen Cross-Border-Leasing-Vertragswerk betreffen. Ob dies zutrifft, lässt sich nur im Wege der Einsicht in die Unterlagen beurteilen. Materiellrechtlich hat das Hauptsachegericht durch die Aktenanforderung auch deutlich gemacht, dass es sich ohne Kenntnis des Akteninhalts nicht in der Lage sieht, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des - allein vom Hauptsachegericht zu beurteilenden - fachgesetzlichen Ausnahmegrundes gemäß § 8 Satz 3 IFG NRW gegeben sind, zu denen nicht nur die Feststellung gehört, dass ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Offenlegung besteht, sondern auch, dass der Schaden im Fall der Offenlegung lediglich als "geringfügig" anzusehen ist.

13

2. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage der Akten verweigern.

14

2.1 Zutreffend hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts klargestellt, dass die Akten nicht bereits aus den vom Beigeladenen angeführten Gründen ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. Die Erwägungen des Beigeladenen zu den prozessualen Folgen des § 100 VwGO im Fall eines "in-camera"-Verfahrens verkennen Regelungsgehalt und Wirkweise des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. dazu nur Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - a.a.O. Rn. 11 ff.).

15

2.2 Ebenso wenig ergibt sich - wie der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - allein aus dem Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung ein Geheimhaltungsgrund. Entscheidend ist nicht, ob eine "Vertraulichkeit" von Informationen vereinbart worden ist, sondern ob nach den materiellen Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein Geheimhaltungsgrund vorliegt (Beschluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - a.a.O. Rn. 21 - zur Einstufung als Verschlusssache).

16

2.3 Bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen handelt es sich um Vorgänge, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind (Beschlüsse vom 12. Oktober 2009 - BVerwG 20 F 1.09 - juris Rn. 7 und vom 11. Juni 2010 - BVerwG 20 F 12.09 - juris Rn. 7). Dass es nicht um den Schutz der Stadt, sondern um den Schutz des Vertragswerks und damit die Schutzbedürftigkeit der Vertragspartner der Stadt geht, steht der Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nicht entgegen. Soweit der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts darauf abhebt, dass sich der amerikanische Vertragspartner der Stadt nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen könne, weil dieses Grundrecht nur Deutschen zustehe, wird nicht beachtet, dass sich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowohl aus Art. 12 Abs. 1 GG als auch aus Art. 14 Abs. 1 GG ableitet (Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 52 Rn. 11). Im Übrigen können sich ausländische natürliche und juristische Personen auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen, der ungeachtet des Spezialitätsverhältnisses zu Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 und 1166/85 - BVerfGE 78, 179 <197>) auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schützt.

17

Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig sind. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - a.a.O. Rn. 11 und Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 7 C 18.08 - Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 1 Rn. 12, 18 ; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087, 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <230 f.>). Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten oder Bezugsquellen. Auch konkrete Vertraggestaltungen, d.h. ein bestimmtes Vertragswerk, zu dem auch Angaben über beteiligte Kreditunternehmen und Finanzdienstleister, Modelle der Zwischenfinanzierung oder steuerrechtliche Abschreibungsmodalitäten und sonstige Transaktionsbeschreibungen gehören, können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein.

18

Indes erscheint fraglich, ob neben dem - hier gegebenen - Mangel an Offenkundigkeit noch ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung der Vertragsunterlagen und Transaktionsbeschreibungen besteht. Wie aus der allgemeinen Presse bekannt, hat die amerikanische Steuerbehörde Cross-Border-Leasing-Verträge als Scheingeschäfte beanstandet und ihnen die steuerliche Anerkennung versagt. Berichtet wird auch, dass seitdem keine neuen Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen worden seien. Vor diesem Hintergrund erscheint das im Vertragswerk generierte Geschäftsgeheimnis als wirtschaftlich "totes" Wissen, das für die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation unter dem Blickwinkel des Wettbewerbschutzes kaum noch Bedeutung haben dürfte.

19

3. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es nicht. Sollte ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse noch anzuerkennen sein, war der Beigeladene jedenfalls wegen überwiegender öffentlicher und privater Offenbarungsinteressen zur uneingeschränkten Aktenvorlage verpflichtet. In diesem Sinne war das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung vorgezeichnet; für Ermessenerwägungen des Beigeladenen war kein Raum.

20

3.1 Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus. Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann jedoch in bestimmten Fallkonstellationen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Umgekehrt kann bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert (Beschlüsse vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - a.a.O. Rn. 9 und vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - a.a.O. Rn. 20).

21

3.2 Gemessen an diesen Grundsätzen hätte der Beigeladene bei seiner Entscheidung über die Vorlage der Vertragsunterlagen den öffentlichen und privaten Interessen an einer uneingeschränkten Aktenvorlage gegenüber den geltend gemachten privaten Interessen am Geheimnisschutz den Vorzug geben müssen. Das hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend erkannt. Soweit er zur Begründung (auch) auf § 8 Satz 3 IFG NRW abhebt, erscheint dies aber zumindest missverständlich. Maßstab für die prozessuale Entscheidung im Zwischenverfahren ist - wie dargelegt - allein § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Prüfung fachgesetzlicher Vorgaben obliegt dem Gericht der Hauptsache.

22

Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts unter Hinweis auf Ziel und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes betont, dass derjenige, der einen Anspruch auf Informationszugang geltend macht, (auch) als Sachwalter der Allgemeinheit tätig wird; seinem Interesse an der Verfolgung des Anspruchs im Prozess entspricht ein gleichgerichtetes öffentliches Interesse (Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - a.a.O. Rn. 24; vgl. auch Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - a.a.O. Rn. 13). Entgegen der Auffassung des Beigeladenen tritt das öffentliche Interesse an der Offenlegung nicht deswegen zurück, weil dadurch grundrechtlich geschützte Rechte der Vertragspartner der Stadt verletzt würden. Denn es liegen hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe für eine Offenlegung vor. Betreffen die Unterlagen, um deren Offenlegung gestritten wird, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und werden dabei zudem öffentliche Gelder in nicht unerheblichem Umfang zum Einsatz gebracht, besteht ein besonderes öffentliches Informationsinteresse an dem Vertragswerk. Das öffentliche Informationsinteresse zielt nicht nur auf Transparenz, um die sachgerechte Verwendung der öffentlichen Gelder nachvollziehen zu können, sondern bezieht sich auch auf alle rechtlichen Verpflichtungen, die die öffentliche Hand eingegangen ist, da vertragliche Bindungen Auswirkungen sowohl auf die in Rede stehende Aufgabenerfüllung als auch auf andere öffentliche Aufgaben, die die Stadt zu erfüllen hat, haben können. Die Kenntnis der Einflussmöglichkeiten und Mitwirkungsrechte aller am Vertragswerk Beteiligten zielt auf eine von der finanziellen Interessenslage der Kommune losgelöste und transparente Risikoabschätzung. Das öffentliche Interesse an der Offenlegung wiegt umso mehr, wenn - wie der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls zutreffend hervorgehoben hat - sich die öffentliche Hand aufgrund langer Laufzeiten gleichsam über mehrere Generationen hinweg und damit in besonderer Weise zeitlich gebunden hat. Wie die aktuelle Finanzmarktlage und insbesondere das Problem der Nachbesicherung zeigen, können durch Cross-Border-Leasing-Verträge auch erhebliche finanzielle Risiken entstehen. Es liegt daher im öffentlichen Interesse, durch Kenntnis des gesamten Vertragswerks erkennen zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Kommune sich möglichen finanziellen Risiken ausgesetzt sehen könnte. Hinzu kommt, dass das "Geschäftsmodell" der Cross-Border-Leasing-Verträge - wie dargelegt - nicht mehr aktuell zum Einsatz kommt und daher dem Geschäftsgeheimnis - sofern ein solches zu bejahen wäre - nur ein geringes Gewicht zukommt. Auch aus diesem Grund überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Offenlegung.

23

4. Zutreffend hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts auch darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Zwischenverfahrens die Sperrerklärung vom 13. Februar 2009 ist, mit der der Beigeladene nur das Vorliegen schutzwürdiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geltend gemacht hat. Die Feststellung, dass das öffentliche Interesse an der Offenlegung den möglichen Schutz des Vertragswerks als Geschäftsgeheimnis überwiegt, schließt es nicht aus, dass einer vollständigen Vorlage des Vertragwerks unter Umständen der Schutz personenbezogener Daten entgegenstehen könnte. Insoweit ist der Beigeladene nicht gehindert, eine erneute Sperrerklärung abzugeben, um gegebenenfalls punktuelle Schwärzungen zu begründen. Ob dies Anlass für ein erneutes "in-camera"-Verfahren sein könnte, wird das Gericht der Hauptsache zu prüfen haben.

24

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO (vgl. dazu auch Beschlüsse vom 8. Mai 2009 - BVerwG 20 KSt 1.09 / BVerwG 20 F 26.08 und vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 20 F 15.10 -). Einer Streitwertfestsetzung bedarf es mit Blick auf Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses nicht; danach fällt für eine sonstige Beschwerde eine Gebühr in Höhe von 50,- € im Falle der Zurückweisung an.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2014 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes Zugang zu der Kalkulation des Nahwärmepreises im Baugebiet „... R…“ (im Folgenden: Neubaugebiet) in H….

2

Er ist mit seiner Ehefrau Eigentümer des in dem Neubaugebiet gelegenen Grundstücks S… Str. …. Für dieses Gebiet ist aufgrund der Satzung der Beklagten „über die Nahwärmeversorgung des Baugebietes … R…, westliche Erweiterung – Teilplan 1“ ein Anschluss- und Benutzungszwang für die Versorgung mit Nahwärme vorgeschrieben. Die Nahwärmeversorgung hat die Beklagte den beigeladenen Gemeindewerken H... übertragen.

3

Am 23. Mai 2012 beantragte der Kläger, ihm Zugang zu den behördlichen Informationen über die Kalkulation der Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011 zu gewähren. Dieses Informationsverlangen erstreckte er auf alle zur rechnerischen Nachvollziehbarkeit der festgesetzten Nahwärmepreise erforderlichen in die Kostenkalkulation und die Kostenrechnung eingestellten Einzelpositionen.

4

Mit Bescheid vom 7. August 2012 lehnte die Beklagte den Zugang zu den begehrten Informationen mit der Begründung ab, das Bekanntwerden dieser Informationen schade den wirtschaftlichen Interessen der privatwirtschaftlich agierenden Beigeladenen in erheblichem Maße, da diese außerhalb des Neubaugebietes als Anbieter von Strom, Gas, Wärme und Abwasser in H… in Konkurrenz mit Wettbewerbern des freien Marktes stehe. Die begehrten Kalkulationsgrundlagen stellten sensible Geschäftsdaten dar, deren Offenlegung Wettbewerbsnachteile für die Beigeladene befürchten ließe. Die Beigeladene habe der Offenlegung dieser Geschäftsgeheimnisse gegenüber dem Kläger auch nicht zugestimmt. Darüber hinaus unterfielen die Daten vertraglichen Verschwiegenheitspflichten gegenüber den Energielieferanten der Beigeladenen.

5

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs hat der Kläger Klage erhoben, und zur Begründung vorgetragen, die Beigeladene könne sich zur Abwehr seines Informationsanspruchs nicht auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 6 Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG - berufen, da ihr aufgrund des satzungsrechtlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwanges im Neubaugebiet eine Monopolstellung zukomme und sie daher nicht in einer Wettbewerbssituation zu privaten Anbietern stehe. Auch § 11 Satz 2 LIFG stehe seinem Informationsverlangen nicht entgegen. Aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges hinsichtlich der Nahwärmeversorgung sei die Beklagte an die Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes gebunden und könne sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht berufen. Bei der Erhebung von Gebühren nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) habe der Gebührenpflichtige das Recht, die Gebührenkalkulation einzusehen. Dieser Anspruch stehe ihm – dem Kläger – ebenso zu; die Beklagte könne sich dem durch die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für die Gemeindewerke, deren Anteile sie zu 74,9% halte, nicht entziehen.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim vom 17. Juli 2013 zu verpflichten, ihm durch Überlassung von Kopien der Kostenkalkulation und der hierfür verwendeten Unterlagen, ersatzweise durch Gestatten der Anfertigung von Kopien der für die Kostenkalkulation verwendeten Unterlagen, Zugang zu den behördlichen Informationen zu gewähren, wie die Beigeladene in dem Abrechnungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 die Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet "…R…“ in H... kalkuliert und welche Einzelpositionen die Beigeladene bei der Kostenkalkulation und Kostenrechnung in dieser Abrechnungsperiode der Verbraucherpreisbemessung zu Grunde gelegt hat.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat eine Bescheinigung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt, wonach die Preiskalkulation für die Nahwärmeversorgung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ordnungsgemäß erfolgt sei und sich Hinweise auf nicht marktübliche Kosten und Erlöse im Rahmen der Prüfung nicht ergeben hätten. Auch das Landeskartellamt, das vom Kläger eingeschaltet worden sei, habe keine Anhaltspunkte für das Vorliegen überhöhter Wärmepreise gesehen und daher keine weiteren Ermittlungen gegen die Beigeladene durchgeführt. Im Übrigen seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten maßgeblich durch die vom Kläger angeforderten Daten, insbesondere die Energiebezugskosten, die Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die Ertragserlöse bestimmt; ihre Offenlegung ermögliche den Konkurrenten Schlussfolgerungen auf die Kostenkalkulation für die Bereiche, in denen die Beigeladene Leistungen auf dem freien Markt anbiete, und könne den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen daher schaden.

11

Die Beigeladene hat sich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen und ebenfalls beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne dem Anspruch des Klägers auf Informationszugang nicht entgegenhalten, bei den Kalkulationsunterlagen handele es sich um Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 11 Satz 2 LIFG. Denn die Beigeladene habe in dem Neubaugebiet aufgrund des dort vorgeschriebenen Anschluss- und Benutzungszwanges eine Monopolstellung betreffend die Versorgung mit Nahwärme inne, so dass ihr insoweit keine Wettbewerbsnachteile drohten. Zwar könne sich ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse im Ausnahmefall auch für Monopolisten ergeben, ein solches habe die Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt. Die Konkurrenzsituation im übrigen Gemeindegebiet ändere an der Monopolstellung im Neubaugebiet nichts. Angesichts der bereits bestehenden Wettbewerbssituation im Gebiet außerhalb des Neubaugebiets sei nicht substantiiert vorgetragen worden, dass sich dort nunmehr ein für die Beigeladene ruinöser Wettbewerb entwickeln könne. Auch der personelle Geltungsbereich des § 11 Satz 2 LIFG sei für die Beigeladene nicht eröffnet. Das Recht auf Geheimhaltung, das § 11 Satz 2 LIFG schütze, beruhe auf Art. 12 und Art. 14 GG. Auf diese Grundrechte könne sich die öffentliche Hand als Grundrechtsverpflichtete nicht berufen. Dies gelte aufgrund teleologischer Reduktion auch für die privatrechtlich handelnde Beigeladene, da sie öffentlich-rechtliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehme. Mit einem privaten Dritten sei die Beigeladene aufgrund der daraus folgenden öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht vergleichbar. Ebenso wenig stehe dem Informationsanspruch § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG entgegen. Ein Schaden für die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen sei angesichts deren Monopolstellung im Nahwärmeversorgungsgebiet nicht dargetan.

14

Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt zur Begründung vor, die Informationen, zu denen der Kläger Zugang begehre, stellten berechtigte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar. Diese versorge nicht nur das Wohngebiet des Klägers mit Nahwärme, sondern liefere Strom, Gas und Wasser auch im übrigen Gemeindegebiet. Dort stehe sie im Wettbewerb mit anderen Energieversorgern. Die vom Kläger angeforderten Daten bestimmten den wirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen maßgeblich. Anhand dieser Daten seien wegen der vergleichbaren Kalkulationssystematik Rückschlüsse auch auf die Kalkulation der Gas- und Strompreise außerhalb des Nahwärmegebiets möglich. Aufgrund dessen könnten Wettbewerber die Beigeladene durch Dumpingpreise vom Markt verdrängen. Die Berufung auf das Geheimhaltungsinteresse sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Nahwärmeversorgung um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe handele. Zwar leite sich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus den Grundrechten ab, auf die sich öffentliche Stellen grundsätzlich nicht berufen könnten. Der Gesetzgeber habe die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der öffentlichen Hand jedoch durch § 11 Satz 2 LIFG einfachgesetzlich unter Schutz gestellt. Im Übrigen seien die vom Kläger begehrten Daten ihr – der Beklagten – nicht bekannt.

15

Die Beigeladene trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, bei der Kostenkalkulation, deren Offenlegung der Kläger erreichen wolle, handele es sich nicht um amtliche Informationen im Sinne des LIFG. Denn die begehrten Unterlagen seien allein bei ihr vorhanden. Außerdem werde die Kostenkalkulation nicht von der Beklagten, sondern von ihr – der Beigeladenen – im Rahmen von privatrechtlichen Liefervertragsverhältnissen erstellt. Die Beklagte könne sich die begehrten Unterlagen nicht verschaffen. Die Einsichtnahme in die Kalkulation sei der Beklagten als Hauptgesellschafterin von den Geschäftsführern gemäß § 51 a GmbHG zu verweigern, da die Offenlegung dem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen werde. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht zudem angenommen, sie – die Beigeladene – unterfalle als juristische Person des Privatrechts nicht dem personellen Anwendungsbereich von § 11 Satz 2 LIFG. Vielmehr könne sie sich ebenfalls auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Sie habe darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der vom Kläger angeforderten Kalkulations- und Kostenrechnungsunterlagen. Denn aus den für das Neubaugebiet sowie das übrige Versorgungsgebiet einheitlichen Erdgasbezugsbedingungen lasse sich auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Angebotsstrategie sowie ihre Kalkulation in dem übrigen Gemeindegebiet schließen. Eine Offenlegung könne ihren Konkurrenten deshalb Wettbewerbsvorteile verschaffen.

16

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

17

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2014 die Klage abzuweisen.

18

Der Kläger beantragt,

19

die Berufungen zurückzuweisen.

20

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, der für das Neubaugebiet von der Beigeladenen in Rechnung gestellte Wärmepreis liege annähernd 100 % über dem Preis, den die Beigeladene für die Gasversorgung des übrigen Gemeindegebietes verlange. Die Verbraucherinteressen der Anwohner des Neubaugebietes seien bewusst zugunsten eines ehrgeizigen Klimaschutzprojektes geopfert worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (zwei Hefte) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen hat.

23

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG –. Danach hat jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts gegenüber den in § 2 LIFG genannten Behörden nach Maßgabe dieses Gesetzes Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen dem Grunde nach vor (I.). Dem Informationsanspruch des Klägers steht jedoch der Ausschlussgrund des § 11 Satz 2 LIFG entgegen (II.).

I.

24

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 LIFG sind gegeben. Der Kläger ist anspruchsberechtigt (1.). Er hat den Auskunftsanspruch betreffend die Nahwärmepreiskalkulation der Beigeladenen zutreffend gegenüber der Beklagten als anspruchsverpflichteter Behörde geltend gemacht (2.). Bei der Preiskalkulation sowie den dazugehörigen Unterlagen handelt es sich auch um amtliche Informationen (3.).

25

1. Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Die Anspruchsberechtigung besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse der Informationszugang geltend gemacht wird. In der Begründung zum Gesetzentwurf des LIFG (LT-Drs. 15/2085, S. 1) wird die Informationsfreiheit als eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie angesehen. Durch das Landesinformationsfreiheitsgesetz sollen die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte gestärkt und die demokratische Meinungs- und Willensbildung nachhaltig unterstützt werden. Die Transparenz politischer und behördlicher Entscheidungen soll deren Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz erhöhen. Da unabhängig von einer individuellen Betroffenheit Sachkenntnisse entscheidende Voraussetzung für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen sind, ist der Informationsanspruch umfassend und voraussetzungslos (LT-Drs. 15/2085, S. 1, 9, 11, 12; so auch die Begründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – IFG -, BT-Drs. 15/4493, S. 1, 7); die Informationsfreiheit wird somit um ihrer selbst willen gewährt (vgl. Schoch, IFG, Kommentar, München 2009, § 1 Rn. 19).

26

Das mit der Informationserlangung vom Kläger verfolgte Ziel, die Wärmepreiskalkulation als Kunde der Beigeladenen rechnerisch nachzuvollziehen, ist demnach im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG ohne Belang (vgl. Gesetzesbegründung zu § 1, LT-Drs. 15/2085, S. 11, sowie zu § 4 Abs. 1, a.a.O., S. 12). Wird der Zugang zu den amtlichen Informationen voraussetzungslos und unabhängig von einer individuellen Betroffenheit gewährt, vermag insbesondere der Umstand, dass der Kläger als Anwohner im Neubaugebiet dem Anschluss- und Benutzungszwang an die Nahwärmeversorgung unterliegt, seine Rechtsposition nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG nicht zu stärken. Deshalb kann der Kläger einen Informationsanspruch nur unter den gleichen Voraussetzungen und in demselben Umfang wie derjenige geltend machen, der in keinerlei Rechtsbeziehung zur Beigeladenen steht. Insofern kommt es nicht darauf an, welches Einsichtsrecht er bei öffentlich-rechtlicher Gestaltung des Versorgungsverhältnisses hätte. Dies gilt auch für die Frage, ob und inwieweit dem Kläger im Rahmen des zivilrechtlich ausgestalteten Wärmelieferungsverhältnisses ein Auskunftsanspruch gegen die Beigeladene zusteht.

27

2. Die Behörde der beklagten Gemeinde ist gemäß § 2 Abs. 1 LIFG anspruchsverpflichtet. Zwar steht die Beigeladene als juristische Person des Privatrechts, der gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung über die Nahwärmeversorgung des Baugebiets „… R…“ vom 19. Februar 2009 die Aufgabe der Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet von der Beklagten übertragen wurde, nach § 2 Abs. 3 LIFG einer Behörde gleich. Gleichwohl ist der Zugangsantrag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 LIFG an die Beklagte zu richten, da sie sich der Beigeladenen zur Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.

28

3. Bei der Nahwärmepreiskalkulation, zu welcher der Kläger Zugang begehrt, handelt es sich um amtliche Informationen im Sinne von § 4 Abs. 1 LIFG. Nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 1 LIFG sind amtliche Informationen im Sinne des Gesetzes alle dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu. Die der Nahwärmeversorgung zugrunde liegende Preiskalkulation sowie die damit verbundenen Berechnungsgrundlagen sind als amtliche Informationen im Sinne von § 3 Nr. 1 LIFG einzuordnen. Denn die Beigeladene nimmt die Nahwärmeversorgung des Neubaugebiets als Aufgabe der Daseinsvorsorge, d.h. als öffentlich-rechtliche Aufgabe, für die Beklagte wahr und steht insoweit nach § 2 Abs. 3 LIFG einer Behörde gleich.

29

Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, die Unterlagen seien nicht bei ihr, sondern allein bei der Beigeladenen vorhanden. Denn als Gesellschafterin der Beigeladenen steht der Beklagten grundsätzlich gemäß § 51 a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter HaftungGmbHG – ein Auskunfts- und Einsichtsrecht zu. Ob dem § 51 a Abs. 2 GmbHG entgegensteht, kann der Senat offen lassen, weil die Schutzbestimmung des § 11 Satz 2 LIFG den Zugang des Klägers zu den begehrten Informationen ausschließt (vgl. im Folgenden II.).

II.

30

Dem hiernach eröffneten Anspruch des Klägers auf Informationszugang steht jedenfalls der Ausschlussgrund des § 11 Satz 2 LIFG entgegen. Deshalb kann es der Senat offen lassen, ob der klägerische Antrag auch gemäß § 9 Abs. 1 Satz 6 LIFG abzulehnen war.

31

Nach § 11 Satz 2 LIFG darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit die oder der Betroffene eingewilligt hat. Diese Vorschrift ist auf die Beigeladene anwendbar (1.). Des Weiteren handelt es sich bei den vom Kläger begehrten Informationen über die Kalkulation der Nahwärmepreise um Geschäftsgeheimnisse (2.), zu denen die Beklagte den Zugang zu Recht verweigert hat, weil die Beigeladene nicht eingewilligt hat (3.).

32

1. § 11 Satz 2 LIFG findet auf die Beigeladene Anwendung, da sie nicht nur aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges als alleiniges Unternehmen im Neubaugebiet die Nahwärmeversorgung gewährleistet, sondern im übrigen Gemeindegebiet der Beklagten u.a. als Gasversorger im Wettbewerb zu anderen Anbietern steht.

33

§ 11 Satz 2 LIFG soll der Gefahr der Ausforschung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Anträge auf Gewährung von Zugang zu amtlichen Informationen entgegenwirken, dabei insbesondere den Schutz wettbewerbsrelevanter Unternehmensdaten und so des wirtschaftlichen Geschäftsbereichs sicherstellen. Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von existentieller Bedeutung, da sich ein Unternehmen durch überlegenes technisches oder kaufmännisches Wissen einen Wettbewerbsvorsprung sichern kann, der bei Offenbarung des Geheimnisses zunichte gemacht werden könnte (vgl. Schoch, IFG, Kommentar, München 2009, § 6, Rn. 4, 5f.).

34

Ausgehend von diesem Schutzzweck ist der Anwendungsbereich des § 11 Satz 2 LIFG vorliegend eröffnet. Denn die Beigeladene, ein als GmbH privatrechtlich handelndes Energieversorgungsunternehmen, wird nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt und steht bei der Erdgasversorgung des Gemeindegebiets in Konkurrenz zu zahlreichen anderen privaten Anbietern.

35

Zwar nimmt die Beigeladene auch öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr, da sie das Neubaugebiet, das insoweit einem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, mit Nahwärme versorgt. Dieser Umstand steht der Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinsichtlich der übrigen Unternehmensbereiche jedoch nicht entgegen. Denn dem Wortlaut von § 11 Satz 2 LIFG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass juristische Personen des Privatrechts, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Unternehmenstätigkeit auch öffentlich-rechtlichen Aufgaben nachkommen, von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen sein sollen. Vielmehr knüpft die Vorschrift allein an die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Information selbst an (vgl. VG Berlin, Urteil vom 25. April 2006 – 2 A 88.05 –, juris Rn. 20).

36

Auch höherrangiges Recht gebietet eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 11 Satz 2 LIFG nicht. Zwar trägt die Vorschrift ausweislich der Gesetzesbegründung dem grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie gemäß Artt. 12, 14 des Grundgesetzes Rechnung (vgl. Begründung des LIFG, LT-Drs. 15/2085, zu § 11, S. 15). Auf diese Grundrechte kann sich die öffentliche Hand ebenso wenig berufen wie eine juristische Person des Privatrechts, die wie die Beigeladene überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand steht und öffentliche Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge – wie vorliegend die Nahwärmeversorgung – wahrnimmt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Mai 1989 – 1 BvR 705/88 –, juris Rn. 3 sowie vom 18. Mai 2009 – 1 BvR 1731/05 –, juris Rn. 17). Diese Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand hindert den Gesetzgeber jedoch nicht, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einfachgesetzlich einem sich auch privatwirtschaftlich betätigenden Verwaltungsträger zuzuordnen (vgl. Schoch, a.a.O., § 6, Rn. 47).

37

2. Bei den vom Kläger begehrten Informationen über die Kalkulation der Nahwärmepreise handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse (a), an deren Wahrung die Beigeladene aufgrund der Wettbewerbsrelevanz der Kalkulationsdaten des Nahwärmepreises für den Gasverkaufsbereich der Beigeladenen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat (b).

38

a) Zu Recht vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass es sich bei den in der Nahwärmepreiskalkulation enthaltenen Daten um Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen handelt. Allgemein werden hierunter alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig sind. Geschäftsgeheimnisse zielen dabei auf den Schutz kaufmännischen Wissens, weil sie alle Konditionen betreffen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können oder die Rückschlüsse auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zulassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08. Februar 2011 – 20 F 13.10 – juris, Rn. 17; Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 – juris Rn. 55; VG Stuttgart, Urteil vom 13. November 2014 – 4 K 5228/13 – juris Rn. 42). Zu den Geschäftsgeheimnissen zählen grundsätzlich auch Kalkulationen, da diese die Betriebs- und Angebotsstruktur eines Unternehmens erkennen lassen (vgl. Schoch, IFG, a.a.O., Rn. 54).

39

b) Die Beigeladene hat auch ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Nahwärmepreiskalkulation. Denn sie hat nicht nur im Nahwärmebereich eine Monopolstellung inne, sondern steht im Bereich der übrigen Gasversorgung im Wettbewerb mit anderen Anbietern (aa). Insofern können die Konkurrenten der Beigeladenen aus den Unterlagen zur Wärmepreiskalkulation den einheitlichen Gaseinkaufspreis entnehmen und hieraus sowie den sonstigen Kosten die Gesamtkosten des Gasverkaufsbereichs der Beigeladenen und damit die Gewinnmarge ermitteln (bb). Somit führt die Offenlegung der Nahwärmepreiskalkulation zu Wettbewerbsnachteilen auf dem Gasverkaufsmarkt (cc).

40

aa) Maßgeblich für die Anerkennung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses ist die Wettbewerbsrelevanz der betreffenden Information. Danach besteht ein objektiv berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 – juris Rn. 28; Beschluss vom 8. Februar 2011 – 20 F 13.10 – a.a.O.; sowie Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18.08 –, juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03, 1 BvR 21 BvR 2111/03 – juris Rn. 87).

41

Zwar hat die Beigeladene aufgrund des satzungsrechtlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwanges für die Nahwärmeversorgung in dem Neubaugebiet eine Monopolstellung inne. Eine solche Position rechtfertigt wegen des insoweit fehlenden Wettbewerbs regelmäßig die Annahme, dass die Offenlegung der Preiskalkulation wirtschaftliche Interessen des Monopolunternehmens nicht beeinträchtigen kann. Jedoch ist die Beigeladene im Bereich der übrigen Gasversorgung im Gebiet der Beklagten dem Wettbewerb mit anderen Anbietern ausgesetzt.

42

bb) Insoweit lassen die Kalkulationsunterlagen für das Neubaugebiet, zu denen der Kläger Zugang begehrt, Rückschlüsse auf die Preiskalkulation der Beigeladenen im Bereich der Erdgasversorgung im übrigen Gemeindegebiet (Wettbewerbsgebiet) und deren Wettbewerbsstrategie und damit auf wettbewerbsrelevante Daten der Beigeladenen zu.

43

Bei Offenlegung des Erdgasbezugspreises, welcher der Wärmepreiskalkulation für das Neubaugebiet zugrunde liegt, wird gleichzeitig der Bezugspreis für die Erdgasversorgung im Wettbewerbsgebiet bekannt, weil die Beigeladene ihren gesamten Erdgasbedarf aufgrund eines einheitlichen Liefervertrages bezieht. Das hat die Beigeladene durch Vorlage einer Bescheinigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die die Jahresabschlüsse der Beigeladenen in den Jahren 2010 bis 2013 geprüft hat, belegt. Ein einheitlicher Bezugspreis liegt im Übrigen bereits aufgrund des sehr geringen Anteils der Nahwärmeversorgung am Umsatz der Beigeladenen (unter 0,5 %) nahe.

44

In Kenntnis des Erdgasbezugspreises lassen sich die der Beigeladenen im Erdgasbereich entstehenden Gesamtkosten errechnen. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung überzeugend und vom Kläger nicht substantiiert bestritten dargelegt hat, sind die weiteren Kostenpositionen mit Ausnahme der auf den Erdgasbereich entfallenden Vertriebskosten allgemein zugänglich und so der Höhe nach bekannt. So sind die Erdgas- und Umsatzsteuer gesetzlich festgesetzt, die Netzentgelte und Konzessionsabgaben von den Betreibern der Energieversorgungsnetze gemäß § 20 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes im Internet zu veröffentlichen und die Kosten für Messung, Messstellenbetrieb und Abrechnung in den veröffentlichungspflichtigen Preisblättern sowie den Abrechnungen der Beigeladenen anzugeben.

45

Die auf den Erdgasbereich entfallenden Gesamtvertriebskosten können aus den in der Nahwärmepreiskalkulation ausgewiesenen Vertriebskosten abgeleitet werden. Zwar sind diese Kosten, die Verwaltungs-, Personal- und Abrechnungskosten umfassen, nach Angaben der Beklagten spartenübergreifend geschlüsselt, da es sich bei der Beigeladenen um ein vergleichsweise kleines Energieversorgungsunternehmen handelt, bei dem ein spartenscharf getrennter Einsatz insbesondere des Personals nicht möglich ist. Dem Lagebericht der Beigeladenen im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 sowie der Bilanz für das Jahr 2011 lassen sich jedoch die Umsatzanteile der einzelnen Sparten sowie die Personalstärke und die Personalgesamtkosten der Beigeladenen entnehmen. Angesichts der vorauszusetzenden branchenspezifischen Kenntnisse über die durchschnittliche Zusammensetzung des Gaspreises und damit auch die durchschnittliche Höhe des Vertriebskostenanteils vermögen Konkurrenten anhand dieser Daten sowie der in der Nahwärmekalkulation ausgewiesenen Vertriebskosten die auf das Wettbewerbsgebiet entfallenden Vertriebskosten hinreichend sicher zu ermitteln und so durch Addition mit den übrigen Kosten die bei der Beigeladenen anfallenden Gesamterdgaskosten zu errechnen. Aus der Gegenüberstellung der so ermittelten Kosten der Beigeladenen mit den Erlösen, die sich aus den in den Preisblättern veröffentlichten Erdgasverkaufspreise herleiten lassen, ergibt sich die Gewinnmarge der Beigeladenen im Erdgasbereich.

46

cc) Die durch Offenlegung der Nahwärmekalkulation vermittelten Kenntnisse dieser Daten verschaffen Wettbewerbern auf dem Erdgasmarkt einen wettbewerbsrelevanten Vorteil und der Beigeladenen damit gleichzeitig Wettbewerbsnachteile. Diese wettbewerbsrelevanten Auswirkungen der Offenlegung können allein aufgrund einer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung festgestellt werden und sind damit notwendigerweise mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden. Aus diesem Grund sind die nachteiligen Wirkungen im Wettbewerb nachvollziehbar und plausibel darzulegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 –, juris Rn. 28 sowie vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 –, juris Rn. 58f; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. September 2012 – 8 A 10096/12.OVG –, LKRZ 2013, 32 [33]).

47

Die nachteilige Beeinflussung ihrer Wettbewerbsposition durch die Offenbarung der Nahwärmepreiskalkulation haben die Beklagte und die Beigeladene überzeugend dargelegt. Die Kenntnis der Kalkulationsinhalte und insbesondere des Gasbezugspreises der Beigeladenen ermöglicht Wettbewerbern weitgehende Einblicke in die Betriebsstruktur und daraus resultierend auch in die Angebotsstrategie. Angesichts der Vielzahl von Erdgasanbietern auf dem Gemeindegebiet der Beklagten (vgl. die Auflistung unter www.check.24.de oder www.verivox.de) liegt damit die Möglichkeit der Wettbewerber auf der Hand, durch einen gezielten Preiskampf der Beigeladenen Kunden abzuwerben und so Marktvorteile zu erlangen. Vor einem damit verbundenen möglichen Wechsel des Gasanbieters ist die Beigeladene auch in ihrer Eigenschaft als Grundversorger auf dem Gemeindegebiet nicht geschützt. Es ist allgemein bekannt, dass ein Wechsel des Gaslieferanten durch den Endverbraucher im Interesse einer möglichst kostengünstigen Gasversorgung seit der Liberalisierung der Energiemärkte im Jahr 2006 von den Anbietern beworben wird und auch nicht nur in Einzelfällen stattfindet. Nahezu ein Viertel der Verbraucher hat den Gasanbieter schon einmal gewechselt (vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/202188/umfrage/haeufigkeit-des-gasanbieterwechsels-in-deutschland/). Damit ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Offenlegung der auf den Monopolbereich bezogenen Kalkulation den Wettbewerbsinteressen der Beigeladenen schaden kann.

48

Dieser wettbewerbsrelevante Nachteil ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich sein Informationsbegehren auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum bezieht. Wie die Beklagte überzeugend dargelegt hat, werden die Gasbezugsverträge auf eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren abgeschlossen, so dass die Preiskalkulation für das Jahr 2011 wettbewerbsrelevante Rückschlüsse auch für die Folgejahre ermöglicht. Zudem unterliegt auch die Betriebsstruktur des beigeladenen Unternehmens nach der nachvollziehbaren Darlegung der Beklagten keinen kurzfristigen Veränderungen, so dass die Nahwärmekalkulation auch in dieser Hinsicht wettbewerbsrelevante Folgerungen für die Zeit über das Jahr 2011 hinaus zulässt.

49

Da das Erdgasgeschäft neben dem Stromgeschäft schließlich einen wesentlichen Teil des Umsatzes der Beigeladenen ausmacht, weist der Wettbewerbsnachteil auch ein solches Gewicht auf, dass der Informationszugang vom Einverständnis der Beigeladenen abhängt.

50

3. Da die Beigeladene angesichts der ihr drohenden Wettbewerbsnachteile die nach § 11 Satz 2 LIFG für die Offenlegung der Nahwärmepreiskalkulation erforderliche Einwilligung nicht erteilt hat, hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zugang zu der Nahwärmepreiskalkulation im Neubaugebiet zu Recht abgelehnt.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.

53

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

54

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beigeladenen durch Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe abzuwenden, wenn nicht die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt Mainz Zugang zu Informationen, die die Planung eines Kohlekraftwerks betreffen.

2

An der Beigeladenen, einem als Aktiengesellschaft organisierten Energieversorgungs- und Energieerzeugungsunternehmen, sind die Stadtwerke Mainz AG, deren ausschließliche Eignerin die Beklagte ist, und die ESWE Versorgungs AG mit der Stadt Wiesbaden als Mehrheitseignerin zu jeweils 50 % beteiligt. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen ist Unternehmenszweck die Erzeugung, Bereitstellung und Verteilung von Energie sowie die Entsorgung einschließlich der Erbringung von Dienstleistungen auf den vorgenannten Gebieten. Im Jahre 2006 beschloss die Beigeladene die Errichtung eines Kohlekraftwerks auf der I... . Nach Widerstand in der Bevölkerung und auf kommunalpolitischer Ebene wurde dieser Plan im Jahre 2012 endgültig aufgegeben.

3

Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr auf der Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – Informationen in schriftlicher Form zugänglich zu machen. Sie fragte nach den der Beigeladenen im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk entstandenen Kosten sowie nach eventuellen Vertragsstrafen oder Kompensationsgeschäften, nach der Schaffung von Arbeitsstellen in diesem Zusammenhang sowie nach Rückstellungen und deren Auflösung und nach Gewinnabführungsvereinbarungen. Außerdem begehrte sie Informationen zur künftigen Entwicklung der Beigeladenen sowie zur Dauer und etwaigen Verlängerung der Verträge ihrer Vorstandsmitglieder.

4

Im Februar 2013 erweiterte die Klägerin ihren Fragenkatalog. Unter Hinweis auf Medienberichte, nach denen die Beigeladene Karten für eine Fastnachtssitzung abgenommen und diese an Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter verteilt haben solle, fragte die Klägerin insbesondere, wer nach welchen Gesichtspunkten Karten erhalten habe, welche Kosten entstanden seien und ob solche Einladungen häufiger erfolgten.

5

Mit Bescheid vom 18. März 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei nicht verpflichtet, Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren, weil sie sich der Beigeladenen nicht nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 LIFG zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe bediene. Die Tätigkeit der Beigeladenen, insbesondere die unternehmerische Entscheidung zur Errichtung eines Kohlekraftwerks, sei keine Verwaltungstätigkeit, die sie, die Beklagte, ansonsten vorgenommen hätte. Anders als im Bereich der Wasserversorgung gebe es infolge der Liberalisierung des Energiemarkts keinen öffentlichen Träger der Stromversorgung mehr. Die Beigeladene sei vielmehr ein privatrechtliches Unternehmen, das im Wettbewerb mit vergleichbaren Unternehmen stehe. Ungeachtet dessen bezögen sich die Fragen teilweise nicht auf vorhandene, dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen. Im Übrigen unterlägen sie der aktienrechtlichen Verschwiegenheitsverpflichtung und beträfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

6

In der Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, öffentlich-rechtliche Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG seien nicht nur staatliche Tätigkeiten, die sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ableiten ließen, sondern auch solche gemeinwohlerheblichen Angelegenheiten, die der Staat durch eigene Initiative zur öffentlichen Aufgabe gemacht habe. Hiervon sei die Energieversorgung als klassischer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge erfasst. Dieser Aufgabe komme die Beklagte durch ein in Form einer Aktiengesellschaft organisiertes Unternehmen nach. Da der Anspruch des Bürgers auf Informationszugang unabhängig von der Wahl der Organisationsform öffentlichen Handelns bestehe und eine „Flucht ins Privatrecht“ verhindert werden solle, sei der Auskunftsanspruch umfassend. Zugang zu Informationen sei mithin auch dann zu gewähren, wenn sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Unternehmen bediene; die Behörde müsse sich die Informationen gegebenenfalls bei dem privaten Unternehmen beschaffen. Zumindest hinsichtlich eines Teils der erbetenen Informationen verfüge die Beklagte selbst über Aufsichtsratsprotokolle, Gutachten und Jahresabschlussberichte. Die von der Beklagten angeführten Ausnahmetatbestände – für deren Vorliegen diese beweispflichtig sei – griffen nicht durch. Es sei insbesondere bereits fraglich, ob der Beigeladenen als juristischer Person des Privatrechts, die Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehme, eine Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse möglich sei. Der Bescheid der Beklagten lasse zudem Ausführungen vermissen, welche Geheimnisse überhaupt konkret einer Auskunft entgegenstehen sollten. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung sei im Einzelnen darzulegen.

7

Nachdem der Widerspruch insbesondere mit Blick darauf, dass es sich bei der Energieversorgung nicht um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG handele, zurückgewiesen worden war, hat die Klägerin mit ihrer Klage ihr Auskunftsbegehren weiterverfolgt und ihre bisherigen Ausführungen vertieft. Der Anspruch auf Informationszugang folge nicht erst aus § 2 Abs. 3 LIFG, sondern bereits aus § 2 Abs. 1 LIFG. Denn § 2 Abs. 3 LIFG betreffe juristische Personen des Privatrechts, die durch ein Auftragsverhältnis an die Behörde gebunden seien. § 2 Abs. 1 LIFG sei hingegen bei einem eigenen Handeln der Behörde anzuwenden, und zwar auch dann, wenn sich die Behörde in Form der formellen Aufgabenprivatisierung einer juristischen Person des Privatrechts bediene. Werde dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt, sei jedenfalls festzustellen, dass eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG der Kommune nicht aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Bestimmung zugewiesen sein müsse oder es einer konkreten spezialgesetzlichen Verpflichtung zur Erfüllung dieser Angelegenheit bedürfe. Ausreichend sei vielmehr die Übernahme gemeinwohlerheblicher Aufgaben durch den Staat. Die Energieversorgung sei damit vorliegend eine öffentlich-rechtliche Aufgabe. Sie sei trotz der Liberalisierung des Energiesektors eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge, die die Beklagte über eine Beteiligung ihrer Stadtwerke an der Beigeladenen erfülle, und damit der öffentlichen Leistungsverwaltung zuzurechnen. Die Beklagte habe sich folglich entschieden, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nicht privater Initiative zu überlassen. Soweit die danach dem Grunde nach herauszugebenden Informationen bei der Beklagten nicht vorlägen, müsse sie sich diese verschaffen, ansonsten laufe der Informationszugangsanspruch faktisch ins Leere. Diesem stünden weder aktienrechtliche Vorschriften entgegen, noch könne sich die Beklagte auf den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses sowie personenbezogener Daten berufen.

8

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 18. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013 zu den in dem Schriftsatz vom 14. Mai 2013 genannten Fragen I., den Fragen II.1., 3. und 4., den Fragen III. und IV., zu der im Schriftsatz vom 3. Juni 2013 genannten Frage und den im Schriftsatz vom 20. April 2015 genannten Fragen Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren.

9

Die gestellten Fragen lauten wie folgt:

10

I. Kohlekraftwerk

1.) Welche Kosten sind der KMW AG im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk C-Stadt insgesamt entstanden?

2.) Welche Kosten sind der KMW AG durch Abschlagszahlungen und Reservierungs-/Bereitstellungskosten an den Generalunternehmer und andere Vertragspartner entstanden?

3.) Welche Kosten sind der KMW AG im Zusammenhang mit der technischen Planung des Kohlekraftwerks entstanden?

4.) Welche Kosten sind der KMW AG durch Finanzierungsberatung entstanden?

5.) Welche Kosten sind der KMW AG durch juristische Beratungsleistungen, Verfahrenskosten, etc. im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk entstanden?

6.) Welche Kosten sind der KMW AG durch die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit entstanden?

7.) Waren im Zusammenhang mit der Beendigung des Kohlekraftwerks Vertragsstrafen an Vertragspartner/Lieferanten zu zahlen? Wenn ja: Wie hoch beliefen sich die Zahlungen? An wen wurden sie geleistet? Gab oder gibt es in diesem Zusammenhang Kompensationsgeschäfte?

8.) Wurden im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk bei der KMW AG Arbeitsstellen geschaffen? Wenn ja: Wie viele. Sollen diese weiterbeschäftigt werden? Wenn ja: Mit welchem Aufgabenbereich?

9.) Auf welche Summe beliefen/belaufen sich die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk gebildeten Rückstellungen der KMW AG? Für welchen Zweck wurden die Rückstellungen im Einzelnen gebildet? Sind die Rückstellungen zwischenzeitlich aufgelöst? Wenn nein: Wann sollen diese aufgelöst werden? Wem oder welchem Zweck sollen die Rückstellungen nach deren Auflösung zugeführt werden? Bestehen Gewinnabführungsvereinbarungen zwischen der KMW AG und deren Muttergesellschaften? Für diesen Fall: Wie sind diese ausgestaltet?

11

II. Zukünftige Entwicklung

1.) Gibt es konkrete Vorstellungen oder Planungen der KMW AG im Hinblick auf das Grundstück auf dem das Kohlekraftwerk errichtet werden sollte? Soll das Grundstück veräußert werden oder alternativ ein anderes Vorhaben hierauf umgesetzt werden?

2.) Hält die KMW AG derzeit ein Konzept zur Erzeugung und Bereitstellung von Energie nach Auslaufen des derzeit bestehenden Gaslieferungsvertrages vor? Wenn ja: Wie sieht dieses aus. Wenn nein: Warum nicht?

3.) Mit welchem Personalbedarf rechnet die KMW AG in diesem Zusammenhang?

12

III. Geschäftsführung

1.) Wann laufen die Verträge der Vorstandsmitglieder aus?

2.) Ist geplant, die Verträge mit den Vorstandsmitgliedern erneut (vorzeitig) zu verlängern?

3.) Wie lange läuft der Vertrag mit dem neu bestellten Vorstandsmitglied, Herrn Eigenmann?

4.) Wieso braucht die KMW AG, nachdem sie bisher mit zwei Vorstandsmitgliedern ausgekommen ist, nunmehr drei Vorstandsmitglieder?

5.) Welche Mehrkosten entstehen dem Unternehmen dadurch?

6.) Erscheint die Entscheidung, das Unternehmen künftig durch drei Vorstandsmitglieder führen zu lassen, vor dem Hintergrund, dass sich sowohl Geschäftstätigkeit als auch Umsatz des Unternehmens durch die immer kürzer werdenden Einsatzzeiten des Gaskraftwerkes und offensichtlich mangelnder Alternativen zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks maßgeblich reduziert haben, gerechtfertigt?

7.) Ist die Entscheidung im Aufsichtsrat der KMW AG zur Bestellung des neuen Vorstandes und zur künftigen Bestellung eines dritten Vorstandsmitgliedes einstimmig gefallen?

13

IV. Von der KMW AG ausgesprochene Einladungen zu einer Fastnachtsveranstaltung des Mainzer Carneval Vereins

1.) Ist es zutreffend, dass die KMW AG 110 Karten für eine Fastnachtssitzung des Mainzer Carneval Vereins in der Kampagne 2013 abgenommen und diese an Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter verteilt haben soll?

2.) Für diesen Fall: An wen (namentliche Aufstellung) sind die Karten verteilt worden?

3.) Welche Kriterien haben bei der Auswahl der Begünstigten eine Rolle gespielt?

4.) Wie teuer waren die Karten?

5.) Hat die KMW AG neben den Karten weitere Kosten auf der Veranstaltung (Bewirtung, Anreise etc.) für die Begünstigten übernommen? Wenn ja, in welcher Höhe?

6.) War der Vorstand der KMW AG über diese Aktion informiert? Hat dieser an der Veranstaltung teilgenommen?

7.) Hat die KMW AG in den vergangenen Jahren bereits häufiger Gäste zu kulturellen Unterhaltungen (Fastnachtssitzungen, Konzerte, Fußballspiele, Ausflugsfahrten etc.) eingeladen? Wenn ja, wie hoch beliefen sich die Kosten hierzu und war der Vorstand hierüber informiert?

8.) Wer hat die Einladungen der KMW AG zu der in der Medienberichterstattung angesprochenen Fastnachtssitzung angenommen? Es wird die Herausgabe einer namentlichen Aufstellung beantragt.

14

Die Beklagte hat beantragt,

 die Klage abzuweisen.

15

Sie ist der Klage entgegengetreten und hat in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens ergänzend und vertiefend vorgetragen, sie sei nur mittelbar an der Beigeladenen beteiligt, ohne rechtlichen Einfluss auf diese ausüben zu können. Die Beigeladene sei vielmehr ein eigenständiges wirtschaftliches Unternehmen. Zum Thema „Kohlekraftwerk“ verfüge sie lediglich über Aufsichtsratsprotokolle der Stadtwerke Mainz AG, kaum Protokolle von Aufsichtsratssitzungen der Beigeladenen, verschiedene Gutachten sowie Jahresabschlussberichte der Beigeladenen in Auszügen. Nach Durchsicht der Unterlagen seien die meisten Fragen der Klägerin hieraus nicht zu beantworten.

16

Die Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Sie ist der Klage ebenfalls entgegengetreten und hat geltend gemacht, § 2 Abs. 1 LIFG sei nicht Grundlage des Informationszugangsanspruchs, weil diese Norm ein unmittelbares Tätigwerden der Behörde voraussetze. Da es keine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Energieversorgung gebe, könne die Klägerin aber auch aus § 2 Abs. 3 LIFG keinen Anspruch auf Informationszugang herleiten. Außerdem enthalte das Landesinformationsfreiheitsgesetz keine Ermächtigungsgrundlage für ein Herausgabeverlangen gegenüber einem Dritten. Die Möglichkeit der Berufung auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und gesellschaftliche Geheimhaltungsvorschriften bestehe auch zugunsten von Unternehmen, deren Anteilseignerin die öffentliche Hand sei. Auch wenn das Projekt „Kohlekraftwerk“ beendet sei, beeinflussten diese Vorgänge weiterhin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und seien daher vertraulich. Eine uneingeschränkte Offenlegung der begehrten Informationen ermögliche Rückschlüsse auf ihre - der Beigeladenen - Betriebsführung, Wirtschafts- und Marktstrategie sowie die Kostenkalkulation. Den Fragen zu den Einladungen zu einer Fastnachtsveranstaltung und den Verträgen der einzelnen Vorstandsmitglieder stehe auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen entgegen.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht anspruchsverpflichtet, weil sie sich der Beigeladenen nicht zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG bedient habe. Eine Aufgabe sei nach dieser Vorschrift nur dann öffentlich-rechtlich, wenn sie der Behörde durch eine öffentlich-rechtliche Bestimmung auferlegt sei. Sie müsse ihr durch eine Rechtsnorm zugewiesen sein; das öffentliche Interesse an ihrer Erfüllung sei nicht ausreichend. Die Betätigung auf dem Gebiet der Energieversorgung sei zwar eine öffentliche Aufgabe im Gemeinwohlinteresse und gehöre zum Bereich der Daseinsvorsorge. Sie sei aber keine öffentlich-rechtliche Aufgabe, weil sie nicht allein oder vorrangig den Kommunen, sondern gleichermaßen den privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmen zugewiesen sei. Insoweit nehme die Beklagte „freiwillig“ an der allen Energieversorgungsunternehmen obliegenden Aufgabe der Energieversorgung teil. Darüber hinaus gewähre das Landesinformationsfreiheitsgesetz einen Informationszugang nur zu den bei der Behörde vorhandenen amtlichen Informationen. Eine Rechtsgrundlage, gegenüber anderen Behörden oder Privaten ein Herausgabeverlangen durchzusetzen, enthalte das Gesetz hingegen nicht. Diese ergebe sich für die Beklagte auch nicht aus aktienrechtlichen Vorschriften, zumal einem Herausgabeanspruch die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstünden. Die von der Klägerin begehrten Informationen über das Kohlekraftwerk, über die zukünftige Geschäftsausrichtung, über die Geschäftsführung und über die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern beträfen wesentliche Vorgänge der Beigeladenen in Bezug auf ihre Wettbewerbsposition am Markt. In ihren Schriftsätzen habe die Beigeladene die Gründe, aus denen sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln seien, hinreichend plausibel gemacht. Die Beteiligung der Beklagten an der Beigeladenen ändere nichts an der umfassenden Geltung des bundesgesetzlichen Gesellschaftsrechts. Soweit Informationen bei der Beklagten tatsächlich vorlägen, gelte dasselbe.

19

Mit ihrer vom Senat wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihr Vorbringen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes, welches auf den vorliegenden Fall Anwendung finde, die Auslegung des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ nicht mehr streitentscheidend sein könne. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Beigeladene für die Beklagte eine öffentliche Aufgabe erfülle; letzteres sei zweifellos der Fall. Es bestehe auch eine Informationsverschaffungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der für sie tätig werdenden Beigeladenen. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht bilde insoweit kein Hindernis. Sie gelte im Übrigen nicht generell, sondern lediglich im Hinblick auf die vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft. Zum berechtigten Interesse an der Geheimhaltung fehle es weiterhin an einem substantiellen Vortrag der Beklagten und der Beigeladenen. Gleiches gelte in Bezug auf entgegenstehende Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. April 2015 nach den von ihr in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.

21

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie verteidigen das verwaltungsgerichtliche Urteil. Das Verwaltungsgericht habe eine Verpflichtung der Beklagten zum Informationszugang zu Recht auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 LIFG geprüft und die Aufgabe der Energieversorgung nicht als öffentlich-rechtliche Aufgabe eingeordnet. Nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes gelte nicht anderes. Obwohl dieses den Begriff der öffentlichen Aufgabe benutze, sei inhaltlich, wie sich insbesondere der Gesetzesbegründung entnehmen lasse, keine Änderung erfolgt.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

25

Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zugang zu Informationen zu den von ihr gestellten Fragen zu Recht verneint.

26

Nach Außerkrafttreten des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – und mit Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. S.383) zum 1. Januar 2016 ist über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden (§§ 26 Abs. 3, 30 Abs. 2 Nr. 1 LTranspG). Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist hiernach § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 LTranspG. Danach haben natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts und nicht rechtsfähige Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zugangsanspruch nach den Vorschriften des Landestransparenzgesetzes nicht zu. Sie ist zwar anspruchsberechtigt (I.) und die Beklagte dem Grunde nach auch anspruchsverpflichtet (II.). Es fehlt aber an weiteren Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag (III.).

27

I. Als natürliche Person ist die Klägerin anspruchsberechtigt, und zwar unabhängig davon, aus welchem Interesse der Informationszugang geltend gemacht wird (§ 2 Abs. 2 LTranspG).

28

II. Die Beklagte ist für die von der Klägerin begehrten Informationen auch anspruchsverpflichtet. Entgegen der klägerischen Auffassung ergibt sich diese Verpflichtung nicht bereits aus § 3 Abs. 1 LTranspG, sondern erst aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG (1.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben (2.).

29

1. Nach § 3 Abs. 1 LTranspG gilt das Landestransparenzgesetz (u.a.) für Behörden der Gemeinden, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben. Unerheblich für eine Informationspflicht nach Maßgabe dieser Vorschrift ist, ob sich die Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen bedient (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 16/5173, S. 33). Die Norm hat aber immer die eigene Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe durch die Behörde im Blick. Dies hat das Verwaltungsgericht für die gleichlautende Regelung in § 2 Abs. 1 LIFG überzeugend ausgeführt. Danach handelt es sich bei der Energieversorgung und dem darauf gerichteten Geschäftsbetrieb der Beigeladenen nicht um eine eigene Tätigkeit der Beklagten. Zwar ist die Beklagte über die Stadtwerke Mainz AG an der Beigeladenen beteiligt; der Geschäftsbetrieb der Beigeladenen wird von dieser aber als selbstständige juristische Person des Privatrechts wahrgenommen. Für diese Konstellationen ist nicht § 3 Abs. 1 LTranspG, sondern § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG einschlägig (siehe in diesem Sinne zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG – auch Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 107, 214). Dabei ist der Antrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 LTranspG an die Behörde zu richten, die sich der Person bedient.

30

2. § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG, der mithin eine vorgehende „Sonderregelung“ bei der Einschaltung selbstständiger privatrechtlicher Personen enthält, setzt voraus, dass sich die Behörde der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedient. Was unter einer „öffentlichen Aufgabe“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG nicht ohne Weiteres entnehmen. Aus der Auslegung des Gesetzestextes unter Einbeziehung teleologischer und gesetzessystematischer Gesichtspunkte sowie der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 16/5173) folgt aber, dass die Energieversorgung von dem Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ umfasst ist.

31

a) § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG baut auf § 3 Abs. 1 LTranspG auf. Nach der letztgenannten Vorschrift besteht eine Informationspflicht der Behörde dann, wenn sie – in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form – Verwaltungstätigkeit ausübt. Ausschlaggebend ist, dass sich die Tätigkeit (nach Maßgabe des materiellen Verwaltungsbegriffs) als Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe – im Gegensatz zur Rechtsprechung und Rechtsetzung – darstellt (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33). Weitere Einschränkungen enthält die Regelung nicht. Weder bedarf es eines hoheitlichen Handelns noch muss die Behörde aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm zum Handeln verpflichtet sein (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 119). Hiervon ausgehend soll, so die Begründung zum Gesetzentwurf, § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG den Informationsanspruch umfassend ausgestalten für den Fall, dass sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient. Diese Zielsetzung des Landestransparenzgesetzes würde angesichts der den Behörden zunehmend eröffneten Möglichkeiten, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf privatrechtliche Organisations- und Handlungsformen zurückzugreifen, verfehlt, wenn sich der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht auch auf diese Personen des Privatrechts erstreckte (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33 f.).

32

Die Begründung zum Gesetzentwurf spricht dafür, den Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG mit Blick auf § 3 Abs. 1 LTranspG auszulegen und es für eine Anspruchsverpflichtung auch hier genügen zu lassen, dass sich die Behörde einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgaben bedient. Allenfalls könnte sich aus der Zufügung des Wortes „öffentlich“ ergeben, dass nur solche Aufgaben erfasst sind, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit ein maßgebliches Interesse hat (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf auf S. 34 für den Zugang zu Umweltinformationen).

33

Nichts anderes folgt aus der Anmerkung in der Begründung zum Gesetzentwurf, § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG entspreche in seinem Regelungsgehalt der bisherigen Bestimmung des § 2 Abs. 3 LIFG (LT-Drs. 16/5173, S. 34), obwohl diese Vorschrift – bei ansonsten identischem Wortlaut – nicht von „öffentlichen“, sondern von „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ spricht. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ im Landestransparenzgesetz eng auszulegen wäre. Im Gegenteil bestätigt sich nunmehr, dass mit der Beifügung des Wortes „rechtlich“ zu „öffentlich“ in § 2 Abs. 3 LIFG nicht die Einschränkung verbunden sein sollte, die das Verwaltungsgericht angenommen hat. Dieses hat aus der Wortwahl in § 2 Abs. 3 LIFG geschlossen, die Person müsse von der Behörde zur Erfüllung einer Aufgabe eingesetzt werden, die letzterer durch eine öffentlich-rechtliche Bestimmung auferlegt sei. Die Beifügung „rechtlich“ zu „öffentlich“ verdeutliche, dass die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bzw. ein Tätigwerden im Gemeinwohlinteresse – wie bei der vorliegend in Rede stehenden Energieversorgung – nicht ausreichend sei. Gerade mit Blick auf die Klarstellung im Landestransparenzgesetz kann die Bedeutung, die das Verwaltungsgericht dem Begriff der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ zugemessen hat, keinen Bestand haben.

34

Denn sie ist zu eng und wird den Zielsetzungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, die denjenigen des Landestransparenzgesetzes entsprechen, nicht gerecht. Für das Landesinformationsfreiheitsgesetz gilt gleichermaßen, dass § 2 Abs. 3 LIFG auf § 2 Abs. 1 LIFG aufbaut. Bei eigener Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe ist die Behörde nach § 2 Abs. 1 LIFG unabhängig von der Rechtsform ihres Handelns informationspflichtig. Es kommt nur darauf an, dass die Behörde eine Tätigkeit ausübt, die im öffentlichen Recht wurzelt und nicht Rechtsprechung oder Rechtsetzung ist (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 15/2085, S.11). Eine Begrenzung auf Verwaltungsaufgaben, zu deren Wahrnehmung die Behörde verpflichtet ist, ist der Norm nicht zu entnehmen. § 2 Abs. 3 LIFG dient wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG der umfassenden Ausgestaltung des Informationsanspruchs für den Fall, dass sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient (vgl. LT-Drs. 15/2085, S. 11). Vor diesem Hintergrund wird nur eine möglichst weite Auslegung des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ im Sinne der nunmehrigen Formulierung im Landestransparenzgesetz dem Zweck des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, eine „Flucht ins Privatrecht“ zu verhindern, gerecht. Dass sie vom Gesetzgeber des Landesinformationsfreiheitsgesetzes auch gewollt war, folgt im Übrigen auch aus dem unterschiedslosen Gebrauch sowohl des Begriffs „öffentliche Aufgaben“ als auch des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 2 Abs. 3 LIFG (LT-Drs. 15/2085, S. 11).

35

Auch der Wortlaut „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ gebietet nicht, dass die Behörde zur Erfüllung der dem Privaten übertragenen Aufgabe verpflichtet sein muss. Ausreichend ist insoweit vielmehr – wie bei § 2 Abs. 1 LIFG – eine Verwurzelung der Aufgaben im öffentlichen Recht. Schon dann sind sie öffentlich-rechtlich geprägt und im öffentlichen Recht verankert bzw. begründet (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 220). Andere Vorgaben lassen sich dem Begriff „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere für die Erforderlichkeit einer Zuweisung der Aufgabenerledigung durch Rechtssatz (so im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen LT-Drs. 16/5173, S. 34) bzw. einer konkreten spezialgesetzlichen Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung (vgl. zum IFG Scheel, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 68; so aber offensichtlich Rossi, IFG Kommentar 2006, § 1 Rn. 74 f.).

36

Letzteres gilt auch in Anbetracht der Erwägung, das Landesinformationsfreiheitsgesetz biete dann prinzipiell ein Einfallstor, um an Informationen von privaten Unternehmen zu gelangen. Dies ist vielmehr wegen der Zielsetzung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, den Anspruch auf Informationszugang umfassend auszugestalten, hinzunehmen, zumal ihren berechtigten Belangen durch die Schutzbestimmungen in §§ 9 ff. LIFG und weiteren Vorschriften Rechnung getragen wird.

37

Aus alledem folgt, dass sowohl § 2 Abs. 3 LIFG als auch § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG eine Anspruchsverpflichtung begründen, wenn sich die Behörde zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgaben einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts bedient. Es besteht also grundsätzlich insoweit kein Unterschied, ob die Behörde selbst oder durch Dritte handelt.

38

In diesem Zusammenhang verfängt auch der Einwand nicht, erst § 3 Abs. 2 Satz 3 LTranspG gehe für den Zugang zu Umweltinformationen von einem weiten Begriff der öffentlichen Aufgaben aus. Denn die Vorschrift erweitert nicht den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG für den Zugang zu Umweltinformationen, sondern schafft hierfür eine eigene Anspruchsverpflichtung. Dass die Begründung zum Gesetzentwurf im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen eine Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und öffentlichen Aufgaben macht (LT-Drs. 16/5173, S. 34), hat ebenfalls keine Auswirkungen auf die vorstehende Auslegung des Begriffs der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ im Landesinformationsfreiheitsgesetz und der „öffentlichen Aufgaben“ im Landestransparenzgesetz. Sie wurde wortgleich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zum Landesumweltinformationsgesetz (LT-Drs. 14/4307, S. 14) übernommen und kann nicht zur Interpretation der Begriffe in Landesinformationsfreiheitsgesetz und Landestransparenzgesetz herangezogen werden.

39

b) Hiervon ausgehend handelt es sich bei der Energieversorgung um eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe. Sie gehört zum Bereich der Daseinsvorsorge; sie ist eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 20. März 1984 – 1 BvL 28/82 –, BVerfGE 66, 248 und juris). Insoweit besteht - auch nach der Liberalisierung des Energiesektors - ein Gewährleistungsauftrag des Staates, obwohl dieser nicht ausdrücklich geregelt ist; dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt. Schon dadurch wurzelt die Aufgabe der Energieversorgung im öffentlichen Recht. Selbst Energieversorger muss der Staat zwar nur werden, wenn es an einer flächendeckenden Versorgung durch private Unternehmen fehlt; übernimmt er dennoch freiwillig diese Aufgabe im Rahmen der Leistungsverwaltung, bleibt es aber auch für diesen Fall bei der öffentlich-rechtlichen Verwurzelung desselben. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Rechtsform er tätig wird und ob er die Aufgabe selbst übernimmt oder sich eines Unternehmens in Privatrechtsform bedient (in diesem Sinne auch Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 119, 220).

40

Nach alledem ist die Beklagte nach § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG dem Grunde nach verpflichtet, Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren. Dies gilt auch, wenn sich, wie oben angesprochen, aus dem Begriff „öffentlich“ die besondere Anforderung ergeben sollte, dass die Tätigkeit im Sinne des Gemeinwohls erbracht wird und erforderlich ist. Hieran bestehen nämlich keine Zweifel.

41

III. Dennoch steht der Klägerin der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Dies gilt sowohl hinsichtlich der bei der Beigeladenen vorhandenen Informationen (1.) als auch für die Unterlagen, die der Beklagten vorliegen (2.).

42

1. Soweit sich die begehrten Informationen in den Händen der Beigeladenen befinden, spricht bereits vieles dafür, dass der Klägerin der Zugang zu ihnen verwehrt ist, weil sie nicht bei der auskunftsverpflichteten Behörde vorhanden sind. Denn es dürfte - obwohl sich die Beklagte der Beigeladenen zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bedient und daher eine Informationsbeschaffungspflicht anzunehmen sein könnte - an der für ein Herausgabeverlangen erforderlichen Ermächtigungsgrundlage im Landestransparenzgesetz (a) und im Aktiengesetz (b) fehlen. Jedenfalls aber stehen einer Weitergabe der Informationen die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegen (c).

43

a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LTranspG unterliegen der Transparenzpflicht (vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Satz 1 LTranspG) Informationen, über die die transparenzpflichtigen Stellen verfügen oder die für sie bereitgehalten werden. Wie auch das Informationsfreiheitsrecht sieht auch das Landestransparenzgesetz keine generelle Informationsbeschaffungspflicht der Behörde vor (vgl. LT-Drs. 15/2085, S. 12, sowie LT-Drs. 16/5173, S. 36). Die gesetzlich geregelte Ausnahme („die für sie bereitgehalten werden“) greift ein, wenn – was vorliegend nicht der Fall ist – transparenzpflichtige Stellen Dritte mit der Aufbewahrung von (Umwelt-)informationen beauftragen (LT-Drs. 16/5173, S. 36). Im Übrigen soll – jedenfalls im Grundsatz – dem Bürger der Kenntnisstand vermittelt werden, über den auch die Behörde verfügt. Insoweit zu Recht hat das Verwaltungsgericht zum Landesinformationsfreiheitsgesetz ausgeführt, es enthalte keine Rechtsgrundlage, gegenüber anderen Behörden oder Privaten, die im Besitz von Informationen sind, ein Herausgabeverlangen durchzusetzen (unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 – 7 B 43/12 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2012 – 12 B 27.11 –; ferner Beschluss des erkennenden Senats vom 4. Oktober 2013 – 10 A 10631/13 – zu § 33 GemO, alle juris).

44

In den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG könnte hingegen abweichend davon zumindest eine Informationsverschaffungspflicht der Behörde anzunehmen sein. Geht man nämlich davon aus, dass hier die bei der Privatperson vorliegenden Informationen der Behörde „zugerechnet“ werden, könnte eine Behörde verpflichtet sein, sich die Informationen dort zu beschaffen (in diesem Sinne zum IFG Scheel, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, a.a.O., § 2 IFG Rn. 27; siehe auch Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 38, der von einer „unechten Informationsbeschaffungspflicht der Behörde“ spricht). Selbst wenn aber eine solche Pflicht im Landestransparenzgesetz verankert sein sollte, müsste eine Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch der Behörde hinzukommen. Ob auch diese sich noch dem Landestransparenzgesetz entnehmen lässt, ist sehr zweifelhaft (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 38 a.E.).

45

b) Noch weniger dürften die aktienrechtlichen Vorschriften eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Informationen enthalten. Dies gilt zunächst für die Beklagte als Aktionärin. Abgesehen davon, dass sie an der Beigeladenen nur mittelbar über ihre (hundertprozentigen) Anteile an den Stadtwerken Mainz AG beteiligt ist, üben, wie vom Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt, die Aktionäre nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 119 Aktiengesetz - AktG - ihre Rechte grundsätzlich nur über die Hauptversammlung aus. Hierzu gehören auch ihre Auskunftsrechte, die nach § 131 Abs. 1 AktG von den Aktionären in der Hauptversammlung wahrgenommen und vom Vorstand an gleicher Stelle befriedigt werden (vgl. Kubis, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2013, § 131 Rn. 141). Der Vorstand kann die Aktionäre zwar auch zwischen den Hauptversammlungen informieren (vgl. hierzu § 131 Abs. 4 AktG), ein Auskunftsrecht des Aktionärs besteht aber nur in der dargelegten formalisierten Weise. Ein genereller Auskunftsanspruch, der vorliegend zur Erlangung der einzelnen Informationen gegeben sein müsste, ist hingegen gesetzlich nicht vorgesehen. Des Weiteren kann die Beklagte die begehrten Informationen auch nicht über den Aufsichtsrat der Beigeladenen, in den erstere ihren Oberbürgermeister sowie weitere Stadtratsmitglieder entsendet, herausverlangen. Denn es besteht kein allgemeines Auskunftsrecht einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Vielmehr kann der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktG nur als Organ die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen und prüfen (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 111 Rn. 62). Ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied kann zwar nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG vom Vorstand jederzeit Bericht verlangen, aber nur an den Aufsichtsrat.

46

c) Ob und inwieweit dem Landestransparenzgesetz oder dem Aktiengesetz eine Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch zu entnehmen ist, kann aber letztlich offenbleiben, weil im vorliegenden Fall einem solchen Verlangen jedenfalls die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen. In der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/5173, S. 34) heißt es hierzu, die besonderen gesellschaftsrechtlichen Geheimhaltungspflichten seien auch von den Bediensteten öffentlicher Stellen zu beachten und könnten auch vom Landesgesetzgeber nicht gelockert werden. Die transparenzpflichtige Stelle könne daher nur solche Informationen zugänglich machen, für die dies nach Gesellschaftsrecht zulässig sei; sie könne allerdings in dem zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag auf eine Bindung an das Landestransparenzgesetz hinwirken. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, hindert die aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung die Beklagte, ein Herausgabeverlangen erfolgreich durchzusetzen.

47

aa) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben die Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Stillschweigen zu bewahren. Dieselbe Verschwiegenheitspflicht gilt nach § 116 Satz 1 und 2 AktG auch für die Aufsichtsratsmitglieder. Sie betrifft jede Offenbarung von vertraulichen Angaben und Geheimnissen an Dritte durch Erklärung, Weitergabe von Schriftstücken oder Gestatten der Einsichtnahme. Auch den Aktionären gegenüber sind die Vorstand- und Aufsichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl. Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 93 Rn. 124, 125 und Habersack, a.a.O., § 116 Rn. 57). Zwar ist in der Hauptversammlung den Aktionären auf Verlangen vom Vorstand über Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Diese darf der Vorstand allerdings verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG); er muss sie verweigern, wenn er durch die Erteilung der Auskunft gegen seine Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG verstoßen würde (Kubis, a.a.O., § 131 Rn. 107). Vorliegend dürfen hiernach weder Vorstand noch Mitglieder des Aufsichtsrats der Beigeladenen gegenüber der Beklagten vertrauliche Angaben oder Geheimnisse der Gesellschaft offenbaren; eine unbefugte Offenbarung ist sogar nach § 404 AktG strafbewehrt.

48

bb) An diesem Ergebnis ändern auch die speziellen Regelungen in §§ 394 und 395 AktG nichts. Nach § 394 Satz 1 und 2 AktG unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht. Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht gilt aber nicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichte keine Bedeutung hat. Außerdem wird die Vertraulichkeitspflicht in dieser Fallgruppe nur insoweit durchbrochen, als vertrauliche Informationen Eingang in die Berichte finden dürfen. Diese Berichte unterliegen ihrerseits der Vertraulichkeitspflicht aus § 395 Abs. 1 AktG. Danach haben (u.a.) Personen, die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aus Berichten nach § 394 AktG bekanntgeworden sind, mit Ausnahme von Mitteilungen im dienstlichen Verkehr Stillschweigen zu bewahren (vgl. VG Berlin, Urteil vom 13. November 2013 - 2 K 41/13 -, juris). Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählt oder entsandt worden sind, ist also nach § 394 AktG im öffentlichen Interesse eingeschränkt. Dies gilt aber nur im Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gebietskörperschaft, der sie berichterstattungspflichtig sind. Zweck des § 395 AktG ist es, dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Wahrung ihrer vertraulichen Informationen Rechnung zu tragen und so deren Interessen angemessen zu wahren. Deshalb wird nach dieser Vorschrift in der Sache die organschaftliche Pflichtenstellung des Aufsichtsratsmitglieds auf die für die Gebietskörperschaft tätigen Personen erstreckt (Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2011, § 395 Rn. 1, 5).

49

Nach alledem besteht nach den aktienrechtlichen Vorschriften außerhalb der Berichtspflicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft eine umfassende Verschwiegenheitspflicht von Vorstand und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Beklagten. Sie schließt einen Anspruch auf Herausgabe entsprechender Informationen aus.

50

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es sich bei der Beigeladenen um eine Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand handelt bzw. dass die Mitglieder des Aufsichtsrats (zum Teil) von einer Gebietskörperschaft entsandt wird, die dem Landestransparenzgesetz unterliegt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt den Kommunen als wirtschaftlichen Unternehmen kein Sonderstatus zu. Sie unterliegen – mit den Einschränkungen in §§ 394, 395 AktG – wie jeder Aktionär umfassend den Vorschriften des Aktienrechts. Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane und ihrer Mitglieder richten sich ausschließlich nach dem bundesgesetzlichen Gesellschaftsrecht; der für das Kommunalrecht zuständige Landesgesetzgeber kann in diesen Bereich nicht eindringen. Die Gemeinde, die sich an Gesellschaften beteiligt, „unterwirft“ sich dem für diese geltenden Recht und muss es so hinnehmen, wie es ausgestaltet ist (siehe dazu HessVGH, Urteil vom 9. Februar 2012 – 8 A 2043/10 –, juris). Mit dem Landestransparenzgesetz kann der Landesgesetzgeber über die gesellschaftsrechtlichen Regelungen nicht hinausgehen (vgl. Art. 31 Grundgesetz). Wie sich der bereits zitierten Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/5173, S. 34) entnehmen lässt, ist die Informationsfreiheit nach dem Landestransparenzgesetz daher begrenzt durch gesellschaftsrechtlich angeordnete Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflichten.

51

dd) Inhaltlich ist die Verschwiegenheitspflicht weit zu ziehen; erfasst sind Geheimnisse der Gesellschaft und vertrauliche Angaben. „Geheimnisse der Gesellschaft“, zu denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gehören, sind Tatsachen, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig sind, wenn sie nach dem bekundeten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen und wenn an der Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Zu den Tatsachen in diesem Sinne gehören auch Ansichten, Meinungen und Wertungen. Die Schweigepflicht beschränkt sich nicht auf geheim zu haltende Umstände, die das Geschäft oder den Betrieb betreffen und deren Offenbarung daher für die Gesellschaft wirtschaftlich nachteilig ist; sie bezieht sich auch auf Tatsachen, deren Offenbarung immaterielle Schäden für die Gesellschaft zur Folge haben können. Ob eine Tatsache ein Geheimnis ist, beurteilt sich grundsätzlich objektiv nach dem Unternehmensinteresse. Vertrauliche Angaben sind alle Informationen, deren Mitteilung sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken kann, unabhängig davon, ob sie allgemein bekannt und daher keine Geheimnisse mehr sind. Es muss sich aber um Angaben handeln, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Gesellschaft bzw. des Unternehmens liegt (vgl. Spindler, a.a.O, § 93 AktG Rn. 116 ff.).

52

Die von der Klägerin begehrten Informationen über das Kohlekraftwerk, über die künftige Geschäftsausrichtung, über die Geschäftsführung und über die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern betreffen wesentliche Vorgänge der Beigeladenen in Bezug auf ihre Wettbewerbsposition am Markt. Insbesondere die für das Kohlekraftwerk entstandenen Kosten und die Einzelheiten der weiteren Geschäftsausrichtung lassen voraussichtlich bei ihrer Offenlegung weitreichende Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen und ihre Verhandlungsposition zu.

53

Die Beigeladene hat die Gründe, aus denen sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln sind, in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung  dargelegt. Sie hat ausgeführt, dass die Fragen unter Ziffer I des Klageantrags sämtlich Informationen beträfen, die auf die Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse gerichtet seien. Dies gelte namentlich für die Fragen nach den Kosten des Kohlekraftwerks sowie den Vertragsstrafen und Rückstellungen. Die Fragen unter Ziffer I. 1 bis 6 verlangten die Offenlegung unterschiedlicher Kostenpositionen, die ihr – der Beigeladenen – im Rahmen der Planung des Kohlekraftwerks entstanden seien. Sie hätten Kosten für Generalunternehmer, für Vertragspartner, für die technische Planung und für die durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit zum Gegenstand. Aus all diesen Vergütungen – aufgrund der komplexen Struktur der Kosten auch in ihrem Zusammenspiel – könnten Rückschlüsse auf die Vertragsgestaltung, die Kalkulation der Preise und somit auf Details ihrer Geschäftsbeziehungen gezogen werden. Die Offenlegung dieser Informationen könne dazu führen, dass Geschäfts- und Vertragspartner diese Informationen bei zukünftigen Vertragsverhandlungen über neue Projekte mit ihr nutzen könnten. Außerdem könnten Konkurrenten Vertragspartner mit günstigeren Angeboten abwerben. Im Übrigen handele es sich bei diesen Informationen auch um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihrer Vertragspartner. Im Generalunternehmervertrag sei ausdrücklich eine Vertraulichkeitsabrede getroffen worden. Bei einer Preisgabe vertraulich zu behandelnder Informationen hafte ihr der Makel der Unzuverlässigkeit an. Soweit in Ziffer I. 7 die Frage nach vereinbarten Vertragsstrafen und Kompensationsgeschäften gestellt würde, würden ebenfalls Interna aus der Vertragsgestaltung und der Kostenkalkulation an die Öffentlichkeit gelangen. Auch dies würde ihr Verhandlungen mit Geschäftspartnern bei zukünftigen Projekten erheblich erschweren. Die Beantwortung der Frage Ziffer I. 8 nach der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk sowie der Weiterbeschäftigung und den entsprechenden Aufgabenbereichen führe ebenfalls zu einer Offenlegung von betrieblichen Organisationsabläufen, die sowohl die gegenwärtige Personalverteilung offenbarten als auch Rückschlüsse auf ihre zukünftige Ausrichtung für ihre Wettbewerber zuließen.

54

Die Fragen unter Ziffer II des Klageantrags seien unmittelbar auf die Umsetzung von Projekten und Investitionsverpflichtungen gerichtet und damit zweifellos Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Käme es zu einer Offenlegung dieser Informationen, würden grundsätzliche Informationen über die geplante Betriebsführung sowie ihre Wirtschafts- und Marktstrategie an die Öffentlichkeit, an Konkurrenten und Vertragspartner gelangen. Zu einer Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse komme es auch bei Beantwortung der Fragen nach der Geschäftsführung in Ziffer III des Klageantrags sowie durch die unter Ziffer IV begehrten Informationen über von ihr ausgesprochene Einladungen. Ziffer III des Fragenkatalogs ziele auf Details in der Geschäftsführung der Beigeladenen ab; die Fragen in Ziffer IV beträfen die Modalitäten ihrer Kontaktpflege. Bei ihrer Beantwortung würden zwangsläufig derzeitige oder zukünftige Geschäftsbeziehungen offenbart und es würde Raum für Spekulationen gegeben. Die Fragen unter Ziffer III und IV beträfen im Übrigen auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Vorstandsmitglieder bzw. der eingeladenen Gäste. Weitergehende Darlegungen zum Geheimhaltungsinteresse erforderten zudem die Offenlegung vertraulicher Angaben.

55

Diese Ausführungen der Beigeladenen lassen in Anbetracht des Inhalts der begehrten Informationen ihr Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung grundsätzlich nachvollziehbar und ausreichend plausibel erscheinen. Dieser Grad an Überzeugungsgewissheit ist ausreichend, weil die Bewertung wettbewerbsrelevanter Auswirkungen wegen ihrer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung notwendigerweise mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2015 – 10 A 10472/14.OVG –, juris, sowie Urteil vom 6. September 2012 – 8 A 10096/12.OVG –, juris). Den von der Klägerin geforderten gesonderten Darlegungen zu jeder einzelnen Frage bedurfte es nicht, weil sich die Vertraulichkeit der geforderten Informationen aus den Ausführungen der Beigeladenen mit hinreichender Deutlichkeit auch ohne Bezugnahme auf jeden Unterpunkt innerhalb des Fragenkatalogs ergibt. Nicht durchgreifend ist insoweit auch der Einwand der Klägerin, es sei nicht erkennbar, dass die Offenlegung der Informationen der Beigeladenen einen Nachteil im Wettbewerb zufügen könnte, weil das nie über die Planungsphase hinausgegangene Projekt bereits im Jahre 2009 vorläufig (und 2012 endgültig) beendet worden sei und die Beigeladene auf dem Gebiet der Kohleverstromung nicht mehr tätig sein wolle; die Zahlen zu dem Projekt seien veraltet und nicht mehr auf das aktuelle Marktgeschehen übertragbar. Für die Fragen zu Ziffer II bis IV des Fragenkatalogs verfängt diese Argumentation von vornherein nicht, weil diese Fragen die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen in der jüngeren Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft betreffen. Aber auch hinsichtlich der Fragen zu den Kosten des Kohlekraftwerks ist die Wettbewerbsrelevanz der begehrten Informationen trotz der Aufgabe des Projekts weiterhin plausibel vor dem Hintergrund, dass sich aus den einzelnen Kostenpositionen und ihrer Verflechtung Rückschlüsse auf die allgemeine Geschäftsausrichtung sowie die Unternehmensstrategie der Beigeladenen ziehen lassen und aufgrund der Langfristigkeit derartiger Planungsvorhaben auch mehrere Jahre alte Informationen über Kosten noch immer eine gewichtige Aussagekraft haben.

56

2. Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Unterlagen, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihr vorhanden sind (Aufsichtsratsprotokolle der Stadtwerke Mainz AG, wenige Protokolle der Aufsichtsratssitzungen der Beigeladenen, verschiedene Gutachten sowie Jahresabschlussberichte der Beigeladenen in Auszügen), sofern sie überhaupt die von der Klägerin begehrten Informationen enthalten. Soweit der Beklagten solche Unterlagen in Form von Aufsichtsratsprotokollen vorliegen, hat diese der Oberbürgermeister in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied erhalten. Es handelt sich weiterhin um originäre Unterlagen des Aufsichtsrats, die nicht durch den Verwahrort bei der Beklagten zu Informationen werden, über die die Beklagte verfügt (so auch das Verwaltungsgericht mit weiteren Nachweisen). Wenn die Beklagte weitergehende  Informationen aufgrund der Berichtspflicht der Aufsichtsratsmitglieder erlangt hat, verfügt sie dadurch zwar über diese. Sie unterliegen aber der aktienrechtlichen Bindung nach § 395 AktG, sodass die mit der Beteiligungsverwaltung betrauten Personen zur Geheimhaltung verpflichtet sind.

57

3. Da nach alledem ein Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen bereits aufgrund der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nicht gegeben ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob dem Zugangsanspruch auch Belange nach §§ 14 ff. LTranspG, insbesondere der Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG, entgegenstehen. Daher ist auch nicht die in dieser Vorschrift i.V.m. § 17 LTranspG vorgesehene Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Informationen vorzunehmen.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.

60

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

61

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Gründe

I.

1

Die Beigeladene erbringt Telekommunikationsdienstleistungen. Sie hat mit der Justizvollzugsanstalt Tegel des beklagten Landes Berlin einen Vertrag geschlossen. Dessen Gegenstand ist die Gewährung von Telekommunikationsdienstleistungen mit entsprechenden technischen Anlagen für den Telefonverkehr der Gefangenen. Die Kläger sind Strafgefangene in der Justizvollzugsanstalt Tegel.

2

Die Kläger haben im zugehörigen Ausgangsverfahren (Untätigkeits-)Klage erhoben, mit der sie gestützt auf § 3 des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG) Zugang zu den Vertragsunterlagen der Beigeladenen mit der Justizvollzugsanstalt begehren. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Justizvollzugsanstalt eine Einsicht in die Vertragsunterlagen abgelehnt: Sie enthielten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen und seien deshalb nach § 7 IFG einer Einsichtnahme durch die Kläger entzogen. Die Beigeladene hat ihrerseits eine Ablichtung des Vertragswerks vorgelegt. In ihr waren die Passagen geschwärzt, die nach Auffassung der Beigeladenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Die Beigeladene hat die Schwärzungen näher erläutert. Die Kläger haben daraufhin ihre Klage auf den Zugang zu den Bestimmungen der § 6 Ziffer 1, § 11 Ziffern 2, 4, 5, 7 und 8 des Vertrages sowie zu den Bestimmungen der §§ 3, 6 und 8 Ziffer 7 der hierzu abgeschlossenen Zusatzvereinbarung beschränkt.

3

Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten durch Beweisbeschluss aufgegeben, diese Bestimmungen des Vertragswerks in ungeschwärzter Fassung vorzulegen. Die Senatsverwaltung für Justiz hat daraufhin insoweit eine Sperrerklärung abgegeben. Sie hat unter Hinweis auf die Ausführungen unter anderem der Beigeladenen zur Begründung angegeben, diese Bestimmungen enthielten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen.

4

Auf Antrag der Kläger hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, die Weigerung des Beklagten, die streitigen Bestimmungen des Vertragswerks ungeschwärzt vorzulegen, sei rechtswidrig, weil das geltend gemachte Geheimhaltungserfordernis in der Sperrerklärung nicht hinreichend belegt sei.

5

Hiergegen richten sich die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen.

II.

6

Die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Die Sperrerklärung der Senatsverwaltung für Justiz ist rechtmäßig. Der Antrag der Kläger ist deshalb abzulehnen.

7

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

8

Zu den Vorgängen, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Beschluss vom 28. November 2013 - BVerwG 20 F 11.12 - juris Rn. 7).

9

Zu den nach Art. 12 und Art. 14 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Marktstrategien oder Bezugsquellen. Auch konkrete Vertragsgestaltungen, d.h. ein bestimmtes Vertragswerk, können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein (Beschluss vom 19. Januar 2012 - BVerwG 20 F 3.11 - juris Rn. 8).

10

Die Sperrerklärung der Senatsverwaltung für Justiz genügt den Anforderungen, die an die Darlegung dieses Weigerungsgrundes zu stellen sind.

11

Bereits die Sperrerklärung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass die in Anspruch genommenen Weigerungsgründe vorliegen. Insoweit muss die oberste Aufsichtsbehörde - hier die Senatsverwaltung für Justiz - die Akten aufbereiten und je nach Inhalt der Schriftstücke den behaupteten Weigerungsgrund nachvollziehbar darlegen. Die Sperrerklärung muss grundsätzlich eine präzisierende Umschreibung der Unterlagen enthalten. Die Verweigerung der Vorlage von Akten in einem gerichtlichen Verfahren erfordert, zumal bei umfangreicheren Unterlagen, eine konkrete Zuordnung des Geheimhaltungsgrundes zu den jeweiligen Aktenbestandteilen. Erst dann ist eine effektive gerichtliche Überprüfung durch den Fachsenat möglich (Beschluss vom 27. August 2012 - BVerwG 20 F 3.12 - juris Rn. 11).

12

Entgegen den Bedenken des Oberverwaltungsgerichts erfüllt die Sperrerklärung der Senatsverwaltung für Justiz diese Anforderungen. Sie beziehen sich auf größere Aktenbestände, in denen Schreiben und Dokumente unterschiedlichsten Inhalts zusammengefasst sind. Die oberste Dienstbehörde hat in einem solchen Fall die Dokumente mit dem für das jeweilige Dokument geltend gemachten Weigerungsgrund präzise zu bezeichnen und kann sich nicht pauschal für den gesamten Aktenbestand auf beispielsweise Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Grund dafür berufen, die Akten nicht vorzulegen. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Es ging von vornherein nur noch um bestimmte Klauseln eines einzelnen Vertragswerks.

13

Die Senatsverwaltung für Justiz hat ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen es sich bei diesen Klauseln um geschütztes, weil exklusives kaufmännisches Wissen der Beigeladenen handeln soll, an dessen Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Die Senatsverwaltung für Justiz konnte in ihrer Sperrerklärung dabei namentlich auf die Schriftsätze der Beigeladenen verweisen, mit denen diese eine teilweise geschwärzte Fassung des Vertragswerks vorgelegt und für die jetzt noch in Rede stehenden geschwärzten Klauseln umschrieben hatte, aus welchem Grund sie diese Klauseln für schützenswerte Geschäftsgeheimnisse hält.

14

Dafür ist es entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht erforderlich, die vertraglichen Regelungen in der Sperrerklärung oder den in Bezug genommenen Schriftsätzen vollständig und aus sich heraus verständlich zu umschreiben. Das Vertragswerk ist dem Fachsenat vorzulegen (§ 99 Abs. 2 Satz 5 VwGO). Ob die geltend gemachten Verweigerungsgründe vorliegen, kann der Fachsenat überprüfen, ohne dafür auf eine vollständige Umschreibung der einzelnen vertraglichen Regelungen angewiesen zu sein. Eine soweit wie möglich vollständige und verständliche Umschreibung des Inhalts der vertraglichen Regelungen ist von Bedeutung für das Ausgangsgericht. Es kann möglicherweise bereits an Hand einer solchen Umschreibung ohne Einsicht in den Vertrag selbst beurteilen, ob die in Rede stehenden fachgesetzlichen Weigerungsgründe, etwa nach dem Informationsfreiheitsgesetz vorliegen; jedenfalls kann das Ausgangsgericht unter Umständen erst an Hand einer solchen Umschreibung sinnvoll beurteilen, ob die Vorlage eines vollständigen und ungeschwärzten Vertragswerks für seine Entscheidung erforderlich ist (Beschlüsse vom 3. Juli 2012 - BVerwG 20 F 12.11 - juris Rn. 10 f. und vom 8. Mai 2013 - BVerwG 20 F 14.12 - juris Rn. 8 ff.).

15

In der Sperrerklärung war der geltend gemachte Weigerungsgrund hinreichend mit dem Hinweis dargelegt, die geschwärzten Vertragsbestimmungen ließen an Hand der dort geregelten Einzelheiten zum technischen und sonstigen Leistungsumfang sowie zur Abrechnung Rückschlüsse auf das Geschäftsmodell der Beigeladenen und deren Preiskalkulation zu. Die Durchsicht des ungeschwärzt vorgelegten Vertragswerks hat ergeben, dass die vorenthaltenen Vertragsbestimmungen Rückschlüsse auf die betriebliche und geschäftliche Ausrichtung der Beigeladenen zulassen und deshalb Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen.

16

Die Wettbewerbsrelevanz dieser Informationen ist nicht deshalb zweifelhaft, weil der ursprüngliche Vertrag durch einen neuen Vertrag ersetzt worden ist. Denn die Informationen beziehen sich nicht auf eine abgeschlossene Geschäftspolitik. Die Beigeladene bietet weiterhin auf die Bedürfnisse einer Justizvollzugsanstalt zugeschnittene Leistungen an und steht insoweit in Wettbewerb mit anderen Anbietern. Das von ihr entwickelte Geschäftsmodell und ihre grundsätzliche Kostenkalkulation gehören nach wie vor zu den Umständen, deren Bekanntwerden die Wettbewerbsposition der Beigeladenen zu schwächen geeignet ist.

17

Die Sperrerklärung genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Denn die Ermessensbetätigung ist hier durch den gebotenen Grundrechtsschutz, dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach Art. 12 und Art. 14 GG unterfallen, rechtlich vorgezeichnet (vgl. Beschluss vom 28. November 2013 a.a.O. Rn. 23).

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger, ein Fachjournalist, auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) Einsicht in Unterlagen, die im Zusammenhang mit Cross-Border-Leasing-Transaktionen stehen, die die Stadt Recklinghausen mit amerikanischen Vertragspartnern vereinbart hat.

2

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 forderte das Hauptsachegericht den Beklagten auf, den Originalvertrag der Cross-Border-Leasing-Transaktionen zwischen der Stadt und ihren amerikanischen Vertragspartnern, die Transaktionsbeschreibungen, die für die Stadt angefertigt worden seien, sowie die die vorgenannten Punkte betreffende Ratsvorlage vorzulegen, und führte zur Begründung aus: Die Unterlagen seien entscheidungserheblich. Mit seiner Klage begehre der Kläger umfassende Einsichtnahme in die genannten Unterlagen; die Klage sei nicht beschränkt darauf, Kenntnis zu erlangen über die Identität des US-Unternehmens, das den Eigenkapitalanteil des Trust aufgebracht habe, sowie über die Identität der Kreditinstitute, die für die verschiedenen Aufgaben erwogen und ausgewählt worden seien. Dass es dem Kläger nicht nur um eine gegebenenfalls auch unabhängig von einer Akteneinsichtnahme zu erlangende Namenskenntnis, sondern um umfassende Einsicht in die Unterlagen gehe, belege unter anderem die Klagebegründung.

3

Auf gerichtliche Nachfrage übersandte der Beklagte ein Schreiben des Beigeladenen vom 13. Februar 2009, dem als Anlage die (undatierte) Erklärung beigefügt war, dass der Beklagte nicht verpflichtet sei, dem Kläger aus Anlass seiner Klage Akteneinsicht in die Unterlagen zu gewähren. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Angesichts des Zusammenspiels von § 99 Abs. 1 VwGO mit § 100 VwGO seien die Akten ihrem Wesen nach geheim zu halten. Dem Kläger entstehe kein Nachteil dadurch, dass er die Namen der Vertragspartner nicht erfahre; das Gericht könne darüber auch ohne Kenntnis der Akten entscheiden. Soweit das Gericht das Klagebegehren als Antrag auf umfassende Einsicht in die Akten ausgelegt habe, sei im Ergebnis keine andere Entscheidung zu treffen. Die Stadt habe sich in einer Vertraulichkeitsvereinbarung verpflichtet, die Vorgänge geheim zu halten; sie sei im Fall der Offenlegung Schadensersatzansprüchen ausgesetzt. Die Ausübung des Ermessens sei letztlich rechtlich zwingend vorgezeichnet. Es handele sich um grundrechtlich geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner der Stadt. Der Geheimnisschutz überwiege gegenüber dem allgemeinen, grundrechtlich nicht geschützten Informationsinteresse des Klägers.

4

Nach gerichtlichen Nachfragen zum Verfahrensfortgang, zuletzt verbunden mit einer förmlichen Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO, stellte der Kläger einen Antrag gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

5

Mit Beschluss vom 3. Mai 2010 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der Akten rechtswidrig sei. Der Antrag sei zulässig; er unterliege keinen besonderen Frist- und Formerfordernissen. Die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur Entscheidungserheblichkeit der Akten liege vor. Die Auffassung des Hauptsachegerichts sei - auch angesichts der unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten - nicht offensichtlich fehlerhaft, so dass der Beschluss Bindungswirkung für den Fachsenat entfalte. Die Sperrerklärung vom 13. Februar 2009 sei fehlerhaft. Der Beigeladene habe zwar die unterschiedlichen Interessenlagen bei seinen Ermessenserwägungen im Ansatz zutreffend erkannt. In die Abwägung seien aber nicht alle relevanten Gesichtspunkte eingeflossen, so dass die Entscheidung im Ergebnis nicht tragfähig sei. Aus der dem Hauptsachegericht vorgelegten Vertraulichkeitsvereinbarung als solcher könne sich ein die Verweigerung der Aktenvorlage rechtfertigender Umstand nicht ergeben. Eine Schutzwürdigkeit von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen sei hier in Bezug auf die Cross-Border-Leasing-Verträge nicht gegeben, da die Vertragswerke bereits abgeschlossen seien und eine Laufzeit von ca. 25 bis 99 Jahren hätten, so dass auch Konkurrenten aus ihrer Offenlegung keinen wirtschaftlichen Nutzen für sich ziehen könnten. Selbst wenn das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses angenommen würde, stünde dies dem Informationsanspruch des Klägers nicht entgegen. Einer abschließenden Bewertung der Frage, ob es sich um ein dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfallendes Geschäftsgeheimnis handele, bedürfe es nicht. Nach § 8 Satz 3 IFG NRW greife dieser Schutz nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs habe und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Ein solches überwiegendes Allgemeininteresse sei hier zu bejahen.

II

6

Die gegen den Beschluss vom 3. Mai 2010 erhobene Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Weigerung des Beigeladenen, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, rechtswidrig ist.

7

1. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Klägers auf Entscheidung gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zulässig erachtet.

8

1.1 Das selbständige Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO wird durch einen Antrag eingeleitet, den alle Beteiligten ohne Bindung an eine Frist bis zum Abschluss des Verfahrens, gegebenenfalls auch in der Berufungsinstanz (Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <15> = Buchholz 237.7 § 85 NWLBG Nr. 9), stellen können. Auch ein Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt als allgemeine Prozessvoraussetzung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. dazu auch Beschluss vom 11. Juni 2010 - BVerwG 20 F 12.09 - juris Rn. 3). Entgegen der Auffassung des Beklagten entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht, wenn der Antrag auf Einleitung des Zwischenverfahrens erst auf eine gerichtliche Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO hin gestellt wird. Ob das Hauptsachegericht die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO hat bejahen dürfen, ist nicht Gegenstand des Zwischenverfahrens. Dass die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zugunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen kann, hat nicht zur Folge, dass verfahrensleitende Verfügungen des Hauptsachegerichts, die gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar sind, im Zwischenverfahren zu überprüfen wären. Das gilt auch für den Einwand des Beklagten, es sei von einer Befangenheit des Richters auszugehen, der die Betreibensaufforderung verfügt habe. Der nach § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage (Sperrerklärung) durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 46 Rn. 11 und vom 10. August 2010 - BVerwG 20 F 5.10 - juris Rn. 6). Im Übrigen würde auch eine etwaige unrichtige Handhabung des Verfahrensrechts für sich genommen nicht zur begründeten Besorgnis der Befangenheit eines Richters führen (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - juris Rn. 12 ). Dass der Kläger sein Antragsrecht verwirkt haben könnte, macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch nicht zu erkennen.

9

1.2 Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Bindungswirkung entfaltet auch die Auslegung des Klagebegehrens durch das Gericht der Hauptsache (Beschluss vom 10. August 2010 - BVerwG 20 F 5.10 - a.a.O. Rn. 7). Die vom Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung zur Auslegung des Klageantrags im Revisionsverfahren lässt sich nicht auf das Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO übertragen. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist.

10

Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Auslegung des Klagebegehrens als Anspruch auf umfassende Akteneinsicht erscheint nicht offensichtlich fehlerhaft. Die Grenze zur Offensichtlichkeit ist erst dann überschritten, wenn sich die Rechtsauffassung als nicht vertretbar erweist. Das Hauptsachegericht hat unter Bezugnahme auf die Klagebegründung und nachfolgende Schriftsätze des Klägers sowie mit Blick auf die Antragstellung im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass der Anspruch auf umfassende Einsicht gerichtet sei. Mit dieser Begründung folgt das Hauptsachegericht gängigen Auslegungsregeln und hält sich im Rahmen des § 88 VwGO. Der Beklagte zeigt mit seinen Einwänden nicht auf, dass die Grenze zur Offensichtlichkeit überschritten wurde; er hält dem letztlich nur entgegen, der Klageantrag sei nicht auslegungsfähig. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass - wie der Beklagte weiter geltend macht - die Grenzen zulässiger Auslegung deswegen überschritten sein könnten, weil der Kläger anwaltlich vertreten wird.

11

1.3 Es ist nicht zu beanstanden, dass das Hauptsachegericht sich in dem Beweisbeschluss vom 13. Dezember 2007 über die Darlegungen zur Zulässigkeit hinaus nicht zur Begründetheit der Klage verhalten hat. Werden materiellrechtliche Geheimhaltungsgründe geltend gemacht, also Gründe, die sich unmittelbar aus dem Inhalt der Akte ergeben, liegt es in der Regel auf der Hand, dass sich im Streitfall nur durch Einsichtnahme in die Akten verlässlich klären lässt, ob der Geheimhaltungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - juris Rn. 4 ; vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - juris Rn. 7 und vom 2. November 2010 - BVerwG 20 F 2.10 - juris Rn. 11 f.).

12

So liegt der Fall hier. Zur Begründung der Vorlageverweigerung wird nur auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Vertragspartner der Stadt verwiesen. Auch hinsichtlich der angeforderten Ratsvorlage werden keine prozeduralen Geheimhaltungsgründe geltend gemacht, sondern nur, dass darin Informationen enthalten seien, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zusammenhang mit dem streitigen Cross-Border-Leasing-Vertragswerk betreffen. Ob dies zutrifft, lässt sich nur im Wege der Einsicht in die Unterlagen beurteilen. Materiellrechtlich hat das Hauptsachegericht durch die Aktenanforderung auch deutlich gemacht, dass es sich ohne Kenntnis des Akteninhalts nicht in der Lage sieht, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des - allein vom Hauptsachegericht zu beurteilenden - fachgesetzlichen Ausnahmegrundes gemäß § 8 Satz 3 IFG NRW gegeben sind, zu denen nicht nur die Feststellung gehört, dass ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Offenlegung besteht, sondern auch, dass der Schaden im Fall der Offenlegung lediglich als "geringfügig" anzusehen ist.

13

2. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage der Akten verweigern.

14

2.1 Zutreffend hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts klargestellt, dass die Akten nicht bereits aus den vom Beigeladenen angeführten Gründen ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. Die Erwägungen des Beigeladenen zu den prozessualen Folgen des § 100 VwGO im Fall eines "in-camera"-Verfahrens verkennen Regelungsgehalt und Wirkweise des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. dazu nur Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - a.a.O. Rn. 11 ff.).

15

2.2 Ebenso wenig ergibt sich - wie der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - allein aus dem Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung ein Geheimhaltungsgrund. Entscheidend ist nicht, ob eine "Vertraulichkeit" von Informationen vereinbart worden ist, sondern ob nach den materiellen Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein Geheimhaltungsgrund vorliegt (Beschluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - a.a.O. Rn. 21 - zur Einstufung als Verschlusssache).

16

2.3 Bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen handelt es sich um Vorgänge, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind (Beschlüsse vom 12. Oktober 2009 - BVerwG 20 F 1.09 - juris Rn. 7 und vom 11. Juni 2010 - BVerwG 20 F 12.09 - juris Rn. 7). Dass es nicht um den Schutz der Stadt, sondern um den Schutz des Vertragswerks und damit die Schutzbedürftigkeit der Vertragspartner der Stadt geht, steht der Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nicht entgegen. Soweit der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts darauf abhebt, dass sich der amerikanische Vertragspartner der Stadt nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen könne, weil dieses Grundrecht nur Deutschen zustehe, wird nicht beachtet, dass sich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowohl aus Art. 12 Abs. 1 GG als auch aus Art. 14 Abs. 1 GG ableitet (Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 52 Rn. 11). Im Übrigen können sich ausländische natürliche und juristische Personen auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen, der ungeachtet des Spezialitätsverhältnisses zu Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 und 1166/85 - BVerfGE 78, 179 <197>) auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schützt.

17

Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig sind. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - a.a.O. Rn. 11 und Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 7 C 18.08 - Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 1 Rn. 12, 18 ; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087, 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <230 f.>). Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten oder Bezugsquellen. Auch konkrete Vertraggestaltungen, d.h. ein bestimmtes Vertragswerk, zu dem auch Angaben über beteiligte Kreditunternehmen und Finanzdienstleister, Modelle der Zwischenfinanzierung oder steuerrechtliche Abschreibungsmodalitäten und sonstige Transaktionsbeschreibungen gehören, können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein.

18

Indes erscheint fraglich, ob neben dem - hier gegebenen - Mangel an Offenkundigkeit noch ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung der Vertragsunterlagen und Transaktionsbeschreibungen besteht. Wie aus der allgemeinen Presse bekannt, hat die amerikanische Steuerbehörde Cross-Border-Leasing-Verträge als Scheingeschäfte beanstandet und ihnen die steuerliche Anerkennung versagt. Berichtet wird auch, dass seitdem keine neuen Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen worden seien. Vor diesem Hintergrund erscheint das im Vertragswerk generierte Geschäftsgeheimnis als wirtschaftlich "totes" Wissen, das für die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation unter dem Blickwinkel des Wettbewerbschutzes kaum noch Bedeutung haben dürfte.

19

3. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es nicht. Sollte ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse noch anzuerkennen sein, war der Beigeladene jedenfalls wegen überwiegender öffentlicher und privater Offenbarungsinteressen zur uneingeschränkten Aktenvorlage verpflichtet. In diesem Sinne war das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung vorgezeichnet; für Ermessenerwägungen des Beigeladenen war kein Raum.

20

3.1 Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus. Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann jedoch in bestimmten Fallkonstellationen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Umgekehrt kann bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert (Beschlüsse vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - a.a.O. Rn. 9 und vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - a.a.O. Rn. 20).

21

3.2 Gemessen an diesen Grundsätzen hätte der Beigeladene bei seiner Entscheidung über die Vorlage der Vertragsunterlagen den öffentlichen und privaten Interessen an einer uneingeschränkten Aktenvorlage gegenüber den geltend gemachten privaten Interessen am Geheimnisschutz den Vorzug geben müssen. Das hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend erkannt. Soweit er zur Begründung (auch) auf § 8 Satz 3 IFG NRW abhebt, erscheint dies aber zumindest missverständlich. Maßstab für die prozessuale Entscheidung im Zwischenverfahren ist - wie dargelegt - allein § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Prüfung fachgesetzlicher Vorgaben obliegt dem Gericht der Hauptsache.

22

Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts unter Hinweis auf Ziel und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes betont, dass derjenige, der einen Anspruch auf Informationszugang geltend macht, (auch) als Sachwalter der Allgemeinheit tätig wird; seinem Interesse an der Verfolgung des Anspruchs im Prozess entspricht ein gleichgerichtetes öffentliches Interesse (Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - a.a.O. Rn. 24; vgl. auch Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - a.a.O. Rn. 13). Entgegen der Auffassung des Beigeladenen tritt das öffentliche Interesse an der Offenlegung nicht deswegen zurück, weil dadurch grundrechtlich geschützte Rechte der Vertragspartner der Stadt verletzt würden. Denn es liegen hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe für eine Offenlegung vor. Betreffen die Unterlagen, um deren Offenlegung gestritten wird, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und werden dabei zudem öffentliche Gelder in nicht unerheblichem Umfang zum Einsatz gebracht, besteht ein besonderes öffentliches Informationsinteresse an dem Vertragswerk. Das öffentliche Informationsinteresse zielt nicht nur auf Transparenz, um die sachgerechte Verwendung der öffentlichen Gelder nachvollziehen zu können, sondern bezieht sich auch auf alle rechtlichen Verpflichtungen, die die öffentliche Hand eingegangen ist, da vertragliche Bindungen Auswirkungen sowohl auf die in Rede stehende Aufgabenerfüllung als auch auf andere öffentliche Aufgaben, die die Stadt zu erfüllen hat, haben können. Die Kenntnis der Einflussmöglichkeiten und Mitwirkungsrechte aller am Vertragswerk Beteiligten zielt auf eine von der finanziellen Interessenslage der Kommune losgelöste und transparente Risikoabschätzung. Das öffentliche Interesse an der Offenlegung wiegt umso mehr, wenn - wie der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls zutreffend hervorgehoben hat - sich die öffentliche Hand aufgrund langer Laufzeiten gleichsam über mehrere Generationen hinweg und damit in besonderer Weise zeitlich gebunden hat. Wie die aktuelle Finanzmarktlage und insbesondere das Problem der Nachbesicherung zeigen, können durch Cross-Border-Leasing-Verträge auch erhebliche finanzielle Risiken entstehen. Es liegt daher im öffentlichen Interesse, durch Kenntnis des gesamten Vertragswerks erkennen zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Kommune sich möglichen finanziellen Risiken ausgesetzt sehen könnte. Hinzu kommt, dass das "Geschäftsmodell" der Cross-Border-Leasing-Verträge - wie dargelegt - nicht mehr aktuell zum Einsatz kommt und daher dem Geschäftsgeheimnis - sofern ein solches zu bejahen wäre - nur ein geringes Gewicht zukommt. Auch aus diesem Grund überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Offenlegung.

23

4. Zutreffend hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts auch darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Zwischenverfahrens die Sperrerklärung vom 13. Februar 2009 ist, mit der der Beigeladene nur das Vorliegen schutzwürdiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geltend gemacht hat. Die Feststellung, dass das öffentliche Interesse an der Offenlegung den möglichen Schutz des Vertragswerks als Geschäftsgeheimnis überwiegt, schließt es nicht aus, dass einer vollständigen Vorlage des Vertragwerks unter Umständen der Schutz personenbezogener Daten entgegenstehen könnte. Insoweit ist der Beigeladene nicht gehindert, eine erneute Sperrerklärung abzugeben, um gegebenenfalls punktuelle Schwärzungen zu begründen. Ob dies Anlass für ein erneutes "in-camera"-Verfahren sein könnte, wird das Gericht der Hauptsache zu prüfen haben.

24

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO (vgl. dazu auch Beschlüsse vom 8. Mai 2009 - BVerwG 20 KSt 1.09 / BVerwG 20 F 26.08 und vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 20 F 15.10 -). Einer Streitwertfestsetzung bedarf es mit Blick auf Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses nicht; danach fällt für eine sonstige Beschwerde eine Gebühr in Höhe von 50,- € im Falle der Zurückweisung an.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2014 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes Zugang zu der Kalkulation des Nahwärmepreises im Baugebiet „... R…“ (im Folgenden: Neubaugebiet) in H….

2

Er ist mit seiner Ehefrau Eigentümer des in dem Neubaugebiet gelegenen Grundstücks S… Str. …. Für dieses Gebiet ist aufgrund der Satzung der Beklagten „über die Nahwärmeversorgung des Baugebietes … R…, westliche Erweiterung – Teilplan 1“ ein Anschluss- und Benutzungszwang für die Versorgung mit Nahwärme vorgeschrieben. Die Nahwärmeversorgung hat die Beklagte den beigeladenen Gemeindewerken H... übertragen.

3

Am 23. Mai 2012 beantragte der Kläger, ihm Zugang zu den behördlichen Informationen über die Kalkulation der Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011 zu gewähren. Dieses Informationsverlangen erstreckte er auf alle zur rechnerischen Nachvollziehbarkeit der festgesetzten Nahwärmepreise erforderlichen in die Kostenkalkulation und die Kostenrechnung eingestellten Einzelpositionen.

4

Mit Bescheid vom 7. August 2012 lehnte die Beklagte den Zugang zu den begehrten Informationen mit der Begründung ab, das Bekanntwerden dieser Informationen schade den wirtschaftlichen Interessen der privatwirtschaftlich agierenden Beigeladenen in erheblichem Maße, da diese außerhalb des Neubaugebietes als Anbieter von Strom, Gas, Wärme und Abwasser in H… in Konkurrenz mit Wettbewerbern des freien Marktes stehe. Die begehrten Kalkulationsgrundlagen stellten sensible Geschäftsdaten dar, deren Offenlegung Wettbewerbsnachteile für die Beigeladene befürchten ließe. Die Beigeladene habe der Offenlegung dieser Geschäftsgeheimnisse gegenüber dem Kläger auch nicht zugestimmt. Darüber hinaus unterfielen die Daten vertraglichen Verschwiegenheitspflichten gegenüber den Energielieferanten der Beigeladenen.

5

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs hat der Kläger Klage erhoben, und zur Begründung vorgetragen, die Beigeladene könne sich zur Abwehr seines Informationsanspruchs nicht auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 6 Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG - berufen, da ihr aufgrund des satzungsrechtlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwanges im Neubaugebiet eine Monopolstellung zukomme und sie daher nicht in einer Wettbewerbssituation zu privaten Anbietern stehe. Auch § 11 Satz 2 LIFG stehe seinem Informationsverlangen nicht entgegen. Aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges hinsichtlich der Nahwärmeversorgung sei die Beklagte an die Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes gebunden und könne sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht berufen. Bei der Erhebung von Gebühren nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) habe der Gebührenpflichtige das Recht, die Gebührenkalkulation einzusehen. Dieser Anspruch stehe ihm – dem Kläger – ebenso zu; die Beklagte könne sich dem durch die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für die Gemeindewerke, deren Anteile sie zu 74,9% halte, nicht entziehen.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim vom 17. Juli 2013 zu verpflichten, ihm durch Überlassung von Kopien der Kostenkalkulation und der hierfür verwendeten Unterlagen, ersatzweise durch Gestatten der Anfertigung von Kopien der für die Kostenkalkulation verwendeten Unterlagen, Zugang zu den behördlichen Informationen zu gewähren, wie die Beigeladene in dem Abrechnungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 die Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet "…R…“ in H... kalkuliert und welche Einzelpositionen die Beigeladene bei der Kostenkalkulation und Kostenrechnung in dieser Abrechnungsperiode der Verbraucherpreisbemessung zu Grunde gelegt hat.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat eine Bescheinigung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt, wonach die Preiskalkulation für die Nahwärmeversorgung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ordnungsgemäß erfolgt sei und sich Hinweise auf nicht marktübliche Kosten und Erlöse im Rahmen der Prüfung nicht ergeben hätten. Auch das Landeskartellamt, das vom Kläger eingeschaltet worden sei, habe keine Anhaltspunkte für das Vorliegen überhöhter Wärmepreise gesehen und daher keine weiteren Ermittlungen gegen die Beigeladene durchgeführt. Im Übrigen seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten maßgeblich durch die vom Kläger angeforderten Daten, insbesondere die Energiebezugskosten, die Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die Ertragserlöse bestimmt; ihre Offenlegung ermögliche den Konkurrenten Schlussfolgerungen auf die Kostenkalkulation für die Bereiche, in denen die Beigeladene Leistungen auf dem freien Markt anbiete, und könne den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen daher schaden.

11

Die Beigeladene hat sich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen und ebenfalls beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne dem Anspruch des Klägers auf Informationszugang nicht entgegenhalten, bei den Kalkulationsunterlagen handele es sich um Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 11 Satz 2 LIFG. Denn die Beigeladene habe in dem Neubaugebiet aufgrund des dort vorgeschriebenen Anschluss- und Benutzungszwanges eine Monopolstellung betreffend die Versorgung mit Nahwärme inne, so dass ihr insoweit keine Wettbewerbsnachteile drohten. Zwar könne sich ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse im Ausnahmefall auch für Monopolisten ergeben, ein solches habe die Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt. Die Konkurrenzsituation im übrigen Gemeindegebiet ändere an der Monopolstellung im Neubaugebiet nichts. Angesichts der bereits bestehenden Wettbewerbssituation im Gebiet außerhalb des Neubaugebiets sei nicht substantiiert vorgetragen worden, dass sich dort nunmehr ein für die Beigeladene ruinöser Wettbewerb entwickeln könne. Auch der personelle Geltungsbereich des § 11 Satz 2 LIFG sei für die Beigeladene nicht eröffnet. Das Recht auf Geheimhaltung, das § 11 Satz 2 LIFG schütze, beruhe auf Art. 12 und Art. 14 GG. Auf diese Grundrechte könne sich die öffentliche Hand als Grundrechtsverpflichtete nicht berufen. Dies gelte aufgrund teleologischer Reduktion auch für die privatrechtlich handelnde Beigeladene, da sie öffentlich-rechtliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehme. Mit einem privaten Dritten sei die Beigeladene aufgrund der daraus folgenden öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht vergleichbar. Ebenso wenig stehe dem Informationsanspruch § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG entgegen. Ein Schaden für die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen sei angesichts deren Monopolstellung im Nahwärmeversorgungsgebiet nicht dargetan.

14

Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt zur Begründung vor, die Informationen, zu denen der Kläger Zugang begehre, stellten berechtigte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar. Diese versorge nicht nur das Wohngebiet des Klägers mit Nahwärme, sondern liefere Strom, Gas und Wasser auch im übrigen Gemeindegebiet. Dort stehe sie im Wettbewerb mit anderen Energieversorgern. Die vom Kläger angeforderten Daten bestimmten den wirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen maßgeblich. Anhand dieser Daten seien wegen der vergleichbaren Kalkulationssystematik Rückschlüsse auch auf die Kalkulation der Gas- und Strompreise außerhalb des Nahwärmegebiets möglich. Aufgrund dessen könnten Wettbewerber die Beigeladene durch Dumpingpreise vom Markt verdrängen. Die Berufung auf das Geheimhaltungsinteresse sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Nahwärmeversorgung um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe handele. Zwar leite sich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus den Grundrechten ab, auf die sich öffentliche Stellen grundsätzlich nicht berufen könnten. Der Gesetzgeber habe die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der öffentlichen Hand jedoch durch § 11 Satz 2 LIFG einfachgesetzlich unter Schutz gestellt. Im Übrigen seien die vom Kläger begehrten Daten ihr – der Beklagten – nicht bekannt.

15

Die Beigeladene trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, bei der Kostenkalkulation, deren Offenlegung der Kläger erreichen wolle, handele es sich nicht um amtliche Informationen im Sinne des LIFG. Denn die begehrten Unterlagen seien allein bei ihr vorhanden. Außerdem werde die Kostenkalkulation nicht von der Beklagten, sondern von ihr – der Beigeladenen – im Rahmen von privatrechtlichen Liefervertragsverhältnissen erstellt. Die Beklagte könne sich die begehrten Unterlagen nicht verschaffen. Die Einsichtnahme in die Kalkulation sei der Beklagten als Hauptgesellschafterin von den Geschäftsführern gemäß § 51 a GmbHG zu verweigern, da die Offenlegung dem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen werde. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht zudem angenommen, sie – die Beigeladene – unterfalle als juristische Person des Privatrechts nicht dem personellen Anwendungsbereich von § 11 Satz 2 LIFG. Vielmehr könne sie sich ebenfalls auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Sie habe darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der vom Kläger angeforderten Kalkulations- und Kostenrechnungsunterlagen. Denn aus den für das Neubaugebiet sowie das übrige Versorgungsgebiet einheitlichen Erdgasbezugsbedingungen lasse sich auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Angebotsstrategie sowie ihre Kalkulation in dem übrigen Gemeindegebiet schließen. Eine Offenlegung könne ihren Konkurrenten deshalb Wettbewerbsvorteile verschaffen.

16

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

17

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2014 die Klage abzuweisen.

18

Der Kläger beantragt,

19

die Berufungen zurückzuweisen.

20

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, der für das Neubaugebiet von der Beigeladenen in Rechnung gestellte Wärmepreis liege annähernd 100 % über dem Preis, den die Beigeladene für die Gasversorgung des übrigen Gemeindegebietes verlange. Die Verbraucherinteressen der Anwohner des Neubaugebietes seien bewusst zugunsten eines ehrgeizigen Klimaschutzprojektes geopfert worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (zwei Hefte) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen hat.

23

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG –. Danach hat jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts gegenüber den in § 2 LIFG genannten Behörden nach Maßgabe dieses Gesetzes Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen dem Grunde nach vor (I.). Dem Informationsanspruch des Klägers steht jedoch der Ausschlussgrund des § 11 Satz 2 LIFG entgegen (II.).

I.

24

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 LIFG sind gegeben. Der Kläger ist anspruchsberechtigt (1.). Er hat den Auskunftsanspruch betreffend die Nahwärmepreiskalkulation der Beigeladenen zutreffend gegenüber der Beklagten als anspruchsverpflichteter Behörde geltend gemacht (2.). Bei der Preiskalkulation sowie den dazugehörigen Unterlagen handelt es sich auch um amtliche Informationen (3.).

25

1. Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Die Anspruchsberechtigung besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse der Informationszugang geltend gemacht wird. In der Begründung zum Gesetzentwurf des LIFG (LT-Drs. 15/2085, S. 1) wird die Informationsfreiheit als eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie angesehen. Durch das Landesinformationsfreiheitsgesetz sollen die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte gestärkt und die demokratische Meinungs- und Willensbildung nachhaltig unterstützt werden. Die Transparenz politischer und behördlicher Entscheidungen soll deren Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz erhöhen. Da unabhängig von einer individuellen Betroffenheit Sachkenntnisse entscheidende Voraussetzung für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen sind, ist der Informationsanspruch umfassend und voraussetzungslos (LT-Drs. 15/2085, S. 1, 9, 11, 12; so auch die Begründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – IFG -, BT-Drs. 15/4493, S. 1, 7); die Informationsfreiheit wird somit um ihrer selbst willen gewährt (vgl. Schoch, IFG, Kommentar, München 2009, § 1 Rn. 19).

26

Das mit der Informationserlangung vom Kläger verfolgte Ziel, die Wärmepreiskalkulation als Kunde der Beigeladenen rechnerisch nachzuvollziehen, ist demnach im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG ohne Belang (vgl. Gesetzesbegründung zu § 1, LT-Drs. 15/2085, S. 11, sowie zu § 4 Abs. 1, a.a.O., S. 12). Wird der Zugang zu den amtlichen Informationen voraussetzungslos und unabhängig von einer individuellen Betroffenheit gewährt, vermag insbesondere der Umstand, dass der Kläger als Anwohner im Neubaugebiet dem Anschluss- und Benutzungszwang an die Nahwärmeversorgung unterliegt, seine Rechtsposition nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG nicht zu stärken. Deshalb kann der Kläger einen Informationsanspruch nur unter den gleichen Voraussetzungen und in demselben Umfang wie derjenige geltend machen, der in keinerlei Rechtsbeziehung zur Beigeladenen steht. Insofern kommt es nicht darauf an, welches Einsichtsrecht er bei öffentlich-rechtlicher Gestaltung des Versorgungsverhältnisses hätte. Dies gilt auch für die Frage, ob und inwieweit dem Kläger im Rahmen des zivilrechtlich ausgestalteten Wärmelieferungsverhältnisses ein Auskunftsanspruch gegen die Beigeladene zusteht.

27

2. Die Behörde der beklagten Gemeinde ist gemäß § 2 Abs. 1 LIFG anspruchsverpflichtet. Zwar steht die Beigeladene als juristische Person des Privatrechts, der gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung über die Nahwärmeversorgung des Baugebiets „… R…“ vom 19. Februar 2009 die Aufgabe der Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet von der Beklagten übertragen wurde, nach § 2 Abs. 3 LIFG einer Behörde gleich. Gleichwohl ist der Zugangsantrag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 LIFG an die Beklagte zu richten, da sie sich der Beigeladenen zur Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.

28

3. Bei der Nahwärmepreiskalkulation, zu welcher der Kläger Zugang begehrt, handelt es sich um amtliche Informationen im Sinne von § 4 Abs. 1 LIFG. Nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 1 LIFG sind amtliche Informationen im Sinne des Gesetzes alle dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu. Die der Nahwärmeversorgung zugrunde liegende Preiskalkulation sowie die damit verbundenen Berechnungsgrundlagen sind als amtliche Informationen im Sinne von § 3 Nr. 1 LIFG einzuordnen. Denn die Beigeladene nimmt die Nahwärmeversorgung des Neubaugebiets als Aufgabe der Daseinsvorsorge, d.h. als öffentlich-rechtliche Aufgabe, für die Beklagte wahr und steht insoweit nach § 2 Abs. 3 LIFG einer Behörde gleich.

29

Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, die Unterlagen seien nicht bei ihr, sondern allein bei der Beigeladenen vorhanden. Denn als Gesellschafterin der Beigeladenen steht der Beklagten grundsätzlich gemäß § 51 a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter HaftungGmbHG – ein Auskunfts- und Einsichtsrecht zu. Ob dem § 51 a Abs. 2 GmbHG entgegensteht, kann der Senat offen lassen, weil die Schutzbestimmung des § 11 Satz 2 LIFG den Zugang des Klägers zu den begehrten Informationen ausschließt (vgl. im Folgenden II.).

II.

30

Dem hiernach eröffneten Anspruch des Klägers auf Informationszugang steht jedenfalls der Ausschlussgrund des § 11 Satz 2 LIFG entgegen. Deshalb kann es der Senat offen lassen, ob der klägerische Antrag auch gemäß § 9 Abs. 1 Satz 6 LIFG abzulehnen war.

31

Nach § 11 Satz 2 LIFG darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit die oder der Betroffene eingewilligt hat. Diese Vorschrift ist auf die Beigeladene anwendbar (1.). Des Weiteren handelt es sich bei den vom Kläger begehrten Informationen über die Kalkulation der Nahwärmepreise um Geschäftsgeheimnisse (2.), zu denen die Beklagte den Zugang zu Recht verweigert hat, weil die Beigeladene nicht eingewilligt hat (3.).

32

1. § 11 Satz 2 LIFG findet auf die Beigeladene Anwendung, da sie nicht nur aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges als alleiniges Unternehmen im Neubaugebiet die Nahwärmeversorgung gewährleistet, sondern im übrigen Gemeindegebiet der Beklagten u.a. als Gasversorger im Wettbewerb zu anderen Anbietern steht.

33

§ 11 Satz 2 LIFG soll der Gefahr der Ausforschung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Anträge auf Gewährung von Zugang zu amtlichen Informationen entgegenwirken, dabei insbesondere den Schutz wettbewerbsrelevanter Unternehmensdaten und so des wirtschaftlichen Geschäftsbereichs sicherstellen. Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von existentieller Bedeutung, da sich ein Unternehmen durch überlegenes technisches oder kaufmännisches Wissen einen Wettbewerbsvorsprung sichern kann, der bei Offenbarung des Geheimnisses zunichte gemacht werden könnte (vgl. Schoch, IFG, Kommentar, München 2009, § 6, Rn. 4, 5f.).

34

Ausgehend von diesem Schutzzweck ist der Anwendungsbereich des § 11 Satz 2 LIFG vorliegend eröffnet. Denn die Beigeladene, ein als GmbH privatrechtlich handelndes Energieversorgungsunternehmen, wird nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt und steht bei der Erdgasversorgung des Gemeindegebiets in Konkurrenz zu zahlreichen anderen privaten Anbietern.

35

Zwar nimmt die Beigeladene auch öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr, da sie das Neubaugebiet, das insoweit einem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, mit Nahwärme versorgt. Dieser Umstand steht der Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinsichtlich der übrigen Unternehmensbereiche jedoch nicht entgegen. Denn dem Wortlaut von § 11 Satz 2 LIFG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass juristische Personen des Privatrechts, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Unternehmenstätigkeit auch öffentlich-rechtlichen Aufgaben nachkommen, von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen sein sollen. Vielmehr knüpft die Vorschrift allein an die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Information selbst an (vgl. VG Berlin, Urteil vom 25. April 2006 – 2 A 88.05 –, juris Rn. 20).

36

Auch höherrangiges Recht gebietet eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 11 Satz 2 LIFG nicht. Zwar trägt die Vorschrift ausweislich der Gesetzesbegründung dem grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie gemäß Artt. 12, 14 des Grundgesetzes Rechnung (vgl. Begründung des LIFG, LT-Drs. 15/2085, zu § 11, S. 15). Auf diese Grundrechte kann sich die öffentliche Hand ebenso wenig berufen wie eine juristische Person des Privatrechts, die wie die Beigeladene überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand steht und öffentliche Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge – wie vorliegend die Nahwärmeversorgung – wahrnimmt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Mai 1989 – 1 BvR 705/88 –, juris Rn. 3 sowie vom 18. Mai 2009 – 1 BvR 1731/05 –, juris Rn. 17). Diese Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand hindert den Gesetzgeber jedoch nicht, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einfachgesetzlich einem sich auch privatwirtschaftlich betätigenden Verwaltungsträger zuzuordnen (vgl. Schoch, a.a.O., § 6, Rn. 47).

37

2. Bei den vom Kläger begehrten Informationen über die Kalkulation der Nahwärmepreise handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse (a), an deren Wahrung die Beigeladene aufgrund der Wettbewerbsrelevanz der Kalkulationsdaten des Nahwärmepreises für den Gasverkaufsbereich der Beigeladenen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat (b).

38

a) Zu Recht vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass es sich bei den in der Nahwärmepreiskalkulation enthaltenen Daten um Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen handelt. Allgemein werden hierunter alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig sind. Geschäftsgeheimnisse zielen dabei auf den Schutz kaufmännischen Wissens, weil sie alle Konditionen betreffen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können oder die Rückschlüsse auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zulassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08. Februar 2011 – 20 F 13.10 – juris, Rn. 17; Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 – juris Rn. 55; VG Stuttgart, Urteil vom 13. November 2014 – 4 K 5228/13 – juris Rn. 42). Zu den Geschäftsgeheimnissen zählen grundsätzlich auch Kalkulationen, da diese die Betriebs- und Angebotsstruktur eines Unternehmens erkennen lassen (vgl. Schoch, IFG, a.a.O., Rn. 54).

39

b) Die Beigeladene hat auch ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Nahwärmepreiskalkulation. Denn sie hat nicht nur im Nahwärmebereich eine Monopolstellung inne, sondern steht im Bereich der übrigen Gasversorgung im Wettbewerb mit anderen Anbietern (aa). Insofern können die Konkurrenten der Beigeladenen aus den Unterlagen zur Wärmepreiskalkulation den einheitlichen Gaseinkaufspreis entnehmen und hieraus sowie den sonstigen Kosten die Gesamtkosten des Gasverkaufsbereichs der Beigeladenen und damit die Gewinnmarge ermitteln (bb). Somit führt die Offenlegung der Nahwärmepreiskalkulation zu Wettbewerbsnachteilen auf dem Gasverkaufsmarkt (cc).

40

aa) Maßgeblich für die Anerkennung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses ist die Wettbewerbsrelevanz der betreffenden Information. Danach besteht ein objektiv berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 – juris Rn. 28; Beschluss vom 8. Februar 2011 – 20 F 13.10 – a.a.O.; sowie Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18.08 –, juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03, 1 BvR 21 BvR 2111/03 – juris Rn. 87).

41

Zwar hat die Beigeladene aufgrund des satzungsrechtlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwanges für die Nahwärmeversorgung in dem Neubaugebiet eine Monopolstellung inne. Eine solche Position rechtfertigt wegen des insoweit fehlenden Wettbewerbs regelmäßig die Annahme, dass die Offenlegung der Preiskalkulation wirtschaftliche Interessen des Monopolunternehmens nicht beeinträchtigen kann. Jedoch ist die Beigeladene im Bereich der übrigen Gasversorgung im Gebiet der Beklagten dem Wettbewerb mit anderen Anbietern ausgesetzt.

42

bb) Insoweit lassen die Kalkulationsunterlagen für das Neubaugebiet, zu denen der Kläger Zugang begehrt, Rückschlüsse auf die Preiskalkulation der Beigeladenen im Bereich der Erdgasversorgung im übrigen Gemeindegebiet (Wettbewerbsgebiet) und deren Wettbewerbsstrategie und damit auf wettbewerbsrelevante Daten der Beigeladenen zu.

43

Bei Offenlegung des Erdgasbezugspreises, welcher der Wärmepreiskalkulation für das Neubaugebiet zugrunde liegt, wird gleichzeitig der Bezugspreis für die Erdgasversorgung im Wettbewerbsgebiet bekannt, weil die Beigeladene ihren gesamten Erdgasbedarf aufgrund eines einheitlichen Liefervertrages bezieht. Das hat die Beigeladene durch Vorlage einer Bescheinigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die die Jahresabschlüsse der Beigeladenen in den Jahren 2010 bis 2013 geprüft hat, belegt. Ein einheitlicher Bezugspreis liegt im Übrigen bereits aufgrund des sehr geringen Anteils der Nahwärmeversorgung am Umsatz der Beigeladenen (unter 0,5 %) nahe.

44

In Kenntnis des Erdgasbezugspreises lassen sich die der Beigeladenen im Erdgasbereich entstehenden Gesamtkosten errechnen. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung überzeugend und vom Kläger nicht substantiiert bestritten dargelegt hat, sind die weiteren Kostenpositionen mit Ausnahme der auf den Erdgasbereich entfallenden Vertriebskosten allgemein zugänglich und so der Höhe nach bekannt. So sind die Erdgas- und Umsatzsteuer gesetzlich festgesetzt, die Netzentgelte und Konzessionsabgaben von den Betreibern der Energieversorgungsnetze gemäß § 20 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes im Internet zu veröffentlichen und die Kosten für Messung, Messstellenbetrieb und Abrechnung in den veröffentlichungspflichtigen Preisblättern sowie den Abrechnungen der Beigeladenen anzugeben.

45

Die auf den Erdgasbereich entfallenden Gesamtvertriebskosten können aus den in der Nahwärmepreiskalkulation ausgewiesenen Vertriebskosten abgeleitet werden. Zwar sind diese Kosten, die Verwaltungs-, Personal- und Abrechnungskosten umfassen, nach Angaben der Beklagten spartenübergreifend geschlüsselt, da es sich bei der Beigeladenen um ein vergleichsweise kleines Energieversorgungsunternehmen handelt, bei dem ein spartenscharf getrennter Einsatz insbesondere des Personals nicht möglich ist. Dem Lagebericht der Beigeladenen im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 sowie der Bilanz für das Jahr 2011 lassen sich jedoch die Umsatzanteile der einzelnen Sparten sowie die Personalstärke und die Personalgesamtkosten der Beigeladenen entnehmen. Angesichts der vorauszusetzenden branchenspezifischen Kenntnisse über die durchschnittliche Zusammensetzung des Gaspreises und damit auch die durchschnittliche Höhe des Vertriebskostenanteils vermögen Konkurrenten anhand dieser Daten sowie der in der Nahwärmekalkulation ausgewiesenen Vertriebskosten die auf das Wettbewerbsgebiet entfallenden Vertriebskosten hinreichend sicher zu ermitteln und so durch Addition mit den übrigen Kosten die bei der Beigeladenen anfallenden Gesamterdgaskosten zu errechnen. Aus der Gegenüberstellung der so ermittelten Kosten der Beigeladenen mit den Erlösen, die sich aus den in den Preisblättern veröffentlichten Erdgasverkaufspreise herleiten lassen, ergibt sich die Gewinnmarge der Beigeladenen im Erdgasbereich.

46

cc) Die durch Offenlegung der Nahwärmekalkulation vermittelten Kenntnisse dieser Daten verschaffen Wettbewerbern auf dem Erdgasmarkt einen wettbewerbsrelevanten Vorteil und der Beigeladenen damit gleichzeitig Wettbewerbsnachteile. Diese wettbewerbsrelevanten Auswirkungen der Offenlegung können allein aufgrund einer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung festgestellt werden und sind damit notwendigerweise mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden. Aus diesem Grund sind die nachteiligen Wirkungen im Wettbewerb nachvollziehbar und plausibel darzulegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 –, juris Rn. 28 sowie vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 –, juris Rn. 58f; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. September 2012 – 8 A 10096/12.OVG –, LKRZ 2013, 32 [33]).

47

Die nachteilige Beeinflussung ihrer Wettbewerbsposition durch die Offenbarung der Nahwärmepreiskalkulation haben die Beklagte und die Beigeladene überzeugend dargelegt. Die Kenntnis der Kalkulationsinhalte und insbesondere des Gasbezugspreises der Beigeladenen ermöglicht Wettbewerbern weitgehende Einblicke in die Betriebsstruktur und daraus resultierend auch in die Angebotsstrategie. Angesichts der Vielzahl von Erdgasanbietern auf dem Gemeindegebiet der Beklagten (vgl. die Auflistung unter www.check.24.de oder www.verivox.de) liegt damit die Möglichkeit der Wettbewerber auf der Hand, durch einen gezielten Preiskampf der Beigeladenen Kunden abzuwerben und so Marktvorteile zu erlangen. Vor einem damit verbundenen möglichen Wechsel des Gasanbieters ist die Beigeladene auch in ihrer Eigenschaft als Grundversorger auf dem Gemeindegebiet nicht geschützt. Es ist allgemein bekannt, dass ein Wechsel des Gaslieferanten durch den Endverbraucher im Interesse einer möglichst kostengünstigen Gasversorgung seit der Liberalisierung der Energiemärkte im Jahr 2006 von den Anbietern beworben wird und auch nicht nur in Einzelfällen stattfindet. Nahezu ein Viertel der Verbraucher hat den Gasanbieter schon einmal gewechselt (vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/202188/umfrage/haeufigkeit-des-gasanbieterwechsels-in-deutschland/). Damit ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Offenlegung der auf den Monopolbereich bezogenen Kalkulation den Wettbewerbsinteressen der Beigeladenen schaden kann.

48

Dieser wettbewerbsrelevante Nachteil ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich sein Informationsbegehren auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum bezieht. Wie die Beklagte überzeugend dargelegt hat, werden die Gasbezugsverträge auf eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren abgeschlossen, so dass die Preiskalkulation für das Jahr 2011 wettbewerbsrelevante Rückschlüsse auch für die Folgejahre ermöglicht. Zudem unterliegt auch die Betriebsstruktur des beigeladenen Unternehmens nach der nachvollziehbaren Darlegung der Beklagten keinen kurzfristigen Veränderungen, so dass die Nahwärmekalkulation auch in dieser Hinsicht wettbewerbsrelevante Folgerungen für die Zeit über das Jahr 2011 hinaus zulässt.

49

Da das Erdgasgeschäft neben dem Stromgeschäft schließlich einen wesentlichen Teil des Umsatzes der Beigeladenen ausmacht, weist der Wettbewerbsnachteil auch ein solches Gewicht auf, dass der Informationszugang vom Einverständnis der Beigeladenen abhängt.

50

3. Da die Beigeladene angesichts der ihr drohenden Wettbewerbsnachteile die nach § 11 Satz 2 LIFG für die Offenlegung der Nahwärmepreiskalkulation erforderliche Einwilligung nicht erteilt hat, hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zugang zu der Nahwärmepreiskalkulation im Neubaugebiet zu Recht abgelehnt.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.

53

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

54

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung

1.
der Pflegebedürftigen bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder
2.
der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen.

(1) Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1.
eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie
2.
bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. Sie umfasst auch die Betreuung und, soweit bei stationärer Pflege kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, die medizinische Behandlungspflege. Für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen.

(2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.
Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,
2.
den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,
3.
Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,
4.
den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,
5.
die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.

(3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen sowie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt. Die Pauschalen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen stehen.

(4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

(5) Öffentliche Zuschüsse oder andere Unterstützungsmaßnahmen zu den laufenden Aufwendungen einer Pflegeeinrichtung (Betriebskostenzuschüsse), die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind von der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung abzuziehen, um Doppelfinanzierungen auszuschließen. Bei deren prospektiven Bemessung und Vereinbarung sind Betriebskostenzuschüsse im Sinne des Satzes 1 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für bereits vereinbarte Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Bezuschussung; die Vertragsparteien haben dazu eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen. § 115 Absatz 3 Satz 3 bis 6 findet entsprechend Anwendung. Die Pflegeeinrichtungen haben eine Pflegekasse als Partei der Pflegevergütungsvereinbarung unaufgefordert über Betriebskostenzuschüsse in Kenntnis zu setzen.

(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.

(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.

(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit

1.
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist,
2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt,
3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten,
4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
Die allgemeinen Grundsätze der Absätze 1 bis 4 und 6 sowie die Vorschriften zum Inhalt der Vereinbarung (§ 76), zur Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung (§ 77a), zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung (§ 78), zur Kürzung der Vergütung (§ 79) und zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung (§ 79a) gelten entsprechend.

(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.

(1) Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1.
eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie
2.
bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. Sie umfasst auch die Betreuung und, soweit bei stationärer Pflege kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches besteht, die medizinische Behandlungspflege. Für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen.

(2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.
Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,
2.
den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,
3.
Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,
4.
den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,
5.
die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.

(3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen sowie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt. Die Pauschalen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen stehen.

(4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

(5) Öffentliche Zuschüsse oder andere Unterstützungsmaßnahmen zu den laufenden Aufwendungen einer Pflegeeinrichtung (Betriebskostenzuschüsse), die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind von der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung abzuziehen, um Doppelfinanzierungen auszuschließen. Bei deren prospektiven Bemessung und Vereinbarung sind Betriebskostenzuschüsse im Sinne des Satzes 1 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für bereits vereinbarte Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Bezuschussung; die Vertragsparteien haben dazu eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen. § 115 Absatz 3 Satz 3 bis 6 findet entsprechend Anwendung. Die Pflegeeinrichtungen haben eine Pflegekasse als Partei der Pflegevergütungsvereinbarung unaufgefordert über Betriebskostenzuschüsse in Kenntnis zu setzen.

(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.

(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.

(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit

1.
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist,
2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt,
3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten,
4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
Die allgemeinen Grundsätze der Absätze 1 bis 4 und 6 sowie die Vorschriften zum Inhalt der Vereinbarung (§ 76), zur Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung (§ 77a), zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung (§ 78), zur Kürzung der Vergütung (§ 79) und zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung (§ 79a) gelten entsprechend.

(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 126/03 Verkündet am:
27. April 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kundendatenprogramm
UWG § 17 Abs. 1 und 2 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11

a) Eine Liste mit Kundendaten kann unabhängig davon ein Geschäftsgeheimnis
i.S. von § 17 Abs. 1 UWG darstellen, ob ihr ein bestimmter Vermögenswert
zukommt.

b) EinausgeschiedenerMitarbeiter, der ein Geschäftsgeheimnis seines früheren
Arbeitgebers schriftlichen Unterlagen entnimmt, die er während des früheren
Dienstverhältnisses zusammengestellt und im Rahmen seiner früheren Tätigkeit
befugtermaßen bei seinen privaten Unterlagen – etwa in einem privaten
Adressbuch oder auf einem privaten PC – aufbewahrt hat, verschafft sich damit
dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (im
Anschluss an BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453 = WRP
2003, 642 – Verwertung von Kundenlisten).
BGH, Urt. v. 27. April 2006 – I ZR 126/03 – OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. April 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist ein britisches Unternehmen, das ebenso wie die Beklagte europaweit Leiterplatten vertreibt. Die Klägerin unterhält seit Dezember 1999 in O. bei München eine Niederlassung. Die im April 2000 gegründete Beklagte ist ebenfalls in O. ansässig, und zwar im selben Gebäude wie die Niederlassung der Klägerin. Die später als Geschäftsführer der Beklagten fungierenden Miklos H. und Oskar S. (im Folgenden: Geschäftsführer der Beklagten) waren von Dezember 1999 bis März 2000 für die Klägerin tätig und dort u.a. mit der Bearbeitung des Kundenverwaltungsprogramms befasst. Zuvor waren sie bei der Ende 1999 liquidierten M. P. E. GmbH (im Folgenden: MPE) beschäftigt, die ihre Kundendaten im Dezember 1999 an die Klägerin verkauft hatte. Diese Daten entsprechen weitgehend der von der Klägerin als Anlage K 1 vorgelegten Kundenliste , die über 1.300 Eintragungen vor allem aus der Zeit zwischen Dezember 1996 und März 1999 enthält.
2
Die Klägerin hat behauptet, die beiden Geschäftsführer der Beklagten hätten sich während ihrer Tätigkeit für die Klägerin deren Kundenverwaltungsprogramm einschließlich der Kundendaten angeeignet. Die Beklagte verwende diese Kundenliste seitdem, um systematisch die Kunden der Klägerin abzuwerben. Die Beklagte habe Angebotsschreiben an Kunden der Klägerin versandt, die fast vollständig – auch hinsichtlich der Preise und des Wortlauts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – mit den Angebotsschreiben der Klägerin übereinstimmten. Die von der Beklagten verwendeten Bestellformulare, Auftragsbestätigungen und Angebote glichen ebenfalls weitgehend den entsprechenden Unterlagen der Klägerin. Dass die Beklagte in großem Stil Angebote an Kunden der Klägerin geschickt hat, entnimmt die Klägerin einer Telefonrechnung, die nach ihrer Darstellung versehentlich nicht der Beklagten, sondern ihr zugestellt worden ist. Den beigefügten Einzelgesprächsnachweisen sei zu entnehmen, dass vom Anschluss der Beklagten nacheinander Telefaxsendungen an 44 Kunden aus der Kundenliste der Klägerin geschickt worden seien.
3
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, auf Herausgabe oder Löschung des Datenbestands sowie auf Auskunft in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Den Besitz der Kundenliste hat sie bestritten. Im Übrigen hat sie die Ansicht vertreten, die Liste gehöre nicht der Klägerin und stelle auch nicht deren Geschäftsgeheimnis dar.
4
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die – vom Senat zugelassene – Revision der Klägerin, mit der sie ihre Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt , die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Berufungsgericht hat die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses der Klägerin durch die Beklagte verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
6
Ob es sich bei der Kundenliste um ein Geschäftsgeheimnis i.S. von § 17 Abs. 1 UWG (a.F.) handele, sei im Hinblick auf den von der Klägerin für den Erwerb der Liste gezahlten Preis zweifelhaft. Jedenfalls fehle es an einer Weitergabe des Geheimnisses an einen Dritten während der Dauer des mit der Klägerin bestehenden Dienstverhältnisses nach § 17 Abs. 1 UWG (a.F.). Der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.) sei schon deswegen nicht erfüllt, weil die Geschäftsführer der Beklagten im Laufe ihrer Tätigkeit für die Klägerin berechtigterweise Kenntnis vom Inhalt der Kundenliste erhalten hätten; außerdem stehe nicht fest, dass sie sich die Kundenliste angeeignet hätten. Auch ein Verstoß nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.) sei nicht dargetan, weil die nachfolgende Verwertung von Erkenntnissen nicht verboten sei, die ein Mitarbeiter während des Dienstverhältnisses redlich erlangt habe. Es könne nicht angenommen werden, dass die Beklagte ein Geschäftsgeheimnis verletzt habe, das dem Unternehmen zugestanden habe, von dem die Klägerin die Kundenliste erworben habe und für das die Geschäftsführer der Beklagten tätig gewesen seien. Insoweit fehle jeder Vortrag zu einer entsprechenden Tathandlung. Schließlich könne die Klägerin die Herausga- be oder Vernichtung der Kundenliste auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen.
7
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch der Klägerin auf Unterlassung, auf Herausgabe oder Löschung des Datenbestands sowie auf Auskunft und Schadensersatz nicht verneint werden.
8
1. Nach Erlass des Berufungsurteils ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in Kraft getreten. Die von der Klägerin geltend gemachten , in die Zukunft gerichteten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bestehen daher nur dann, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zu der Zeit, zu der es erfolgt ist, solche Ansprüche begründet hat und diese Ansprüche auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben sind. Die Frage, ob der Klägerin Schadensersatzansprüche und – als Hilfsansprüche zu deren Durchsetzung – Auskunftsansprüche zustehen, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlungen im Jahre 2000 geltenden früheren Recht (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, GRUR 2005, 603, 604 = WRP 2005, 874 – Kündigungshilfe, m.w.N.).
9
Die für diese Beurteilung maßgebliche Rechtslage hat sich allerdings inhaltlich durch das Inkrafttreten des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht geändert. Der Tatbestand des § 17 UWG n.F. entspricht inhaltlich weitgehend § 17 UWG a.F., so dass insofern im Folgenden nicht zwischen dem alten und dem neuen Recht unterschieden zu werden braucht.
10
2. Ob es sich bei den in der fraglichen Kundenliste gesammelten Kundendaten um Geschäftsgeheimnisse der Klägerin handelt, hat das Berufungsgericht als zweifelhaft angesehen, letztlich aber offen gelassen. Für die revisionsrechtliche Prüfung ist daher zugunsten der Klägerin von dem Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses auszugehen.
11
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Tatbestand der unbefugten Verwertung eines Geschäftsgeheimnisses nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG verneint hat. Ist von einem Geschäftsgeheimnis auszugehen , kann eine unbefugte Geheimnisverwertung nach dem Klagevorbringen nicht verneint werden.
12
a) Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, es fehle bereits daran, dass sich die Beklagte die Kundenliste unbefugt verschafft habe. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
13
aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derjenige, der von einem Geschäftsgeheimnis im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses Kenntnis erhält, sich dieses Geheimnis niemals unbefugt verschaffen könne. Daran ist zutreffend, dass ein ausgeschiedener Mitarbeiter die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden darf, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt (vgl. BGHZ 38, 391, 396 – Industrieböden ; BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91, 92 = WRP 2001, 1174 – Spritzgießwerkzeuge). Dies bezieht sich indessen nur auf Informationen, die der frühere Mitarbeiter in seinem Gedächtnis bewahrt (BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, GRUR 1999, 934, 935 = WRP 1999, 912 – Weinberater). Die Berechtigung , erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch be- kannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat (BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453, 454 = WRP 2003, 642 – Verwertung von Kundenlisten).
14
bb) Liegen dem ausgeschiedenen Mitarbeiter derartige schriftliche Unterlagen – beispielsweise in Form privater Aufzeichnungen oder in Form einer auf dem privaten Notebook abgespeicherten Datei – vor und entnimmt er ihnen ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, verschafft er sich damit dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (BGH GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten; Harte-Bavendamm in Harte/Henning, UWG, § 17 Rdn. 32 f.; vgl. ferner ders. in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts , 3. Aufl., § 48 Rdn. 49 ff.; Fezer/Rengier, UWG, § 17 Rdn. 70 ff.).
15
cc) Im Streitfall ist nach dem in der Revisionsinstanz mangels gegenteiliger Feststellungen zu unterstellenden Klagevorbringen davon auszugehen, dass sich einer der Geschäftsführer der Beklagten, deren Verhalten sie sich nach § 31 BGB anrechnen lassen muss, Daten aus der Kundenliste der Klägerin in diesem Sinne unbefugt beschafft hat. Nach dem Klagevorbringen sind von einem Telefonanschluss der Beklagten aus nacheinander 44 Kunden per Telefax unter Nummern angeschrieben worden, die den Nummern aus der Kundenliste der Klägerin entsprachen. Da es für diesen Umstand keine andere Erklärung gibt, hätte das Berufungsgericht von der nahe liegenden Möglichkeit ausgehen müssen, dass die Kundenliste der Klägerin im Besitz einer der Geschäftsführer der Beklagten ist und als Quelle für die Daten der angeschriebenen Kunden gedient hat (vgl. BGH GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten).
16
b) Ist davon auszugehen, dass sich die Beklagte das Geschäftsgeheimnis auf die beschriebene Weise unbefugt beschafft hat, kann auch eine unbefugte Verwertung i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht verneint werden. Soweit das Be- rufungsgericht in dieser Hinsicht ein schlüssiges Vorbringen der Klägerin vermisst, überspannt es die Anforderungen, die an den Vortrag eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu stellen sind.
17
4. Liegt ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor, ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/1487, S. 26 [zu § 16]; Köhler in Hefermehl /Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 17 UWG Rdn. 52; Schünemann in Harte/Henning, UWG, § 3 Rdn. 25; Harte-Bavendamm ebd. § 17 Rdn. 43). Die Schadensersatzverpflichtung folgt aus § 19 UWG a.F., ein vorbereitender Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 242 BGB. Soweit die Klägerin Herausgabe oder Vernichtung der im Besitz der Beklagten befindlichen Kundenliste beansprucht, kommt ein Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1958 – I ZR 73/57, GRUR 1958, 297, 298 – Petromax I; Köhler aaO § 17 UWG Rdn. 65).
18
III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Hierbei wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
19
1. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 111/53, GRUR 1955, 424, 425 – Möbelpaste ; Urt. v. 1.7.1960 – I ZR 72/59, GRUR 1961, 40, 43 = WRP 1960, 241 – Wurftaubenpresse; Urt. v. 7.11.2002 – I ZR 64/00, GRUR 2003, 356, 358 = WRP 2003, 500 – Präzisionsmessgeräte). Enthalten Kundenlisten die Daten von Kunden, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und die daher auch in Zukunft als Abnehmer der angebotenen Produkte in Frage kommen, stellen sie im Allgemeinen für das betreffende Unternehmen einen wichtigen Bestandteil seines „Good will“ dar, auf dessen Geheimhaltung von Seiten des Betriebsinhabers meist großer Wert gelegt wird (vgl. den der Entscheidung „Weinberater“ zugrunde liegenden Sachverhalt: BGH GRUR 1999, 934). Sofern die fragliche „Kundenliste“ derartige Daten enthält und es sich nicht lediglich um eine Adressenliste handelt, die jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erstellt werden kann, lässt sich der Charakter als Geschäftsgeheimnis auch nicht durch den günstigen Kaufpreis in Zweifel ziehen, zu dem die Klägerin die Kundenliste im Dezember 1999 von der MPE erworben hat. Ein Geschäftsgeheimnis braucht keinen bestimmten Vermögenswert zu besitzen; es reicht aus, dass es sich für die Klägerin nachteilig auswirken kann, wenn Dritte, insbesondere Wettbewerber, Kenntnis von den Daten erlangen (Köhler aaO § 17 UWG Rdn. 11). Es liegt in der Natur derartiger Kundenlisten, dass sie nicht in die Hand eines Wettbewerbers geraten dürfen und dass an ihnen daher ein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Dementsprechend dürfen an die Manifestation des Geheimhaltungswillens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, wenn sich dieser Wille aus der Natur der geheim zu haltenden Tatsache ergibt (BGHSt 41, 140, 142 zu Ausschreibungsunterlagen). Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass ein Geschäftsgeheimnis veräußert werden kann (BGHZ 16, 172, 175 – Dücko).
20
2. Im weiteren Berufungsverfahren wird ferner zu klären sein, ob das Klagevorbringen , wonach von einem Telefonanschluss der Beklagten aus nacheinander 44 Kunden per Telefax unter Nummern angeschrieben wurden, die den Nummern aus der Kundenliste der Klägerin entsprechen, von der Beklagten bestritten wird. Auch wenn das Berufungsgericht dieses Klagevorbringen als streitigen Sachverhalt wiedergegeben hat, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht ohne weiteres entnehmen, dass sie die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Telefonrechnung vom 7. August 2000 bestreiten wollte. Nur wenn insoweit ein relevantes Bestreiten vorliegt, kommt es auf die weitere Frage an, ob die fragliche Telefonrechnung im vorliegenden Verfahren zu Beweiszwecken herangezogen werden kann.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.08.2002 - 9 HKO 24536/00 -
OLG München, Entscheidung vom 17.04.2003 - 6 U 4428/02 -

(1) Der Unternehmer hat den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in Textform und in leicht verständlicher Sprache über sein allgemeines Leistungsangebot und über den wesentlichen Inhalt seiner für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen zu informieren.

(2) Zur Information des Unternehmers über sein allgemeines Leistungsangebot gehört die Darstellung

1.
der Ausstattung und Lage des Gebäudes, in dem sich der Wohnraum befindet, sowie der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen, zu denen der Verbraucher Zugang hat, und gegebenenfalls ihrer Nutzungsbedingungen,
2.
der darin enthaltenen Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang,
3.
der Ergebnisse der Qualitätsprüfungen, soweit sie nach § 115 Absatz 1a Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder nach landesrechtlichen Vorschriften zu veröffentlichen sind.

(3) Zur Information über die für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen gehört die Darstellung

1.
des Wohnraums, der Pflege- oder Betreuungsleistungen, gegebenenfalls der Verpflegung als Teil der Betreuungsleistungen sowie der einzelnen weiteren Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang,
2.
des den Pflege- oder Betreuungsleistungen zugrunde liegenden Leistungskonzepts,
3.
der für die in Nummer 1 benannten Leistungen jeweils zu zahlenden Entgelte, der nach § 82 Absatz 3 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berechenbaren Investitionskosten sowie des Gesamtentgelts,
4.
der Voraussetzungen für mögliche Leistungs- und Entgeltveränderungen,
5.
des Umfangs und der Folgen eines Ausschlusses der Angebotspflicht nach § 8 Absatz 4, wenn ein solcher Ausschluss vereinbart werden soll.
Die Darstellung nach Satz 1 Nummer 5 muss in hervorgehobener Form erfolgen.

(4) Erfüllt der Unternehmer seine Informationspflichten nach den Absätzen 1 bis 3 nicht, ist § 6 Absatz 2 Satz 2 und 3 entsprechend anzuwenden. Weitergehende zivilrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bleiben unberührt.

(5) Die sich aus anderen Gesetzen ergebenden Informationspflichten bleiben unberührt.


Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2016 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 26. März 2015 und des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2015 verpflichtet, über den Antrag des Klägers, ihm Einsicht in den mit der Beigeladenen geschlossenen Nutzungsvertrag zur Errichtung und zum Betrieb zweier Windenergieanlagen im Bereich „A.“ zu gewähren, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben der Kläger die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten von Beklagter und Beigeladener je zur Hälfte sowie Beklagte und Beigeladene die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu je ¼ zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Einsichtnahme in einen Nutzungsvertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen über die Zurverfügungstellung gemeindlicher Flächen für die von der Beigeladenen beabsichtigte Errichtung zweier Windenergieanlagen.

2

Nachdem der Kläger sich bereits zuvor bei der Beklagen um Einsicht in den Vertrag bemüht hatte, stellte er mit Schreiben vom 19. Januar 2015 nochmals ausdrücklich einen entsprechenden Antrag. Dabei bezog er sich auf die Vorschriften des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sowie des Landesumweltinformationsgesetzes. Die von der Beklagten beteiligte Beigeladene führte mit Schreiben vom 18. März 2015 aus, dass es sich um ein von ihr erstelltes Vertragswerk handele, das sie üblicherweise für die Nutzungsvereinbarung der Standorte ihrer Windenergieanlagen verwende. Da in der Branche ein starker Konkurrenzkampf um geeignete Standorte herrsche, sei sie daran interessiert, dass die zu zahlenden Entgelte und deren Zusammensetzung sowie die vereinbarten Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nicht bekannt würden.

3

Mit Bescheid vom 26. August 2015 lehnte die Beklagte die Zugänglichmachung des Nutzungsvertrags ab. Zur Begründung führte sie an, dass dem Informationsanspruch des Klägers der Ausschließungsgrund der Offenbarung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe. Es handele sich um ein von der Beigeladenen individuell erarbeitetes Vertragswerk, dessen Informationen nicht offenkundig seien und zu deren Einsichtnahme die Beigeladene ihre Einwilligung versagt habe.

4

Am 13. April 2015 erhob der Kläger Widerspruch und bat unter Verweis auf seine bisherigen Darlegungen darum, etwaige geheimhaltungsbedürftige Passagen zu schwärzen. Die Beklagte entgegnete hierauf, dass das Vertragswerk insgesamt Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalte und deshalb auch nicht in Teilen zugänglich gemacht werden könne.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2015 wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass dem Kläger zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Einsichtnahme in den Nutzungsvertrag zustehe, da der Begriff der Umweltinformationen weit auszulegen sei. Auch die Regelungen des Nutzungsvertrages, der die Errichtung von Windenergieanlagen auf Waldgrundstücken ermögliche, seien hierunter zu fassen. Der Einsichtnahme stehe jedoch der Umstand entgegen, dass Urheberrechte der Beigeladenen tangiert würden. Die Beigeladene habe schlüssig dargelegt, dass es sich um einen von ihrem Geschäftsführer eigens entwickelten Vertragstext handele und kein allgemein verfügbarer Mustervertrag zugrunde liege. Zudem sei vom Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auszugehen. Durch eine Bekanntgabe der Regelungen des auf die konkrete Situation zugeschnittenen Nutzungsvertrages werde die Wettbewerbssituation der Beigeladenen erheblich beeinträchtigt. Es sei auch kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Bekanntgabe der Informationen erkennbar. Einerseits würden die mit Errichtung und Betrieb der Windenergieanlagen zusammenhängenden Umweltfragen im Genehmigungsverfahren aufgearbeitet und seien so der Öffentlichkeit zugänglich. Andererseits habe die Beigeladene bereits Informationsveranstaltungen durchgeführt und deren Inhalte im Internet veröffentlicht.

6

Bereits am 21. August 2015 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Zu deren Begründung hat er ausgeführt, dass der von ihm geltend gemachte Anspruch primär auf die Vorschriften des Landesumweltinformationsgesetzes gestützt werde. Im Übrigen sei auch das Landesinformationsfreiheitsgesetz einschlägig. Die Beklagte sei unabhängig davon auskunftspflichtig, ob sie ihre Verwaltungstätigkeit in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form ausübe. Der Nutzungsvertrag enthalte auch Umweltinformationen. Insbesondere seien hierfür die Art der Zuwegung und die genauen Standorte der Anlagen von Bedeutung. Zu den Umweltinformationen zählten auch solche Tatsachen, die die Wirtschaftlichkeit der Anlage beträfen. Der Nutzungsvertrag stelle gleichzeitig eine amtliche Information nach den Vorschriften des Landesinformationsfreiheits-gesetzes dar. Was die Ausnahmetatbestände angehe, auf die sich Beklagte und Beigeladene beriefen, so seien diese eng auszulegen. Hinsichtlich der Gestaltung der Zuwegung zu den Standorten sei nicht erkennbar, dass unternehmensbezogene Daten betroffen seien. Soweit die Beigeladene sich darauf berufe, dass Informationen Rückschlüsse auf den eingesetzten Anlagentyp ermöglichten, sei darauf zu verweisen, dass dieser bereits durch die Beklagte im Internet bekannt gegeben worden sei. Das Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen sei nicht substantiiert dargelegt worden.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26. März 2015 und des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses Bitburg-Prüm vom 21. Oktober 2015 die Beklagte zu verpflichten, ihm Einsicht in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen bezüglich der Nutzung der Fläche „A.“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen zu gewähren,

9

hilfsweise,

10

unter Aufhebung der genannten Bescheide die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einsichtnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

11

sowie,

12

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie legt dar, dass bereits fraglich sei, ob es sich bei den Inhalten des Nutzungsvertrags um Umweltinformationen handele. Es sei nicht erkennbar, dass sich hieraus Auswirkungen auf Umweltbestandteile ergeben könnten. Der Zugang zu den Informationen sei zudem auch auf andere Weise möglich, da die Beigeladene bereits entsprechende Informationsveranstaltungen für Bürger durchgeführt habe. Eine Zugänglichmachung der Informationen komme zudem deshalb nicht in Betracht, weil hierdurch das geistige Eigentum der Beigeladenen verletzt würde. Bei dem Nutzungsvertrag handele es sich um einen von der Beigeladenen erstellten Text, der als ihr geistiges Eigentum anzusehen sei. Zudem würden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen berührt. Insbesondere die Kenntnis der im Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten und die Zusammensetzung der zu zahlenden Entschädigungen bringe einem Konkurrenten der Beigeladenen einen erheblichen Vorteil. Gleiches gelte für die Möglichkeit eines Repowerings. Informationen, die den Wald als Lebensraum seltener Tiere beträfen, ließen sich dem Vertragswerk nicht entnehmen. Soweit der Vertragsentwurf im Internet vorübergehend habe eingesehen werden können, sei dies von der Beigeladenen nicht autorisiert gewesen.

16

Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat ausgeführt, dass der Nutzungsvertrag keine Maßnahme der Verwaltung darstelle. Er lasse überdies keine Umstände erkennen, aus denen sich Auswirkungen auf Umweltbestandteile ergäben. Entsprechende Auswirkungen würden erst im Genehmigungsverfahren behandelt. Bei dem Vertragswerk handele es sich um ihr geistiges Eigentum, da es auf die speziellen Verhältnisse ihrer Projekte zugeschnitten sei. Zudem würden mit der Zugänglichmachung des Vertrages Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart. Ihr entstünden aus der Bekanntgabe der vereinbarten Rechte und Pflichten gegenüber ihren Wettbewerbern Nachteile bei der Sicherung entsprechender Standortflächen. Dieser Ausschließungsgrund erfasse den gesamten Vertrag.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2016 ergangenem Urteil abgewiesen.

20

Dabei hat es darauf abgestellt, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die Vorschriften des am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Landestransparenzgesetzes maßgeblich seien. Bei der Beklagten handele es sich indessen nicht um eine transparenzpflichtige Stelle. Informationspflichtig seien die Behörden der Gemeinden und Gemeindeverbände nur, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausübten. Unter Verwaltungstätigkeit sei dabei eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe zu verstehen. Von der Transparenzpflicht seien hiernach Tätigkeiten ausgenommen, bei denen die Gemeinde in gleicher Weise wie eine Privatperson agiere und von ihren Eigentümerrechten Gebrauch mache. Die mit der Beigeladenen vereinbarte Nutzungsüberlassung sei insbesondere auch keine Maßnahme zur Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes. Hierauf wirke sich die vereinbarte Nutzungsüberlassung allenfalls mittelbar aus.

21

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, der Begriff der Verwaltungstätigkeit sei unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Richtlinie 90/313/EWG (Umweltinformationsrichtlinie) weit auszulegen. Der Auskunftsanspruch bestehe unabhängig davon, ob die Behörde öffentlich-rechtliche, verwaltungsprivatrechtliche oder fiskalische Tätigkeiten ausübe. Unter Aufgaben öffentlicher Verwaltung seien alle Aufgaben auf dem Gebiet der Verwaltung in Abgrenzung zur Rechtsprechung und Rechtssetzung zu verstehen. Auch der Aarhus-Konvention lasse sich die vom Verwaltungsgericht angenommene Einschränkung nicht entnehmen. Die Vorschriften des Landestransparenzgesetzes seien europarechtskonform auszulegen. Zudem sei der Gesetzestext des Landestransparenzgesetzes so zu verstehen, dass der Zusatz „soweit sie in öffentlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben“ sich nur auf die in der vorangehenden Aufzählung letztgenannten sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts beziehe. Bei den von ihm begehrten Auskünften handele es sich auch um Umweltinformationen. Hierfür sei ausreichend, dass sich Maßnahmen oder Tätigkeiten lediglich potentiell auf Umweltbestandteile auswirkten. Gegenstand des Informationsanspruches sei der Vertrag als Ganzes, nicht lediglich seine umweltrelevanten Teile. Die Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen. Fragen der Zuwegung, des Standortes und des Anlagentyps könnten nicht als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis angesehen werden. Selbst wenn der Nutzungsvertrag Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalte, überwiege das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen. Zudem müsse geprüft werden, ob der Vertrag nicht durch Schwärzung der geheimhaltungsbedürftigen Teile zugänglich gemacht werden könne.

22

Der Kläger beantragt,

23

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2016 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier sowie unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. März 2015 und des Widerspruchbescheides vom 21. Oktober 2015 die Beklagte zu verpflichten, ihm Einsicht in den Nutzungsvertrag mit der Beigeladenen betreffend die Flächen „A.“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen zu gewähren.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie führt aus, dass sie zwar als Behörde im Sinne der Umweltinformationsrichtlinie anzusehen sei. Bei dem Nutzungsvertrag handele es sich indessen nicht um eine Umweltinformation. Vielmehr betreffe der Vertrag lediglich Regelungen über die Nutzung eines Vermögensgegenstandes. Soweit die Behörde wie eine Privatperson handle, werde diese Tätigkeit nicht von der Informationspflicht erfasst. Erforderlich sei, dass die Behörde eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe wahrnehme. Der Vertrag lasse auch keinen Rückschluss auf die Wirtschaftlichkeit der Windenergieanlagen zu. Dem Auskunftsanspruch stehe zudem entgegen, dass der Nutzungsvertrag geistiges Eigentum der Beigeladenen darstelle. Zudem könnten Konkurrenten davon profitieren, dass sie Einblicke in das Vorgehen der Beigeladenen bei der Akquise von Standortgrundstücken erhielten. Das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe überwiege das Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen deshalb nicht, weil dem Kläger andere Möglichkeiten offen stünden, die begehrten Informationen zu erhalten. Insoweit sei auf die von der Beigeladenen durchgeführte Informationsveranstaltung zu verweisen.

27

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Sie vertritt die Auffassung, dass die Vorschriften des Landestransparenzgesetzes den Anforderungen der Umweltinformationsrichtlinie gerecht würden. Für den Informationsanspruch sei erforderlich, dass die Behörden Verwaltungstätigkeit ausübten. Die Beklagte nehme indessen wie eine Privatperson am Rechtsverkehr teil. Sie habe nur von ihren Befugnissen aus dem Grundeigentum Gebrauch gemacht. Der Gesetzgeber des Landestransparenzgesetzes habe den Anwendungsbereich bewusst eingeschränkt. Dem Informationsanspruch stehe ihr geistiges Eigentum entgegen. Sie habe den Nutzungsvertrag eigenständig entworfen. Weiterhin eröffne eine Bekanntgabe des Vertragstextes ihren Konkurrenten die Möglichkeit, in ihre Strategie bei der Sicherung von Vorhabenstandorten Einblick zu nehmen.

30

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakte verwiesen, deren Inhalt bei der Entscheidung herangezogen wurde.

Entscheidungsgründe

32

Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat teilweise Erfolg.

33

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage insoweit stattgeben müssen, als die Beklagte zu verpflichten ist, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Klägers auf Zugänglichmachung des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrages über die Nutzung der Fläche „A.“ zur Errichtung und zum Betrieb zweier Windenergieanlagen zu entscheiden. Soweit das Verwaltungsgericht den weitergehenden Verpflichtungsantrag des Klägers abgelehnt hat, bleibt die Berufung hingegen erfolglos.

34

Dem Kläger steht zwar ein Anspruch auf Zugang zu dem Nutzungsvertrag nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Landestransparenzgesetz – LTranspG – zu. Dieser Anspruch ist indessen eingeschränkt, weil der Nutzungsvertrag jedenfalls Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen enthält. Insoweit bedarf es einer Ermessensentscheidung der Beklagten, in welchem Umfang und in welcher Weise dem Kläger der nichtgeheimhaltungsbedürftige Teil des Nutzungsvertrages zugänglich gemacht werden kann.

35

1. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zum Inhalt des Nutzungsvertrages zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zur Nutzung der Fläche „A.“ zwecks Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 LTranspG zu. Nach dieser Vorschrift haben natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts und nicht rechtsfähige Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist. Ein rechtliches oder berechtigtes Interesse muss hierfür nach Satz 2 der Vorschrift nicht dargetan werden.

36

a) Auf den Fall des Klägers finden die Vorschriften des am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Landestransparenzgesetzes Anwendung. Für die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist entscheidend auf die Vorschriften des materiellen Rechts abzustellen. Ob ein Verpflichtungsbegehren Erfolg hat und im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein Anspruch besteht, beurteilt sich nach den Vorschriften des materiellen Rechts, dem insbesondere die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 – 8 C 5.03 –, BVerwGE 120, 246 und juris, Rn. 35 m.w.N.; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. EL Februar 2016, § 113, Rn. 66 Fn. 308). Hiernach ist die Regelung des § 26 Abs. 3 LTranspG maßgeblich, wonach über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes am 1. Januar 2016 nach den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sowie des Landesumweltinformationsgesetzes gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden ist. Hiernach ist aber auch für die gerichtliche Kontrolle auf das im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgebliche Recht abzustellen.

37

b) Bei der Beklagten handelt es sich um eine transparenzpflichtige Stelle i.S.d. § 3 Abs. 1 LTranspG. Nach dieser Vorschrift gilt das Landestransparenzgesetz für Behörden des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben.

38

aa) Bei der zur Zurverfügungstellung gemeindlicher Grundstücke für die Errichtung von Windenergieanlagen handelt es sich um Verwaltungstätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Ausweislich der Begründung im Gesetzentwurf der Landesregierung zum Landestransparenzgesetz (LT-Drucks. 16/5173, S. 33) besteht die Transparenzpflicht unabhängig davon, ob die Behörde sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen bedient. Für die Annahme der Verwaltungstätigkeit ist allein darauf abzustellen, dass die Tätigkeit sich als Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe darstellt. Ausdrücklich nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden Rechtsprechung und Rechtsetzung. Hiernach ist der Begriff der Verwaltungstätigkeit aber in einem funktionalen Sinne zu verstehen. Der Begriff der behördlichen Verwaltungstätigkeit wird gemeinhin dahin verstanden, dass es insoweit nicht auf die Rechtsform der Tätigkeit ankommt, sondern dass die Tätigkeit im Gegensatz zu Rechtsetzung und Rechtsprechung die Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe darstellt. Hiernach kommt es aber gerade nicht darauf an, in welcher Handlungs- oder Rechtsform die Verwaltung agiert. Es spielt keine Rolle, ob die Behörde ihre Aufgabe privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich wahrnimmt. Allein maßgeblich ist, dass die Verwaltungsaufgabe als solche im öffentlichen Recht begründet sein muss (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 1, Rn. 177 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.Juni 2016 – 10 A 10878/15 –, juris Rn. 34). Dementsprechend geht auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen von einem weiten Verständnis der Begriffe „Behörde“ und „Verwaltungstätigkeit“ für den Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes aus. Hierunter wird unter Berücksichtigung der Einordnung des Handelnden in den Staatsaufbau die gesamte Tätigkeit der Exekutive verstanden. Ausgeschlossen sind nur echte Tätigkeiten von Stellen in den Bereichen Legislative und Judikative. Der Begriff Verwaltungstätigkeit umfasst die Verwaltung sowohl im formellen als auch im materiellen Sinne (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2011 – 13 a F 3/11 –, DVBl. 2011, 1238 und juris, Rn. 29).

39

bb) Auch die Orientierung an den Vorgaben der Umweltinformationsrichtlinie (Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates [ABl. L 41/26]) legt eine weite Auslegung des Begriffs der Verwaltungstätigkeit nahe. So erfasst der Begriff der Maßnahmen in Art. 2 Nr. 1 Buchst. c) der Richtlinie sämtliche Formen der Verwaltungstätigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 1998, Rechtssache C 321/96, Rn. 20). Von den Umweltinformationen werden außer den administrativen Vorgängen auch die privatrechtlichen Vorgänge der Behörden unabhängig davon erfasst, ob sie mit der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung zusammenhängen. Der Europäische Gerichtshof stellt in seinem Urteil vom 26. Juni 2003 ausdrücklich darauf ab, dass die von der am Verfahren beteiligten französischen Regierung geäußerte Rechtsansicht nicht zutreffe, wonach ein Dokument nur dann Umweltinformation sei, wenn es einen Zusammenhang mit dem öffentlichen Dienstleistungsbereich aufweise (Rechtssache C 233/00, Rn. 41 - 47). Dementsprechend wird von der Informationspflicht der Behörde nach der Umweltinformationsrichtlinie auch deren fiskalische Tätigkeit erfasst. Auch das fiskalische Handeln einer Behörde ist hiernach der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen und begründet ihre Eigenschaft als informationspflichtige Stelle (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2005 – 7 C 5.04 –, NVwZ 2006, 343 und juris, Rn. 26).

40

c) Ist hiernach die Beklagte als informationspflichtige Stelle nach § 3 Abs. 1 LTranspG anzusehen, so handelt es sich bei dem Inhalt des Nutzungsvertrages auch um Umweltinformationen i.S.d. § 5 Abs. 1 und 3 LTranspG. § 5 Abs. 1 LTranspG definiert als Informationen im Sinne des Gesetzes amtliche Informationen und Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Umweltinformationen nach § 5 Abs. 3 LTranspG sind unter anderem alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen sowie die Wechselwirkung zwischen diesen Bestandteilen (Nr. 1), Faktoren, die sich auf Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken, (Nr. 2) sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile oder auf Faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder dem Schutz von Umweltbestandteilen bezwecken (Nr. 3).

41

Auch der Begriff der Umweltinformationen ist weit auszulegen. Mit dem Begriffspaar „Tätigkeiten und Maßnahmen“ sollen umfassend alle die Umwelt beeinträchtigenden menschlichen Aktivitäten erfasst werden (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand: Februar 2016, § 2 UIG, Rn. 43). Von dem weiten Begriffsverständnis der Umweltinformationen werden etwa auch solche Unterlagen erfasst, die zur Vorbereitung oder Durchführung von umweltrelevanten Maßnahmen dienen und deren wirtschaftliche Realisierbarkeit betreffen (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 5 LTranspG; BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 – 4 C 13.07 –, BVerwGE 130, 223 und juris, Rn. 13).

42

Im Falle des zwischen der Beklagten und der Beigeladenen abgeschlossenen Nutzungsvertrages handelt es sich um Informationen über Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile oder auf Faktoren auswirken können. So kann die Erwartung des Klägers nachvollzogen werden, dass der Nutzungsvertrag nähere Informationen über die Standortbedingungen der Windenergieanlagen enthält und möglicherweise Auskunft über mit der Nutzung zusammenhängende umweltrelevante Umstände gibt. Dies betrifft insbesondere die Frage der Dauer der Nutzung, den genauen Standort der Anlage und deren Erreichbarkeit. Hinsichtlich der Frage der Umweltrelevanz ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Windenergieanlagen im Außenbereich grundsätzlich mit der Möglichkeit von Umweltbeeinträchtigungen verbunden sind. Insoweit kann vom Kläger nicht verlangt werden, dass er im Nutzungsvertrag enthaltene konkrete Informationen zu einzelnen Umweltbelangen bezeichnet. Da dem Betroffenen vor der Zurverfügungstellung der Inhalt des Vertrages in der Regel gerade nicht bekannt ist, kann es allein darauf ankommen, dass die Annahme, das Schriftstück enthalte Umweltinformationen, schlüssig ist. Der Bürger soll durch die Zugänglichmachung der Informationen in die Lage versetzt werden, Kenntnis von Daten zu erlangen, die sich bei Behörden und bestimmten Privatrechtssubjekten befinden, um sich frei von staatlicher Bevormundung und privater Beeinflussung eine eigene Meinung zu bilden (vgl. Reidt/Schiller, a.a.O., § 1 UIG Rn. 6). Der Zugangsanspruch soll dem Interessenten gerade die Möglichkeit eröffnen, sich frühzeitig über den Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens zu informieren und soll ihn in die Lage versetzen, sich fachkundig in dieses Verfahren einzubringen. Insoweit kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, dass die von ihm begehrten Informationen Gegenstand des späteren Genehmigungsverfahrens sein werden und dass in diesem Zusammenhang eine systematische Aufarbeitung zu erwarten sei. Auch kann er nicht darauf verwiesen werden, dass der Inhalt der Informationen Gegenstand einer von der Beigeladenen durchgeführten Informationsveranstaltung gewesen sei und einer Präsentation im Internet entnommen werden könne. Der Anspruch des Klägers richtet sich nämlich gerade darauf, die in der Vertragsurkunde verkörperten Umweltinformationen einzusehen. Dieser Anspruch kann nicht durch den Verweis auf entsprechende Inhalte in der Internetpräsentation befriedigt werden, zumal es dem Antragsteller nicht möglich ist zu überprüfen, ob in den veröffentlichten Unterlagen tatsächlich alle in der begehrten Umweltinformation enthaltenen Daten wiedergegeben werden.

43

d) Ist hiernach ein Gesuch auf Zugänglichmachung von Umweltinformationen i.S.v. § 5 Abs. 3 LTranspG gestellt worden und besteht ein entsprechender Anspruch, so kann dahinstehen, ob die begehrten Unterlagen gleichzeitig amtliche Informationen i.S.d. § 5 Abs. 2 LTranspG darstellen.

44

2. Dem Anspruch des Klägers auf Zugang zu Umweltinformationen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 LTranspG steht indessen für einen Teil der begehrten Informationen der Umstand entgegen, dass hierdurch Geschäftsgeheimnisse i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG verletzt würden und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe nicht überwiegt.

45

a) Die Beigeladene kann sich zwar nicht bereits darauf berufen, dass eine Zugänglichmachung des Nutzungsvertrages ihr Recht am geistigen Eigentum verletzen würde.

46

In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob es sich bei dem Vertragsentwurf um ein Schriftwerk wissenschaftlichen Inhalts i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz – UrhG – handelt und ob insbesondere dieses Werk die erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit und damit die zu fordernde Schöpfungshöhe aufweist (vgl. Ahlberg, in: Ahlberg/Götting, Beck‘scher Onlinekommentar Urheberrecht, Stand: 1. April 2016, § 2 Rn. 66 ff.). Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob es sich bei der Zugänglichmachung um eine Veröffentlichung i.S.d. § 12 Abs. 1 UrhG handelt, die dem Bestimmungsrecht des Urhebers im Rahmen des Urheberpersönlichkeitsrechtes unterliegt (so: BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 – 7 C 1.14 –, BVerwGE 152, 241 und juris, Rn. 37; a.A. : Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 46).

47

Jedenfalls hat die Beigeladene mit dem Aufgehen des Vertragsentwurfes in dem mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrag unter Zugrundelegung des Vertragszweckes nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG der Beklagten konkludent das Recht eingeräumt, den Vertragstext im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zu nutzen und damit jedenfalls im Rahmen ihrer nach dem Landestransparenzgesetz obliegenden Pflicht auf Antrag zugänglich zu machen. Hiernach ist von der Einräumung eines Nutzungsrechts nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG auszugehen. Die Zwecksetzung des zwischen der Beklagten und Beigeladenen geschlossenen Vertrages umfasst insoweit auch die Einräumung von Zugangsrechten nach dem Landestransparenzgesetz (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O, juris, Rn. 40 f.).

48

b) Beklagte und Beigeladene haben jedoch schlüssig dargelegt, dass der Vertragstext Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen enthält, die mit der Zugänglichmachung des gesamten Textes offenbart würden.

49

aa) Als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis sind nach § 5 Abs. 6 Satz 1 LTranspG alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge zu verstehen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt nach Satz 2 dieser Bestimmung vor, wenn das Bekanntwerden einer Tatsache geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Konkurrenten zu fördern oder die Stellung des eigenen Betriebs im Wettbewerb zu schmälern, oder wenn es geeignet ist, dem Geheimnisträger Schaden zuzufügen. Während Betriebsgeheimnisse sich im Wesentlichen auf technisches Wissen beziehen, betreffen Geschäftsgeheimnisse in erster Linie kaufmännisches Wissen. Ein Geheimhaltungsinteresse des Dritten ist hiernach anzunehmen, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 –, BVerwGE 135, 34 und juris, Rn. 50; Reidt/Schiller, a.a.O., § 9 UIG, Rn. 20). Eine Zugänglichmachung kann nicht nur dann verwehrt werden, wenn die begehrte Information für sich genommen bereits ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellt. Vielmehr gilt dies auch, wenn die offengelegte Information ihrerseits Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009, a.a.O., juris, Rn. 55). Was den Grad an Überzeugungsgewissheit angeht, den sich das Gericht verschaffen muss, so kann es sich damit begnügen, dass nachteilige Wirkungen im Wettbewerb nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden. Diese Einschätzung ist Ergebnis einer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung und damit notwendigerweise mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009, a.a.O., juris, Rn. 58 f.).

50

bb) Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen haben Beigeladene und Beklagte in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass die Höhe und Zusammensetzung des Nutzungsentgelts und sonstiger Zahlungen sowie die Vereinbarung möglicher Entschädigungsleistungen und Haftungssummen Rückschlüsse auf die Kalkulation der Beigeladenen zulassen. Die Kenntnis dieser Daten, die die Gegenleistung der Beigeladenen für die ihr eingeräumten Nutzungsrechte im weitesten Sinne umschreiben, erlaubt Einblicke in das Vorgehen der Beigeladenen bei der Akquisition von Vorhabenstandorten und kann die Position der Beigeladenen im Wettbewerb mit etwaigen Konkurrenten beeinträchtigen. Der mit den branchenüblichen wirtschaftlichen Rahmendaten bei Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen vertraute Wettbewerber erlangt durch die Kenntnis der zu leistenden Zahlungen und zu erbringenden Sicherheiten einen umfassenden Einblick in die auf den konkreten Standort bezogene Kalkulation der Beigeladenen.

51

Eine darüber hinausgehende Offenbarung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen haben Beklagte und Beigeladene bislang nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass der genaue Standort der Anlagen, der Anlagentyp, die Art der Zuwegung, die Nutzungsdauer und die Möglichkeit eines Repowerings geeignet sind, die Wettbewerbsposition der Beigeladenen zu beeinträchtigen. Hierbei handelt es sich um auf die konkrete Anlage bezogene Daten, bei denen derzeit nicht ersichtlich ist, dass sie Rückschlüsse auf die Geschäftspolitik oder technisches Wissen der Beigeladenen zulassen. Dass ihr Bekanntwerden vor Abschluss des Vertrages möglicherweise die Akquisition des konkreten Standortes gefährden könnte, ist im Falle der Beigeladenen unerheblich, da ihr bereits ein verbindliches Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Das Bemühen um die Sicherung dieses Standortes ist damit abgeschlossen. Dass Rückschlüsse auf das allgemeine technische Vorgehen der Beigeladenen gezogen werden könnten, ergibt sich ebenfalls nicht in plausibler Weise aus ihren Darlegungen. Im Übrigen hat die Beigeladene selbst in ihrer Argumentation zur Frage des Vorliegens von Umweltinformationen darauf verwiesen, dass es sich bei den standort- und anlagenbezogenen Daten um Informationen handele, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ohnehin der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden müssten.

52

cc) Hinsichtlich der hiernach vorliegenden Geschäftsgeheimnisse kann nicht festgestellt werden, dass insoweit ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz, 3. Alternative LTranspG besteht. Bei den geheimzuhaltenden Informationen handelt es sich um kalkulatorische Werte, die bei der Beurteilung der Umweltrelevanz der Anlagen keine erkennbare Bedeutung entfalten. Soweit der Kläger darauf verweist, dass zu den Umweltinformationen gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 5 LTranspG auch Kosten-Nutzen-Analysen und wirtschaftliche Analysen und Annahmen gehören, lassen die geheimzuhaltenden Informationen keinen konkreten Bezug zu einer wirtschaftlichen Bewertung des Vorhabens erkennen. Insbesondere ergeben sich weder unmittelbare Hinweise auf die Wirtschaftlichkeit des konkreten Vorhabens noch auf die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen.

53

3. Besteht hiernach grundsätzlich ein Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in den zwischen Beklagter und Beigeladener geschlossenen Nutzungsvertrag, von dem jedenfalls die als Geschäftsgeheimnis anzusehenden Daten auszunehmen sind, so erweist sich die Sache dennoch nicht als spruchreif i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

54

Vielmehr bedarf es zunächst nach erneuter Anhörung der Beigeladenen einer Ermessensentscheidung der Beklagten über den genauen Umfang und die Art und Weise der Zugänglichmachung der Umweltinformationen. Die Sachaufklärungspflicht des Gerichtes erfährt insoweit eine Einschränkung, als die fehlende Spruchreife auf noch ausstehenden Ermittlungen der Behörde zurückzuführen ist und das Gesetz insoweit eine Abwägungsentscheidung des Beklagten unter Beteiligung der Betroffenen voraussetzt, so dass im Interesse einer sinnvollen Funktionsverteilung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltung die weitere Sachaufklärung vom Beklagten und nicht vom Senat zu betreiben ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 2. Juni 2006 – 8 A 10267/06.OVG –, AS 33, 248 und juris, Rn. 63; Urteil vom 30. Januar 2014 – 1 A 10999/13.OVG –, DVBl. 2014, 730 und juris, Rn. 81). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte bislang davon ausgegangen ist, dass der Nutzungsvertrag insgesamt dem Kläger nicht zugänglich gemacht werden darf, so dass es an einer differenzierten Entscheidung zum Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Teile des Vertrages fehlt.

55

Einer umfassenden Entscheidung des Gerichts steht auch der Umstand entgegen, dass die Beurteilung ohne Kenntnis der vollständigen Akte getroffen werden müsste. Sollte nämlich die Behörde der Auffassung sein, dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse durch die Zugänglichmachung der Umweltinformationen betroffen werden, so wäre dies Anlass für sie, die zuständige oberste Aufsichtsbehörde zu ersuchen, die Aktenvorlage unter Hinweis darauf zu verweigern, dass die Unterlagen nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Aktenvorlage könnte von dem in der Sachfrage zuständigen Spruchkörper nicht eigenständig geprüft werden. Vielmehr bedürfte es hierzu eines auf Antrag eines Beteiligten einzuleitenden „in camera“-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO. Der für die Sachfrage zuständige Spruchkörper ist hiernach im Gegensatz zu der Behörde an einer eigenständigen Einschätzung der zurückgehaltenen Aktenteile gehindert, solange das „in camera“-Verfahren nicht erfolgreich durchlaufen ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 30. Januar 2014, a.a.O., juris, Rn. 82).

56

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 3, 155 Abs. 1 und 162 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen teilweise für erstattungsfähig zu erklären, da diese sich durch Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat.

57

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorgesehenen Gründe vorliegt.

Beschluss

59

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 des Zehnten Buches durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren.

(2) Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

(2a) Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(3) Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

(4) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen Sozialdaten gleich.

(5) Sozialdaten Verstorbener dürfen nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches verarbeitet werden. Sie dürfen außerdem verarbeitet werden, wenn schutzwürdige Interessen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen dadurch nicht beeinträchtigt werden können.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden neben den in Absatz 1 genannten Stellen auch Anwendung auf solche Verantwortliche oder deren Auftragsverarbeiter,

1.
die Sozialdaten im Inland verarbeiten, sofern die Verarbeitung nicht im Rahmen einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt, oder
2.
die Sozialdaten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeiten.
Sofern die Absätze 1 bis 5 nicht gemäß Satz 1 anzuwenden sind, gelten für den Verantwortlichen oder dessen Auftragsverarbeiter nur die §§ 81 bis 81c des Zehnten Buches.

(7) Bei der Verarbeitung zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. Soweit nach den §§ 17 und 18 eine Vertretung stattfindet, haben nur die Vertreter Anspruch auf Akteneinsicht.

(2) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen.

(3) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten Einsicht in sicherheitstechnische Unterlagen der Beigeladenen, eines Pharmaunternehmens. Er ist Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Hotel betreibt. Für dieses Grundstück setzt der Bebauungsplan wegen der immissionsschutzrechtlichen Stellung des nahegelegenen Betriebsgeländes der Beigeladenen Nutzungsbeschränkungen fest.

2

Im Januar 2011 beantragte der Kläger auf der Grundlage des Landesinformationsgesetzes Zugang zu im Einzelnen benannten Umweltinformationen über den Betrieb der Beigeladenen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 ab: Der Antrag sei offensichtlich missbräuchlich. Denn der Kläger habe nicht nur bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion des Beklagten, sondern auch bei anderen Behörden mehrere 100 die Beigeladene betreffende Anträge auf Informationszugang gestellt. Die hohe Anzahl der Anträge habe die Arbeitskraft der Mitarbeiter der Behörden in erheblichem Umfang gebunden.

3

Auf die nach erfolglosen Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und wies die Klage im Übrigen ab: Der Kläger habe grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung der Umweltinformationen. Der Antrag erweise sich nicht als offensichtlich missbräuchlich. Ob andere Versagungsgründe vorlägen, stehe derzeit allerdings nicht fest. Insbesondere habe der Beklagte die Beigeladene zur Frage von schutzwürdigen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nicht angehört. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Verpflichtungsbegehren sei demnach nicht spruchreif.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Beteiligten zurückgewiesen. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht eine offensichtlich missbräuchliche Antragstellung verneint. Nur wenn das Handeln des die Umweltinformation Begehrenden allein durch Motive geleitet sei, die nicht die Förderung des Umweltschutzes zum Inhalt hätten, könne ein offensichtlich missbräuchlicher Antrag bejaht werden. Ein solcher Sachverhalt liege nicht vor. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht die Spruchreife verneint.

5

Gegen dieses Urteil haben der Kläger, der Beklagte und die Beigeladene die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

6

Der Kläger macht zur Begründung geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe die Sache spruchreif machen müssen. Ein Entscheidungsspielraum der Behörde bestehe weder nach Unionsrecht noch nach nationalem Recht. Anderes folge weder daraus, dass möglicherweise Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen in Rede stünden, noch im Hinblick auf die Art der Informationserteilung. Ein Bescheidungsurteil in einem Verfahren dieser Art widerspreche der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG. Danach seien dem Antragsteller die Gründe für die Ablehnung des Zugangs zu Umweltinformationen binnen zwei Monaten mitzuteilen. Daraus folge die Pflicht des Gerichts, die Sache spruchreif zu machen. Im Übrigen verteidigt der Kläger das Berufungsurteil.

7

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2013 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2012 zu verpflichten,

a) die Sicherheitstechnische Prüfung des TÜV Pfalz nach § 29a BImSchG (Ordner 11 Nr. 30) aus dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag zu dem Pharmawirkstoffbetrieb der Beigeladenen,

b) das TÜV-Gutachten Nr. AT/97/AS 2403/02 mit allen Anhängen zu dem Pharmawirkstoffbetrieb der Beigeladenen sowie

c) den Abschlussbericht des TÜV Pfalz Nr. TPA/02/AS 2403/13 zu dem Pharmawirkstoffbetrieb der Beigeladenen in Kopie zur Verfügung zu stellen,

2. die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.

8

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen,

2. die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Das Oberverwaltungsgericht habe das Landesrecht nicht gemäß der Umweltinformationsrichtlinie ausgelegt. Diese gebiete ein weiteres Verständnis des Versagungsgrundes der missbräuchlichen Antragstellung. Denn in der englischen Sprachfassung sei - wie auch in anderen Fassungen - nicht von einer "missbräuchlichen", sondern von einer "unzumutbaren" oder "unangemessenen" Antragstellung die Rede. Außerdem habe das Oberverwaltungsgericht den Begriff "offensichtlich missbräuchlich" nicht richtlinienkonform ausgelegt. Zu Unrecht habe es die Absicht gefordert, ausschließlich einen umweltrechtswidrigen Zweck zu verfolgen.

10

Die Beigeladene trägt insbesondere vor: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen einer missbräuchlichen Antragstellung widerspreche dem unionsrechtlichen Grundsatz, dass eine Vorschrift praktische Wirksamkeit entfalten solle. Das enge Verständnis des Oberverwaltungsgerichts führe zu einer grundsätzlichen Nichtanwendung des Ablehnungsgrundes.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht macht im Wesentlichen geltend: Die Vorinstanzen hätten das Merkmal des offensichtlichen Missbrauchs zutreffend im Sinne der Umweltinformationsrichtlinie ausgelegt. Dass dieser Ablehnungsgrund in der Vollzugspraxis möglicherweise leerlaufe, widerspreche der Umweltinformationsrichtlinie nicht. Denn die Schaffung und Ausgestaltung von Ablehnungsgründen seien in das Entschließungs- und Auswahlermessen des nationalen Gesetzgebers gestellt. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Prüfung sämtlicher in Betracht kommender Ablehnungsgründe veranlassen und den Beklagten und die Beigeladene zur Stellungnahme auffordern müssen. Im Anschluss daran müsse das Gericht das Vorliegen dieser Gründe selbst überprüfen. Gegebenenfalls sei ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchzuführen.

12

Während des Revisionsverfahrens ist das Landestransparenzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz (LTranspG RP) vom 27. November 2015 (GVBl. S. 383) in Kraft getreten, das neben den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes auch die des Landesumweltinformationsgesetzes ersetzt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben mit dem Ergebnis der (Teil-)Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Erfolg (2.). Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen (3.). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist die derzeit geltende Rechtslage zugrundezulegen (1.).

14

1. Rechtsänderungen, die nach Erlass des Berufungsurteils eintreten, sind im Revisionsverfahren beachtlich, wenn das Berufungsgericht, entschiede es nunmehr anstelle des Revisionsgerichts, sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. bereits BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 1954 - 5 C 97.54 - BVerwGE 1, 291 <298 ff.> und vom 1. Dezember 1972 - 4 C 6.71 - BVerwGE 41, 227 <230>; zuletzt Urteil vom 14. April 2016 - 7 C 12.14 - NVwZ 2016, 1183 Rn. 9). Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts sind die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klageantrags Geltung beimessen. Dies gilt auch für die Vorschriften des irrevisiblen Rechts. Demnach müsste das Oberverwaltungsgericht über das Verpflichtungsbegehren des Klägers nach dem am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Landestransparenzgesetz (LTranspG RP) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. November 2015 (GVBl. 2015, 383) (§ 30 Abs. 1 LTranspG RP) entscheiden. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Prüfung der Begründetheit einer Verpflichtungsklage nach Maßgabe des materiellen Rechts in der Regel der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 - BVerwGE 152, 319 Rn. 34 und Beschluss vom 30. Januar 2014 - 7 B 21.13 - juris Rn. 8; zur Prüfung von Versagungsgründen bei Informationszugangsanträgen siehe BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 33), legt § 26 Abs. 3 LTranspG RP ausdrücklich fest, dass auch über vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Anträge nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes zu entscheiden ist.

15

Der Berücksichtigung einer Änderung landesrechtlicher Bestimmungen schon auf der ersten Stufe der Prüfung der Begründetheit der Revision steht § 137 Abs. 1 VwGO nicht entgegen. Danach ist Voraussetzung für den Erfolg der Revision ein Verstoß gegen revisibles Recht, zu dem auch das Unionsrecht zählt. Daraus folgt aber nicht, dass eine Änderung des irrevisiblen Rechts im Rahmen dieser Prüfung nur dann von Bedeutung sein kann, wenn es mit dem als Maßstab heranzuziehenden revisiblen Recht im Sinne einer Vorfrage normativ verknüpft ist oder dieses zumindest berührt (siehe etwa BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1972 - 4 C 6.71 - BVerwGE 41, 227 <231>, vom 17. Dezember 1976 - 4 C 37.74 - Buchholz 445.4 § 20 WHG Nr. 1 S. 2 und vom 28. Oktober 1982 - 2 C 88.81 - NVwZ 1984, 107 <108>; vgl. auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 24; ablehnend Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 80). Auch wenn der bundes- bzw. unionsrechtliche Prüfmaßstab als solcher von der Rechtsänderung nicht tangiert wird, kann es nämlich - wie der vorliegende Fall zeigt - aufgrund der Änderung des Landesrechts an einem tauglichen Gegenstand für eine auf die derzeitige Rechtslage bezogene revisionsrechtliche Prüfung fehlen; denn das angefochtene Urteil beruht auf der Anwendung landesrechtlicher, am Maßstab des Unionsrechts zu beurteilender Vorschriften, die inzwischen aufgehoben worden sind und für den Klagantrag keine Geltung mehr beanspruchen. Der Prüfungsgegenstand wird folglich erst durch die Anwendung des geänderten irrevisiblen Rechts konkretisiert.

16

Dies zwingt das Revisionsgericht aber nicht dazu, das Landesrecht, das vom Berufungsgericht noch nicht mit Bindungswirkung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) ausgelegt worden ist, selbst anzuwenden, um auf dieser Grundlage abschließend über das Vorliegen eines Bundesrechtsverstoßes zu entscheiden (so Eichberger/Buchheister, in: Schoch, Schneider, Bier, VwGO, April 2013, § 137 Rn. 87). Vielmehr steht es auch in dieser Situation angesichts der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 563 Abs. 4 ZPO im Ermessen des Senats, selbst zu entscheiden oder die Sache zurückzuverweisen und dem Berufungsgericht die Auslegung des Landesrechts zu überlassen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3. November 1994 - 3 C 17.92 - BVerwGE 97, 79 <82 f.>). Ist Letzteres im Interesse des insoweit gegebenen grundsätzlichen Vorrangs der Landesgerichte angezeigt, erweist sich die Revision letztlich als in der Sache nicht entscheidungsreif: Der Revisionsführer kommt in den Genuss einer neuerlichen Prüfung durch das Berufungsgericht, ohne dass ein Bundesrechtsverstoß festgestellt ist (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 3.82 - juris Rn. 9 f.).

17

2. Nach diesen Grundsätzen ist auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen das angefochtene Urteil, soweit es diese beschwert, aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Landestransparenzgesetzes, das an die Stelle des Landesumweltinformationsgesetzes getreten ist, ist hier dem Oberverwaltungsgericht vorzubehalten. Dies gilt zum einen insbesondere deswegen, weil viel dafür spricht, dass die Auslegung Erwägungen des Gesetzgebers zu würdigen hat, die sich auf die bisherige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts beziehen. Zum anderen können je nach Auslegungsergebnis weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sein.

18

Den Informationszugangsantrag des Klägers hat der Beklagte unter Berufung auf den Versagungsgrund der offensichtlich missbräuchlichen Antragstellung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Landesumweltinformationsgesetz (LUIG RP) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2005 (GVBl. 2005, 484) abgelehnt. Das Landestransparenzgesetz enthält in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 eine entsprechende Bestimmung. Danach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden und die Veröffentlichung auf der Transparenz-Plattform unterbleiben, soweit und solange der Antrag offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde. Die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vorschriften sind mit Ausnahme der vom Landestransparenzgesetz gebrauchten Konjunktion "solange" im Wortlaut identisch. Die Gesetzesmaterialien zum Landestransparenzgesetz geben jedoch Anlass, ein Verständnis des Missbrauchstatbestandes in Erwägung zu ziehen, das weiter ist als das vom Oberverwaltungsgericht zum alten Recht zugrunde gelegte. Das Gericht hat den Ablehnungsgrund nur dann bejaht, wenn das Handeln des Antragstellers allein durch Motive geleitet ist, die nicht die Förderung des Umweltschutzes zum Inhalt haben. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs kann auf einen Missbrauch aber bereits geschlossen werden, wenn sich aus der Gesamtschau der Umstände des Falles ergibt, dass die Antragstellung überwiegend erfolgt, um die behördliche Arbeitskraft zu binden (LT-Drs. 16/5173 S. 45). Deshalb hat die nunmehr anwendbare Norm möglicherweise einen größeren Anwendungsbereich als die der angefallenen Entscheidung zugrunde gelegte Vorschrift. Außerdem soll der Zugangsantrag nach dem Landestransparenzgesetz bei Vorliegen der Versagungsvoraussetzungen abgelehnt werden, während er nach dem Landesinformationsgesetz abzulehnen war. Unter diesen Umständen erscheint es dem Senat sachgerecht, im Rahmen des ihm nach § 144 Abs. 3 VwGO eingeräumten Ermessens die Auslegung des neuen Missbrauchstatbestandes dem dafür in erster Linie zuständigen Berufungsgericht zu überlassen und diesem Gelegenheit zu geben, die dann gegebenenfalls erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

19

Vor dem Hintergrund des Vorbringens der Beteiligten ist zum Verständnis der für die Auslegung bedeutsamen unionsrechtlichen Vorgabe aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformationsrichtlinie - UIRL -, ABl. L 41 S. 26) auf Folgendes hinzuweisen:

20

Es spricht viel dafür, dass eine weite Auslegung des Missbrauchstatbestandes nicht im Widerspruch zur Richtlinie steht. Nach der deutschen Sprachfassung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn der Antrag offensichtlich missbräuchlich ist; der Begriff "missbräuchlich" ist u.a. durch ein subjektives, auf die Zielsetzung der Antragstellung abhebendes Element gekennzeichnet. Auch die französische Fassung enthält einen entsprechenden Tatbestand ("abusive"). In der englischen Sprachfassung ist demgegenüber nicht von einer missbräuchlichen, sondern von einer unzumutbaren oder unangemessenen Antragstellung die Rede ("unreasonable"); ein subjektives Element enthält dieses Merkmal nicht. Entsprechende Begriffe enthalten die italienische, spanische und niederländische Sprachfassung. Die Umweltinformationsrichtlinie geht auf das Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen , Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl. II S. 1251) zurück. Dort werden die unterschiedlichen Begriffe ebenfalls verwendet. Nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Aarhus-Konvention kann ein Informationsantrag u.a. dann abgelehnt werden, wenn der Antrag - nach den verbindlichen englischen und französischen Sprachfassungen (Art. 22) - "manifestly unreasonable" oder "manifestement abusive" ist.

21

Auch wenn hiernach eine weitere Auslegung von der Umweltinformationsrichtlinie gedeckt sein sollte, als sie das Berufungsgericht für den Versagungsgrund alten Rechts zugrunde gelegt hat, wird ein solches Verständnis von der Richtlinie gleichwohl nicht gefordert. Denn dem nationalen Gesetzgeber ist ausweislich des Wortlauts der einleitenden Formulierung ("Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen in folgenden Fällen abgelehnt wird:" - Art. 4 Abs. 1 UIRL) eine bestimmte Regelung nicht abschließend vorgegeben; vielmehr wird ihm eine Gestaltungsoption eröffnet, von der er in unterschiedlicher Weise Gebrauch machen kann (vgl. etwa Große, ZUR 2006, 585 <586>; Wegener, ZUR 1993, 17). Der Entscheidungsspielraum ist bei den in Art. 4 Abs. 2 UIRL aufgeführten Versagungsgründen eingeschränkt, soweit es um den Schutz von Interessen geht, die wie insbesondere die Belange Dritter in Art. 4 Abs. 2 Buchst. c Alt. 2, Buchst. d, e und f UIRL von der Unionsrechtsordnung auch anderweitig geschützt sind (vgl. zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. c Alt. 2 UIRL im Lichte von Art. 47 Abs. 2 GRC EuGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 - C-329/13 [ECLI:EU:C:2014:815], Stefan - Rn. 34). Bei den Versagungsgründen nach Art. 4 Abs. 1 UIRL sind solche Schranken indes nicht zu beachten. Dem nationalen Gesetzgeber kommt daher eine Wahlfreiheit zu, ob er den gemäß Art. 3 Abs. 1 UIRL grundsätzlich zu gewährenden Zugangsanspruch nach Maßgabe der in Art. 4 Abs. 1 UIRL aufgeführten Gründe beschränkt. Er bewegt sich demnach auch dann innerhalb der vom Unionsrecht gesetzten Grenzen, wenn er einen Missbrauchstatbestand schafft, der in der Vollzugspraxis weitgehend leerläuft. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache "Flachglas Torgau" (Urteil vom 14. Februar 2012 - C-204/09 [ECLI:EU:C:2012:71]) nicht, dass auch fakultative Ausnahmevorschriften am Gebot der praktischen Wirksamkeit einer Regelung zu messen seien. Der Europäische Gerichtshof hatte in der genannten Entscheidung u.a. über die Auslegung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit einer einschränkenden Fassung des Begriffs der "Behörde" in Art. 2 Nr. 2 Satz 2 UIRL zu befinden. Ausweislich der Ausführungen in Rn. 38 des Urteils (im Anschluss hieran auch Urteil vom 18. Juli 2013 - C-515/11 [ECLI:EU:C:2013:523], Deutsche Umwelthilfe - Rn. 22) geht es indessen dort allein um die Bestimmung und die Festlegung der Reichweite und folglich der Grenzen der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme.

22

Zudem geht die Wahlmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers nicht allein dahin, den Ablehnungsgrund in seiner Gesamtheit zu übernehmen oder darauf zu verzichten. Vielmehr kann er den Versagungsgrund, selbst wenn Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL gemäß der englischen Sprachfassung weit zu verstehen sein und generell unzumutbare Zugangsbegehren umfassen sollte, auch in einem engen Verständnis als Missbrauchstatbestand normieren und damit im Sinne einer Teilmenge des Merkmals "unangemessen oder unzumutbar" im Sinne von "unreasonable". Außerdem ist der Gesetzgeber frei, den Ausnahmetatbestand so auszugestalten, dass er nicht nur die ausschließliche, sondern - jedenfalls - auch die weit überwiegende Verfolgung sachfremder, also den Zielen der Umweltinformationsrichtlinie zuwiderlaufender Intentionen umfasst. Dass ausschließlich sachfremde Zwecke verfolgt werden, wird sich so gut wie nie belegen lassen. Es liegt deshalb auf der Hand, dass der Richtliniengeber die den Mitgliedstaaten eröffnete Gestaltungsmöglichkeit nicht derart einschränken wollte.

23

3. Über die Revision des Klägers kann der Senat abschließend entscheiden. In dieser Hinsicht bedarf es nicht der Zurückverweisung zur Klärung der Auslegung der nunmehr einschlägigen Vorschriften des Landestransparenzgesetzes. Diese haben sich, jedenfalls soweit für die mit der Revision aufgeworfene Frage erheblich, im Vergleich zu den Bestimmungen des Landesumweltinformationsgesetzes der Sache nach nicht geändert. Bei ihrer Auslegung sind landesrechtliche Besonderheiten nicht ersichtlich, vielmehr hat sie sich an (bundes-)verfassungsrechtlichen Vorgaben auszurichten.

24

Die Abweisung des Verpflichtungsbegehrens verstößt auch unter der geänderten Rechtslage nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Bei dem hier in Rede stehenden Versagungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 LTranspG RP) kommt im jetzigen Verfahrensstand im Einklang mit § 113 Abs. 5 VwGO lediglich ein Bescheidungsurteil in Betracht (a). Unionsrecht steht dem nicht entgegen (b).

25

a) aa) Die für den Erlass eines Verpflichtungsurteils erforderliche Spruchreife fehlt insbesondere dann und kann vom Gericht auch nicht hergestellt werden, wenn der Verwaltung bezüglich der begehrten Entscheidung ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1992 - 3 C 51.88 - BVerwGE 90, 18 <24>). Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist dieser Hauptanwendungsfall des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO hier indessen nicht einschlägig. Denn ein behördlicher Entscheidungsspielraum ist nicht gegeben.

26

(1) Das Oberverwaltungsgericht bejaht hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle mit der Erwägung, dass die Frage der Wettbewerbsrelevanz eine auf die Zukunft bezogene Beurteilung erfordere, die nur auf Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüft werden könne. Dieser Rechtsansicht ist nicht zu folgen. Ein behördliches Letztentscheidungsrecht, das wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG immer der Rechtfertigung bedarf (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 - Buchholz 406.25 § 6 BImSchG Nr. 6 Rn. 15), ist insoweit nicht anzuerkennen. Denn allein der Umstand, dass ein Tatbestandsmerkmal eine prognostische Bewertung voraussetzt, schränkt die gerichtliche Kontrolle nicht ein (siehe etwa zu polizeirechtlichen Gefahrenprognosen BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 33 m.w.N.). Der Hinweis auf eine Überprüfung anhand von Kategorien wie Plausibilität und Nachvollziehbarkeit bezeichnet zunächst nur allgemeine Grenzen menschlicher Erkenntnismöglichkeiten bei zukunftsgerichteten Entscheidungen.

27

Aus der Rechtsprechung des Senats zu den Versagungsgründen des Informationsfreiheitsgesetzes ergibt sich nichts anderes. Die eingeschränkte Überprüfung des Versagungsgrundes nach § 3 Nr. 1 Buchst. a Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) (nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen) folgt aus der Eigenart des Schutzguts und dem hierauf bezogenen Beurteilungsspielraum bzw. der Einschätzungsprärogative der Regierung (siehe BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff.). Demgegenüber ist der Senat nicht davon ausgegangen, dass die Gerichte bei der Prüfung der Versagungsgründe nach § 3 Nr. 6 oder § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG an ihre Funktionsgrenzen stoßen mit der Folge, dass Entscheidungsspielräume der Verwaltung zu respektieren wären (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 32 ff. und - 7 C 18.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 13 Rn. 20). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 6 Satz 2 IFG (Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen) hat er ohne weitere Ausführungen festgestellt, dass der Regelfall einer vollen gerichtlichen Überprüfung vorliegt (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 35). Wenn der Senat jeweils auf eine nachvollziehende Kontrolle abgestellt hat, erklärt sich das durch das Erfordernis der besonderen Darlegungsanforderungen an das Vorliegen eines Versagungsgrundes.

28

(2) Entgegen den auf § 5 Abs. 3 LUIG RP bezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts begründet die an dessen Stelle getretene Bestimmung des § 12 Abs. 2 LTranspG RP über den Umfang des Informationszugangs bei einem Teilanspruch keinen Entscheidungsspielraum der Behörde. Sowohl die Entscheidung über die Trennbarkeit von geschützten und nicht geschützten Informationen im Sinne der Möglichkeit einer faktischen Aussonderung als auch die Frage eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 23 f.).

29

(3) Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum ist der Behörde schließlich auch durch § 16 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 17 LTranspG RP nicht eingeräumt. Danach ist bei Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eine Abwägungsentscheidung zu treffen, ob die geschützte Information gleichwohl herausgegeben werden soll. Bei der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 5 Abs. 1 IFG geht der Senat von einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Abwägungsentscheidung aus (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 25).

30

bb) Der grundsätzlichen Verpflichtung zur Herstellung der Spruchreife kann das Gericht aber auch im Hinblick auf die Besonderheiten der Sachverhaltsermittlung enthoben sein. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass "steckengebliebene Verwaltungsverfahren" gerade bei Komplexität der noch zu klärenden - insbesondere technisch-naturwissenschaftlichen - Fragen nicht durch das Gericht zu einem Abschluss gebracht werden sollen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 52.87 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 36). Schließlich können auch Fallgestaltungen, in denen gebotene besondere Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt worden sind, den Erlass eines Bescheidungsurteils rechtfertigen (siehe Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 197 f.; so auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 430 und Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 101).

31

Zu solchen besonderen Verfahren zählt nach der Rechtsprechung des Senats auch das dem Schutz geheimhaltungsbedürftiger Informationen dienende Drittbeteiligungsverfahren, das hier in § 16 Abs. 2 LTranspG RP geregelt ist (zum IFG BVerwG, vgl. Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 - NVwZ 2015, 823 Rn. 13 und vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 39; zum UIG Urteil vom 18. Oktober 2005 - 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1 Rn. 28 zu personenbezogenen Daten des Beigeladenen).

32

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Gericht sich der Unterstützung der mitwirkungspflichtigen Behörde bedienen darf, um die Sache spruchreif zu machen (BVerwG, Urteil vom 2. Mai 1984 - 8 C 94.82 - BVerwGE 69, 198 <201>). Dies liefe hier darauf hinaus, die Sachaufklärung wegen der Irreversibilität einer Offenlegung von Informationen zur Wahrung des Geheimnisschutzes zunächst auf die Behörde zu delegieren. Es leuchtet nicht ein, dass eine solche Verfahrensweise gerade ihren Ort im Rahmen eines Gerichtsverfahrens haben sollte, das im Hinblick darauf jedenfalls faktisch ausgesetzt würde.

33

b) Dieses Verständnis der nationalen Rechtslage ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben über die Verfahrensgestaltung vereinbar.

34

Die Umweltinformationsrichtlinie enthält in Art. 6 Abs. 2 und 3 nur allgemeine Vorschriften über das gerichtliche Überprüfungsverfahren. Die Anforderungen in Absatz 3 bestimmen die Verbindlichkeit von Gerichtsentscheidungen sowie Entscheidungen einer vergleichbaren unabhängigen und unparteiischen Stelle für die Behörde, die über die Information verfügt, und stehen hier nicht in Rede. Nach Absatz 2 unterliegt die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens, auch soweit es um den Schutz der dem Rechtsuchenden aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte geht, grundsätzlich der eigenständigen Entscheidung der Mitgliedstaaten. Diese Verfahrensautonomie ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Die gerichtlichen Verfahren dürfen nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz; vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2013 - C-416/10 [ECLI:EU:C:2013:8], Križan - Rn. 85 ff. und vom 18. Februar 2016 - C-49/14 [ECLI:EU:C:2015:746], Finanmadrid - Rn. 41).

35

Der Grundsatz der Äquivalenz ist nicht verletzt, weil sich die Überlegungen zur Spruchreife an den zum Informationsfreiheitsgesetz entwickelten Vorgaben ausrichten und die unionsrechtlich geregelten Informationszugangsansprüche deshalb nicht schlechter behandelt werden.

36

Das Effektivitätsgebot steht dem Erlass eines Bescheidungsurteils ebenso wenig entgegen. Der Zugang zu Umweltinformationen hat, soll er die ihm zugedachte Funktion wirksam erfüllen, zeitnah zu erfolgen. Dem dienen die in Art. 3 Abs. 2 UIRL für das behördliche Verfahren normierten Entscheidungsfristen. Danach sind Umweltinformationen dem Antragsteller spätestens innerhalb eines Monats und bei besonders umfangreichen und komplexen Informationen innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags zugänglich zu machen (so auch Art. 4 Abs. 2 der Aarhus-Konvention); diese Fristen sind zwingend und haben nicht lediglich Hinweischarakter (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-186/04 [ECLI:EU:C:2005:248], Housieaux - Rn. 29 zu Art. 3 Abs. 4 der Vorgängerrichtlinie 90/313/EWG). Für das verwaltungsinterne Überprüfungsverfahren schreibt Art. 6 Abs. 1 Satz 2 UIRL vor, dass es zügig abgewickelt werden muss. Für das gerichtliche Verfahren, für das eine entsprechende Normierung fehlt, ist diesem Anliegen durch den allgemeinen aus Art. 19 Abs. 4 GG fließenden Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit hinreichend Genüge getan (zur Berücksichtigungsfähigkeit solcher dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegenden Grundsätze vgl. EuGH, Urteil vom 18. Februar 2016 - C-49/14, Finanmadrid - Rn. 44 sowie Schlussanträge vom 19. April 2012 der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-416/10 [ECLI:EU:C:2012:218], Križan - Rn. 155). Denn dieser hindert nicht, den Erfordernissen einer funktionsadäquaten Aufgabenverteilung zwischen Gericht und Behörde Rechnung zu tragen. Dass das nach Erlass des Bescheidungsurteils anstehende Verfahren von der Behörde dann vordringlich zu behandeln ist, versteht sich von selbst.

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Ob eine abweichende Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Effektivitätsgrundsatz dann in Betracht kommt und jegliche Verzögerungen durch den Verzicht auf eine abschließende gerichtliche Entscheidung sich verbieten, wenn bereits das behördliche Verfahren fehlerhaft abgelaufen und damit die wesentliche und fortdauernde Ursache für eine weiter wachsende Verfahrensdauer gelegt worden ist, kann dahinstehen. Denn solche Verfahrensverstöße sind auch bei Würdigung der Vorschriften der Umweltinformationsrichtlinie nicht festzustellen.

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Eine Pflicht der Behörde, bei der Prüfung eines Informationszugangsantrags alle (ernsthaft) in Betracht kommenden Versagungsgründe gleichsam vorsorglich zu prüfen und somit in der vorliegenden Fallkonstellation auch das Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen. Der vom Kläger angeführte Art. 3 Abs. 4 UIRL, der allein die Form des Informationszugangs betrifft, ist schon nicht einschlägig. Art. 4 Abs. 5 Satz 2 UIRL gibt hierfür ebenfalls nichts her. Er normiert lediglich eine verfahrensrechtliche Begründungspflicht; die tragenden Gründe für die Verweigerung der Information sind anzugeben. Zu einer vermeintlichen Pflicht, eine "überschießende" materiell-rechtliche Prüfung vorzunehmen, verhält sich die Vorschrift nicht. Ein solches Gebot folgt auch nicht aus Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL, wonach - selbst beim Versagungsgrund des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL - das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abzuwägen ist. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Aus seinem Urteil vom 28. Juli 2011 (- C-71/10 [ECLI:EU:C:2011:525], Office of Communications - Rn. 28) folgt nur, dass in die Abwägung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL auch mehrere Versagungsgründe kumuliert eingestellt werden können. Daraus ergibt sich aber nicht, dass im Interesse einer etwa geforderten umfassenden Aufbereitung des Abwägungsmaterials alle in Betracht zu ziehenden Versagungsgründe zwingend geprüft werden müssten. Denn damit würde die spezifische Zweckrichtung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL verkannt. Dieser Versagungsgrund soll gerade die Arbeitsfähigkeit der Behörde, das effektive behördliche Handeln sichern (für das UIG BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 34 f.; vgl. Klein, Umweltinformation im Völker- und Europarecht, 2013, S. 373). Dieses Anliegen ginge ins Leere, wenn die Behörde gleichwohl vorsorglich weitere und gegebenenfalls aufwendige materiell-rechtliche Prüfungen vornehmen müsste.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.