Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 20. Apr. 2016 - 4 K 262/13

bei uns veröffentlicht am20.04.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) weitere Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten und die Löschung dieser Daten.
Ein erstes Auskunftsersuchen des Klägers vom 08.03.2002 beschied das Landesamt unter dem 13.05.2002 bestandskräftig. Im Bescheid führte es im Zeitraum zwischen dem 06.06.1992 und dem 20.01.2001 insgesamt 15 Ereignisse auf, in deren Zusammenhang der Kläger als Mitglied der linksextremistischen Szene mit personenbezogenen Daten gespeichert ist.
Mit Schreiben vom 06.05.2010 beantragte der Kläger beim Landesamt erneut Auskunft bezüglich der über seine Person gespeicherten Daten und die anschließende Löschung dieser Daten. Mit Bescheid vom 21.09.2010 teilte das Landesamt dem Kläger mit, dass er beim Landesamt seit den 1990-er Jahren bekannt sei. Seit dieser Zeit nehme er regelmäßig an Veranstaltungen und demonstrativen Aktionen linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen zu Themen wie „Antifaschismus“, „Antirepression“, „Antirassismus“, „Antimilitarismus“ und „Erhalt autonomer Zentren“ teil. Er sei als Mitglied der linksextremistischen Organisationen Rote Hilfe e.V. (im Folgenden: RH) und Antifaschistische Initiative Heidelberg (im Folgenden: AIHD) bekannt. In letzter Zeit seien über ihn insbesondere folgende Ereignisse angefallen:
- Sie sind in der Broschüre der linksextremistisch beeinflussten Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Kreisvereinigung Heidelberg über die Geschichte der Mannheimer Lechleiter-Widerstandsgruppe als Mitverfasser genannt.
- Sie wurden am 09.07.2006 in der räumlichen Nähe eines in der R. D. Straße in Heidelberg besetzten Gebäudes festgestellt.
- Sie übermittelten an die linksextremistisch beeinflusste Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten eine am 23.03.2007 verfasste Erklärung (Danke für Eure Solidarität), welche in den Antifa Nachrichten, Nr. 1, Mai 2007 neben dem Beitrag „Erfolg der Solidarität: Neuauflage der Berufsverbote gescheitert!“ veröffentlicht wurde.
- Sie waren Unterzeichner einer überregionalen Unterschriftenaktion des „Solidaritätskomitees gegen Berufsverbote“ aus dem Jahr 2007 unter dem Slogan „10.000 Stimmen gegen Berufsverbote“.
- Sie haben in den Antifa Nachrichten, Nr. 3, Oktober 2007 einen Artikel mit dem Titel „Ein großartiger Sieg gegen Berufsverbote“ veröffentlicht.
- Laut einem Bericht auf der Internetseite „de.indymedia.org“ vom 06.11.2007 haben Sie als Angehöriger der linksextremistischen AIHD bei der alljährlichen „Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus“, die am 01.11.2007 unter anderem von linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Organisationen durchgeführt wurde, die Hauptrede auf dem Heidelberger Bergfriedhof gehalten.
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- Am 12.01.2008 übermittelten Sie beim „13. Antifaschistischen Jugendtreffen der VVN-BdA“ in Berlin die Grüße für den Bundesvorstand der linksextremistischen RH und warnten dabei vor den Folgen der Kriminalisierung des „Antifaschistischen Widerstands“.
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- Laut dem Artikel „Gedenkfeier in Heidelberg: Zusammenarbeit gegen rechts, gegen Krieg für die Demokratie“ aus den Antifa Nachrichten, Nr. 4, Dezember 2008 haben Sie am 01.11.2008 auf dem Heidelberger Bergfriedhof bei der „Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus“ als Angehöriger der linksextremistischen AIHD ein Grußwort übermittelt. An der Veranstaltung nahmen Angehörige linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen teil.
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- Sie haben als Versammlungsleiter am 18.12.2009 bei der Stadtverwaltung Heidelberg eine Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit Mumia Abu-Jamal - Weltweit gegen die Todesstrafe“ für den 30.01.2010 angemeldet.
13 
- Sie haben für den 04.06.2010 eine Kundgebung unter dem Motto „Gegen reaktionäre Männerbünde! 200 Jahre Corps Suevia sind genug“ auf dem Heidelberger Marktplatz angemeldet. Dort hielten sie einen Redebeitrag und beendeten anschließend die Kundgebung.
14 
Im Beschied hieß es ferner, dass weitere Auskünfte dem Kläger nicht erteilt werden könnten und eine Begründung hierfür gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LVSG unterbleibe. Die gespeicherten Daten seien weiterhin für die Aufgabenerfüllung erforderlich, sodass dem Antrag auf Löschung der Daten nicht entsprochen werden könne.
15 
Auf den vom Kläger gegen den Bescheid des Landesamts vom 21.09.2010 erhobenen Widerspruch teilte das Landesamt mit Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 17.12.2012 nachfolgende weitere Erkenntnisse mit:
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- Am 02.04.2010 nahmen Sie in Heidelberg an einem Ostermarsch teil. Zu dieser Veranstaltung riefen unter anderem linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen auf.
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- Am 30.04.2010 nahmen Sie am „Antifaschistischen Straßenfest“ in Heidelberg teil.
18 
- Am 01.11.2010 nehmen Sie in Heidelberg an einer von der AIHD und der VVN-BdA veranstalteten Kundgebung teil. Dabei hielten Sie namens der AIHD eine Rede.
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- Am 14.11.2010 beteiligten Sie sich in Heidelberg an einer linksextremistischen Protestkundgebung unter dem Motto „Nie mehr Faschismus, nie wieder Krieg“. Die Veranstaltung wurde unter anderem von der AIHD durchgeführt.
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- Am 30.04.2011 nahmen Sie am „Antifaschistischen Straßenfest“ in Heidelberg teil.
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- Am 22.07.2011 nahmen Sie in Heidelberg an einer Demonstration teil, für die die linksextremistische „Anarchistische Gruppe Mannheim“ warb und an der insbesondere Linksextremisten mitwirkten.
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- Sie verfassten das Vorwort für die im Oktober 2011 erschienene Publikation „Genossenschutz - Die Rote Hilfe in West-Berlin 1969 bis 71“. Herausgeber sind die linksextremistische Organisation RH und der Verein „Hans Litten - Archiv e.V..“
23 
- Am 17.12.2011 nahmen Sie in Heidelberg an der linksextremistisch geprägten „Demo gegen Spitzel und für eine freie Gesellschaft“ teil, die zum Abschluss der „Aktionswoche gegen Spitzel“ stattfand.
24 
- Als Mitglied des „InitiatorInnenkreises 40 Jahre Berufsverbot - Betroffene fordern: Endlich Aufarbeitung und Rehabilitierung!“ forderten Sie laut der Website: www.kommunisten.de (Stand: 20. Januar 2012) die Öffentlichkeit dazu auf, zum Jahrestag des Radikalenerlasses selbst aktiv zu werden und in Presseerklärungen und Initiativen die Aufarbeitung dieser unrühmlichen Vergangenheit einzufordern. Im Aufruf „28. Januar 2012: 40 Jahre Berufsverbot - Betroffene fordern: Endlich Aufarbeitung und Rehabilitierung!“ werden Sie unter „Erstunterzeichner innen“ namentlich genannt.
25 
- Am 18.02.2012 nahmen Sie in Worms/Rheinland-Pfalz an einer Demonstration gegen Rechtsextremisten teil und versuchten, innerhalb einer Personengruppe eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen.
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- Am 30.04.2012 nahmen Sie am „Antifaschistischen Straßenfest“ in Heidelberg teil.
27 
- Am 01.05.2012 nahmen Sie in Mannheim-Neckarau an einer Demonstration teil, die sich gegen eine Kundgebung der NPD richtete.
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- Sie meldeten für den 24.07.2012 eine Kundgebung in Heidelberg unter dem Motto „Gegen Spitzel und Überwachungsstaat! Gegen die Vertuschung des Heidelberger Polizeiskandals!“ an.
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Im Übrigen wies das Landesamt den Widerspruch mit folgender Begründung zurück: Der Kläger sei als Mitglied und Aktivist der linksextremistischen Organisationen RH und AIHD bekannt. Bezüglich dieser Organisationen lägen tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 LVSG vor. Soweit sich der Kläger auf die Ausführungen im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2007 (4 S 1805/06 - NvWZ-RR 2008, 149) berufe, in dem über seinen Antrag auf Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg entschieden worden sei, habe dieses Urteil keine Präjudizwirkung. Rechtsgrundlage für die Erhebung und Speicherung von Daten durch das Landesamt sei nicht wie im Verfahren vor dem VGH Baden-Württemberg das Landesbeamtengesetz, sondern das Landesverfassungsschutzgesetz Baden-Württemberg. Daher könnten die Ausführungen des VGH zur Verfassungstreue des Klägers auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden.
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Auch eine Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten komme nicht in Betracht. Die hier erfassten Daten seien auf Grundlage von § 14 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 LVSG zulässigerweise gespeichert worden und sie seien auch weiterhin für die Aufgabenerfüllung des Landesamts erforderlich. Die in § 14 Abs. 3 Satz 2 LVSG genannten Löschungsfristen würden erst mit der letzten gespeicherten relevanten Information beginnen. Danach seien die Voraussetzungen für eine Löschung nicht erfüllt. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 19.12.2012 zugestellt.
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Der Kläger hat am 14.01.2013 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28.01.2013 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen.
32 
Auf entsprechende Aufforderung zur Aktenvorlage hat das Landesamt - auf Grundlage einer Sperrerklärung des Innenministeriums vom 30.10.2013 nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO - zum vorliegenden Streitgegenstand eine Verfahrensakte bestehend aus den Aktenseiten 1 bis 483 vorgelegt. Dieser Aktenbestand enthält teilweise Schwärzungen, Teile der Akten werden im Hinblick auf die Sperrerklärung überhaupt nicht vorgelegt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18.03.2014 beantragt festzustellen, dass die Verweigerung der Vorlage von Akten nicht rechtmäßig sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 11.02.2015 hat er diesen Antrag wieder zurückgenommen.
33 
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger unter anderem Folgendes geltend: Das Landesamt habe bezüglich der über seine Person gespeicherten Daten bislang nur unvollständig Auskunft erteilt und dementsprechend auch nicht die vollständigen Akten vorgelegt. Ihm sei zwar mit Bescheid vom 13.05.2002 Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten bis zu diesem Zeitpunkt erteilt worden, eine Auskunft für den nachfolgenden Zeitraum bis zum 31.12.2005 sei aber auch im vorliegenden Verfahren nicht erfolgt. Dass eine entsprechende Auskunft auch für diesen Zeitraum für das Landesamt mit einem nicht leistbaren Verwaltungsaufwand verbunden sei, sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen bestehe keine Rechtsgrundlage, um eine Auskunft im Hinblick auf einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu beschränken. Der Vortrag des Landesamts, über ihn gebe es keine „Personenakte“ bzw. die über ihn gesammelten Erkenntnisse befänden sich ausschließlich in sogenannten Sachakten über die AIHD und die RH, sei nicht nachvollziehbar und vom Landesamt auch nicht plausibel dargelegt worden.
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Er - der Kläger - habe jedenfalls Anspruch auf Löschung sämtlicher über ihn seit Anfang der 90-er Jahre gespeicherten Daten und - soweit die Daten in Akten enthalten seien - auf Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks nach § 14 Abs. 4 LVSG. Die Einschätzung des Landesamts, die beiden Organisationen AIHD und RH, denen er angehöre, seien linksextremistisch bzw. als verfassungsfeindlich im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 LSVG zu qualifizieren, halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen und Aktivitäten für die beiden genannten Organisationen bewegten sich im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung. Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2007 biete er die Gewähr der Verfassungstreue und sei deshalb in den Schuldienst des Landes übernommen worden.
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Soweit in den vom Landesamt zitierten Verlautbarungen der Organisationen AIHD und RH deutliche Kritik an den politischen und wirtschaftlichen Zuständen in der Bundesrepublik Deutschland geübt werde, begründe dies keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien. Bei den Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht als wesentlich für die freiheitliche demokratische Grundordnung angesehen habe, handele es sich um normative Vorgaben und nicht um die Beschreibung einer allzeit lückenlos vorhandenen Realität. Allein die Behauptung, eine Realität (Verfassungswirklichkeit) weiche von der Norm (Verfassungstext) ab, sei - unabhängig davon, ob sie zutreffe - nicht a priori als Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung zu werten, sondern könne je nach den Umständen auch als Ausdruck einer verfassungstreuen Sensibilität gegenüber Normverletzungen angesehen werden.
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Das Landesamt komme zu dem Ergebnis, dass die Autonomen Staat und Kapitalismus grundsätzlich ablehnten und eine revolutionäre Politik verträten. Nach Auffassung des Landesamts negierten die Autonomen unter Inanspruchnahme des angeblichen Rechts auf Selbsthilfe gegen Rechtsextremisten letztlich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und staatlicher Stellen, soweit diese Selbsthilfe illegale Formen einschließe. Das Landesamt habe aber eine Identität oder eine etwaige Schnittmenge zwischen den Autonomen und den beiden hier zu beurteilenden Organisationen nicht nachgewiesen. Soweit das Landesamt zutreffend die Tatsache referiere, dass bei Demonstrationen immer wieder ein „Schwarzer Block“, der wohl zu Recht den Autonomen zugerechnet werden könne, Gewalttaten verübe, sei dies für ihn, dem solche Handlungen auch vom Landesamt nicht vorgeworfen würden, unerheblich. Zwar gehörten nach einer Selbstdarstellung der AIHD, in der das politische Spektrum ihrer Mitglieder beschrieben würde, auch die Autonomen - neben vielen anderen Richtungen - der Vereinigung an. Auch wenn Autonome als Individuen Mitglieder der AIHD seien, ergebe sich daraus im Umkehrschluss nicht, dass die AIHD Mitglied der Autonomen sei.
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Auch soweit das Landesamt die Gegnerschaft der AIHD zum „bürgerlich-kapita-listischen“ System der Bundesrepublik Deutschland als Systemgegnerschaft interpretiere, gehe dies fehl. Das Grundgesetz sei nicht auf eine einzige Eigentumsordnung festgelegt. Deshalb könne sowohl eine sozialistische als auch eine kapitalistische Wirtschaftsordnung in seinem Rahmen Platz finden, wenn die Normen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eingehalten würden. Systemgegnerschaft sei danach nicht automatisch Gegnerschaft zu dieser Ordnung.
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Im Übrigen müsse unter System nicht die Verfassungsnorm, sondern die gesellschaftliche Realität der bundesrepublikanischen Gesellschaft verstanden werden. Nach den Verlautbarungen der AIHD und der RH sei die Systemgegnerschaft auf diese Weise zu verstehen. Auch die Verwendung der Vokabel „revolutionär“ gebe noch keinen Aufschluss über die Haltung zur Verfassung. Der Revolutionsbegriff sei vielfältig und lasse auch gewaltfreie Interpretationen ohne Weiteres zu.
39 
Soweit sich das Landesamt als Beleg für eine verfassungsfeindliche Gewaltbereitschaft der AIHD auf einen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.10.2012 stütze, scheide dieses Dokument als Beleg für die Beweisführung aus. Es sei nicht ersichtlich, dass das Landesamt den Wahrheitsgehalt dieses Artikels überprüft habe. Auch sofern die Aussagen der vom Redakteur des Artikels interviewten Mitglieder der AIHD korrekt wiedergegeben sein sollten, enthielten sie keine Bekenntnisse zu Gewalttaten gegenüber der Polizei. Als Aktionen würden lediglich genannt: „Einen Reisebus von Neonazis mit besonders übelriechender Buttersäure unbenutzbar gemacht. Ein Geschäft der unter Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar mit Farbbeuteln beworfen. Skinheads, die ein Punkkonzert stürmen wollten, mit Stuhlbeinen verprügelt.“ Soweit danach Straftaten benannt worden seien, würden diese von einem Gericht wohl als Verstoß gegen das Strafgesetzbuch, nicht aber gleich als Verstoß gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung geahndet werden. Soweit von den Mitgliedern der AIHD angeführt worden sei, sie seien nicht bereit, jedem Befehl eines Polizisten zu folgen, rechtfertige auch dies keine abweichende Einschätzung. Diese Aussage sei nicht per se ein Merkmal von Verfassungsfeindlichkeit, sondern häufig eine Form andersartiger Renitenz, unabhängig davon, ob sie zu billigen sei oder nicht. Auch die Frage der Gewalt, die nach Auffassung eines zitierten Gesprächsteilnehmers der AIHD nicht in jeder denkbaren Situation tabu sein solle, sei nicht eindeutig geklärt, wie zum Beispiel die Diskussion unter Staatsrechtlern zum Widerstandsrecht gemäß Art. 20 Abs. 4 GG zeige.
40 
Die Aktionen der AIHD gegen rechtsextremistische Auftritte seien keine Indizien für Feindschaft gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern Beispiele für demokratisches bürgerschaftliches Engagement. Zu Unrecht beanstande das Landesamt auch das sogenannte „Outing“ von tatsächlichen oder vermutlichen Rechtsextremisten, zu dem sich auch die AIHD bekenne. Unabhängig davon, ob eine solche Vorgehensweise in der Sache berechtigt sei oder nicht, erschließe sich nicht, wie aus dem „Outing“ ein Argument für eine Gegnerschaft gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hergeleitet werden könne.
41 
Zu Unrecht meine das Landesamt ferner, mit seiner zusammenfassenden Stellungnahme „Zur Verfassungsfeindlichkeit der Roten Hilfe e.V.“ dies auch belegen zu können. Die RH sei ohne Zweifel eine antikapitalistische Organisation mit marxistischem Vokabular, die davon ausgehe, staatliches Handeln sei in der Bundesrepublik Deutschland von kapitalistischen Interessen geleitet, sodass in dieser einheitlichen Determinierung von Legislative, Exekutive und Judikative deren Gewaltenteilung illusorisch sei. Man könne diese These für falsch halten. Sie sei jedoch keine Absage an die Norm der Gewaltenteilung, sondern enthalte lediglich die Behauptung, dass diese Norm in der bundesrepublikanischen Realität nicht eingehalten werde. Fehl gehe deshalb die Aussage des Landesamts, die RH richte sich gegen das Prinzip der Gewaltenteilung.
42 
Danach gebe es keine belegbaren oder gar nachgewiesenen Anhaltspunkte für Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung durch seine Person, sodass seine Beobachtung unzulässig sei. Unabhängig von diesen Ausführungen müssten die in den streitgegenständlichen Bescheiden des Landesamts im Einzelnen aufgeführten Erkenntnisse auch deshalb gelöscht werden, weil sich diese Aktivitäten im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung bewegten; so könne aus seiner Teilnahme beispielsweise am Ostermarsch kein Anhaltspunkt für eine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung abgeleitet werden. Dementsprechend dürfe dies nicht gespeichert werden, die Information sei allenfalls als unwichtig zu bewerten. Jedenfalls unwichtige Informationen müssten - unabhängig von der Zulässigkeit einer Datenerhebung - gelöscht werden.
43 
Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Verfassungsschutz vom 21.09.2010 und dessen Widerspruchsbescheids vom 17.12.2012 zu verpflichten,
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1. ihm vollständig Auskunft über die zu seiner Person in Personenakten und in Systemen der elektronischen Datenerfassung und -verarbeitung gespeicherten Daten zu erteilen;
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2. hilfsweise ihm über zu seiner Person im Zeitraum vom 13.05.2002 bis zum 31.12.2005 gespeicherte personenbezogene Daten Auskunft zu erteilen;
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3. die über ihn laut Auskunft in den Bescheiden des Landesamts für Verfassung vom 13.05.2002, 21.09.2010 und 17.12.2012 gespeicherten Daten zu löschen bzw. - soweit diese Daten in Akten enthalten sind - hierfür einen Sperrvermerk einzutragen;
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4. im Übrigen alle ansonsten über ihn in Dateien gespeicherten Daten zu löschen und Daten - soweit sie in Akten enthalten sind - mit einem Sperrvermerk zu versehen.
49 
Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
51 
Zur Begründung trägt es wie folgt vor: Der Kläger gehöre unstreitig zur AIHD und damit zu einer autonomen Gruppierung, die Teil des linksextremistischen Spektrums sei. In der Politikwissenschaft gelte der Begriff des „Extremismus“ als eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen, die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wüssten. Zu diesen Minimalbedingungen gehörten die Gewaltenteilung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Volkssouveränität. Die Teile der linksextremistischen Szene, die aktuell zur Anwendung extremistisch motivierter Gewalt neigten, kämen in erster Linie aus der Bewegung der Autonomen. Autonome lehnten Staat und Kapitalismus grundsätzlich ab und stritten für eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“. Autonome hätten sich unter anderem den Kampf „auf allen Ebenen und mit allen Mitteln“ gegen Rechtsextremisten auf die Fahne geschrieben. Gegenüber dem bürgerlichen Spektrum reklamierten sie für sich, als einzige direkt, konkret und effektiv gegen „Nazis“ vorzugehen. Entstanden in den 1980-er Jahren definiere sich „autonomer Antifaschismus“ vor allem durch praktizierte Militanz als Unterscheidungsmerkmal zu anderen - auch linksextremistischen - Antifaschisten. Die Inanspruchnahme des angeblichen Rechts auf Selbsthilfe gegen Rechtsextremisten negiere letztlich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und staatlicher Stellen, soweit diese illegale Formen einschließe. Es gehe darum, jegliches Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit - auch mittels Blockaden und direkter Konfrontation mit „Nazis“, auch unter Anwendung von Gewalt - zu verhindern. Rechtsextremisten werde damit das Recht auf die Wahrnehmung von Grundrechten abgesprochen und durch gezielte Aktionen faktisch vereitelt. In diesem Zusammenhang würden auch durch gezielte „Outing“-Aktionen Persönlichkeitsrechte der betroffenen Rechtsextremisten missachtet.
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Vor diesem Hintergrund sei auch die AIHD auf Grundlage ihrer Selbstdarstellung aus dem Jahr 2008 und ihrer sonstigen Veröffentlichungen bzw. Publikationen als Teil des Linksextremismusses anzusehen. Sie definiere sich selbst als Zusammenschluss, in dem Menschen aus verschiedenen Strömungen der radikalen Linken politisch und kulturell zusammenarbeiteten; namentlich genannt würden unter anderem Kommunisten und Autonome. Die AIHD bekenne sich in ihrer Selbstdarstellung auch zur Militanz und damit zum Einsatz von Gewalt. Nach ihrem Grundverständnis strebe sie eine „auf Solidarität und Gleichberechtigung basierende Gesellschaft“ und die „Bekämpfung der Herrschaft des Menschen über den Menschen in ihren verschiedensten Ausprägungen“ an. Damit korrespondiere die Ablehnung der „kapitalistischen Verwertungslogik“ und der verschiedenen Formen der „politischen Unterdrückung“ in dem Gesellschaftssystem, wie es durch die freiheitliche demokratische Grundordnung definiert sei. Die AIHD unterstelle der Bundesrepublik Deutschland, ein rassistischer Staat zu sein. Beispielsweise heiße es in einem Flugblatt zu einem Brandanschlag am 15.08.2000 in Ludwigshafen: „Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack! Gegen staatlichen Rassismus und faschistischen Terror!“. Die AIHD beschreibe ferner die Bundeswehr als „in Angriffs- und Weltordnungskriegen“ agierend. Die AIHD, die davon ausgehe, dass sich auf parlamentarischem Wege an den Verhältnissen nichts ändern lasse, sei bereit, zur Änderung der bestehenden Zustände auch auf Straf- und Gewalttaten zu setzen. Dies ergebe sich beispielsweise aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.10.2013. Die AIHD praktiziere ferner sämtliche klassischen Aktionsformen des „autonomen Antifaschismus“. So habe sie dazu aufgerufen, den angekündigten „Nazi-Aufmarsch“ in Sinsheim-Hoffenheim am 27.11.2010 zu verhindern. Wie aus einer Stellungnahme der AIHD vom 21.03.2015 deutlich werde, werde das Verhindern einer direkten Konfrontation zwischen Rechts- und Linksextremisten durch die Polizei als „eindeutiger Verstoß gegen die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung“ verurteilt. An gleicher Stelle heiße es wörtlich: „Die Nazis freuen sich über den Schutz durch die Bullen und behaupten, es hätte keinen Widerstand gegeben. Es stimmt, sie sind ungestört gelaufen. Doch über allem schwebt wieder einmal der alte Spruch: Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“. Die AIHD beteilige sich ebenfalls an sogenannten „Outing“-Aktionen. So habe sie beispielsweise den Umstand, dass eine Regionalzeitung in Baden-Württemberg einem „Nazi-Tätowierer“ Eigenwerbung ermöglicht habe, zum Anlass genommen, über den namentlich Genannten und seine Verwurzelung in der rechten Szene zu informieren und ihn auch über Abbildungen öffentlich bekanntzumachen.
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Regelmäßig komme es seitens der AIHD auch zu Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der ebenfalls linksextremistischen RH. Die engen Verbindungen zwischen beiden Personenzusammenschlüssen dokumentierten sich unter anderem auch in Doppelmitgliedschaften wie im Fall des Klägers. Sowohl die AIHD als auch die RH forderten die Freilassung linksextremistischer Straf- und Gewalttäter und bezeichneten diese als „politische Gefangene“ bzw. qualifizierten ihr Eintreten als Kampf gegen die „Klassenjustiz“.
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Die RH habe sich zwar aus ihrer parteikommunistischen Bindung gelöst. Sie betrachte sich aber nach wie vor als integraler Bestandteil der linksextremistischen Szene und dementsprechend gelte ihre Solidarität und Unterstützung den politisch motivierten Straf- und Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum bis hin zu terroristischen Gruppen wie der RAF oder den RZ. Die Strafverfolgung durch die bundesrepublikanischen Organe werde als „politische Verfolgung“ und „Unterdrückung“ dargestellt. In diesem Zusammenhang sei der Begriff des „politischen Gefangenen“ als ein Kampfbegriff zu verstehen, der sich gegen die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland richte. Der marxistischen Gesellschaftsanalyse entsprechend, die von der RH geteilt werde, sei die Justiz politisch ein Kampfinstrument des Staats im Auftrag der herrschenden Klasse (Klassenjustiz) zur Absicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Die damit unterstellte politische Funktionalisierung und Instrumentalisierung der Justiz widerspreche dem Prinzip der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz. Die angeblich „politische Justiz“ impliziere, dass es keine Gleichheit politischer Gruppen vor dem Gesetz gebe, sondern die Justiz der Ausschaltung politischer Gegner diene, und dass die Rechtsprechung nicht ausschließlich dem Recht, sondern ebenso politischen Zielsetzungen unterliege. Die Agitation der RH richte sich gegen den Grundsatz der Bindung von Legislative, Judikative und Exekutive an Recht und Gesetz und damit gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Dem deutschen Staat und seinen Organen werde insgesamt die Rechtsstaatlichkeit abgesprochen. Gleichzeitig werde der Staat in die Nähe von Diktaturen gerückt. In der Praxis demonstriere die RH ihre Nichtakzeptanz der Regeln des demokratischen Rechtsstaats, indem sie ihre Unterstützung von Beschuldigten und Angeklagten der linken Szene von einer Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit mit den Justizbehörden abhängig mache. Widerstand gegen Anordnungen der Polizei und selbst terroristische Gewaltakte würden als legitim bezeichnet. Gleichzeitig spiele bei der Unterstützung von Beschuldigten, Angeklagten und Inhaftierten die Frage von Schuld oder Unschuld keine erkennbare Rolle. Die RH fordere stattdessen die Einstellung laufender Verfahren gegen linke Straftäter und die Freilassung aller „politischen Gefangenen“.
55 
Vor diesem Hintergrund habe sich der Kläger bis heute nicht von der linksextremistischen Szene bzw. deren Ideologie distanziert, sondern bewege sich nach wie vor in diesem Spektrum. Seine neuerliche Wiederwahl in den Bundesvorstand der RH belege zudem seine Absicht, sich in verantwortlicher Position und auf höchster Ebene für die Belange dieser linksextremistischen Organisation einzusetzen.
56 
Soweit der Kläger rüge, dass er etwa allein aufgrund seiner Teilnahme am Ostermarsch datenmäßig erfasst werde, gehe dieser Einwand fehl. An Veranstaltungen wie den Ostermärschen nähmen regelmäßig auch eine Vielzahl nicht-extremistischer Gruppierungen, Parteien und Bürger teil, ohne dass sich der Verfassungsschutz hierfür interessiere. Aber typischerweise beteiligten sich an solchen Veranstaltungen auch linksextremistische Gruppen bzw. Mitglieder solcher Gruppen. Da der Kläger in derartigen Gruppen aktiv sei, sei seine Erfassung in diesem Kontext zu sehen.
57 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt des vom Landesamt vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
58 
Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger mit den Anträgen Nr. 1 und Nr. 2 weitere Auskunft über die zu seiner Person beim Landesamt für Verfassungsschutz gespeicherten Daten begehrt; statthafte Klageart für das Auskunftsverlangen ist die Verpflichtungsklage (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl., § 35 Rn. 42).
59 
Die Klage ist nur teilweise zulässig, soweit der Kläger mit den Anträgen Nr. 3 und Nr. 4 die Löschung von Daten begehrt.
60 
Für den Anspruch des Klägers auf Löschung von Daten ist ebenfalls die Verpflichtungsklage statthafte Klageart. Zwar erstrebt der Kläger letztlich die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs, namentlich die Löschung bestimmter zu seiner Person und zu bestimmten Vorkommnissen beim Landesamt gespeicherter Daten. Die Entscheidung hierüber hat jedoch - wie beim Auskunftsverlangen - durch vorgeschalteten Verwaltungsakt zu erfolgen, sodass für die gerichtliche Durchsetzung des Löschungsbegehrens, das das Landesamt mit den streitgegenständlichen Bescheiden abgelehnt hat, die Verpflichtungsklage statthafte Klageart ist (vgl. etwa VG Kassel, Urteil vom 01.03.2012 - 1 K 234/11.KS - juris Rn. 20).
61 
Zulässig ist die Klage, soweit sie sich auf die Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten bezieht, die das Landesamt einmal im bestandskräftigen Bescheid vom 13.05.2002 und zum anderen in den beiden streitgegenständlichen Bescheiden vom 21.09.2010 und 17.12.2012 offengelegt hat.
62 
Soweit der Kläger hingegen mit dem Klageantrag Nr. 4 begehrt, den Beklagten zur Löschung aller über ihn beim Landesamt vorhandenen Daten zu verpflichten und diese Daten - soweit sie in Akten enthalten sind - mit einem Sperrvermerk zu versehen, ist die Klage unzulässig, da dieser Antrag unbestimmt ist.
63 
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO soll die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich die Voraussetzung für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Deshalb ist ein Klageantrag grundsätzlich nur dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der richterlichen Entscheidungsbefugnis (§ 88 VwGO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 121 VwGO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (Eyermann, VwGO, 14. Auflage, § 82 Rn. 10; vgl. für den Fall eines unbestimmten Antrag auf Löschung von Daten des Verfassungsschutzes VG Göttingen, Urteil vom 06.11.2013 - 1 A 246/11 - juris Rn. 33, 34). Ein in dieser Weise bestimmter Antrag muss spätestens in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, andernfalls ist die Klage unzulässig (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage, § 82 Rn. 10).
64 
Danach ist der Klageantrag Nr. 4 unbestimmt und kann auch nicht in hinreichend bestimmter Weise gestellt werden, weil es dem Kläger rechtlich unmöglich ist, die weiteren über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten, die das Landesamt weder im bestandskräftigen Bescheid vom 13.05.2002 noch in den beiden hier streitgegenständlichen Bescheiden benannt hat, hinreichend konkret zu bezeichnen. Weder dem Kläger noch dem Gericht ist bekannt, welche weiteren Daten über ihn beim Landesamt vorhanden sind. Würde das Gericht zu einer Verpflichtung des beklagten Landes gelangen, sämtliche beim Landesamt über den Kläger vorhandenen Daten zu löschen, wäre ein solcher Tenor nicht vollstreckbar. Da der Kläger auch - wie noch dargelegt wird - keinen Anspruch auf weitere Auskunft zu diesen Daten hat, ist es ihm auch von vornherein verwehrt, Kenntnis von diesen Daten zu erlangen.
65 
Dieses Ergebnis ist auch hinzunehmen, da die mit der gesetzlichen Regelung in § 13 LVSG verbundene Einschränkung des Auskunftsanspruchs durch das Staatswohl gerechtfertigt ist. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos. Es gibt verfassungsmäßig legitimierte staatliche Aufgaben, die zu ihrer Erfüllung der Geheimhaltung bedürfen. Die Wahrnehmung derartiger - in ihrer rechtlichen Gebundenheit nicht außerhalb des Rechtsstaats stehender - Aufgaben würde erheblich erschwert und in weiten Teilen unmöglich gemacht, wenn ihre Aufdeckung gegenüber dem Bürger uneingeschränkt geboten wäre. Das gilt insbesondere für Erkenntnisse und Arbeitsweisen der für die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Behörden, zu denen auch die Ämter für Verfassungsschutz rechnen. Die Erfüllung der Aufgabe für den Verfassungsschutz würde erheblich erschwert und in weiten Teilen unmöglich gemacht, wenn die gewonnenen Erkenntnisse auf Verlangen beobachteter Personen oder anderer Beteiligter mitgeteilt werden müssten. Sie erfordert daher eine weitgehende Geheimhaltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.1990 - 1 C 42.83 - BVerwGE 84, 375, juris Rn. 16, 18 und 20; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 24.04.2013 - 1 BvR 1215/07 - BVerfGE 133, 277, juris Rn. 210, 212).
66 
Ist es danach für den Kläger mangels eines weitergehenden Auskunftsanspruch aus Rechtsgründen nicht möglich, einen bestimmten Antrag zu stellen, so ist dies auch im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hinzunehmen. Dies gilt auch für das Gericht, das keine Möglichkeit hat, dem Kläger in der mündlichen Verhandlung einen ausreichend bestimmten Antrag nahezulegen (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 06.11.2013, aaO, juris Rn. 34).
67 
Diese Ausführungen gelten gleichermaßen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, alle ansonsten über ihn in Akten enthaltenen Daten mit einem Sperrvermerk (vgl. dazu § 14 Abs. 4 LVSG) zu versehen.
B.
68 
Die Verpflichtungsklage ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet. Der Bescheid des Landesamts für Verfassungsschutz vom 21.09.2010 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 17.12.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat gegenüber dem beklagten Land weder Anspruch auf Erteilung weiterer Auskunft (I.) noch auf Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt hat (II.).
I.
69 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm das Landesamt für Verfassungsschutz über die bislang im bestandskräftigen Bescheid des Landesamts vom 13.05.2002 und in den beiden streitgegenständlichen Bescheiden vom 21.09.2010 und 17.12.2012 erteilten Auskünfte hinaus weitere seine Person betreffende Daten mitteilt.
1.
70 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG erteilt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist das Landesamt nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten, die Empfänger von Übermittlungen und den Zweck der Speicherung Auskunft zu erteilen. Die Auskunft unterbleibt unter anderem, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG). Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 LVSG). Wird die Auskunftserteilung auf Grundlage von § 13 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 LVSG abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 3).
71 
Auf Grundlage der zitierten Vorschriften sieht das Landesverfassungsschutzgesetz nur einen beschränkten Auskunftsanspruch vor. Nach dem Gesetzeswortlaut in § 13 Abs. 1 Satz 1 LSVG wird der Umfang der Auskunft durch den vorgetragenen Sachverhalt begrenzt. Indem die Regelung eine Auskunftserteilung an strenge Voraussetzungen knüpft, soll nach dem Willen des Gesetzgebers der grundsätzlichen Geheimhaltungsbedürftigkeit der Tätigkeit des Landesamts und seiner Unterlagen Rechnung getragen werden. Insbesondere soll eine gezielte Ausforschung des Erkenntnisstands des Landesamts verhindert werden. Diese Gefahr wäre aber etwa dann gegeben, wenn der Betroffene durch den Vortrag eines konkreten Sachverhalts Auskunft über alle zu seiner Person eventuell vorhandenen Speicherungen erhalten könnte bzw. ihm Gewissheit verschafft würde, dass er beim Landesamt überhaupt nicht gespeichert ist. Dies wird vor allem in den Fällen deutlich, in denen über den vom Antragsteller mitgeteilten Sachverhalt hinaus keine Erkenntnisse vorliegen. Hier müsste das Landesamt - da die Einschränkungen des § 13 Abs. 2 LVSG nicht greifen können - stets dahingehend Auskunft erteilen, dass weitere personenbezogene Daten des Antragstellers nicht gespeichert sind. Danach könnte - entgegen der Intention des Gesetzgebers - Ausforschungsbemühungen nicht begegnet werden (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 606).
72 
Die Erteilung der Auskunft unterbleibt insgesamt aber auch im Falle einer Gefährdung der Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes und damit wegen überwiegenden Gemeinwohlinteressen. Die Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 LVSG sind eine Ausprägung des Staatswohlgedankens. In diesen Fällen bleibt für eine Abwägung, ob Auskunft erteilt werden kann oder nicht, kein Raum mehr. Der Gesetzgeber kann und will daher gerade keine Ermessensentscheidung der Verwaltung und Gerichte mehr zulassen. Insofern muss eine Auskunftserteilung - trotz Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen - unterbleiben. Dies bedeutet gesetzestechnisch, dass der Antragsteller zwar einen Auskunftsanspruch hat, ihm die Auskunft aber wegen überragender Gemeinwohlinteressen nicht erteilt wird (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20.02.1990 - 1 C 42.83 - BVerwGE 84, 375).
2.
73 
Gemessen daran besteht auf Grundlage von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSVG i.V.m. § 13 Abs. 3 LSVG und der darin zum Ausdruck kommenden Systematik von vornherein kein Anspruch des Klägers, dass ihm das Landesamt eine vollständige - und damit allumfassende - Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten erteilt. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Landesamt weitere Auskünfte zur Person des Klägers unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 LVSG verweigert hat. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 21.09.2010 hat das Landesamt ferner entsprechend den gesetzlichen Vorgaben mitgeteilt, dass eine Begründung hierfür nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LVSG unterbleiben kann, und hat den Kläger zudem auf die Möglichkeit hingewiesen, den Landesbeauftragten für den Datenschutz einzuschalten.
74 
Dass in Fällen wie dem vorliegenden auch kein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Landesamts besteht, zeigt die Regelung in § 13 Abs. 3 Satz 1 LVSG, wonach der ablehnende Bescheid keiner Begründung bedarf, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Denn eine Begründungspflicht der Auskunftsverweigerung würde die Frage der Auskunftserteilung wiederum zu einer Ermessensentscheidung machen, die in vollem Umfang (mit Aktenvorlage) gerichtlich überprüfbar wäre (so auch Droste, aaO, Seite 609, 610).
75 
Die dargestellte gesetzliche Regelung ist auch mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren. Besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis, reicht die Pflicht zur Begründung einer Auskunftsverweigerung nicht so weit, dass die Begründung Rückschlüsse auf die geheim zu haltenden Umstände eröffnen darf (BVerwG, Urteil vom 20.02.1990, aaO, juris Rn. 34). Den Interessen des jeweiligen Antragstellers wird dadurch Rechnung getragen, dass die für eine Auskunftsverweigerung maßgeblichen Gründe in nachprüfbarer Weise protokolliert werden müssen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LVSG). Zudem ist der jeweilige Antragsteller darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für Datenschutz wenden kann, der grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen kann, ob die Datenverarbeitung zu der betroffenen Person nach dem Gesetz zulässig war.
3.
76 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch, dass ihm das Landesamt entsprechend seinem (hilfsweise) gestellten Klageantrag Nr. 2 eine zusammengefasste Auskunft über zu seiner Person im Zeitraum vom 13.05.2002 bis zum 31.12.2005 gespeicherte personenbezogene Daten erteilt. Das Landesamt beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, es habe dem Kläger bereits Auskunft über den Zeitraum von Anfang der 1990-er Jahre bis zum Erlass des ersten Auskunftsbescheids im Mai 2002 sowie im streitgegenständlichen Verfahren über den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids erteilt und eine darüber hinausgehende Auskunftserteilung über weitere Zeiträume sei für die Behörde - auch unter Berücksichtigung des Informationsinteresses des Klägers - mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden.
77 
Entgegen der Auffassung des Klägers kann sich das Landesamt im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten unzumutbaren Verwaltungsaufwand auf eine entsprechende Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 2 LDSG berufen. Nach dieser Vorschrift wird die beantragte Auskunft unter anderem nur erteilt, soweit der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Der damit angesprochene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt für das gesamte Landesdatenschutzgesetz. Die in der Vorschrift enthaltene besondere Ausprägung bedarf im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung durch die Verfassungsschutzämter keiner Modifizierung; im Gegenteil stellt die Berücksichtigung des mit der Bearbeitung verbundenen Verwaltungsaufwands erst sicher, dass die Landesverfassungsschutzämter ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen können und daran nicht durch unvertretbare Mehrbelastung gehindert werden. Der in § 21 Abs. 2 Satz 2 LDSG enthaltene Rechtsgedanke muss danach ohne Einschränkung auch bei der Auslegung des Auskunftsanspruchs nach dem Landesverfassungsschutzgesetz Berücksichtigung finden (vgl. Droste, aaO, S. 607). Der Auskunftsanspruch des Betroffenen ist danach in Bezug auf eine mögliche Speicherung seiner personenbezogenen Daten in Sachakten von vornherein in dem Umfang beschränkt, als dem Landesamt eine Durchsicht der in Frage kommenden Sachakten zumutbar ist.
78 
Die sich daran anknüpfende tatsächliche Frage, ob es für das Landesamt - wie von ihm behauptet - nur mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand möglich wäre, dem Kläger auch noch für den streitigen Zeitraum vom 13.05.2002 bis zum 31.12.2005 eine zusammengefasste Auskunft in der Form zu erteilen, wie es sie dem Kläger auch für die übrigen Jahre erteilt hat, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn auf Grundlage des Auskunftsverlangens des Klägers vom Mai 2010 bestand von vornherein kein Auskunftsanspruch - und damit auch kein Anspruch auf eine zusammengefasste Auskunft ab Mai 2002 -, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG nicht vorliegen.
79 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG besteht - wie dargelegt - ein unentgeltlicher Auskunftsanspruch nur soweit der jeweilige Antragsteller hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und hierzu Auskunft begehrt. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat mit Antragsschreiben vom 06.05.2010 lediglich in allgemeiner Form Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten begehrt, einen konkreten Sachverhalt für den Zeitraum seit seinem letzten bestandskräftig beschiedenen Auskunftsverlangen jedoch nicht benannt. Nach der eindeutigen Formulierung im Gesetz wird aber der Umfang der Auskunft durch den vorgetragenen Sachverhalt begrenzt. Die sich im Zusammenhang mit der Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG stellende Frage, welche Anforderungen an den vom jeweiligen Antragsteller zu konkretisierenden Sachverhalt zu stellen sind, bedarf im vorliegenden Fall danach keiner Beantwortung, da der Kläger auch nicht ansatzweise den Lebenssachverhalt, über den er Auskunft begehrt, umschrieben hat.
4.
80 
Soweit dem Klageantrag Nr. 1 auf vollständige bzw. umfassende Auskunft als „Minus“ zu entnehmen ist, dass der Kläger entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei der Verpflichtungsklage auch eine weitere zusammengefasste Auskunft für den Zeitraum vom Erlass des Widerspruchsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung begehrt, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Auch für diesen Zeitraum fehlt es an der Angabe eines konkreten Sachverhalts im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG, die für das Landesamt erst die Erteilung einer Auskunft ermöglichen würde.
5.
81 
Der Umstand, dass das Landesamt dem Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2006 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids im streitgegenständlichen Verfahren eine zusammengefasste Auskunft erteilt hat, obwohl der Kläger nicht - wie gesetzlich vorgesehen - einen konkreten Sachverhalt angegeben hat, kann einen weitergehenden Auskunftsanspruch für frühere oder spätere Zeiträume ebenfalls nicht begründen. Denn die Auskunftserteilung des Landesamts entgegen den gesetzlichen Vorgaben in § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG ist rechtswidrig und kann deshalb auch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch des Klägers auf ein weiteres rechtswidriges Verhalten und damit auf eine „Gleichbehandlung im Unrecht“ begründen.
82 
Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Hinblick auf die von Art. 20 Abs. 3 GG angeordnete Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht aus einer rechtswidrigen Leistung gegenüber anderen bzw. aus einer Nichtheranziehung anderer in Verbindung mit dem Gleichheitssatz kein Anspruch des Bürgers auf ein ebenso rechtswidriges Verhalten der Behörde ihm gegenüber und damit auf eine „Gleichbehandlung im Unrecht“ folgt. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Bürger eine Wiederholung bzw. Fortsetzung eines ihm gegenüber bereits erfolgten rechtswidrigen Verhaltens der Behörde begehrt (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 14.02.1990 - 6 C 54.88 - NVwZ-RR 1990, 430; Beschluss vom 11.06.1986 - 8 B 16.86 - NVwZ 1986, 758; Urteil vom 10.12.1969 - 8 C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 - BWGZ 2011, 1078; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.07.2006 - 4 M 293/06 - juris sowie OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.05.1993 - 2 L 260/92 - juris).
83 
Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt zunächst aus der Erwägung, dass die Anerkennung eines aus einer rechtswidrigen Verwaltungsübung hergeleiteten Anspruchs des Bürgers auf Gleichbehandlung im Ergebnis die Anerkennung einer das objektive Recht derogierenden Wirkung der Verwaltungspraxis bedeutete. Dem steht zum einen entgegen, dass der Verwaltungsübung - im Gegensatz zu Gesetz, Rechtsverordnung und Satzung - die Qualität als objektives Recht fehlt; zum anderen würde der verfassungsrechtlich gesicherte Vorrang des Gesetzes, der die Vorrangigkeit des Gesetzes vor jeder staatlichen Willensäußerung niederen Ranges zum Inhalt hat, unzulässigerweise unterlaufen, wenn einer rechtswidrigen Verwaltungsübung im Wege ihrer ständigen Anwendung verbindliche Wirkung beigelegt würde (BVerwG, Urteil vom 10.12.1969, aaO).
84 
Bei der Rechtsanwendung unterliegen die Behörden uneingeschränkt der Bindung durch Rechtsvorschriften. Soweit diese der Verwaltung - wie hier - keinen eigenen Wertungs- oder Entscheidungsspielraum zuweisen, bleibt der Gleichheitssatz bei der Rechtsanwendung außer Betracht, weil eine vollständig ausgefüllte Norm aus sich heraus nachprüfbar ist. Im Hinblick auf eine rechtswidrige Verwaltungsübung würde die Zuerkennung eines aus ihr folgenden individuellen Anspruchs auf Einräumung rechtswidriger Begünstigungen bzw. rechtswidriger Unterlassungen von Belastungen auch in zukünftigen bzw. in allen weiteren Fällen die Pflicht der Verwaltung bedeuten, im Widerspruch zum Gesetz zu entscheiden. Dies würde zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Aushöhlung des in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatzes führen, wonach die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist (BVerwG, Urteil vom 10.12.1969, aaO). Dass die faktisch gehandhabte Gleichmäßigkeit vor der Gesetzmäßigkeit verfassungsrechtlich keinen Vorrang haben kann, zeigt sich bereits mit Blick auf die Konsequenzen der abweichenden Auffassung; die Verwaltung könnte die Gesetze weitgehend außer Kraft setzen, indem sie sich selbst davon abweichende Regeln setzt, an die sie dann gebunden wäre (so ausdrücklich: OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.05.1993, aaO, juris Rn. 22). Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, das heißt mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung oder auf Unterlassung eines Eingriffs, nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie sogar aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (BVerwG, Urteil vom 10.12.1969, aaO).
85 
Zu Unrecht beruft sich das Landesamt darauf, dass seine bisherige Verwaltungsübung „bürgerfreundlicher“ als die engere gesetzliche Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG sei. Die Verwaltung hat ausschließlich nach Recht und Gesetz zu verfahren und allein eine solche Verfahrensweise ist im besten Sinne „bürgerfreundlich“. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers - hier des Landesgesetzgebers - weitergehende - und gegebenenfalls „bürgerfreundlichere“ - Informations- und Auskunftsansprüche des Bürgers gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz zu normieren; ausschließlich der Gesetzgeber ist dazu berufen, die dafür erforderliche Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Bürgers und dem Staatswohlinteresse an der Geheimhaltung der vom Landesamt für Verfassungsschutz gewonnenen Erkenntnisse sowie dem Interesse an der Arbeitsfähigkeit des Landesamts, die durch die Bearbeitung der Auskunftsansprüche beeinträchtigt wird, gegeneinander abzuwägen und letztendlich zu entscheiden.
II.
86 
Die Verpflichtungsklage hat auch keinen Erfolg, soweit der Kläger entsprechend dem Klageantrag Nr. 3 die Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten beansprucht, die einmal im bestandskräftigen Bescheid des Landesamts vom 13.05.2002 und zum anderen in den beiden streitgegenständlichen Bescheiden vom 21.09.2010 und 17.12.2012 offengelegt wurden. Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten, die das Landesamt im Rahmen des Einstellungsverfahrens des Klägers in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg mitgeteilt hat und die Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens waren, das mit Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2007 (4 S 1805/06 - NvWZ-RR 2008, 149) rechtskräftig zugunsten des Klägers abgeschlossen worden ist.
1.
87 
Das Landesamt für Verfassungsschutz hat nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LVSG die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Danach sind personenbezogene Daten grundsätzlich immer dann zu löschen, wenn festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für eine Speicherung nach § 7 LVSG von Beginn an nicht vorlagen oder die Speicherung im Zeitpunkt der Vornahme zwar berechtigt ist, die gespeicherten Daten später aber im Hinblick auf die gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes nach § 3 LVSG ohne Bedeutung und damit die Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. § 14 Abs. 3 LVSG sieht ferner für unterschiedliche Fallgestaltungen unterschiedliche Löschungsfristen vor; nach § 14 Abs. 3 Satz 4 LVSG beginnt der Lauf dieser Löschungsfristen aber erst mit der letzten gespeicherten relevanten Information.
88 
Das Landesverfassungsschutzgesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen der Speicherung personenbezogener Daten in Dateien und in Akten. Für Akten hat der Gesetzgeber gemäß § 14 Abs. 4 LVSG lediglich die Sperrung derartiger Daten vorgeschrieben. Diese Unterscheidung trägt der unterschiedlichen Eingriffsintensität Rechnung, die bei der elektronischen Datenverarbeitung höher ist als bei der herkömmlichen Aktenführung (vgl. Droste, aaO, S. 443).
89 
Die Frage, ob die Sammlung personenbezogener Daten über den Kläger und die Speicherung dieser Daten zulässig waren und sind, beurteilt sich auf Grundlage der Vorgaben in §§ 3 und 7 LVSG. Gemäß § 3 Abs. 1 LVSG hat das Landesamt unter anderem die Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwehren. Das Landesamt darf zur Erfüllung dieser Aufgabe Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sammeln und auswerten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG).
90 
Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen gemäß § 4 Abs. 2 LVSG das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen (Nr. 1), die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Nr. 2), das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (Nr. 3), die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung (Nr. 4), die Unabhängigkeit der Gerichte (Nr. 5), der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft (Nr. 6) und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (Nr. 7). Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der vorgenannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG). Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie ziel- und zweckgerichtet unterstützt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LVSG).
2.
91 
Auf Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen liegen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rote Hilfe e. V. (im Folgenden: RH) im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 LVSG Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt und deshalb die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Daten (vgl. §§ 6,7 LVSG) dieser Organisation und ihrer Mitglieder durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt ist. Danach ist die Sammlung und Speicherung von personenbezogenen Daten über den Kläger durch den Verfassungsschutz grundsätzlich bereits wegen seiner politischen Betätigung in dieser Organisation zulässig; dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass der Kläger aktuell in verantwortlicher Position auf höchster Ebene im Bundesvorstand der RH aktiv ist. Eine Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 LVSG scheidet deshalb aus.
a)
92 
Voraussetzung für das Sammeln und Auswerten von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 LVSG ist das Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen, konkret für Gefährdungen der gesetzlich näher beschriebenen Verfassungsgüter (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LVSG). Tatsächliche Anhaltspunkte in diesem Sinne sind in gleicher Weise Voraussetzung für die Speicherung, Veränderung und Nutzung der gewonnenen personenbezogenen Daten (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 LVSG). Der Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ als Grundvoraussetzung für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes ist weit auszulegen. Aus dem Verständnis der Verfassungsschutzbehörde als Frühwarnsystem heraus, deren Beobachtungsauftrag weit in das Vorfeld von Straftaten reicht, besteht eine Beobachtungszulässigkeit nicht erst dann, wenn eine auf unmittelbare Beeinträchtigung der dargestellten Schutzgüter gerichtete Handlung festgestellt wird, sondern bereits dann, wenn objektive Umstände bzw. Indizien den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung aufkommen lassen (Droste, aaO, S. 176). Das Sammeln und Auswerten von Informationen bezweckt gerade auch, Informationen über die aktuelle Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien im Vorfeld einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung zu gewinnen und damit die Regierung und die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, Art und Ausmaß möglicher Gefahren zu erkennen und diesen in angemessener Weise, namentlich mit politischen Mitteln entgegenzuwirken. Um die Überschreitung der Linie feststellen zu können, von der an verfassungsfeindliche Betätigungen zu einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung werden, der nicht mehr mit politischen Mitteln, sondern nunmehr mit juristischen Mitteln begegnet werden kann, muss dieses Vorfeld notwendig beobachtet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 21.07.2010 - 6 C 22.09 - BVerwGE 137, 275, juris Rn. 24).
93 
Danach genügt es, dass auf Fakten beruhende vernünftige Indizien die Besorgnis begründen, von einer bestimmten Person oder Personengruppe gehe eine Beeinträchtigung der Schutzgüter aus. Die Anknüpfung an „tatsächliche Anhaltspunkte“ will lediglich verhindern, dass die Sammlung und Auswertung von Informationen aufgrund bloßer Vermutungen, Hypothesen oder Prognosen bzw. der bloßen Annahme, dass Bestrebungen vorliegen könnten, erfolgt. Es bedarf daher objektiver Anhaltspunkte, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (vgl. Droste, aaO, S. 177). Zur Annahme eines Verdachts kann aber die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen, wenn auch jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag (BVerwG, Urteil v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 30). Tatsächliche Anhaltspunkte können sich etwa aus (offiziellen) Programmen bzw. Satzungen der Parteien bzw. Organisationen ergeben sowie aus sonstigen Verlautbarungen bzw. Aktivitäten jeweiliger Führer, Funktionäre und Anhänger.
b)
94 
Die dargestellten Grenzen der Grundordnung im Sinne von § 4 Abs. 2 LVSG überschreitet derjenige, der sich gegen diese wendet, sie ganz oder teilweise abschaffen will. Die Bekämpfung einzelner Vorschriften oder Institutionen der Verfassung mit legalen Mitteln genügt hingegen nicht. Geschützt werden keine Inhalte der Politik, sondern Struktur und Form des politischen Prozesses einschließlich der Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse sowie die Rechtsstaatlichkeit (vgl. Sichert, DÖV 2001, 671, 675, Droste, aaO, S. 198).
95 
Soweit es um Angriffe auf staatliche Institutionen geht, gehört die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte „Machtkritik“ zum vorherrschenden Daseinsverständnis der Oppositionsparteien bzw. solcher Gruppierungen, die sich im Parlament nicht vertreten fühlen. Wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Ehrenschutzdelikte zum Schutz staatlicher Institutionen festgestellt hat, bezieht die Meinungsfreiheit aus dem besonderen Schutzbedürfnis der „Machtkritik“ nach wie vor ihre Bedeutung und ihr besonders hoch zu veranschlagendes Gewicht (BVerfG, Beschluss v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476, u.a. - BVerfGE 93, 266, 293). Knüpfen Sanktionen an Meinungsäußerungen und Presseveröffentlichungen an, muss maßgeblich berücksichtigt werden, dass die Meinungs- und die Pressefreiheit ihrerseits konstituierend für die Demokratie sind, die auch eine kritische Auseinandersetzung mit Verfassungsgrundsätzen und -werten zulässt. Danach ist Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern (BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 zur Zeitschrift „Junge Freiheit“). Dementsprechend reicht die bloße Kritik an Verfassungswerten als Anlass nicht aus, um eine verfassungsfeindliche Bestrebung zu bejahen. Auch etwa die Forderung nach Abschaffung der Geheimdienste in der vorhandenen Form genügt für eine Einschätzung als verfassungsfeindlich von vornherein nicht (vgl. etwa VG Köln, Urteil v. 20.01.2011 - 20 K 2331/08 - juris Rn. 124).
96 
Allerdings kann sich aus einer ständig gegen die verfassungsmäßigen Grundprinzipien gerichteten und der Partei bzw. Organisation zurechenbaren Polemik eine verfassungsfeindliche Zielsetzung ergeben (BVerwG, Urteile vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00, 2 WD 432 WD 43.00 - BVerwGE 114, 258, juris Rn 60 und vom 28.11.1980 - 2 C 27.78 - BVerwGE 61, 194, juris Rn. 52). Maßgeblich ist auch in diesem Zusammenhang, ob sich aus der Gesamtschau der Verlautbarungen bzw. Äußerungen eine Grundtendenz ergibt, welche gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Absichten erkennen lässt. Dabei kommt auch der gewählten Form und Ausdrucksweise, in der die politischen Parolen wiedergegeben werden, Bedeutung zu; allerdings zählen auch provokative und überspitzte Äußerungen zu den Mitteln des zulässigen Meinungskampfs. Bei der vorzunehmenden Grenzziehung ist die Annahme verfassungsfeindlicher Äußerungen jedoch dann überschritten, wenn fortwährend und systematisch die Institutionen und Repräsentanten des Staates bzw. der demokratischen Parteien verunglimpft werden und dadurch ihre Existenzberechtigung faktisch in Frage gestellt wird (vgl. dazu Droste, aaO, S. 180).
c)
97 
Nach den unter a) und b) dargestellten Maßstäben liegen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der RH vor, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 LVSG gerichtet sind.
98 
Die RH ist eine Organisation zur Unterstützung linker Aktivisten, die aufgrund ihrer politischen Betätigung mit deutschen Rechtsorganen in Konflikt geraten sind. Die Organisation hat bundesweit ca. 6.000 Mitglieder in 40 Orts- und Regionalgruppen. Die RH unterstützt insbesondere Beschuldigte, Angeklagte und Straftäter aus dem linken politischen Spektrum. Dies geschieht primär durch juristische Unterstützung derjenigen, die bei politischen Aktivitäten verhaftet wurden, die von Strafverfolgung betroffen sind oder gegen die Ermittlungsverfahren anhängig sind. Die RH leistet Unterstützung durch Medienarbeit, Beratung und gemeinsame Vorbereitungen von Prozessen, Organisation von Unterstützungsdemonstrationen und bezuschusst vor allem Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten (vgl. Wikipedia, Bearbeitungsstand 17.04.2016). Nach der Einschätzung des Politikwissenschaftlers Georg Fülberth - emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Marburg und seit 1974 Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) - vom 02.10.2015, die sich der Kläger im vorliegenden Verfahren zu eigen gemacht hat, handelt es sich bei der RH um eine antikapitalistische Organisation mit marxistischem Vokabular, die davon ausgehe, staatliches Handeln sei in der Bundesrepublik Deutschland von kapitalistischen Interessen geleitet, sodass in dieser einheitlichen Determinierung von Legislative, Exekutive und Judikative deren Gewaltenteilung illusorisch sei.
99 
Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Beschreibung der RH und ihrer Zielsetzungen genügt für die Annahme von verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht, dass sie die sogenannten „Berufsverbote“ durch publizistische Äußerungen bekämpft und die Abschaffung der „Gesinnungsparagraphen“ § 129 a StGB bzw. § 129 b StGB fordert (vgl. etwa auch VG Köln, Urteil vom 20.01.2011 - 20 K 2331/08 - juris Rn. 166 bis 168, 186, 187). Dass sich die RH vehement gegen das Betätigungsverbot der terroristischen kurdischen PKK einsetzt und die Streichung von der EU-Terrorliste fordert, genügt für die Einschätzung als verfassungsfeindlich für sich genommen ebenso wenig wie die in den Publikationen der RH geäußerte Kritik an den Ermittlungsbehörden und der Justiz im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen linke Aktivisten. Auch scharfe Angriffe auf staatliche Institutionen wie die Justiz unterfallen der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten „Machtkritik“.
100 
Darüber hinausgehend „bekämpft“ die RH auf Grundlage ihrer Satzung und ihrer sonstigen Publikationen - insbesondere der vierteljährlich erscheinenden Vereinsschrift „Die Rote Hilfe“ - aber die Struktur und Form des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland und lehnt ganz grundsätzlich die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Entscheidungen und Ergebnisse des politischen Prozesses ab. Das deutsche Rechtssystem wird als Instrument der „politischen Unterdrückung“ und als „Gesinnungsjustiz“ bzw. „Klassenjustiz“ diskreditiert, die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden werden durchgängig als „Repressionsorgane“ des Staates verunglimpft. Indem die RH bei militanten Straftätern und sogar bei Terroristen von „politischen Gefangenen“ spricht und Urteile, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren ergangen sind, als „Repression“ bezeichnet, soll dem gegenwärtigen politischen System des Grundgesetzes die Legitimation abgesprochen werden. So heißt es bereits in § 2 Abs. 2 der Satzung der RH wie folgt:
101 
„Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist zum Beispiel das Eintreten für die Ziele der Arbeiter_innenbewegung, die Internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg. Unsere Unterstützung gilt denjenigen, die deswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsverbot erhalten, vor Gericht gestellt und zu Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt werden oder sonstige Nachteile erleiden.“
102 
Auf Grundlage dieser Satzungsbestimmung bezeichnet die RH sowohl verurteilte Straftäter, die inländischen terroristischen Vereinigungen wie der RAF und den Revolutionären Zellen (RZ) bzw. terroristischen Vereinigungen im Ausland wie der PKK oder der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) angehören, durchgängig als „politische Gefangene“ und diffamiert die strafrechtliche Verfolgung der Mitglieder dieser Organisationen als „staatliche Verfolgung“.
103 
Auch wenn sich die RH die konkrete politische Zielsetzung und Programmatik dieser unterschiedlichen Organisationen nicht zu eigen macht, wird in Umkehrung der Verhältnisse die staatliche Verfolgung schwerster Straftaten bis hin zum Mord bzw. strafrechtliche Ermittlungen gegen terroristische Vereinigungen wie die DHKP-C als politische Verfolgung bezeichnet. Dies gilt beispielsweise für Verfahren gegen Mitglieder der DHKP-C (vgl. Sonderausgabe der Roten Hilfe vom 18.03.2013 - Tag der politischen Gefangenen, Seite 7), einer marxistisch-leninistischen Untergrundorganisation in der Türkei, die das Ziel verfolgt, die Staatsordnung in der Türkei durch einen bewaffneten revolutionären Akt zu zerschlagen und sich dabei auch terroristischer Methoden bedient; in dem entsprechenden Artikel wird die DHKP-C als „marxistische Organisation, die in der Türkei für eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung kämpft“ dargestellt. In der gleichen Sonderausgabe werden strafrechtliche Verfahren gegen Mitglieder der PKK, einer terroristischen bzw. den Terrorismus unterstützenden Vereinigung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2016 - 11 S 1389/15 - juris), als staatliche „Repression“ bezeichnet (vgl. Sonderausgabe der Roten Hilfe von 18.03.2013, ebenfalls Seite 7). Auch strafrechtliche Verfahren gegen das frühere RAF-Mitglied Verena Becker und die vermeintlichen Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ) Sonja Suder und Christian Gauger werden von der RH als „Repression“ bzw. als „politische Prozesse“ bezeichnet (vgl. Sonderausgabe der Roten Hilfe vom 18.03.2012 - Tag der politischen Gefangenen, Seite 14; Die Rote Hilfe 2/2013, Seite 9).
104 
Auch der Kläger spricht in seinem Beitrag „Juristische Bekämpfung der Stadtguerilla als Tragödie und als Farce - Der Prozess gegen Verena Becker“ sinngemäß von „staatlicher Verfolgung“ gegenüber Mitgliedern der RAF (Die Rote Hilfe 3/2011, Seite 32, 33). In diesem Artikel des Klägers heißt es unter anderem wörtlich: „Gegen Stefan Wisniewski, Brigitte Mohnhaupt und Rolf Heißler, die für ihre Beteiligung an der Stadtguerilla schon viele Jahre in bundesdeutschen Knästen gesessen haben, wird erneut ermittelt. Wie lange der Prozess sich noch hinziehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Unzweifelhaft scheint dagegen, dass das Gericht keinerlei Beweise für irgendeine Tatversion wird präsentieren können, eine mögliche Verurteilung also allenfalls den politischen Willen des Gerichts widerspiegelt. Ebenso unzweifelhaft ist, dass auch das Urteil in der Öffentlichkeit zur Diskreditierung und Entpolitisierung linker Geschichte in der BRD benutzt werden wird“. Auch in diesem Zusammenhang werden die Straftaten der Mitglieder der RAF als „politischer Kampf“ verharmlost und gerechtfertigt und die Verfolgung schwerer Straftaten als „politische Prozesse“ denunziert.
105 
Der vom Kläger im Zusammenhang mit der Unterstützung der RH auch für terroristische Vereinigungen geäußerte Einwand, die RH unterstütze nicht die Gewalttat, sondern allein die zugrundeliegende politische Ausrichtung bzw. Gesinnung, liegt neben der Sache. Mit dieser rabulistischen Begründung kann im Grunde jede schwere oder schwerste Straftat alleine wegen der zugrundeliegenden „guten“ (= linken) Motivation gerechtfertigt werden; auch die auf Grundlage marxistisch-leninistischer Prinzipien etwa in der Sowjetunion im 20. Jahrhundert errichtete Terror- und Schreckensherrschaft war das Ergebnis einer Ideologie, wonach das Streben nach einer besseren Gesellschaftsordnung den Einsatz von Gewalt bis hin zu Terror rechtfertigt.
106 
Dass die RH die Grundprinzipien der Verfassung nicht akzeptiert und zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele (auch) gewalttätige Aktionen befürwortet, zeigt sich ferner daran, nach welchen Maßstäben sie Straftäter bzw. Häftlinge finanziell unterstützt. Die RH erwartet von den von ihr unterstützten „politischen Gefangenen“, dass sie sich nicht von ihren Taten distanzieren, sich zur politischen Motivation bekennen und keine anderen Personen „verraten“. Die RH lehnt Prozesskostenhilfe ab oder kürzt sie, wenn sich der Straftäter von den Taten distanziert, sich bei Polizisten entschuldigt oder - etwa im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs - Reue zeigt (vgl. etwa: Broschüre der RH „Bitte sagen Sie jetzt nichts! Aussage Verweigerung und Verhörmethoden“, Seite 15 bis 17; Die Rote Hilfe 3/2011, Seite 7, 10 und 11; Die Rote Hilfe 4/2011, Seite 7; Die Rote Hilfe 3/2012, Seite 6 und 7; Die Rote Hilfe 2/2013, Seite 8; Die Rote Hilfe 4/2013, Seite 6; Die Rote Hilfe 3/2015, Seite 6).
107 
So lehnte die RH etwa die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Strafverfahren wegen Beleidigung und Widerstands gegen Polizeibeamte deshalb ab, weil der angeklagte linke Aktivist in der Berufungsverhandlung die Vorwürfe eingeräumt, sich von politischer Gewalt distanziert und auf diese Weise eine Reduzierung der Strafe erreicht hatte; wörtlich hieß es in diesem Zusammenhang „wer sein Verfahren durch Einlassungen und Distanzierungen entpolitisiert, kann allerdings auch nicht erwarten, von der Roten Hilfe e.V. unterstützt zu werden“ (Die Rote Hilfe 3/2012, Seite 6 und 7). In einem anderen Fall lehnte die RH die finanzielle Unterstützung deshalb ab, weil der linke Straftäter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs 750,-- EUR an einen von ihm verletzten Studenten gezahlt hatte, der einer Burschenschaft angehörte; wörtlich hieß es zur Begründung „ein Täter-Opfer-Ausgleich negiere den politischen Kampf gegen die Burschenschaften“ (Die Rote Hilfe 4/2011, Seite 7). Auch in diesem Strafverfahren ging es um Gewaltdelikte, weil der linke Aktivist gegen den Burschenschaftler, der sich geweigert hatte, seine „Farben“ abzulegen, Pfefferspray einsetzte und der Geschädigte deshalb vom Notarzt behandelt und in die Klinik gebracht werden musste. Dass von der RH der Einsatz körperlicher Gewalt zur Durchsetzung der „linken“ politischen Ziele in aller Regel gerechtfertigt bzw. legitimiert wird, zeigt sich beispielhaft auch in dem Artikel „Wir bereuen nicht!“ (Die Rote Hilfe 2/2012, Seite 7), mit dem ebenfalls die Versagung der Unterstützung für einen linken Aktivisten begründet wurde; in dem Artikel heißt es wörtlich:
108 
„Auch in einem weiteren Fall hatte die vom Anwalt empfohlene Strategie zur Folge, dass der Antragsteller in einem Verfahren wegen eines Flaschenwurfs auf Polizist_innen von uns nicht unterstützt werden konnte. Da die Beweislage ziemlich aussichtslos war, setzte der Antragsteller vor Gericht auf Reue. Er erklärte, dass er sich habe mitreißen lassen und seine Reaktion auf das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei falsch gewesen sei. Zudem beteuerte er, seine politische Meinung zukünftig mit legalen Mitteln ausdrücken zu wollen. Nochmal: Für uns als politische Antirepressionsorganisation geht es darum, linke Politik auch im Strafverfahren zu verteidigen. Eine Prozessstrategie, die auf Distanzierung und Reue setzt, kann daher - auch wenn sie zu einer niedrigeren Strafe führt - niemals erfolgreich sein. Der Preis für eine mit diesen Mitteln erreichte niedrige Strafe ist nämlich immer die Preisgabe linker Positionen und Aktionsformen.“
109 
Diese Ausführungen machen deutlich, dass die RH gewalttätige Angriffe gegen Polizeibeamte - hier in Form eines Flaschenwurfs - und damit gewalttätige Angriffe gegen die Repräsentanten des Staates als zulässige bzw. legitime Form der politischen Auseinandersetzung ansieht.
110 
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Forderung der RH, jegliche Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungs- und Justizbehörden grundsätzlich zu verweigern und generell nicht auszusagen, mit dem Einwand gerechtfertigt hat, auch Strafverteidiger würden ihren Mandanten in Strafverfahren häufig dazu raten, sich auf ihr strafprozessuales Schweigerecht zu berufen, geht dies an der Sache vorbei. Die dargestellte Strategie der RH und die damit verbundene Forderung einer konsequenten Aussageverweigerung vor Gericht soll nicht der optimalen Verteidigung des jeweiligen Beschuldigten bzw. Angeklagten dienen. Grund hierfür ist - wie dargestellt - die grundsätzliche Ablehnung des Strafverfolgungs- und Justizsystems und insbesondere auch der Schutz von Mittätern und Strukturen der verfassungsfeindlichen linken Szene (vgl. dazu nochmals Broschüre der RH „Bitte sagen Sie jetzt nichts! Aussage Verweigerung und Verhörmethoden“, Seite 16 und 17).
111 
Die RH spricht danach insbesondere auch auf Grundlage ihrer Position zum Einsatz von Gewalt im Rahmen der politischen Auseinandersetzung sowohl den parlamentarischen Entscheidungen - beispielhaft genannt seien hier die Strafvorschriften der §§ 129 a und 129 b StGB, die die Strafverfolgung terroristischer Vereinigungen im In- und Ausland ermöglichen - als auch den Entscheidungen der Verwaltungsorgane einschließlich der Polizei und auch den Urteilen der Justiz grundsätzlich die Legitimität ab. Ihre publizistischen Äußerungen und auch ihre Praxis der Gewährung von Prozesskostenhilfe für linke (gewaltbereite) Straftäter lassen eine grundsätzliche Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Grundlage erkennen. Danach lehnt die RH insbesondere das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 LVSG) sowie die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LVSG) ab.
112 
Soweit der Kläger sich im Kern darauf beruft, die RH lehne nicht die geschriebene Verfassung und deren Vorgaben ab, sondern wende sich im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung gegen die Verfassungswirklichkeit, kann er damit nicht durchdringen. Gleiches gilt für seine Behauptung, Kern der Kritik der RH sei das Auseinanderfallen von Norm (Verfassung) und den tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Zuständen. Die Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland ist das Ergebnis des parlamentarischen Wettstreits, das auf Grundlage der Strukturprinzipien des Grundgesetzes und unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommen ist. Über die Legalität dieser Entscheidungsprozesse haben nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland die Gerichte - insbesondere das Bundesverfassungsgericht - zu befinden und nicht die RH. Wenn die RH und ihre Unterstützer meinen, den einzig richtigen Weg zu einer gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu kennen, und daraus folgend alles staatliche Handeln - sei es durch den Gesetzgeber, die Verwaltung oder die Justiz - als in Widerspruch zu selbst definierten „Verfassungsgrundsätzen“ stehend diffamieren und danach staatlichem Handeln insgesamt die Legitimität absprechen, widerspricht dieser „elitäre“ Anspruch diametral der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von § 4 Abs. 2 LVSG.
d)
113 
Zu Recht hat das Landesamt ferner angenommen, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der RH in politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG eingemündet sind.
114 
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG sind „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ nur die in diesem Sinne verfolgten politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen. Das Tatbestandsmerkmal einer „politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweise“ erfordert damit über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen zu deren Realisierung. Dementsprechend umschreibt das Gesetz verfassungsschutzrelevante Bestrebungen nicht als politisch motiviert, sondern als politisch bestimmt. Bestrebungen müssen also objektiv geeignet sein - über kurz oder lang - politische Wirkungen zu entfalten. Kein Bestandteil des Merkmals „Bestrebung“ ist ausweislich des Wortlauts der Norm ein aktiv kämpferisches Verhalten (BVerwG, U. v. 21.07.2010, aaO, juris Rn 59).
115 
Die Vorschrift erfasst Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sind. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten. Die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation reicht ebenso wie die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie nicht aus (BVerwG, U. v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 60). Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Verfassungsschutzbehörde ihre Einschätzung insoweit auf die Inhalte von Meinungsäußerungen stützt, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. Lassen sich Bestrebungen zur Beseitigung der Grundordnung aus Meinungsäußerungen ableiten, dürfen deshalb Maßnahmen zur Verteidigung dieser Grundordnung ergriffen werden (BVerwG, U. v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 61).
116 
Hiervon ausgehend sind sowohl die Meinungsäußerungen der RH in ihren Publikationen als auch die juristische und finanzielle Unterstützung für Beschuldigte, Angeklagte und Straftäter aus dem linken Spektrum als konkrete Aktivitäten zur Beseitigung der dargestellten Verfassungsgrundsätze zu werten. Die Aktionen sind geeignet, in die Gesellschaft hineinzuwirken und dementsprechend haben sie auch hinreichendes Gewicht.
3.
117 
Die vom Kläger begehrte Löschung der über ihn gespeicherten Daten scheidet - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - auch im Hinblick auf seine Betätigung bzw. Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (im Folgenden: AIHD) aus. Ausgehend von den unter II.2. a), b) und d) dargestellten Maßstäben hat das Landesamt zu Recht angenommen, dass bei der vorzunehmenden Gesamtschau - insbesondere auf Grundlage ihrer Selbstdarstellung „ Wir über uns! Grundlagen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ aus dem Jahr 2008 und ihrer sonstigen Verlautbarungen - ebenfalls tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AIHD vorliegen. Danach „bekämpft“ diese Organisation nicht nur einzelne Vorschriften oder Institutionen des Staates und der Verfassung mit legalen (gewaltfreien) Mittel. Sie wendet sich vielmehr bei lebensnaher Auslegung ihrer Verlautbarungen insgesamt gegen die Strukturen und die Form des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland und stellt die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse sowie die Rechtsstaatlichkeit insgesamt in Frage. Ihre Aktivitäten in Form von Publikationen in schriftlicher Form oder im Internet und ihre sonstigen Aktivitäten - etwa Aufrufe zu Demonstrationen und Organisation von politischen Veranstaltungen - haben auch das für die Annahme des Tatbestandsmerkmals „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG erforderliche Gewicht und sind geeignet, „beobachtungsrelevant“ in die Gesellschaft hineinzuwirken. Im Einzelnen:
a)
118 
Die AIHD bezeichnet sich in ihrer Selbstdarstellung aus dem Jahr 2008 sinngemäß als Sammelbecken der radikalen Linken und führt als Mitglieder u.a. Kommunisten und Autonome auf. Bereits der Umstand, dass die AIHD als Mitglieder Autonome zulässt und sich nach ihrem Selbstverständnis vom sog. „autonomen Antifaschismus“ der 1980er und 1990er- Jahre ableitet, rechtfertigt die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen.
119 
Als Autonome oder autonome Gruppen werden heute Mitglieder bestimmter linksextremistischer unorthodox-marxistischer bzw. anarchistischer Bewegungen bezeichnet. Die Autonomen streben u.a. danach, unabhängig von der bestehenden Gesellschaftsordnung selbstbestimmte Freiräume zu schaffen. Als allgemeinkundig kann angesehen werden, dass ein Teil der Autonomen als militant zu bezeichnen ist und damit bereit ist, je nach Eskalationsphase einer Demonstration oder einer anderen politischen Aktion auch Gewalt etwa in Form von Wurfgeschossen (Steine, Farbbeutel) bzw. Gewalt gegen ihre Gegner - auch gegen die polizeiliche Staatsgewalt - anzuwenden. Um nicht erkannt zu werden, treten Mitglieder der autonomen Gruppen immer wieder geballt in Teilgruppen und vermummt als sogenannter „Schwarzer Block“ (wegen der bevorzugten schwarzen Kleidung) bei Demonstrationen auf. Die Autonomen sind zwar ein Schmelztiegel verschiedener Fraktionen der extremistischen außerparlamentarischen Linken und insgesamt eine sehr heterogene Bewegung. Teile dieser Organisation berufen sich aber jedenfalls auf Militanz und waren in der Vergangenheit an gewaltsamen Auseinandersetzungen etwa mit Rechtsextremisten oder der Polizei beteiligt (vgl. Wikipedia, Bearbeitungsstand 08.03.2016).
120 
Die AIHD schließt nach ihrem Selbstverständnis Autonome in ihre Organisation ein und bekennt sich ausdrücklich zur Militanz. Als zentraler historischer Bezugspunkt ihrer Organisation wird ausdrücklich der „autonome Antifaschismus der 1980-er und 1990-er Jahre“ genannt. Wörtlich heißt es in diesem Zusammenhang: „Der Wille, faschistischen Parteien und Banden nicht nur verbal, sondern auch auf der Straße, sei es mit Demonstrationen, Blockaden oder direkten Angriffen entgegenzutreten und somit die Parole „Kein Fußbreit den Faschisten“ in die Tat umzusetzen, unterschied den autonomen Antifaschismus vom bürgerlichen.“ Weiter heißt es: „Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstreflektion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, betrachten wir als eines von vielen legitimen Mitteln im Kampf um Befreiung.“
121 
Bei verständiger, lebensnaher Auslegung der dargestellten Begriffe „Militanz“ und „direkte Angriffe“ in der Selbstdarstellung der AIHD aus dem Jahr 2008 müssen diese so verstanden werden, dass die Ziele der Organisation u. a. auch mit gewalttätigen Aktionen bzw. unter Ausübung körperlicher Gewalt - etwa gegenüber Rechtsextremen oder Angehörigen der Polizei - verfolgt werden. Die „gewalttätige“ Ausdrucksweise bzw. Wortwahl in der Selbstdarstellung sowie der Umstand, dass die AIHD an den „autonomen Antifaschismus der 1980er- und 1990er-Jahre“ anknüpft, sind ausreichende Indizien für die vorgenommene Auslegung. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass - und dies ist allgemeinkundig - von Mitgliedern der autonomen Szene (Stichwort „Schwarzer Block“) insbesondere bei Demonstrationen zahllose Gewalttaten gegen Polizeibeamte und politische Gegner begangen worden sind und begangen werden. Diese Entwicklung hat in der Bundesrepublik Deutschland ab 1980 begonnen und dauert bis in die heutige Zeit. Die Frage einer möglichen Gewaltbereitschaft der Mitglieder der AIHD kann unter Berücksichtigung der dargestellten allgemeinpolitischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland allein nach dem objektiven Verständnis der Verlautbarungen der AIHD beurteilt werden, zumal die innere Motivation der bei dieser Organisation Tätigen vom Landesamt für Verfassungsschutz nicht feststellbar ist.
122 
Unerheblich ist der sinngemäße Einwand des Klägers, der VGH Baden-Württemberg habe ihm in seinem Urteil vom 13.03.2007 (aaO), in dem über seine Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg entschieden worden ist, geglaubt, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt habe. In diesem Urteil hat der VGH Baden-Württemberg zwar darauf abgehoben, dass der Begriff der Militanz durchaus ambivalent bzw. mehrdeutig ist, und hat vor diesem Hintergrund unter Berücksichtigung der individuellen Erklärung eine für diesen günstige Auslegung - auch im Hinblick auf dessen Grundrechte - vorgenommen. Diese Überlegungen sind auf die vorliegende Fragestellung aber nicht übertragbar. Bei der hier zu treffenden Einschätzung spielt es keine Rolle, ob ein Teil der Mitglieder der AIHD bzw. einzelne Mitglieder Gewalt grundsätzlich ablehnen und danach in Bezug auf ihre Person keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen erkennbar sind. Das Landesamt hat vielmehr die Gesamtorganisation in den Blick zu nehmen, und für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz muss es danach als ausreichend angesehen werden, wenn im Hinblick auf die Programmatik und den historischen Bezugspunkt gewaltbereite Teile der Autonomen Mitglied der AIHD sein können bzw. sind.
123 
Das Landesamt ist ferner - unabhängig von diesen Ausführungen - nicht gehalten, bei mehrdeutigen Äußerungen zur Gewalt bzw. zur Militanz eine für die AIHD günstige Auslegung vorzunehmen, wenn bei einer Gesamtschau mit weiteren Erkenntnissen verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Dies ist hier auch aus den nachfolgenden Gründen zu bejahen.
b)
124 
Die Legitimierung von Gewalt bzw. Militanz und damit die grundsätzliche Ablehnung der Grundregeln des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich - unabhängig von der Selbstdarstellung der AIHD - auch aus dem vom Verfassungsschutz vorgelegten Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.10.2012. Dieser enthält unter anderem ein Interview mit vier Mitgliedern der AIHD und folgende Aussagen: „Zu sagen, dass Gewalt völlig tabu ist, finde ich dumm“ und „Ich bin nicht bereit, jedem Befehl eines Polizisten zu folgen“. Die letztgenannte Aussage bezieht sich erkennbar auf Anweisungen der Polizei im Rahmen von Demonstrationen und damit bei lebensnaher Betrachtung auch im Rahmen von Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten. Als Beispiele für ihre Aktionen gaben die Mitglieder AIHD laut Bericht der FAZ an: „Einen Reisebus von Neonazis mit besonders übelriechender Buttersäure unbenutzbar gemacht. Ein Geschäft der unter Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar mit Farbbeuteln beworfen. Und Skinheads, die ein Punkkonzert stürmen wollten, in ihren Heimatdörfern mit Stuhlbeinen verprügelt“. Fehl geht der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand des Klägers, diese Aktivitäten könnten zwar als Verstöße gegen das Strafgesetzbuch (Sachbeschädigung, Körperverletzung) gewertet werden, eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ergebe sich daraus aber nicht. Die genannten Aktionen mögen zwar für sich genommen (noch) kein ausreichender Anlass sein, die hier zu beurteilenden Maßnahmen des Landesverfassungsschutzes begründen zu können. Die Aussage in der FAZ ist allerdings als ein gewichtiges Indiz unter anderen für die Ablehnung der Grundordnung dieses Staates zu werten.
125 
Soweit der Kläger die Aussage eines Mitglieds der AIHD „Gewalt sei nicht in jeder denkbaren Situation tabu“ unter Hinweis auf das Widerstandsrecht in Art. 20 Abs. 4 GG rechtfertigt, kann er damit nicht durchdringen. Eine Situation, in der über die Inanspruchnahme eines Widerstandsrechts nach Art. 20 Abs. 4 GG nachgedacht werden könnte, liegt derzeit nicht vor; dies bedarf keiner weiteren Vertiefung.
126 
Unbehelflich ist auch der Einwand des Klägers, das Landesamt habe den Wahrheitsgehalt der Äußerungen im genannten Zeitungsartikel nicht selbst überprüft. Mit der Aufgabe des Landesamts, in seiner Funktion als Frühwarnsystem Indizien zu sammeln und auszuwerten, die den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung aufkommen lassen, ist naturgemäß weder die Pflicht noch die Möglichkeit verbunden, den gesammelten Indizien in jedem Einzelfall nachzugehen und auf diese Weise etwa beweiskräftiges Material wie in einem Strafprozess zu gewinnen. Im Übrigen hat der Kläger selbst nicht behauptet, dass im Bericht der FAZ vom 27.10.2012 die Aussagen der Mitglieder der AIHD unzutreffend wiedergegeben worden sind. Auch ansonsten sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Zeitungsartikel geschilderten „Gewaltaktionen“ sinnentstellend bzw. tendenziös zu Lasten der AIHD dargestellt worden sind. In einem solchen Fall hätte für die interviewten Mitglieder der AIHD zudem die Möglichkeit bestanden, einen presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch durchzusetzen; dass ein solcher Anspruch geltend gemacht worden ist, ist nicht ersichtlich und Entsprechendes hat auch der Kläger nicht behauptet.
127 
Dass die AIHD die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht akzeptiert und zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele (auch) militante bzw. gewalttätige Aktivitäten befürwortet, ergibt sich auch aus weiteren Verlautbarungen. So lässt sich etwa einem Artikel vom 15.08.2013 unter der Überschrift „Vier Direktkandidaten der NPD in der Kurpfalz“, in dem anlässlich der Bundestagswahl 2013 Informationen über die NPD und ihre Kandidaten in der Rhein-Neckar-Region enthalten sind, u. a. auch Folgendes entnehmen: „Während des Wahlkampfs ist es unabdingbar, sich der NPD entgegenzustellen und somit jede Plakatieraktion, jeden Infostand und jede öffentliche Veranstaltung zu einem Abgesang auf diese Nazi-Partei zu machen. ...Nazi-Strukturen und ihre Verbindungen bis hinein in bürgerliche Kreise müssen permanent aufgedeckt, offengelegt und angegriffen werden. ... Der NPD einen richtigen WahlKAMPF bieten! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen sind auch diese Aussagen Indiz dafür, dass die AIHD die Struktur des politischen Prozesses nicht akzeptiert und bereit ist, auch „kämpferische Mittel“ und danach Gewalt im Rahmen der Auseinandersetzung mit der NPD einzusetzen. In einem weiteren Artikel der AIHD vom 11.04.2015 „Gegen den rassistischen Normalzustand - Kein Mensch ist illegal!“ heißt es u.a. wie folgt: „Es ist legitim und notwendig, sich rassistischen und faschistischen Bewegungen in den Weg zu stellen - anders, als das die Pegida-Versteher*innen gern hätten, ganz praktisch und mit der gebotenen Militanz. ..... Die Flüchtlinge brauchen unsere ganz konkrete Solidarität und Hilfe gegen die Abschiebemaschinerie. Die verhinderte Sammelabschiebung aus der Flüchtlingsunterkunft aus der Kirchheimer Hardtstraße am 25.02. dieses Jahres war ein starkes Signal und ein ermutigender Anfang..... Den Nazis und den Abschiebebehörden in den Arm zu fallen, ist eine Sache.....“ Isoliert betrachtet lassen sich diese Ausführungen zwar auch als Aufruf zum zivilen Ungehorsam zu werten sein. Unter Berücksichtigung des verwendeten Begriffs der Militanz und der sonstigen Indizien ist aber auch in diesem Zusammenhang eine Auslegung dahingehend naheliegend, dass nicht nur den „Nazis“, sondern auch staatlichen Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung von Flüchtlingen mit Gewalt entgegenzutreten ist und sie auf diese Weise „zu bekämpfen“ sind.
c)
128 
Die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen der AIHD ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die Organisation ausdrücklich auch Kommunisten in ihre Organisation einschließt und als Mitglieder führt.
129 
Der AIHD ist zwar zuzugeben, dass allein die Forderung nach einer grundlegenden Umgestaltung der sogenannten „bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse“ und damit die Forderung nach einer grundlegenden Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland kein hinreichendes Indiz für eine eindeutige verfassungsfeindliche Einstellung ist. Das Grundgesetz gibt - so zu Recht der Kläger - eine bestimmte Wirtschaftsform nicht zwingend vor. Gleiches gilt für die Forderung der AIHD nach einer Gesellschaftsordnung im Sinne von Karl Marx, „in welcher die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft und der Mensch nicht länger ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Diese Formulierung lässt nach Auffassung der Kammer keinen ausreichend sicheren Schluss darauf zu, dass die angestrebte Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung allein durch eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne erreicht werden soll.
130 
Bei der vorzunehmenden Gesamtschau ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Kontext dieser Äußerungen auch die Überzeugung geäußert wird, dass sich auf parlamentarischem Weg - und dies ist in der Bundesrepublik Deutschland der einzig gangbare Weg - an den „herrschenden Unterdrückungsverhältnissen“ nichts Grundlegendes ändern lasse. Dies wiederum lässt durchaus den Schluss zu, dass dem Parlament in der Bundesrepublik Deutschland seine in der Ordnung des Grundgesetzes zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung abgesprochen wird. Da - wie dargestellt - auch ausreichende Anhaltspunkte für eine Legitimierung von Gewalt bzw. von gewalttätigen Aktionen durch die AIHD bestehen, ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Teile der Organisation, die sich als Kommunisten bezeichnen, eine grundlegende Umgestaltung der bestehenden staatlichen Ordnung durch eine Revolution und damit eine Umgestaltung im marxistisch-leninistischen Sinne erstreben.
131 
Nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls eine kommunistische Staats- und Gesellschaftsform mit den Grundlagen der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie in § 4 Abs. 2 LVSG beschrieben ist, nicht vereinbar. Bei der vorzunehmenden Auslegung können die geschichtlichen Vorgänge seit dem 20. Jahrhundert und in diesem Zusammenhang insbesondere die von den „Bolschewiki“ unter Führung von Lenin durchgeführte Oktoberrevolution und das danach errichtete Regime in Gestalt der Sowjetunion nicht außer Betracht bleiben. Alle Staatsformen, die auf Grundlage der Theorien von Marx und Lenin im vergangenen Jahrhundert weltweit errichtet wurden und alle Regierungssysteme, die nach eigenem Selbstverständnis ein „kommunistisches“ Staatswesen errichtet haben oder auf dem Weg zu einem solchen Staatswesen waren, standen in diametralem Gegensatz zu der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dies gilt namentlich für die Staaten des ehemaligen Ostblocks sowie wie etwa für die Systeme in Nordkorea, China, dem ehemaligen Jugoslawien oder in Rumänien.
d)
132 
Den Äußerungen bzw. Verlautbarungen der AIHD lässt sich vor dem Hintergrund ihrer Aggressivität auch die grundsätzliche Ablehnung der demokratischen Staatsform entnehmen (vgl. dazu auch: BVerwG, Urt. v. 19.12.2012 - 6 A 6.11 - NVwZ 2013, 870, juris Rn. 33-35). Dies ergibt sich aus der nachfolgend dargestellten Diffamierung des Staates, seiner Institutionen und Repräsentanten. Bereits in den Grundlagen der AIHD aus dem Jahr 2008 heißt es, dass die Bundeswehr mittlerweile im Rahmen weltweiter Kampfeinsätze in „Angriffs- und Weltordnungskriegen agiere“ und die „BRD sich gegen die VerliererInnen der neuen wirtschaftlichen und militärischen Weltordnungskämpfe abschotte; Konsequenz sei das immer brutaler werdende europäische Grenz- und Abschieberegime“. Im genannten Artikel vom 11.04.2015 „Gegen den rassistischen Normalzustand - Kein Mensch ist illegal“ heißt es u.a.: „Solidarität muss praktisch werden - Feuer und Flamme den Abschiebebehörden!“ In einer weiteren Publikation vom 26.02.2011 mit dem Titel „Still not loving the police - Gegen Polizeiterror und staatliche Repressionen“ wird die deutsche Polizei als „Organ systematischer und organisierter Aufstandsbekämpfung“ diffamiert; als Abschluss des Artikels heißt es: „Geheimdienste abschaffen! Gegen staatliche Repression und Polizeiterror! Stoppt den Staatsterrorismus!“
133 
Die AIHD unterstellt der Bundesrepublik Deutschland, ein „rassistischer Staat“ zu sein; geltendes, demokratisch legitimiertes Ausländerrecht wird als „rassistische Gesetzgebung“ bezeichnet. In einem Flugblatt der AIHD zu einem Brandanschlag am 15.08.2000 in Ludwigshafen hieß es wie folgt: „Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack! Gegen staatlichen Rassismus und faschistischen Terror !“
134 
Dass die AIHD den Staat und in diesem Zusammenhang die rechtsstaatlichen Vorgaben und Regeln pauschal ablehnt, zeigt sich beispielhaft an einem Redebeitrag der AIHD auf einer „Demonstration gegen Repression in HD“ am 30.01.2010, zu der die AIHD unter dem Motto „Solidarität mit Mumia Abu - Jamal!“ aufgerufen hatte. Der Beitrag endete mit der Forderung bzw. dem Aufruf: „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Gegen staatlichen Rassismus und politische Repression! Kampf der Klassenjustiz!“ Indem die AIHD dem Staat und den Justizbehörden Verfolgung von Personen oder Gruppen wegen ihrer politischen Überzeugung vorwirft, bestreitet sie - ebenso wie die RH - die Bindung des Staates und seiner Organe (hier der Justiz) an Recht und Gesetz und unterstellt dem Staat politische Willkür und die Unterdrückung Oppositioneller bzw. Andersdenkender. Der Redebeitrag endet mit den Parolen „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Gegen staatlichen Rassismus und politische Repression! Kampf der Klassenjustiz!“ Auch in einem Bericht der AIHD über die Demonstration am 30.01.2010 vom 31.01.2010 ist wiederum von „linken politischen Gefangenen“ die Rede. So heißt es wörtlich: „Mit lautstarken Parolen wurden die im Faulen Pelz (= Gefängnis) einsitzenden linken politischen Gefangenen gegrüßt“.
135 
In einem weiteren von der AIHD am 22.03.2015 unter der Überschrift „Polizei verhindert Protest in Sichtweite der Nazis“ veröffentlichten Beitrag heißt es u.a.: „Bullen unterstützen Nazi-Demo. .... Die Nazis freuen sich über den Schutz durch die Bullen und behaupten, es hätte keinen Widerstand gegeben. Es stimmt, sie sind ungestört gelaufen. Doch über alledem schwebt wieder einmal der alte Spruch: Deutsche Polizisten schützen die Faschisten !“
136 
Diese auszugsweise dargestellten Veröffentlichungen und Verlautbarungen der AIHD zeigen, dass die Organisation nicht nur einzelne Vorschriften oder Institutionen der Verfassung bekämpft, sondern die Grundprinzipien der Verfassungsordnung. Die dieser widersprechende Zielsetzung der Organisation ergibt sich aus einer ständigen, gegen die Grundprinzipien gerichteten durchgängigen Polemik gegen den Staat bzw. das System. Die Äußerungen betreffen gleichermaßen die Polizei (deutsche Polizisten schützen die Faschisten) und andere staatliche Stellen wie die Verwaltung (Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack !), die Bundeswehr (agiere mittlerweile im Rahmen weltweiter Kampfeinsätze in Angriffs- und Weltordnungskriegen) wie auch die Justiz (Klassenjustiz bzw. Verfolgung der linken politischen Gefangenen). Diese Kritik zeigt bei der vorzunehmenden Gesamtschau nach Inhalt und unter Berücksichtigung der gewählten Form und Ausdrucksweise, dass die AIHD die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland ablehnt. Danach wird sowohl den Entscheidungen der Parlamente und der Verwaltung als auch den Urteilen der Justiz grundsätzlich die Legitimität abgesprochen. Die AIHD stellt auf Grundlage ihrer Kritik an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise wie die RH von den Prinzipien der Verfassung zumindest die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundlegend in Frage (s. § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LVSG). Dass die Ergebnisse des politischen Meinungskampfs in der Bundesrepublik Deutschland generell nicht anzuerkennen sind, zeigt sich beispielhaft wiederum an der Aussage der AIHD in ihrer Grundordnung aus dem Jahr 2008, „auf parlamentarischem Wege lasse sich an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern“.
137 
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch in diesem Zusammenhang darauf, die dargestellte Kritik der AIHD richte sich nicht gegen die wesentlichen Prinzipien der Verfassung, sondern allein gegen die Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen bei der RH unter II.2.c) verwiesen werden. Der AIHD ist zwar zuzugeben, dass eine grundsätzliche Kritik und damit verbunden ein Infragestellen der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG möglich sein muss. Die tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland sind aber gerade das Ergebnis der auf Grundlage der Verfassung vom Parlament, das in allgemeiner unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt ist, beschlossenen Gesetze und damit „der Wille der Mehrheit“. Der Schutz der Minderheiten wird nach dem Grundgesetz durch die Gerichte - und in diesem Zusammenhang etwa durch die Auslegung der verfassungsmäßig geschützten Grundrechte durch das Bundesverfassungsgericht -sichergestellt. Diese Organe - und nicht die Mitglieder der AIHD - sind dazu berufen, die Vorgaben der Verfassung in die Praxis umzusetzen, und dies stellt die AIHD grundsätzlich in Abrede.
e)
138 
Zu Recht hat das Landesamt ferner angenommen, dass die AIHD den sog. „Nazis“ und damit rechtsextremen Gruppierungen ihre grundrechtlich verbrieften Rechte auf Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und auf Versammlung nach Art. 8 Abs. 1 GG abspricht. Bei sinnorientierter Auslegung ihrer Aufrufe und Verlautbarungen beschränkt sich die AIHD nicht darauf, Rechtsextremen in Ausübung der grundrechtlich gewährten Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG friedlich entgegenzutreten und auf diese Weise Flagge zu zeigen. Ziel ist vielmehr, das Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit unmöglich zu machen bzw. zu verhindern. So heißt es etwa in der bereits zitierten Verlautbarung vom 11.04.2015 „Gegen den rassistischen Normalzustand - Kein Mensch ist illegal!“ u.a. wie folgt: „Es ist legitim und notwendig, sich rassistischen und faschistischen Bewegungen in den Weg zu stellen - anders als die Pegida-Versteher* innen gern hätten, ganz praktisch und mit der gebotenen Militanz“. In einem Aufruf der AIHD gegen den „Nazi-Aufmarsch in Sinsheim-Hoffenheim am 27.11.2010“ heißt es u.a. wie folgt: „Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass alle, die sich gegen die menschenverachtende, rassistische und rückwärtsgewandte Ideologie der Nazis stellen wollen, zusammen an einem Strang ziehen, um solche Aufmärsche für die rechte Szene unberechenbar und letztlich unmöglich zu machen.“ Auch in dem Artikel über „Vier Direktkandidaten der NPD in der Kurpfalz“ vom 15.08.2013 heißt es u.a.: „Während des Wahlkampfs ist es unabdingbar, sich der NPD entgegenzustellen und somit jegliche Plakatieraktion, jeden Infostand und jede öffentliche Veranstaltung zu einem Abgesang auf diese Nazi-Partei zu machen. ..Der NPD einen richtigen WahlKAMPF bieten ! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen !“ Diese Äußerungen zeigen, dass sich die AIHD anmaßt, nach eigenem Gutdünken über die Frage zu entscheiden, ob Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit auftreten können bzw. ob sie sich auf die dargestellten Grundrechte berufen dürfen. Dies ist jedoch Aufgabe staatlicher Stellen, namentlich der Parlamente und der Gerichte; so ist sowohl für die verbindliche Auslegung der genannten Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG als auch für ein Parteiverbot der NPD das Bundesverfassungsgericht und nicht die AIHD zuständig.
139 
Im Hinblick auf die dargestellte Gewaltbereitschaft bei der AIHD ist die Annahme gerechtfertigt, dass ihre Mitglieder Rechtsextremisten oder solche Personen und Gruppierungen, die sie dafür halten, an der Wahrnehmung der Grundrechte auch mit gewalttätigen Mitteln hindern bzw. hindern wollen. Aber auch wenn man annähme, mit den dargestellten Verlautbarungen und Aufrufen der AIHD wären keine illegalen und gewaltsamen Aktionen gemeint, sondern lediglich ein kalkulierter Rechtsbruch im Sinne des zivilen Ungehorsams, wäre eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt. Ein kalkulierter Rechtsbruch im Sinne des zivilen Ungehorsams, der etwa Besetzungen, Blockaden und andere Formen des zivilen Ungehorsams einschließt, kann zwar nicht in jedem Fall den Verdacht von verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG begründen. Fälle, in denen eine Person bzw. eine Personengruppe aus höchster Gewissensnot im Einzelfall zum Mittel einer Besetzung oder Blockade greift - man denke an die Blockadeaktionen in Mutlangen zur Verhinderung der Stationierung von Mittelstreckenraketen -, rechtfertigen nicht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz (vgl. auch VG Köln, Urteil v. 20.01.2011, aaO, juris Rn. 225). Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sind aber dann gegeben, wenn der kalkulierte Rechtsbruch im Sinne des zivilen Ungehorsams - wie hier - als strukturelles und dauerhaftes Mittel eingesetzt wird, um den Auftritt von Rechtsextremisten bzw. von vermeintlichen Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit und damit deren Grundrechtsausübung zu verhindern. In einer solchen Konstellation dient der Einsatz des zivilen Ungehorsams dazu, die verfassungsrechtliche Grundordnung auszuhöhlen und anstelle der dazu berufenen verfassungsmäßigen Organe Recht zu setzen.
140 
Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann die weitere Frage, ob auch die vom Landesamt dargelegten Fälle, in denen die AIHD Rechtsextremisten „geoutet“ hat, Indiz für verfassungsfeindliche Bestrebungen sind, dahinstehen. Für diese Beurteilung kommt es entscheidungserheblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. „Outing“-Aktionen können - entgegen der Auffassung des Klägers - das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen im Hinblick auf die damit verbundene „Prangerwirkung“ verletzen und deshalb Indiz dafür sein, dass den politischen Gegnern die Grundrechte abgesprochen werden.
f)
141 
Keiner Beantwortung bedarf die Frage, ob verfassungsfeindliche Bestrebungen bei der AIHD insgesamt oder nur bei einem Teil ihrer Mitglieder bzw. Anhänger festzustellen sind. Anhaltspunkte für Bestrebungen einer Organisation, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht nur dann gegeben, wenn die Organisation in ihrer Gesamtheit solche Bestrebungen entfaltet. Es können etwa eindeutige verfassungsfeindliche Bestrebungen einzelner Teile innerhalb einer Organisation Anhaltspunkte dafür liefern, in welche Richtung sich die Organisation insgesamt entwickeln kann. Dies erfordert die Beobachtung der Organisation insgesamt, nicht nur der einzelnen Gruppierungen (so BVerwG, Urteil v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 45 zu der entsprechenden Frage bei der Partei „Die Linke“, ob diese Partei insgesamt beobachtet werden darf, wenn verfassungsfeindliche Bestrebungen nur einzelner Gruppierungen innerhalb der Partei vorliegen). Danach ist der Einwand des Klägers, die AIHD sei als Gesamtheit nicht Mitglied der Autonomen, dies sei allenfalls bei einzelnen Mitgliedern der AIHD der Fall, rechtlich unerheblich. Gleiches gilt für den Umstand, dass Kommunisten nur einen Teil des Spektrums der AIHD darstellen und andere Teile der Organisation sich dieser Ideologie nicht verschrieben haben.
142 
Auch die Rüge des Klägers in der mündlichen Verhandlung, ein Großteil der vorstehend dargestellten Artikel und Aufrufe der AIHD datierten erst nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Dezember 2012 und dürften deshalb nicht verwertet werden, bleibt ohne Erfolg. Entsprechend allgemeinen Grundsätzen bei der Verpflichtungsklage ist für den vom Kläger geltend gemachten Löschungsanspruch auf Grundlage von § 14 LVSG die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend. Deshalb sind auch die aktuellen Entwicklungen und damit die Erkenntnisse über die AIHD aus neuerer Zeit für die Frage entscheidungserheblich, ob im Hinblick auf diese Organisation weiterhin personenbezogene Daten über den Kläger gespeichert werden dürfen oder ob - etwa im Hinblick auf die Löschungsfristen in § 14 Abs. 3 LVSG - ein Anspruch auf Datenlöschung besteht.
143 
Auch der Vortrag des Klägers, die vorstehend dargestellten Artikel und Aufrufe der AIHD seien nicht von ihm persönlich verfasst worden, ist rechtlich unerheblich. Die Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten über seine Person ist deshalb zulässig, weil er unstreitig Mitglied in der AIHD ist und diese im Hinblick auf die von ihr ausgehenden verfassungsfeindlichen Bestrebungen aktuell beobachtet werden darf.
4.
144 
Die Beobachtung der beiden Organisationen RH und AIHD durch den Verfassungsschutz kann - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - auch deshalb nicht beanstandet werden, weil jedenfalls bei Gesamtschau aller die RH und die AIHD betreffenden Anhaltspunkte und Indizien die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen beider Organisationen gerechtfertigt ist. Auch Verbindungen zu bereits als extremistisch erkannten Gruppen oder Einzelpersonen, insbesondere gemeinsame Veranstaltungen und ein gemeinsames Auftreten können bei der vorzunehmenden Gesamtschau die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (vgl. Droste, aaO, S. 179). Bei der RH und der AIHD können nicht nur teilweise wortgleiche Formulierungen und eine vergleichbare politische Ausrichtung festgestellt werden, beide Organisationen sind vielmehr auch personell eng verbunden. Sowohl der Kläger als auch Michael Dandel - beide tragende Mitglieder der AIHD - sind im Bundesvorstand der RH in verantwortlicher Position tätig (vgl. Interview mit Michael Dandel, Die Rote Hilfe 2/2013, S. 7).
5.
145 
Zu Unrecht meint der Kläger, seine politischen Aktivitäten für die beiden Organisationen RH und AIHD dürften vom Verfassungsschutz schon deshalb nicht beobachtet werden, weil er nach dem rechtskräftigen Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2007 (aaO) die Gewähr der Verfassungstreue biete und deshalb in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg übernommen worden sei. Die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 13.03.2007 haben für die streitgegenständliche Frage, ob der Kläger im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der RH und der AIHD vom Landesverfassungsschutz aktuell beobachtet werden darf, keine maßgebliche Bedeutung. Der VGH hat dem Kläger - trotz seiner Mitgliedschaft in der AIHD - geglaubt, dass er persönlich Gewalt gegen Personen und Sachen ablehne, und hat vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des beanstandungsfreien Verhaltens des Klägers im vorherigen Schuldienst sinngemäß die Verfassungstreue des Klägers bejaht. Da im vorliegenden Verfahren andere Rechtsgrundlagen und ein anderer Beurteilungsmaßstab gelten, besteht von vornherein keine formale Bindungswirkung des Urteils des VGH. Soweit der VGH in seinem Urteil Zweifel an der Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung der AIHD geäußert hat, waren diese Ausführungen für ihn erkennbar nicht tragend (UA S. 26 und 27). So heißt es in dem Urteil „Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AIHD nicht die Rede sein (gemeint ist der Kläger), so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit“; auch soweit sich der VGH im Anschluss daran auf Grundlage seiner damaligen Erkenntnisse kursorisch mit der Frage einer verfassungsfeindlichen Zielsetzung der AIHD auseinandersetzt, erfolgen diese Ausführungen teilweise im Konjunktiv. Außerdem liegen dem Verfassungsschutz und der Kammer weitere Erkenntnisse über die AIHD aus neuerer Zeit vor, die dem VGH nicht zur Verfügung stehen konnten. Wie sich der Entscheidung des VGH zudem entnehmen lässt, waren die RH und die über diese Organisation vorliegenden Erkenntnisse nicht Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung.
6.
146 
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich darauf, dass die vom Landesamt mitgeteilten und ihn betreffenden personenbezogenen Daten deshalb zu löschen seien, weil sich diese Aktivitäten - etwa Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen wie dem jährlichen Ostermarsch - im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung bewegten und diese Informationen jedenfalls als unwichtig zu bewerten seien. Für die Frage, ob konkrete Umstände und Ereignisse den Verdacht verfassungsfeindlichen Verhaltens rechtfertigen, kommt es nicht darauf an, ob die fraglichen Verhaltensweisen rechtlich erlaubt sind oder nicht. Auch rechtlich geschützte Verhaltensweisen können in Verbindung mit anderen Umständen Anlass für einen Verdacht bieten (vgl. Droste, aaO, S. 177).
147 
Danach können vom Verfassungsschutz auch Verhaltensweisen wie die Teilnahme des Klägers am jährlichen Ostermarsch erfasst werden. An Veranstaltungen wie den Ostermärschen nehmen regelmäßig auch eine Vielzahl nicht verfassungsfeindlicher Gruppierungen, Parteien und Bürger teil, ohne dass dies den Verfassungsschutz tatsächlich interessiert und zu interessieren hätte. Zu Recht hat das Landesamt aber in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sich typischerweise an solchen Veranstaltungen auch verfassungsfeindliche Gruppierungen bzw. Mitglieder solcher Gruppierungen beteiligten und die Erfassung des Klägers in diesem Kontext zu sehen ist. Da der Verfassungsschutz - wie dargestellt - die verfassungsfeindlichen Organisationen RH und AIHD beobachten darf, darf er auch die politischen Aktivitäten seiner Mitglieder und damit die des Klägers bei solchen Veranstaltungen wie den Ostermärschen erfassen. Es liegt auf der Hand, dass sich der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes gerade darauf erstreckt, wie und in welchem Umfang die Aktivitäten der verfassungsfeindlichen Organisationen in die Gesellschaft hineinwirken. Dazu gehört auch die Beobachtung, ob und inwieweit Mitglieder der RH bzw. der AIHD versuchen, Einfluss in und auf Organisationen zu gewinnen, die auf dem Boden der Verfassung stehen.
148 
Da das Sammeln und Auswerten von Informationen durch den Verfassungsschutz gerade auch bezweckt, Informationen über die aktuelle Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte zu erlangen, gehört zum Beobachtungsauftrag notwendigerweise auch, dass neutrale bzw. für die jeweilige verfassungsfeindliche Organisation günstige und gegen ihre weitere Beobachtung sprechende Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Deshalb dürfen vom Verfassungsschutz jedenfalls solche Informationen erfasst werden, die - wie die hier vom Landesamt mitgeteilten Vorfälle und Ereignisse - im Zusammenhang mit den politischen Aktivitäten der beobachteten Organisationen stehen. Dieser Zusammenhang ist bei den vom Landesamt mitgeteilten, den Kläger betreffenden Ereignissen aber jeweils zu bejahen.
III.
149 
Da der Kläger nach den Ausführungen unter II. keinen Anspruch auf Löschung der über ihn gespeicherten Daten hat, sind diese personenbezogenen Daten des Klägers, soweit sie in Akten gespeichert sind, auch nicht zu sperren. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 LVSG sind die in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten zu sperren, wenn die Speicherung unzulässig war oder die Daten für die Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes voraussichtlich nicht mehr erforderlich sind. Diese Voraussetzungen für einen Sperrvermerk sind im Hinblick auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der RH und der AIHD und der Betätigung des Klägers in diesen beiden Organisationen nicht gegeben.
150 
Die Zulassung der Berufung folgt aus § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
151 
Beschluss
152 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung durch das VG Stuttgart vom 15.01.2013 gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 10.000,-- festgesetzt. Für die beiden Streitgegenstände Auskunftsanspruch und Löschungsanspruch wird jeweils ein Streitwert von 5.000,-- EUR angesetzt.
153 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
A.
58 
Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger mit den Anträgen Nr. 1 und Nr. 2 weitere Auskunft über die zu seiner Person beim Landesamt für Verfassungsschutz gespeicherten Daten begehrt; statthafte Klageart für das Auskunftsverlangen ist die Verpflichtungsklage (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl., § 35 Rn. 42).
59 
Die Klage ist nur teilweise zulässig, soweit der Kläger mit den Anträgen Nr. 3 und Nr. 4 die Löschung von Daten begehrt.
60 
Für den Anspruch des Klägers auf Löschung von Daten ist ebenfalls die Verpflichtungsklage statthafte Klageart. Zwar erstrebt der Kläger letztlich die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs, namentlich die Löschung bestimmter zu seiner Person und zu bestimmten Vorkommnissen beim Landesamt gespeicherter Daten. Die Entscheidung hierüber hat jedoch - wie beim Auskunftsverlangen - durch vorgeschalteten Verwaltungsakt zu erfolgen, sodass für die gerichtliche Durchsetzung des Löschungsbegehrens, das das Landesamt mit den streitgegenständlichen Bescheiden abgelehnt hat, die Verpflichtungsklage statthafte Klageart ist (vgl. etwa VG Kassel, Urteil vom 01.03.2012 - 1 K 234/11.KS - juris Rn. 20).
61 
Zulässig ist die Klage, soweit sie sich auf die Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten bezieht, die das Landesamt einmal im bestandskräftigen Bescheid vom 13.05.2002 und zum anderen in den beiden streitgegenständlichen Bescheiden vom 21.09.2010 und 17.12.2012 offengelegt hat.
62 
Soweit der Kläger hingegen mit dem Klageantrag Nr. 4 begehrt, den Beklagten zur Löschung aller über ihn beim Landesamt vorhandenen Daten zu verpflichten und diese Daten - soweit sie in Akten enthalten sind - mit einem Sperrvermerk zu versehen, ist die Klage unzulässig, da dieser Antrag unbestimmt ist.
63 
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO soll die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich die Voraussetzung für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Deshalb ist ein Klageantrag grundsätzlich nur dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der richterlichen Entscheidungsbefugnis (§ 88 VwGO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 121 VwGO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (Eyermann, VwGO, 14. Auflage, § 82 Rn. 10; vgl. für den Fall eines unbestimmten Antrag auf Löschung von Daten des Verfassungsschutzes VG Göttingen, Urteil vom 06.11.2013 - 1 A 246/11 - juris Rn. 33, 34). Ein in dieser Weise bestimmter Antrag muss spätestens in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, andernfalls ist die Klage unzulässig (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage, § 82 Rn. 10).
64 
Danach ist der Klageantrag Nr. 4 unbestimmt und kann auch nicht in hinreichend bestimmter Weise gestellt werden, weil es dem Kläger rechtlich unmöglich ist, die weiteren über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten, die das Landesamt weder im bestandskräftigen Bescheid vom 13.05.2002 noch in den beiden hier streitgegenständlichen Bescheiden benannt hat, hinreichend konkret zu bezeichnen. Weder dem Kläger noch dem Gericht ist bekannt, welche weiteren Daten über ihn beim Landesamt vorhanden sind. Würde das Gericht zu einer Verpflichtung des beklagten Landes gelangen, sämtliche beim Landesamt über den Kläger vorhandenen Daten zu löschen, wäre ein solcher Tenor nicht vollstreckbar. Da der Kläger auch - wie noch dargelegt wird - keinen Anspruch auf weitere Auskunft zu diesen Daten hat, ist es ihm auch von vornherein verwehrt, Kenntnis von diesen Daten zu erlangen.
65 
Dieses Ergebnis ist auch hinzunehmen, da die mit der gesetzlichen Regelung in § 13 LVSG verbundene Einschränkung des Auskunftsanspruchs durch das Staatswohl gerechtfertigt ist. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos. Es gibt verfassungsmäßig legitimierte staatliche Aufgaben, die zu ihrer Erfüllung der Geheimhaltung bedürfen. Die Wahrnehmung derartiger - in ihrer rechtlichen Gebundenheit nicht außerhalb des Rechtsstaats stehender - Aufgaben würde erheblich erschwert und in weiten Teilen unmöglich gemacht, wenn ihre Aufdeckung gegenüber dem Bürger uneingeschränkt geboten wäre. Das gilt insbesondere für Erkenntnisse und Arbeitsweisen der für die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Behörden, zu denen auch die Ämter für Verfassungsschutz rechnen. Die Erfüllung der Aufgabe für den Verfassungsschutz würde erheblich erschwert und in weiten Teilen unmöglich gemacht, wenn die gewonnenen Erkenntnisse auf Verlangen beobachteter Personen oder anderer Beteiligter mitgeteilt werden müssten. Sie erfordert daher eine weitgehende Geheimhaltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.1990 - 1 C 42.83 - BVerwGE 84, 375, juris Rn. 16, 18 und 20; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 24.04.2013 - 1 BvR 1215/07 - BVerfGE 133, 277, juris Rn. 210, 212).
66 
Ist es danach für den Kläger mangels eines weitergehenden Auskunftsanspruch aus Rechtsgründen nicht möglich, einen bestimmten Antrag zu stellen, so ist dies auch im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hinzunehmen. Dies gilt auch für das Gericht, das keine Möglichkeit hat, dem Kläger in der mündlichen Verhandlung einen ausreichend bestimmten Antrag nahezulegen (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 06.11.2013, aaO, juris Rn. 34).
67 
Diese Ausführungen gelten gleichermaßen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, alle ansonsten über ihn in Akten enthaltenen Daten mit einem Sperrvermerk (vgl. dazu § 14 Abs. 4 LVSG) zu versehen.
B.
68 
Die Verpflichtungsklage ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet. Der Bescheid des Landesamts für Verfassungsschutz vom 21.09.2010 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 17.12.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat gegenüber dem beklagten Land weder Anspruch auf Erteilung weiterer Auskunft (I.) noch auf Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt hat (II.).
I.
69 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm das Landesamt für Verfassungsschutz über die bislang im bestandskräftigen Bescheid des Landesamts vom 13.05.2002 und in den beiden streitgegenständlichen Bescheiden vom 21.09.2010 und 17.12.2012 erteilten Auskünfte hinaus weitere seine Person betreffende Daten mitteilt.
1.
70 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG erteilt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist das Landesamt nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten, die Empfänger von Übermittlungen und den Zweck der Speicherung Auskunft zu erteilen. Die Auskunft unterbleibt unter anderem, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG). Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 LVSG). Wird die Auskunftserteilung auf Grundlage von § 13 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 LVSG abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 3).
71 
Auf Grundlage der zitierten Vorschriften sieht das Landesverfassungsschutzgesetz nur einen beschränkten Auskunftsanspruch vor. Nach dem Gesetzeswortlaut in § 13 Abs. 1 Satz 1 LSVG wird der Umfang der Auskunft durch den vorgetragenen Sachverhalt begrenzt. Indem die Regelung eine Auskunftserteilung an strenge Voraussetzungen knüpft, soll nach dem Willen des Gesetzgebers der grundsätzlichen Geheimhaltungsbedürftigkeit der Tätigkeit des Landesamts und seiner Unterlagen Rechnung getragen werden. Insbesondere soll eine gezielte Ausforschung des Erkenntnisstands des Landesamts verhindert werden. Diese Gefahr wäre aber etwa dann gegeben, wenn der Betroffene durch den Vortrag eines konkreten Sachverhalts Auskunft über alle zu seiner Person eventuell vorhandenen Speicherungen erhalten könnte bzw. ihm Gewissheit verschafft würde, dass er beim Landesamt überhaupt nicht gespeichert ist. Dies wird vor allem in den Fällen deutlich, in denen über den vom Antragsteller mitgeteilten Sachverhalt hinaus keine Erkenntnisse vorliegen. Hier müsste das Landesamt - da die Einschränkungen des § 13 Abs. 2 LVSG nicht greifen können - stets dahingehend Auskunft erteilen, dass weitere personenbezogene Daten des Antragstellers nicht gespeichert sind. Danach könnte - entgegen der Intention des Gesetzgebers - Ausforschungsbemühungen nicht begegnet werden (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 606).
72 
Die Erteilung der Auskunft unterbleibt insgesamt aber auch im Falle einer Gefährdung der Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes und damit wegen überwiegenden Gemeinwohlinteressen. Die Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 LVSG sind eine Ausprägung des Staatswohlgedankens. In diesen Fällen bleibt für eine Abwägung, ob Auskunft erteilt werden kann oder nicht, kein Raum mehr. Der Gesetzgeber kann und will daher gerade keine Ermessensentscheidung der Verwaltung und Gerichte mehr zulassen. Insofern muss eine Auskunftserteilung - trotz Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen - unterbleiben. Dies bedeutet gesetzestechnisch, dass der Antragsteller zwar einen Auskunftsanspruch hat, ihm die Auskunft aber wegen überragender Gemeinwohlinteressen nicht erteilt wird (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20.02.1990 - 1 C 42.83 - BVerwGE 84, 375).
2.
73 
Gemessen daran besteht auf Grundlage von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LSVG i.V.m. § 13 Abs. 3 LSVG und der darin zum Ausdruck kommenden Systematik von vornherein kein Anspruch des Klägers, dass ihm das Landesamt eine vollständige - und damit allumfassende - Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten erteilt. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Landesamt weitere Auskünfte zur Person des Klägers unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 LVSG verweigert hat. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 21.09.2010 hat das Landesamt ferner entsprechend den gesetzlichen Vorgaben mitgeteilt, dass eine Begründung hierfür nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LVSG unterbleiben kann, und hat den Kläger zudem auf die Möglichkeit hingewiesen, den Landesbeauftragten für den Datenschutz einzuschalten.
74 
Dass in Fällen wie dem vorliegenden auch kein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Landesamts besteht, zeigt die Regelung in § 13 Abs. 3 Satz 1 LVSG, wonach der ablehnende Bescheid keiner Begründung bedarf, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Denn eine Begründungspflicht der Auskunftsverweigerung würde die Frage der Auskunftserteilung wiederum zu einer Ermessensentscheidung machen, die in vollem Umfang (mit Aktenvorlage) gerichtlich überprüfbar wäre (so auch Droste, aaO, Seite 609, 610).
75 
Die dargestellte gesetzliche Regelung ist auch mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren. Besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis, reicht die Pflicht zur Begründung einer Auskunftsverweigerung nicht so weit, dass die Begründung Rückschlüsse auf die geheim zu haltenden Umstände eröffnen darf (BVerwG, Urteil vom 20.02.1990, aaO, juris Rn. 34). Den Interessen des jeweiligen Antragstellers wird dadurch Rechnung getragen, dass die für eine Auskunftsverweigerung maßgeblichen Gründe in nachprüfbarer Weise protokolliert werden müssen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LVSG). Zudem ist der jeweilige Antragsteller darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für Datenschutz wenden kann, der grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen kann, ob die Datenverarbeitung zu der betroffenen Person nach dem Gesetz zulässig war.
3.
76 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch, dass ihm das Landesamt entsprechend seinem (hilfsweise) gestellten Klageantrag Nr. 2 eine zusammengefasste Auskunft über zu seiner Person im Zeitraum vom 13.05.2002 bis zum 31.12.2005 gespeicherte personenbezogene Daten erteilt. Das Landesamt beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, es habe dem Kläger bereits Auskunft über den Zeitraum von Anfang der 1990-er Jahre bis zum Erlass des ersten Auskunftsbescheids im Mai 2002 sowie im streitgegenständlichen Verfahren über den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids erteilt und eine darüber hinausgehende Auskunftserteilung über weitere Zeiträume sei für die Behörde - auch unter Berücksichtigung des Informationsinteresses des Klägers - mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden.
77 
Entgegen der Auffassung des Klägers kann sich das Landesamt im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten unzumutbaren Verwaltungsaufwand auf eine entsprechende Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 2 LDSG berufen. Nach dieser Vorschrift wird die beantragte Auskunft unter anderem nur erteilt, soweit der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Der damit angesprochene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt für das gesamte Landesdatenschutzgesetz. Die in der Vorschrift enthaltene besondere Ausprägung bedarf im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung durch die Verfassungsschutzämter keiner Modifizierung; im Gegenteil stellt die Berücksichtigung des mit der Bearbeitung verbundenen Verwaltungsaufwands erst sicher, dass die Landesverfassungsschutzämter ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen können und daran nicht durch unvertretbare Mehrbelastung gehindert werden. Der in § 21 Abs. 2 Satz 2 LDSG enthaltene Rechtsgedanke muss danach ohne Einschränkung auch bei der Auslegung des Auskunftsanspruchs nach dem Landesverfassungsschutzgesetz Berücksichtigung finden (vgl. Droste, aaO, S. 607). Der Auskunftsanspruch des Betroffenen ist danach in Bezug auf eine mögliche Speicherung seiner personenbezogenen Daten in Sachakten von vornherein in dem Umfang beschränkt, als dem Landesamt eine Durchsicht der in Frage kommenden Sachakten zumutbar ist.
78 
Die sich daran anknüpfende tatsächliche Frage, ob es für das Landesamt - wie von ihm behauptet - nur mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand möglich wäre, dem Kläger auch noch für den streitigen Zeitraum vom 13.05.2002 bis zum 31.12.2005 eine zusammengefasste Auskunft in der Form zu erteilen, wie es sie dem Kläger auch für die übrigen Jahre erteilt hat, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn auf Grundlage des Auskunftsverlangens des Klägers vom Mai 2010 bestand von vornherein kein Auskunftsanspruch - und damit auch kein Anspruch auf eine zusammengefasste Auskunft ab Mai 2002 -, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG nicht vorliegen.
79 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG besteht - wie dargelegt - ein unentgeltlicher Auskunftsanspruch nur soweit der jeweilige Antragsteller hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und hierzu Auskunft begehrt. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat mit Antragsschreiben vom 06.05.2010 lediglich in allgemeiner Form Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten begehrt, einen konkreten Sachverhalt für den Zeitraum seit seinem letzten bestandskräftig beschiedenen Auskunftsverlangen jedoch nicht benannt. Nach der eindeutigen Formulierung im Gesetz wird aber der Umfang der Auskunft durch den vorgetragenen Sachverhalt begrenzt. Die sich im Zusammenhang mit der Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG stellende Frage, welche Anforderungen an den vom jeweiligen Antragsteller zu konkretisierenden Sachverhalt zu stellen sind, bedarf im vorliegenden Fall danach keiner Beantwortung, da der Kläger auch nicht ansatzweise den Lebenssachverhalt, über den er Auskunft begehrt, umschrieben hat.
4.
80 
Soweit dem Klageantrag Nr. 1 auf vollständige bzw. umfassende Auskunft als „Minus“ zu entnehmen ist, dass der Kläger entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei der Verpflichtungsklage auch eine weitere zusammengefasste Auskunft für den Zeitraum vom Erlass des Widerspruchsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung begehrt, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Auch für diesen Zeitraum fehlt es an der Angabe eines konkreten Sachverhalts im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG, die für das Landesamt erst die Erteilung einer Auskunft ermöglichen würde.
5.
81 
Der Umstand, dass das Landesamt dem Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2006 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids im streitgegenständlichen Verfahren eine zusammengefasste Auskunft erteilt hat, obwohl der Kläger nicht - wie gesetzlich vorgesehen - einen konkreten Sachverhalt angegeben hat, kann einen weitergehenden Auskunftsanspruch für frühere oder spätere Zeiträume ebenfalls nicht begründen. Denn die Auskunftserteilung des Landesamts entgegen den gesetzlichen Vorgaben in § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG ist rechtswidrig und kann deshalb auch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch des Klägers auf ein weiteres rechtswidriges Verhalten und damit auf eine „Gleichbehandlung im Unrecht“ begründen.
82 
Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Hinblick auf die von Art. 20 Abs. 3 GG angeordnete Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht aus einer rechtswidrigen Leistung gegenüber anderen bzw. aus einer Nichtheranziehung anderer in Verbindung mit dem Gleichheitssatz kein Anspruch des Bürgers auf ein ebenso rechtswidriges Verhalten der Behörde ihm gegenüber und damit auf eine „Gleichbehandlung im Unrecht“ folgt. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Bürger eine Wiederholung bzw. Fortsetzung eines ihm gegenüber bereits erfolgten rechtswidrigen Verhaltens der Behörde begehrt (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 14.02.1990 - 6 C 54.88 - NVwZ-RR 1990, 430; Beschluss vom 11.06.1986 - 8 B 16.86 - NVwZ 1986, 758; Urteil vom 10.12.1969 - 8 C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 - BWGZ 2011, 1078; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.07.2006 - 4 M 293/06 - juris sowie OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.05.1993 - 2 L 260/92 - juris).
83 
Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt zunächst aus der Erwägung, dass die Anerkennung eines aus einer rechtswidrigen Verwaltungsübung hergeleiteten Anspruchs des Bürgers auf Gleichbehandlung im Ergebnis die Anerkennung einer das objektive Recht derogierenden Wirkung der Verwaltungspraxis bedeutete. Dem steht zum einen entgegen, dass der Verwaltungsübung - im Gegensatz zu Gesetz, Rechtsverordnung und Satzung - die Qualität als objektives Recht fehlt; zum anderen würde der verfassungsrechtlich gesicherte Vorrang des Gesetzes, der die Vorrangigkeit des Gesetzes vor jeder staatlichen Willensäußerung niederen Ranges zum Inhalt hat, unzulässigerweise unterlaufen, wenn einer rechtswidrigen Verwaltungsübung im Wege ihrer ständigen Anwendung verbindliche Wirkung beigelegt würde (BVerwG, Urteil vom 10.12.1969, aaO).
84 
Bei der Rechtsanwendung unterliegen die Behörden uneingeschränkt der Bindung durch Rechtsvorschriften. Soweit diese der Verwaltung - wie hier - keinen eigenen Wertungs- oder Entscheidungsspielraum zuweisen, bleibt der Gleichheitssatz bei der Rechtsanwendung außer Betracht, weil eine vollständig ausgefüllte Norm aus sich heraus nachprüfbar ist. Im Hinblick auf eine rechtswidrige Verwaltungsübung würde die Zuerkennung eines aus ihr folgenden individuellen Anspruchs auf Einräumung rechtswidriger Begünstigungen bzw. rechtswidriger Unterlassungen von Belastungen auch in zukünftigen bzw. in allen weiteren Fällen die Pflicht der Verwaltung bedeuten, im Widerspruch zum Gesetz zu entscheiden. Dies würde zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Aushöhlung des in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatzes führen, wonach die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist (BVerwG, Urteil vom 10.12.1969, aaO). Dass die faktisch gehandhabte Gleichmäßigkeit vor der Gesetzmäßigkeit verfassungsrechtlich keinen Vorrang haben kann, zeigt sich bereits mit Blick auf die Konsequenzen der abweichenden Auffassung; die Verwaltung könnte die Gesetze weitgehend außer Kraft setzen, indem sie sich selbst davon abweichende Regeln setzt, an die sie dann gebunden wäre (so ausdrücklich: OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.05.1993, aaO, juris Rn. 22). Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, das heißt mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung oder auf Unterlassung eines Eingriffs, nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie sogar aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (BVerwG, Urteil vom 10.12.1969, aaO).
85 
Zu Unrecht beruft sich das Landesamt darauf, dass seine bisherige Verwaltungsübung „bürgerfreundlicher“ als die engere gesetzliche Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 1 LVSG sei. Die Verwaltung hat ausschließlich nach Recht und Gesetz zu verfahren und allein eine solche Verfahrensweise ist im besten Sinne „bürgerfreundlich“. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers - hier des Landesgesetzgebers - weitergehende - und gegebenenfalls „bürgerfreundlichere“ - Informations- und Auskunftsansprüche des Bürgers gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz zu normieren; ausschließlich der Gesetzgeber ist dazu berufen, die dafür erforderliche Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Bürgers und dem Staatswohlinteresse an der Geheimhaltung der vom Landesamt für Verfassungsschutz gewonnenen Erkenntnisse sowie dem Interesse an der Arbeitsfähigkeit des Landesamts, die durch die Bearbeitung der Auskunftsansprüche beeinträchtigt wird, gegeneinander abzuwägen und letztendlich zu entscheiden.
II.
86 
Die Verpflichtungsklage hat auch keinen Erfolg, soweit der Kläger entsprechend dem Klageantrag Nr. 3 die Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten beansprucht, die einmal im bestandskräftigen Bescheid des Landesamts vom 13.05.2002 und zum anderen in den beiden streitgegenständlichen Bescheiden vom 21.09.2010 und 17.12.2012 offengelegt wurden. Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten, die das Landesamt im Rahmen des Einstellungsverfahrens des Klägers in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg mitgeteilt hat und die Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens waren, das mit Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2007 (4 S 1805/06 - NvWZ-RR 2008, 149) rechtskräftig zugunsten des Klägers abgeschlossen worden ist.
1.
87 
Das Landesamt für Verfassungsschutz hat nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LVSG die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Danach sind personenbezogene Daten grundsätzlich immer dann zu löschen, wenn festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für eine Speicherung nach § 7 LVSG von Beginn an nicht vorlagen oder die Speicherung im Zeitpunkt der Vornahme zwar berechtigt ist, die gespeicherten Daten später aber im Hinblick auf die gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes nach § 3 LVSG ohne Bedeutung und damit die Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. § 14 Abs. 3 LVSG sieht ferner für unterschiedliche Fallgestaltungen unterschiedliche Löschungsfristen vor; nach § 14 Abs. 3 Satz 4 LVSG beginnt der Lauf dieser Löschungsfristen aber erst mit der letzten gespeicherten relevanten Information.
88 
Das Landesverfassungsschutzgesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen der Speicherung personenbezogener Daten in Dateien und in Akten. Für Akten hat der Gesetzgeber gemäß § 14 Abs. 4 LVSG lediglich die Sperrung derartiger Daten vorgeschrieben. Diese Unterscheidung trägt der unterschiedlichen Eingriffsintensität Rechnung, die bei der elektronischen Datenverarbeitung höher ist als bei der herkömmlichen Aktenführung (vgl. Droste, aaO, S. 443).
89 
Die Frage, ob die Sammlung personenbezogener Daten über den Kläger und die Speicherung dieser Daten zulässig waren und sind, beurteilt sich auf Grundlage der Vorgaben in §§ 3 und 7 LVSG. Gemäß § 3 Abs. 1 LVSG hat das Landesamt unter anderem die Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwehren. Das Landesamt darf zur Erfüllung dieser Aufgabe Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sammeln und auswerten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG).
90 
Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen gemäß § 4 Abs. 2 LVSG das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen (Nr. 1), die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Nr. 2), das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (Nr. 3), die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung (Nr. 4), die Unabhängigkeit der Gerichte (Nr. 5), der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft (Nr. 6) und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (Nr. 7). Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der vorgenannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG). Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie ziel- und zweckgerichtet unterstützt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LVSG).
2.
91 
Auf Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen liegen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rote Hilfe e. V. (im Folgenden: RH) im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 LVSG Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt und deshalb die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Daten (vgl. §§ 6,7 LVSG) dieser Organisation und ihrer Mitglieder durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt ist. Danach ist die Sammlung und Speicherung von personenbezogenen Daten über den Kläger durch den Verfassungsschutz grundsätzlich bereits wegen seiner politischen Betätigung in dieser Organisation zulässig; dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass der Kläger aktuell in verantwortlicher Position auf höchster Ebene im Bundesvorstand der RH aktiv ist. Eine Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 LVSG scheidet deshalb aus.
a)
92 
Voraussetzung für das Sammeln und Auswerten von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 LVSG ist das Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen, konkret für Gefährdungen der gesetzlich näher beschriebenen Verfassungsgüter (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LVSG). Tatsächliche Anhaltspunkte in diesem Sinne sind in gleicher Weise Voraussetzung für die Speicherung, Veränderung und Nutzung der gewonnenen personenbezogenen Daten (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 LVSG). Der Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ als Grundvoraussetzung für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes ist weit auszulegen. Aus dem Verständnis der Verfassungsschutzbehörde als Frühwarnsystem heraus, deren Beobachtungsauftrag weit in das Vorfeld von Straftaten reicht, besteht eine Beobachtungszulässigkeit nicht erst dann, wenn eine auf unmittelbare Beeinträchtigung der dargestellten Schutzgüter gerichtete Handlung festgestellt wird, sondern bereits dann, wenn objektive Umstände bzw. Indizien den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung aufkommen lassen (Droste, aaO, S. 176). Das Sammeln und Auswerten von Informationen bezweckt gerade auch, Informationen über die aktuelle Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien im Vorfeld einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung zu gewinnen und damit die Regierung und die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, Art und Ausmaß möglicher Gefahren zu erkennen und diesen in angemessener Weise, namentlich mit politischen Mitteln entgegenzuwirken. Um die Überschreitung der Linie feststellen zu können, von der an verfassungsfeindliche Betätigungen zu einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung werden, der nicht mehr mit politischen Mitteln, sondern nunmehr mit juristischen Mitteln begegnet werden kann, muss dieses Vorfeld notwendig beobachtet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 21.07.2010 - 6 C 22.09 - BVerwGE 137, 275, juris Rn. 24).
93 
Danach genügt es, dass auf Fakten beruhende vernünftige Indizien die Besorgnis begründen, von einer bestimmten Person oder Personengruppe gehe eine Beeinträchtigung der Schutzgüter aus. Die Anknüpfung an „tatsächliche Anhaltspunkte“ will lediglich verhindern, dass die Sammlung und Auswertung von Informationen aufgrund bloßer Vermutungen, Hypothesen oder Prognosen bzw. der bloßen Annahme, dass Bestrebungen vorliegen könnten, erfolgt. Es bedarf daher objektiver Anhaltspunkte, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (vgl. Droste, aaO, S. 177). Zur Annahme eines Verdachts kann aber die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen, wenn auch jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag (BVerwG, Urteil v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 30). Tatsächliche Anhaltspunkte können sich etwa aus (offiziellen) Programmen bzw. Satzungen der Parteien bzw. Organisationen ergeben sowie aus sonstigen Verlautbarungen bzw. Aktivitäten jeweiliger Führer, Funktionäre und Anhänger.
b)
94 
Die dargestellten Grenzen der Grundordnung im Sinne von § 4 Abs. 2 LVSG überschreitet derjenige, der sich gegen diese wendet, sie ganz oder teilweise abschaffen will. Die Bekämpfung einzelner Vorschriften oder Institutionen der Verfassung mit legalen Mitteln genügt hingegen nicht. Geschützt werden keine Inhalte der Politik, sondern Struktur und Form des politischen Prozesses einschließlich der Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse sowie die Rechtsstaatlichkeit (vgl. Sichert, DÖV 2001, 671, 675, Droste, aaO, S. 198).
95 
Soweit es um Angriffe auf staatliche Institutionen geht, gehört die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte „Machtkritik“ zum vorherrschenden Daseinsverständnis der Oppositionsparteien bzw. solcher Gruppierungen, die sich im Parlament nicht vertreten fühlen. Wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Ehrenschutzdelikte zum Schutz staatlicher Institutionen festgestellt hat, bezieht die Meinungsfreiheit aus dem besonderen Schutzbedürfnis der „Machtkritik“ nach wie vor ihre Bedeutung und ihr besonders hoch zu veranschlagendes Gewicht (BVerfG, Beschluss v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476, u.a. - BVerfGE 93, 266, 293). Knüpfen Sanktionen an Meinungsäußerungen und Presseveröffentlichungen an, muss maßgeblich berücksichtigt werden, dass die Meinungs- und die Pressefreiheit ihrerseits konstituierend für die Demokratie sind, die auch eine kritische Auseinandersetzung mit Verfassungsgrundsätzen und -werten zulässt. Danach ist Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern (BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 zur Zeitschrift „Junge Freiheit“). Dementsprechend reicht die bloße Kritik an Verfassungswerten als Anlass nicht aus, um eine verfassungsfeindliche Bestrebung zu bejahen. Auch etwa die Forderung nach Abschaffung der Geheimdienste in der vorhandenen Form genügt für eine Einschätzung als verfassungsfeindlich von vornherein nicht (vgl. etwa VG Köln, Urteil v. 20.01.2011 - 20 K 2331/08 - juris Rn. 124).
96 
Allerdings kann sich aus einer ständig gegen die verfassungsmäßigen Grundprinzipien gerichteten und der Partei bzw. Organisation zurechenbaren Polemik eine verfassungsfeindliche Zielsetzung ergeben (BVerwG, Urteile vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00, 2 WD 432 WD 43.00 - BVerwGE 114, 258, juris Rn 60 und vom 28.11.1980 - 2 C 27.78 - BVerwGE 61, 194, juris Rn. 52). Maßgeblich ist auch in diesem Zusammenhang, ob sich aus der Gesamtschau der Verlautbarungen bzw. Äußerungen eine Grundtendenz ergibt, welche gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Absichten erkennen lässt. Dabei kommt auch der gewählten Form und Ausdrucksweise, in der die politischen Parolen wiedergegeben werden, Bedeutung zu; allerdings zählen auch provokative und überspitzte Äußerungen zu den Mitteln des zulässigen Meinungskampfs. Bei der vorzunehmenden Grenzziehung ist die Annahme verfassungsfeindlicher Äußerungen jedoch dann überschritten, wenn fortwährend und systematisch die Institutionen und Repräsentanten des Staates bzw. der demokratischen Parteien verunglimpft werden und dadurch ihre Existenzberechtigung faktisch in Frage gestellt wird (vgl. dazu Droste, aaO, S. 180).
c)
97 
Nach den unter a) und b) dargestellten Maßstäben liegen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der RH vor, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 LVSG gerichtet sind.
98 
Die RH ist eine Organisation zur Unterstützung linker Aktivisten, die aufgrund ihrer politischen Betätigung mit deutschen Rechtsorganen in Konflikt geraten sind. Die Organisation hat bundesweit ca. 6.000 Mitglieder in 40 Orts- und Regionalgruppen. Die RH unterstützt insbesondere Beschuldigte, Angeklagte und Straftäter aus dem linken politischen Spektrum. Dies geschieht primär durch juristische Unterstützung derjenigen, die bei politischen Aktivitäten verhaftet wurden, die von Strafverfolgung betroffen sind oder gegen die Ermittlungsverfahren anhängig sind. Die RH leistet Unterstützung durch Medienarbeit, Beratung und gemeinsame Vorbereitungen von Prozessen, Organisation von Unterstützungsdemonstrationen und bezuschusst vor allem Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten (vgl. Wikipedia, Bearbeitungsstand 17.04.2016). Nach der Einschätzung des Politikwissenschaftlers Georg Fülberth - emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Marburg und seit 1974 Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) - vom 02.10.2015, die sich der Kläger im vorliegenden Verfahren zu eigen gemacht hat, handelt es sich bei der RH um eine antikapitalistische Organisation mit marxistischem Vokabular, die davon ausgehe, staatliches Handeln sei in der Bundesrepublik Deutschland von kapitalistischen Interessen geleitet, sodass in dieser einheitlichen Determinierung von Legislative, Exekutive und Judikative deren Gewaltenteilung illusorisch sei.
99 
Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Beschreibung der RH und ihrer Zielsetzungen genügt für die Annahme von verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht, dass sie die sogenannten „Berufsverbote“ durch publizistische Äußerungen bekämpft und die Abschaffung der „Gesinnungsparagraphen“ § 129 a StGB bzw. § 129 b StGB fordert (vgl. etwa auch VG Köln, Urteil vom 20.01.2011 - 20 K 2331/08 - juris Rn. 166 bis 168, 186, 187). Dass sich die RH vehement gegen das Betätigungsverbot der terroristischen kurdischen PKK einsetzt und die Streichung von der EU-Terrorliste fordert, genügt für die Einschätzung als verfassungsfeindlich für sich genommen ebenso wenig wie die in den Publikationen der RH geäußerte Kritik an den Ermittlungsbehörden und der Justiz im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen linke Aktivisten. Auch scharfe Angriffe auf staatliche Institutionen wie die Justiz unterfallen der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten „Machtkritik“.
100 
Darüber hinausgehend „bekämpft“ die RH auf Grundlage ihrer Satzung und ihrer sonstigen Publikationen - insbesondere der vierteljährlich erscheinenden Vereinsschrift „Die Rote Hilfe“ - aber die Struktur und Form des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland und lehnt ganz grundsätzlich die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Entscheidungen und Ergebnisse des politischen Prozesses ab. Das deutsche Rechtssystem wird als Instrument der „politischen Unterdrückung“ und als „Gesinnungsjustiz“ bzw. „Klassenjustiz“ diskreditiert, die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden werden durchgängig als „Repressionsorgane“ des Staates verunglimpft. Indem die RH bei militanten Straftätern und sogar bei Terroristen von „politischen Gefangenen“ spricht und Urteile, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren ergangen sind, als „Repression“ bezeichnet, soll dem gegenwärtigen politischen System des Grundgesetzes die Legitimation abgesprochen werden. So heißt es bereits in § 2 Abs. 2 der Satzung der RH wie folgt:
101 
„Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist zum Beispiel das Eintreten für die Ziele der Arbeiter_innenbewegung, die Internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg. Unsere Unterstützung gilt denjenigen, die deswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsverbot erhalten, vor Gericht gestellt und zu Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt werden oder sonstige Nachteile erleiden.“
102 
Auf Grundlage dieser Satzungsbestimmung bezeichnet die RH sowohl verurteilte Straftäter, die inländischen terroristischen Vereinigungen wie der RAF und den Revolutionären Zellen (RZ) bzw. terroristischen Vereinigungen im Ausland wie der PKK oder der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) angehören, durchgängig als „politische Gefangene“ und diffamiert die strafrechtliche Verfolgung der Mitglieder dieser Organisationen als „staatliche Verfolgung“.
103 
Auch wenn sich die RH die konkrete politische Zielsetzung und Programmatik dieser unterschiedlichen Organisationen nicht zu eigen macht, wird in Umkehrung der Verhältnisse die staatliche Verfolgung schwerster Straftaten bis hin zum Mord bzw. strafrechtliche Ermittlungen gegen terroristische Vereinigungen wie die DHKP-C als politische Verfolgung bezeichnet. Dies gilt beispielsweise für Verfahren gegen Mitglieder der DHKP-C (vgl. Sonderausgabe der Roten Hilfe vom 18.03.2013 - Tag der politischen Gefangenen, Seite 7), einer marxistisch-leninistischen Untergrundorganisation in der Türkei, die das Ziel verfolgt, die Staatsordnung in der Türkei durch einen bewaffneten revolutionären Akt zu zerschlagen und sich dabei auch terroristischer Methoden bedient; in dem entsprechenden Artikel wird die DHKP-C als „marxistische Organisation, die in der Türkei für eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung kämpft“ dargestellt. In der gleichen Sonderausgabe werden strafrechtliche Verfahren gegen Mitglieder der PKK, einer terroristischen bzw. den Terrorismus unterstützenden Vereinigung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2016 - 11 S 1389/15 - juris), als staatliche „Repression“ bezeichnet (vgl. Sonderausgabe der Roten Hilfe von 18.03.2013, ebenfalls Seite 7). Auch strafrechtliche Verfahren gegen das frühere RAF-Mitglied Verena Becker und die vermeintlichen Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ) Sonja Suder und Christian Gauger werden von der RH als „Repression“ bzw. als „politische Prozesse“ bezeichnet (vgl. Sonderausgabe der Roten Hilfe vom 18.03.2012 - Tag der politischen Gefangenen, Seite 14; Die Rote Hilfe 2/2013, Seite 9).
104 
Auch der Kläger spricht in seinem Beitrag „Juristische Bekämpfung der Stadtguerilla als Tragödie und als Farce - Der Prozess gegen Verena Becker“ sinngemäß von „staatlicher Verfolgung“ gegenüber Mitgliedern der RAF (Die Rote Hilfe 3/2011, Seite 32, 33). In diesem Artikel des Klägers heißt es unter anderem wörtlich: „Gegen Stefan Wisniewski, Brigitte Mohnhaupt und Rolf Heißler, die für ihre Beteiligung an der Stadtguerilla schon viele Jahre in bundesdeutschen Knästen gesessen haben, wird erneut ermittelt. Wie lange der Prozess sich noch hinziehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Unzweifelhaft scheint dagegen, dass das Gericht keinerlei Beweise für irgendeine Tatversion wird präsentieren können, eine mögliche Verurteilung also allenfalls den politischen Willen des Gerichts widerspiegelt. Ebenso unzweifelhaft ist, dass auch das Urteil in der Öffentlichkeit zur Diskreditierung und Entpolitisierung linker Geschichte in der BRD benutzt werden wird“. Auch in diesem Zusammenhang werden die Straftaten der Mitglieder der RAF als „politischer Kampf“ verharmlost und gerechtfertigt und die Verfolgung schwerer Straftaten als „politische Prozesse“ denunziert.
105 
Der vom Kläger im Zusammenhang mit der Unterstützung der RH auch für terroristische Vereinigungen geäußerte Einwand, die RH unterstütze nicht die Gewalttat, sondern allein die zugrundeliegende politische Ausrichtung bzw. Gesinnung, liegt neben der Sache. Mit dieser rabulistischen Begründung kann im Grunde jede schwere oder schwerste Straftat alleine wegen der zugrundeliegenden „guten“ (= linken) Motivation gerechtfertigt werden; auch die auf Grundlage marxistisch-leninistischer Prinzipien etwa in der Sowjetunion im 20. Jahrhundert errichtete Terror- und Schreckensherrschaft war das Ergebnis einer Ideologie, wonach das Streben nach einer besseren Gesellschaftsordnung den Einsatz von Gewalt bis hin zu Terror rechtfertigt.
106 
Dass die RH die Grundprinzipien der Verfassung nicht akzeptiert und zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele (auch) gewalttätige Aktionen befürwortet, zeigt sich ferner daran, nach welchen Maßstäben sie Straftäter bzw. Häftlinge finanziell unterstützt. Die RH erwartet von den von ihr unterstützten „politischen Gefangenen“, dass sie sich nicht von ihren Taten distanzieren, sich zur politischen Motivation bekennen und keine anderen Personen „verraten“. Die RH lehnt Prozesskostenhilfe ab oder kürzt sie, wenn sich der Straftäter von den Taten distanziert, sich bei Polizisten entschuldigt oder - etwa im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs - Reue zeigt (vgl. etwa: Broschüre der RH „Bitte sagen Sie jetzt nichts! Aussage Verweigerung und Verhörmethoden“, Seite 15 bis 17; Die Rote Hilfe 3/2011, Seite 7, 10 und 11; Die Rote Hilfe 4/2011, Seite 7; Die Rote Hilfe 3/2012, Seite 6 und 7; Die Rote Hilfe 2/2013, Seite 8; Die Rote Hilfe 4/2013, Seite 6; Die Rote Hilfe 3/2015, Seite 6).
107 
So lehnte die RH etwa die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Strafverfahren wegen Beleidigung und Widerstands gegen Polizeibeamte deshalb ab, weil der angeklagte linke Aktivist in der Berufungsverhandlung die Vorwürfe eingeräumt, sich von politischer Gewalt distanziert und auf diese Weise eine Reduzierung der Strafe erreicht hatte; wörtlich hieß es in diesem Zusammenhang „wer sein Verfahren durch Einlassungen und Distanzierungen entpolitisiert, kann allerdings auch nicht erwarten, von der Roten Hilfe e.V. unterstützt zu werden“ (Die Rote Hilfe 3/2012, Seite 6 und 7). In einem anderen Fall lehnte die RH die finanzielle Unterstützung deshalb ab, weil der linke Straftäter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs 750,-- EUR an einen von ihm verletzten Studenten gezahlt hatte, der einer Burschenschaft angehörte; wörtlich hieß es zur Begründung „ein Täter-Opfer-Ausgleich negiere den politischen Kampf gegen die Burschenschaften“ (Die Rote Hilfe 4/2011, Seite 7). Auch in diesem Strafverfahren ging es um Gewaltdelikte, weil der linke Aktivist gegen den Burschenschaftler, der sich geweigert hatte, seine „Farben“ abzulegen, Pfefferspray einsetzte und der Geschädigte deshalb vom Notarzt behandelt und in die Klinik gebracht werden musste. Dass von der RH der Einsatz körperlicher Gewalt zur Durchsetzung der „linken“ politischen Ziele in aller Regel gerechtfertigt bzw. legitimiert wird, zeigt sich beispielhaft auch in dem Artikel „Wir bereuen nicht!“ (Die Rote Hilfe 2/2012, Seite 7), mit dem ebenfalls die Versagung der Unterstützung für einen linken Aktivisten begründet wurde; in dem Artikel heißt es wörtlich:
108 
„Auch in einem weiteren Fall hatte die vom Anwalt empfohlene Strategie zur Folge, dass der Antragsteller in einem Verfahren wegen eines Flaschenwurfs auf Polizist_innen von uns nicht unterstützt werden konnte. Da die Beweislage ziemlich aussichtslos war, setzte der Antragsteller vor Gericht auf Reue. Er erklärte, dass er sich habe mitreißen lassen und seine Reaktion auf das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei falsch gewesen sei. Zudem beteuerte er, seine politische Meinung zukünftig mit legalen Mitteln ausdrücken zu wollen. Nochmal: Für uns als politische Antirepressionsorganisation geht es darum, linke Politik auch im Strafverfahren zu verteidigen. Eine Prozessstrategie, die auf Distanzierung und Reue setzt, kann daher - auch wenn sie zu einer niedrigeren Strafe führt - niemals erfolgreich sein. Der Preis für eine mit diesen Mitteln erreichte niedrige Strafe ist nämlich immer die Preisgabe linker Positionen und Aktionsformen.“
109 
Diese Ausführungen machen deutlich, dass die RH gewalttätige Angriffe gegen Polizeibeamte - hier in Form eines Flaschenwurfs - und damit gewalttätige Angriffe gegen die Repräsentanten des Staates als zulässige bzw. legitime Form der politischen Auseinandersetzung ansieht.
110 
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Forderung der RH, jegliche Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungs- und Justizbehörden grundsätzlich zu verweigern und generell nicht auszusagen, mit dem Einwand gerechtfertigt hat, auch Strafverteidiger würden ihren Mandanten in Strafverfahren häufig dazu raten, sich auf ihr strafprozessuales Schweigerecht zu berufen, geht dies an der Sache vorbei. Die dargestellte Strategie der RH und die damit verbundene Forderung einer konsequenten Aussageverweigerung vor Gericht soll nicht der optimalen Verteidigung des jeweiligen Beschuldigten bzw. Angeklagten dienen. Grund hierfür ist - wie dargestellt - die grundsätzliche Ablehnung des Strafverfolgungs- und Justizsystems und insbesondere auch der Schutz von Mittätern und Strukturen der verfassungsfeindlichen linken Szene (vgl. dazu nochmals Broschüre der RH „Bitte sagen Sie jetzt nichts! Aussage Verweigerung und Verhörmethoden“, Seite 16 und 17).
111 
Die RH spricht danach insbesondere auch auf Grundlage ihrer Position zum Einsatz von Gewalt im Rahmen der politischen Auseinandersetzung sowohl den parlamentarischen Entscheidungen - beispielhaft genannt seien hier die Strafvorschriften der §§ 129 a und 129 b StGB, die die Strafverfolgung terroristischer Vereinigungen im In- und Ausland ermöglichen - als auch den Entscheidungen der Verwaltungsorgane einschließlich der Polizei und auch den Urteilen der Justiz grundsätzlich die Legitimität ab. Ihre publizistischen Äußerungen und auch ihre Praxis der Gewährung von Prozesskostenhilfe für linke (gewaltbereite) Straftäter lassen eine grundsätzliche Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Grundlage erkennen. Danach lehnt die RH insbesondere das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 LVSG) sowie die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LVSG) ab.
112 
Soweit der Kläger sich im Kern darauf beruft, die RH lehne nicht die geschriebene Verfassung und deren Vorgaben ab, sondern wende sich im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung gegen die Verfassungswirklichkeit, kann er damit nicht durchdringen. Gleiches gilt für seine Behauptung, Kern der Kritik der RH sei das Auseinanderfallen von Norm (Verfassung) und den tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Zuständen. Die Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland ist das Ergebnis des parlamentarischen Wettstreits, das auf Grundlage der Strukturprinzipien des Grundgesetzes und unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommen ist. Über die Legalität dieser Entscheidungsprozesse haben nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland die Gerichte - insbesondere das Bundesverfassungsgericht - zu befinden und nicht die RH. Wenn die RH und ihre Unterstützer meinen, den einzig richtigen Weg zu einer gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu kennen, und daraus folgend alles staatliche Handeln - sei es durch den Gesetzgeber, die Verwaltung oder die Justiz - als in Widerspruch zu selbst definierten „Verfassungsgrundsätzen“ stehend diffamieren und danach staatlichem Handeln insgesamt die Legitimität absprechen, widerspricht dieser „elitäre“ Anspruch diametral der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von § 4 Abs. 2 LVSG.
d)
113 
Zu Recht hat das Landesamt ferner angenommen, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der RH in politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG eingemündet sind.
114 
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG sind „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ nur die in diesem Sinne verfolgten politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen. Das Tatbestandsmerkmal einer „politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweise“ erfordert damit über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen zu deren Realisierung. Dementsprechend umschreibt das Gesetz verfassungsschutzrelevante Bestrebungen nicht als politisch motiviert, sondern als politisch bestimmt. Bestrebungen müssen also objektiv geeignet sein - über kurz oder lang - politische Wirkungen zu entfalten. Kein Bestandteil des Merkmals „Bestrebung“ ist ausweislich des Wortlauts der Norm ein aktiv kämpferisches Verhalten (BVerwG, U. v. 21.07.2010, aaO, juris Rn 59).
115 
Die Vorschrift erfasst Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sind. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten. Die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation reicht ebenso wie die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie nicht aus (BVerwG, U. v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 60). Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Verfassungsschutzbehörde ihre Einschätzung insoweit auf die Inhalte von Meinungsäußerungen stützt, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. Lassen sich Bestrebungen zur Beseitigung der Grundordnung aus Meinungsäußerungen ableiten, dürfen deshalb Maßnahmen zur Verteidigung dieser Grundordnung ergriffen werden (BVerwG, U. v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 61).
116 
Hiervon ausgehend sind sowohl die Meinungsäußerungen der RH in ihren Publikationen als auch die juristische und finanzielle Unterstützung für Beschuldigte, Angeklagte und Straftäter aus dem linken Spektrum als konkrete Aktivitäten zur Beseitigung der dargestellten Verfassungsgrundsätze zu werten. Die Aktionen sind geeignet, in die Gesellschaft hineinzuwirken und dementsprechend haben sie auch hinreichendes Gewicht.
3.
117 
Die vom Kläger begehrte Löschung der über ihn gespeicherten Daten scheidet - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - auch im Hinblick auf seine Betätigung bzw. Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (im Folgenden: AIHD) aus. Ausgehend von den unter II.2. a), b) und d) dargestellten Maßstäben hat das Landesamt zu Recht angenommen, dass bei der vorzunehmenden Gesamtschau - insbesondere auf Grundlage ihrer Selbstdarstellung „ Wir über uns! Grundlagen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ aus dem Jahr 2008 und ihrer sonstigen Verlautbarungen - ebenfalls tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AIHD vorliegen. Danach „bekämpft“ diese Organisation nicht nur einzelne Vorschriften oder Institutionen des Staates und der Verfassung mit legalen (gewaltfreien) Mittel. Sie wendet sich vielmehr bei lebensnaher Auslegung ihrer Verlautbarungen insgesamt gegen die Strukturen und die Form des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland und stellt die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse sowie die Rechtsstaatlichkeit insgesamt in Frage. Ihre Aktivitäten in Form von Publikationen in schriftlicher Form oder im Internet und ihre sonstigen Aktivitäten - etwa Aufrufe zu Demonstrationen und Organisation von politischen Veranstaltungen - haben auch das für die Annahme des Tatbestandsmerkmals „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG erforderliche Gewicht und sind geeignet, „beobachtungsrelevant“ in die Gesellschaft hineinzuwirken. Im Einzelnen:
a)
118 
Die AIHD bezeichnet sich in ihrer Selbstdarstellung aus dem Jahr 2008 sinngemäß als Sammelbecken der radikalen Linken und führt als Mitglieder u.a. Kommunisten und Autonome auf. Bereits der Umstand, dass die AIHD als Mitglieder Autonome zulässt und sich nach ihrem Selbstverständnis vom sog. „autonomen Antifaschismus“ der 1980er und 1990er- Jahre ableitet, rechtfertigt die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen.
119 
Als Autonome oder autonome Gruppen werden heute Mitglieder bestimmter linksextremistischer unorthodox-marxistischer bzw. anarchistischer Bewegungen bezeichnet. Die Autonomen streben u.a. danach, unabhängig von der bestehenden Gesellschaftsordnung selbstbestimmte Freiräume zu schaffen. Als allgemeinkundig kann angesehen werden, dass ein Teil der Autonomen als militant zu bezeichnen ist und damit bereit ist, je nach Eskalationsphase einer Demonstration oder einer anderen politischen Aktion auch Gewalt etwa in Form von Wurfgeschossen (Steine, Farbbeutel) bzw. Gewalt gegen ihre Gegner - auch gegen die polizeiliche Staatsgewalt - anzuwenden. Um nicht erkannt zu werden, treten Mitglieder der autonomen Gruppen immer wieder geballt in Teilgruppen und vermummt als sogenannter „Schwarzer Block“ (wegen der bevorzugten schwarzen Kleidung) bei Demonstrationen auf. Die Autonomen sind zwar ein Schmelztiegel verschiedener Fraktionen der extremistischen außerparlamentarischen Linken und insgesamt eine sehr heterogene Bewegung. Teile dieser Organisation berufen sich aber jedenfalls auf Militanz und waren in der Vergangenheit an gewaltsamen Auseinandersetzungen etwa mit Rechtsextremisten oder der Polizei beteiligt (vgl. Wikipedia, Bearbeitungsstand 08.03.2016).
120 
Die AIHD schließt nach ihrem Selbstverständnis Autonome in ihre Organisation ein und bekennt sich ausdrücklich zur Militanz. Als zentraler historischer Bezugspunkt ihrer Organisation wird ausdrücklich der „autonome Antifaschismus der 1980-er und 1990-er Jahre“ genannt. Wörtlich heißt es in diesem Zusammenhang: „Der Wille, faschistischen Parteien und Banden nicht nur verbal, sondern auch auf der Straße, sei es mit Demonstrationen, Blockaden oder direkten Angriffen entgegenzutreten und somit die Parole „Kein Fußbreit den Faschisten“ in die Tat umzusetzen, unterschied den autonomen Antifaschismus vom bürgerlichen.“ Weiter heißt es: „Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstreflektion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, betrachten wir als eines von vielen legitimen Mitteln im Kampf um Befreiung.“
121 
Bei verständiger, lebensnaher Auslegung der dargestellten Begriffe „Militanz“ und „direkte Angriffe“ in der Selbstdarstellung der AIHD aus dem Jahr 2008 müssen diese so verstanden werden, dass die Ziele der Organisation u. a. auch mit gewalttätigen Aktionen bzw. unter Ausübung körperlicher Gewalt - etwa gegenüber Rechtsextremen oder Angehörigen der Polizei - verfolgt werden. Die „gewalttätige“ Ausdrucksweise bzw. Wortwahl in der Selbstdarstellung sowie der Umstand, dass die AIHD an den „autonomen Antifaschismus der 1980er- und 1990er-Jahre“ anknüpft, sind ausreichende Indizien für die vorgenommene Auslegung. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass - und dies ist allgemeinkundig - von Mitgliedern der autonomen Szene (Stichwort „Schwarzer Block“) insbesondere bei Demonstrationen zahllose Gewalttaten gegen Polizeibeamte und politische Gegner begangen worden sind und begangen werden. Diese Entwicklung hat in der Bundesrepublik Deutschland ab 1980 begonnen und dauert bis in die heutige Zeit. Die Frage einer möglichen Gewaltbereitschaft der Mitglieder der AIHD kann unter Berücksichtigung der dargestellten allgemeinpolitischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland allein nach dem objektiven Verständnis der Verlautbarungen der AIHD beurteilt werden, zumal die innere Motivation der bei dieser Organisation Tätigen vom Landesamt für Verfassungsschutz nicht feststellbar ist.
122 
Unerheblich ist der sinngemäße Einwand des Klägers, der VGH Baden-Württemberg habe ihm in seinem Urteil vom 13.03.2007 (aaO), in dem über seine Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg entschieden worden ist, geglaubt, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt habe. In diesem Urteil hat der VGH Baden-Württemberg zwar darauf abgehoben, dass der Begriff der Militanz durchaus ambivalent bzw. mehrdeutig ist, und hat vor diesem Hintergrund unter Berücksichtigung der individuellen Erklärung eine für diesen günstige Auslegung - auch im Hinblick auf dessen Grundrechte - vorgenommen. Diese Überlegungen sind auf die vorliegende Fragestellung aber nicht übertragbar. Bei der hier zu treffenden Einschätzung spielt es keine Rolle, ob ein Teil der Mitglieder der AIHD bzw. einzelne Mitglieder Gewalt grundsätzlich ablehnen und danach in Bezug auf ihre Person keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen erkennbar sind. Das Landesamt hat vielmehr die Gesamtorganisation in den Blick zu nehmen, und für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz muss es danach als ausreichend angesehen werden, wenn im Hinblick auf die Programmatik und den historischen Bezugspunkt gewaltbereite Teile der Autonomen Mitglied der AIHD sein können bzw. sind.
123 
Das Landesamt ist ferner - unabhängig von diesen Ausführungen - nicht gehalten, bei mehrdeutigen Äußerungen zur Gewalt bzw. zur Militanz eine für die AIHD günstige Auslegung vorzunehmen, wenn bei einer Gesamtschau mit weiteren Erkenntnissen verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Dies ist hier auch aus den nachfolgenden Gründen zu bejahen.
b)
124 
Die Legitimierung von Gewalt bzw. Militanz und damit die grundsätzliche Ablehnung der Grundregeln des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich - unabhängig von der Selbstdarstellung der AIHD - auch aus dem vom Verfassungsschutz vorgelegten Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.10.2012. Dieser enthält unter anderem ein Interview mit vier Mitgliedern der AIHD und folgende Aussagen: „Zu sagen, dass Gewalt völlig tabu ist, finde ich dumm“ und „Ich bin nicht bereit, jedem Befehl eines Polizisten zu folgen“. Die letztgenannte Aussage bezieht sich erkennbar auf Anweisungen der Polizei im Rahmen von Demonstrationen und damit bei lebensnaher Betrachtung auch im Rahmen von Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten. Als Beispiele für ihre Aktionen gaben die Mitglieder AIHD laut Bericht der FAZ an: „Einen Reisebus von Neonazis mit besonders übelriechender Buttersäure unbenutzbar gemacht. Ein Geschäft der unter Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar mit Farbbeuteln beworfen. Und Skinheads, die ein Punkkonzert stürmen wollten, in ihren Heimatdörfern mit Stuhlbeinen verprügelt“. Fehl geht der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand des Klägers, diese Aktivitäten könnten zwar als Verstöße gegen das Strafgesetzbuch (Sachbeschädigung, Körperverletzung) gewertet werden, eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ergebe sich daraus aber nicht. Die genannten Aktionen mögen zwar für sich genommen (noch) kein ausreichender Anlass sein, die hier zu beurteilenden Maßnahmen des Landesverfassungsschutzes begründen zu können. Die Aussage in der FAZ ist allerdings als ein gewichtiges Indiz unter anderen für die Ablehnung der Grundordnung dieses Staates zu werten.
125 
Soweit der Kläger die Aussage eines Mitglieds der AIHD „Gewalt sei nicht in jeder denkbaren Situation tabu“ unter Hinweis auf das Widerstandsrecht in Art. 20 Abs. 4 GG rechtfertigt, kann er damit nicht durchdringen. Eine Situation, in der über die Inanspruchnahme eines Widerstandsrechts nach Art. 20 Abs. 4 GG nachgedacht werden könnte, liegt derzeit nicht vor; dies bedarf keiner weiteren Vertiefung.
126 
Unbehelflich ist auch der Einwand des Klägers, das Landesamt habe den Wahrheitsgehalt der Äußerungen im genannten Zeitungsartikel nicht selbst überprüft. Mit der Aufgabe des Landesamts, in seiner Funktion als Frühwarnsystem Indizien zu sammeln und auszuwerten, die den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung aufkommen lassen, ist naturgemäß weder die Pflicht noch die Möglichkeit verbunden, den gesammelten Indizien in jedem Einzelfall nachzugehen und auf diese Weise etwa beweiskräftiges Material wie in einem Strafprozess zu gewinnen. Im Übrigen hat der Kläger selbst nicht behauptet, dass im Bericht der FAZ vom 27.10.2012 die Aussagen der Mitglieder der AIHD unzutreffend wiedergegeben worden sind. Auch ansonsten sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Zeitungsartikel geschilderten „Gewaltaktionen“ sinnentstellend bzw. tendenziös zu Lasten der AIHD dargestellt worden sind. In einem solchen Fall hätte für die interviewten Mitglieder der AIHD zudem die Möglichkeit bestanden, einen presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch durchzusetzen; dass ein solcher Anspruch geltend gemacht worden ist, ist nicht ersichtlich und Entsprechendes hat auch der Kläger nicht behauptet.
127 
Dass die AIHD die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht akzeptiert und zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele (auch) militante bzw. gewalttätige Aktivitäten befürwortet, ergibt sich auch aus weiteren Verlautbarungen. So lässt sich etwa einem Artikel vom 15.08.2013 unter der Überschrift „Vier Direktkandidaten der NPD in der Kurpfalz“, in dem anlässlich der Bundestagswahl 2013 Informationen über die NPD und ihre Kandidaten in der Rhein-Neckar-Region enthalten sind, u. a. auch Folgendes entnehmen: „Während des Wahlkampfs ist es unabdingbar, sich der NPD entgegenzustellen und somit jede Plakatieraktion, jeden Infostand und jede öffentliche Veranstaltung zu einem Abgesang auf diese Nazi-Partei zu machen. ...Nazi-Strukturen und ihre Verbindungen bis hinein in bürgerliche Kreise müssen permanent aufgedeckt, offengelegt und angegriffen werden. ... Der NPD einen richtigen WahlKAMPF bieten! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen sind auch diese Aussagen Indiz dafür, dass die AIHD die Struktur des politischen Prozesses nicht akzeptiert und bereit ist, auch „kämpferische Mittel“ und danach Gewalt im Rahmen der Auseinandersetzung mit der NPD einzusetzen. In einem weiteren Artikel der AIHD vom 11.04.2015 „Gegen den rassistischen Normalzustand - Kein Mensch ist illegal!“ heißt es u.a. wie folgt: „Es ist legitim und notwendig, sich rassistischen und faschistischen Bewegungen in den Weg zu stellen - anders, als das die Pegida-Versteher*innen gern hätten, ganz praktisch und mit der gebotenen Militanz. ..... Die Flüchtlinge brauchen unsere ganz konkrete Solidarität und Hilfe gegen die Abschiebemaschinerie. Die verhinderte Sammelabschiebung aus der Flüchtlingsunterkunft aus der Kirchheimer Hardtstraße am 25.02. dieses Jahres war ein starkes Signal und ein ermutigender Anfang..... Den Nazis und den Abschiebebehörden in den Arm zu fallen, ist eine Sache.....“ Isoliert betrachtet lassen sich diese Ausführungen zwar auch als Aufruf zum zivilen Ungehorsam zu werten sein. Unter Berücksichtigung des verwendeten Begriffs der Militanz und der sonstigen Indizien ist aber auch in diesem Zusammenhang eine Auslegung dahingehend naheliegend, dass nicht nur den „Nazis“, sondern auch staatlichen Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung von Flüchtlingen mit Gewalt entgegenzutreten ist und sie auf diese Weise „zu bekämpfen“ sind.
c)
128 
Die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen der AIHD ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die Organisation ausdrücklich auch Kommunisten in ihre Organisation einschließt und als Mitglieder führt.
129 
Der AIHD ist zwar zuzugeben, dass allein die Forderung nach einer grundlegenden Umgestaltung der sogenannten „bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse“ und damit die Forderung nach einer grundlegenden Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland kein hinreichendes Indiz für eine eindeutige verfassungsfeindliche Einstellung ist. Das Grundgesetz gibt - so zu Recht der Kläger - eine bestimmte Wirtschaftsform nicht zwingend vor. Gleiches gilt für die Forderung der AIHD nach einer Gesellschaftsordnung im Sinne von Karl Marx, „in welcher die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft und der Mensch nicht länger ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Diese Formulierung lässt nach Auffassung der Kammer keinen ausreichend sicheren Schluss darauf zu, dass die angestrebte Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung allein durch eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne erreicht werden soll.
130 
Bei der vorzunehmenden Gesamtschau ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Kontext dieser Äußerungen auch die Überzeugung geäußert wird, dass sich auf parlamentarischem Weg - und dies ist in der Bundesrepublik Deutschland der einzig gangbare Weg - an den „herrschenden Unterdrückungsverhältnissen“ nichts Grundlegendes ändern lasse. Dies wiederum lässt durchaus den Schluss zu, dass dem Parlament in der Bundesrepublik Deutschland seine in der Ordnung des Grundgesetzes zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung abgesprochen wird. Da - wie dargestellt - auch ausreichende Anhaltspunkte für eine Legitimierung von Gewalt bzw. von gewalttätigen Aktionen durch die AIHD bestehen, ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Teile der Organisation, die sich als Kommunisten bezeichnen, eine grundlegende Umgestaltung der bestehenden staatlichen Ordnung durch eine Revolution und damit eine Umgestaltung im marxistisch-leninistischen Sinne erstreben.
131 
Nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls eine kommunistische Staats- und Gesellschaftsform mit den Grundlagen der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie in § 4 Abs. 2 LVSG beschrieben ist, nicht vereinbar. Bei der vorzunehmenden Auslegung können die geschichtlichen Vorgänge seit dem 20. Jahrhundert und in diesem Zusammenhang insbesondere die von den „Bolschewiki“ unter Führung von Lenin durchgeführte Oktoberrevolution und das danach errichtete Regime in Gestalt der Sowjetunion nicht außer Betracht bleiben. Alle Staatsformen, die auf Grundlage der Theorien von Marx und Lenin im vergangenen Jahrhundert weltweit errichtet wurden und alle Regierungssysteme, die nach eigenem Selbstverständnis ein „kommunistisches“ Staatswesen errichtet haben oder auf dem Weg zu einem solchen Staatswesen waren, standen in diametralem Gegensatz zu der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dies gilt namentlich für die Staaten des ehemaligen Ostblocks sowie wie etwa für die Systeme in Nordkorea, China, dem ehemaligen Jugoslawien oder in Rumänien.
d)
132 
Den Äußerungen bzw. Verlautbarungen der AIHD lässt sich vor dem Hintergrund ihrer Aggressivität auch die grundsätzliche Ablehnung der demokratischen Staatsform entnehmen (vgl. dazu auch: BVerwG, Urt. v. 19.12.2012 - 6 A 6.11 - NVwZ 2013, 870, juris Rn. 33-35). Dies ergibt sich aus der nachfolgend dargestellten Diffamierung des Staates, seiner Institutionen und Repräsentanten. Bereits in den Grundlagen der AIHD aus dem Jahr 2008 heißt es, dass die Bundeswehr mittlerweile im Rahmen weltweiter Kampfeinsätze in „Angriffs- und Weltordnungskriegen agiere“ und die „BRD sich gegen die VerliererInnen der neuen wirtschaftlichen und militärischen Weltordnungskämpfe abschotte; Konsequenz sei das immer brutaler werdende europäische Grenz- und Abschieberegime“. Im genannten Artikel vom 11.04.2015 „Gegen den rassistischen Normalzustand - Kein Mensch ist illegal“ heißt es u.a.: „Solidarität muss praktisch werden - Feuer und Flamme den Abschiebebehörden!“ In einer weiteren Publikation vom 26.02.2011 mit dem Titel „Still not loving the police - Gegen Polizeiterror und staatliche Repressionen“ wird die deutsche Polizei als „Organ systematischer und organisierter Aufstandsbekämpfung“ diffamiert; als Abschluss des Artikels heißt es: „Geheimdienste abschaffen! Gegen staatliche Repression und Polizeiterror! Stoppt den Staatsterrorismus!“
133 
Die AIHD unterstellt der Bundesrepublik Deutschland, ein „rassistischer Staat“ zu sein; geltendes, demokratisch legitimiertes Ausländerrecht wird als „rassistische Gesetzgebung“ bezeichnet. In einem Flugblatt der AIHD zu einem Brandanschlag am 15.08.2000 in Ludwigshafen hieß es wie folgt: „Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack! Gegen staatlichen Rassismus und faschistischen Terror !“
134 
Dass die AIHD den Staat und in diesem Zusammenhang die rechtsstaatlichen Vorgaben und Regeln pauschal ablehnt, zeigt sich beispielhaft an einem Redebeitrag der AIHD auf einer „Demonstration gegen Repression in HD“ am 30.01.2010, zu der die AIHD unter dem Motto „Solidarität mit Mumia Abu - Jamal!“ aufgerufen hatte. Der Beitrag endete mit der Forderung bzw. dem Aufruf: „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Gegen staatlichen Rassismus und politische Repression! Kampf der Klassenjustiz!“ Indem die AIHD dem Staat und den Justizbehörden Verfolgung von Personen oder Gruppen wegen ihrer politischen Überzeugung vorwirft, bestreitet sie - ebenso wie die RH - die Bindung des Staates und seiner Organe (hier der Justiz) an Recht und Gesetz und unterstellt dem Staat politische Willkür und die Unterdrückung Oppositioneller bzw. Andersdenkender. Der Redebeitrag endet mit den Parolen „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Gegen staatlichen Rassismus und politische Repression! Kampf der Klassenjustiz!“ Auch in einem Bericht der AIHD über die Demonstration am 30.01.2010 vom 31.01.2010 ist wiederum von „linken politischen Gefangenen“ die Rede. So heißt es wörtlich: „Mit lautstarken Parolen wurden die im Faulen Pelz (= Gefängnis) einsitzenden linken politischen Gefangenen gegrüßt“.
135 
In einem weiteren von der AIHD am 22.03.2015 unter der Überschrift „Polizei verhindert Protest in Sichtweite der Nazis“ veröffentlichten Beitrag heißt es u.a.: „Bullen unterstützen Nazi-Demo. .... Die Nazis freuen sich über den Schutz durch die Bullen und behaupten, es hätte keinen Widerstand gegeben. Es stimmt, sie sind ungestört gelaufen. Doch über alledem schwebt wieder einmal der alte Spruch: Deutsche Polizisten schützen die Faschisten !“
136 
Diese auszugsweise dargestellten Veröffentlichungen und Verlautbarungen der AIHD zeigen, dass die Organisation nicht nur einzelne Vorschriften oder Institutionen der Verfassung bekämpft, sondern die Grundprinzipien der Verfassungsordnung. Die dieser widersprechende Zielsetzung der Organisation ergibt sich aus einer ständigen, gegen die Grundprinzipien gerichteten durchgängigen Polemik gegen den Staat bzw. das System. Die Äußerungen betreffen gleichermaßen die Polizei (deutsche Polizisten schützen die Faschisten) und andere staatliche Stellen wie die Verwaltung (Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack !), die Bundeswehr (agiere mittlerweile im Rahmen weltweiter Kampfeinsätze in Angriffs- und Weltordnungskriegen) wie auch die Justiz (Klassenjustiz bzw. Verfolgung der linken politischen Gefangenen). Diese Kritik zeigt bei der vorzunehmenden Gesamtschau nach Inhalt und unter Berücksichtigung der gewählten Form und Ausdrucksweise, dass die AIHD die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland ablehnt. Danach wird sowohl den Entscheidungen der Parlamente und der Verwaltung als auch den Urteilen der Justiz grundsätzlich die Legitimität abgesprochen. Die AIHD stellt auf Grundlage ihrer Kritik an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise wie die RH von den Prinzipien der Verfassung zumindest die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundlegend in Frage (s. § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LVSG). Dass die Ergebnisse des politischen Meinungskampfs in der Bundesrepublik Deutschland generell nicht anzuerkennen sind, zeigt sich beispielhaft wiederum an der Aussage der AIHD in ihrer Grundordnung aus dem Jahr 2008, „auf parlamentarischem Wege lasse sich an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern“.
137 
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch in diesem Zusammenhang darauf, die dargestellte Kritik der AIHD richte sich nicht gegen die wesentlichen Prinzipien der Verfassung, sondern allein gegen die Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen bei der RH unter II.2.c) verwiesen werden. Der AIHD ist zwar zuzugeben, dass eine grundsätzliche Kritik und damit verbunden ein Infragestellen der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG möglich sein muss. Die tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland sind aber gerade das Ergebnis der auf Grundlage der Verfassung vom Parlament, das in allgemeiner unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt ist, beschlossenen Gesetze und damit „der Wille der Mehrheit“. Der Schutz der Minderheiten wird nach dem Grundgesetz durch die Gerichte - und in diesem Zusammenhang etwa durch die Auslegung der verfassungsmäßig geschützten Grundrechte durch das Bundesverfassungsgericht -sichergestellt. Diese Organe - und nicht die Mitglieder der AIHD - sind dazu berufen, die Vorgaben der Verfassung in die Praxis umzusetzen, und dies stellt die AIHD grundsätzlich in Abrede.
e)
138 
Zu Recht hat das Landesamt ferner angenommen, dass die AIHD den sog. „Nazis“ und damit rechtsextremen Gruppierungen ihre grundrechtlich verbrieften Rechte auf Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und auf Versammlung nach Art. 8 Abs. 1 GG abspricht. Bei sinnorientierter Auslegung ihrer Aufrufe und Verlautbarungen beschränkt sich die AIHD nicht darauf, Rechtsextremen in Ausübung der grundrechtlich gewährten Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG friedlich entgegenzutreten und auf diese Weise Flagge zu zeigen. Ziel ist vielmehr, das Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit unmöglich zu machen bzw. zu verhindern. So heißt es etwa in der bereits zitierten Verlautbarung vom 11.04.2015 „Gegen den rassistischen Normalzustand - Kein Mensch ist illegal!“ u.a. wie folgt: „Es ist legitim und notwendig, sich rassistischen und faschistischen Bewegungen in den Weg zu stellen - anders als die Pegida-Versteher* innen gern hätten, ganz praktisch und mit der gebotenen Militanz“. In einem Aufruf der AIHD gegen den „Nazi-Aufmarsch in Sinsheim-Hoffenheim am 27.11.2010“ heißt es u.a. wie folgt: „Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass alle, die sich gegen die menschenverachtende, rassistische und rückwärtsgewandte Ideologie der Nazis stellen wollen, zusammen an einem Strang ziehen, um solche Aufmärsche für die rechte Szene unberechenbar und letztlich unmöglich zu machen.“ Auch in dem Artikel über „Vier Direktkandidaten der NPD in der Kurpfalz“ vom 15.08.2013 heißt es u.a.: „Während des Wahlkampfs ist es unabdingbar, sich der NPD entgegenzustellen und somit jegliche Plakatieraktion, jeden Infostand und jede öffentliche Veranstaltung zu einem Abgesang auf diese Nazi-Partei zu machen. ..Der NPD einen richtigen WahlKAMPF bieten ! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen !“ Diese Äußerungen zeigen, dass sich die AIHD anmaßt, nach eigenem Gutdünken über die Frage zu entscheiden, ob Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit auftreten können bzw. ob sie sich auf die dargestellten Grundrechte berufen dürfen. Dies ist jedoch Aufgabe staatlicher Stellen, namentlich der Parlamente und der Gerichte; so ist sowohl für die verbindliche Auslegung der genannten Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG als auch für ein Parteiverbot der NPD das Bundesverfassungsgericht und nicht die AIHD zuständig.
139 
Im Hinblick auf die dargestellte Gewaltbereitschaft bei der AIHD ist die Annahme gerechtfertigt, dass ihre Mitglieder Rechtsextremisten oder solche Personen und Gruppierungen, die sie dafür halten, an der Wahrnehmung der Grundrechte auch mit gewalttätigen Mitteln hindern bzw. hindern wollen. Aber auch wenn man annähme, mit den dargestellten Verlautbarungen und Aufrufen der AIHD wären keine illegalen und gewaltsamen Aktionen gemeint, sondern lediglich ein kalkulierter Rechtsbruch im Sinne des zivilen Ungehorsams, wäre eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt. Ein kalkulierter Rechtsbruch im Sinne des zivilen Ungehorsams, der etwa Besetzungen, Blockaden und andere Formen des zivilen Ungehorsams einschließt, kann zwar nicht in jedem Fall den Verdacht von verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG begründen. Fälle, in denen eine Person bzw. eine Personengruppe aus höchster Gewissensnot im Einzelfall zum Mittel einer Besetzung oder Blockade greift - man denke an die Blockadeaktionen in Mutlangen zur Verhinderung der Stationierung von Mittelstreckenraketen -, rechtfertigen nicht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz (vgl. auch VG Köln, Urteil v. 20.01.2011, aaO, juris Rn. 225). Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sind aber dann gegeben, wenn der kalkulierte Rechtsbruch im Sinne des zivilen Ungehorsams - wie hier - als strukturelles und dauerhaftes Mittel eingesetzt wird, um den Auftritt von Rechtsextremisten bzw. von vermeintlichen Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit und damit deren Grundrechtsausübung zu verhindern. In einer solchen Konstellation dient der Einsatz des zivilen Ungehorsams dazu, die verfassungsrechtliche Grundordnung auszuhöhlen und anstelle der dazu berufenen verfassungsmäßigen Organe Recht zu setzen.
140 
Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann die weitere Frage, ob auch die vom Landesamt dargelegten Fälle, in denen die AIHD Rechtsextremisten „geoutet“ hat, Indiz für verfassungsfeindliche Bestrebungen sind, dahinstehen. Für diese Beurteilung kommt es entscheidungserheblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. „Outing“-Aktionen können - entgegen der Auffassung des Klägers - das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen im Hinblick auf die damit verbundene „Prangerwirkung“ verletzen und deshalb Indiz dafür sein, dass den politischen Gegnern die Grundrechte abgesprochen werden.
f)
141 
Keiner Beantwortung bedarf die Frage, ob verfassungsfeindliche Bestrebungen bei der AIHD insgesamt oder nur bei einem Teil ihrer Mitglieder bzw. Anhänger festzustellen sind. Anhaltspunkte für Bestrebungen einer Organisation, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht nur dann gegeben, wenn die Organisation in ihrer Gesamtheit solche Bestrebungen entfaltet. Es können etwa eindeutige verfassungsfeindliche Bestrebungen einzelner Teile innerhalb einer Organisation Anhaltspunkte dafür liefern, in welche Richtung sich die Organisation insgesamt entwickeln kann. Dies erfordert die Beobachtung der Organisation insgesamt, nicht nur der einzelnen Gruppierungen (so BVerwG, Urteil v. 21.07.2010, aaO, juris Rn. 45 zu der entsprechenden Frage bei der Partei „Die Linke“, ob diese Partei insgesamt beobachtet werden darf, wenn verfassungsfeindliche Bestrebungen nur einzelner Gruppierungen innerhalb der Partei vorliegen). Danach ist der Einwand des Klägers, die AIHD sei als Gesamtheit nicht Mitglied der Autonomen, dies sei allenfalls bei einzelnen Mitgliedern der AIHD der Fall, rechtlich unerheblich. Gleiches gilt für den Umstand, dass Kommunisten nur einen Teil des Spektrums der AIHD darstellen und andere Teile der Organisation sich dieser Ideologie nicht verschrieben haben.
142 
Auch die Rüge des Klägers in der mündlichen Verhandlung, ein Großteil der vorstehend dargestellten Artikel und Aufrufe der AIHD datierten erst nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Dezember 2012 und dürften deshalb nicht verwertet werden, bleibt ohne Erfolg. Entsprechend allgemeinen Grundsätzen bei der Verpflichtungsklage ist für den vom Kläger geltend gemachten Löschungsanspruch auf Grundlage von § 14 LVSG die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend. Deshalb sind auch die aktuellen Entwicklungen und damit die Erkenntnisse über die AIHD aus neuerer Zeit für die Frage entscheidungserheblich, ob im Hinblick auf diese Organisation weiterhin personenbezogene Daten über den Kläger gespeichert werden dürfen oder ob - etwa im Hinblick auf die Löschungsfristen in § 14 Abs. 3 LVSG - ein Anspruch auf Datenlöschung besteht.
143 
Auch der Vortrag des Klägers, die vorstehend dargestellten Artikel und Aufrufe der AIHD seien nicht von ihm persönlich verfasst worden, ist rechtlich unerheblich. Die Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten über seine Person ist deshalb zulässig, weil er unstreitig Mitglied in der AIHD ist und diese im Hinblick auf die von ihr ausgehenden verfassungsfeindlichen Bestrebungen aktuell beobachtet werden darf.
4.
144 
Die Beobachtung der beiden Organisationen RH und AIHD durch den Verfassungsschutz kann - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - auch deshalb nicht beanstandet werden, weil jedenfalls bei Gesamtschau aller die RH und die AIHD betreffenden Anhaltspunkte und Indizien die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen beider Organisationen gerechtfertigt ist. Auch Verbindungen zu bereits als extremistisch erkannten Gruppen oder Einzelpersonen, insbesondere gemeinsame Veranstaltungen und ein gemeinsames Auftreten können bei der vorzunehmenden Gesamtschau die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (vgl. Droste, aaO, S. 179). Bei der RH und der AIHD können nicht nur teilweise wortgleiche Formulierungen und eine vergleichbare politische Ausrichtung festgestellt werden, beide Organisationen sind vielmehr auch personell eng verbunden. Sowohl der Kläger als auch Michael Dandel - beide tragende Mitglieder der AIHD - sind im Bundesvorstand der RH in verantwortlicher Position tätig (vgl. Interview mit Michael Dandel, Die Rote Hilfe 2/2013, S. 7).
5.
145 
Zu Unrecht meint der Kläger, seine politischen Aktivitäten für die beiden Organisationen RH und AIHD dürften vom Verfassungsschutz schon deshalb nicht beobachtet werden, weil er nach dem rechtskräftigen Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2007 (aaO) die Gewähr der Verfassungstreue biete und deshalb in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg übernommen worden sei. Die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 13.03.2007 haben für die streitgegenständliche Frage, ob der Kläger im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der RH und der AIHD vom Landesverfassungsschutz aktuell beobachtet werden darf, keine maßgebliche Bedeutung. Der VGH hat dem Kläger - trotz seiner Mitgliedschaft in der AIHD - geglaubt, dass er persönlich Gewalt gegen Personen und Sachen ablehne, und hat vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des beanstandungsfreien Verhaltens des Klägers im vorherigen Schuldienst sinngemäß die Verfassungstreue des Klägers bejaht. Da im vorliegenden Verfahren andere Rechtsgrundlagen und ein anderer Beurteilungsmaßstab gelten, besteht von vornherein keine formale Bindungswirkung des Urteils des VGH. Soweit der VGH in seinem Urteil Zweifel an der Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung der AIHD geäußert hat, waren diese Ausführungen für ihn erkennbar nicht tragend (UA S. 26 und 27). So heißt es in dem Urteil „Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AIHD nicht die Rede sein (gemeint ist der Kläger), so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit“; auch soweit sich der VGH im Anschluss daran auf Grundlage seiner damaligen Erkenntnisse kursorisch mit der Frage einer verfassungsfeindlichen Zielsetzung der AIHD auseinandersetzt, erfolgen diese Ausführungen teilweise im Konjunktiv. Außerdem liegen dem Verfassungsschutz und der Kammer weitere Erkenntnisse über die AIHD aus neuerer Zeit vor, die dem VGH nicht zur Verfügung stehen konnten. Wie sich der Entscheidung des VGH zudem entnehmen lässt, waren die RH und die über diese Organisation vorliegenden Erkenntnisse nicht Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung.
6.
146 
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich darauf, dass die vom Landesamt mitgeteilten und ihn betreffenden personenbezogenen Daten deshalb zu löschen seien, weil sich diese Aktivitäten - etwa Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen wie dem jährlichen Ostermarsch - im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung bewegten und diese Informationen jedenfalls als unwichtig zu bewerten seien. Für die Frage, ob konkrete Umstände und Ereignisse den Verdacht verfassungsfeindlichen Verhaltens rechtfertigen, kommt es nicht darauf an, ob die fraglichen Verhaltensweisen rechtlich erlaubt sind oder nicht. Auch rechtlich geschützte Verhaltensweisen können in Verbindung mit anderen Umständen Anlass für einen Verdacht bieten (vgl. Droste, aaO, S. 177).
147 
Danach können vom Verfassungsschutz auch Verhaltensweisen wie die Teilnahme des Klägers am jährlichen Ostermarsch erfasst werden. An Veranstaltungen wie den Ostermärschen nehmen regelmäßig auch eine Vielzahl nicht verfassungsfeindlicher Gruppierungen, Parteien und Bürger teil, ohne dass dies den Verfassungsschutz tatsächlich interessiert und zu interessieren hätte. Zu Recht hat das Landesamt aber in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sich typischerweise an solchen Veranstaltungen auch verfassungsfeindliche Gruppierungen bzw. Mitglieder solcher Gruppierungen beteiligten und die Erfassung des Klägers in diesem Kontext zu sehen ist. Da der Verfassungsschutz - wie dargestellt - die verfassungsfeindlichen Organisationen RH und AIHD beobachten darf, darf er auch die politischen Aktivitäten seiner Mitglieder und damit die des Klägers bei solchen Veranstaltungen wie den Ostermärschen erfassen. Es liegt auf der Hand, dass sich der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes gerade darauf erstreckt, wie und in welchem Umfang die Aktivitäten der verfassungsfeindlichen Organisationen in die Gesellschaft hineinwirken. Dazu gehört auch die Beobachtung, ob und inwieweit Mitglieder der RH bzw. der AIHD versuchen, Einfluss in und auf Organisationen zu gewinnen, die auf dem Boden der Verfassung stehen.
148 
Da das Sammeln und Auswerten von Informationen durch den Verfassungsschutz gerade auch bezweckt, Informationen über die aktuelle Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte zu erlangen, gehört zum Beobachtungsauftrag notwendigerweise auch, dass neutrale bzw. für die jeweilige verfassungsfeindliche Organisation günstige und gegen ihre weitere Beobachtung sprechende Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Deshalb dürfen vom Verfassungsschutz jedenfalls solche Informationen erfasst werden, die - wie die hier vom Landesamt mitgeteilten Vorfälle und Ereignisse - im Zusammenhang mit den politischen Aktivitäten der beobachteten Organisationen stehen. Dieser Zusammenhang ist bei den vom Landesamt mitgeteilten, den Kläger betreffenden Ereignissen aber jeweils zu bejahen.
III.
149 
Da der Kläger nach den Ausführungen unter II. keinen Anspruch auf Löschung der über ihn gespeicherten Daten hat, sind diese personenbezogenen Daten des Klägers, soweit sie in Akten gespeichert sind, auch nicht zu sperren. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 LVSG sind die in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten zu sperren, wenn die Speicherung unzulässig war oder die Daten für die Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes voraussichtlich nicht mehr erforderlich sind. Diese Voraussetzungen für einen Sperrvermerk sind im Hinblick auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der RH und der AIHD und der Betätigung des Klägers in diesen beiden Organisationen nicht gegeben.
150 
Die Zulassung der Berufung folgt aus § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
151 
Beschluss
152 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung durch das VG Stuttgart vom 15.01.2013 gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 10.000,-- festgesetzt. Für die beiden Streitgegenstände Auskunftsanspruch und Löschungsanspruch wird jeweils ein Streitwert von 5.000,-- EUR angesetzt.
153 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 20. Apr. 2016 - 4 K 262/13 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 99


(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bu

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 82


(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Wid

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 20. Apr. 2016 - 4 K 262/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. März 2016 - 11 S 1389/15

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Der Klä

Bundesverfassungsgericht Urteil, 24. Apr. 2013 - 1 BvR 1215/07

bei uns veröffentlicht am 24.04.2013

Tenor 1. a) § 1 Absatz 2 und § 2 Satz 1 Nummer 3 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. März 2007 - 4 S 1805/06

bei uns veröffentlicht am 13.03.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. März 2006 - 1 K 83/06 - geändert. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25. August 2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. November 2004 werden

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Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. März 2006 - 1 K 83/06 - geändert. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25. August 2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. November 2004 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg im Beamtenverhältnis auf Probe.
Der am ... 1970 in Heidelberg geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Nach einem Studium an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Fach Geschichte mit den Nebenfächern Deutsch und Bildende Kunst bestand er am 03.07.2000 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Note gut (1,5). Mit Wirkung vom 01.02.2001 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Realschullehreranwärter ernannt. Der Vorbereitungsdienst endete am 24.07.2002 mit dem Bestehen der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Gesamtnote gut (2,0).
Bereits am 27.02.2002 hatte der Kläger seine Einstellung in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg beantragt. Nach den Kriterien der Bestenauslese in Verbindung mit der Bedarfslage stand er Ende 2003 zur Einstellung als Beamter auf Probe zum 01.02.2004 an. Bereits im Sommer 2003 war dem damals für die Einstellung zuständigen Oberschulamt Karlsruhe vom Innenministerium über das Kultusministerium Baden-Württemberg mitgeteilt worden, nach vorliegenden Erkenntnissen bewege sich der Kläger seit den 1990er Jahren im linksextremen Spektrum des Heidelberger Raumes und sei in die dortige autonome Szene eingebunden. Mit Schreiben des Oberschulamts vom 15.12.2003 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nach den dem Amt mitgeteilten Erkenntnissen Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden; es werde deshalb ein vertieftes Einstellungsgespräch für erforderlich gehalten. Unter dem 30.12.2003 teilte das Oberschulamt dem Kläger mit, es werde zunächst über das Innenministerium eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz richten, ob gerichtsverwertbare Tatsachen über ihn vorlägen, die unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue Bedenken gegen seine Übernahme in den Schuldienst begründeten.
Im vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 wurde der Kläger unter anderem zu den vom Innenministerium unter dem 05.02.2004 übermittelten, ihm inzwischen bekannt gemachten Erkenntnissen sowie zu dem auf der Homepage des Autonomen Zentrums in Heidelberg veröffentlichten Selbstdarstellung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AI HD) „Wir über uns!“ befragt. Hierzu nahm der Kläger (auch) schriftlich Stellung.
Mit Bescheid vom 25.08.2004 lehnte das Oberschulamt Karlsruhe den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst des Landes ab. Aufgrund der Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz, die er im Wesentlichen als zutreffend eingeräumt habe, sowie aufgrund der ebenfalls eingeräumten Tatsache, dass er aktives Mitglied der AI HD sei, verblieben Zweifel an seiner Verfassungstreue. Dies insbesondere auch, weil der Kläger sich ausdrücklich zur Militanz als „legitimem Mittel im Kampf um die Befreiung“ und zu den Zielen dieser Organisation aktiv bekenne. Die AI HD stelle sich selbst als eine Gruppe dar, die davon überzeugt sei, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern werde. Bei den Aktivitäten der AI HD sei es mehrfach zu Ausschreitungen gekommen. Da das System der parlamentarischen Demokratie und das Gewaltmonopol des Staates zu den wesentlichen Merkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählten, seien öffentliche Aktivitäten, die diese freiheitliche demokratische Grundordnung über ein Jahrzehnt hinweg und bis in jüngste Zeit bekämpften, geeignet, Zweifel daran zu begründen, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Der Kläger habe diese Zweifel bislang nicht ausräumen können. Ihm mangele es somit an einer unabdingbaren Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst.
Den Widerspruch des Klägers vom 29.08.2004 wies das Oberschulamt Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 zurück. Dabei nahm es Bezug auf die folgenden Erkenntnisse (wobei die Nummerierung des Bescheides beibehalten wird) :
3. Am 23.03.1997 sei es im Rahmen eines Treffens von Angehörigen der „Antifaschistischen Jugendaktion Heidelberg“ und des „Antifaschistischen Aktionsbündnisses Rhein-Neckar“ in Laudenbach zu einer „Outing-Aktion“ der dort lebenden „Rechtsextremistin“ gekommen. Während dieser Aktion seien Flugblätter und Handzettel verteilt sowie an Gebäuden und Verkehrszeichen angebracht worden. Nach Beendigung der Aktion hätten sich mehrere Teilnehmer zum Bahnhof Laudenbach begeben. Dort sei durch die Polizei eine Personalienfeststellung von 23 Tatverdächtigen erfolgt, wobei die Personalien des Klägers erhoben worden seien.
4. Am 01.12.1999 habe der Kläger an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 in Heidelberg an die Stadt Heidelberg teilgenommen. Bei den anschließenden Abrissarbeiten seien aus der Menge der Teilnehmer heraus einige Steine und Flaschen in Richtung des Abrissbaggers geworfen worden, wobei eine Seitenscheibe des Baggers beschädigt worden sei.
5. Am 05.06.1999 habe der Kläger beim Amt für öffentliche Ordnung Heidelberg eine Demonstration gegen die „Kriegspolitik der NATO und der BRD“ für den 10.07.1999 in der Innenstadt von Heidelberg angemeldet.
10 
6. Vor der Jugendarrestanstalt Wiesloch hätten der Kläger und weitere Angehörige der autonomen Szene Heidelberg am 16.09.1999 demonstriert. Anlass sei die dortige Unterbringung eines Angehörigen der autonomen Szene Heidelberg vom 13. bis 27.09.1999 gewesen.
11 
7. In der Dezemberausgabe 1999 des Stadtmagazins „Meier-Rhein-Neckar-Raum“ hätten der Kläger und ein weiterer Angehöriger der autonomen Szene Heidelberg zum Thema „Autonomes Zentrum: Einfach weggelächelt?“ Stellung genommen.
12 
9. Am 06.02.2000 hätten zwischen 0.35 Uhr und 2.00 Uhr ca. 300 Angehörige des autonomen Spektrums ein leer stehendes Gebäude der Deutschen Bahn im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg besetzt und eine Party gefeiert. Gegen 5.00 Uhr hätten mehrere Personengruppen das Objekt verlassen. Am Vormittag des 06.02.2000 habe der Leiter der Netzbetriebe Heidelberg Strafantrag gestellt. Gegen 12.00 Uhr hätten auf den Gleisen vor dem leer stehenden Gebäude noch 7 Personen festgestellt werden können, die nicht freiwillig den Bereich verlassen hätten. Die Personalien seien festgestellt worden. Der Kläger sei eine der Personen gewesen. Ein Platzverweis sei ausgesprochen worden.
13 
10. In der Publikation RABATZ 01 vom 07.02.2000, einer Sonderzeitung zur laufenden Kampagne für ein autonomes Zentrum in Heidelberg, sei ein Interview mit dem Kläger veröffentlicht worden, der als Sprecher des „AZ (im Exil)“ benannt worden sei.
14 
11. Auf der Internetseite des autonomen Zentrums Heidelberg sei am 16.02.2000 unter dem Titel „Autonomes Zentrum Heidelberg - unser Haus könnt ihr zerstören, unsere Ideen nicht!“ eine Stellungnahme zur Demonstration „Ein Jahr Räumung des Autonomen Zentrums - Der Kampf geht weiter - Für eine starke Linke“ am 12.02.2000 in Heidelberg veröffentlicht worden, in der der Kläger namentlich erwähnt worden sei.
15 
12. Am 13.01.2001 sei der Kläger an der Veranstaltung „Test your playground“ bei „Hildes Hellbächl“ (ehemalige Szenenkneipe) festgestellt worden.
16 
13. Am 20.01.2001 habe der Kläger nach ordnungsgemäßer Anmeldung eine Kundgebung der linksextremistischen Szene als verantwortlicher Versammlungsleiter anlässlich einer geplanten Veranstaltung der rechtsextremistischen „Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ abgehalten. Nachdem die Redebeiträge beendet gewesen seien, sei zu einer Spontandemonstration zum Heidelberger Rathaus aufgerufen worden. Der Kläger sei als Versammlungsleiter durch den Polizeieinsatzleiter darauf hingewiesen worden, dass dies einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellen könne. Von ihm als Versammlungsleiter sei die Veranstaltung jedoch nicht beendet worden, so dass sich ein Demonstrationszug durch die Heidelberger Fußgängerzone formiert habe. Gegen den Kläger sei wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein Strafverfahren eingeleitet worden, das durch Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 08.01.2002 nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt worden sei.
17 
14. Am 15.06.2002 habe der Kläger mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums an der Gegenaktion anlässlich eines Aufmarsches der rechtsextremistischen „Karlsruhe Kameradschaft“ in Karlsruhe teilgenommen.
18 
15. In einer Broschüre der linksextremistisch beeinflussten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Kreisvereinigung Heidelberg, über die Geschichte der Mannheimer Lechleiter-Widerstandsgruppe sei der Kläger als Mitverfasser genannt. Diese Broschüre habe bei der VVN-Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ vom 13. bis 31.01.2003 in der Volkshochschule Heidelberg käuflich erworben werden können.
19 
16. Am 15.02.2003 habe sich der Kläger mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums an einer Aktion des linksextremistischen „Heidelberger Forums gegen Militarismus und Krieg“ (Antikriegsforum) vor dem US-Hauptquartier Heidelberg beteiligt. An diesem Tag habe ein europaweiter Aktionstag gegen den drohenden Irakkrieg stattgefunden.
20 
17. Der Kläger habe mit zahlreichen linksextremistischen Szeneangehörigen bei der Demonstration „Gegen den Irak-Krieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden können, zu der neben diversen demokratischen Organisationen das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ aufgerufen habe.
21 
18. Vom 25. bis 28.06.2003 hätten auf dem Heidelberger Marktplatz die Aktionstage „Für ein neues autonomes Zentrum“ stattgefunden. Der Kläger habe mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums Heidelberg während des gesamten Zeitraums daran teilgenommen.
22 
19. Am 16.11.2003 habe der Kläger an der Kundgebung unter dem Motto „Schluss mit Heldengedenken und Ehrenfriedhof“ vor dem Eingang des Ehrenfriedhofs in Heidelberg teilgenommen. Er habe das Grußwort der AI HD verlesen.
23 
20. Am 28.12.2003 sei der Kläger mit weiteren Szeneaktivisten anlässlich einer Kundgebung vor einem besetzten Haus in Mannheim-Jungbusch festgestellt worden.
24 
Das Oberschulamt führte weiter aus, im Wesentlichen räume der Kläger die angeführten Geschehnisse ein. Soweit er in seiner Einlassung von den Erkenntnissen abweiche, werde von seiner Darstellung ausgegangen. Die im Verlauf des Verfahrens nicht ausgeräumten Zweifel an seiner Verfassungstreue ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die unter anderem Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Die „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ grenze sich in ihrem gesamten Erscheinungsbild eindeutig von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab und propagiere darüber hinaus den „Widerstand und Aktionen gegen FaschistInnen und das rassistische Gesamtsystem der BRD“. Wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei, sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle und Militanz als angemessenes Mittel der politischen Auseinandersetzung ansehe, könne nicht als Lehrer in öffentlichen Schulen wirken.
25 
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - abgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, die Verfassungstreuepflicht verlange vom Beamten, dass er sich kompromisslos von Gruppen distanziere, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten. Dabei sei es unerheblich, mit welchem angeblich moralischen Anspruch dies getan werde. Der Kläger habe sich nicht in dem hier erforderlichen Umfang distanziert. Er sei nach wie vor Mitglied der AI HD. Bei seinem Einstellungsgespräch am 21.04.2004 habe er spontan geäußert, er stehe persönlich hinter dem Inhalt des Papiers „Wir über uns!“. Später habe er einige Aussagen relativiert und die grundsätzlich staatsfeindliche Haltung der AI HD geleugnet. Für das Oberschulamt Karlsruhe habe dies die begründeten Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers nicht ausgeräumt. Dies sei nachvollziehbar und bei der gerichtlichen Überprüfung der Bewertung des Dienstherrn zu akzeptieren. Die weiterhin vorhandene Befürchtung, der Kläger biete nicht die Gewähr, jederzeit für die Erhaltung unserer Grundordnung einzutreten, habe die geschilderte tatsächliche Grundlage durch die abwiegelnden Einlassungen nicht verloren. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der im gerichtlichen Verfahren angeführten Umstände, die den Kläger als engagierten Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht schilderten. Dies schließe eine tiefgreifend negative Einstellung gegenüber unserem Staat und seiner Verfassungsordnung nicht aus. Auch wer aus übersteigerter Sensibilität für bestimmte positive Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus unseren Staat und das Handeln seiner Verfassungsorgane wegen stets möglicher Missstände verachte, grundsätzlich ablehne und bekämpfe, sei als Beamter dieses Staates ungeeignet, weil er die besondere politische Treuepflicht wegen seiner ablehnenden inneren Einstellung nicht garantieren könne. Ob der Kläger nur vordergründig „Antifaschist“ sei und es ihm in Wahrheit um „Systemüberwindung“ als Anarchist oder Kommunist gehe oder ob er sich dieser radikalen Linken nur angeschlossen habe, weil sie sich aus seiner Sicht am konsequentesten gegen Rassismus und Nationalismus einsetze, könne die Einstellungsbehörde nicht beweisen und müsse sie auch nicht klären. Auch wer aus moralischem Rigorismus, Naivität oder Leichtgläubigkeit eine Gruppe unterstütze, von der sich ein Beamter distanzieren müsse, handele gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht. Der Kläger könne schließlich nicht mit Erfolg einwenden, er habe extreme politische Meinungen, die unseren Staat und seine Verfassung diskreditierten, bisher als Lehrer nie vertreten und es gebe keinen Anlass, dies in Zukunft zu vermuten. Dem könne das Oberschulamt entgegenhalten, ihm genüge eine formal korrekte Haltung seiner Beamten gegenüber dem Staat nicht.
26 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 04.08.2006 - 4 S 994/06 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und 15.11.2004 zu verpflichten, ihn - vorbehaltlich der gesundheitlichen Untersuchung - als Realschullehrer im Beamtenverhältnis auf Probe in den Schuldienst einzustellen,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
29 
Zur Begründung verweist er auf seinen gesamten bisherigen Vortrag und macht geltend, im Wege der Ermessensreduzierung auf Null komme keine andere Entscheidung als seine Einstellung in Betracht. Ergänzend trägt er vor, dass die gesamte sogenannte „Sündenliste“ des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Frage nach Zweifeln an der Verfassungstreue außen vor bleiben müsse, weil sie unter Missachtung des Datenschutzes gewonnen worden sei. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Landesbeauftragten für Datenschutz vom 07.08.2006. Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung verstoße auch gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000, die nunmehr durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt worden sei. Schließlich sei festzuhalten, dass - neben Art. 10 EMRK - auch die EU-Grundrechtscharta in Art. 10 und 11 sowie der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte in Art. 5 und 19 jedermann ungehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Außerdem verletzten sowohl die Entscheidungen des Beklagten als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts die Konvention 111 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1958.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, die vom Kläger unter Berufung auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz geltend gemachten Verfahrensverstöße seien - selbst wenn man diese bejahen würde - für die Entscheidung des Oberschulamts nicht kausal. Soweit sich der Kläger auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bzw. die Richtlinie 2000/78/EG berufe, sei ihm entgegenzuhalten, dass eine etwaige Benachteiligung aus Gründen der Weltanschauung nach § 8 Abs. 1 AGG und Art. 4 Abs. 1 der Antidiskriminierungsrichtlinie gerechtfertigt wäre. Die Rechtfertigungsprüfung unterscheide sich insoweit nicht von der Prüfung des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG. Auch die Berufung auf das Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf der Internationalen Arbeitsorganisation gehe fehl. Dieses Übereinkommen verleihe dem Kläger keine subjektiven Rechte.
33 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat zwar keinen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe, wohl aber einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag.
35 
Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Prognose über die Verfassungstreue unterfällt seinem Beurteilungsspielraum. Während für die Frage der Beurteilung der Verfassungstreue hier die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgebend ist, hat der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums die Eignung für das angestrebte Amt bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Damit aber sind für den Dienstherrn auch Umstände von Bedeutung, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren und die er zunächst in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2006 - 6 A 77/04 -, Juris) und im Übrigen auch mit Blick auf den dem Dienstherrn weiterhin zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. die Ausführungen unten) ausscheiden.
36 
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Danach darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung, die für jedes Beamtenverhältnis gilt. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG und entsprechender Vorschriften verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176, und Urteil vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00 u.a. -, BVerwGE 114, 258).
37 
Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Dies ist die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Zu den grundlegenden, sogar einer Verfassungsänderung entzogenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates, denen der Beamte verpflichtet ist, sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und muss es sein. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Staat und Gesellschaft können an einer unkritischen Beamtenschaft kein Interesse haben (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
38 
Der Beamte muss danach bei seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen, z.B. als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1243/95 u.a. -, BVerfGE 96, 152). Die Verfassungstreuepflicht verlangt ferner, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren und dass er in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen innerhalb und außerhalb des Dienstes für den Staat Partei ergreift. Ein Beamter, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt - unabhängig von seinen Motiven - seine Treuepflicht nicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
39 
Der verfassungsrechtliche Inhalt der politischen Treuepflicht des Beamten wird nicht beeinflusst von dem Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf - Übereinkommen 111 - vom 25.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 98), dem der Bundesgesetzgeber durch Gesetz vom 08.03.1961 (BGBl. II 1961 S. 97) zugestimmt hat, sowie dem Ausschussbericht von 1986 zur Prüfung der Einhaltung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland - Untersuchungsbericht -. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, haben das Übereinkommen 111 und der Untersuchungsbericht nur an die Bundesregierung gerichtete Empfehlungen, nicht jedoch das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Bestimmungen zum Inhalt; sie begründen keine subjektiven Rechte für den Einzelnen und können die Verfassungsrang genießende politische Treuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht erweitern oder einschränken (BVerwG, Urteil vom 10.05.1984 - 1 D 7.83 - BVerwGE 76, 157; Urteil vom 16.09.1987 - 1 D 122.86 -, ZBR 1988, 281; Urteil vom 01.02.1989 - 1 D 2.86 -, BVerwGE 86, 99). Dies bedeutet zugleich, dass es dem Senat verwehrt ist, insoweit bei der Rechtsauslegung als völkerrechtliche Vorgabe das Übereinkommen 111 und die Empfehlungen des Untersuchungsberichts zugrunde zu legen. Dem steht letztlich die vorrangige Norm des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, aus dem nach der insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die politische Treuepflicht der Beamten herzuleiten ist (BVerfGE 39, 334, 346 ff.) mit der weiteren Folge, dass, wie es ebenfalls dieser Rechtsprechung entspricht (a.a.O. S. 355), auch eine im Untersuchungsbericht empfohlene Differenzierung in den Anforderungen an die politische Treuepflicht, die sich nach der jeweiligen dienstlichen Funktion des Beamten richten würde, insoweit grundsätzlich nicht zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 01.02.1989, a.a.O.; Urteil vom 20.01.1987 - 1 D 114.85 -, NJW 1987, 2691; vgl. dazu auch die Ausführungen unten).
40 
Eine andere Beurteilung der politischen Treuepflicht gebietet auch nicht die Auslegung der Art. 10 und 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK - BGBl. 1952 II S. 685, 953) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 26.09.1995 (- 7/1994/454/535 -, NJW 1996, 375; Vogt / Bundesrepublik Deutschland). Danach kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Einzelfall gegen das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und - in Abhängigkeit davon - gegen die in Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit verstoßen, wenn die Maßnahme zur Gewährleistung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgeführten Zwecke - unter Berücksichtigung des staatlichen Beurteilungsspielraumes - in keinem angemessenen Verhältnis steht, mithin in einer demokratischen Gesellschaft nicht zwingend notwendig ist. Der EGMR hat in den Urteilsgründen jedoch ausdrücklich bestätigt, dass die Meinungsfreiheit durch gesetzliche Vorschriften, die die politische Treuepflicht des Beamten statuieren, in Verbindung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Nichts anders gilt danach auch, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass auch Art. 10 und 11 der EU-Grundrechtecharta (vgl. dazu allgemein Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - die nicht in Kraft ist - und Art. 5 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Darüber hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch ebenso wie durch die Richtlinie 2000/78/EG, die durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897) umgesetzt worden ist, nicht begründet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (§ 8 Abs. 1 AGG) vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal - wie hier - aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
41 
„Gewähr bieten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen. Da bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen eines Bewerbers stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers - etwa die Identifizierung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechenden Zielsetzungen einer Partei, die unter Umständen die Zweifel an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers sogar zur Gewissheit werden lassen - sind in der Regel nicht erforderlich. Die Feststellung einer im Einzelfall wesentlichen tatsächlichen subjektiven Einstellung (z.B. Nichtidentifizierung mit den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufenden Zielsetzungen einer Organisation, Distanzierung von der Verfassungsordnung widerstreitenden Bestrebungen und die Motivation für das bisherige Verhalten) kann aber insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob aus den festgestellten Fakten vom Dienstherrn hergeleitete Zweifel an der künftigen Verfassungstreue des Beamtenbewerbers zerstreut werden können, von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
42 
Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Erst wenn diese Schwelle überschritten ist, setzt die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ein (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506, und die Ausführungen unten). Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus (BVerfGE 39, 334, 335, 359; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980, a.a.O., vom 31.01.1980 - 2 C 5.78 -, NJW 1980, 2145, und vom 22.04.1977 - VII C 17.74 -, BVerwGE 52, 313). Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis des Beamtenbewerbers zu den mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Zielen einer extremistischen politischen Partei linker oder rechter Prägung - unabhängig von der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts - bedeutsam sein, insbesondere wenn der Parteibeitritt aufgrund freier Willensentschließung erfolgt ist und zu politischen Aktivitäten für die Ziele der Partei verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein schematisches Anknüpfen rechtserheblicher Zweifel an die Feststellung bestimmter Verhaltensweisen ist nicht zulässig (BVerfGE 39, 334, 354 f.). Die Frage, ob der Beamtenbewerber nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gründet sich auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Beurteilungselementen und ist weitgehend Tatfrage (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
43 
Dabei ist für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue auch von Bedeutung, ob jemand erstmals in das Beamtenverhältnis berufen werden soll oder sich schon einmal im Beamtenverhältnis befand. Bei einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, wie vorliegend bei der erstrebten Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, besteht bereits eine breitere Entscheidungsgrundlage. Hier ist neben den bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis liegenden Umständen das Verhalten im Beamtenverhältnis zu beachten. Durch das weitere Verhalten im Beamtenverhältnis können früher zu Tage getretene Bedenken bekräftigt oder zerstreut werden (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 9 S. 41 f.).
44 
Aufgrund des sonach festgestellten Sachverhalts hat der Dienstherr zu prüfen, ob der Beamtenbewerber die geforderte Gewähr der Verfassungstreue bietet (BVerfGE 39, 334, 353; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.). Seine Überzeugung ist maßgebend. Ihr liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers in Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst feststellen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich - was das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend beachtet hat - darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.). Dabei sind die Grenzen für die einzelnen Ansatzpunkte der verwaltungsgerichtlichen Prüfung angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Sachverhalte fließend.
45 
Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Dienstherr hat im jeweiligen Einzelfall nach Ermittlung der für und gegen ihn sprechenden Umstände die Persönlichkeit des Bewerbers umfassend zu würdigen, wobei eine sachgerechte Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist der Dienstherr, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, auch gehalten, das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht - wie ausgeführt - im Beschluss vom 22.05.1975 hervorgehoben hat, die Treuepflicht des Beamten sei einer Differenzierung nach Art der dienstlichen Obliegenheiten nicht zugänglich. Verfassungstreue im Sinne der Fähigkeit und inneren Bereitschaft, „die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten“ (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140, 151, und Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2312), verweist auf eine Grundvoraussetzung des Eignungskriteriums im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Jedenfalls insoweit handelt es sich um eine (nach unten) differenzierungsresistente Größe. Mit anderen Worten: Unabhängig von dem wahrzunehmenden öffentlichen Amt sowie der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses umschreibt eine solche „Verfassungstreue“ ein notwendiges Element des persönlichen Anforderungsprofils. Arbeiter und Angestellte sind insoweit nicht weniger eingebunden als Beamte. Indes ergeben sich im Prozess der (prognostischen) Bewertung durch die Einstellungsbehörde, ob ein Bewerber das erforderliche Maß an Verfassungstreue besitzt oder nicht, mit Blick darauf Differenzierungsmöglichkeiten, dass ein Korrespondenzverhältnis zwischen der „Verfassungstreuegeprägtheit“ eines Amtes und den Anforderungen an den Nachweis einer entsprechenden Fähigkeit und Bereitschaft eines Bewerbers (bzw. der Zweifel hieran) besteht (Höfling, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, RdNrn. 155 ff.: „Die Einstellung eines Sachbearbeiters eines kommunalen Friedhofsamtes erfordert eine andere Prognosesicherheit hinsichtlich seiner Verfassungstreue als diejenige über den zukünftigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“). In gleicher Weise kann auch der Status des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses Berücksichtigung finden. Dazu hat bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfGE 39, 334, 356): „Wer als Berufsziel den Staatsdienst im Auge hat, nähert sich diesem Dienst in drei „Stufen“: er studiert, er erwirbt die jeweils erforderliche Vorbildung - für den höheren Dienst durch Absolvierung des Vorbereitungsdienstes -, er wird als Beamter auf Probe übernommen. In der zweiten und dritten Stufe hat der Dienstvorgesetzte Gelegenheit, den Bewerber intensiv kennenzulernen, ihn zu beobachten und sich schließlich ein Urteil über seine Persönlichkeit zu bilden. Hier, wo die Verwaltung unmittelbar sich ein zuverlässiges Bild über den Anwärter machen kann, muss der Schwerpunkt liegen für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht. Das bedeutet aber, dass für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst eine gewissermaßen „vorläufige“ Beurteilung ausreicht….“. Das so verstandene Differenzierungsgebot hat der Dienstherr auch bei der Frage der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.
46 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die für Verpflichtungsklagen (und Neubescheidungsklagen) vielfach angeführte „Regel“, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, gilt nicht uneingeschränkt. Aus dem materiellen Recht können sich Abweichungen ergeben. Das ist auch hier der Fall. Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
47 
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Beklagte seiner Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ausdrücklich erklärt hat, es gehe von der Darstellung des Klägers aus, soweit seine Erklärungen zu den ihm angelasteten Vorfällen von den Erkenntnissen des Innenministeriums abwichen, hat auch der Senat von dem so festgestellten Sachverhalt auszugehen.
48 
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 07.08.2006 geltend macht, der Datenschutz sei in doppelter Hinsicht nicht beachtet worden, was zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen müsse. Der Landesbeauftragte für Datenschutz führt aus, dass zwar eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz datenschutzrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen sei, jedoch habe die Anfrage des Kultusministeriums an das Innenministerium vom 22.07.2003 hinsichtlich der anfragenden Stelle und der Unterrichtung des Petenten nicht den Vorgaben der Nr. 12 zu § 6 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG) vom 18.07.2003 (GABl. S. 502) entsprochen. Unabhängig davon, dass die Verwaltungsvorschrift zum Zeitpunkt der bezeichneten Anfrage noch nicht in Kraft getreten war (sie trat - erst - am Tag nach der Veröffentlichung am 27.08.2003 in Kraft), ist zu berücksichtigen, dass dem vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 die unter dem 05.02.2004 mitgeteilten Erkenntnisse zugrunde lagen, die durch das Innenministerium auf eine Anfrage des Oberschulamts Karlsruhe über das Kultusministerium vom 08.01.2004 übermittelt worden waren; von dieser Anfrage war der Kläger unterrichtet worden. Dass das Innenministerium zuvor das Kultusministerium gem. § 16 LDSG fernmündlich über die Aktivitäten des Klägers in der AI HD bzw. der dortigen autonomen Szene unterrichtet hatte und dieses unter dem 22.07.2003 eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet hatte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der später gewonnenen Erkenntnisse. Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass er selbst zu den ihm angelasteten Aktivitäten mit der Folge Stellung genommen hat, dass der Beklagte von seiner Darstellung ausgegangen ist. Ein streitiger Sachverhalt, bei dem den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz maßgebliche Bedeutung zukäme, ist danach nicht gegeben.
49 
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die u.a. Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Daraus, dass er als Aktivist für die autonome Szene in Heidelberg und Umgebung vielfach in Erscheinung getreten sei, könne in Verbindung mit seiner Einlassung bei der Anhörung mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass er sich mit den Zielsetzungen dieser Szene identifiziere. Die vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnisse seien jedenfalls in ihrer Gesamtheit von hinreichendem Gewicht, wobei der zum Vorschein gekommenen Gewaltbereitschaft (Nr. 3, 4 und 9) sowie den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Nr. 9, 13 und 17) besondere Bedeutung zukämen. Lehrer in öffentlichen Schulen könne nicht sein, wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei und sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle. Der Senat teilt die letztgenannte Rechtsauffassung. Indes kann bereits ein aktives Einsetzen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und hat außer Acht gelassen, dass er das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt hat.
50 
Dies gilt zunächst, soweit er eine zum Vorschein gekommene Gewaltbereitschaft des Klägers konstatiert hat. Denn den dafür zum Beleg angeführten Vorfällen Nr. 3, 4 und 9 lässt sich dafür nichts entnehmen. Bei der Aktion am 23.03.1997 in Laudenbach (Nr. 3) war der Kläger als Fotoreporter für die Heidelberger Rundschau anwesend. Bei der Personalienfeststellung durch die Polizei kam es durch einen Beamten zum Schusswaffeneinsatz. Der Kläger hat deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und der Polizei später Beweisfotos zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sind auch seine Personalien aufgenommen worden. Eine Gewaltbereitschaft ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass er am 01.02.1999 an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 an die Stadt Heidelberg teilgenommen hat (Nr. 4). Als Vertreter des Trägervereins hat er sich bei der offiziellen Übergabe innerhalb des Gebäudes und nicht außerhalb in der protestierenden Menge befunden. Von Stein- und Flaschenwürfen hat er nichts mitbekommen. Als er später davon erfahren hat, hat er dies, wie sich aus dem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung vom 02.02.1999 ergibt, verurteilt. Eine Gewaltbereitschaft folgt schließlich nicht ansatzweise daraus, dass die Anwesenheit des Klägers im Zusammenhang mit der „Partybesetzung“ eines leer stehenden Gebäudes im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg am 06.02.2000 festgestellt worden ist (Nr. 9). Der Kläger hat sich auf Bitten der Einsatzleitung der Polizei bereit erklärt, die Kommunikation zwischen der Polizei und den Besatzern zu gewährleisten. Er hat sich ausdrücklich versichert, dass sein Betreten des Geländes von der Polizei gebilligt wurde; ein Platzverweis ist gegen ihn nicht ausgesprochen worden.
51 
Auch von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz kann insoweit nicht die Rede sein. Dass der Kläger bei der Demonstration „Gegen den Irakkrieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden konnte (Nr. 17), stellt schon von vornherein keinen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar. Der Beklagte führt aus, dass zu dieser Demonstration diverse demokratische Organisationen aufgerufen hätten. Dass sich auch das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ an dem Aufruf beteiligt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit sich nach der vom Kläger angemeldeten Demonstration am 20.01.2001 (Nr. 13) eine spontane Demonstration durch die Fußgängerzone in Heidelberg formiert hat. Der Kläger hat in der Folge einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Ihm wurde vorgeworfen, die Kundgebung nicht vernehmlich genug aufgelöst zu haben. Nachdem in der folgenden Verhandlung die Zeugenaussagen widersprüchlich geblieben waren, wurde das Verfahren auf Anregung des Gerichts gegen die Zahlung von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Ein im vorliegenden Verfahren bedeutsamer Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verbleibt danach nicht.
52 
Auch die weiter angeführten Vorfälle ergeben nichts für das dem Kläger unterstellte aktive Eintreten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind nicht geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.
53 
Der Beklagte hat zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes (01.02.2001 bis 24.07.2002) nicht hinreichend ermittelt oder jedenfalls bei seiner Abwägung nicht gewürdigt. Er hat damit einen für seine Prognose grundsätzlich (vgl. BVerfGE 39, 334, 356) besonders bedeutsamen Zeitabschnitt außer Acht gelassen und ist insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Hat ein Bewerber, wie hier, bereits einen Vorbereitungsdienst abgeleistet, während dessen der Dienstherr sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über ihn machen konnte, so ist das Verhalten des Bewerbers während dieses Zeitraums jedenfalls eingehend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506; vgl. auch Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 49.78 -, DÖD 1982, 24).
54 
Der Beklagte hat mithin bei seiner dem Kläger ungünstigen Prognose wesentliche Beurteilungselemente außer Acht gelassen und ist von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Zweifel des Dienstherrn an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers keinen Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung erfordern und der Dienstherr sich darauf beschränken darf, die festgestellten äußeren Verhaltensweisen des Klägers seinem Urteil zugrunde zu legen und hieraus im Weg wertender Schlussfolgerung auf eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende, mit der künftigen beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbare Motivation zu schließen.
55 
Auch wenn der Beklagte die Führung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes zwar als tadelsfrei ermittelt und in seine Abwägung einbezogen hätte, ihr aber gegenüber den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätte, so hätte er damit gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Falle, da die angegriffenen Bescheide nichts über die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten aussagen, das Berufungsvorbringen des Beklagten zugrunde zu legen. Dieses lässt nicht erkennen, dass der Beklagte dem Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes das Gewicht beigemessen hat, das ihm nach den oben dargelegten Bewertungsgrundsätzen zukommen muss. Der Beklagte hat auch nicht berücksichtigt, dass seit den letzten dem Kläger angelasteten Aktivitäten bei Erlass des Widerspruchsbescheides nahezu ein Jahr verstrichen war, was für die Prognose über künftiges verfassungstreues Verhalten ihre Aussagekraft, falls sie inzwischen keine Fortsetzung durch gleichgerichtete Aktivitäten gefunden hatten, bereits minderte. Hinzu kommt, dass es sich bei sämtlichen jüngeren Aktivitäten, insbesondere denjenigen nach der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes, um Verhaltensweisen handelt, denen der Beklagte im Hinblick auf die von ihm anzustellende Prognose schon deshalb kein maßgebendes Gewicht beimessen durfte, weil sie sich zumindest auch auf mit der Verfassungsordnung vereinbare Ziele bezogen und auch in der Art der Durchführung ersichtlich von der Verfassung gedeckt waren (zum Eintreten gegen den Irak-Krieg vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -, NJW 2006, 77; zum antifaschistischen Engagement vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147: „In der Tat will das Grundgesetz nationalsozialistische Bestrebungen abwehren. Zugleich schafft es rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats“). Dies hat der Beklagte hingegen ebenso wenig ausreichend beachtet wie den für den Kläger sprechenden Umstand, dass er bei dem letzten ihm zur Last gelegten Vorfall am 28.12.2003 (Nr. 20), bei dem er als Fotograf anwesend war, auf Bitten der Polizei deeskalierend eingegriffen und den Kontakt mit den Kundgebungsteilnehmern hergestellt hat. Dass dieses Verhalten des Klägers kein Einzelfall war, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
56 
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des Beklagten auch im Übrigen den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht wird. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass der Beklagte von einem Bekenntnis des Klägers zu den verfassungsfeindlichen Zielen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg - für verfassungsfeindliche Zielsetzungen der autonomen Szene Heidelberg, die der Beklagte ebenfalls angesprochen hat, fehlt es an gewichtigen Erkenntnissen - ausgegangen ist. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die AI HD Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere. Unabhängig von der Frage, ob dies durch die wiedergegebenen Äußerungen hinreichend belegt wird, lässt der Beklagte unberücksichtigt, dass der Kläger in seiner (im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen) Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt hat. Dies wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass er sich gleichzeitig zur Militanz bekannt hat. Denn er hat dies dahingehend näher erläutert, dass Militanz für ihn eine entschlossene, widerständische Haltung bedeute, die nicht vor Konfrontationen zurückschrecke. Diese Auffassung hat der Kläger an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführten, halte er es nicht für sinnvoll, Kilometer weit davon entfernt sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht seien. Dieses Verständnis des Begriffs „Militanz“ (vgl. auch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl., militant: kämpferisch) kann - zumal im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verurteilung von Gewalt, für die ein Gegenbeispiel in Wort oder Tat in der Person des Klägers nicht erkennbar ist - nicht mit einem Bekenntnis zur Gewalt gleichgesetzt werden. Hier sind auch die grundrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen, die es gebieten, dass eine Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen ist es erforderlich, sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe anzugeben (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 u.a. -, BVerfGE 102, 347, m.w.N.).
57 
Der Beklagte hat zwar zu Recht nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der AI HD abgestellt. Aber auch die Annahme eines herausragenden Engagement für die AI HD ist nicht gerechtfertigt. Für die AI HD hat der Kläger bei der Kundgebung am 16.11.2003 (Nr. 19) die Namen der gefallenen Widerstandskämpfer verlesen. Soweit ihm auch angelastet wird, Demonstrationen angemeldet zu haben (Nr. 5 und 13), ist schon nicht erkennbar, dass er dies im Namen und Auftrag der AI HD getan hat. Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AI HD nicht die Rede sein, so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Der Senat bemerkt indes, dass es sich bei der AI HD nicht um eine festgefügte, auf ein bestimmtes Programm eindeutig festgelegte Gruppierung handelt (und ebenso wenig um eine Gruppierung, die ihre Mitglieder auf ein Parteiprogramm verpflichtet; vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 09.06.1981 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.), sondern - wie sich aus ihrer Selbstdarstellung ergibt und durch die Angaben des Klägers belegt wird - um einen Zusammenschluss von Menschen unterschiedlichster Couleur. Der Kläger hat dazu erklärt, dass der Text „Wir über uns!“ eine Art Plattform darstelle, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisierten, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes seien daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erführen sie in der Praxis der AI HD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Die Art und Weise, wie die AI HD ihre Entscheidungen gestalte, sei basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaftsordnung dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, sei ausdrücklich nicht die Rede. Die AI HD wende sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text sei ausdrücklich von parteiunabhängiger Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lasse, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollten. Auch mit diesen Angaben des Klägers hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt. Auch hat er nicht hinreichend in den Blick genommen, dass für die Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation - zumal einer lokalen Organisation mit fehlender Organisationsstruktur - eindeutige Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Hier aber hat der Beklagte insbesondere einzelne Äußerungen - nicht des Klägers - in Publikationen und auf Veranstaltungen angeführt, die schon das Merkmal der Evidenz und Dichte nicht erfüllen dürften. Abgesehen davon sind insoweit auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Inhalte einer auf einer Versammlung geäußerten Meinung zu berücksichtigen und die Grundsätze der Einschränkungsmöglichkeit des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten. Die Bürger, die nicht wie Beamte Einschränkungen aus Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen, sind in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Eine Grenze besteht nach Art. 5 Abs. 2 GG, soweit Meinungsäußerungen auf verfassungsgemäße Weise rechtlich verboten, insbesondere unter Strafe gestellt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, NVwZ 2006, 585, m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen, die auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweisen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000, a.a.O.).
58 
Der Beklagte hat nach alledem eine neue, selbständige, maßgebend auf die Person des Klägers bezogene Abwägung auf der Grundlage des derzeitigen Gesamtbildes vorzunehmen, bei der auch dem jüngeren Verhalten ein höheres Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.). Dabei wird der Beklagte auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger im Jahre 2004 wegen seines Engagements in der offenen Kultur- und Jugendarbeit zur Verleihung der Bürgerplakette der Stadt Heidelberg vorgeschlagen war und die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg diesem Vorschlag zugestimmt hatte.
59 
Der Berufung war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob die angegriffenen Bescheide des Beklagten im vorliegenden Fall auch gegen europa- bzw. völkerrechtliche Bestimmungen verstoßen.
60 
Auch eine Beweiserhebung war danach nicht geboten. Soweit der Kläger Zeugenbeweis beantragt hat (Beweisanträge I - III), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es war auch kein Sachverständigengutachten dazu einzuholen (Beweisantrag IV), dass es in Staat und Gesellschaft Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, deren Benennung und Bekämpfung daher keine Diffamierung des Staates darstellt. Abgesehen davon, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte Bewertung dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich und der Beweisantrag auch inhaltlich bereits zu unbestimmt ist, ist er, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung wird auch mit dem Beweisantrag V dargetan, dem zudem ebenfalls wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen war. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Akten des Innenministeriums zum vorliegenden Fall beizuziehen (Beweisantrag VI). Ob sie Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers von dort aus veranlasst worden ist, ist unerheblich. Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen (Beweisantrag VII), eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage einzuholen, wie der in der Richtlinie 2000/78/EG verwendete Begriff „Weltanschauung“ zu verstehen ist. Auch darauf kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
63 
Beschluss
vom 13. März 2007
64 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25.483,77 EUR festgesetzt.
65 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat zwar keinen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe, wohl aber einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag.
35 
Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Prognose über die Verfassungstreue unterfällt seinem Beurteilungsspielraum. Während für die Frage der Beurteilung der Verfassungstreue hier die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgebend ist, hat der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums die Eignung für das angestrebte Amt bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Damit aber sind für den Dienstherrn auch Umstände von Bedeutung, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren und die er zunächst in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2006 - 6 A 77/04 -, Juris) und im Übrigen auch mit Blick auf den dem Dienstherrn weiterhin zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. die Ausführungen unten) ausscheiden.
36 
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Danach darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung, die für jedes Beamtenverhältnis gilt. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG und entsprechender Vorschriften verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176, und Urteil vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00 u.a. -, BVerwGE 114, 258).
37 
Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Dies ist die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Zu den grundlegenden, sogar einer Verfassungsänderung entzogenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates, denen der Beamte verpflichtet ist, sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und muss es sein. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Staat und Gesellschaft können an einer unkritischen Beamtenschaft kein Interesse haben (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
38 
Der Beamte muss danach bei seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen, z.B. als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1243/95 u.a. -, BVerfGE 96, 152). Die Verfassungstreuepflicht verlangt ferner, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren und dass er in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen innerhalb und außerhalb des Dienstes für den Staat Partei ergreift. Ein Beamter, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt - unabhängig von seinen Motiven - seine Treuepflicht nicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
39 
Der verfassungsrechtliche Inhalt der politischen Treuepflicht des Beamten wird nicht beeinflusst von dem Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf - Übereinkommen 111 - vom 25.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 98), dem der Bundesgesetzgeber durch Gesetz vom 08.03.1961 (BGBl. II 1961 S. 97) zugestimmt hat, sowie dem Ausschussbericht von 1986 zur Prüfung der Einhaltung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland - Untersuchungsbericht -. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, haben das Übereinkommen 111 und der Untersuchungsbericht nur an die Bundesregierung gerichtete Empfehlungen, nicht jedoch das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Bestimmungen zum Inhalt; sie begründen keine subjektiven Rechte für den Einzelnen und können die Verfassungsrang genießende politische Treuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht erweitern oder einschränken (BVerwG, Urteil vom 10.05.1984 - 1 D 7.83 - BVerwGE 76, 157; Urteil vom 16.09.1987 - 1 D 122.86 -, ZBR 1988, 281; Urteil vom 01.02.1989 - 1 D 2.86 -, BVerwGE 86, 99). Dies bedeutet zugleich, dass es dem Senat verwehrt ist, insoweit bei der Rechtsauslegung als völkerrechtliche Vorgabe das Übereinkommen 111 und die Empfehlungen des Untersuchungsberichts zugrunde zu legen. Dem steht letztlich die vorrangige Norm des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, aus dem nach der insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die politische Treuepflicht der Beamten herzuleiten ist (BVerfGE 39, 334, 346 ff.) mit der weiteren Folge, dass, wie es ebenfalls dieser Rechtsprechung entspricht (a.a.O. S. 355), auch eine im Untersuchungsbericht empfohlene Differenzierung in den Anforderungen an die politische Treuepflicht, die sich nach der jeweiligen dienstlichen Funktion des Beamten richten würde, insoweit grundsätzlich nicht zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 01.02.1989, a.a.O.; Urteil vom 20.01.1987 - 1 D 114.85 -, NJW 1987, 2691; vgl. dazu auch die Ausführungen unten).
40 
Eine andere Beurteilung der politischen Treuepflicht gebietet auch nicht die Auslegung der Art. 10 und 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK - BGBl. 1952 II S. 685, 953) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 26.09.1995 (- 7/1994/454/535 -, NJW 1996, 375; Vogt / Bundesrepublik Deutschland). Danach kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Einzelfall gegen das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und - in Abhängigkeit davon - gegen die in Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit verstoßen, wenn die Maßnahme zur Gewährleistung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgeführten Zwecke - unter Berücksichtigung des staatlichen Beurteilungsspielraumes - in keinem angemessenen Verhältnis steht, mithin in einer demokratischen Gesellschaft nicht zwingend notwendig ist. Der EGMR hat in den Urteilsgründen jedoch ausdrücklich bestätigt, dass die Meinungsfreiheit durch gesetzliche Vorschriften, die die politische Treuepflicht des Beamten statuieren, in Verbindung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Nichts anders gilt danach auch, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass auch Art. 10 und 11 der EU-Grundrechtecharta (vgl. dazu allgemein Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - die nicht in Kraft ist - und Art. 5 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Darüber hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch ebenso wie durch die Richtlinie 2000/78/EG, die durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897) umgesetzt worden ist, nicht begründet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (§ 8 Abs. 1 AGG) vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal - wie hier - aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
41 
„Gewähr bieten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen. Da bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen eines Bewerbers stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers - etwa die Identifizierung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechenden Zielsetzungen einer Partei, die unter Umständen die Zweifel an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers sogar zur Gewissheit werden lassen - sind in der Regel nicht erforderlich. Die Feststellung einer im Einzelfall wesentlichen tatsächlichen subjektiven Einstellung (z.B. Nichtidentifizierung mit den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufenden Zielsetzungen einer Organisation, Distanzierung von der Verfassungsordnung widerstreitenden Bestrebungen und die Motivation für das bisherige Verhalten) kann aber insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob aus den festgestellten Fakten vom Dienstherrn hergeleitete Zweifel an der künftigen Verfassungstreue des Beamtenbewerbers zerstreut werden können, von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
42 
Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Erst wenn diese Schwelle überschritten ist, setzt die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ein (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506, und die Ausführungen unten). Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus (BVerfGE 39, 334, 335, 359; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980, a.a.O., vom 31.01.1980 - 2 C 5.78 -, NJW 1980, 2145, und vom 22.04.1977 - VII C 17.74 -, BVerwGE 52, 313). Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis des Beamtenbewerbers zu den mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Zielen einer extremistischen politischen Partei linker oder rechter Prägung - unabhängig von der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts - bedeutsam sein, insbesondere wenn der Parteibeitritt aufgrund freier Willensentschließung erfolgt ist und zu politischen Aktivitäten für die Ziele der Partei verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein schematisches Anknüpfen rechtserheblicher Zweifel an die Feststellung bestimmter Verhaltensweisen ist nicht zulässig (BVerfGE 39, 334, 354 f.). Die Frage, ob der Beamtenbewerber nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gründet sich auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Beurteilungselementen und ist weitgehend Tatfrage (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
43 
Dabei ist für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue auch von Bedeutung, ob jemand erstmals in das Beamtenverhältnis berufen werden soll oder sich schon einmal im Beamtenverhältnis befand. Bei einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, wie vorliegend bei der erstrebten Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, besteht bereits eine breitere Entscheidungsgrundlage. Hier ist neben den bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis liegenden Umständen das Verhalten im Beamtenverhältnis zu beachten. Durch das weitere Verhalten im Beamtenverhältnis können früher zu Tage getretene Bedenken bekräftigt oder zerstreut werden (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 9 S. 41 f.).
44 
Aufgrund des sonach festgestellten Sachverhalts hat der Dienstherr zu prüfen, ob der Beamtenbewerber die geforderte Gewähr der Verfassungstreue bietet (BVerfGE 39, 334, 353; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.). Seine Überzeugung ist maßgebend. Ihr liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers in Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst feststellen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich - was das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend beachtet hat - darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.). Dabei sind die Grenzen für die einzelnen Ansatzpunkte der verwaltungsgerichtlichen Prüfung angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Sachverhalte fließend.
45 
Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Dienstherr hat im jeweiligen Einzelfall nach Ermittlung der für und gegen ihn sprechenden Umstände die Persönlichkeit des Bewerbers umfassend zu würdigen, wobei eine sachgerechte Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist der Dienstherr, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, auch gehalten, das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht - wie ausgeführt - im Beschluss vom 22.05.1975 hervorgehoben hat, die Treuepflicht des Beamten sei einer Differenzierung nach Art der dienstlichen Obliegenheiten nicht zugänglich. Verfassungstreue im Sinne der Fähigkeit und inneren Bereitschaft, „die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten“ (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140, 151, und Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2312), verweist auf eine Grundvoraussetzung des Eignungskriteriums im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Jedenfalls insoweit handelt es sich um eine (nach unten) differenzierungsresistente Größe. Mit anderen Worten: Unabhängig von dem wahrzunehmenden öffentlichen Amt sowie der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses umschreibt eine solche „Verfassungstreue“ ein notwendiges Element des persönlichen Anforderungsprofils. Arbeiter und Angestellte sind insoweit nicht weniger eingebunden als Beamte. Indes ergeben sich im Prozess der (prognostischen) Bewertung durch die Einstellungsbehörde, ob ein Bewerber das erforderliche Maß an Verfassungstreue besitzt oder nicht, mit Blick darauf Differenzierungsmöglichkeiten, dass ein Korrespondenzverhältnis zwischen der „Verfassungstreuegeprägtheit“ eines Amtes und den Anforderungen an den Nachweis einer entsprechenden Fähigkeit und Bereitschaft eines Bewerbers (bzw. der Zweifel hieran) besteht (Höfling, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, RdNrn. 155 ff.: „Die Einstellung eines Sachbearbeiters eines kommunalen Friedhofsamtes erfordert eine andere Prognosesicherheit hinsichtlich seiner Verfassungstreue als diejenige über den zukünftigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“). In gleicher Weise kann auch der Status des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses Berücksichtigung finden. Dazu hat bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfGE 39, 334, 356): „Wer als Berufsziel den Staatsdienst im Auge hat, nähert sich diesem Dienst in drei „Stufen“: er studiert, er erwirbt die jeweils erforderliche Vorbildung - für den höheren Dienst durch Absolvierung des Vorbereitungsdienstes -, er wird als Beamter auf Probe übernommen. In der zweiten und dritten Stufe hat der Dienstvorgesetzte Gelegenheit, den Bewerber intensiv kennenzulernen, ihn zu beobachten und sich schließlich ein Urteil über seine Persönlichkeit zu bilden. Hier, wo die Verwaltung unmittelbar sich ein zuverlässiges Bild über den Anwärter machen kann, muss der Schwerpunkt liegen für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht. Das bedeutet aber, dass für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst eine gewissermaßen „vorläufige“ Beurteilung ausreicht….“. Das so verstandene Differenzierungsgebot hat der Dienstherr auch bei der Frage der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.
46 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die für Verpflichtungsklagen (und Neubescheidungsklagen) vielfach angeführte „Regel“, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, gilt nicht uneingeschränkt. Aus dem materiellen Recht können sich Abweichungen ergeben. Das ist auch hier der Fall. Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
47 
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Beklagte seiner Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ausdrücklich erklärt hat, es gehe von der Darstellung des Klägers aus, soweit seine Erklärungen zu den ihm angelasteten Vorfällen von den Erkenntnissen des Innenministeriums abwichen, hat auch der Senat von dem so festgestellten Sachverhalt auszugehen.
48 
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 07.08.2006 geltend macht, der Datenschutz sei in doppelter Hinsicht nicht beachtet worden, was zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen müsse. Der Landesbeauftragte für Datenschutz führt aus, dass zwar eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz datenschutzrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen sei, jedoch habe die Anfrage des Kultusministeriums an das Innenministerium vom 22.07.2003 hinsichtlich der anfragenden Stelle und der Unterrichtung des Petenten nicht den Vorgaben der Nr. 12 zu § 6 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG) vom 18.07.2003 (GABl. S. 502) entsprochen. Unabhängig davon, dass die Verwaltungsvorschrift zum Zeitpunkt der bezeichneten Anfrage noch nicht in Kraft getreten war (sie trat - erst - am Tag nach der Veröffentlichung am 27.08.2003 in Kraft), ist zu berücksichtigen, dass dem vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 die unter dem 05.02.2004 mitgeteilten Erkenntnisse zugrunde lagen, die durch das Innenministerium auf eine Anfrage des Oberschulamts Karlsruhe über das Kultusministerium vom 08.01.2004 übermittelt worden waren; von dieser Anfrage war der Kläger unterrichtet worden. Dass das Innenministerium zuvor das Kultusministerium gem. § 16 LDSG fernmündlich über die Aktivitäten des Klägers in der AI HD bzw. der dortigen autonomen Szene unterrichtet hatte und dieses unter dem 22.07.2003 eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet hatte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der später gewonnenen Erkenntnisse. Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass er selbst zu den ihm angelasteten Aktivitäten mit der Folge Stellung genommen hat, dass der Beklagte von seiner Darstellung ausgegangen ist. Ein streitiger Sachverhalt, bei dem den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz maßgebliche Bedeutung zukäme, ist danach nicht gegeben.
49 
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die u.a. Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Daraus, dass er als Aktivist für die autonome Szene in Heidelberg und Umgebung vielfach in Erscheinung getreten sei, könne in Verbindung mit seiner Einlassung bei der Anhörung mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass er sich mit den Zielsetzungen dieser Szene identifiziere. Die vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnisse seien jedenfalls in ihrer Gesamtheit von hinreichendem Gewicht, wobei der zum Vorschein gekommenen Gewaltbereitschaft (Nr. 3, 4 und 9) sowie den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Nr. 9, 13 und 17) besondere Bedeutung zukämen. Lehrer in öffentlichen Schulen könne nicht sein, wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei und sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle. Der Senat teilt die letztgenannte Rechtsauffassung. Indes kann bereits ein aktives Einsetzen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und hat außer Acht gelassen, dass er das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt hat.
50 
Dies gilt zunächst, soweit er eine zum Vorschein gekommene Gewaltbereitschaft des Klägers konstatiert hat. Denn den dafür zum Beleg angeführten Vorfällen Nr. 3, 4 und 9 lässt sich dafür nichts entnehmen. Bei der Aktion am 23.03.1997 in Laudenbach (Nr. 3) war der Kläger als Fotoreporter für die Heidelberger Rundschau anwesend. Bei der Personalienfeststellung durch die Polizei kam es durch einen Beamten zum Schusswaffeneinsatz. Der Kläger hat deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und der Polizei später Beweisfotos zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sind auch seine Personalien aufgenommen worden. Eine Gewaltbereitschaft ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass er am 01.02.1999 an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 an die Stadt Heidelberg teilgenommen hat (Nr. 4). Als Vertreter des Trägervereins hat er sich bei der offiziellen Übergabe innerhalb des Gebäudes und nicht außerhalb in der protestierenden Menge befunden. Von Stein- und Flaschenwürfen hat er nichts mitbekommen. Als er später davon erfahren hat, hat er dies, wie sich aus dem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung vom 02.02.1999 ergibt, verurteilt. Eine Gewaltbereitschaft folgt schließlich nicht ansatzweise daraus, dass die Anwesenheit des Klägers im Zusammenhang mit der „Partybesetzung“ eines leer stehenden Gebäudes im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg am 06.02.2000 festgestellt worden ist (Nr. 9). Der Kläger hat sich auf Bitten der Einsatzleitung der Polizei bereit erklärt, die Kommunikation zwischen der Polizei und den Besatzern zu gewährleisten. Er hat sich ausdrücklich versichert, dass sein Betreten des Geländes von der Polizei gebilligt wurde; ein Platzverweis ist gegen ihn nicht ausgesprochen worden.
51 
Auch von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz kann insoweit nicht die Rede sein. Dass der Kläger bei der Demonstration „Gegen den Irakkrieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden konnte (Nr. 17), stellt schon von vornherein keinen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar. Der Beklagte führt aus, dass zu dieser Demonstration diverse demokratische Organisationen aufgerufen hätten. Dass sich auch das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ an dem Aufruf beteiligt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit sich nach der vom Kläger angemeldeten Demonstration am 20.01.2001 (Nr. 13) eine spontane Demonstration durch die Fußgängerzone in Heidelberg formiert hat. Der Kläger hat in der Folge einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Ihm wurde vorgeworfen, die Kundgebung nicht vernehmlich genug aufgelöst zu haben. Nachdem in der folgenden Verhandlung die Zeugenaussagen widersprüchlich geblieben waren, wurde das Verfahren auf Anregung des Gerichts gegen die Zahlung von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Ein im vorliegenden Verfahren bedeutsamer Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verbleibt danach nicht.
52 
Auch die weiter angeführten Vorfälle ergeben nichts für das dem Kläger unterstellte aktive Eintreten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind nicht geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.
53 
Der Beklagte hat zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes (01.02.2001 bis 24.07.2002) nicht hinreichend ermittelt oder jedenfalls bei seiner Abwägung nicht gewürdigt. Er hat damit einen für seine Prognose grundsätzlich (vgl. BVerfGE 39, 334, 356) besonders bedeutsamen Zeitabschnitt außer Acht gelassen und ist insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Hat ein Bewerber, wie hier, bereits einen Vorbereitungsdienst abgeleistet, während dessen der Dienstherr sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über ihn machen konnte, so ist das Verhalten des Bewerbers während dieses Zeitraums jedenfalls eingehend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506; vgl. auch Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 49.78 -, DÖD 1982, 24).
54 
Der Beklagte hat mithin bei seiner dem Kläger ungünstigen Prognose wesentliche Beurteilungselemente außer Acht gelassen und ist von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Zweifel des Dienstherrn an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers keinen Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung erfordern und der Dienstherr sich darauf beschränken darf, die festgestellten äußeren Verhaltensweisen des Klägers seinem Urteil zugrunde zu legen und hieraus im Weg wertender Schlussfolgerung auf eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende, mit der künftigen beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbare Motivation zu schließen.
55 
Auch wenn der Beklagte die Führung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes zwar als tadelsfrei ermittelt und in seine Abwägung einbezogen hätte, ihr aber gegenüber den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätte, so hätte er damit gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Falle, da die angegriffenen Bescheide nichts über die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten aussagen, das Berufungsvorbringen des Beklagten zugrunde zu legen. Dieses lässt nicht erkennen, dass der Beklagte dem Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes das Gewicht beigemessen hat, das ihm nach den oben dargelegten Bewertungsgrundsätzen zukommen muss. Der Beklagte hat auch nicht berücksichtigt, dass seit den letzten dem Kläger angelasteten Aktivitäten bei Erlass des Widerspruchsbescheides nahezu ein Jahr verstrichen war, was für die Prognose über künftiges verfassungstreues Verhalten ihre Aussagekraft, falls sie inzwischen keine Fortsetzung durch gleichgerichtete Aktivitäten gefunden hatten, bereits minderte. Hinzu kommt, dass es sich bei sämtlichen jüngeren Aktivitäten, insbesondere denjenigen nach der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes, um Verhaltensweisen handelt, denen der Beklagte im Hinblick auf die von ihm anzustellende Prognose schon deshalb kein maßgebendes Gewicht beimessen durfte, weil sie sich zumindest auch auf mit der Verfassungsordnung vereinbare Ziele bezogen und auch in der Art der Durchführung ersichtlich von der Verfassung gedeckt waren (zum Eintreten gegen den Irak-Krieg vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -, NJW 2006, 77; zum antifaschistischen Engagement vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147: „In der Tat will das Grundgesetz nationalsozialistische Bestrebungen abwehren. Zugleich schafft es rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats“). Dies hat der Beklagte hingegen ebenso wenig ausreichend beachtet wie den für den Kläger sprechenden Umstand, dass er bei dem letzten ihm zur Last gelegten Vorfall am 28.12.2003 (Nr. 20), bei dem er als Fotograf anwesend war, auf Bitten der Polizei deeskalierend eingegriffen und den Kontakt mit den Kundgebungsteilnehmern hergestellt hat. Dass dieses Verhalten des Klägers kein Einzelfall war, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
56 
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des Beklagten auch im Übrigen den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht wird. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass der Beklagte von einem Bekenntnis des Klägers zu den verfassungsfeindlichen Zielen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg - für verfassungsfeindliche Zielsetzungen der autonomen Szene Heidelberg, die der Beklagte ebenfalls angesprochen hat, fehlt es an gewichtigen Erkenntnissen - ausgegangen ist. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die AI HD Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere. Unabhängig von der Frage, ob dies durch die wiedergegebenen Äußerungen hinreichend belegt wird, lässt der Beklagte unberücksichtigt, dass der Kläger in seiner (im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen) Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt hat. Dies wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass er sich gleichzeitig zur Militanz bekannt hat. Denn er hat dies dahingehend näher erläutert, dass Militanz für ihn eine entschlossene, widerständische Haltung bedeute, die nicht vor Konfrontationen zurückschrecke. Diese Auffassung hat der Kläger an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführten, halte er es nicht für sinnvoll, Kilometer weit davon entfernt sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht seien. Dieses Verständnis des Begriffs „Militanz“ (vgl. auch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl., militant: kämpferisch) kann - zumal im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verurteilung von Gewalt, für die ein Gegenbeispiel in Wort oder Tat in der Person des Klägers nicht erkennbar ist - nicht mit einem Bekenntnis zur Gewalt gleichgesetzt werden. Hier sind auch die grundrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen, die es gebieten, dass eine Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen ist es erforderlich, sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe anzugeben (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 u.a. -, BVerfGE 102, 347, m.w.N.).
57 
Der Beklagte hat zwar zu Recht nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der AI HD abgestellt. Aber auch die Annahme eines herausragenden Engagement für die AI HD ist nicht gerechtfertigt. Für die AI HD hat der Kläger bei der Kundgebung am 16.11.2003 (Nr. 19) die Namen der gefallenen Widerstandskämpfer verlesen. Soweit ihm auch angelastet wird, Demonstrationen angemeldet zu haben (Nr. 5 und 13), ist schon nicht erkennbar, dass er dies im Namen und Auftrag der AI HD getan hat. Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AI HD nicht die Rede sein, so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Der Senat bemerkt indes, dass es sich bei der AI HD nicht um eine festgefügte, auf ein bestimmtes Programm eindeutig festgelegte Gruppierung handelt (und ebenso wenig um eine Gruppierung, die ihre Mitglieder auf ein Parteiprogramm verpflichtet; vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 09.06.1981 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.), sondern - wie sich aus ihrer Selbstdarstellung ergibt und durch die Angaben des Klägers belegt wird - um einen Zusammenschluss von Menschen unterschiedlichster Couleur. Der Kläger hat dazu erklärt, dass der Text „Wir über uns!“ eine Art Plattform darstelle, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisierten, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes seien daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erführen sie in der Praxis der AI HD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Die Art und Weise, wie die AI HD ihre Entscheidungen gestalte, sei basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaftsordnung dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, sei ausdrücklich nicht die Rede. Die AI HD wende sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text sei ausdrücklich von parteiunabhängiger Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lasse, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollten. Auch mit diesen Angaben des Klägers hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt. Auch hat er nicht hinreichend in den Blick genommen, dass für die Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation - zumal einer lokalen Organisation mit fehlender Organisationsstruktur - eindeutige Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Hier aber hat der Beklagte insbesondere einzelne Äußerungen - nicht des Klägers - in Publikationen und auf Veranstaltungen angeführt, die schon das Merkmal der Evidenz und Dichte nicht erfüllen dürften. Abgesehen davon sind insoweit auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Inhalte einer auf einer Versammlung geäußerten Meinung zu berücksichtigen und die Grundsätze der Einschränkungsmöglichkeit des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten. Die Bürger, die nicht wie Beamte Einschränkungen aus Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen, sind in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Eine Grenze besteht nach Art. 5 Abs. 2 GG, soweit Meinungsäußerungen auf verfassungsgemäße Weise rechtlich verboten, insbesondere unter Strafe gestellt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, NVwZ 2006, 585, m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen, die auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweisen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000, a.a.O.).
58 
Der Beklagte hat nach alledem eine neue, selbständige, maßgebend auf die Person des Klägers bezogene Abwägung auf der Grundlage des derzeitigen Gesamtbildes vorzunehmen, bei der auch dem jüngeren Verhalten ein höheres Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.). Dabei wird der Beklagte auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger im Jahre 2004 wegen seines Engagements in der offenen Kultur- und Jugendarbeit zur Verleihung der Bürgerplakette der Stadt Heidelberg vorgeschlagen war und die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg diesem Vorschlag zugestimmt hatte.
59 
Der Berufung war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob die angegriffenen Bescheide des Beklagten im vorliegenden Fall auch gegen europa- bzw. völkerrechtliche Bestimmungen verstoßen.
60 
Auch eine Beweiserhebung war danach nicht geboten. Soweit der Kläger Zeugenbeweis beantragt hat (Beweisanträge I - III), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es war auch kein Sachverständigengutachten dazu einzuholen (Beweisantrag IV), dass es in Staat und Gesellschaft Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, deren Benennung und Bekämpfung daher keine Diffamierung des Staates darstellt. Abgesehen davon, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte Bewertung dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich und der Beweisantrag auch inhaltlich bereits zu unbestimmt ist, ist er, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung wird auch mit dem Beweisantrag V dargetan, dem zudem ebenfalls wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen war. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Akten des Innenministeriums zum vorliegenden Fall beizuziehen (Beweisantrag VI). Ob sie Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers von dort aus veranlasst worden ist, ist unerheblich. Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen (Beweisantrag VII), eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage einzuholen, wie der in der Richtlinie 2000/78/EG verwendete Begriff „Weltanschauung“ zu verstehen ist. Auch darauf kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
63 
Beschluss
vom 13. März 2007
64 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25.483,77 EUR festgesetzt.
65 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Tenor

1. a) § 1 Absatz 2 und § 2 Satz 1 Nummer 3 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz) vom 22. Dezember 2006 (Bundesgesetzblatt l Seite 3409) sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

b) § 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b hinsichtlich des Unterstützens einer unterstützenden Gruppierung und § 2 Satz 1 Nummer 2 des Antiterrordateigesetzes hinsichtlich des Merkmals "Befürworten" sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

c) § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 a des Antiterrordateigesetzes ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten im Trefferfall Zugriff auf Informationen gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 1 a des Antiterrordateigesetzes eröffnet wird.

d) § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 b und § 10 Absatz 1 des Antiterrordateigesetzes sind, soweit es an ergänzenden Regelungen nach Maßgabe der Gründe fehlt, mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

e) § 2 Satz 1 Nummer 2 und § 10 Absatz 1 des Antiterrordateigesetzes sind im Übrigen nach Maßgabe der Gründe verfassungskonform auszulegen.

2. § 2 Satz 1 Nummern 1 bis 3, § 3 Absatz 1 Nummer 1, § 5 Absatz 1 und 2 sowie § 6 Absatz 1 und 2 des Antiterrordateigesetzes sind mit Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie sich auf nicht gemäß § 4 des Antiterrordateigesetzes verdeckt gespeicherte Daten erstrecken, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren.

3. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014 gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit der Maßgabe fort, dass außerhalb des Eilfalls gemäß § 5 Absatz 2 des Antiterrordateigesetzes eine Nutzung der Antiterrordatei nur zulässig ist, sofern der Zugriff auf die Daten von Kontaktpersonen (§ 2 Satz 1 Nummer 3 des Antiterrordateigesetzes) und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen und gewährleistet ist, dass bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten im Trefferfall allein ein Zugang zu Informationen gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 3 des Antiterrordateigesetzes gewährt wird; sobald danach die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten von Kontaktpersonen und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen ist, dürfen diese auch für die Nutzung der Datei im Eilfall gemäß § 5 Absatz 2 des Antiterrordateigesetzes nicht mehr genutzt werden.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

5. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen aus dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

A.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Verfassungsmäßigkeit des Antiterrordateigesetzes.

I.

2

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das als Art. 1 des Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3409) erlassene Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz - ATDG). Das Antiterrordateigesetz wurde seit seinem Inkrafttreten am 31. Dezember 2006 nicht substanziell geändert. Bei sachgerechtem Verständnis des Beschwerdevorbringens wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen die §§ 1 bis 6 ATDG über die Speicherung und Verwendung von Daten; ausgenommen ist insoweit allerdings § 2 Satz 1 Nr. 4 ATDG. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen die diese Vorschriften flankierenden §§ 8 bis 12 ATDG, die insbesondere die datenschutzrechtliche Verantwortung und Kontrolle betreffen.

3

1. Durch das Antiterrordateigesetz wurde die Rechtsgrundlage für die Antiterrordatei, eine der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienende Verbunddatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder, geschaffen. Die Datei erleichtert und beschleunigt den Informationsaustausch zwischen den beteiligten Polizeibehörden und Nachrichtendiensten, indem bestimmte Erkenntnisse aus dem Zusammenhang der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, über die einzelne Behörden verfügen, für alle beteiligten Behörden schneller auffindbar und leichter zugänglich werden.

4

a) § 1 ATDG legt zum einen fest, dass die Antiterrordatei als gemeinsame standardisierte zentrale Datei beim Bundeskriminalamt geführt wird, und bestimmt zugleich die an ihr beteiligten Behörden. Nach § 1 Abs. 1 ATDG sind das Bundeskriminalamt, in Verbindung mit § 58 Abs. 1 BPolG, § 1 Abs. 3 Nr. 1 d BPolZV das Bundespolizeipräsidium, die Landeskriminalämter, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst und das Zollkriminalamt beteiligte Behörden. Neben diesen von Gesetzes wegen beteiligten Behörden können nach § 1 Abs. 2 ATDG in Verbindung mit § 12 Nr. 2 ATDG durch Errichtungsanordnung unter bestimmten Voraussetzungen weitere Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei beteiligt werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dies in erster Linie die Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes der Länder sein (BTDrucks 16/2950, S. 14). Ausweislich der Errichtungsanordnung mit Stand vom 4. Juni 2010 haben in drei Bundesländern polizeiliche Dienststellen unterhalb der Ebene der Landeskriminalämter Zugriff auf die Antiterrordatei.

5

b) In § 2 ATDG wird bestimmt, dass und in Bezug auf welche Personen oder Objekte Behörden verpflichtet sind, bereits erhobene Daten in der Antiterrordatei zu speichern. Voraussetzung einer Speicherung ist zunächst, dass polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Daten auf die in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ATDG genannten Personen oder Objekte beziehen und dass die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zu Deutschland erforderlich ist. Von der Speicherung betroffen sind nach Nr. 1 zunächst Personen, die Vereinigungen oder Gruppierungen des internationalen Terrorismus angehören oder in einer besonderen Nähe dazu stehen. Darüber hinaus sind nach Nr. 2 auch Einzelpersonen von der Speicherung betroffen, sofern sie rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden, unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen. Nr. 3 sieht schließlich auch die Speicherung der Daten von Kontaktpersonen zu den in Nr. 1 und 2 genannten Personen vor, sofern der Kontakt nicht nur flüchtiger oder zufälliger Art ist und durch sie Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu erwarten sind.

6

c) Welche Daten über die in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ATDG genannten Personen und Objekte zu speichern sind, ergibt sich aus § 3 Abs. 1 ATDG. Die Regelung differenziert dabei zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG aufgeführten Grunddaten (im Folgenden zur Verdeutlichung auch als einfache Grunddaten bezeichnet) und den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG aufgeführten erweiterten Grunddaten.

7

Die einfachen Grunddaten sind zu allen in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ATDG genannten Personengruppen zu speichern. Als solche Grunddaten definiert die Vorschrift verschiedene allgemeine Angaben zur Person, wie Anschriften, besondere körperliche Merkmale, Sprachen, Dialekte, Lichtbilder sowie die Bezeichnung der Fallgruppe nach § 2 ATDG. Demgegenüber verlangt § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG eine Speicherung der erweiterten Grunddaten nur zu den in § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ATDG genannten Personen sowie zu Kontaktpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie von terrorismusbezogenen Aktivitäten Kenntnis haben. Die erweiterten Grunddaten werden im Einzelnen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b aa bis rr ATDG aufgezählt. Dazu zählen unter anderem Angaben wie Telekommunikationsanschlüsse und Telekommunikationsendgeräte (aa), Bankverbindungen (bb), Volkszugehörigkeit (gg), Angaben zur Religionszugehörigkeit (hh), terrorismusrelevante Fähigkeiten (ii), Angaben zur Ausbildung (jj), Angaben zu Tätigkeiten in wichtigen Infrastruktureinrichtungen (kk), Angaben zu Gewaltbereitschaft (ll) oder zu besuchten Orten und Gebieten, die als Treffpunkt terrorismusverdächtiger Personen dienen (nn).

8

Nach der Gesetzesbegründung sollen die Daten, soweit der Art der Daten nach möglich, standardisiert gespeichert werden. Die Daten sollen also nicht freihändig, sondern durch Auswahl bestimmter systemseitig vorgegebener Angaben eingestellt werden. Diese Standardisierung soll die Recherchefähigkeit der Datei sichern und der Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis dienen (BTDrucks 16/2950, S. 17). Ein Korrektiv zur weitgehenden Standardisierung der gespeicherten Angaben bietet die durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG ermöglichte Eingabe besonderer Bemerkungen, ergänzender Hinweise und Bewertungen als Freitext.

9

Neben den Grunddaten und erweiterten Grunddaten sieht § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG Angaben zur einspeichernden Behörde und zu deren Aktenzeichen vor, wodurch die Kontaktaufnahme für den weiteren Informationsaustausch erleichtert werden soll.

10

Soweit besondere Geheimhaltungsinteressen oder schutzwürdige Interessen des Betroffenen dies erfordern, ermöglicht § 4 ATDG die beschränkte oder verdeckte Speicherung von Daten. Bei der verdeckten Speicherung werden die Daten so eingegeben, dass die anderen beteiligten Behörden das Vorhandensein der Daten bei Abfragen nicht erkennen und unmittelbar keinen Zugriff auf die gespeicherten Daten erhalten. Die Abfrage wird dann automatisiert an die informationsführende Behörde weitergeleitet, damit diese nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften aus eigenem Entschluss mit der abfragenden Behörde Kontakt aufnimmt und über die Übermittlung der Daten entscheidet. Dies sollte zunächst dem Quellenschutz der jeweiligen Ermittlungsbehörden dienen, insbesondere der Geheimdienste bei ihrer Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten. Im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens ist der Schutz der Betroffenen als eigener Zweck hinzugekommen (vgl. BTDrucks 16/3642, S. 6).

11

d) In § 5 Abs. 1 ATDG ist der Zugriff auf die gespeicherten Daten im Regelfall normiert. § 5 Abs. 1 Satz 1 ATDG erlaubt den beteiligten Behörden Abfragen im automatisierten Verfahren, wenn dies im Rahmen ihrer Aufgaben zur Bekämpfung oder Aufklärung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Durch diese Zugriffsbefugnis, die nicht auf eine Suche nach einem bestimmten Namen begrenzt ist, wird den abfragenden Behörden eine Recherche in allen offen und verdeckt gespeicherten Datensätzen sowohl der Grunddaten als auch der erweiterten Grunddaten einschließlich des Freitextfeldes ermöglicht. Im Falle eines Treffers erhält die abfragende Behörde bei einer Abfrage zu Personen Zugriff auf die Grunddaten sowie die Angaben zur einspeichernden Behörde. Zugriff auf die erweiterten Grunddaten erhält die abfragende Behörde im Falle eines Treffers gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 und 4 ATDG nur, wenn die Behörde, die die Daten eingegeben hat, den Zugriff im Einzelfall auf Ersuchen nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften gewährt. Auch bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten werden im Trefferfall aber hiervon unabhängig ohne weiteres die korrespondierenden einfachen Grunddaten übermittelt.

12

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG darf die abfragende Behörde die Daten, auf die sie gemäß § 5 Abs. 1 ATDG Zugriff erhalten hat, nur zur Prüfung, ob der Treffer der gesuchten Person zuzuordnen ist, sowie zur Vorbereitung und Substantiierung eines Einzelübermittlungsersuchens verwenden.

13

e) § 5 Abs. 2 Satz 1 ATDG ermöglicht der abfragenden Behörde, im Eilfall unmittelbar auf die erweiterten Grunddaten eines Treffers Zugriff zu nehmen. Ein Eilfall im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass ein solcher Zugriff zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann. Die Entscheidung hierüber trifft der Leiter oder ein besonders beauftragter Beamter des höheren Dienstes der abfragenden Behörde. Der Zugriff bedarf im Übrigen der nachträglichen Zustimmung der Behörde, die die Daten eingegeben hat; diese entscheidet zugleich über die weitere Verwendbarkeit der Daten.

14

Hat die abfragende Behörde im Eilfall Zugriff auf Daten erhalten, erlaubt § 6 Abs. 2 ATDG die Verwendung dieser Daten nur, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist. Haben das Bundeskriminalamt oder ein Landeskriminalamt auf Ersuchen oder im Auftrag des Generalbundesanwalts die Antiterrordatei genutzt, übermitteln sie nach § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 ATDG die Daten dem Generalbundesanwalt für die Zwecke der Strafverfolgung; der Generalbundesanwalt darf die Daten für ein Ersuchen um die Übermittlung von Erkenntnissen zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG verwenden.

15

In § 7 ATDG ist festgelegt, dass sich die Übermittlung von Erkenntnissen aufgrund eines Ersuchens nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften richtet.

16

f) § 8 ATDG teilt die datenschutzrechtliche Verantwortung zwischen einspeichernder und abfragender Behörde auf. Letztere trägt die Verantwortung für die Zulässigkeit der Abfrage, erstere die Verantwortung für die Erhebung, die Zulässigkeit der Eingabe sowie die Richtigkeit und Aktualität der Daten. § 9 ATDG sieht eine Protokollierung aller Zugriffe auf die Daten zum Zweck der Datenschutzkontrolle vor. Diese ist gemäß § 10 Abs. 1 ATDG in die Hände der Datenschutzbeauftragten des Bundes und - nach Maßgabe des Landesrechts - der Länder gelegt.

17

In § 10 Abs. 2 ATDG ist die Auskunftserteilung an Betroffene geregelt. Die Regelung differenziert zwischen den offen und den verdeckt gespeicherten Daten. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 ATDG erteilt über die offen gespeicherten Daten das Bundeskriminalamt die Auskunft nach § 19 BDSG, wobei es das Einvernehmen der jeweils datenverantwortlichen Behörde einholt. Dagegen richtet sich die Auskunft zu verdeckt gespeicherten Daten gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 ATDG nach den Rechtsvorschriften für die Behörde, die die Daten eingegeben hat. Das bedeutet, dass die Betroffenen Auskunft zu einer etwaigen verdeckten Speicherung nicht zentral beim Bundeskriminalamt erhalten können, sondern nur jeweils bei der Behörde, die die Daten verdeckt gespeichert hat.

18

In § 11 ATDG sind schließlich Vorgaben zur Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten enthalten, während § 12 ATDG regelt, welche Einzelheiten das Bundeskriminalamt in einer Errichtungsanordnung festzulegen hat, wobei diese der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums der Verteidigung, des Bundesministeriums der Finanzen und der für die beteiligten Behörden zuständigen obersten Landesbehörden bedarf. Hierzu gehören die Bestimmung der weiteren beteiligten Polizeivollzugsbehörden nach § 1 Abs. 2 ATDG, Einzelheiten zur Art der nach § 3 Abs. 1 ATDG zu speichernden Daten und zu den zugriffsberechtigten Organisationseinheiten der beteiligten Behörden.

19

g) Das Antiterrordateigesetz ist gemäß Art. 5 Abs. 2 Halbsatz 1 Gemeinsame-Dateien-Gesetz befristet und tritt mit Ablauf des 30. Dezember 2017 außer Kraft. Es ist nach Art. 5 Abs. 2 Halbsatz 2 Gemeinsame-Dateien-Gesetz fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten zu evaluieren.

20

2. Die Vorschriften des Antiterrordateigesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3409), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 26. Februar 2008 (BGBl I S. 215) geändert worden ist, lauten - soweit hier von Interesse - wie folgt:

21

§ 1 Antiterrordatei

(1) Das Bundeskriminalamt, die in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 des Bundespolizeigesetzes bestimmte Bundespolizeibehörde, die Landeskriminalämter, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst und das Zollkriminalamt (beteiligte Behörden) führen beim Bundeskriminalamt zur Erfüllung ihrer jeweiligen gesetzlichen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland eine gemeinsame standardisierte zentrale Antiterrordatei (Antiterrordatei).

(2) Zur Teilnahme an der Antiterrordatei sind als beteiligte Behörden im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern weitere Polizeivollzugsbehörden berechtigt, soweit

1. diesen Aufgaben zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland nicht nur im Einzelfall besonders zugewiesen sind,

2. ihr Zugriff auf die Antiterrordatei für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Nummer 1 erforderlich und dies unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und der Sicherheitsinteressen der beteiligten Behörden angemessen ist.

22

§ 2 Inhalt der Antiterrordatei und Speicherungspflicht

Die beteiligten Behörden sind verpflichtet, bereits erhobene Daten nach § 3 Abs. 1 in der Antiterrordatei zu speichern, wenn sie gemäß den für sie geltenden Rechtsvorschriften über polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse (Erkenntnisse) verfügen, aus denen sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Daten sich beziehen auf

1. Personen, die

a) einer terroristischen Vereinigung nach § 129a des Strafgesetzbuchs, die einen internationalen Bezug aufweist, oder einer terroristischen Vereinigung nach § 129a in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuchs mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland oder

b) einer Gruppierung, die eine Vereinigung nach Buchstabe a unterstützt,

angehören oder diese unterstützen,

2. Personen, die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen,

3. Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie mit den in Nummer 1 Buchstabe a oder in Nummer 2 genannten Personen nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt in Verbindung stehen und durch sie weiterführende Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu erwarten sind (Kontaktpersonen), oder

4. (…)

und die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist. Satz 1 gilt nur für Daten, die die beteiligten Behörden nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften automatisiert verarbeiten dürfen.

23

§ 3 Zu speichernde Datenarten

(1) In der Antiterrordatei werden, soweit vorhanden, folgende Datenarten gespeichert:

1. zu Personen

a) nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3: der Familienname, die Vornamen, frühere Namen, andere Namen, Aliaspersonalien, abweichende Namensschreibweisen, das Geschlecht, das Geburtsdatum, der Geburtsort, der Geburtsstaat, aktuelle und frühere Staatsangehörigkeiten, gegenwärtige und frühere Anschriften, besondere körperliche Merkmale, Sprachen, Dialekte, Lichtbilder, die Bezeichnung der Fallgruppe nach § 2 und, soweit keine anderen gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen und dies zur Identifizierung einer Person erforderlich ist, Angaben zu Identitätspapieren (Grunddaten),

b) nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie zu Kontaktpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie von der Planung oder Begehung einer in § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a genannten Straftat oder der Ausübung, Unterstützung oder Vorbereitung von rechtswidriger Gewalt im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 Kenntnis haben, folgende weiteren Datenarten (erweiterte Grunddaten):

aa) eigene oder von ihnen genutzte Telekommunikationsanschlüsse und Telekommunikationsendgeräte,

bb) Adressen für elektronische Post,

cc) Bankverbindungen,

dd) Schließfächer,

ee) auf die Person zugelassene oder von ihr genutzte Fahrzeuge,

ff) Familienstand,

gg) Volkszugehörigkeit,

hh) Angaben zur Religionszugehörigkeit, soweit diese im Einzelfall zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich sind,

ii) besondere Fähigkeiten, die nach den auf bestimmten Tatsachen beruhenden Erkenntnissen der beteiligten Behörden der Vorbereitung und Durchführung terroristischer Straftaten nach § 129a Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuchs dienen können, insbesondere besondere Kenntnisse und Fertigkeiten in der Herstellung oder im Umgang mit Sprengstoffen oder Waffen,

jj) Angaben zum Schulabschluss, zur berufsqualifizierenden Ausbildung und zum ausgeübten Beruf,

kk) Angaben zu einer gegenwärtigen oder früheren Tätigkeit in einer lebenswichtigen Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 5 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes oder einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel oder Amtsgebäude,

ll) Angaben zur Gefährlichkeit, insbesondere Waffenbesitz oder zur Gewaltbereitschaft der Person,

mm) Fahr- und Flugerlaubnisse,

nn) besuchte Orte oder Gebiete, an oder in denen sich in § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannte Personen treffen,

oo) Kontaktpersonen nach § 2 Satz 1 Nr. 3 zu den jeweiligen Personen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a oder Nr. 2,

pp) die Bezeichnung der konkreten Vereinigung oder Gruppierung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a oder b,

qq) der Tag, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das die Speicherung der Erkenntnisse begründet, und

rr) auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende zusammenfassende besondere Bemerkungen, ergänzende Hinweise und Bewertungen zu Grunddaten und erweiterten Grunddaten, die bereits in Dateien der beteiligten Behörden gespeichert sind, sofern dies im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen geboten und zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist,

2. (…)

3. zu den jeweiligen Daten nach den Nummern 1 und 2 die Angabe der Behörde, die über die Erkenntnisse verfügt, sowie das zugehörige Aktenzeichen oder sonstige Geschäftszeichen und, soweit vorhanden, die jeweilige Einstufung als Verschlusssache.

(2) Soweit zu speichernde Daten aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zu kennzeichnen sind, ist diese Kennzeichnung bei der Speicherung der Daten in der Antiterrordatei aufrechtzuerhalten.

24

§ 4 Beschränkte und verdeckte Speicherung

(1) Soweit besondere Geheimhaltungsinteressen oder besonders schutzwürdige Interessen des Betroffenen dies ausnahmsweise erfordern, darf eine beteiligte Behörde entweder von einer Speicherung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b genannten erweiterten Grunddaten ganz oder teilweise absehen (beschränkte Speicherung) oder alle jeweiligen Daten zu in § 2 genannten Personen, Vereinigungen, Gruppierungen, Stiftungen, Unternehmen, Sachen, Bankverbindungen, Anschriften, Telekommunikationsanschlüssen, Telekommunikationsendgeräten, Internetseiten oder Adressen für elektronische Post in der Weise eingeben, dass die anderen beteiligten Behörden im Falle einer Abfrage die Speicherung der Daten nicht erkennen und keinen Zugriff auf die gespeicherten Daten erhalten (verdeckte Speicherung). Über beschränkte und verdeckte Speicherungen entscheidet der jeweilige Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Beamter des höheren Dienstes.

(2) Sind Daten, auf die sich eine Abfrage bezieht, verdeckt gespeichert, wird die Behörde, die die Daten eingegeben hat, automatisiert durch Übermittlung aller Anfragedaten über die Abfrage unterrichtet und hat unverzüglich mit der abfragenden Behörde Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob Erkenntnisse nach § 7 übermittelt werden können. Die Behörde, die die Daten eingegeben hat, sieht von einer Kontaktaufnahme nur ab, wenn Geheimhaltungsinteressen auch nach den Umständen des Einzelfalls überwiegen. Die wesentlichen Gründe für die Entscheidung nach Satz 2 sind zu dokumentieren. Die übermittelten Anfragedaten sowie die Dokumentation nach Satz 3 sind spätestens zu löschen oder zu vernichten, wenn die verdeckt gespeicherten Daten zu löschen sind.

25

§ 5 Zugriff auf die Daten

(1) Die beteiligten Behörden dürfen die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren nutzen, soweit dies zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Im Falle eines Treffers erhält die abfragende Behörde Zugriff

1. a) bei einer Abfrage zu Personen auf die zu ihnen gespeicherten Grunddaten oder

b) bei einer Abfrage zu Vereinigungen, Gruppierungen, Stiftungen, Unternehmen, Sachen, Bankverbindungen, Anschriften, Telekommunikationsanschlüssen, Telekommunikationsendgeräten, Internetseiten oder Adressen für elektronische Post nach § 2 Satz 1 Nr. 4 auf die dazu gespeicherten Daten, und

2. auf die Daten nach § 3 Abs. 1 Nr. 3.

Auf die zu Personen gespeicherten erweiterten Grunddaten kann die abfragende Behörde im Falle eines Treffers Zugriff erhalten, wenn die Behörde, die die Daten eingegeben hat, dies im Einzelfall auf Ersuchen gewährt. Die Entscheidung hierüber richtet sich nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften.

(2) Die abfragende Behörde darf im Falle eines Treffers unmittelbar auf die erweiterten Grunddaten zugreifen, wenn dies aufgrund bestimmter Tatsachen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann (Eilfall). Ob ein Eilfall vorliegt, entscheidet der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Beamter des höheren Dienstes. Die Entscheidung und ihre Gründe sind zu dokumentieren. Der Zugriff ist unter Hinweis auf die Entscheidung nach Satz 3 zu protokollieren. Die Behörde, die die Daten eingegeben hat, muss unverzüglich um nachträgliche Zustimmung ersucht werden. Wird die nachträgliche Zustimmung verweigert, ist die weitere Verwendung dieser Daten unzulässig. Die abfragende Behörde hat die Daten unverzüglich zu löschen oder nach § 11 Abs. 3 zu sperren. Sind die Daten einem Dritten übermittelt worden, ist dieser unverzüglich darauf hinzuweisen, dass die weitere Verwendung der Daten unzulässig ist.

(3) Innerhalb der beteiligten Behörden erhalten ausschließlich hierzu ermächtigte Personen Zugriff auf die Antiterrordatei.

(4) Bei jeder Abfrage müssen der Zweck und die Dringlichkeit angegeben und dokumentiert werden und erkennbar sein.

26

§ 6 Weitere Verwendung der Daten

(1) Die abfragende Behörde darf die Daten, auf die sie Zugriff erhalten hat, nur zur Prüfung, ob der Treffer der gesuchten Person oder der gesuchten Angabe nach § 2 Satz 1 Nr. 4 zuzuordnen ist, und für ein Ersuchen um Übermittlung von Erkenntnissen zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus verwenden. Eine Verwendung zu einem anderen Zweck als zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist nur zulässig, soweit

1. dies zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat oder zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist, und

2. die Behörde, die die Daten eingegeben hat, der Verwendung zustimmt.

(2) Im Eilfall darf die abfragende Behörde die Daten, auf die sie Zugriff erhalten hat, nur verwenden, soweit dies zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr nach § 5 Abs. 2 Satz 1 im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist.

(3) Im Falle einer Verwendung nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 sind die Daten zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten; Gleiches gilt für Kennzeichnungen nach § 3 Abs. 2.

(4) Soweit das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter auf Ersuchen oder im Auftrag des Generalbundesanwalts die Antiterrordatei nutzen, übermitteln sie die Daten, auf die sie Zugriff erhalten haben, dem Generalbundesanwalt für die Zwecke der Strafverfolgung. Der Generalbundesanwalt darf die Daten für Ersuchen nach Absatz 1 Satz 1 verwenden. § 487 Abs. 3 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

27

§ 7 Übermittlung von Erkenntnissen

Die Übermittlung von Erkenntnissen aufgrund eines Ersuchens nach § 6 Abs. 1 Satz 1 zwischen den beteiligten Behörden richtet sich nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften.

28

§ 8 Datenschutzrechtliche Verantwortung

(1) Die datenschutzrechtliche Verantwortung für die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten, namentlich für die Rechtmäßigkeit der Erhebung, die Zulässigkeit der Eingabe sowie die Richtigkeit und Aktualität der Daten trägt die Behörde, die die Daten eingegeben hat. Die Behörde, die die Daten eingegeben hat, muss erkennbar sein. Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Abfrage trägt die abfragende Behörde.

(2) Nur die Behörde, die die Daten eingegeben hat, darf diese Daten ändern, berichtigen, sperren oder löschen.

(3) Hat eine Behörde Anhaltspunkte dafür, dass Daten, die eine andere Behörde eingegeben hat, unrichtig sind, teilt sie dies umgehend der Behörde, die die Daten eingegeben hat, mit, die diese Mitteilung unverzüglich prüft und erforderlichenfalls die Daten unverzüglich berichtigt.

29

§ 9 Protokollierung, technische und organisatorische Maßnahmen

(1) Das Bundeskriminalamt hat bei jedem Zugriff für Zwecke der Datenschutzkontrolle den Zeitpunkt, die Angaben, die die Feststellung der aufgerufenen Datensätze ermöglichen, sowie die für den Zugriff verantwortliche Behörde und den Zugriffszweck nach § 5 Abs. 4 zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden, soweit ihre Kenntnis für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung, zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage oder zum Nachweis der Kenntnisnahme bei Verschlusssachen erforderlich ist. Die ausschließlich für Zwecke nach Satz 1 gespeicherten Protokolldaten sind nach 18 Monaten zu löschen.

(2) Das Bundeskriminalamt hat die nach § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen.

30

§ 10 Datenschutzrechtliche Kontrolle, Auskunft an den Betroffenen

(1) Die Kontrolle der Durchführung des Datenschutzes obliegt nach § 24 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Die datenschutzrechtliche Kontrolle der Eingabe und der Abfrage von Daten durch eine Landesbehörde richtet sich nach dem Datenschutzgesetz des Landes.

(2) Über die nicht verdeckt gespeicherten Daten erteilt das Bundeskriminalamt die Auskunft nach § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes im Einvernehmen mit der Behörde, die die datenschutzrechtliche Verantwortung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 trägt und die Zulässigkeit der Auskunftserteilung nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften prüft. Die Auskunft zu verdeckt gespeicherten Daten richtet sich nach den für die Behörde, die die Daten eingegeben hat, geltenden Rechtsvorschriften.

31

§ 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten

(1) Unrichtige Daten sind zu berichtigen.

(2) Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder ihre Kenntnis für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht mehr erforderlich ist. Sie sind spätestens zu löschen, wenn die zugehörigen Erkenntnisse nach den für die beteiligten Behörden jeweils geltenden Rechtsvorschriften zu löschen sind.

(3) An die Stelle einer Löschung tritt eine Sperrung, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen eines Betroffenen beeinträchtigt würden. Gesperrte Daten dürfen nur für den Zweck abgerufen und genutzt werden, für den die Löschung unterblieben ist; sie dürfen auch abgerufen und genutzt werden, soweit dies zum Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter unerlässlich ist und die Aufklärung des Sachverhalts ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder der Betroffene einwilligt.

(4) Die eingebenden Behörden prüfen nach den Fristen, die für die Erkenntnisdaten gelten, und bei der Einzelfallbearbeitung, ob personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind.

32

§ 12 Errichtungsanordnung

Das Bundeskriminalamt hat für die gemeinsame Datei in einer Errichtungsanordnung im Einvernehmen mit den beteiligten Behörden Einzelheiten festzulegen zu:

1. den Bereichen des erfassten internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland,

2. den weiteren beteiligten Polizeivollzugsbehörden nach § 1 Abs. 2,

3. der Art der zu speichernden Daten nach § 3 Abs. 1,

4. der Eingabe der zu speichernden Daten,

5. den zugriffsberechtigten Organisationseinheiten der beteiligten Behörden,

6. den Einteilungen der Zwecke und der Dringlichkeit einer Abfrage und

7. der Protokollierung.

Die Errichtungsanordnung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums der Verteidigung, des Bundesministeriums der Finanzen und der für die beteiligten Behörden der Länder zuständigen obersten Landesbehörden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist vor Erlass der Errichtungsanordnung anzuhören.

33

§ 13 Einschränkung von Grundrechten

Die Grundrechte des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

34

3. Erste Überlegungen zur Schaffung einer Antiterrordatei gehen auf die 15. Wahlperiode des Bundestags zurück. Damals legte der Bundesrat auf Initiative der Länder Niedersachsen, Bayern, Saarland und Thüringen einen "Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer gemeinsamen Datei der deutschen Sicherheitsbehörden zur Beobachtung und Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus (Anti-Terror-Datei-Gesetz)" vor (BTDrucks 15/4413). In diese gemeinsame Datei sollten nach den Vorstellungen des Entwurfs die teilnehmenden Polizeibehörden und Nachrichtendienste alle Daten über Personen oder Vorgänge einstellen, die im Zusammenhang mit dem islamistischen Extremismus und Terrorismus stünden (BTDrucks 15/4413, S. 8). Die damalige Bundesregierung favorisierte dagegen die Schaffung einer Indexdatei, also lediglich eines elektronischen Fundstellennachweises für die zum Auffinden weiterer Erkenntnisse erforderlichen Daten (BTDrucks 15/4413, S. 9). Keiner der beiden Vorschläge wurde in der 15. Wahlperiode realisiert.

35

Nach fehlgeschlagenen Anschlagsversuchen auf Eisenbahnzüge in Koblenz und Dortmund im August 2006 brachte die Bundesregierung den "Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz)" ein, der in seinem Art. 1 auch den Entwurf für das "Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz - ATDG)" enthielt (BTDrucks 16/2950, S. 5) und mit nur geringfügigen Änderungen nach einer Anhörung von Sachverständigen im Innenausschuss (Innenausschussprotokoll Nr. 16/24) verabschiedet wurde. Nach der Begründung des Entwurfs soll das Gesetz eine Rechtsgrundlage für eine gemeinsame Datei schaffen, die den Informationsaustausch zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten effektiver gestalten, bewährte Formen der Zusammenarbeit ergänzen und Übermittlungsfehler verringern solle (BTDrucks 16/2950, S. 12). Nach § 1 Abs. 1 ATDG soll die Antiterrordatei dazu dienen, die beteiligten Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu unterstützen, wobei mit dem Begriff der "Aufklärung" die nachrichtendienstlichen Aufgaben und mit dem Begriff der "Bekämpfung" die polizeilichen Aufgaben umschrieben würden. § 2 ATDG regele den Inhalt der Antiterrordatei. In der Datei dürften nur Daten zu Kenntnissen gespeichert werden, über die die beteiligten Behörden auf der Grundlage der für sie geltenden Rechtsvorschriften bereits verfügten; es werde keine zusätzliche Rechtsgrundlage für die Datenerhebung durch die beteiligten Behörden geschaffen (BTDrucks 16/2950, S. 15). Durch § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG sollten auch gewalttätige und gewaltbereite Einzeltäter, insbesondere auch als solche bezeichnete "Hassprediger", erfasst werden (vgl. BTDrucks 16/2950, S. 15).

36

§ 3 Abs. 1 ATDG lege fest, welche Datenarten zu den in § 2 genannten Personen und Objekten zu speichern seien. Die Grunddaten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG sollten der Identifizierung der abgefragten Personen dienen. Die erweiterten Grunddaten sollten neben der Identifizierung einer gesuchten Person auch eine zuverlässige Gefährdungseinschätzung als fachliche Erstbewertung ermöglichen. Im Gegensatz zu den Grunddaten seien die erweiterten Grunddaten grundsätzlich nur recherchierbar, würden der abfragenden Behörde aber im Trefferfall erst auf Nachfrage nach Maßgabe des Fachrechts angezeigt. Die einzugebenden Daten sollten - soweit möglich - nach systemseitigen Vorgaben in standardisierter Form erfasst werden. Die durch das Freitextfeld eröffnete Möglichkeit, daneben individuelle Bemerkungen, Hinweise und Bewertungen eingeben zu können, diene dazu, auch terrorismusrelevante Angaben zu erfassen, die sich nicht über einen Katalog standardisiert erfassen ließen. Die grundsätzliche Pflicht zur Standardisierung dürfe hierdurch jedoch nicht umgangen werden (BTDrucks 16/2950, S. 17).

37

Das Antiterrordateigesetz ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Gemeinsame-Dateien-Gesetz am 31. Dezember 2006 in Kraft getreten.

38

4. In der Praxis der teilnehmenden Behörden ist die Handhabung und Nutzung der Antiterrordatei von ihrem Charakter als standardisierte Datei geprägt. Standardisierung bedeutet, dass nicht alle der gemäß § 3 Abs. 1 ATDG zu speichernden Angaben freihändig in die Datei eingegeben werden, sondern in einem Katalog eine bestimmte Auswahl von Angaben, sogenannte Katalogwerte, angeboten wird, aus denen die eingebende Behörde auswählt. Nach Angaben der Bundesregierung wurden Freitexteingabemöglichkeiten auf solche Angaben nach § 3 Abs. 1 ATDG begrenzt, bei denen eine Standardisierung auf feste Katalogwerte nicht möglich ist. Dies betrifft im Rahmen der Grunddaten die Angaben zu Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort, sowie im Rahmen der erweiterten Grunddaten beispielsweise die Rufnummer und Gerätenummer eines Telekommunikationsendgeräts oder die Fahrzeugident-Nummer, Kennzeichen und Zulassungsort eines Kraftfahrzeugs sowie naturgemäß auch das Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG. Die Standardisierung erfolgt innerhalb der Eingabemaske in Form sogenannter "Pull-Down Menüs" durch eine Liste von Katalogwerten, die zur Auswahl angeboten werden. Zu welchen Datenarten des § 3 Abs. 1 ATDG Kataloge angeboten werden und welche als Katalogwerte bezeichneten Angaben in den jeweiligen Katalogen ausgewählt werden können, wird grundsätzlich von einer beim Bundeskriminalamt angesiedelten Katalogredaktion aufgrund der Vorgaben des § 3 Abs. 1 ATDG und der weiteren gemäß § 12 Satz 1 Nr. 3 ATDG in der Errichtungsanordnung enthaltenen Konkretisierungen bestimmt und in einem Katalogmanual festgehalten, das ebenso wie die Errichtungsanordnung selbst als "VS - Nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert ist. Zu unterscheiden sind dabei "geschlossene" und "lernende" Kataloge. Bei "geschlossenen" Katalogen sind die möglichen Katalogwerte abschließend festgelegt. So ist beispielsweise im Rahmen der Angaben des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ee ATDG zu den von einer Person genutzten Fahrzeugen im Katalog "Fahrzeugart" aus der abschließenden Liste "PKW; LKW; Bus; Boot; Flugzeug; Motorrad; Bahn; Sonderfahrzeug; Fahrrad; Quad" auszuwählen. Andere Einträge sind nicht möglich. Eine Veränderung des Katalogs kann nur die Katalogredaktion beim Bundeskriminalamt vornehmen. "Lernende" Kataloge sind den geschlossenen Katalogen insofern ähnlich, als eine vorgegebene Auswahl von Katalogwerten den Nutzern von der Katalogredaktion zur Auswahl vorgeschlagen ist. Darüber hinaus kann ein Nutzer den Katalog aber um weitere Einträge ergänzen. Diese stehen anschließend auch allen anderen Nutzern als Katalogwerte zur Auswahl zur Verfügung. Für diese zusätzlichen Einträge ist keine Zustimmung des Bundeskriminalamtes erforderlich. So kann beispielsweise bei den Angaben zu Telekommunikationsendgeräten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b aa ATDG ein neuer Typ von Telekommunikationsendgerät durch die Nutzer in den Katalog aufgenommen werden, sollte dies erforderlich werden, weil die zu speichernde Person einen neuartigen Typ von Telekommunikationsendgerät benutzt, der bislang nicht im Katalog aufgeführt ist.

39

Die Befüllung der Antiterrordatei mit Datenbeständen aus den Quelldateien der teilnehmenden Behörden erfolgt oftmals in einem teilautomatisierten Verfahren. Zunächst werden dabei die in den Quelldateien vorhandenen Datensätze im Wege einer manuellen fachlichen Prüfung von der jeweiligen teilnehmenden Behörde auf ihre Relevanz für die Antiterrordatei überprüft und gegebenenfalls als geeignet markiert. Anschließend wird aus den markierten Datensätzen eine sogenannte Exportdatei erzeugt, in die nur diejenigen Datenarten aus der Quelldatei aufgenommen werden, für die in der Antiterrordatei Entsprechungen vorhanden sind. Datenarten der Antiterrordatei, die in der Quelldatei nicht vorhanden oder beim konkreten Datensatz nicht belegt sind, bleiben auch in der Antiterrordatei unbelegt. Dabei findet im Hinblick auf die standardisierten Kataloge auch eine Prüfung statt, ob jeder Katalogwert aus der Quelldatei mit den vorgegebenen Katalogwerten der Antiterrordatei übereinstimmt. Im Fall unterschiedlicher Terminologie findet eine Übersetzung statt, beispielsweise von "Fernsprecher" zu "Telefon". Anschließend wird die Exportdatei an das Bundeskriminalamt übermittelt und dort in die Antiterrordatei importiert.

40

5. Im Hinblick auf die Antiterrordatei führten verschiedene Datenschutzbeauftragte Kontrollen bei teilnehmenden Behörden durch. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kontrollierte die Datenverarbeitung beim Bundeskriminalamt, beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesnachrichtendienst. Er äußerte im Hinblick auf die Speicherung von erweiterten Grunddaten von Kontaktpersonen grundsätzliche Bedenken und kritisierte, dass beim Bundeskriminalamt Daten einer Quelldatei ohne Einzelfallprüfung in das Freitextfeld nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG übertragen wurden. Daraufhin änderte das Bundeskriminalamt das Verfahren der Befüllung des Freitextfeldes (BTDrucks 16/12600, S. 51 f.). Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wurden neben Problemen bei der Befüllung der Antiterrordatei, insbesondere des Freitextfeldes, Mängel bei der Kennzeichnung von Daten festgestellt, die aus heimlichen Telekommunikationsüberwachungen stammen. Eine förmliche Beanstandung unterblieb im Hinblick auf die Zusage sofortiger Behebung der festgestellten Mängel (BTDrucks 17/5200, S. 83 f.). Auch Landesbehörden wurden im Hinblick auf die Antiterrordatei überprüft, so etwa in Baden-Württemberg in Form mehrtägiger Kontrollbesuche beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (Abteilung Staatsschutz) und beim Landesamt für Verfassungsschutz. Mängel bezüglich einiger Datensätze führten auf die Beanstandung des Landesbeauftragten hin zu einer Löschung oder Korrektur dieser Datensätze (Landtag von Baden-Württemberg, LTDrucks 14/2050, S. 12, 14 ff.). Weitere Kontrollen wurden durch die Landesbeauftragten für den Datenschutz durchgeführt.

II.

41

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Vorschriften in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie seinen Grundrechten aus Art. 10, Art. 13 und Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

42

1. Er sei durch die Vorschriften unmittelbar betroffen. Zwar bedürften die Vorschriften des Antiterrordateigesetzes noch eines faktischen Vollzugsaktes, nämlich der Einstellung seiner Daten in die Antiterrordatei. Da er hiervon aber nicht benachrichtigt werde, könne er eine effektive gerichtliche Kontrolle nicht herbeiführen. Allerdings könne er nach § 10 Abs. 2 ATDG um Auskunft ersuchen und gegebenenfalls dann den Rechtsweg beschreiten. Diese Rechtsschutzmöglichkeit greife aber zu kurz. Selbst wenn ihm an einem Tag mitgeteilt werde, nicht in die Antiterrordatei aufgenommen zu sein, könne schon am nächsten Tag das Gegenteil zutreffen. Zudem seien diese Ersuchen in Bezug auf die verdeckt gespeicherten Daten bei mehr als 30 verschiedenen Behörden zu stellen.

43

Wegen der Pflicht der Verfassungsschutzbehörden, erhobene Daten in der Antiterrordatei zu speichern, befürchtet der Beschwerdeführer, dass ihn betreffende Daten in die Antiterrordatei aufgenommen würden, ohne dass er davon Kenntnis erlangen könne. Angesichts der Befugnis der Verfassungsschutzbehörden zu heimlicher Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln sei es möglich, als unbescholtener Bürger bei legalem Verhalten - beispielsweise aufgrund eines anonymen Hinweises - Objekt einer intensiven nachrichtendienstlichen Ausspähung zu werden. Möglich sei auch, dass von ihm als Kontaktperson zu Personen, deren Verstrickung in den Terrorismus er nicht kenne, weiterführende Hinweise für die Aufklärung des internationalen Terrorismus erwartet würden.

44

2. Durch die Antiterrordatei erhielten alle beteiligten Behörden Zugriff auf die von den Verfassungsschutzbehörden gespeicherten Daten, insbesondere auch die Polizeibehörden, die diese Informationen selbst nicht hätten erheben dürfen und ohne die Antiterrordatei nicht davon Kenntnis bekommen würden. Durch das Antiterrordateigesetz werde so das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten teilweise aufgehoben. Der Verfassungsrang dieses Trennungsgebots folge aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG; es sei Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des Grundrechtsschutzes. Es ziele darauf zu verhindern, dass die gesetzlichen Bestimmungen für Eingriffsbefugnisse der Polizei dadurch ausgehöhlt würden, dass die Polizei Informationen erhalte, die sie aufgrund der für sie geltenden Bestimmungen nicht selbst gewinnen könne.

45

3. Die Regelungen des Antiterrordateigesetzes verletzten das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers. Sie seien zu unbestimmt und unverhältnismäßig. Nach ihnen seien Daten auch über Personen einzustellen, die - unter Umständen aufgrund nur ungesicherter Anhaltspunkte - als Befürworter rechtswidriger Gewalt gälten, wobei hierfür nicht nur typisch terroristische, sondern jedwede minimale Gewalt genüge; was ein "Befürworten" darstelle, bleibe offen. Für die Speicherung könnten "Anhaltspunkte" für eine innere Gesinnung ausreichen. Daher werde § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht.

46

Die Kontaktpersonenregelung des § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG sei zu unbestimmt. Durch die Aufnahme von Kontaktpersonen ohne eigene Kenntnis terroristischer Aktivitäten werde der Kreis der Betroffenen auf der Grundlage einer "doppelten Mutmaßung" unverhältnismäßig ausgedehnt. Es würden nämlich auch Daten unbescholtener Personen erfasst, soweit nur - auch ungesicherte - "Anhaltspunkte" für einen Kontakt zu Personen bestünden, bei denen - eventuell ebenfalls ungesicherte - "Anhaltspunkte" für terroristische Handlungsweisen oder für ein "Gewaltbefürworten" vorlägen. Die erforderliche Erwartung, von den Kontaktpersonen "weiterführende Hinweise" gewinnen zu können, schränke den betroffenen Personenkreis faktisch nicht ein.

47

Unverhältnismäßig und zu unbestimmt sei die Regelung der Grunddaten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG. Die Grundrechtsbeeinträchtigung verstärke sich, wenn nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG "erweiterte Grunddaten" in die Antiterrordatei eingestellt würden. Diese Daten stellten ein weitgehendes Persönlichkeitsprofil dar. Die Regelung des § 5 Abs. 2 ATDG, der im Eilfall allen beteiligten Behörden Zugriff auch auf diese Daten gestatte, sei unverhältnismäßig, da sie der Bedeutung dieser Daten nicht gerecht werde und schon eine Gefahr für die Gesundheit einer Person den Zugriff auf die erweiterten Grunddaten rechtfertige.

48

Ferner sei die Aufnahme von nur auf "Anhaltspunkten" beruhenden Bemerkungen, Zusammenfassungen, Bewertungen und Hinweisen als zusätzlicher Freitext gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG unverhältnismäßig und zu unbestimmt. Mangels sachhaltiger Beschränkung könnten in unbegrenztem Umfang weitere Informationen aller Art in die Datei eingestellt werden; die Speicherung von Freitexten sei nicht im Voraus abschätzbar.

49

Das Bestimmtheitsgebot werde auch verletzt, weil das Antiterrordateigesetz keine eigenständige Regelung zur Löschung der Daten enthalte, sondern nur auf die Vorschriften der die Daten eingebenden Behörden verweise. Diese fänden sich in einer Vielzahl von Gesetzen, die das Antiterrordateigesetz nicht mitteile. Auch bleibe unklar, was mit den von den beteiligten Behörden zur Kenntnis genommenen und ihrerseits gespeicherten Daten im Sperr- oder Löschungsfall zu geschehen habe.

50

4. Gegen Art. 13 GG verstoße, dass in die Antiterrordatei auch Daten aufgenommen werden könnten, die aus in Wohnungen durchgeführten "großen Lauschangriffen" herrührten. § 3 Abs. 2 ATDG ermögliche dies, ohne dass die grundrechtlich gebotenen Hürden eingehalten werden müssten. Das Brief- und Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG werde verletzt, weil die den Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten eingeräumten, weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten durch die Datenübermittlung mittels Antiterrordatei zu einer unverhältnismäßigen Kenntnisnahme des privaten Kommunikationsverhaltens des Beschwerdeführers und seiner Kommunikationsinhalte durch andere Behörden führten.

51

5. Auch das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Beschreiten des Rechtswegs gegen Akte der öffentlichen Gewalt nach Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt. Die durchgängige Verheimlichung der Maßnahmen nehme dem Beschwerdeführer jede Chance einer gerichtlichen Überprüfung. Es fehle auch an einer anderen, den Rechtsweg ersetzenden Nachprüfung.

III.

52

Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg Stellung genommen.

53

1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

54

a) Die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht unmittelbar, selbst und gegenwärtig durch das Antiterrordateigesetz beschwert sei. Er trage keinen Sachverhalt vor, der eine Speicherung in der Antiterrordatei nahelege. Der Beschwerdeführer habe unterlassen, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gemäß § 10 Abs. 2 ATDG beim Bundeskriminalamt und gegebenenfalls bei weiteren teilnehmenden Behörden um Auskunft über eine Speicherung in der Antiterrordatei zu ersuchen, um nachzuweisen, von einer Speicherung betroffen zu sein. Der Aufwand, erforderlichenfalls bei den 38 beteiligten Behörden eine Auskunft einzuholen, sei zumutbar. Auch sei der Vortrag des Beschwerdeführers zu vage, als dass er zur Darlegung der Beschwerdebefugnis genügen könne, ohne deren eine "Popularverfassungsbeschwerde" ausschließende Funktion aufzugeben. Es fehle zugleich an einer hinreichenden Bestimmung des Beschwerdegegenstandes, weil unklar sei, welche Bestimmungen konkret angegriffen seien.

55

b) Die Verfassungsbeschwerde sei jedenfalls unbegründet.

56

aa) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass des Antiterrordateigesetzes ergebe sich grundsätzlich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 a bis c GG; soweit der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst betroffen seien, folge sie aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG sowie hinsichtlich des Zollkriminalamtes und der Bundespolizei aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Die Schaffung einer zentralen Datei beim Bundeskriminalamt lasse sich auch der in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG angesiedelten Befugnis zur Errichtung von Zentralstellen zuordnen.

57

bb) Ob sich dem Grundgesetz ein organisatorisches und befugnisbezogenes Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden entnehmen lasse, könne dahinstehen, da es nicht zu einer Vermischung der Aufgaben- und Tätigkeitsfelder von Verfassungsschutz- und Polizeibehörden komme. Dem Grundgesetz könne ein strenges Verbot der Informationshilfe zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden nicht entnommen werden. Das Antiterrordateigesetz bewirke keinen unkontrollierten Datenfluss. Es ermögliche lediglich die Kontaktaufnahme zwischen den Behörden und einen Informationsfluss, der sich nach anderen Normen richte. Die relevanten Informationsweitergabenormen erhielten keine neue Dimension.

58

cc) Das Antiterrordateigesetz verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht. Die Speicherung und der Abruf der Daten sowie ihre weitere Verwendung seien gerechtfertigt.

59

Die Speicherung von Daten in der Antiterrordatei stelle allenfalls einen geringfügigen Grundrechtseingriff beziehungsweise eine geringfügige Vertiefung des Grundrechtseingriffs der ursprünglichen Datenerhebung und -verwendung dar. In der Antiterrordatei dürften nur bereits nach den jeweiligen Fachgesetzen erhobene Daten gespeichert werden. Die Befüllung selbst bewirke noch keine Zweckänderung. Der Verwendungszusammenhang der in der Antiterrordatei gespeicherten Daten sei auf einen sehr spezifischen Gefahrensektor des internationalen Terrorismus beschränkt. Auch die Standardisierung der gespeicherten Angaben wirke beschränkend. Die einfachen Grunddaten enthielten im Wesentlichen Angaben zur Person mit dem Ziel einer Erleichterung des Informationsaustauschs, die erweiterten Grunddaten dienten darüber hinaus im Eilfall dazu, einen ersten Eindruck von einer Person und ihrer Gefährlichkeit zu vermitteln.

60

Bedenken gegen die Bestimmtheit der umfassten Personengruppen griffen nicht durch. Der Begriff der Gewalt in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG erfordere enger als nach dem Strafgesetzbuch physische Kraftentfaltung mit Zwangswirkung. Die Variante des Befürwortens von Gewalt ziele auf sogenannte Hassprediger und verlange ein nach außen erkennbares Gutheißen von Gewaltanwendung. Für die nach § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG zu speichernden Kontaktpersonen müssten andere Maßstäbe als beispielsweise bei der präventiven Telefonüberwachung gelten, da die Vorschrift nur die Einstellung bereits anderweitig rechtmäßig gespeicherter Personen und keine neue Informationserhebung betreffe. Die erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte erforderten immer eine Tatsachenbasis für einen Verdacht. Die Speicherung von Daten im Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG sei ein Korrektiv zur Standardisierung der Dateneingabe und dadurch eingegrenzt, dass die Daten einen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zu den gesetzlich definierten Daten aufweisen müssten. Auch das umfasste Informationsvolumen sei begrenzt.

61

Die Eingriffstiefe einer Recherche in der Antiterrordatei werde dadurch begrenzt, dass sie nur erfolgen dürfe, wenn sie zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich sei. Die Antiterrordatei könne nicht zum automatischen Abgleich mit anderen Datenbanken genutzt werden. Ein Treffer eröffne grundsätzlich nur den Zugriff auf die einfachen Grunddaten zur Identifizierung einer Person und die Nutzung dieser Daten sei auf den Trefferabgleich und das Stellen eines Ermittlungsersuchens begrenzt. Das Antiterrordateigesetz diene allein dazu, im Hinblick auf Personen, gegen die schon ermittelt werde, den Kontakt zwischen den beteiligten Behörden zu ermöglichen; es gestatte nicht, "Verdächtige" erst zu finden. Die Freigabe der erweiterten Grunddaten aufgrund eines Ermittlungsersuchens richte sich nach den maßgeblichen fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften.

62

Ein schwerer, dem Antiterrordateigesetz zurechenbarer Eingriff ergebe sich aus der Möglichkeit zum Zugriff auch auf die erweiterten Grunddaten im Eilfall und deren Verwendung zur Abwehr der in § 5 Abs. 2 ATDG genannten Gefahren. Allerdings sei auch der Informationsgehalt der erweiterten Grunddaten beschränkt. Der Zugriff sei nur in außerordentlichen Notsituationen vorgesehen. Soweit die Vorschrift auf Sachen von erheblichem Wert abstelle, würden diese nicht nur durch ihren finanziellen, sondern ihren gemeinschaftlichen Wert bestimmt: Dies ziele auf den Schutz von öffentlichen Sachen wie Brücken, Behörden und Infrastruktureinrichtungen. Auch sei der Zugriff im Eilfall mit besonderen verfahrensrechtlichen Sicherungen verbunden. Tatsächlich habe man bislang nur einmal auf die Vorschrift zurückgegriffen.

63

Die dem Antiterrordateigesetz zuzurechnenden Grundrechtseingriffe seien gerechtfertigt. Die Bekämpfung des Terrorismus sei eine Verfassungsaufgabe von höchstem Rang. Die Errichtung der Antiterrordatei sei geeignet, dieses Ziel zu verfolgen, da sie den beteiligten Behörden durch die Verbesserung des Informationsaustauschs die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus erleichtere. Das Antiterrordateigesetz sei für eine effektive Aufklärung und Bekämpfung der weit verzweigten Netzwerke des internationalen Terrorismus auch unverzichtbar, um Erkenntnisse aus dem Bereich des internationalen Terrorismus und seiner Unterstützer bei der Polizei und den Nachrichtendiensten rasch auffindbar zu machen. Das Antiterrordateigesetz sei auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Bei einer Gesamtabwägung stehe die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zum Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe.

64

dd) Die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten könnten auch aus Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG herrühren, weshalb § 13 ATDG ausdrücklich die Einschränkung dieser Grundrechte benenne. Die Befüllung mit solchen Daten wiege wesentlich schwerer, sei gleichwohl nicht unverhältnismäßig. Der neue Verwendungszweck sei hinreichend eingegrenzt und die Kennzeichnungspflicht in § 3 Abs. 2 ATDG stelle sicher, dass der Verwendungszusammenhang nicht verloren gehe. Zwar beschränke § 5 Abs. 1 ATDG die Suche nicht auf Fälle, in denen die Übermittlung der auf Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG beruhenden Daten nach den Datenübermittlungsvorschriften möglich wäre. Doch würden der suchenden Behörde als Treffer nur die einfachen Grunddaten übermittelt. Dass von Art. 10 oder Art. 13 GG besonders geschützte Daten selbst als Treffer ausgeworfen würden, werde im Übrigen dadurch verhindert, dass die Behörde nach verfassungskonformer Auslegung des § 4 Abs. 1 ATDG verpflichtet sei, Grunddaten, die aus Eingriffen in Art. 10 oder Art. 13 GG herrührten, verdeckt zu speichern.

65

Die Möglichkeit des Zugriffs auf besonders geschützte Daten im Rahmen des Eilfalls nach § 5 Abs. 2 ATDG sei im Ergebnis mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren, da sie einen konkreten polizeilichen Gefahrenabwehreinsatz erleichtere, nicht aber dazu diene, weitergehende Persönlichkeitsprofile zu erstellen.

66

ee) Das Antiterrordateigesetz sei auch mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, da der von einer Eintragung in die Antiterrordatei Betroffene nicht rechtsschutzlos gestellt sei. Zwar erhalte er keine Mitteilung von Amts wegen, doch könne er - verwaltungsgerichtlich durchsetzbar - nach § 10 Abs. 2 ATDG Auskunft verlangen. Diese Ausgestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten sei durch die Art der Verwaltungsaufgabe und die geringe Eingriffsqualität des Eintrags in der Antiterrordatei gerechtfertigt.

67

ff) Art. 10 Abs. 1 ATDG übertrage die datenschutzrechtliche Kontrolle der Antiterrordatei im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten auf den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und auf die Landesdatenschutzbeauftragten. Die Kontrolle der Datenschutzbeauftragten werde nicht dadurch unvollständig, dass die Kontrollbefugnisse auf ihre jeweilige Körperschaft beschränkt seien. Durch eine Kontrollbefugnis des Bundesbeauftragten für alle Nutzungsvorgänge würde eine verfassungsrechtlich problematische Kontrolle des Bundesbeauftragten für Landesbehörden entstehen. Zugriff auf die Protokolldaten erhielten die Landesdatenschutzbeauftragten beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden.

68

gg) In tatsächlicher Hinsicht macht die Bundesregierung folgende Angaben: Von der Speicherung seien überwiegend im Ausland lebende Personen betroffen, bei denen die Schreibweise des Namens nicht immer eindeutig sei. Im August 2012 seien in der Antiterrordatei 17.101 Datensätze zu Personen gespeichert gewesen, davon ca. 920 Doppelnennungen beziehungsweise Doppelspeicherungen, so dass etwa 16.180 unterschiedliche Personen von einer Speicherung betroffen seien. 2.888 dieser Personen hätten ihren Wohnsitz im Inland, 14.213 Personen im Ausland. Die Vielzahl von Personen mit Wohnsitz im Ausland erkläre sich aus der Teilnahme des Bundesnachrichtendienstes. Verdeckt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 ATDG seien 2.833 Personen gespeichert. Die beteiligten Behörden übten größte Zurückhaltung, Kontaktpersonen ohne Kenntnis terroristischer Aktivitäten in die Antiterrordatei einzustellen. Sie habe im August 2012 nur 141 überwiegend von Landespolizeibehörden eingestellte Datensätze von undolosen Kontaktpersonen enthalten.

69

Die vorhandenen Datensätze enthielten kaum Eintragungen in den erweiterten Grunddaten. Nur 44 % der Datensätze seien überhaupt mit erweiterten Grunddaten befüllt. Kaum ein Datensatz enthalte einen annähernd vollständigen erweiterten Grunddatensatz. Über 94 % der Eintragungen enthielten keine Angaben im Freitextfeld, was auch daran liege, dass die Quelldatei des Bundesnachrichtendienstes kein vergleichbares Feld enthalte. Das Freitextfeld sei auf eine Anzahl von 2.000 Zeichen, also Text von weniger als einer DIN A 4-Seite, beschränkt. Die Eintragungen seien in der Regel sehr kurz, sie umfassten oft nur ein Wort, überwiegend zwischen 15 und 55 Zeichen. Nur bei einem Drittel der Personendatensätze fänden sich im Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG mehr als 100 Zeichen.

70

Von März 2007 bis Herbst 2012 seien relativ konstant 1.200 Suchanfragen pro Woche, insgesamt ca. 350.000 Suchanfragen, protokolliert worden. Daran zeige sich, dass die Antiterrordatei eher als "spezielles Telefonbuch" und nicht für einen gesamten Quellenabgleich genutzt werde. In diesem Zeitraum sei in weniger als 1 % der Fälle eine Anfrage nach den erweiterten Grunddaten gestellt worden. In der Regel sei es für die Behörden sinnvoller, direkt Kontakt mit der speichernden Behörde aufzunehmen, als um die erweiterten Grunddaten zu ersuchen, die nur in besonderen Situationen als erste und schnelle Gefährlichkeitseinschätzung weiterführend seien. Bei den Anfragen zu erweiterten Grunddaten sei überschlägig in einem von drei oder vier Fällen der Zugriff verweigert worden.

71

Um eine vernünftige Eingrenzung der Ergebnisse zu ermöglichen, stelle das System derzeit sicher, dass bei einer Abfrage mit mehr als 200 Treffern technisch die Ausgabe verweigert werde. Die Zahl der bei einer Suche ausgeworfenen Treffer liege im Mittel bei vier bis fünf. Im Rahmen der Eilfallregelung des § 5 Abs. 2 ATDG habe bis August 2012 lediglich ein Zugriff auf die erweiterten Grunddaten stattgefunden. Dabei habe es sich um einen Zugriff eines Landeskriminalamts auf einen Datensatz des Bundesamts für Verfassungsschutz gehandelt.

72

Auf dem Protokolldatenserver seien insgesamt ca. 7,7 Millionen Datensätze gespeichert; jeder Datensatz spiegele jeweils die durch eine Aktion in der Antiterrordatei ausgelösten Datenbanktransaktionen wider.

73

2. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erhebt Bedenken gegen das Antiterrordateigesetz. Die informationelle Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten stehe unter dem Vorbehalt des Trennungsgebots. Damit sei nicht zu vereinbaren, wenn im Eilfall die beteiligten Polizeibehörden unmittelbar auf die von den Nachrichtendiensten gespeicherten erweiterten Grunddaten zugreifen könnten. Bedenken hinsichtlich des Gebots der Normenklarheit bestünden insbesondere in Blick auf § 1 Abs. 2 ATDG, das Tatbestandsmerkmal "Befürworten" in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG, die Kontaktpersonenregelung des § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG, bei der die Abgrenzung zwischen den von der Speicherung umfassten Kontaktpersonen und den nichtbetroffenen flüchtigen oder zufälligen Alltagskontakten unklar sei, sowie das Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG. Die Speicherung von Freitexten ermögliche in Zusammenschau mit den übrigen erfassten Daten die Erstellung weitreichender Persönlichkeitsprofile. § 10 Abs. 2 Satz 2 ATDG, der den Betroffenen unter Umständen zumute, Auskunftsersuchen an alle an der Antiterrordatei teilnehmenden Behörden zu richten und gegen diese gegebenenfalls zu klagen, gewähre keinen effektiven Rechtsschutz; geboten sei eine Benachrichtigungspflicht.

74

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit verweist weiter darauf, dass die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen ihm und den Landesdatenschutzbeauftragten zu kontrollfreien Räumen führen könne. Da die Datei bei einer Bundesbehörde geführt werde, müsse er auf alle Protokolldaten Zugriff haben - auch auf diejenigen, die Datenzugriffe der Landesbehörden beträfen. Lücken der Kontrolle seien auch im Hinblick auf Daten, die durch Maßnahmen nach dem Artikel-10-Gesetz gewonnen worden seien, zu befürchten. Schwierigkeiten ergäben sich zudem daraus, dass auf den Protokolldatenserver nur an dessen Standort zugegriffen werden könne.

75

3. Das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein und der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit haben gemeinsam Stellung genommen. Sie halten die Verfassungsbeschwerde für zulässig und begründet. Das Antiterrordateigesetz werde weder dem Grundsatz der Normenklarheit und -bestimmtheit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht und verletze sowohl das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG. Ebenso sei zweifelhaft, ob das Antiterrordateigesetz dem Trennungsgebot gerecht werde.

76

§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ATDG fasse den betroffenen Personenkreis zu weit. Es fehle für die Aufnahme von Personen an einem hinreichenden Verdachtsgrad, in Nr. 2 sei der Begriff der Gewalt nicht hinreichend auf terroristische Formen der Gewalt begrenzt, und in Nr. 3 würden die Kontaktpersonen angesichts der hohen Sensibilität der zu erfassenden Daten in vielerlei Hinsicht nicht hinreichend eingeschränkt. Es drohe die Errichtung einer bloßen Gesinnungsdatei. Die Speicherung der Religionszugehörigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b hh ATDG sei wegen der Gefahr einer Stigmatisierung besonders eingriffsintensiv und im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG problematisch. Auch die Zugriffsregelungen unterlägen nur unzureichenden Bindungen an den ursprünglichen Zweck der Datenerhebung. Alle beteiligten Behörden könnten ohne Eingriffsschwelle auf die einfachen Grunddaten zugreifen. Die tatbestandlichen Hürden für einen Zugriff im Eilfall seien gleichfalls nicht sehr hoch; Bedenken bestünden auch gegen § 6 Abs. 1 ATDG. Weiterhin genügten die verfahrensrechtlichen Sicherungen durch Lösch- und Aussonderungsprüffristen, Sperrung und Änderung sowie Auskunft nicht den verfassungsrechtlichen Erfordernissen. Es fehlten Vorgaben für ein gemeinsames Auskunftsverfahren im Falle der verdeckten Speicherung. Die Landesdatenschutzbeauftragten seien schließlich bei der Durchführung ihrer Kontrollen, namentlich im Hinblick auf den Zugriff auf die Protokolldaten, auf ähnliche Schwierigkeiten wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gestoßen.

77

4. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg berichtet von Kontrollbesuchen beim Landeskriminalamt und beim Landesamt für Verfassungsschutz in den Jahren 2007 (vgl. hierzu Landtag von Baden-Württemberg, LTDrucks 14/2050, S. 12 ff.) und 2012. Probleme hätten sich hinsichtlich des Gewaltbegriffs und der Bestimmung der Grenze zwischen verwerflichem "Befürworten" und grundrechtlich geschützter Meinungsäußerung ergeben. Die Kontaktpersonenregelung habe sich bei den Kontrollen als zu unbestimmt erwiesen. Für die Behörde sei es schwierig, die Intensität bestehender Kontakte zu bewerten und die für eine Speicherung erforderliche Voraussetzung zu prüfen, ob von einer Kontaktperson weiterführende Hinweise für die Aufklärung und Bekämpfung des Terrorismus zu erwarten seien. Kontrollen würden dadurch erschwert, dass für die Landesdatenschutzbeauftragten kein elektronischer Zugriff auf die Protokolldaten möglich sei. Im Übrigen sei die Speicherung der Daten durch die beteiligten Stellen in Baden-Württemberg nicht zu beanstanden gewesen.

IV.

78

Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. November 2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft wurden. Geäußert haben sich der Beschwerdeführer, als Mitglied des Deutschen Bundestages der Abgeordnete Clemens Binninger, die Bundesregierung, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg, der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Als Sachkundige wurden das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Humanistische Union und der Chaos Computer Club angehört.

B.

79

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

80

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, des Brief- und Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG, der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie in Verbindung mit diesen Grundrechten der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG.

81

Der Beschwerdeführer legt die Möglichkeit einer Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar, indem er geltend macht, dass die von ihm angegriffenen Vorschriften mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Speicherung und Verwendung ihn betreffender personenbezogener Daten regelten und dabei zu unbestimmt sowie unverhältnismäßig weit gefasst seien. Da es sich bei den betreffenden Daten auch um Daten handeln kann, die durch Eingriffe in Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG erhoben wurden, kann der Beschwerdeführer auch eine Verletzung dieser Grundrechte geltend machen. Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, dass die Speicherung und Verwendung der Daten nur unzureichend durch Informationsrechte zur Erlangung von Rechtsschutz flankiert werde, rügt er zugleich hinreichend substantiiert eine Verletzung dieser Grundrechte in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

II.

82

Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffenen Vorschriften unmittelbar, selbst und gegenwärtig betroffen.

83

1. Dem Beschwerdeführer fehlt es nicht an der erforderlichen unmittelbaren Betroffenheit. Zwar ist ein Beschwerdeführer nur dann von einer gesetzlichen Regelung unmittelbar betroffen, wenn diese, ohne dass es eines weiteren Vollzugsaktes bedürfte, in seinen Rechtskreis eingreift. Erfordert das Gesetz zu seiner Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen staatlichen Praxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Stelle beeinflussten Vollzugsakt, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (BVerfGE 1, 97 <101 ff.>; 109, 279 <306>; stRspr). Von einer unmittelbaren Betroffenheit ist jedoch dann auszugehen, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht beschreiten kann, weil er keine Kenntnis von der betreffenden Vollziehungsmaßnahme erhält. In solchen Fällen steht ihm die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz ebenso zu wie in den Fällen, in denen die grundrechtliche Beschwer ohne vermittelnden Vollzugsakt durch das Gesetz eintritt (vgl. BVerfGE 30, 1 <16 f.>; 113, 348 <362 f.>; 120, 378 <394>; stRspr). So liegt es hier. Grundsätzlich kann der Beschwerdeführer weder von der Speicherung noch von der Verwendung seiner Daten nach den angegriffenen Vorschriften verlässlich Kenntnis erhalten.

84

Dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 ATDG auf Antrag die Möglichkeit hat, Auskunft über die Speicherung der Daten zu erhalten und anschließend gegen die Speicherung die Gerichte anzurufen, ändert hieran nichts. Denn auf diesem Weg kann er lediglich dagegen vorgehen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Daten über ihn tatsächlich gespeichert sind, nicht aber - wie es seinem Rechtsschutzanliegen entspricht - dagegen, dass eine solche Speicherung, ohne dass er hierauf Einfluss hat oder hiervon Kenntnis erlangt, jederzeit möglich ist. Die Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz zu erheben, das zu heimlichen Maßnahmen berechtigt, entfällt deshalb unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit jedenfalls in der Regel nur, wenn die spätere Kenntniserlangung des Betroffenen durch eine aktive Informationspflicht des Staates rechtlich gesichert ist (so in BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2001 - 1 BvR 1104/92 -, NVwZ 2001, S. 1261 <1262 f.>). Eine solche Informationspflicht sieht das Antiterrordateigesetz indes nicht vor.

85

2. Der Beschwerdeführer ist selbst und gegenwärtig betroffen.

86

Erfolgt die konkrete Beeinträchtigung erst durch die Vollziehung des angegriffenen Gesetzes, erlangt der Betroffene jedoch in der Regel keine Kenntnis von den Vollzugsakten, reicht es für die Möglichkeit der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit aus, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 122, 63 <81 f.>; 125, 260 <305>; stRspr). Der geforderte Grad der Wahrscheinlichkeit wird davon beeinflusst, welche Möglichkeit der Beschwerdeführer hat, seine Betroffenheit darzulegen. So ist bedeutsam, ob die Maßnahme auf einen tatbestandlich eng umgrenzten Personenkreis zielt oder ob sie eine große Streubreite hat und Dritte auch zufällig erfassen kann. Darlegungen, durch die sich der Beschwerdeführer selbst einer Straftat oder als möglicher Verursacher einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit bezichtigen müsste, dürfen zum Beleg der eigenen gegenwärtigen Betroffenheit nicht verlangt werden (vgl. BVerfGE 109, 279 <308>; 113, 348 <363>; 120, 378 <396>).

87

Die Darlegungen des Beschwerdeführers genügen diesen Anforderungen. Zwar kann der Beschwerdeführer eine spezifische Wahrscheinlichkeit, von der Speicherung betroffen zu werden, nur begrenzt aufzeigen. Er verweist im Wesentlichen lediglich auf Kontakte zu möglicherweise dem Terrorismus nahestehenden Personen. Angesichts der großen Streubreite der von der Speicherung in der Antiterrordatei möglicherweise erfassten Personen sind seine Ausführungen jedoch noch ausreichend. Nach § 2 Satz 1 ATDG werden Daten nicht nur von Terrorismusverdächtigen und deren Unterstützern, sondern in weitem Umfang auch von nur dem Umkreis des Terrorismus zugerechneten Personen bis hin zu bloßen Kontaktpersonen - und zwar einschließlich solcher, die von einem Terrorismusbezug ihres Kontaktes nichts wissen - erfasst.

C.

88

Die Verfassungsbeschwerde gibt keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zur Klärung der Reichweite des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes in Bezug auf einen Datenaustausch von verschiedenen Sicherheitsbehörden im Rahmen einer Verbunddatei, wie ihn das Antiterrordateigesetz regelt. Dies gilt auch im Hinblick auf das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta - EuGRCh). Denn die europäischen Grundrechte der Grundrechtecharta sind auf den zu entscheidenden Fall nicht anwendbar. Die angegriffenen Vorschriften sind schon deshalb an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen, weil sie nicht durch Unionsrecht determiniert sind (vgl. BVerfGE 118, 79 <95>; 121, 1 <15>; 125, 260 <306 f.>; 129, 78 <90 f.>). Demzufolge liegt auch kein Fall der Durchführung des Rechts der Europäischen Union vor, die allein die Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechtecharta nach sich ziehen könnte (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh).

89

Allerdings betreffen die angegriffenen Vorschriften die Ermöglichung eines Datenaustauschs zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und damit Fragen, die zum Teil auch Regelungsbereiche des Unionsrechts berühren. So verfügt die Europäische Union für Regelungen zum Datenschutz in Art. 16 AEUV über eigene Kompetenzen. Dabei legt etwa die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23. November 1995, S. 31 ff. - Datenschutz-Richtlinie) wesentliche Anforderungen an die Datenverarbeitung fest, die grundsätzlich sowohl für Private als auch für öffentliche Behörden gelten. Entsprechend kennt das Unionsrecht diverse Kompetenz- und Rechtsgrundlagen im Zusammenhang mit der Terrorismusabwehr. Insbesondere sieht Art. 2 des Beschlusses 2005/671/JI des Rates vom 20. September 2005 über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten (ABl. L 253 vom 29. September 2005, S. 22 ff.) vor, dass die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften alle einschlägigen Informationen über die von ihren Strafverfolgungsbehörden durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse zu terroristischen Straftaten an Eurojust, Europol und die anderen Mitgliedstaaten weiterzuleiten haben. Das Antiterrordateigesetz und die hierdurch erstrebte Effektivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden steht somit auch in unionsrechtlichen Bezügen und wirkt sich, wenn im Wege des durch das Antiterrordateigesetz angestoßenen Informationsaustauschs weitergehende Ergebnisse gewonnen werden, mittelbar auch auf den Umfang der unionsrechtlichen Berichtspflichten aus. Ebenso bestehen Anknüpfungspunkte zum Unionsrecht in Bezug auf die Pflichten zum Erlass von restriktiven Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen zur Bekämpfung des Terrorismus nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 vom 28. Dezember 2001, S. 70 ff.). Auch sonst können und müssen gegebenenfalls die Ergebnisse der durch die Antiterrordatei effektivierten Zusammenarbeit in die zahlreichen unionsrechtlich geregelten Rechtsbeziehungen im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit einfließen.

90

Gleichwohl ist unzweifelhaft und - im Übrigen auch nach den Maßstäben der Acte-claire-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, S. 3415 Rn. 16 ff.) - keiner weiteren Klärung bedürftig, dass das Antiterrordateigesetz und die auf seiner Grundlage erfolgende Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste keine Durchführung des Rechts der Union im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh darstellen. Für die Datenschutzrichtlinie ergibt sich dies schon aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG, die die Datenverarbeitung betreffend die öffentliche Sicherheit, die Sicherheit des Staates und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Auch sonst ist die Einrichtung und Ausgestaltung der Antiterrordatei nicht durch Unionsrecht determiniert. Insbesondere gibt es keine unionsrechtliche Bestimmung, die die Bundesrepublik Deutschland zur Einrichtung einer solchen Datei verpflichtet, sie daran hindert oder ihr diesbezüglich inhaltliche Vorgaben macht. Das Antiterrordateigesetz verfolgt vielmehr innerstaatlich bestimmte Ziele, die das Funktionieren unionsrechtlich geordneter Rechtsbeziehungen nur mittelbar beeinflussen können, was für eine Prüfung am Maßstab unionsrechtlicher Grundrechtsverbürgungen nicht genügt (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, C-309/96, Annibaldi, Slg. 1997, S. I-7493 Rn. 22). Eine Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte scheidet damit von vornherein aus. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 51 Abs. 2 EuGRCh wie auch aus Art. 6 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union, dass die Charta den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus ausdehnt und weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union begründet noch die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben ändert (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. November 2011, C-256/11, Dereci u.a., Rn. 71; EuGH, Urteil vom 8. November 2012, C-40/11, Iida, Rn. 78; EuGH, Urteil vom 27. November 2012, C-370/12, Pringle, Rn. 179 f.).

91

Der Europäische Gerichtshof ist danach für die aufgeworfenen - ausschließlich die deutschen Grundrechte betreffenden - Fragen nicht gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 GG. Nichts anderes kann sich aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Åkerberg Fransson (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013, C-617/10) ergeben. Im Sinne eines kooperativen Miteinanders zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof (vgl. BVerfGE 126, 286 <307>) darf dieser Entscheidung keine Lesart unterlegt werden, nach der diese offensichtlich als Ultra-vires-Akt zu beurteilen wäre oder Schutz und Durchsetzung der mitgliedstaatlichen Grundrechte in einer Weise gefährdete (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG), dass dies die Identität der durch das Grundgesetz errichteten Verfassungsordnung in Frage stellte (vgl. BVerfGE 89, 155 <188>; 123, 267 <353 f.>; 125, 260 <324>; 126, 286 <302 ff.>; 129, 78 <100>). Insofern darf die Entscheidung nicht in einer Weise verstanden und angewendet werden, nach der für eine Bindung der Mitgliedstaaten durch die in der Grundrechtecharta niedergelegten Grundrechte der Europäischen Union jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrecht oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses ausreiche. Vielmehr führt der Europäische Gerichtshof auch in dieser Entscheidung ausdrücklich aus, dass die Europäischen Grundrechte der Charta nur in "unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden" (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013, C-617/10, Rn. 19).

D.

92

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet.

I.

93

Die angegriffenen Vorschriften greifen in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), des Brief- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) und des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) ein.

94

1. Die §§ 1 bis 6 ATDG regeln die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten und berühren damit den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Soweit die von der Speicherung und Verwendung betroffenen Daten durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG erhoben wurden, ist auch deren Folgeverwendung an diesen Grundrechten zu messen (vgl. BVerfGE 125, 260 <313>; stRspr).

95

2. Die Vorschriften greifen in diese Grundrechte ein. Ein Eingriff liegt dabei zunächst in der Verknüpfung der Daten aus verschiedenen Quellen durch die Anordnung einer Speicherungspflicht gemäß §§ 1 bis 4 ATDG. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den Daten um bereits anderweitig erhobene Daten handelt, denn sie werden nach eigenen Kriterien zusammengeführt und aufbereitet, um sie anderen Behörden als denen, die sie erhoben haben, zu deren Zwecken zur Verfügung zu stellen. Weitere Eingriffe liegen in den Regelungen zur Verwendung der Daten gemäß den §§ 5 und 6 ATDG in Form von Recherchen, in der Zugriffsmöglichkeit auf die einfachen Grunddaten im Trefferfall gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG sowie in der Zugriffsmöglichkeit auch auf die erweiterten Grunddaten im Eilfall gemäß § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG.

II.

96

Die angegriffenen Vorschriften sind in formeller Hinsicht mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere werden die Grenzen der Bundeskompetenzen eingehalten.

97

1. Soweit das Antiterrordateigesetz den Austausch von Informationen zwischen dem Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern, dem Bundesverfassungsschutz, den Landesverfassungsschutzbehörden sowie weiteren Polizeivollzugsbehörden regelt, kann sich der Bund auf die Gesetzgebungskompetenzen des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 a bis c GG zur Zusammenarbeit der Behörden stützen. Zusammenarbeit ist eine auf Dauer angelegte Form der Kooperation, die die laufende gegenseitige Unterrichtung und Auskunftserteilung, die wechselseitige Beratung sowie gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistung in den Grenzen der je eigenen Befugnisse umfasst und funktionelle und organisatorische Verbindungen, gemeinschaftliche Einrichtungen und gemeinsame Informationssysteme erlaubt (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 231 [Apr. 2010]). Hierunter fällt auch die durch das Antiterrordateigesetz vorgesehene Zusammenarbeit.

98

Die Kompetenz für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizeibehörden beschränkt sich nicht auf die Strafverfolgung. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG soll die Möglichkeit schaffen, föderale Zuständigkeitsgrenzen bei der Erfüllung repressiver und präventiver Aufgaben zu lockern. Der Begriff "Kriminalpolizei" in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 a GG schließt nicht aus, dass der Bund eine Zusammenarbeit auch zur Verhinderung von Straftaten regeln kann, sondern dient lediglich der Beschränkung auf Regelungen, die sich auf bedeutsame Straftaten von Gewicht beziehen (Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 239 ff. [Apr. 2010]; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 73 Rn. 114; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 73 Rn. 43; Werthebach/Droste, in: Bonner Kommentar, Bd. 9, Art. 73 Nr. 10 Rn. 109, 118 ff. [Dez. 1998]).

99

Dem Rückgriff auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG steht nicht entgegen, dass das Antiterrordateigesetz eine Zusammenarbeit der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden nicht nur fachlich, sondern zugleich fachübergreifend regelt. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG erlaubt auch solche fachübergreifenden Regelungen. Dies entspricht nicht nur einem funktionalen Verständnis der Norm, die allgemein eine Effektivierung der Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden über föderale Kompetenzgrenzen hinweg ermöglichen will, sondern wird auch durch ihre ursprüngliche Fassung nahegelegt, die noch nicht in einzelne Buchstaben aufgegliedert war. Den Materialien lässt sich ebenfalls nichts für ein engeres Verständnis entnehmen. Die Änderung der Vorschrift im Jahr 1972 hatte nicht das Ziel, der Norm in dieser Hinsicht einen anderen Sinn zu geben (vgl. BTDrucks VI/1479).

100

2. Soweit § 1 Abs. 1 ATDG als weitere Behörden den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Zollkriminalamt und die Bundespolizei mit einbezieht, findet dies in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 GG eine Kompetenzgrundlage.

101

Die Kompetenz für die Einbeziehung des Bundesnachrichtendienstes ergibt sich aus der Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der auswärtigen Beziehungen gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG. Allerdings sind die dem Bund insoweit zugewiesenen Kompetenzen durch die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Übrigen geprägt und berechtigen den Gesetzgeber nicht, dem Bundesnachrichtendienst allein deshalb, weil es sich um Fälle mit Auslandsbezug handelt, Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Taten als solche gerichtet sind (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 ff.>). Vielmehr müssen Regelungen, damit sie auf die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden können, in einen Regelungs- und Verwendungszusammenhang eingebettet sein, der auf die Auslandsaufklärung bezogen ist und der politischen Information der Bundesregierung dient (vgl. BVerfGE 100, 313 <370 f.>). Die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Antiterrordatei ist hiermit jedoch vereinbar. Dies gilt zunächst insoweit, als die §§ 5 und 6 ATDG dem Bundesnachrichtendienst Zugriff auf die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten ermöglichen. Denn ein Zugriff ist nach diesen Vorschriften nur für die jeweiligen Aufgaben der abfragenden Behörden eröffnet; dem Bundesnachrichtendienst werden damit also keine weiteren, allgemein auf die Verhinderung von Straftaten des internationalen Terrorismus gerichtete Kompetenzen zugewiesen. Hiermit vereinbar ist aber auch, dass der Bundesnachrichtendienst seine eigenen Daten durch Einstellung in die Datei anderen Behörden zugänglich macht. Denn das Antiterrordateigesetz begründet keine neuen, durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht mehr gedeckten Datenerhebungsbefugnisse, sondern knüpft an die jeweils für die eigene Aufgabenerfüllung erhobenen Daten an und verpflichtet lediglich dazu, diese Daten anderen Behörden für deren Aufgaben zugänglich zu machen. Die Regelung des Umfangs solcher zweckändernder Bereitstellung von Daten für andere Aufgabenträger ist kraft Sachzusammenhangs Teil der jeweiligen Kompetenz für die Datenerhebung und den hiermit korrespondierenden Datenschutz (vgl. BVerfGE 125, 260 <314 f.>). Der Gesetzgeber gestaltet hierdurch den Bundesnachrichtendienst nicht in eine vorgelagerte Polizeibehörde um.

102

Entsprechend kann der Bund die Beteiligung des Militärischen Abschirmdienstes auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG (Verteidigung) und der Bundespolizei sowie des Zollkriminalamts auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG (Zoll- und Grenzschutz) stützen. Auch hier tragen die Vorschriften sowohl die Eröffnung eines Zugriffs dieser Behörden auf die Daten als auch die Pflicht zur Einstellung ihrer Daten in die Antiterrordatei.

103

Demgegenüber ließe sich auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 5 GG keine Regelung stützen, die es den anderen an der Antiterrordatei beteiligten Behörden unmittelbar erlaubte, die von diesen Bundesbehörden eingestellten Daten abzurufen. Eine solche Regelung ist im Antiterrordateigesetz auch nicht enthalten. Vielmehr setzt § 5 Abs. 1 und 2 ATDG bei sachgerechtem Verständnis für die Nutzung der Datei seitens der jeweils Zugriff nehmenden Behörden eigene Datenerhebungsvorschriften, gegebenenfalls auf Landesebene, voraus (vgl. BVerfGE 125, 260 <315>; 130, 151 <193>).

104

3. Dahinstehen kann, ob es für die Führung der Antiterrordatei als Verbunddatei zusätzlich einer Verwaltungskompetenz des Bundes bedarf. Denn eine solche Kompetenz ergäbe sich für die beim Bundeskriminalamt geführte Antiterrordatei jedenfalls aus der Befugnis zur Einrichtung von Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG.

III.

105

Die durch die angegriffenen Vorschriften errichtete Antiterrordatei ist in ihren Grundstrukturen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht einer solchen Datei, die im Rahmen der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus der Informationsanbahnung und in Eilfällen auch der Gefahrenabwehr dient, nicht schon grundsätzlich entgegen. Ihre nähere normative Ausgestaltung muss jedoch auch in ihren Einzelbestimmungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.

106

1. Die Antiterrordatei ist auf ein legitimes Ziel gerichtet. Sie soll den Sicherheitsbehörden in erster Linie schnell und einfach Kenntnis darüber verschaffen, ob bei anderen Sicherheitsbehörden relevante Informationen zu bestimmten Personen aus dem Umfeld des internationalen Terrorismus vorliegen. Damit will sie Vorinformationen vermitteln, mit denen diese Behörden schneller und zielführender Informationsersuchen bei anderen Behörden stellen können und die in dringenden Fällen auch eine erste handlungsleitende Gefahreneinschätzung ermöglichen. Der Gesetzgeber erstrebt nicht einen allgemeinen Austausch personenbezogener Daten aller Sicherheitsbehörden oder den Abbau jeglicher Informationsgrenzen zwischen ihnen; dies würde den Grundsatz der Zweckbindung als solchen unterlaufen und wäre dann von vornherein unzulässig. Er beabsichtigt und schafft vielmehr nur eine begrenzte Erleichterung des Informationsaustauschs, der die grundsätzliche Maßgeblichkeit der fachrechtlich begrenzten Einzelübermittlungsvorschriften unberührt lässt und sachlich auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus beschränkt ist. Zwar ist der Begriff des "Terrorismus" nicht aus sich heraus eindeutig. Das Antiterrordateigesetz orientiert sich jedoch, wie sich aus § 2 Satz 1 Nr. 1 a ATDG, der zentralen Bestimmung zu den in der Datei erfassten Personen, ergibt, an § 129a StGB und versteht hierunter konkret definierte, schwerwiegende Straftaten, die auf die Einschüchterung der Bevölkerung oder gegen die Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation gerichtet sind. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

107

2. Die angegriffenen Vorschriften sind zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich. Mit den gemäß §§ 1 bis 4 ATDG begründeten Speicherungspflichten wird ein Grunddatenbestand geschaffen, der den beteiligten Behörden in § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG zur Vorbereitung weiterer Informationsabfragen zur Verfügung gestellt wird und ihnen gemäß § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG in besonders dringenden Fällen Informationen zur Abwehr spezifischer Gefahren vermitteln soll. Ein anderes Instrumentarium, das diese Ziele vergleichbar effektiv und weniger belastend sicherstellt, ist nicht ersichtlich.

108

3. Das Antiterrordateigesetz ist in seinen Grundstrukturen auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vereinbar.

109

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Schwere der gesetzgeberischen Grundrechtsbeschränkung bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel, zwischen Individual- und Allgemeininteresse herzustellen (vgl. BVerfGE 100, 313 <375 f.>; 113, 348 <382>; 120, 378 <428>; stRspr).

110

Die angegriffenen Vorschriften sind von erheblichem Eingriffsgewicht (a). Dem stehen jedoch gewichtige öffentliche Belange gegenüber (b). Bei einer Abwägung sind gegen die Errichtung und den Charakter der Antiterrordatei keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben; es bedarf für die nähere Ausgestaltung der Datei jedoch normenklarer und hinreichend begrenzender Regelungen einschließlich von Bestimmungen zu einer effektiven Kontrolle ihrer Anwendung (c).

111

a) Der durch die angegriffenen Vorschriften geschaffene Informationsaustausch ist von erheblichem Gewicht. Dies ergibt sich aus dem Zusammenwirken der hierfür maßgeblichen Grundrechtseingriffe, die nicht isoliert betrachtet werden können: Das Gewicht der Speicherung der einzustellenden Daten und die Frage ihres zulässigen Umfangs bemessen sich maßgeblich nach Zweck und Charakter der Datei, ebenso wie umgekehrt das Gewicht der Datenverwendung wesentlich vom Umfang der Speicherungspflicht abhängt. Als ein die Schwere des Eingriffs erhöhender Faktor fällt ins Gewicht, dass durch die Datei ein Informationsaustausch zwischen zahlreichen Sicherheitsbehörden mit sehr unterschiedlichen Aufgaben ins Werk gesetzt wird und dieser insbesondere auch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden umfasst (aa). Gemindert wird die Schwere des Eingriffs durch die Beschränkung auf bereits erhobene Daten, die Ausgestaltung als Verbunddatei mit einem Schwerpunkt auf der Informationsanbahnung und ihre Ausrichtung allein auf das Ziel der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus (bb).

112

aa) Das Eingriffsgewicht der Antiterrordatei ist dadurch erhöht, dass sie einen Informationsaustausch zwischen einer großen Zahl von Sicherheitsbehörden mit zum Teil deutlich verschiedenen Aufgaben und Befugnissen ermöglicht. Bedeutung hat hierbei insbesondere, dass sie auch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden umfasst.

113

(1) Die den verschiedenen Sicherheitsbehörden jeweils eingeräumten Datenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse sind, soweit es um personenbezogene Daten geht, auf ihre spezifischen Aufgaben zugeschnitten und durch sie begrenzt. Entsprechend unterliegen die Daten von Verfassungs wegen hinsichtlich ihrer Verwendung Zweckbindungen und können nicht ohne weiteres an andere Behörden übermittelt werden. Die Aufgliederung der Sicherheitsbehörden nach fachlichen und föderalen Gesichtspunkten entfaltet damit für den Datenschutz auch eine besondere grundrechtliche Dimension. Dass Informationen zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden nicht umfassend und frei ausgetauscht werden, ist nicht Ausdruck einer sachwidrigen Organisation dieser Behörden, sondern von der Verfassung durch den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung grundsätzlich vorgegeben und gewollt.

114

Allerdings schließt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Zweckbindung von Daten Zweckänderungen durch den Gesetzgeber nicht aus, wenn diese durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sind, die die grundrechtlich geschützten Interessen überwiegen (vgl. BVerfGE 100, 313 <360>; 109, 279 <375 f.>; 110, 33 <69>). Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Informationsaustauschs zwischen verschiedenen Behörden kommt es insbesondere auf die Vergleichbarkeit der verschiedenen Informationszusammenhänge an. Je verschiedenartiger Aufgaben, Befugnisse und Art der Aufgabenwahrnehmung sind, desto größeres Gewicht hat der Austausch entsprechender Daten. Für die Verfassungsmäßigkeit solcher Zweckänderungen ist deshalb insbesondere maßgeblich, wieweit die Bindungen der Datenerhebung seitens der übermittelnden oder hier der einstellenden Behörde denen entsprechen, unter denen die abfragenden Behörden Daten erheben können. Ausgeschlossen ist eine Zweckänderung danach dann, wenn mit ihr grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Ermittlungsmethoden umgangen werden, also die Informationen für den geänderten Zweck selbst auf entsprechender gesetzlicher Grundlage nicht oder nicht in dieser Art und Weise hätten erhoben werden dürfen (vgl. BVerfGE 109, 279 <377>; 120, 351 <369>). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden, dass die Weiterverwendung von Daten, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis herrühren, nur für Zwecke verfassungsmäßig ist, die auch als Rechtfertigung für die ursprüngliche Erhebung ausgereicht hätten (vgl. BVerfGE 100, 313 <360, 389>; 109, 279 <375 f.>; 110, 33 <73>), und hat zur Gewährleistung dieser Anforderungen verfahrensrechtliche Sicherungen wie Kennzeichnungs- und Protokollierungspflichten für erforderlich gehalten (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 113, 29 <58>; 124, 43 <70>). Entsprechendes gilt auch für Zweckänderungen der Datenverarbeitung, wenn Daten durch Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erhoben wurden. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen für die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass Behörden, für die aufgrund ihrer Aufgabenstellung weniger strenge Anforderungen gelten, Daten im Wege der Übermittlung an Behörden weiterleiten, die ihrerseits strengeren Anforderungen unterliegen.

115

(2) Danach hat die Zusammenführung von Daten der Nachrichtendienste und der Polizeibehörden erhöhtes Gewicht und unterliegt grundsätzlich verfassungsrechtlich engen Grenzen. Denn Polizeibehörden und Nachrichtendienste haben deutlich voneinander unterschiedene Aufgaben. Dementsprechend unterliegen sie hinsichtlich der Offenheit ihrer Aufgabenwahrnehmung sowie bezüglich der Datenerhebung grundlegend verschiedenen Anforderungen.

116

(aa) Den Nachrichtendiensten kommt die Aufgabe zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen zu betreiben. Ihr Datenzugriff dient dabei zugleich verschiedenartigen und weit gefassten Zielen wie dem Schutz vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Inland und vor innerstaatlichen Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste, dem Schutz vor gewaltbereiten Bestrebungen, die den gesamten Bereich der "auswärtigen Belange" gefährden, oder dem Schutz vor Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG, § 1 Abs. 2 BNDG, § 1 Abs. 1 MADG sowie § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 G 10). Sie haben mannigfaltige Bestrebungen auf ihr Gefahrenpotenzial hin allgemein zu beobachten und sie gerade auch unabhängig von konkreten Gefahren in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 122, 120 <145>).

117

Diesem vorfeldbezogenen Aufgabenspektrum entsprechend haben die Nachrichtendienste weitreichende Befugnisse zur Datensammlung, die weder hinsichtlich der konkreten Tätigkeitsfelder spezifisch ausdefiniert noch hinsichtlich der jeweils einzusetzenden Mittel detailscharf ausgestaltet sind. Für die Behörden des Verfassungsschutzes umfassen sie Methoden und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung wie etwa den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen (vgl. § 8 Abs. 2 BVerfSchG; § 6 Abs. 1 LVSG Baden-Württemberg). Nach § 5 G 10 darf der Bundesnachrichtendienst zur Informationsgewinnung in bestimmten Fällen mit dem Instrument der strategischen Überwachung internationale Telekommunikationsbeziehungen nach bestimmten Suchbegriffen durchfiltern (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 ff.> zur Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 1 G 10 a.F.). Unbeschadet der auch hier differenzierten verfassungsrechtlichen Anforderungen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, spiegeln diese Befugnisse die Weite der Aufgaben der Nachrichtendienste und zeichnen sich durch relativ geringe Eingriffsschwellen aus. Überdies sammeln die Nachrichtendienste Daten grundsätzlich geheim. Der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung gilt für sie nicht, und sie sind von Transparenz- und Berichtspflichten gegenüber den Betroffenen weithin freigestellt. Entsprechend gering sind die Möglichkeiten individuellen Rechtsschutzes. Zum Teil werden diese sogar ganz durch eine politische Kontrolle ersetzt (vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG).

118

Im Gegenzug und zum Ausgleich zu der Weite dieser Datenerhebungsbefugnisse ist die Zielrichtung der Aufklärung begrenzt. Unbeschadet näherer Differenzierungen zwischen den verschiedenen Diensten beschränkt sie sich im Wesentlichen darauf, fundamentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und hierüber zu berichten, um eine politische Einschätzung der Sicherheitslage zu ermöglichen. Ziel ist nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die politische Information. So ist Aufgabe der Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes nicht die Bekämpfung von Straftaten als solchen, sondern übergreifend die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. In Form von Lageberichten, Analysen und Berichten über Einzelerkenntnisse soll die Bundesregierung in den Stand gesetzt werden, Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und ihnen - politisch - zu begegnen (vgl. BVerfGE 100, 313 <371>). Entsprechend zielt auch die Aufklärung der Verfassungsschutzbehörden nicht unmittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von konkreten Straftaten oder die Vorbereitung entsprechender operativer Maßnahmen. Auch hier beschränkt sich die Aufgabe der Dienste auf eine Berichtspflicht gegenüber den politisch verantwortlichen Staatsorganen beziehungsweise der Öffentlichkeit (vgl. BVerfGE 130, 151 <206>).

119

Dieser auf die politische Vorfeldaufklärung beschränkte Auftrag der Nachrichtendienste spiegelt sich auch in einer Beschränkung ihrer Befugnisse: Polizeiliche Befugnisse haben sie nicht, und sie dürfen auch im Wege der Amtshilfe nicht die Polizei um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt sind (vgl. § 8 Abs. 3 BVerfSchG, § 2 Abs. 3 BNDG, § 4 Abs. 2 MADG, § 3 Abs. 4 des Hessischen Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz [VerfSchutzG HE]). Im Falle eines Übermittlungsersuchens dürfen sie grundsätzlich nur solche Daten übermitteln, die bei der ersuchten Behörde bereits bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können (vgl. etwa § 17 Abs. 1 BVerfSchG - auch i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 BNDG und § 10 Abs. 4 MADG -, § 8 Abs. 2 Satz 2 VerfSchutzG HE, § 19 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbVerfSchG).

120

(bb) Von diesem Aufgaben- und Befugnisprofil unterscheidet sich das der Polizei- und Sicherheitsbehörden grundlegend. Ihnen obliegt die Verhütung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten sowie die Abwehr von sonstigen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ihre Aufgaben sind geprägt von einer operativen Verantwortung und insbesondere der Befugnis, gegenüber Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls auch mit Zwang durchzusetzen. Dabei sind ihre Aufgaben gesetzlich differenziert umgrenzt und durch ein materiell wie verfahrensrechtlich vielfältig abgestuftes Arsenal von Handlungsbefugnissen unterlegt. Unbeschadet gewisser Aufgaben auch dieser Behörden schon im Vorfeld von Gefahren, sind ihnen Befugnisse gegenüber Einzelnen grundsätzlich nur aus konkretem Anlass verliehen; Voraussetzung ist in der Regel, dass Anhaltspunkte für einen Tatverdacht oder eine Gefahr vorliegen. Diesem Aufgabenprofil entsprechen auch die Datenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse dieser Behörden. Sie sind, da sie letztlich Zwangsmaßnahmen bis hin zu Eingriffen in die persönliche Freiheit vorbereiten und begründen können, gesetzlich wesentlich enger und präziser gefasst als diejenigen der Nachrichtendienste sowie vielfältig voneinander abgegrenzt. Entsprechend setzen grundsätzlich auch diese auf den Umgang mit Daten bezogenen Befugnisse - bei vielfältigen Abstufungen im Einzelnen - einen konkreten Anlass, etwa eine Gefahr oder einen Tatverdacht voraus. Soweit der Gesetzgeber die Erhebung personenbezogener Daten ausnahmsweise anlasslos vorsorglich oder zur bloßen Verhütung von Gefahren oder Straftaten erlaubt, ist dies besonders rechtfertigungsbedürftig und unterliegt gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 125, 260 <318 ff., 325 ff.>).

121

Entsprechend handelt die Polizei grundsätzlich offen und folgt auch ihr Umgang mit Daten ganz überwiegend dem Grundsatz der Offenheit. Zwar setzt die Aufgabenwahrnehmung der Polizeibehörden in erheblichem Umfang auch Ermittlungen voraus, die gegenüber den Betroffenen zunächst verdeckt erfolgen. Jedoch werden damit nur bestimmte, durch konkrete Verdachtsmomente unterlegte Aufklärungsmaßnahmen oder -phasen abgeschirmt, die die prinzipielle Offenheit der polizeilichen Arbeit unberührt lässt. Vor allem werden insofern die ermittelten Daten bei sich anschließenden Maßnahmen gegenüber Einzelnen - wie der Erhebung der Anklage oder dem Erlass einer Polizeiverfügung - offengelegt und wird dem Betroffenen Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu verhalten. Auch die Ermittlungen selbst werden, soweit möglich, offen geführt. Im Strafverfahren zeigt sich dies beispielhaft an den zahlreichen Anhörungs-, Akteneinsichts- und Verteidigungsrechten des Beschuldigten, an der offenen Durchführung von Wohnungsdurchsuchungen (vgl. § 106 StPO), den Vorgaben für die Nutzung von vorsorglich gespeicherten Daten (vgl. BVerfGE 125, 260 <353>) sowie der grundsätzlich öffentlichen und mündlichen Verhandlung am Ende des Anklagevorwurfs im Strafverfahren. Der Einsatz verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) und heimliche Datenerhebungen mit technischen Mitteln (§§ 100a ff. StPO) sind demgegenüber nur ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingungen zulässig. Entsprechend unterliegt die Polizei auch im Bereich der Gefahrenabwehr dem Grundsatz der offenen Datenerhebung (vgl. § 21 Abs. 3 BPolG; § 19 Abs. 1 PolG Baden-Württemberg; Art. 30 Abs. 3 BayPAG).

122

Die Rechtsordnung unterscheidet damit zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die auf eine operative Aufgabenwahrnehmung hin ausgerichtet und durch detaillierte Rechtsgrundlagen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt sind und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen stützen können. Eine Geheimpolizei ist nicht vorgesehen.

123

(cc) Regelungen, die den Austausch von Daten der Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermöglichen, unterliegen angesichts dieser Unterschiede gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgt insoweit ein informationelles Trennungsprinzip. Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden. Einschränkungen der Datentrennung sind nur ausnahmsweise zulässig. Soweit sie zur operativen Aufgabenwahrnehmung erfolgen, begründen sie einen besonders schweren Eingriff. Der Austausch von Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein mögliches operatives Tätigwerden muss deshalb grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen, das den Zugriff auf Informationen unter den erleichterten Bedingungen, wie sie den Nachrichtendiensten zu Gebot stehen, rechtfertigt. Dies muss durch hinreichend konkrete und qualifizierte Eingriffsschwellen auf der Grundlage normenklarer gesetzlicher Regelungen gesichert sein; auch die Eingriffsschwellen für die Erlangung der Daten dürfen hierbei nicht unterlaufen werden.

124

bb) Das Eingriffsgewicht der Antiterrordatei ist allerdings dadurch gemindert, dass sie als Verbunddatei ausgestaltet ist, die in ihrem Kern auf die Informationsanbahnung beschränkt ist und eine Nutzung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen vorsieht.

125

(1) Die angegriffenen Vorschriften gestalten die Antiterrordatei als Instrumentarium aus, das - außerhalb des Eilfalls gemäß § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 ATDG - Informationen nicht unmittelbar zur Aufgabenwahrnehmung durch die jeweiligen Behörden, insbesondere nicht zu operativen Zwecken bereitstellt, sondern nur als Grundlage für weitere Datenübermittlungen. Die Antiterrordatei setzt zwar schon unmittelbar selbst einen Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden ins Werk, indem sie Recherchen in allen Grunddaten erlaubt und den abfragenden Behörden gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 ATDG einen Zugriff auf die einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG gewährt. § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG bestimmt jedoch, dass die abfragende Behörde diese Daten nur zur Prüfung, ob sie der gesuchten Person zuzuordnen sind, und für ein Ersuchen um Übermittlung von Erkenntnissen zur Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe der Behörde verwenden darf. Die so erlangten Informationen dürfen also grundsätzlich nur genutzt werden, um zu entscheiden, ob und gegenüber welcher Behörde um weitere Informationen nachgesucht werden soll, und um solche Einzelübermittlungsersuchen besser zu begründen. Für die Übermittlung von Daten aus den bei den Fachbehörden geführten Dateien auf Ersuchen im Einzelfall und damit auch zur operativen Aufgabenwahrnehmung ist demgegenüber das jeweils einschlägige Fachrecht maßgeblich. Die Antiterrordatei ermächtigt somit hinsichtlich der einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG nicht zu einem Informationsaustausch für die Aufgabenwahrnehmung selbst, sondern bereitet ihn nur vor. Das gilt erst recht für die erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG, auf die den Behörden im Regelfall gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 ATDG bereits der Zugriff nur nach Maßgabe der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften eröffnet wird.

126

Das Antiterrordateigesetz stützt sich damit maßgeblich auf die fachrechtlichen Grundlagen für Datenübermittlungen und bezieht daraus rechtsstaatliche Grenzen. Im Ergebnis stellt es sicher, dass - außerhalb von § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG - ein Austausch von Daten zur unmittelbaren Nutzung für die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus nur unter den rechtlichen Voraussetzungen der einzelnen Übermittlungsvorschriften zulässig ist. Es fängt so die geringen, letztlich auf das Kriterium der Erforderlichkeit beschränkten Anforderungen für die Informationsanbahnung im Vorfeld durch Verweis auf die differenzierteren Grenzziehungen bei der Datenübermittlung auf. Diese müssen dann freilich ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen und können sich jedenfalls für Datenübermittlungen zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei nicht mit vergleichbar niederschwelligen Voraussetzungen wie der Erforderlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung oder der Wahrung der öffentlichen Sicherheit begnügen.

127

(2) Die grundsätzlich auf Informationsanbahnung beschränkte Funktion der Antiterrordatei mindert ihr Eingriffsgewicht wesentlich; dennoch bleibt das Eingriffsgewicht auch in dieser Funktion erheblich. Denn obgleich eine Datennutzung zur operativen Aufgabenwahrnehmung erst aufgrund weiterer Datenübermittlungsvorschriften zulässig ist, führt die Antiterrordatei im Vorfeld dieser Aufgabenwahrnehmung doch schon selbst zu einem unmittelbaren Austausch von Erkenntnissen der Behörden. Sie erlaubt der anfragenden Behörde im Falle eines Treffers nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 ATDG generell den Zugriff auf die Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG als Klarinformationen und eröffnet die Möglichkeit zu Recherchen auch in den erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG, wobei insoweit im Trefferfall freilich allein ein Fundstellennachweis zu der informationsführenden Behörde und die korrespondierenden einfachen Grunddaten übermittelt werden. Als Instrument der Informationsanbahnung erleichtert die Antiterrordatei damit den fachrechtlichen Austausch und verleiht so den bestehenden Einzelübermittlungsvorschriften materiell ein verändertes Gewicht. Es stellt diese in ein anderes, nun vorinformiertes Umfeld und bewirkt den Austausch von Erkenntnissen für Fälle, in denen er andernfalls unpraktikabel oder unmöglich wäre. Die Antiterrordatei stellt sich so als vorgelagerter Bestandteil dieses fachgesetzlichen Austauschs dar.

128

Die Aufnahme in eine solche Datei kann für die Betreffenden erheblich belastende Wirkung haben. Wer einmal in der Datei erfasst ist, muss damit rechnen, aufgrund einer Abfrage dem Umkreis des Terrorismus zugeordnet und - mittels weiterer, dadurch erleichterter Übermittlungsersuchen - hieran anknüpfenden belastenden Maßnahmen unterworfen zu werden. Die Konsequenzen einer solchen Zuordnung können beträchtlich sein und Einzelne in schwierige Lagen bringen, ohne dass sie um diese Einordnung wissen und eine praktikable Möglichkeit haben, sich hiergegen zu wehren. Die Erheblichkeit dieses Eingriffs verstärkt sich dadurch, dass die Daten abgelöst von den jeweiligen konkreten Hintergründen in der Datei registriert werden und zum Teil auf bloßen Prognosen und subjektiven Einschätzungen der Behörden beruhen können, die naturgemäß unsicher sind. Letztlich können Bürgerinnen und Bürger hierdurch erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt werden, ohne dafür selbst zurechenbar Anlass gegeben zu haben. Dass belastende Maßnahmen dabei grundsätzlich nicht unmittelbar auf eine Nutzung der Daten der Antiterrordatei nach den angegriffenen Vorschriften allein gestützt werden können, sondern als deren mittelbare Wirkung in Verbindung mit weiteren Vorschriften drohen, ändert nichts daran, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Maßnahmen durch die Antiterrordatei erhöht wird.

129

(3) Ein besonders schweres Eingriffsgewicht kommt der Antiterrordatei insoweit zu, als sie in Eilfällen auch einen Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden erlaubt, bei dem die Informationen unmittelbar zur Abwehr von spezifischen Gefahren und damit auch zu operativen Zwecken genutzt werden dürfen.

130

b) Die Einrichtung der Antiterrordatei ist mit dem Übermaßverbot grundsätzlich vereinbar. Dem Eingriffsgewicht für die Betroffenen steht das öffentliche Interesse gegenüber, für die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus einen gezielten Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden und genauere Einschätzungen für die Gefahrenabwehr in wichtigen Eilfällen zu ermöglichen.

131

Der Errichtung einer zentralen Verbunddatei zum Zweck eines gezielten Informationsaustauschs für die Aufgaben der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus darf der Gesetzgeber erhebliches Gewicht beimessen. Denn schon angesichts der Zahl der mit diesen Aufgaben befassten Behörden ist die Gewährleistung eines zielführenden Austauschs der Erkenntnisse zwischen ihnen von besonderer Bedeutung. Zurzeit nehmen nach der Errichtungsanordnung mehr als 60 Behörden und Polizeidienststellen an der Antiterrordatei teil. Ungeachtet der Frage, welches Ausmaß an Organisationsdifferenzierung im Einzelnen sachgerecht ist, können die hierbei entstehenden Informationsprobleme für die Aufklärung und Bekämpfung des Terrorismus in einem föderalen Staat mit Gewaltenteilung jedenfalls nicht vollständig auf organisatorischer Ebene gelöst werden.

132

Zur Effektivität der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus darf der Gesetzgeber, wenn er einen Informationsaustausch allein auf der Grundlage der Einzelübermittlungsvorschriften für unzureichend hält, eine sie koordinierende Verbunddatei zur Informationsanbahnung wie die Antiterrordatei schaffen. Die Verhinderung und Verfolgung von terroristischen Straftaten, die international organisiert und zur Verbreitung von Angst und Schrecken verübt werden, stellt die zuständigen staatlichen Behörden vor besondere Herausforderungen. Da solche Straftaten besonders schwer zu erfassen sind und die Zielpersonen sich oft in hohem Maße konspirativ verhalten, hängt der Erfolg einer wirksamen Aufgabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörden hier in besonderer Weise davon ab, dass wichtige Informationen, die bei einer Behörde anfallen, auch für andere Behörden erschlossen werden und durch das Zusammenführen und Abgleichen der verschiedenen Daten aus diffusen Einzelerkenntnissen aussagekräftige Informationen und Lagebilder werden. Es liegt auf der Hand, dass eine speziell strukturierte Datei mit Grundprofilen von in den Fokus der Behörden geratenen Personen sowie mit Nachweisen, bei welchen Behörden Informationen zu welchen Personen zugänglich sind, die Aufgabenwahrnehmung wesentlich verbessern kann. Ebenso tragfähig ist die Annahme, dass den Behörden in dringenden Eilfällen unmittelbar bestimmte Informationen anderer Behörden zur Verfügung stehen müssen, um diesen eine erste Gefährdungseinschätzung und damit sachgerechte weitere Maßnahmen zu ermöglichen.

133

Für die Bedeutung einer solchen Datei ist dabei das große Gewicht einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus für die demokratische und freiheitliche Ordnung zu berücksichtigen. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus, wie sie das Antiterrordateigesetz zum Bezugspunkt hat (siehe oben D. III. 1.), zielen auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen hierbei in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Es ist Gebot unserer verfassungsrechtlichen Ordnung, solche Angriffe nicht als Krieg oder als Ausnahmezustand aufzufassen, die von der Beachtung rechtsstaatlicher Anforderungen dispensieren, sondern sie als Straftaten mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen. Dem entspricht umgekehrt, dass der Terrorismusbekämpfung im rechtsstaatlichen Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung ein erhebliches Gewicht beizumessen ist (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>).

134

c) Angesichts der sich gegenüberstehenden Interessen bestehen bei umfassender Würdigung gegen die Grundstrukturen der Antiterrordatei als Instrument der Informationsanbahnung und auch als handlungsanleitende Informationsquelle für eine Gefahreneinschätzung in dringenden Eilfällen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings entspricht die Regelung der Datei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne nur, wenn sie hinsichtlich der zu erfassenden Daten sowie deren Nutzungsmöglichkeiten normenklar und in der Sache hinreichend begrenzt ausgestaltet ist sowie hierbei qualifizierte Anforderungen an die Kontrolle gestellt und beachtet werden (BVerfGE 125, 260 <325>).

135

aa) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind zunächst die Grundstrukturen, mit denen der Gesetzgeber die Antiterrordatei als Verbunddatei zur Informationsanbahnung errichtet. Es ist im Ausgangspunkt nicht unverhältnismäßig, in diese Datei hinsichtlich bestimmter, dem internationalen Terrorismus vermutlich nahestehender Personen einen Grundbestand an identifizierenden Daten aufzunehmen, die den beteiligten Behörden zur Informationsanbahnung zur Verfügung stehen sollen. Da sie nur rechtlich begrenzte Einzelübermittlungen vorbereiten, ist eine solche Zusammenführung von Daten der Nachrichtendienste und Polizeibehörden durch die Aufgaben der Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt. Ebenfalls bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass in diese Datei über einen Grundbestand an identifizierenden Daten hinaus weitere, inhaltlich aussagekräftigere, sogenannte erweiterte Grunddaten aufzunehmen sind. Auch diese Daten - die den beteiligten Behörden wegen ihrer höheren Persönlichkeitsrelevanz grundsätzlich nicht als Klarinformationen, wohl aber zur verdeckten Recherche zur Verfügung gestellt werden - haben die Aufgabe, einen gezielteren Informationsaustausch nach Maßgabe des Fachrechts zu ermöglichen, und sind durch das Ziel einer Effektivierung der Terrorismusbekämpfung grundsätzlich gerechtfertigt.

136

Allerdings bedarf es einer Ausgestaltung der Datei, die den Informationsaustausch im Einzelnen normenklar regelt und hinreichend begrenzt. Dies gilt ebenso für die Bestimmung der beteiligten Behörden, die in der Datei zu erfassenden Personen und die über sie zu erfassenden Daten wie für die nähere Regelung der Nutzung dieser Daten. Auch muss eine effektive Kontrolle gewährleistet sein (siehe unten D. IV.).

137

bb) Wegen der großen Bedeutung der Verhinderung von terroristischen Anschlägen ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit der Antiterrordatei darüber hinaus eine Informationsquelle zur Verfügung stellen will, die in dringenden Eilfällen auch eine erste handlungsanleitende Gefährdungseinschätzung der Behörden ermöglichen soll. Freilich liegt hierin ein Eingriff, der besonders schwer wiegt, weil der Datenaustausch in diesen Fällen nicht nur eine Informationsanbahnung nach Maßgabe des Fachrechts ermöglicht, sondern unmittelbar auch operativen Zwecken dient. Jedoch verstößt auch dies nicht von vornherein gegen das Übermaßverbot. Maßgeblich ist insoweit jedoch, dass die gesetzlichen Eingriffsschwellen in Bezug auf die Dringlichkeit und die bedrohten Rechtsgüter in einer Weise begrenzend ausgestaltet sind, die diesem besonderen Eingriffsgewicht Rechnung trägt (siehe unten D. IV. 4. d).

IV.

138

Von diesen Grundsätzen ausgehend genügen die angegriffenen Vorschriften den Anforderungen an eine hinreichend bestimmte und dem Übermaßverbot entsprechende Ausgestaltung der Antiterrordatei in verschiedener Hinsicht nicht. Sie verletzen insoweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

139

1. Die Regelung des § 1 Abs. 2 ATDG zur Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei ist mit dem Bestimmtheitsgebot unvereinbar.

140

a) Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (vgl. BVerfGE 110, 33 <52 ff.>; 113, 348 <375 ff.>; 120, 378 <407 f.>). Der Gesetzgeber kann dabei, soweit er Anlass, Zweck und Ausmaß selbst festlegt, die genauere Bestimmung dieser Maßstäbe unter Umständen gemäß Art. 80 Abs. 1 GG an die Verwaltung delegieren, die diese dann durch Rechtsverordnung festzulegen hat. Auch hierbei handelt es sich jedoch um gesetzliche Grundlagen im materiellen Sinne, die nicht nur verwaltungsintern für die Behörden, sondern als Außenrecht auch für den Bürger und gegebenenfalls die Gerichte verbindlich sind. Das Bestimmtheitsgebot steht damit in enger Beziehung zu den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten, nach denen Eingriffe in die Grundrechte nur durch Gesetz und gegebenenfalls aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Umfang von Grundrechtseingriffen in den wesentlichen Aspekten im parlamentarischen Verfahren öffentlich unter Mitwirkung auch der nicht die Regierung tragenden Abgeordneten diskutiert, deren weitere generell-abstrakte Präzisierung durch die Verwaltung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG erkennbar als Konkretisierung dieser parlamentarischen Entscheidung ausgewiesen und die insoweit letztlich maßgeblichen Normen für alle verbindlich und durch Ausfertigung und Verkündung erkennbar bekanntgemacht werden. Die demokratische und rechtsstaatliche Funktion des Gesetzesvorbehalts greifen hierbei ineinander. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit gesetzlicher Regelung zu stellen sind, richtet sich dabei nach der Intensität der durch die Regelung oder aufgrund der Regelung erfolgenden Grundrechtseingriffe.

141

Nach diesen Maßstäben müssen die an der Antiterrordatei beteiligten Behörden entweder unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung bestimmt werden. Die Entscheidung, welche Behörde ihre Daten in die Datei einzustellen hat und welche Behörde zu deren Abruf berechtigt ist, entscheidet maßgeblich über Umfang und Inhalt der Datei sowie über das Ausmaß der weiteren Nutzung der Daten. Es handelt sich um ein wesentliches Regelungselement, das einer normenklaren und bestimmten Festlegung mit Wirkung nach außen bedarf. Vor allem aber intensiviert die Einbeziehung einer jeden weiteren Polizeivollzugsbehörde in den Informationsverbund des Antiterrordateigesetzes die Durchbrechung der informationellen Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden. Der Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden verleiht den mit dem Antiterrordateigesetz verbundenen Grundrechtseingriffen erhöhtes Gewicht (D. III. 3. a) aa). Dies setzen gerade die Regelungen über die Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei unter Durchbrechung der informationellen Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden auch organisationsrechtlich ins Werk. Die Regelungen über die teilnehmenden Behörden bilden damit den Kern des spezifischen grundrechtlichen Gefährdungspotenzials der Antiterrordatei.

142

b) § 1 Abs. 2 ATDG genügt weder für sich allein noch in Verbindung mit der Errichtungsanordnung gemäß § 12 ATDG den besonderen Anforderungen, die an die gesetzliche Bestimmung der Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei zu stellen sind.

143

aa) Eine hinreichend normenklare gesetzliche Festlegung, aus der sich die beteiligten Behörden unmittelbar selbst bestimmen lassen, liegt nicht schon in § 1 Abs. 2 ATDG allein. Zwar schließen die Bestimmtheitsanforderungen nicht grundsätzlich aus, dass der Gesetzgeber die abrufberechtigten Behörden einer Datei - je nach deren Art und Gegenstand - nur generell abstrakt festlegt. Wenn der Kreis dieser Behörden sich unmittelbar aus dem Gesetz hinreichend bestimmt erschließen lässt, kann es unschädlich sein, wenn hierbei die konkreten Behörden nicht ausdrücklich genannt sind (vgl. BVerfGE 130, 151 <199, 203>). So liegt es vorliegend jedoch nicht. § 1 Abs. 2 ATDG umschreibt die zu beteiligenden Behörden nur nach weiten und wertungsoffenen Kriterien. Er verweist auf anderweitige Aufgabenzuweisungen sowie auf Gesichtspunkte der Erforderlichkeit und Angemessenheit, die die Bestimmung der beteiligten Behörden letztlich für allgemeine sicherheitspolitische Opportunitätserwägungen öffnet. Die Vorschrift wird dabei, wie sich aus ihrem Regelungskontext ergibt, auch vom Gesetzgeber selbst nicht so verstanden, dass sie die zu beteiligenden Behörden selbst abschließend bestimmen soll. Vielmehr ergibt sich aus dem in § 12 Nr. 2 ATDG geregelten Erfordernis einer Festlegung dieser Behörden durch die Errichtungsanordnung sowie aus den in § 1 Abs. 2 und § 12 ATDG vorgesehenen - dabei nicht widerspruchsfreien - Benehmens-, Einvernehmens- und Zustimmungserfordernissen, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift den Kreis der beteiligten Behörden noch nicht unmittelbar selbst festlegen wollte, sondern dies nach Fachkriterien der eigenständigen Entscheidung der Exekutive überlassen wollte. Dass nach dem derzeitigen Stand der Errichtungsanordnung nur aus drei Bundesländern weitere Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei beteiligt werden, bestätigt dies. Jedenfalls bezogen auf eine Datei vom Eingriffsgewicht der Antiterrordatei genügt eine solche Offenheit der beteiligten Behörden den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

144

bb) Eine hinreichend klare Bestimmung der beteiligten Behörden ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 2 ATDG in Verbindung mit der Errichtungsanordnung gemäß § 12 Nr. 2 ATDG. Zwar bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Delegation der endgültigen Festlegung dieser Behörden auf die Verwaltung. Für eine solche Festlegung reicht angesichts der spezifischen Grundrechtsrelevanz der Bestimmung der an der Antiterrordatei teilnehmenden Behörden jedoch nicht eine Errichtungsanordnung als bloße Verwaltungsvorschrift, die weder gegenüber den in ihren Daten Betroffenen noch gegenüber den Gerichten rechtlich bindende Wirkung hat, und die auch nicht rechtsförmlich ausgefertigt und verkündet wird. Will der Gesetzgeber die Entscheidung über die beteiligten Behörden in die Hände der Exekutive legen, ist er hier nach Maßgabe des Art. 80 Abs. 1 GG auf die Form der Rechtsverordnung verwiesen.

145

2. Nicht in jeder Hinsicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar sind die Vorschriften, die den von der Datei erfassten Personenkreis festlegen. Einige dieser Bestimmungen verletzen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Andere bedürfen einer einengenden verfassungskonformen Auslegung.

146

a) Keinen Einwänden unterliegt allerdings § 2 Satz 1 Nr. 1 a ATDG. Die Vorschrift ordnet die Erfassung der Daten von Personen an, die möglicherweise einer terroristischen Vereinigung angehören oder sie unterstützen, und erfasst damit diejenigen, die im Fokus einer effektiven Terrorismusabwehr stehen. Indem die Vorschrift an Strafnormen anknüpft, die bereits ihrerseits strafbares Handeln schon weit in das Vorfeld von Rechtsgutverletzungen vorverlagern, und dabei schon "tatsächliche Anhaltspunkte" - gegebenenfalls auch nur für Unterstützungshandlungen - ausreichen lässt, öffnet die Vorschrift zwar beträchtlichen Raum für subjektive Einschätzungen der Behörden und ein weites Feld von Unwägbarkeiten. Im Rahmen der Antiterrordatei, die außerhalb von dringenden Eilfällen nur der Informationsanbahnung dient und in diesem Rahmen ermöglichen soll, auch ungesicherte Einschätzungen von Verdachts- und Gefahrenlagen noch im Vorfeld von Ermittlungen zu verwerfen oder zu erhärten, ist diese Ausgestaltung jedoch hinnehmbar. Bei sachgerechter Auslegung stellen diese Tatbestandsmerkmale immerhin hinreichend sicher, dass eine Speicherung nicht auf bloßen Spekulationen beruhen darf. Insbesondere bedürfen tatsächliche Anhaltspunkte einer Rückbindung an konkrete Erkenntnisse und ist der Begriff des Unterstützens - auch von den subjektiven Voraussetzungen her - wie in § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB zu verstehen (vgl. BTDrucks 16/2950, S. 15). Schließlich ermöglicht die die Speicherpflichten allgemein begrenzende Klausel am Ende von § 2 Satz 1 ATDG, nach der die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland erforderlich sein muss, Korrekturen, wenn im Einzelfall Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Speicherung bestehen. Zwar ist diese Klausel angesichts ihrer Offenheit ungeeignet, eine von vornherein an sich unbestimmte oder schon grundsätzlich zu weit gefasste Speicherungspflicht zu heilen. Sofern aber, wie vorliegend, eine grundsätzlich tragfähige Festlegung der zu speichernden Daten gegeben ist, ist die Klausel geeignet, für atypische Einzelfälle eine verfassungsrechtlich tragfähige Lösung zu ermöglichen.

147

b) § 2 Satz 1 Nr. 1 b ATDG, der den Kreis der erfassten Personen unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung terroristischer Vereinigungen erweitert, ist teilweise mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar und verfassungswidrig.

148

aa) Unbedenklich ist die Vorschrift allerdings insoweit, als sie Personen erfasst, die einer Gruppierung angehören, welche eine terroristische Vereinigung unterstützt. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit macht es keinen Unterschied, ob eine Unterstützung einzeln oder kollektiv erfolgt. Dementsprechend ist die Speicherung dieser Personen in gleicher Weise verhältnismäßig wie die Speicherung von Unterstützern einer terroristischen Vereinigung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 a (2. Alternative) ATDG.

149

bb) Demgegenüber wird der Kreis nochmals erweitert, indem die Vorschrift auch Personen erfasst, die eine unterstützende Vereinigung lediglich unterstützen. Ein Erfordernis eines subjektiven Bezugs zum Terrorismus ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Sie deckt ihrem Wortlaut und nicht fernliegenden Sinn nach damit auch eine Erstreckung der Speicherungspflicht auf Personen, die weit im Vorfeld und möglicherweise ohne Wissen von einem Terrorismusbezug eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen, wie zum Beispiel den Kindergarten eines Moscheevereins, den die Behörden jedoch der Unterstützung terroristischer Vereinigungen verdächtigen. Eine solche Öffnung der Norm für die Einbeziehung schon des weitesten Umfelds terroristischer Vereinigungen verstößt gegen den Grundsatz der Normenklarheit und ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Zwar steht es dem Gesetzgeber frei, auch die bloße Unterstützung von unterstützenden Vereinigungen als Grund für eine Speicherung vorzusehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie sich willentlich als Förderung der den Terrorismus unterstützenden Aktivitäten solcher Gruppierungen darstellt. Der Gesetzgeber hat dies gegebenenfalls aber in einer dem Grundsatz der Normenklarheit genügenden Weise in der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen. Dem Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 1 b ATDG lässt sich hierfür nichts entnehmen. Angesichts der Funktionsweise der Antiterrordatei, deren Anwendung den Betroffenen in der Regel nicht bekannt und auch nicht richterlich überprüft wird, darf hierüber keine Unklarheit verbleiben. Deshalb scheidet hier auch eine verfassungskonforme Auslegung aus.

150

c) Nicht vollständig mit der Verfassung vereinbar ist § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG. Die Vorschrift, die Einzelpersonen erfassen soll, die möglicherweise in einer Nähe zum Terrorismus stehen, verbindet eine Reihe von mehrdeutigen und potenziell weiten Rechtsbegriffen. Hinsichtlich der Begriffe der rechtswidrigen Gewalt und des vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt lässt sich eine Verfassungswidrigkeit wegen Stimmengleichheit im Senat nicht feststellen; nach Auffassung der vier Mitglieder des Senats, die die Entscheidung insoweit tragen (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), ist die Verwendung dieser Merkmale mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern den Merkmalen keine übermäßig weite Bedeutung beigelegt wird (aa). Nach der Auffassung der anderen vier Mitglieder des Senats, die für die Entscheidung im Ergebnis nicht tragend wird (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), müsste die Vorschrift weitergehend insoweit für verfassungswidrig erklärt werden (bb). Hingegen reicht das bloße Befürworten von Gewalt im Sinne dieser Vorschrift nach der einhelligen Auffassung des Senats für die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nicht. Die Vorschrift verstößt insoweit gegen das Übermaßverbot und ist verfassungswidrig (cc).

151

aa) (1) Zentral stellt die Vorschrift auf den Begriff der rechtswidrigen Gewalt ab. Zwar wird diesem Begriff an anderer Stelle der Rechtsordnung ein sehr weiter Sinn beigelegt, der als Anknüpfungspunkt für eine Qualifizierung der betroffenen Personen als in der Nähe des Terrorismus stehend zu wenig signifikant wäre, als dass er den betroffenen Personenkreis in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Weise eingrenzen und eine Speicherung der Daten der Betreffenden verfassungsrechtlich tragen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat verfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen, dass die Strafgerichte im Zusammenhang mit dem Nötigungstatbestand (§ 240 StGB) bei der strafrechtlichen Beurteilung von Blockadeaktionen für die Bejahung einer Gewaltanwendung schon die körperliche Kraftentfaltung durch Anbringung von mit Personen verbundenen Metallketten an den Pfosten eines Einfahrtstors genügen ließen, weil die Ankettung der Demonstration eine über den psychischen Zwang hinausgehende Eignung gab, Dritten den Willen der Demonstranten aufzuzwingen (vgl. BVerfGE 104, 92 <102>). Laut Auskunft der Sicherheitsbehörden in der mündlichen Verhandlung wird das Merkmal rechtswidriger Gewalt in der Praxis jedoch enger verstanden. Im Rahmen des hier zu überprüfenden Gesetzes wäre eine weite Auslegung des Begriffs der rechtswidrigen Gewalt im Sinne des strafrechtlichen Nötigungstatbestandes auch weder durch den Wortlaut noch durch die Zielsetzung des Gesetzes nahegelegt. Entsprechend der gegen terroristische Straftaten gewendeten Zielrichtung der Antiterrordatei ist der Begriff vielmehr dahin zu verstehen, dass er nur Gewalt umfasst, die unmittelbar gegen Leib und Leben gerichtet oder durch den Einsatz gemeingefährlicher Mittel geprägt ist. In dieser Auslegung bestehen gegen die Verhältnismäßigkeit des durch Verwendung des Gewaltbegriffs in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG erfassten Personenkreises keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

152

(2) Erfasst werden nach § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG zudem sowohl Personen, die Gewalt anwenden, unterstützen und vorbereiten, als auch solche, die sie nur befürworten oder durch ihre Tätigkeit vorsätzlich hervorrufen. Dies eröffnete unverhältnismäßig weite Eingriffsmöglichkeiten, wenn für das vorsätzliche Hervorrufen von Gewalt auch der Eventualvorsatz im Sinne strafrechtlicher Terminologie als ausreichend angesehen würde. Wird dem Merkmal des vorsätzlichen Hervorrufens von Gewalt hier jedoch eine Bedeutung beigelegt, wonach nur das willentliche Hervorrufen von Gewalt erfasst ist, wahrt dies den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

153

bb) Nach Auffassung der anderen vier Mitglieder des Senats, die für die Entscheidung im Ergebnis nicht tragend wird (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), ist § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG wegen fehlender Bestimmtheit und übermäßiger Reichweite insgesamt als verfassungswidrig zu erklären. Dem lässt sich nicht dadurch entgehen, dass den Begriffen der rechtswidrigen Gewalt und des vorsätzlichen Hervorrufens eine von den aus dem Strafrecht allgemein bekannten Begrifflichkeiten abweichende engere Interpretation unterlegt wird. Ein solcher Rückgriff auf eine verfassungskonforme Auslegung ist inkonsequent und weicht die datenschutzrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen auf.

154

(1) Wie auch die die Entscheidung tragenden Senatsmitglieder sehen, sind maßgebliche Merkmale dieser Vorschrift mehrdeutig und werden an anderer Stelle der Rechtsordnung - und zwar in einem für die Begriffsvorstellungen des Rechtsalltags grundlegenden Bereich des Strafrechts - in einer Weise weit verstanden, die im Kontext der Antiterrordatei mit den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot nicht vereinbar ist. So stellt die Vorschrift allgemein auf den Begriff der rechtswidrigen Gewalt ab. Nach eingeführten strafrechtlichen Definitionen reicht hierfür schon das Errichten von physischen Barrieren auf einer Straße (vgl. BVerfGE 104, 92 <101 f.>; BVerfGK 18, 365 <369>). Danach berechtigte - bei einem entsprechenden thematischen Bezug - schon die Durchführung von bloßen Blockadeaktionen mit Anketten zur Aufnahme in die Antiterrordatei. Eine zusätzliche Erweiterung liegt darin, dass für eine Speicherung schon das vorsätzliche Hervorrufen solcher Gewalt genügt. Nach den gängigen Vorsatzlehren des Strafrechts ist dieses Merkmal erfüllt, wenn der Betreffende damit rechnet, dass von ihm veröffentlichte Bilder oder Texte Dritte - auch wider seinen Willen - zu Ausschreitungen veranlassen. Solche Auslegungen sind auch nicht etwa fernliegend: Sie knüpfen an den Wortlaut und an allgemein anerkannte strafrechtliche Auslegungsgrundsätze an, auf die zurückzugreifen im Kontext der Norm, die selbst auf Strafrechtsnormen verweist, naheliegt. Sie können aus Sicht der Sicherheitsbehörden auch sinnvoll und attraktiv erscheinen: Sie erlaubten es, einen nochmals wesentlich weiteren Kreis von Personen auch aus dem bloßen Umfeld des Terrorismus zunächst grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Datei umfasst anzusehen. Deren Eingrenzung könnten sie dann unter Rückgriff auf die salvatorische Klausel am Ende des § 2 ATDG, nach der die Daten nur zu speichern sind, wenn ihre Kenntnis zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, nach sehr subjektiven Kriterien vornehmen.

155

(2) Eine einengende verfassungskonforme Auslegung kommt hier nicht in Betracht.

156

(a) Eine solche Auslegung scheidet für § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG schon deshalb aus, weil der im Zentrum der Norm stehende Begriff der "rechtswidrigen Gewalt" vom Gesetzgeber bewusst weit und offen gewählt wurde. Im Gesetzgebungsverfahren waren die Unschärfe und übermäßige Reichweite des Gewaltbegriffs Gegenstand ausdrücklicher Kritik (BTPlenarprotokoll 16/71, S. 7100; BT Innenausschuss, Protokoll Nr. 16/24, S. 55; A-Drucks 16(4)131 D, S. 10; A-Drucks 16(4)131 J, S. 10) und wurde zu dessen Eingrenzung sogar ein eigener Gegenvorschlag eingebracht, wonach in Anlehnung an § 129a Abs. 2 StGB rechtswidrige Gewalt nur als Anknüpfungspunkt für die Speicherung dienen sollte, "wenn dies[e] dazu bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen und vom Handeln der Person die Gefahr einer erheblichen Schädigung eines Staates oder einer internationalen Organisation ausgeht" (vgl. BTDrucks 16/3642, S. 14 f.). Man hatte damit versucht, den Gewaltbegriff ähnlich einzuengen, wie dies auch in internationalen und europäischen Bestimmungen zur Terrorismusbekämpfung erstrebt wird (vgl. Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164/3 vom 22. Juni 2002, Art. 1; Entwurf einer Allgemeinen Konvention zum internationalen Terrorismus, in: Measures to eliminate international terrorism, Report of the Working Group vom 3. November 2010, UN Doc. A/C.6/65/L.10.). Hierüber hat sich der Gesetzgeber jedoch in bewusster Entscheidung hinweggesetzt - ersichtlich um den Sicherheitsbehörden weiteren Freiraum zu belassen. Eine solche Entscheidung kann dann aber nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung korrigiert werden.

157

(b) Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet hier aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen aus. Wenn die gesetzliche Eingriffsgrundlage in der genannten Weise offen formuliert ist und bei Zugrundelegung anerkannter Begriffsdefinitionen nicht fernliegend auch eine derart ausgreifende Auslegung trägt, genügt sie als Grundlage für eine Datenverarbeitung, wie sie vorliegend in Rede steht, nicht dem Grundsatz der Normenklarheit und ist unverhältnismäßig. Der Grundsatz der Normenklarheit zielt gerade darauf, dem Gesetzgeber hinsichtlich der Anforderungen an Grundrechtseingriffe selbst hinreichend klare Entscheidungen abzuverlangen, die die Wahrung des Übermaßverbots hinreichend verlässlich sicherstellen. Werden diese Anforderungen vom Gesetzgeber verfehlt, kann das Bundesverfassungsgericht dieses Manko nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung heilen. Der Rückgriff auf die verfassungskonforme Auslegung - mit der im Grunde jede Blankettermächtigung eingegrenzt werden könnte - nimmt die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und damit seine Maßstäbe substantiell zurück. Dies führt notwendig zu Inkonsequenzen: Welche der offenen Rechtsbegriffe einer verfassungskonformen Auslegung noch zugänglich sind, welche aber nicht, lässt sich kaum mehr nachvollziehbar abgrenzen. So auch vorliegend: Warum in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG die Begriffe der "Gewalt" und des "vorsätzlichen Hervorrufens" einer verfassungskonform einengenden Auslegung noch zugänglich sein sollen, der Begriff des "Befürwortens" in derselben Vorschrift oder des "Unterstützens einer unterstützenden Gruppierung" in § 2 Satz 1 Nr. 1 b ATDG hingegen nicht, lässt sich überzeugend nicht begründen.

158

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Rechtsordnung auch sonst unbestimmte Rechtsbegriffe kennt und Normen immer auslegungsbedürftig sind; kein Einwand ist auch, dass dementsprechend der Gewaltbegriff in verschiedenen Zusammenhängen verschiedene Bedeutung hat. Denn die Anforderungen an die Bestimmtheit und eine hinreichend klare Begrenzung von Rechtsgrundlagen unterscheiden sich je nach Sachbereich und Regelungszusammenhang. Im Datenschutzrecht sind die Anforderungen an die Bestimmtheit und Normenklarheit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders hoch (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 118, 168 <187>; 120, 378 <408>) - und dies muss insbesondere für die Antiterrordatei gelten, die den Datenaustausch von Sicherheitsbehörden noch im Vorfeld von Ermittlungen regelt. Denn anders als der Gesetzesvollzug etwa durch Verwaltungsakt, bei dem behördliche Maßnahmen an den Einzelnen adressiert und mit einer Begründung versehen werden sowie im Einzelfall gerichtlich überprüfbar sind, vollzieht sich die Datenverarbeitung nach dem Antiterrordateigesetz außerhalb jeder unmittelbaren Wahrnehmbarkeit. Sie bleibt informell und gegenüber dem Betroffenen ohne Begründung und kann in der Regel auch nicht gerichtlich überprüft werden. Während eine gewisse Unbestimmtheit von Eingriffsgrundlagen sonst im kontradiktorischen Wechselspiel und durch schrittweise Entwicklung von Auslegungsregeln konkretisiert werden kann, müssen sich hier die Grenzen der Datenverarbeitung für den Betroffenen verlässlich und für die Sicherheitsbehörden möglichst aus sich heraus erkennbar unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.

159

Diese qualifizierten Bestimmtheitsanforderungen des grundrechtlichen Datenschutzes beruhen auch nicht auf übersteigertem Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden. Vielmehr sollen diese Anforderungen gerade für die noch nicht oder wenig formalisierten Phasen der sicherheitsbehördlichen Aufgabenwahrnehmung, in denen die Datenverarbeitung oftmals eine besondere Rolle spielt, aus sich heraus eindeutige Bedingungen gewährleisten, die die Behörden bei der Wahrnehmung ihrer anspruchsvollen Aufgaben möglichst klar anleiten und auch von Zweifelsfragen entlasten.

160

(c) Eine verfassungskonforme Auslegung ist auch nicht in Respekt vor dem Gesetzgeber geboten. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit dem Antiterrordateigesetz ein anspruchsvolles und differenziertes Regelungskonzept verwirklicht hat, das in verschiedener Hinsicht durch rechtsstaatliche Mäßigung und das ernsthafte Bestreben der Gewährleistung eines angemessenen Datenschutzes gekennzeichnet ist. Die verfassungsrechtliche Beurteilung der konkreten Vorschriften, die dieses Konzept umsetzen, kann sich jedoch nicht nach einer Gesamtbewertung der politischen Anstrengungen des Gesetzgebers richten. Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, die verfassungsrechtlichen Maßstäbe hiervon unabhängig auch im Einzelnen zur Geltung zu bringen und damit sicherzustellen, dass die in der Gesamtanlage zugrundegelegte Rechtsstaatlichkeit nicht durch offene Einzelbestimmungen wieder entgleitet. Der Respekt vor dem Gesetzgeber gebietet es vielmehr umgekehrt, von einer eigenen Eingrenzung der datenschutzrechtlichen Anforderungen durch das Gericht abzusehen und stattdessen die Vorschriften für verfassungswidrig zu erklären: Anstatt ihm eine vom Regelungsziel her vielleicht naheliegende, aber ersichtlich nicht gewollte Regelung - jedenfalls bis auf weiteres - durch Auslegung zuzuschreiben, würde dies die Aufgabe der maßgeblichen Grenzziehungen in Wahrung seiner Zuständigkeit an ihn zurückspielen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dies den Gesetzgeber aus fachlichen oder sonst regelungsbedingten Gründen vor besondere Schwierigkeiten gestellt hätte.

161

cc) Besonders weit reicht das Merkmal des Befürwortens von Gewalt. Hier stellt der Gesetzgeber allein auf eine innere Haltung ab, die sich in keinerlei gewaltfördernden Aktivitäten niedergeschlagen haben muss. Die Verwendung dieses Merkmals ist mit der Verfassung nicht vereinbar und die Vorschrift insoweit verfassungswidrig. Die prinzipiell überschießende Reichweite dieses Kriteriums kann auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ausgeräumt werden. Zwar nennt die Gesetzesbegründung als Beispiel nur Hassprediger, gegen deren Aufnahme in die Datei im Falle eines öffentlichen Anstachelns zu Hass und Gewalt verfassungsrechtlich keine grundsätzlichen Bedenken bestehen. Jedoch ist eine Beschränkung auf solche Fälle in dem grundsätzlich weitergreifenden Wortlaut nicht angelegt. Vielmehr legt dieser ein Verständnis nahe, nach dem es allein auf eine entsprechende Haltung ankommt. Insofern reicht es danach aus, dass hierauf aus tatsächlichen Anhaltspunkten rückgeschlossen werden kann. Das Anknüpfen an ein solches Kriterium, das unmittelbar auf das forum internum abstellt und damit auf den unverfügbaren Innenbereich des Individuums zugreift, ist besonders geeignet, einschüchternde Wirkung auch für die Wahrnehmung der Freiheitsrechte wie insbesondere der Glaubens- und Meinungsfreiheit zu entfalten. Das Gesetz macht hier die subjektive Überzeugung als solche zum Maßstab und legt damit Kriterien zugrunde, die vom Einzelnen nur begrenzt beherrscht und durch rechtstreues Verhalten nicht beeinflusst werden können. Die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nach Maßgabe eines solchen Kriteriums ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG ist insoweit verfassungswidrig.

162

d) Verfassungswidrig ist auch § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG. Die dort vorgesehene Einbeziehung von Kontaktpersonen ist weder mit dem Bestimmtheitsgrundsatz noch mit dem Übermaßverbot vereinbar.

163

§ 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG bestimmt, dass auch bloße Kontaktpersonen der in den vorangehenden Nummern erfassten Personen in die Antiterrordatei aufzunehmen sind. Das Gesetz erfasst diese als eigene Gruppe, deren Daten den beteiligten Behörden in gleicher Weise zugänglich gemacht werden wie die der anderen in der Datei erfassten Personen. In die Datei aufzunehmen sind dabei auch solche Kontaktpersonen, die von einem Terrorismusbezug der Hauptperson nichts wissen - insoweit allerdings nur mit den einfachen Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG). Soweit es um Kontaktpersonen geht, die um den Terrorismusbezug der betreffenden Hauptperson wissen, sind darüber hinaus auch die erweiterten Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG) in die Datei einzustellen.

164

Die Regelung zur Einbeziehung der Kontaktpersonen als eigene Gruppe in den auch Klarinformationen umfassenden Datenaustausch genügt den Bestimmtheitsanforderungen nicht. Welche Personen tatsächlich in die Datei aufzunehmen sind, ist auf ihrer Grundlage nicht vorhersehbar. Auch wenn der Gesetzgeber Personen mit nur flüchtigem oder zufälligem Kontakt ausnimmt, erfasst die Norm im Übrigen die Personen des gesamten gesellschaftlichen Lebensumfelds der in den Nummern 1 und 2 der Vorschrift Genannten - sowohl die des privaten Umfeldes, als auch solche, die in beruflichen oder geschäftlichen Kontakten zu ihnen stehen. Ersichtlich aber sollen nicht alle danach in Betracht kommenden Personen tatsächlich in die Datei aufgenommen werden. In der mündlichen Verhandlung wurde dargelegt, dass die Zahl der zurzeit tatsächlich erfassten Kontaktpersonen gering sei und hinsichtlich der "undolosen" Kontaktpersonen nur 141 Personen erfasse. Die zunächst äußerst weit definierte Gruppe soll vielmehr nach Maßgabe der Schlussklausel am Ende des § 2 Satz 1 ATDG, nach der die Kenntnis der entsprechenden Daten für die Terrorismusabwehr erforderlich sein muss, wieder weitgehend eingeschränkt werden. Damit wird den Behörden aber kein hinreichend bestimmter Maßstab an die Hand gegeben. Vielmehr bleibt die Bestimmung der zu speichernden Daten letztlich deren freier Einschätzung überlassen.

165

Angesichts der kaum übersehbaren Reichweite des potenziell durch die Regelung erfassten Personenkreises verstößt sie auch gegen das Übermaßverbot. Allerdings ist verfassungsrechtlich nicht prinzipiell ausgeschlossen, Daten auch von Kontaktpersonen in der Antiterrordatei bereitzustellen. In der Regel sind solche Personen, die nicht unter die Nummern 1 und 2 der Vorschrift fallen und damit selbst nicht als potenzielle Unterstützer von terroristischen Aktivitäten gelten, aber nach dem Zweck der Datei nur insoweit von Interesse, als sie Aufschluss über die als terrorismusnah geltende Hauptperson vermitteln können. Hieran muss sich auch die gesetzliche Ausgestaltung orientieren. Möglich wäre es insoweit etwa, Kontaktpersonen mit wenigen Elementardaten zu erfassen und diese - entsprechend der derzeitigen Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b oo ATDG - als Information zu der entsprechenden terrorismusnahen Hauptperson nur verdeckt recherchierbar zu speichern. Es könnte so immerhin sowohl die Suche nach Kontaktpersonen durch eine Abfrage, die sich auf die Hauptperson bezieht, ermöglicht werden als auch eine verdeckte Recherche nach dem Namen einer Kontaktperson selbst, die im Trefferfall freilich nur zu einem Nachweis auf die informationsführende Behörde und das dazugehörige Aktenzeichen führte (vgl. auch unten D. IV. 4. c). Eine solche Regelung wäre angesichts des deutlich geringeren Eingriffsgewichts trotz der verbleibenden Weite der potenziell erfassten Personen auch mit den Bestimmtheitsanforderungen vereinbar, die maßgeblich auch von dem Gewicht des in Frage stehenden Grundrechtseingriffs abhängen (vgl. BVerfGE 59, 104 <114>; 86, 288 <311>; 117, 71 <111>). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Kontaktpersonen handelt, die um den Terrorismusbezug der betreffenden Hauptperson wissen oder nicht.

166

3. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a und b ATDG geregelte Umfang der erfassten Daten. Allerdings bedarf es hinsichtlich § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG ergänzender Regelungen zu den in der Norm zum Teil enthaltenen Konkretisierungsanforderungen an die Verwaltung.

167

a) Keinen verfassungsrechtlichen Einwänden unterliegt die Bestimmung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG umschriebenen Grunddaten, die den beteiligten Behörden ohne qualifizierte Eingriffsschwellen als Klarinformationen zur Verfügung gestellt werden.

168

Umfang und Aussagekraft dieser Daten sind allerdings durchaus erheblich. Da mit ihnen nicht nur aktuelle Informationen, sondern auch frühere Namen, Adressen, Staatsangehörigkeiten und Lichtbilder erfasst werden, können sie einen Teil des Lebenswegs der betreffenden Person erkennbar machen. Überdies umfasst die Vorschrift sensible Daten. Hierzu gehören insbesondere die Angaben zu besonderen körperlichen Merkmalen. Auch wenn hierunter bei sachgerechtem Verständnis nur äußere, mit erkennungsdienstlichen Maßnahmen feststellbare Merkmale zu verstehen sind, werden dadurch höchstpersönliche Eigenheiten erfasst. Ähnliches gilt für die in die Datei aufzunehmenden Informationen, die der Sache nach die Herkunft betreffen. Zwar knüpft die Vorschrift nicht differenzierend und potenziell stigmatisierend an eine bestimmte Herkunft an, sondern sieht entsprechende Angaben für alle erfassten Personen gleichermaßen vor. Auch insoweit aber sind diese Angaben nicht belanglos.

169

Dennoch ist die Bestimmung mit dem Übermaßverbot vereinbar. Die Umschreibung der Daten ist hinreichend bestimmt und ihre Reichweite auch bei Gesamtsicht verhältnismäßig. Mit ihnen wird - beschränkt auf möglicherweise terrorismusnahe Personen (siehe oben D. IV. 2.) - ein zwar aussagekräftiges, aber letztlich doch auf äußerliche Parameter beschränktes Grundprofil zur genaueren Identifizierung der Betroffenen erstellt. Angesichts der Bedeutung der Terrorismusbekämpfung ist dies auch unter Einbeziehung der Daten der Nachrichtendienste verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Daten nicht neu ermittelt werden, die Datei also nicht auf die investigative Erstellung eines hinsichtlich der Grunddaten vollständigen Profils zielt, sondern lediglich die Zusammenführung der bei den einzelnen Behörden bereits vorliegenden Daten bewirkt. Freilich dürfte die Speicherung im Ergebnis zu einem großen Teil auch Personen betreffen, bei denen sich letztlich herausstellen wird, dass sie mit dem Terrorismus nichts zu tun haben. Jedoch ist dies für eine Datei, die den Behörden ermöglichen soll, Informationen zu möglichen terroristischen Aktivitäten erst zusammenzufügen, unvermeidbar. Angesichts des hohen Ranges der gegebenenfalls durch terroristische Gewalttaten bedrohten Rechtsgüter sowie der zum Teil sehr schwer aufklärbaren Strukturen gerade von internationalen terroristischen Aktivitäten (siehe oben D. III. 3. b) ist eine solche Vorverlagerung der Terrorismusbekämpfung durch die Zusammenfügung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG erfassten Grunddaten rechtsstaatlich nicht ausgeschlossen.

170

b) Keinen verfassungsrechtlichen Einwänden hinsichtlich des Übermaßverbots unterliegt auch der Umfang der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG zu speichernden erweiterten Grunddaten, die den beteiligten Behörden grundsätzlich nur zur verdeckten Recherche und als Klardaten in Eilfällen zur Verfügung gestellt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass für diejenigen Merkmale, deren Gehalt erst durch eine weitere abstrakt-generelle Konkretisierung der Verwaltung Profil gewinnt, die für die Anwendung maßgeblichen Konkretisierungen nachvollziehbar dokumentiert und veröffentlicht werden.

171

aa) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Speicherung der Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b aa bis ff, jj, ll, mm, oo, pp und qq ATDG.

172

(1) Die nach diesen Vorschriften in die Antiterrordatei einzustellenden Merkmale sind vom Gesetzgeber hinreichend bestimmt gefasst und nicht auf den Zwischenschritt einer abstrakt-generellen Konkretisierung durch die Verwaltung angelegt. Die Reichweite der Speicherungspflicht ist aus ihnen unmittelbar erkennbar, und ihre Anwendung kann im Rahmen der aufsichtlichen und gegebenenfalls gerichtlichen Kontrolle ohne weiteres geprüft werden. Dass die Merkmale zum Teil in standardisierter Form mittels eines Computerprogramms gespeichert werden, ist unerheblich. Die interne Vorgabe von Standards hat keine andere Bedeutung als Vorgaben durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften sonst. Dies gilt jedenfalls vorliegend, wo den Behörden eine Anwendung der Vorschriften gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG auch in Ergänzung zu den vorgegebenen Standards möglich ist.

173

(2) Die nach diesen Vorschriften zu erfassenden Merkmale sind auch in Blick auf Umfang und Aussagegehalt mit dem Übermaßverbot vereinbar.

174

Allerdings reicht die mögliche Aussagekraft dieser Daten weit. Mit den Telekommunikationsanschlüssen, -endgeräten und E-Mailadressen werden praktisch alle modernen Kommunikationsmittel und mit den Bankverbindungen die Koordinaten praktisch aller größeren finanziellen Transaktionen erfasst; zugleich wird durch die Speicherung der genutzten Fahrzeuge eine Grundlage für Beobachtungen zur privaten Mobilität geschaffen. Dies sind die Basisdaten eines großen Teils individueller Kommunikation. Verbunden werden diese Daten überdies mit Angaben zur Ausbildung, zu individuell erworbenen Fähigkeiten und persönlichen Umständen, die Einblick in die persönliche Biographie geben. In der Kombination der verschiedenen Angaben, zumal verbunden mit den einfachen Grunddaten, lassen sich detaillierte Aussagen zu den Betroffenen zusammentragen, die sich leicht zu einem verdichteten Steckbrief zusammenfügen. Gewicht hat dies insbesondere, weil in der Datei aus verschiedenen Erhebungskontexten auch Daten der Nachrichtendienste mit denen der Polizeibehörden zusammengeführt werden (siehe oben D. III. 3. a) aa).

175

Umgekehrt ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Vorschriften nicht eine Erhebung neuer Daten, sondern allein die Zusammenführung von bei den einzelnen Behörden bereits vorhandenen Daten vorsehen. Vor allem aber stehen diesem Eingriffsgewicht die überaus gewichtigen öffentlichen Interessen einer effektiven Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegenüber (siehe oben D. III. 3. b). Angesichts der eminenten Gefahren terroristischer Straftaten für höchste individuelle Rechtsgüter und die Rechtsordnung als Ganze ist die zusammenführende Speicherung dieser Daten bei einer Gesamtabwägung für die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele mit dem Übermaßverbot vereinbar.

176

Dies gilt zunächst für das Ziel, diese Daten in Eilfällen als Klarinformationen zu einer handlungsanleitenden ersten Gefahreneinschätzung bereitstellen zu können. Soweit der Gesetzgeber damit in besonders dringenden Gefahrensituationen das Ergreifen von polizeilichen Maßnahmen ermöglichen will - und die Nutzung auf solche gewichtigen Notfälle begrenzt (so in § 5 Abs. 2 ATDG, siehe unten D. IV. 4. d) -, ist die zusammenführende Bereitstellung dieser bei den verschiedenen Diensten vorhandenen Daten verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

177

Dies gilt aber auch für den weiteren mit der Speicherung dieser Daten verfolgten Zweck, nämlich für deren verdeckte Nutzung zur Informationsanbahnung. Denn gerade weil die mit diesen Daten geschaffenen Aufklärungsmöglichkeiten inhaltlich weit reichen, können sie Ermittlungen zur Terrorismusabwehr wesentlich zielführender machen und besteht an ihrer Bereitstellung auch ein gewichtiges öffentliches Interesse. Weil die Daten dabei auf einen terrorismusnahen Personenkreis und auf bereits erhobene Daten beschränkt bleiben, ist gegen ihre Bereitstellung grundsätzlich nichts einzuwenden. Entscheidend für die erweiterten Grunddaten ist dabei, dass sie den Behörden zur Informationsanbahnung nur verdeckt bereitgestellt, als Klarinformationen aber nur nach Maßgabe des Fachrechts übermittelt werden. Zwar nimmt ihnen dies nicht schon überhaupt das Eingriffsgewicht. Auch die verdeckte Bereitstellung eröffnet eine Nutzungsmöglichkeit außerhalb ihres ursprünglichen Kontexts durch den Abgleich der verschiedenen Daten untereinander sowie mit anderen Informationen und kann neue Erkenntnisse schaffen, mit denen eine fachrechtliche Übermittlung dieser Daten erst zielführend möglich und zulässig wird (siehe oben D. III. 3. a) bb) [2]). Jedoch wird das Eingriffsgewicht der Speicherung durch eine nur verdeckte Bereitstellung deutlich gemindert. Denn bei einer verdeckten Bereitstellung der Daten ist - wenn das Nutzungsregime konsequent ausgestaltet ist (siehe unten D. IV. 4. c) - gewährleistet, dass die Daten den ermittelnden Behörden durch die Abfragen noch nicht unmittelbar selbst bekannt werden, sondern erst auf Grundlage der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften und deren differenzierter Eingriffsschwellen und Voraussetzungen. Personenbezogene Informationen ergeben sich folglich aus diesen Daten allenfalls im Rückschluss aus der Treffermeldung, nicht aber aus einer Übermittlung dieser Daten selbst. Eine zusammenführende Speicherung von Daten zu einer in dieser Art auf die Vorbereitung eines Austauschs beschränkten verdeckten Nutzung darf sich auch auf die hier in Frage stehenden erweiterten Grunddaten erstrecken.

178

bb) Mit der Verfassung vereinbar ist auch die Speicherung der Merkmale gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG. Für diese Merkmale hat der Gesetzgeber jedoch sicherzustellen, dass die für ihre Anwendung erforderlichen Konkretisierungen durch die Verwaltung dokumentiert und veröffentlicht werden.

179

(1) Die Vorschriften genügen dem Bestimmtheitsgebot.

180

Allerdings sind diese Bestimmungen besonders konkretisierungsbedürftig und lassen aus sich heraus für die Bürgerinnen und Bürger noch nicht abschließend erkennbar werden, welche Informationen tatsächlich in der Datei erfasst werden. So reicht etwa das Spektrum der besonderen Fähigkeiten zur Vorbereitung und Durchführung terroristischer Straftaten, der Tätigkeiten in öffentlichen Amtsgebäuden oder der Orte und Gebiete, an denen sich terrorismusnahe Personen treffen, außerordentlich weit. Auch lässt sich, was unter Volks- oder Religionszugehörigkeit erfasst werden soll, angesichts der verschieden ausdifferenzierten Konkretisierungsmöglichkeiten schwer aus der Norm allein einschätzen. Die genaue Festlegung der in der Datei aufzunehmenden Informationen soll dementsprechend auch nach dem Verständnis des Gesetzgebers noch nicht abschließend in den gesetzlichen Bestimmungen selbst liegen, sondern erst in weiteren abstrakt-generellen Konkretisierungen der Sicherheitsbehörden, die diese auf einer ersten Stufe mittels der Errichtungsanordnung gemäß § 12 Nr. 3 ATDG und schließlich in einem standardisierten Computerprogramm festzulegen haben (vgl. BTDrucks 16/2950, S. 17). Ungeachtet der Ausgestaltung des § 3 Abs. 1 ATDG als strikte Speicherungspflicht wollte der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen ersichtlich nicht abschließend festlegen, dass alle Informationen, die unter die hier genannten Tatbestandsmerkmale subsumiert werden können, tatsächlich in die Datei aufzunehmen sind. Vielmehr sollen hierüber erst die Behörden entscheiden.

181

Trotz dieser Offenheit und Konkretisierungsbedürftigkeit genügen die Vorschriften im Gesamtkontext der Datei den Anforderungen der Normenklarheit und dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Bestimmtheitsgebot verbietet nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (BVerfGE 118, 168 <188>). Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfGE 78, 205 <212>; vgl. auch BVerfGE 110, 370 <396>; 117, 71 <111>). Erforderlich ist, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodenlehre hinreichend konkretisieren lassen und verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justiziabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. BVerfGE 21, 73 <79 f.>; 118, 168 <188>; 120, 274 <316>; stRspr).

182

Im Kontext der primär auf die Informationsanbahnung der heterogenen Sicherheitsbehörden ausgerichteten Antiterrordatei mit ihrem Ziel, verstreute und auch nicht gesicherte Erkenntnisse zur Effektivierung der Terrorismusabwehr für andere Behörden leichter erschließbar zu machen, kann eine präzisere gesetzliche Umschreibung der zu speichernden Daten sinnvoll nicht verlangt werden. Die Frage, welche Aspekte im Einzelnen für die Ermittlungen erheblich sein können, steht in enger Wechselwirkung mit dem Kenntnisstand der Behörden, kann sich kurzfristig durch unvorhergesehene Ereignisse ändern und dann eine zügige Aktualisierung erfordern. Die abschließende Eingrenzung der relevanten Kriterien ist insoweit nur auf der Grundlage spezifisch fachlicher Einblicke und aktueller Einschätzungen möglich. Unter diesen Umständen ist aus dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die zu speichernden Daten noch konkretisierungsbedürftig offen umschreibt und ein gestuftes Verfahren für deren Konkretisierung bei der Anwendung vorsieht, in dem die tatsächlich in die Datei einzustellenden Angaben nach fachlichen Kriterien präzisiert und eingegrenzt werden. Eine solche Konkretisierung ist, auch wenn sie abstrakt-generelle Festlegungen von erheblicher Bedeutung enthält, keine Aufgabe, die zwingend dem Gesetzgeber selbst obliegt. Vielmehr kann sie im gewaltenteiligen Staat rechtsstaatlich unbedenklich der Exekutive anvertraut werden. Maßgeblich ist hierbei, dass der Gesetzgeber den Behörden vorliegend nicht etwa eine Blankettvollmacht erteilt, sondern die Merkmale konkretisierungsfähig umschrieben hat. Die Gesichtspunkte und Zielrichtung der zu speichernden Daten sind gesetzlich in einer Weise sachhaltig formuliert und mit Beispielen und Beurteilungsgesichtspunkten unterlegt, dass sie als Grundlage einer Konkretisierung durch die Verwaltung aussagekräftig sind und hierfür klare Leitlinien und Grenzen enthalten. Zu berücksichtigen ist hierbei wiederum, dass es allein um die Konkretisierung des Umfangs der in die Datei einzustellenden, bei den einspeichernden Behörden bereits vorhandenen Daten zu solchen Personen geht, die als dem Terrorismus möglicherweise nahestehend angesehen werden können und insoweit vom Gesetzgeber selbst hinreichend begrenzt umschrieben sein müssen (siehe oben D. IV. 2.).

183

(2) Als Ausgleich für die Offenheit und Konkretisierungsbedürftigkeit dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass die für die Anwendung der Bestimmungen im Einzelfall letztlich maßgebliche Konkretisierung und Standardisierung seitens der Sicherheitsbehörden nachvollziehbar dokumentiert und veröffentlicht wird.

184

Angesichts der aus dem Gesetz selbst nur begrenzt erkennbaren Bedeutung der gesetzlichen Merkmale in der Anwendungspraxis bedürfen sie nachvollziehbarer Konkretisierung und Standardisierung durch die Verwaltung. Die Unbestimmtheit der hier zu beurteilenden Vorschriften bedarf deshalb eines Ausgleichs durch besondere Konkretisierungs- und Transparenzanforderungen an die Verwaltung, weil die Anwendung der vorliegenden Datei in der Regel von den Betroffenen nicht wahrgenommen wird und sich die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe damit nicht im Wechselspiel von Verwaltungsakt und gerichtlicher Kontrolle vollzieht. Mangels verwaltungsgerichtlicher Kontrolle fällt somit ein zentraler Mechanismus notwendiger Begrenzung unbestimmter Befugnisnormen weitgehend aus. Zur Kompensation dieser Besonderheit hat der Gesetzgeber zu gewährleisten, dass die Verwaltung die für die Anwendung der Antiterrordatei im Einzelfall maßgeblichen Vorgaben und Kriterien in abstrakt-genereller Form festlegt und verlässlich dokumentiert (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 193 ff.) wie auch in einer vom Gesetzgeber näher zu bestimmenden Weise veröffentlicht. Eine solche Festlegung, Dokumentation und Offenlegung dient zum einen der Einhegung der der Verwaltung eingeräumten Befugnisse, indem sie einer uferlosen oder missbräuchlichen Anwendung der Vorschrift vorbaut (vgl. SächsVerfGH, a.a.O., Rn. 198). Zum anderen sichert sie ein hinreichendes Kontrollniveau. Die Dokumentation und Offenlegung der von der Verwaltung festgelegten Kriterien versetzt insbesondere die Datenschutzbeauftragten in die Lage, zu kontrollieren, ob die sich auch nach Vorstellung des Gesetzgebers in Stufen vollziehende Anwendung der Vorschriften durch die Exekutive rationalen Kriterien folgt und durch Sinn und Zweck des Gesetzes geleitet ist.

185

Die derzeitige Rechtslage genügt diesen Anforderungen nicht uneingeschränkt. Allerdings werden die in Frage stehenden unbestimmten Rechtsbegriffe nach gegenwärtiger Praxis durch einen - in das maßgebliche Computerprogramm eingebundenen - Katalog der zu speichernden Merkmale konkretisiert und standardisiert. Die Bundesregierung hat dem Senat diesbezüglich ein "Katalog-Manual" vorgelegt, in dem die für die Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG im Einzelfall maßgeblichen Vorgaben und Kriterien dokumentiert sind. Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale werden in ihm durch vorgegebene Eingabealternativen - deren Beurteilung im Einzelnen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - einengend präzisiert sowie die Anwendung und Bedeutung der Bestimmungen in der Praxis nachvollziehbar offengelegt.

186

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen jedoch in formeller Hinsicht. Das Antiterrordateigesetz macht zu einer Dokumentations- und Veröffentlichungspflicht für die Konkretisierung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe keine hinreichend klaren Vorgaben. Schon dass eine Konkretisierung der zu erfassenden Daten in Form eines informationstechnisch aufgearbeiteten standardisierten Katalogs realisiert werden soll, lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar, sondern erst im Rückgriff auf die Materialien entnehmen. Das Gesetz sieht allerdings in § 12 Nr. 3 ATDG die Festlegung von Einzelheiten hinsichtlich der nach § 3 Abs. 1 ATDG zu speichernden Daten durch die Errichtungsanordnung vor. Hierunter sind jedoch - zumindest nach dem Verständnis der Norm in der Praxis - nicht die für ihre Anwendung letztlich maßgebenden Festlegungen zu verstehen, wie sie aus dem Katalog-Manual ersichtlich sind, sondern lediglich Konkretisierungen auf mittlerer Ebene, die derzeit im Hinblick auf viele Merkmale wenig über den Gesetzeswortlaut hinausgehen. Die in dem Manual dokumentierten Vorgaben werden demgegenüber nicht als Teil der Errichtungsanordnung verstanden. Jedenfalls aber ist weder für das Manual unmittelbar noch für die Errichtungsanordnung als solche eine Veröffentlichung vorgeschrieben. Vielmehr werden beide als "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" behandelt.

187

Damit genügt die derzeitige Rechtslage den Anforderungen an eine rechtsstaatliche Ausgestaltung nicht. Will der Gesetzgeber an den unbestimmten Rechtsbegriffen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG festhalten, bedarf es einer ergänzenden Bestimmung, die eine nachvollziehbare Dokumentation und Veröffentlichung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Konkretisierung dieser Merkmale durch die Sicherheitsbehörden gewährleistet.

188

(3) Die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG in die Datei aufzunehmenden Merkmale sind ihrem Inhalt nach mit dem Übermaßverbot vereinbar. Zwar handelt es sich um Daten, die - zumal in Verbindung mit den anderen zu speichernden Merkmalen - unter Umständen höchstpersönliche Umstände offenlegen können. Angesichts der begrenzenden Funktion der Datei und der Bedeutung der Terrorismusabwehr (vgl. oben D. III. 3. a) bb), b) bewegt sich der Gesetzgeber hiermit jedoch in dem ihm zukommenden Gestaltungsspielraum.

189

Dies gilt auch für die Merkmale der Volks- und Religionszugehörigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg und hh ATDG. Allerdings gelten für die Aufnahme dieser Merkmale besonders hohe Anforderungen, da für sie gemäß Art. 3 Abs. 3 GG ein besonderer verfassungsrechtlicher Diskriminierungsschutz besteht und die Religionszugehörigkeit überdies durch Art. 140 GG, Art. 136 Abs. 3 WRV vor einem Offenbarenmüssen besonders geschützt ist. Entsprechend gelten diese Daten auch sonst als besonders sensibel (vgl. § 3 Abs. 9, § 28 Abs. 6 bis 9 BDSG, Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Art. 6 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 [BGBl 1985 II S. 539]). Die Berücksichtigung auch dieser Daten ist angesichts der Bedeutung einer wirksamen Terrorismusabwehr aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Für sie ist allerdings von Verfassungs wegen eine zurückhaltende Umsetzung geboten. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Aufnahme entsprechender Angaben nicht über eine lediglich identifizierende Bedeutung hinausgeht.

190

cc) Mit dem Übermaßverbot vereinbar ist auch das Freitextfeld gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG. Es handelt sich hierbei nicht um eine Blankovollmacht zur Ergänzung der Datei um beliebige weitere Informationen, sondern um eine Öffnung für Hinweise und Bewertungen, die durch die Standardisierung und Katalogisierung der Eingaben sonst nicht abgebildet werden. Sie haben sich, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, dabei stets auf die gesetzlich definierten Grunddaten oder erweiterten Grunddaten zu beziehen und sind inhaltlich durch sie gebunden. Als bloße Ergänzungen erlaubt die Vorschrift auch nicht etwa, ganze Akten in die Datei einzustellen, sondern begrenzt entsprechende Eingaben - nach derzeitiger Praxis durch eine technische Begrenzung auf 2.000 Zeichen - auf punktuelle Erläuterungen. In diesem Verständnis sind gegen die Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben.

191

4. Nicht in jeder Hinsicht mit dem Übermaßverbot vereinbar sind die Regelungen zur Verwendung der Daten.

192

a) Verfassungsrechtlich unbedenklich sind allerdings Abfrage und Nutzung in Bezug auf die einfachen Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG geregelt.

193

aa) § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 ATDG geben den beteiligten Behörden auf diese Daten einen unmittelbaren Zugriff als Klarinformationen. Dabei kann eine Behörde sowohl namenbezogene Abfragen vornehmen als auch Abfragen, die sich auf einzelne oder mehrere der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG genannten Angaben erstrecken und damit der Identifizierung ihr noch nicht bekannter Personen dienen. Im Trefferfall wird dann jeweils auf die Gesamtheit der zu den betreffenden Personen gespeicherten einfachen Grunddaten Zugriff gegeben. Dabei errichtet § 5 Abs. 1 Satz 1 ATDG keine qualifizierten Eingriffsschwellen. Für eine Abfrage reicht es, dass sie für die Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Höhere Eingriffsschwellen verlangt das Gesetz auch nicht für die - in ihm selbst noch nicht geregelten, sondern vorausgesetzten (siehe oben D. II. 2.) - Abrufbefugnisse der beteiligten Behörden; es geht ersichtlich davon aus, dass auch insoweit die niederschwelligen allgemeinen Datenerhebungsbefugnisse reichen.

194

Damit sind den beteiligten Behörden Abfragen und Recherchen in den Grunddaten in weitem Umfang eröffnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Befugnisse unbegrenzt sind. Eine Grenze liegt insbesondere darin, dass § 5 ATDG lediglich Einzelabfragen, nicht aber auch eine Rasterung, Sammelabfragen oder die übergreifende Ermittlung von Zusammenhängen zwischen Personen durch Verknüpfung von Datenfeldern erlaubt. Die Vorschrift setzt damit einen konkreten Ermittlungsanlass voraus. Auch steht jede Abfrage unter der im Einzelfall sachhaltig zu prüfenden Voraussetzung der Erforderlichkeit. Im Übrigen ermächtigt die Vorschrift nach ihrer derzeitigen Ausgestaltung weder zu einer automatischen Bilderkennung noch zur Verwendung von Ähnlichenfunktionen oder zur Abfrage mit unvollständigen Daten (so genannten "wildcards").

195

bb) Trotz der verbleibenden Weite der Abrufmöglichkeiten, insbesondere durch den Verzicht auf begrenzende Eingriffsschwellen, ist die Regelung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Maßgeblich hierfür sind die Nutzungsregelungen. Eine Nutzung der übermittelten Daten ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG ausschließlich zur Identifizierung ermittlungsrelevanter Personen und zur Vorbereitung von Einzelübermittlungsersuchen an die informationsführende Behörde erlaubt. Darüber hinausgehende ermittlungs- oder handlungsleitende Informationen dürfen die Behörden aus diesen Angaben nicht ziehen. Sie können sie erst in einem weiteren Schritt nach Maßgabe des Fachrechts erlangen. Auch die Weiterverwendung der Daten zu anderen Zwecken ist nur mit Zustimmung der informationsführenden Behörde, das heißt bei sachgerechtem Verständnis wiederum nur nach Maßgabe des Fachrechts zulässig. Bezogen auf die einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 a ATDG ist ein solcher auf das Vorfeld begrenzter Austausch angesichts der großen Bedeutung der Terrorismusabwehr unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG sind insoweit verfassungsgemäß.

196

b) Mit dem Übermaßverbot vereinbar sind auch die durch § 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 ATDG eröffneten Recherchen in Bezug auf die erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG, soweit diese namenbezogen durchgeführt werden.

197

§ 5 Abs. 1 Satz 1 ATDG erlaubt Abfragen hinsichtlich aller in die Antiterrordatei eingestellten Daten und damit auch Recherchen in den erweiterten Grunddaten. Wenn eine Abfrage nach einer namentlich eingegebenen Person zu einem Treffer in den erweiterten Grunddaten führt, erhält die Behörde gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ATDG jedoch nicht Zugang auf die erweiterten Grunddaten selbst, sondern nur eine Treffermeldung verbunden mit dem Nachweis, bei welcher Behörde und unter welchem Aktenzeichen entsprechende Informationen geführt werden. Der Zugriff auf die erweiterten Grunddaten selbst wird erst auf Einzelersuchen nach Maßgabe des Fachrechts durch Freischaltung seitens der informationsführenden Behörde ermöglicht (§ 5 Abs. 1 Satz 3 und 4 ATDG). Recherchen in Bezug auf die erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG bleiben folglich verdeckt. Ihre Übermittlung als Klarinformationen ist ein eigenständiger, nachgelagerter Rechtsakt und steht unter den jeweiligen fachrechtlichen Voraussetzungen für eine Einzelübermittlung der Daten, die hier ihrerseits die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen müssen. Gegen eine solche verdeckte Nutzung der erweiterten Grunddaten ist trotz ihrer Reichweite verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

198

c) Mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar ist hingegen die Ermächtigung zu merkmalbezogenen Recherchen in den erweiterten Grunddaten, die der abfragenden Behörde im Trefferfall nicht nur eine Fundstelle zu weiterführenden Informationen vermittelt, sondern unmittelbar Zugang zu den entsprechenden einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG verschafft. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a ATDG ist insoweit verfassungswidrig.

199

Der Informationsgehalt der erweiterten Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG reicht inhaltlich weit und kann höchstpersönliche sowie die Biographie der Betreffenden nachzeichnende Informationen enthalten (siehe oben D. IV. 3. b) aa) [2]). Der Zugriff auf solche Informationen muss unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten deshalb deutlich beschränkter bleiben als in Bezug auf die einfachen Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG. Der Gesetzgeber selbst sieht deshalb grundsätzlich nur eine verdeckte Recherche in diesen Daten vor und stellt ihre Übermittlung als Klarinformationen unter den Vorbehalt der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften. Indem er bei Recherchen in diesen Daten im Trefferfall jedoch zugleich Zugriff auf die einfachen Grunddaten als Klarinformationen gewährt, nimmt er für merkmalbezogene Recherchen, das heißt für die "Inverssuche", diese Einschränkung der Sache nach in erheblichem Umfang zurück. Durch die Verbindung einer Treffermeldung bezüglich erweiterter Grunddaten mit den individualisierten Informationen der einfachen Grunddaten werden auch die abgefragten erweiterten Grunddaten individuell zuordenbar und als personenbezogene Information auswertbar. So kann eine Behörde durch Abfrage einzelner oder mehrerer Merkmale - zum Beispiel durch die Suche nach Personen mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit und Ausbildung, die einen bestimmten Treffpunkt frequentieren (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 b hh, jj, nn ATDG) - eine Recherche vornehmen und erhält im Trefferfall nicht nur die Angabe, welche Behörde insoweit Informationen führt, sondern auch alle Namen, Adressen sowie sonstige in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG genannten Informationen von allen Personen, auf die die abgefragten Merkmale zutreffen.

200

Eine solch weitgehende Nutzung trägt der inhaltlichen Reichweite der erweiterten Grunddaten nicht hinreichend Rechnung. Ungeachtet der Frage, ob es gerechtfertigt sein kann, einzelne der erweiterten Grunddaten wie etwa die Telekommunikationsanschlüsse auch den einfachen Grunddaten zuzuordnen, ist die Möglichkeit der individuellen Erschließung des weitreichenden Informationsgehalts aller erweiterten Grunddaten im Rahmen von merkmalbezogenen Recherchen mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Wenn der Gesetzgeber in diesem Umfang Daten in die Datei einzustellen anordnet, dürfen diese im Rahmen der Informationsanbahnung nur zur Ermöglichung eines Fundstellennachweises genutzt werden. Dementsprechend muss eine Nutzungsregelung so ausgestaltet sein, dass dann, wenn sich eine Recherche auch auf erweiterte Grunddaten erstreckt, nur das Aktenzeichen und die informationsführende Behörde angezeigt werden, nicht aber auch die korrespondierenden einfachen Grunddaten.

201

d) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken - auch nicht für den Fall einer Inverssuche (vgl. vorstehend unter c) - unterliegt demgegenüber die Nutzung der erweiterten Grunddaten im Eilfall gemäß § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG.

202

Zwar handelt es sich hierbei um die weitestgehende Nutzungsmöglichkeit der in der Antiterrordatei zusammengeführten Daten. Denn der Zugriff erstreckt sich hier zusätzlich zu den einfachen auch auf alle erweiterten Grunddaten als Klarinformationen und eröffnet dabei auch nicht nur eine Datennutzung zur Vorbereitung weiterer Übermittlungsersuchen, sondern - im Sinne einer handlungsleitenden Gefahreneinschätzung - auch zur Terrorismusabwehr selbst (§ 6 Abs. 2 ATDG). Daraus ergibt sich insbesondere wegen der damit verbunden Überwindung des informationellen Trennungsprinzips zwischen Nachrichtendiensten und Polizei ein besonders schweres Eingriffsgewicht (siehe oben D. III. 3. a) aa), bb) [3]).

203

Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Nutzung erlaubt ist, sind jedoch hinreichend eng gefasst, um den Eingriff zu rechtfertigen. Erlaubt sind Zugriff und Nutzung der Daten nur zum Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter, das heißt zunächst zum Schutz von Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen. Ersichtlich sind im Kontext dieser Norm unter Gesundheitsbeeinträchtigungen nur schwerwiegende Gesundheitsverletzungen mit dauerhaften Folgen gemeint. Soweit die Vorschrift darüber hinaus auch den Schutz von Sachen mit erheblichem Wert vorsieht, stellt der Gesetzgeber klar, dass es nicht um den Schutz des Eigentums oder der Sachwerte als solcher geht, sondern um Sachen, "deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist" (§ 5 Abs. 2 Satz 1 ATDG). Gemeint sind im Zusammenhang mit der Terrorismusabwehr etwa wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen. Auch enthält die Vorschrift hohe Eingriffsschwellen. Es bedarf für die Schutzgüter einer gegenwärtigen Gefahr, die sich nicht nur auf tatsächliche Anhaltspunkte stützt, sondern durch bestimmte Tatsachen unterlegt sein muss. Dabei sind Zugriff und Nutzung der Daten nur erlaubt, wenn dies unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann. Der Zugriff auf die Daten ist überdies verfahrensrechtlich gesichert. Die weitere Verwendung der Daten steht weiterhin unter Zustimmungsvorbehalt der jeweils informationsführenden Behörden, über deren Erteilung - wie der Zusammenhang der Norm nahelegt - nach Maßgabe des jeweiligen Fachrechts zu entscheiden ist. Insgesamt sind damit die Anforderungen streng; entsprechend ist die Vorschrift in der bisherigen Praxis auch erst einmal zur Anwendung gekommen. Gegen eine solche Regelung sind verfassungsrechtlich keine Bedenken zu erheben. Sie genügt dem Übermaßverbot und hat auch vor dem informationellen Trennungsprinzip Bestand.

204

5. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt auch Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle. Bedingt durch Zweck und Funktionsweise der Datei gewährleistet das Antiterrordateigesetz Transparenz hinsichtlich des Informationsaustauschs nur in begrenztem Umfang und öffnet damit den Betroffenen auch nur eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten; die Kontrolle über seine Anwendung liegt damit im Wesentlichen bei der Aufsicht durch die Datenschutzbeauftragten. Dies ist mit der Verfassung vereinbar, wenn für die effektive Ausgestaltung der Aufsicht verfassungsrechtliche Maßgaben beachtet werden.

205

a) Bei der Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten für die behördliche Aufgabenwahrnehmung hat der Gesetzgeber unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch Anforderungen an Transparenz, Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle zu beachten (vgl. BVerfGE 125, 260 <325 ff.>).

206

Transparenz der Datenverarbeitung soll dazu beitragen, dass Vertrauen und Rechtssicherheit entstehen können und der Umgang mit Daten in einen demokratischen Diskurs eingebunden bleibt. Zugleich ermöglicht sie den Bürgerinnen und Bürgern, sich entsprechend zu verhalten. Gegenüber den Betroffenen bildet sie überdies die Voraussetzung für einen wirksamen Rechtsschutz. Indem sie den Einzelnen Kenntnis hinsichtlich der sie betreffenden Datenverarbeitung verschafft, setzt sie sie in die Lage, die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Maßnahmen - erforderlichenfalls auch gerichtlich - prüfen zu lassen und etwaige Rechte auf Löschung, Berichtigung oder Genugtuung geltend zu machen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>; 109, 279 <363>; 118, 168 <207 f.>; 120, 351 <361>; 125, 260 <335>; stRspr).

207

Die aufsichtliche Kontrolle flankiert die subjektivrechtliche Kontrolle durch die Gerichte objektivrechtlich. Sie dient - neben administrativen Zwecken - der Gewährleistung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung insgesamt und schließt dabei den Schutz der subjektiven Rechte der Betroffenen ein. Dass auch Anforderungen an die aufsichtliche Kontrolle zu den Voraussetzungen einer verhältnismäßigen Ausgestaltung der Datenverarbeitung gehören können (vgl. BVerfGE 100, 313 <361> unter Verweis auf BVerfGE 30, 1 <23 f., 30 f.>; 65, 1 <46>; 67, 157 <185>), trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Speicherung und Verarbeitung von Daten um Eingriffe handelt, die für die Betreffenden oftmals nicht unmittelbar wahrnehmbar sind und deren freiheitsgefährdende Bedeutung vielfach nur mittelbar oder erst später im Zusammenwirken mit weiteren Maßnahmen zum Tragen kommt. Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können deshalb auch dann unverhältnismäßig sein, wenn sie nicht durch ein hinreichend wirksames aufsichtsrechtliches Kontrollregime flankiert sind. Dies hat umso größeres Gewicht, je weniger eine subjektivrechtliche Kontrolle sichergestellt werden kann.

208

b) Das Antiterrordateigesetz enthält wenige Regelungen zur Herstellung von Transparenz und zur Gewährleistung individuellen Rechtsschutzes. Im Wesentlichen begnügt es sich mit der Anerkennung von - inhaltlich wie verfahrensrechtlich begrenzt wirksamen - Auskunftsrechten. Angesichts der Funktion und Wirkweise dieser Datei ist das jedoch nicht zu beanstanden.

209

aa) Als maßgebliches Instrument zur Gewährleistung von Transparenz sieht das Antiterrordateigesetz Auskunftsansprüche nach Maßgabe des Bundesdatenschutzgesetzes vor (§ 10 Abs. 2 ATDG). Diese Ansprüche unterliegen freilich Grenzen und sind zum Teil nur mit beträchtlichem Verfahrensaufwand realisierbar. Angesichts der Funktion des Antiterrordateigesetzes genügen sie jedoch verfassungsrechtlichen Anforderungen.

210

(1) § 10 Abs. 2 ATDG gewährt grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft, ob Daten des Auskunftssuchenden in der Datei erfasst sind. Durch Verweis auf § 19 BDSG und die Grenzen der Auskunftserteilung nach den für die datenverantwortlichen Behörden jeweils geltenden Rechtsvorschriften ist dieser Anspruch indessen begrenzt. So bleibt die Auskunft etwa ausgeschlossen, wenn sie die Aufgabenwahrnehmung der informationsführenden Behörde gefährdet (vgl. § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG; § 15 Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG; Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 BayPAG) oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes einer Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist (vgl. etwa § 15 Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG; Art. 11 Abs. 3 Nr. 2 BayVSG; § 14 Abs. 2 Nr. 2 VSG NRW). Für die Antiterrordatei ist davon auszugehen, dass diesen Ausnahmen außerhalb von Fehlanzeigen Bedeutung zukommen und sie den Auskunftsanspruch deutlich einschränken können. Die Auskunftsrechte sind deshalb aber nicht unzureichend. Einschränkungen der Auskunftspflicht setzen voraus, dass sie gegenläufigen Interessen von größerem Gewicht dienen und die gesetzlichen Ausschlusstatbestände sicherstellen, dass die betroffenen Interessen einander umfassend und auch mit Blick auf den Einzelfall zugeordnet werden (vgl. BVerfGE 120, 351 <364 f.>). Weitergehende Auskunftsrechte ergeben sich aus der Verfassung auch nicht für die Antiterrordatei.

211

(2) Für verdeckt gespeicherte Daten gemäß § 4 ATDG ist die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen mit erheblichem Verfahrensaufwand verbunden. Anders als für die anderen Daten kann hier der Auskunftsanspruch gemäß § 10 Abs. 2 ATDG nicht einheitlich gegenüber dem Bundeskriminalamt geltend gemacht werden, sondern nur gegenüber den einzelnen informationsführenden Behörden. Gegebenenfalls kann damit ein Antrag auf Auskunft bei allen Behörden, die Daten in die Antiterrordatei einspeichern, erforderlich sein. Trotz der Schwerfälligkeit eines solchen Verfahrens ist auch diese Regelung verfassungsrechtlich noch hinnehmbar. Sie ist eine Konsequenz und Kehrseite der auch im Interesse der Betroffenen ergangenen Entscheidung, bestimmte Daten als so geheim einzustufen, dass sie nur vollständig verdeckt in die Datei eingestellt werden und für keine Behörde - auch nicht das Bundeskriminalamt - erkennbar sind. Ob Daten einer solchen Geheimhaltung bedürfen, ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, die grundsätzlich in seiner Verantwortung liegt und verfassungsrechtlich vertretbar ist. Erschwert der Gesetzgeber aus Geheimschutzgründen in dieser Weise schon den Informationsaustausch zwischen den Behörden selbst, ist auch die entsprechende Erschwerung der Auskunftsansprüche hinnehmbar. Eine mögliche Bündelung der Auskunftspflicht durch das Bundeskriminalamt, die die Schwerfälligkeit letztlich geteilter Auskunftspflichten nicht substantiell beseitigen könnte, muss der Gesetzgeber nicht vorsehen.

212

(3) Insgesamt sind damit die Auskunftsansprüche verfassungsrechtlich vertretbar ausgestaltet. Sie können freilich nur ein Mindestmaß an Transparenz für die Einzelnen gewährleisten. Angesichts des Zwecks und der Wirkweise der Antiterrordatei ist dieses jedoch verfassungsrechtlich hinzunehmen.

213

bb) Im Übrigen kennt das Antiterrordateigesetz weder einen Grundsatz der Offenheit der Datennutzung noch einen Richtervorbehalt noch eigene nachträgliche Benachrichtigungspflichten, die über die Benachrichtigungspflichten aus anderen Vorschriften hinausgehen. Es verzichtet damit auf wichtige Instrumentarien zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit der Datennutzungsregelungen. Angesichts des Zwecks der Antiterrordatei ist dies jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Antiterrordatei dient im Kern der Informationsanbahnung zur Vorbereitung weiterer Ermittlungen im Rahmen der Abwehr des internationalen Terrorismus. Dass solche Ermittlungen grundsätzlich nicht dem Grundsatz der Offenheit folgen können, liegt auf der Hand. Auch ein Richtervorbehalt ist im Rahmen der Antiterrordatei kein geeignetes Mittel, das verfassungsrechtlich geboten wäre. Wegen der geringen rechtlichen Durchformung der Befugnisse gemäß § 5 Abs. 1 ATDG und der Eilbedürftigkeit der Entscheidung bei einem Zugriff gemäß § 5 Abs. 2 ATDG würde ein richterlicher Prüfvorbehalt weitgehend leerlaufen. Ebenfalls ist das Absehen von spezifischen Benachrichtigungspflichten verfassungsrechtlich vertretbar. Eine Benachrichtigungspflicht käme ohne substantielle Beeinträchtigung der Funktionsweise der Datei nur für die Fälle in Betracht, in denen Personen endgültig aus der Datei herausgenommen werden. Der Nutzen einer derart beschränkten Benachrichtigungspflicht ist im Vergleich zum damit verbundenen Aufwand jedoch zu gering, als dass sie unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten wäre.

214

c) Weil eine Transparenz der Datenverarbeitung und die Ermöglichung individuellen Rechtsschutzes durch das Antiterrordateigesetz nur sehr eingeschränkt sichergestellt werden können, kommt der Gewährleistung einer effektiven aufsichtlichen Kontrolle umso größere Bedeutung zu. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt deshalb an eine wirksame Ausgestaltung dieser Kontrolle sowohl auf der Ebene des Gesetzes als auch der Verwaltungspraxis gesteigerte Anforderungen.

215

aa) Die Gewährleistung einer wirksamen Aufsicht setzt zunächst sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene mit wirksamen Befugnissen ausgestattete Aufsichtsinstanzen - wie nach geltendem Recht die Datenschutzbeauftragten - voraus. Weiter ist erforderlich, dass Zugriffe und Änderungen des Datenbestandes vollständig protokolliert werden. Dabei muss durch technische und organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Daten den Datenschutzbeauftragten in praktikabel auswertbarer Weise zur Verfügung stehen und die Protokollierung hinreichende Angaben für die Zuordnung zu dem zu kontrollierenden Vorgang enthält.

216

In Blick auf den Charakter der Antiterrordatei als eine Bund und Länder übergreifende Verbunddatei ist Sorge dafür zu tragen, dass deren effektive Kontrolle nicht aufgrund föderaler Zuständigkeitsunklarheiten hinter der Effektivierung des Datenaustauschs zurückbleibt. Dies bedeutet nicht, dass dem Datenschutzbeauftragten des Bundes ein umfassender Zugriff auch auf solche Protokolldaten zu gewähren ist, die das Einstellen und Abrufen der Daten seitens der Landesbehörden betreffen. Vielmehr obliegt deren Kontrolle den Landesbeauftragten. Allerdings entspricht es der Antiterrordatei als Verbunddatei, dass es den Datenschutzbeauftragten gestattet sein muss, zusammenzuarbeiten und sich etwa im Wege der Amtshilfe durch Delegation oder Ermächtigung bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse gegenseitig zu unterstützen. Ebenfalls ist zu gewährleisten, dass im Zusammenspiel der verschiedenen Aufsichtsinstanzen auch eine Kontrolle der durch Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz gewonnenen Daten - die in einer Datei, welche maßgeblich auch vom Bundesnachrichtendienst befüllt wird, besondere Bedeutung haben - praktisch wirksam sichergestellt ist. Wenn der Gesetzgeber eine informationelle Kooperation der Sicherheitsbehörden vorsieht, muss er auch die kontrollierende Kooperation zugunsten des Datenschutzes ermöglichen.

217

Angesichts der Kompensationsfunktion der aufsichtlichen Kontrolle für den schwach ausgestalteten Individualrechtsschutz kommt deren regelmäßiger Durchführung besondere Bedeutung zu und sind solche Kontrollen in angemessenen Abständen - deren Dauer ein gewisses Höchstmaß, etwa zwei Jahre, nicht überschreiten darf - durchzuführen. Dies ist bei ihrer Ausstattung zu berücksichtigen.

218

bb) Die Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Anforderungen einer wirksamen aufsichtlichen Kontrolle obliegt dem Gesetzgeber und den Behörden gemeinsam.

219

Der Gesetzgeber hat in § 8 ATDG die Verantwortung für die Datenverarbeitung geregelt, in § 5 Abs. 4, § 9 ATDG eine differenzierte und umfassende Protokollierung aller Zugriffe auf die Datenbank angeordnet und sieht in § 10 Abs. 1 ATDG eine an die föderale Kompetenzverteilung anknüpfende, sachlich nicht eingeschränkte Aufsicht durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vor. Diese Regelungen sind Grundlage für eine wirksame Kontrolle, die im Wesentlichen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dass dabei gemäß § 10 Abs. 1 ATDG in Verbindung mit § 24 Abs. 4 Satz 4 BDSG in besonderen, strikt zu handhabenden Ausnahmefällen eine Auskunft oder Einsicht unter Umständen verweigert werden kann, stellt die Wirksamkeit dieser Befugnisse nicht in Frage. An einer hinreichenden gesetzlichen Vorgabe fehlt es allerdings hinsichtlich des Erfordernisses turnusmäßig festgelegter Pflichtkontrollen. Den Gesetzgeber trifft insoweit eine Nachbesserungspflicht.

220

Im Übrigen darf der Gesetzgeber zunächst darauf vertrauen, dass die Bestimmungen in einer kooperationsbereiten Behördenpraxis wirksam umgesetzt werden. Er hat insoweit allerdings zu beobachten, ob hierbei Konflikte auftreten, die gesetzlicher Klarstellungen oder der Einführung etwa von Streitlösungsmechanismen wie dem Ausbau von Klagebefugnissen (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 25. September 1998 - 3 S 379/98 -, NJW 1999, S. 2832; weitergehend Art. 76 Abs. 2 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [Datenschutz-Grundverordnung] vom 25. Januar 2012, KOM[2012] 11 endgültig) bedürfen.

221

d) Zur Gewährleistung von Transparenz und Kontrolle bedarf es schließlich einer gesetzlichen Regelung von Berichtspflichten.

222

Da sich die Speicherung und Nutzung der Daten nach dem Antiterrordateigesetz der Wahrnehmung der Betroffenen und der Öffentlichkeit weitgehend entzieht, dem auch die Auskunftsrechte nur begrenzt entgegenwirken und weil eine effektive gerichtliche Kontrolle nicht ausreichend möglich ist, sind hinsichtlich Datenbestand und Nutzung der Antiterrordatei regelmäßige Berichte des Bundeskriminalamts gegenüber Parlament und Öffentlichkeit gesetzlich sicherzustellen. Sie sind erforderlich und müssen hinreichend gehaltvoll sein, um eine öffentliche Diskussion über den mit der Antiterrordatei ins Werk gesetzten Datenaustausch zu ermöglichen und diesen einer demokratischen Kontrolle und Überprüfung zu unterwerfen.

223

6. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der in § 11 Abs. 2 und 4 ATDG geregelten Löschungsvorschriften. Dass die Höchstgrenze der Speicherungsdauer den Löschungsfristen der jeweiligen in die Datei eingestellten Daten gemäß dem für diese geltenden Fachrecht folgt, ist nach der Konzeption der Datei als Verbunddatei naheliegend und jedenfalls verfassungsrechtlich vertretbar.

V.

224

Soweit die angegriffenen Vorschriften die Einbeziehung von Daten in die Antiterrordatei vorsehen, die durch Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis oder das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung erhoben werden, verstoßen sie gegen Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG.

225

1. Für Datenerhebungen, die in die Grundrechte der Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG eingreifen, gelten angesichts deren besonderen Schutzgehalts in der Regel besonders strenge Anforderungen. Diese gesteigerten Anforderungen wirken nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in den Anforderungen für die Weitergabe und Zweckänderung der hierdurch gewonnen Daten fort. So darf etwa die Schwelle für die Übermittlung von Daten, die im Rahmen strafprozessualer Maßnahmen durch eine Wohnraumüberwachung erlangt wurden, nicht unter diejenige abgesenkt werden, die bei der Gefahrenabwehr für entsprechende Eingriffe gilt, da durch eine Zweckänderung grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden nicht umgangen werden dürfen (vgl. BVerfGE 109, 279 <377 f.>; vgl. auch BVerfGE 100, 313 <389 f., 394>). Ebenso ist eine Weitergabe von Telekommunikationsdaten, die nur unter besonders strengen Bedingungen abgerufen werden dürfen, nur dann an eine andere Stelle zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung von Aufgaben erfolgt, deretwegen ein Zugriff auf diese Daten auch unmittelbar zulässig wäre (vgl. BVerfGE 125, 260 <333>; ähnlich bereits BVerfGE 100, 313 <389 f.>; 109, 279 <375 f.>; 110, 33 <73 f.>). Dem entspricht, dass Daten, die aus gewichtigen Eingriffen in Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG stammen, zu kennzeichnen sind. Die Erkennbarkeit solcher Daten soll die Beachtung der spezifischen Grenzen für die Datennutzung auch nach deren etwaiger Weiterleitung an andere Stellen sicherstellen.

226

2. Eine vollständige und uneingeschränkte Einbeziehung aller auch durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 und in Art. 13 Abs. 1 GG erhobenen Daten in die Antiterrordatei ist mit diesen Anforderungen nicht vereinbar; nichts anderes kann im Übrigen auch für solche Daten gelten, die durch Eingriff in das - von dem Beschwerdeführer nicht gerügte - Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 120, 274 <302 f.>) gewonnen wurden. Solche Daten können regelmäßig nur unter strengen Maßgaben erhoben werden und setzen etwa das Vorliegen erhöhter Eingriffsschwellen wie eine qualifizierte Gefahrenlage oder einen qualifizierten Tatverdacht, eine Gefahr für besonders bedeutsame Rechtsgüter beziehungsweise die Verfolgung von besonders gravierenden Straftaten voraus. Zu ihnen gehören insbesondere Informationen, die durch Telekommunikationsüberwachung, Wohnraumüberwachung oder auch Maßnahmen der strategischen Beschränkung (vgl. §§ 5 ff. G 10) gewonnen und gegebenenfalls auf das Artikel 10-Gesetz gestützt wurden. Durch Einstellung in die Antiterrordatei können diese Daten - etwa ein bei einer Abhörmaßnahme in Erfahrung gebrachtes besonderes körperliches Merkmal oder ein seltener Dialekt - einer großen Anzahl von Behörden ohne weiteres als Vorabinformationen zugänglich gemacht und zur Recherche zur Verfügung gestellt werden, allein damit diese sich über die Identität dieser Person ein Bild machen und entscheiden können, ob sie ein Einzelübermittlungsersuchen stellen wollen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG). Die Informationen werden hierbei unabhängig von bereits geschehenen oder konkret bevorstehenden Terrorakten für Ermittlungsmaßnahmen noch weit im Vorfeld greifbarer Gefahrenlagen zur Verfügung gestellt, für die eine Datenerhebung unter schweren Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis oder die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht gerechtfertigt werden könnte. Auch wenn das Kriterium der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer hypothetischen Neuerhebung der Daten für die Beurteilung einer Weiterleitung bereits erhobener Daten nicht schematisch abschließend ist und die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte nicht ausschließt, ist vorliegend eine vollständige und unterschiedslose Einbeziehung auch der durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG erhobenen Daten mit dem Übermaßverbot bei Gesamtabwägung unvereinbar.

227

3. Hieran ändert die Einlassung der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung nichts, nach der solche Daten künftig nur noch gemäß § 4 ATDG verdeckt gespeichert würden. Aus dem Antiterrordateigesetz ergibt sich eine solche Beschränkung nicht. Indem § 3 Abs. 2 ATDG ausdrücklich auf kennzeichnungspflichtige Daten Bezug nimmt, wird vielmehr erkennbar, dass auch solche Daten grundsätzlich von den Regelungen des Antiterrordateigesetzes umfasst sein sollen. Dementsprechend war auch die bisherige Praxis nach Auskunft der Bundesregierung insoweit jedenfalls nicht einheitlich. Verfassungsrechtlich tragfähig ist diesbezüglich nur eine Regelung, die den Umgang mit diesen Daten in einer dem Grundsatz der Normenklarheit genügenden Form ausdrücklich festlegt.

228

Allerdings wäre eine Regelung, die für solche Daten stets eine verdeckte Speicherung gemäß § 4 ATDG vorsieht, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mit der Verfassung vereinbar. Sie gewährleistet, dass die entsprechenden Informationen nur nach Maßgabe der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften zugänglich gemacht werden, denen dann ihrerseits die Funktion zukommt, die verfassungsrechtlich gebotenen qualifizierten Eingriffsschwellen und einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz sicherzustellen. Da dieser Weg in der mündlichen Verhandlung von der Regierung und allen anwesenden Vertretern der Sicherheitsbehörden einhellig als sachgerecht angesehen wurde, besteht kein Anlass zu der Prüfung, ob auch andere Wege - wie die Unterwerfung solcher Daten unter eine Nutzungsregelung wie für die erweiterten Grunddaten (siehe oben D. IV. 4. c) - verfassungsrechtlich zulässig wären.

E.

I.

229

Die teilweise Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschriften führt nicht zu deren Nichtigkeitserklärung, sondern nur zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014, dürfen die Vorschriften weiter angewendet werden, jedoch mit der Maßgabe, dass außerhalb des Eilfalls gemäß § 5 Abs. 2 ATDG eine Nutzung der Antiterrordatei nur zulässig ist, sofern der Zugriff auf die Daten von Kontaktpersonen gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen und gewährleistet ist, dass bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten im Trefferfall allein ein Zugang zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG, nicht aber zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG gewährt wird. Sobald die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten von Kontaktpersonen und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen werden kann, dürfen diese auch für die Nutzung der Datei im Eilfall gemäß § 5 Abs. 2 ATDG nicht mehr genutzt werden.

230

Die bloße Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit einer befristeten Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung, kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der beanstandeten Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (BVerfGE 109, 190 <235 f.>). Dies ist vorliegend der Fall. Die Datei wird vom Gesetzgeber mit plausiblen Gründen als wesentliche Verbesserung für eine wirksame Terrorismusabwehr angesehen. Dabei ist die Grundanlage der Datei und des durch sie ins Werk gesetzten Informationsaustauschs vom Gesetzgeber differenziert ausgestaltet und mit der Verfassung grundsätzlich vereinbar. Da die Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen Einzelfragen der Ausgestaltung betrifft, deren belastende Wirkungen durch einschränkende Maßgaben der vorübergehenden Anwendbarkeit der Vorschriften gemildert werden können, ergibt sich angesichts der Bedeutung der Datei für die Abwehr des internationalen Terrorismus bei einer Gesamtabwägung, dass die angegriffenen Vorschriften vorübergehend weiter angewendet werden können.

231

Als Voraussetzung für eine vorübergehende weitere Anwendbarkeit ist allerdings zuvor die Zugriffsmöglichkeit auf Daten von Kontaktpersonen gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG auszuschließen sowie sicherzustellen, dass bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten und in Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, im Trefferfall allein ein Zugang zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG, nicht aber zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG gewährt wird. Die Eilfallregelung des § 5 Abs. 2 ATDG darf ohne zuvor zu erfüllende Maßgaben weiterhin angewendet werden, damit für solche dringenden Gefahren keine Schutzlücke entsteht. Sobald der Zugriff auf diese Daten jedoch für die vorübergehende Nutzung der Daten gemäß § 5 Abs. 1 ATDG ausgeschlossen ist, ist ein solcher Zugriff auch im Rahmen des § 5 Abs. 2 ATDG unzulässig. Denn auch im Eilfall gibt es keinen Grund mehr für einen Zugriff auf verfassungsrechtlich zu Unrecht bereitgestellte Daten, sobald diese ohne weiteres herausgefiltert und gesperrt werden können.

232

Dem Gesetzgeber wird eine großzügige Frist eingeräumt, die es ihm ermöglicht zu prüfen, ob er im Zusammenhang mit der Neuregelung des Antiterrordateigesetzes auch eine Überarbeitung von Bestimmungen anderer Gesetze, die den angegriffenen Vorschriften dieses Verfahrens ähnlich sind, sowie eventuell von Datenübermittlungsvorschriften einzelner Sicherheitsbehörden für angezeigt hält und diese möglicherweise hiermit verbinden will.


II.

233

Die Entscheidung ist zu C. einstimmig, im Übrigen teilweise mit Gegenstimmen ergangen. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. März 2006 - 1 K 83/06 - geändert. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25. August 2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. November 2004 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg im Beamtenverhältnis auf Probe.
Der am ... 1970 in Heidelberg geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Nach einem Studium an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Fach Geschichte mit den Nebenfächern Deutsch und Bildende Kunst bestand er am 03.07.2000 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Note gut (1,5). Mit Wirkung vom 01.02.2001 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Realschullehreranwärter ernannt. Der Vorbereitungsdienst endete am 24.07.2002 mit dem Bestehen der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Gesamtnote gut (2,0).
Bereits am 27.02.2002 hatte der Kläger seine Einstellung in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg beantragt. Nach den Kriterien der Bestenauslese in Verbindung mit der Bedarfslage stand er Ende 2003 zur Einstellung als Beamter auf Probe zum 01.02.2004 an. Bereits im Sommer 2003 war dem damals für die Einstellung zuständigen Oberschulamt Karlsruhe vom Innenministerium über das Kultusministerium Baden-Württemberg mitgeteilt worden, nach vorliegenden Erkenntnissen bewege sich der Kläger seit den 1990er Jahren im linksextremen Spektrum des Heidelberger Raumes und sei in die dortige autonome Szene eingebunden. Mit Schreiben des Oberschulamts vom 15.12.2003 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nach den dem Amt mitgeteilten Erkenntnissen Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden; es werde deshalb ein vertieftes Einstellungsgespräch für erforderlich gehalten. Unter dem 30.12.2003 teilte das Oberschulamt dem Kläger mit, es werde zunächst über das Innenministerium eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz richten, ob gerichtsverwertbare Tatsachen über ihn vorlägen, die unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue Bedenken gegen seine Übernahme in den Schuldienst begründeten.
Im vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 wurde der Kläger unter anderem zu den vom Innenministerium unter dem 05.02.2004 übermittelten, ihm inzwischen bekannt gemachten Erkenntnissen sowie zu dem auf der Homepage des Autonomen Zentrums in Heidelberg veröffentlichten Selbstdarstellung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AI HD) „Wir über uns!“ befragt. Hierzu nahm der Kläger (auch) schriftlich Stellung.
Mit Bescheid vom 25.08.2004 lehnte das Oberschulamt Karlsruhe den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst des Landes ab. Aufgrund der Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz, die er im Wesentlichen als zutreffend eingeräumt habe, sowie aufgrund der ebenfalls eingeräumten Tatsache, dass er aktives Mitglied der AI HD sei, verblieben Zweifel an seiner Verfassungstreue. Dies insbesondere auch, weil der Kläger sich ausdrücklich zur Militanz als „legitimem Mittel im Kampf um die Befreiung“ und zu den Zielen dieser Organisation aktiv bekenne. Die AI HD stelle sich selbst als eine Gruppe dar, die davon überzeugt sei, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern werde. Bei den Aktivitäten der AI HD sei es mehrfach zu Ausschreitungen gekommen. Da das System der parlamentarischen Demokratie und das Gewaltmonopol des Staates zu den wesentlichen Merkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählten, seien öffentliche Aktivitäten, die diese freiheitliche demokratische Grundordnung über ein Jahrzehnt hinweg und bis in jüngste Zeit bekämpften, geeignet, Zweifel daran zu begründen, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Der Kläger habe diese Zweifel bislang nicht ausräumen können. Ihm mangele es somit an einer unabdingbaren Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst.
Den Widerspruch des Klägers vom 29.08.2004 wies das Oberschulamt Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 zurück. Dabei nahm es Bezug auf die folgenden Erkenntnisse (wobei die Nummerierung des Bescheides beibehalten wird) :
3. Am 23.03.1997 sei es im Rahmen eines Treffens von Angehörigen der „Antifaschistischen Jugendaktion Heidelberg“ und des „Antifaschistischen Aktionsbündnisses Rhein-Neckar“ in Laudenbach zu einer „Outing-Aktion“ der dort lebenden „Rechtsextremistin“ gekommen. Während dieser Aktion seien Flugblätter und Handzettel verteilt sowie an Gebäuden und Verkehrszeichen angebracht worden. Nach Beendigung der Aktion hätten sich mehrere Teilnehmer zum Bahnhof Laudenbach begeben. Dort sei durch die Polizei eine Personalienfeststellung von 23 Tatverdächtigen erfolgt, wobei die Personalien des Klägers erhoben worden seien.
4. Am 01.12.1999 habe der Kläger an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 in Heidelberg an die Stadt Heidelberg teilgenommen. Bei den anschließenden Abrissarbeiten seien aus der Menge der Teilnehmer heraus einige Steine und Flaschen in Richtung des Abrissbaggers geworfen worden, wobei eine Seitenscheibe des Baggers beschädigt worden sei.
5. Am 05.06.1999 habe der Kläger beim Amt für öffentliche Ordnung Heidelberg eine Demonstration gegen die „Kriegspolitik der NATO und der BRD“ für den 10.07.1999 in der Innenstadt von Heidelberg angemeldet.
10 
6. Vor der Jugendarrestanstalt Wiesloch hätten der Kläger und weitere Angehörige der autonomen Szene Heidelberg am 16.09.1999 demonstriert. Anlass sei die dortige Unterbringung eines Angehörigen der autonomen Szene Heidelberg vom 13. bis 27.09.1999 gewesen.
11 
7. In der Dezemberausgabe 1999 des Stadtmagazins „Meier-Rhein-Neckar-Raum“ hätten der Kläger und ein weiterer Angehöriger der autonomen Szene Heidelberg zum Thema „Autonomes Zentrum: Einfach weggelächelt?“ Stellung genommen.
12 
9. Am 06.02.2000 hätten zwischen 0.35 Uhr und 2.00 Uhr ca. 300 Angehörige des autonomen Spektrums ein leer stehendes Gebäude der Deutschen Bahn im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg besetzt und eine Party gefeiert. Gegen 5.00 Uhr hätten mehrere Personengruppen das Objekt verlassen. Am Vormittag des 06.02.2000 habe der Leiter der Netzbetriebe Heidelberg Strafantrag gestellt. Gegen 12.00 Uhr hätten auf den Gleisen vor dem leer stehenden Gebäude noch 7 Personen festgestellt werden können, die nicht freiwillig den Bereich verlassen hätten. Die Personalien seien festgestellt worden. Der Kläger sei eine der Personen gewesen. Ein Platzverweis sei ausgesprochen worden.
13 
10. In der Publikation RABATZ 01 vom 07.02.2000, einer Sonderzeitung zur laufenden Kampagne für ein autonomes Zentrum in Heidelberg, sei ein Interview mit dem Kläger veröffentlicht worden, der als Sprecher des „AZ (im Exil)“ benannt worden sei.
14 
11. Auf der Internetseite des autonomen Zentrums Heidelberg sei am 16.02.2000 unter dem Titel „Autonomes Zentrum Heidelberg - unser Haus könnt ihr zerstören, unsere Ideen nicht!“ eine Stellungnahme zur Demonstration „Ein Jahr Räumung des Autonomen Zentrums - Der Kampf geht weiter - Für eine starke Linke“ am 12.02.2000 in Heidelberg veröffentlicht worden, in der der Kläger namentlich erwähnt worden sei.
15 
12. Am 13.01.2001 sei der Kläger an der Veranstaltung „Test your playground“ bei „Hildes Hellbächl“ (ehemalige Szenenkneipe) festgestellt worden.
16 
13. Am 20.01.2001 habe der Kläger nach ordnungsgemäßer Anmeldung eine Kundgebung der linksextremistischen Szene als verantwortlicher Versammlungsleiter anlässlich einer geplanten Veranstaltung der rechtsextremistischen „Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ abgehalten. Nachdem die Redebeiträge beendet gewesen seien, sei zu einer Spontandemonstration zum Heidelberger Rathaus aufgerufen worden. Der Kläger sei als Versammlungsleiter durch den Polizeieinsatzleiter darauf hingewiesen worden, dass dies einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellen könne. Von ihm als Versammlungsleiter sei die Veranstaltung jedoch nicht beendet worden, so dass sich ein Demonstrationszug durch die Heidelberger Fußgängerzone formiert habe. Gegen den Kläger sei wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein Strafverfahren eingeleitet worden, das durch Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 08.01.2002 nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt worden sei.
17 
14. Am 15.06.2002 habe der Kläger mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums an der Gegenaktion anlässlich eines Aufmarsches der rechtsextremistischen „Karlsruhe Kameradschaft“ in Karlsruhe teilgenommen.
18 
15. In einer Broschüre der linksextremistisch beeinflussten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Kreisvereinigung Heidelberg, über die Geschichte der Mannheimer Lechleiter-Widerstandsgruppe sei der Kläger als Mitverfasser genannt. Diese Broschüre habe bei der VVN-Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ vom 13. bis 31.01.2003 in der Volkshochschule Heidelberg käuflich erworben werden können.
19 
16. Am 15.02.2003 habe sich der Kläger mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums an einer Aktion des linksextremistischen „Heidelberger Forums gegen Militarismus und Krieg“ (Antikriegsforum) vor dem US-Hauptquartier Heidelberg beteiligt. An diesem Tag habe ein europaweiter Aktionstag gegen den drohenden Irakkrieg stattgefunden.
20 
17. Der Kläger habe mit zahlreichen linksextremistischen Szeneangehörigen bei der Demonstration „Gegen den Irak-Krieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden können, zu der neben diversen demokratischen Organisationen das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ aufgerufen habe.
21 
18. Vom 25. bis 28.06.2003 hätten auf dem Heidelberger Marktplatz die Aktionstage „Für ein neues autonomes Zentrum“ stattgefunden. Der Kläger habe mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums Heidelberg während des gesamten Zeitraums daran teilgenommen.
22 
19. Am 16.11.2003 habe der Kläger an der Kundgebung unter dem Motto „Schluss mit Heldengedenken und Ehrenfriedhof“ vor dem Eingang des Ehrenfriedhofs in Heidelberg teilgenommen. Er habe das Grußwort der AI HD verlesen.
23 
20. Am 28.12.2003 sei der Kläger mit weiteren Szeneaktivisten anlässlich einer Kundgebung vor einem besetzten Haus in Mannheim-Jungbusch festgestellt worden.
24 
Das Oberschulamt führte weiter aus, im Wesentlichen räume der Kläger die angeführten Geschehnisse ein. Soweit er in seiner Einlassung von den Erkenntnissen abweiche, werde von seiner Darstellung ausgegangen. Die im Verlauf des Verfahrens nicht ausgeräumten Zweifel an seiner Verfassungstreue ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die unter anderem Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Die „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ grenze sich in ihrem gesamten Erscheinungsbild eindeutig von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab und propagiere darüber hinaus den „Widerstand und Aktionen gegen FaschistInnen und das rassistische Gesamtsystem der BRD“. Wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei, sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle und Militanz als angemessenes Mittel der politischen Auseinandersetzung ansehe, könne nicht als Lehrer in öffentlichen Schulen wirken.
25 
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - abgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, die Verfassungstreuepflicht verlange vom Beamten, dass er sich kompromisslos von Gruppen distanziere, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten. Dabei sei es unerheblich, mit welchem angeblich moralischen Anspruch dies getan werde. Der Kläger habe sich nicht in dem hier erforderlichen Umfang distanziert. Er sei nach wie vor Mitglied der AI HD. Bei seinem Einstellungsgespräch am 21.04.2004 habe er spontan geäußert, er stehe persönlich hinter dem Inhalt des Papiers „Wir über uns!“. Später habe er einige Aussagen relativiert und die grundsätzlich staatsfeindliche Haltung der AI HD geleugnet. Für das Oberschulamt Karlsruhe habe dies die begründeten Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers nicht ausgeräumt. Dies sei nachvollziehbar und bei der gerichtlichen Überprüfung der Bewertung des Dienstherrn zu akzeptieren. Die weiterhin vorhandene Befürchtung, der Kläger biete nicht die Gewähr, jederzeit für die Erhaltung unserer Grundordnung einzutreten, habe die geschilderte tatsächliche Grundlage durch die abwiegelnden Einlassungen nicht verloren. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der im gerichtlichen Verfahren angeführten Umstände, die den Kläger als engagierten Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht schilderten. Dies schließe eine tiefgreifend negative Einstellung gegenüber unserem Staat und seiner Verfassungsordnung nicht aus. Auch wer aus übersteigerter Sensibilität für bestimmte positive Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus unseren Staat und das Handeln seiner Verfassungsorgane wegen stets möglicher Missstände verachte, grundsätzlich ablehne und bekämpfe, sei als Beamter dieses Staates ungeeignet, weil er die besondere politische Treuepflicht wegen seiner ablehnenden inneren Einstellung nicht garantieren könne. Ob der Kläger nur vordergründig „Antifaschist“ sei und es ihm in Wahrheit um „Systemüberwindung“ als Anarchist oder Kommunist gehe oder ob er sich dieser radikalen Linken nur angeschlossen habe, weil sie sich aus seiner Sicht am konsequentesten gegen Rassismus und Nationalismus einsetze, könne die Einstellungsbehörde nicht beweisen und müsse sie auch nicht klären. Auch wer aus moralischem Rigorismus, Naivität oder Leichtgläubigkeit eine Gruppe unterstütze, von der sich ein Beamter distanzieren müsse, handele gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht. Der Kläger könne schließlich nicht mit Erfolg einwenden, er habe extreme politische Meinungen, die unseren Staat und seine Verfassung diskreditierten, bisher als Lehrer nie vertreten und es gebe keinen Anlass, dies in Zukunft zu vermuten. Dem könne das Oberschulamt entgegenhalten, ihm genüge eine formal korrekte Haltung seiner Beamten gegenüber dem Staat nicht.
26 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 04.08.2006 - 4 S 994/06 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und 15.11.2004 zu verpflichten, ihn - vorbehaltlich der gesundheitlichen Untersuchung - als Realschullehrer im Beamtenverhältnis auf Probe in den Schuldienst einzustellen,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
29 
Zur Begründung verweist er auf seinen gesamten bisherigen Vortrag und macht geltend, im Wege der Ermessensreduzierung auf Null komme keine andere Entscheidung als seine Einstellung in Betracht. Ergänzend trägt er vor, dass die gesamte sogenannte „Sündenliste“ des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Frage nach Zweifeln an der Verfassungstreue außen vor bleiben müsse, weil sie unter Missachtung des Datenschutzes gewonnen worden sei. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Landesbeauftragten für Datenschutz vom 07.08.2006. Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung verstoße auch gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000, die nunmehr durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt worden sei. Schließlich sei festzuhalten, dass - neben Art. 10 EMRK - auch die EU-Grundrechtscharta in Art. 10 und 11 sowie der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte in Art. 5 und 19 jedermann ungehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Außerdem verletzten sowohl die Entscheidungen des Beklagten als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts die Konvention 111 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1958.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, die vom Kläger unter Berufung auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz geltend gemachten Verfahrensverstöße seien - selbst wenn man diese bejahen würde - für die Entscheidung des Oberschulamts nicht kausal. Soweit sich der Kläger auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bzw. die Richtlinie 2000/78/EG berufe, sei ihm entgegenzuhalten, dass eine etwaige Benachteiligung aus Gründen der Weltanschauung nach § 8 Abs. 1 AGG und Art. 4 Abs. 1 der Antidiskriminierungsrichtlinie gerechtfertigt wäre. Die Rechtfertigungsprüfung unterscheide sich insoweit nicht von der Prüfung des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG. Auch die Berufung auf das Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf der Internationalen Arbeitsorganisation gehe fehl. Dieses Übereinkommen verleihe dem Kläger keine subjektiven Rechte.
33 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat zwar keinen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe, wohl aber einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag.
35 
Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Prognose über die Verfassungstreue unterfällt seinem Beurteilungsspielraum. Während für die Frage der Beurteilung der Verfassungstreue hier die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgebend ist, hat der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums die Eignung für das angestrebte Amt bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Damit aber sind für den Dienstherrn auch Umstände von Bedeutung, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren und die er zunächst in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2006 - 6 A 77/04 -, Juris) und im Übrigen auch mit Blick auf den dem Dienstherrn weiterhin zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. die Ausführungen unten) ausscheiden.
36 
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Danach darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung, die für jedes Beamtenverhältnis gilt. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG und entsprechender Vorschriften verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176, und Urteil vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00 u.a. -, BVerwGE 114, 258).
37 
Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Dies ist die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Zu den grundlegenden, sogar einer Verfassungsänderung entzogenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates, denen der Beamte verpflichtet ist, sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und muss es sein. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Staat und Gesellschaft können an einer unkritischen Beamtenschaft kein Interesse haben (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
38 
Der Beamte muss danach bei seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen, z.B. als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1243/95 u.a. -, BVerfGE 96, 152). Die Verfassungstreuepflicht verlangt ferner, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren und dass er in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen innerhalb und außerhalb des Dienstes für den Staat Partei ergreift. Ein Beamter, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt - unabhängig von seinen Motiven - seine Treuepflicht nicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
39 
Der verfassungsrechtliche Inhalt der politischen Treuepflicht des Beamten wird nicht beeinflusst von dem Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf - Übereinkommen 111 - vom 25.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 98), dem der Bundesgesetzgeber durch Gesetz vom 08.03.1961 (BGBl. II 1961 S. 97) zugestimmt hat, sowie dem Ausschussbericht von 1986 zur Prüfung der Einhaltung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland - Untersuchungsbericht -. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, haben das Übereinkommen 111 und der Untersuchungsbericht nur an die Bundesregierung gerichtete Empfehlungen, nicht jedoch das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Bestimmungen zum Inhalt; sie begründen keine subjektiven Rechte für den Einzelnen und können die Verfassungsrang genießende politische Treuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht erweitern oder einschränken (BVerwG, Urteil vom 10.05.1984 - 1 D 7.83 - BVerwGE 76, 157; Urteil vom 16.09.1987 - 1 D 122.86 -, ZBR 1988, 281; Urteil vom 01.02.1989 - 1 D 2.86 -, BVerwGE 86, 99). Dies bedeutet zugleich, dass es dem Senat verwehrt ist, insoweit bei der Rechtsauslegung als völkerrechtliche Vorgabe das Übereinkommen 111 und die Empfehlungen des Untersuchungsberichts zugrunde zu legen. Dem steht letztlich die vorrangige Norm des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, aus dem nach der insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die politische Treuepflicht der Beamten herzuleiten ist (BVerfGE 39, 334, 346 ff.) mit der weiteren Folge, dass, wie es ebenfalls dieser Rechtsprechung entspricht (a.a.O. S. 355), auch eine im Untersuchungsbericht empfohlene Differenzierung in den Anforderungen an die politische Treuepflicht, die sich nach der jeweiligen dienstlichen Funktion des Beamten richten würde, insoweit grundsätzlich nicht zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 01.02.1989, a.a.O.; Urteil vom 20.01.1987 - 1 D 114.85 -, NJW 1987, 2691; vgl. dazu auch die Ausführungen unten).
40 
Eine andere Beurteilung der politischen Treuepflicht gebietet auch nicht die Auslegung der Art. 10 und 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK - BGBl. 1952 II S. 685, 953) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 26.09.1995 (- 7/1994/454/535 -, NJW 1996, 375; Vogt / Bundesrepublik Deutschland). Danach kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Einzelfall gegen das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und - in Abhängigkeit davon - gegen die in Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit verstoßen, wenn die Maßnahme zur Gewährleistung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgeführten Zwecke - unter Berücksichtigung des staatlichen Beurteilungsspielraumes - in keinem angemessenen Verhältnis steht, mithin in einer demokratischen Gesellschaft nicht zwingend notwendig ist. Der EGMR hat in den Urteilsgründen jedoch ausdrücklich bestätigt, dass die Meinungsfreiheit durch gesetzliche Vorschriften, die die politische Treuepflicht des Beamten statuieren, in Verbindung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Nichts anders gilt danach auch, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass auch Art. 10 und 11 der EU-Grundrechtecharta (vgl. dazu allgemein Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - die nicht in Kraft ist - und Art. 5 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Darüber hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch ebenso wie durch die Richtlinie 2000/78/EG, die durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897) umgesetzt worden ist, nicht begründet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (§ 8 Abs. 1 AGG) vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal - wie hier - aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
41 
„Gewähr bieten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen. Da bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen eines Bewerbers stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers - etwa die Identifizierung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechenden Zielsetzungen einer Partei, die unter Umständen die Zweifel an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers sogar zur Gewissheit werden lassen - sind in der Regel nicht erforderlich. Die Feststellung einer im Einzelfall wesentlichen tatsächlichen subjektiven Einstellung (z.B. Nichtidentifizierung mit den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufenden Zielsetzungen einer Organisation, Distanzierung von der Verfassungsordnung widerstreitenden Bestrebungen und die Motivation für das bisherige Verhalten) kann aber insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob aus den festgestellten Fakten vom Dienstherrn hergeleitete Zweifel an der künftigen Verfassungstreue des Beamtenbewerbers zerstreut werden können, von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
42 
Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Erst wenn diese Schwelle überschritten ist, setzt die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ein (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506, und die Ausführungen unten). Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus (BVerfGE 39, 334, 335, 359; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980, a.a.O., vom 31.01.1980 - 2 C 5.78 -, NJW 1980, 2145, und vom 22.04.1977 - VII C 17.74 -, BVerwGE 52, 313). Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis des Beamtenbewerbers zu den mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Zielen einer extremistischen politischen Partei linker oder rechter Prägung - unabhängig von der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts - bedeutsam sein, insbesondere wenn der Parteibeitritt aufgrund freier Willensentschließung erfolgt ist und zu politischen Aktivitäten für die Ziele der Partei verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein schematisches Anknüpfen rechtserheblicher Zweifel an die Feststellung bestimmter Verhaltensweisen ist nicht zulässig (BVerfGE 39, 334, 354 f.). Die Frage, ob der Beamtenbewerber nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gründet sich auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Beurteilungselementen und ist weitgehend Tatfrage (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
43 
Dabei ist für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue auch von Bedeutung, ob jemand erstmals in das Beamtenverhältnis berufen werden soll oder sich schon einmal im Beamtenverhältnis befand. Bei einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, wie vorliegend bei der erstrebten Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, besteht bereits eine breitere Entscheidungsgrundlage. Hier ist neben den bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis liegenden Umständen das Verhalten im Beamtenverhältnis zu beachten. Durch das weitere Verhalten im Beamtenverhältnis können früher zu Tage getretene Bedenken bekräftigt oder zerstreut werden (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 9 S. 41 f.).
44 
Aufgrund des sonach festgestellten Sachverhalts hat der Dienstherr zu prüfen, ob der Beamtenbewerber die geforderte Gewähr der Verfassungstreue bietet (BVerfGE 39, 334, 353; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.). Seine Überzeugung ist maßgebend. Ihr liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers in Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst feststellen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich - was das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend beachtet hat - darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.). Dabei sind die Grenzen für die einzelnen Ansatzpunkte der verwaltungsgerichtlichen Prüfung angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Sachverhalte fließend.
45 
Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Dienstherr hat im jeweiligen Einzelfall nach Ermittlung der für und gegen ihn sprechenden Umstände die Persönlichkeit des Bewerbers umfassend zu würdigen, wobei eine sachgerechte Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist der Dienstherr, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, auch gehalten, das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht - wie ausgeführt - im Beschluss vom 22.05.1975 hervorgehoben hat, die Treuepflicht des Beamten sei einer Differenzierung nach Art der dienstlichen Obliegenheiten nicht zugänglich. Verfassungstreue im Sinne der Fähigkeit und inneren Bereitschaft, „die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten“ (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140, 151, und Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2312), verweist auf eine Grundvoraussetzung des Eignungskriteriums im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Jedenfalls insoweit handelt es sich um eine (nach unten) differenzierungsresistente Größe. Mit anderen Worten: Unabhängig von dem wahrzunehmenden öffentlichen Amt sowie der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses umschreibt eine solche „Verfassungstreue“ ein notwendiges Element des persönlichen Anforderungsprofils. Arbeiter und Angestellte sind insoweit nicht weniger eingebunden als Beamte. Indes ergeben sich im Prozess der (prognostischen) Bewertung durch die Einstellungsbehörde, ob ein Bewerber das erforderliche Maß an Verfassungstreue besitzt oder nicht, mit Blick darauf Differenzierungsmöglichkeiten, dass ein Korrespondenzverhältnis zwischen der „Verfassungstreuegeprägtheit“ eines Amtes und den Anforderungen an den Nachweis einer entsprechenden Fähigkeit und Bereitschaft eines Bewerbers (bzw. der Zweifel hieran) besteht (Höfling, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, RdNrn. 155 ff.: „Die Einstellung eines Sachbearbeiters eines kommunalen Friedhofsamtes erfordert eine andere Prognosesicherheit hinsichtlich seiner Verfassungstreue als diejenige über den zukünftigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“). In gleicher Weise kann auch der Status des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses Berücksichtigung finden. Dazu hat bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfGE 39, 334, 356): „Wer als Berufsziel den Staatsdienst im Auge hat, nähert sich diesem Dienst in drei „Stufen“: er studiert, er erwirbt die jeweils erforderliche Vorbildung - für den höheren Dienst durch Absolvierung des Vorbereitungsdienstes -, er wird als Beamter auf Probe übernommen. In der zweiten und dritten Stufe hat der Dienstvorgesetzte Gelegenheit, den Bewerber intensiv kennenzulernen, ihn zu beobachten und sich schließlich ein Urteil über seine Persönlichkeit zu bilden. Hier, wo die Verwaltung unmittelbar sich ein zuverlässiges Bild über den Anwärter machen kann, muss der Schwerpunkt liegen für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht. Das bedeutet aber, dass für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst eine gewissermaßen „vorläufige“ Beurteilung ausreicht….“. Das so verstandene Differenzierungsgebot hat der Dienstherr auch bei der Frage der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.
46 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die für Verpflichtungsklagen (und Neubescheidungsklagen) vielfach angeführte „Regel“, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, gilt nicht uneingeschränkt. Aus dem materiellen Recht können sich Abweichungen ergeben. Das ist auch hier der Fall. Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
47 
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Beklagte seiner Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ausdrücklich erklärt hat, es gehe von der Darstellung des Klägers aus, soweit seine Erklärungen zu den ihm angelasteten Vorfällen von den Erkenntnissen des Innenministeriums abwichen, hat auch der Senat von dem so festgestellten Sachverhalt auszugehen.
48 
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 07.08.2006 geltend macht, der Datenschutz sei in doppelter Hinsicht nicht beachtet worden, was zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen müsse. Der Landesbeauftragte für Datenschutz führt aus, dass zwar eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz datenschutzrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen sei, jedoch habe die Anfrage des Kultusministeriums an das Innenministerium vom 22.07.2003 hinsichtlich der anfragenden Stelle und der Unterrichtung des Petenten nicht den Vorgaben der Nr. 12 zu § 6 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG) vom 18.07.2003 (GABl. S. 502) entsprochen. Unabhängig davon, dass die Verwaltungsvorschrift zum Zeitpunkt der bezeichneten Anfrage noch nicht in Kraft getreten war (sie trat - erst - am Tag nach der Veröffentlichung am 27.08.2003 in Kraft), ist zu berücksichtigen, dass dem vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 die unter dem 05.02.2004 mitgeteilten Erkenntnisse zugrunde lagen, die durch das Innenministerium auf eine Anfrage des Oberschulamts Karlsruhe über das Kultusministerium vom 08.01.2004 übermittelt worden waren; von dieser Anfrage war der Kläger unterrichtet worden. Dass das Innenministerium zuvor das Kultusministerium gem. § 16 LDSG fernmündlich über die Aktivitäten des Klägers in der AI HD bzw. der dortigen autonomen Szene unterrichtet hatte und dieses unter dem 22.07.2003 eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet hatte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der später gewonnenen Erkenntnisse. Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass er selbst zu den ihm angelasteten Aktivitäten mit der Folge Stellung genommen hat, dass der Beklagte von seiner Darstellung ausgegangen ist. Ein streitiger Sachverhalt, bei dem den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz maßgebliche Bedeutung zukäme, ist danach nicht gegeben.
49 
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die u.a. Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Daraus, dass er als Aktivist für die autonome Szene in Heidelberg und Umgebung vielfach in Erscheinung getreten sei, könne in Verbindung mit seiner Einlassung bei der Anhörung mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass er sich mit den Zielsetzungen dieser Szene identifiziere. Die vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnisse seien jedenfalls in ihrer Gesamtheit von hinreichendem Gewicht, wobei der zum Vorschein gekommenen Gewaltbereitschaft (Nr. 3, 4 und 9) sowie den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Nr. 9, 13 und 17) besondere Bedeutung zukämen. Lehrer in öffentlichen Schulen könne nicht sein, wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei und sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle. Der Senat teilt die letztgenannte Rechtsauffassung. Indes kann bereits ein aktives Einsetzen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und hat außer Acht gelassen, dass er das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt hat.
50 
Dies gilt zunächst, soweit er eine zum Vorschein gekommene Gewaltbereitschaft des Klägers konstatiert hat. Denn den dafür zum Beleg angeführten Vorfällen Nr. 3, 4 und 9 lässt sich dafür nichts entnehmen. Bei der Aktion am 23.03.1997 in Laudenbach (Nr. 3) war der Kläger als Fotoreporter für die Heidelberger Rundschau anwesend. Bei der Personalienfeststellung durch die Polizei kam es durch einen Beamten zum Schusswaffeneinsatz. Der Kläger hat deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und der Polizei später Beweisfotos zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sind auch seine Personalien aufgenommen worden. Eine Gewaltbereitschaft ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass er am 01.02.1999 an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 an die Stadt Heidelberg teilgenommen hat (Nr. 4). Als Vertreter des Trägervereins hat er sich bei der offiziellen Übergabe innerhalb des Gebäudes und nicht außerhalb in der protestierenden Menge befunden. Von Stein- und Flaschenwürfen hat er nichts mitbekommen. Als er später davon erfahren hat, hat er dies, wie sich aus dem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung vom 02.02.1999 ergibt, verurteilt. Eine Gewaltbereitschaft folgt schließlich nicht ansatzweise daraus, dass die Anwesenheit des Klägers im Zusammenhang mit der „Partybesetzung“ eines leer stehenden Gebäudes im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg am 06.02.2000 festgestellt worden ist (Nr. 9). Der Kläger hat sich auf Bitten der Einsatzleitung der Polizei bereit erklärt, die Kommunikation zwischen der Polizei und den Besatzern zu gewährleisten. Er hat sich ausdrücklich versichert, dass sein Betreten des Geländes von der Polizei gebilligt wurde; ein Platzverweis ist gegen ihn nicht ausgesprochen worden.
51 
Auch von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz kann insoweit nicht die Rede sein. Dass der Kläger bei der Demonstration „Gegen den Irakkrieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden konnte (Nr. 17), stellt schon von vornherein keinen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar. Der Beklagte führt aus, dass zu dieser Demonstration diverse demokratische Organisationen aufgerufen hätten. Dass sich auch das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ an dem Aufruf beteiligt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit sich nach der vom Kläger angemeldeten Demonstration am 20.01.2001 (Nr. 13) eine spontane Demonstration durch die Fußgängerzone in Heidelberg formiert hat. Der Kläger hat in der Folge einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Ihm wurde vorgeworfen, die Kundgebung nicht vernehmlich genug aufgelöst zu haben. Nachdem in der folgenden Verhandlung die Zeugenaussagen widersprüchlich geblieben waren, wurde das Verfahren auf Anregung des Gerichts gegen die Zahlung von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Ein im vorliegenden Verfahren bedeutsamer Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verbleibt danach nicht.
52 
Auch die weiter angeführten Vorfälle ergeben nichts für das dem Kläger unterstellte aktive Eintreten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind nicht geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.
53 
Der Beklagte hat zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes (01.02.2001 bis 24.07.2002) nicht hinreichend ermittelt oder jedenfalls bei seiner Abwägung nicht gewürdigt. Er hat damit einen für seine Prognose grundsätzlich (vgl. BVerfGE 39, 334, 356) besonders bedeutsamen Zeitabschnitt außer Acht gelassen und ist insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Hat ein Bewerber, wie hier, bereits einen Vorbereitungsdienst abgeleistet, während dessen der Dienstherr sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über ihn machen konnte, so ist das Verhalten des Bewerbers während dieses Zeitraums jedenfalls eingehend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506; vgl. auch Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 49.78 -, DÖD 1982, 24).
54 
Der Beklagte hat mithin bei seiner dem Kläger ungünstigen Prognose wesentliche Beurteilungselemente außer Acht gelassen und ist von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Zweifel des Dienstherrn an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers keinen Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung erfordern und der Dienstherr sich darauf beschränken darf, die festgestellten äußeren Verhaltensweisen des Klägers seinem Urteil zugrunde zu legen und hieraus im Weg wertender Schlussfolgerung auf eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende, mit der künftigen beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbare Motivation zu schließen.
55 
Auch wenn der Beklagte die Führung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes zwar als tadelsfrei ermittelt und in seine Abwägung einbezogen hätte, ihr aber gegenüber den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätte, so hätte er damit gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Falle, da die angegriffenen Bescheide nichts über die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten aussagen, das Berufungsvorbringen des Beklagten zugrunde zu legen. Dieses lässt nicht erkennen, dass der Beklagte dem Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes das Gewicht beigemessen hat, das ihm nach den oben dargelegten Bewertungsgrundsätzen zukommen muss. Der Beklagte hat auch nicht berücksichtigt, dass seit den letzten dem Kläger angelasteten Aktivitäten bei Erlass des Widerspruchsbescheides nahezu ein Jahr verstrichen war, was für die Prognose über künftiges verfassungstreues Verhalten ihre Aussagekraft, falls sie inzwischen keine Fortsetzung durch gleichgerichtete Aktivitäten gefunden hatten, bereits minderte. Hinzu kommt, dass es sich bei sämtlichen jüngeren Aktivitäten, insbesondere denjenigen nach der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes, um Verhaltensweisen handelt, denen der Beklagte im Hinblick auf die von ihm anzustellende Prognose schon deshalb kein maßgebendes Gewicht beimessen durfte, weil sie sich zumindest auch auf mit der Verfassungsordnung vereinbare Ziele bezogen und auch in der Art der Durchführung ersichtlich von der Verfassung gedeckt waren (zum Eintreten gegen den Irak-Krieg vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -, NJW 2006, 77; zum antifaschistischen Engagement vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147: „In der Tat will das Grundgesetz nationalsozialistische Bestrebungen abwehren. Zugleich schafft es rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats“). Dies hat der Beklagte hingegen ebenso wenig ausreichend beachtet wie den für den Kläger sprechenden Umstand, dass er bei dem letzten ihm zur Last gelegten Vorfall am 28.12.2003 (Nr. 20), bei dem er als Fotograf anwesend war, auf Bitten der Polizei deeskalierend eingegriffen und den Kontakt mit den Kundgebungsteilnehmern hergestellt hat. Dass dieses Verhalten des Klägers kein Einzelfall war, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
56 
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des Beklagten auch im Übrigen den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht wird. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass der Beklagte von einem Bekenntnis des Klägers zu den verfassungsfeindlichen Zielen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg - für verfassungsfeindliche Zielsetzungen der autonomen Szene Heidelberg, die der Beklagte ebenfalls angesprochen hat, fehlt es an gewichtigen Erkenntnissen - ausgegangen ist. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die AI HD Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere. Unabhängig von der Frage, ob dies durch die wiedergegebenen Äußerungen hinreichend belegt wird, lässt der Beklagte unberücksichtigt, dass der Kläger in seiner (im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen) Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt hat. Dies wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass er sich gleichzeitig zur Militanz bekannt hat. Denn er hat dies dahingehend näher erläutert, dass Militanz für ihn eine entschlossene, widerständische Haltung bedeute, die nicht vor Konfrontationen zurückschrecke. Diese Auffassung hat der Kläger an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführten, halte er es nicht für sinnvoll, Kilometer weit davon entfernt sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht seien. Dieses Verständnis des Begriffs „Militanz“ (vgl. auch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl., militant: kämpferisch) kann - zumal im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verurteilung von Gewalt, für die ein Gegenbeispiel in Wort oder Tat in der Person des Klägers nicht erkennbar ist - nicht mit einem Bekenntnis zur Gewalt gleichgesetzt werden. Hier sind auch die grundrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen, die es gebieten, dass eine Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen ist es erforderlich, sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe anzugeben (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 u.a. -, BVerfGE 102, 347, m.w.N.).
57 
Der Beklagte hat zwar zu Recht nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der AI HD abgestellt. Aber auch die Annahme eines herausragenden Engagement für die AI HD ist nicht gerechtfertigt. Für die AI HD hat der Kläger bei der Kundgebung am 16.11.2003 (Nr. 19) die Namen der gefallenen Widerstandskämpfer verlesen. Soweit ihm auch angelastet wird, Demonstrationen angemeldet zu haben (Nr. 5 und 13), ist schon nicht erkennbar, dass er dies im Namen und Auftrag der AI HD getan hat. Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AI HD nicht die Rede sein, so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Der Senat bemerkt indes, dass es sich bei der AI HD nicht um eine festgefügte, auf ein bestimmtes Programm eindeutig festgelegte Gruppierung handelt (und ebenso wenig um eine Gruppierung, die ihre Mitglieder auf ein Parteiprogramm verpflichtet; vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 09.06.1981 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.), sondern - wie sich aus ihrer Selbstdarstellung ergibt und durch die Angaben des Klägers belegt wird - um einen Zusammenschluss von Menschen unterschiedlichster Couleur. Der Kläger hat dazu erklärt, dass der Text „Wir über uns!“ eine Art Plattform darstelle, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisierten, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes seien daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erführen sie in der Praxis der AI HD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Die Art und Weise, wie die AI HD ihre Entscheidungen gestalte, sei basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaftsordnung dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, sei ausdrücklich nicht die Rede. Die AI HD wende sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text sei ausdrücklich von parteiunabhängiger Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lasse, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollten. Auch mit diesen Angaben des Klägers hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt. Auch hat er nicht hinreichend in den Blick genommen, dass für die Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation - zumal einer lokalen Organisation mit fehlender Organisationsstruktur - eindeutige Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Hier aber hat der Beklagte insbesondere einzelne Äußerungen - nicht des Klägers - in Publikationen und auf Veranstaltungen angeführt, die schon das Merkmal der Evidenz und Dichte nicht erfüllen dürften. Abgesehen davon sind insoweit auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Inhalte einer auf einer Versammlung geäußerten Meinung zu berücksichtigen und die Grundsätze der Einschränkungsmöglichkeit des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten. Die Bürger, die nicht wie Beamte Einschränkungen aus Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen, sind in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Eine Grenze besteht nach Art. 5 Abs. 2 GG, soweit Meinungsäußerungen auf verfassungsgemäße Weise rechtlich verboten, insbesondere unter Strafe gestellt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, NVwZ 2006, 585, m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen, die auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweisen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000, a.a.O.).
58 
Der Beklagte hat nach alledem eine neue, selbständige, maßgebend auf die Person des Klägers bezogene Abwägung auf der Grundlage des derzeitigen Gesamtbildes vorzunehmen, bei der auch dem jüngeren Verhalten ein höheres Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.). Dabei wird der Beklagte auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger im Jahre 2004 wegen seines Engagements in der offenen Kultur- und Jugendarbeit zur Verleihung der Bürgerplakette der Stadt Heidelberg vorgeschlagen war und die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg diesem Vorschlag zugestimmt hatte.
59 
Der Berufung war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob die angegriffenen Bescheide des Beklagten im vorliegenden Fall auch gegen europa- bzw. völkerrechtliche Bestimmungen verstoßen.
60 
Auch eine Beweiserhebung war danach nicht geboten. Soweit der Kläger Zeugenbeweis beantragt hat (Beweisanträge I - III), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es war auch kein Sachverständigengutachten dazu einzuholen (Beweisantrag IV), dass es in Staat und Gesellschaft Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, deren Benennung und Bekämpfung daher keine Diffamierung des Staates darstellt. Abgesehen davon, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte Bewertung dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich und der Beweisantrag auch inhaltlich bereits zu unbestimmt ist, ist er, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung wird auch mit dem Beweisantrag V dargetan, dem zudem ebenfalls wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen war. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Akten des Innenministeriums zum vorliegenden Fall beizuziehen (Beweisantrag VI). Ob sie Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers von dort aus veranlasst worden ist, ist unerheblich. Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen (Beweisantrag VII), eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage einzuholen, wie der in der Richtlinie 2000/78/EG verwendete Begriff „Weltanschauung“ zu verstehen ist. Auch darauf kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
63 
Beschluss
vom 13. März 2007
64 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25.483,77 EUR festgesetzt.
65 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat zwar keinen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe, wohl aber einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag.
35 
Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Prognose über die Verfassungstreue unterfällt seinem Beurteilungsspielraum. Während für die Frage der Beurteilung der Verfassungstreue hier die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgebend ist, hat der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums die Eignung für das angestrebte Amt bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Damit aber sind für den Dienstherrn auch Umstände von Bedeutung, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren und die er zunächst in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2006 - 6 A 77/04 -, Juris) und im Übrigen auch mit Blick auf den dem Dienstherrn weiterhin zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. die Ausführungen unten) ausscheiden.
36 
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Danach darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung, die für jedes Beamtenverhältnis gilt. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG und entsprechender Vorschriften verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176, und Urteil vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00 u.a. -, BVerwGE 114, 258).
37 
Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Dies ist die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Zu den grundlegenden, sogar einer Verfassungsänderung entzogenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates, denen der Beamte verpflichtet ist, sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und muss es sein. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Staat und Gesellschaft können an einer unkritischen Beamtenschaft kein Interesse haben (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
38 
Der Beamte muss danach bei seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen, z.B. als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1243/95 u.a. -, BVerfGE 96, 152). Die Verfassungstreuepflicht verlangt ferner, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren und dass er in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen innerhalb und außerhalb des Dienstes für den Staat Partei ergreift. Ein Beamter, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt - unabhängig von seinen Motiven - seine Treuepflicht nicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
39 
Der verfassungsrechtliche Inhalt der politischen Treuepflicht des Beamten wird nicht beeinflusst von dem Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf - Übereinkommen 111 - vom 25.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 98), dem der Bundesgesetzgeber durch Gesetz vom 08.03.1961 (BGBl. II 1961 S. 97) zugestimmt hat, sowie dem Ausschussbericht von 1986 zur Prüfung der Einhaltung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland - Untersuchungsbericht -. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, haben das Übereinkommen 111 und der Untersuchungsbericht nur an die Bundesregierung gerichtete Empfehlungen, nicht jedoch das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Bestimmungen zum Inhalt; sie begründen keine subjektiven Rechte für den Einzelnen und können die Verfassungsrang genießende politische Treuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht erweitern oder einschränken (BVerwG, Urteil vom 10.05.1984 - 1 D 7.83 - BVerwGE 76, 157; Urteil vom 16.09.1987 - 1 D 122.86 -, ZBR 1988, 281; Urteil vom 01.02.1989 - 1 D 2.86 -, BVerwGE 86, 99). Dies bedeutet zugleich, dass es dem Senat verwehrt ist, insoweit bei der Rechtsauslegung als völkerrechtliche Vorgabe das Übereinkommen 111 und die Empfehlungen des Untersuchungsberichts zugrunde zu legen. Dem steht letztlich die vorrangige Norm des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, aus dem nach der insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die politische Treuepflicht der Beamten herzuleiten ist (BVerfGE 39, 334, 346 ff.) mit der weiteren Folge, dass, wie es ebenfalls dieser Rechtsprechung entspricht (a.a.O. S. 355), auch eine im Untersuchungsbericht empfohlene Differenzierung in den Anforderungen an die politische Treuepflicht, die sich nach der jeweiligen dienstlichen Funktion des Beamten richten würde, insoweit grundsätzlich nicht zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 01.02.1989, a.a.O.; Urteil vom 20.01.1987 - 1 D 114.85 -, NJW 1987, 2691; vgl. dazu auch die Ausführungen unten).
40 
Eine andere Beurteilung der politischen Treuepflicht gebietet auch nicht die Auslegung der Art. 10 und 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK - BGBl. 1952 II S. 685, 953) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 26.09.1995 (- 7/1994/454/535 -, NJW 1996, 375; Vogt / Bundesrepublik Deutschland). Danach kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Einzelfall gegen das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und - in Abhängigkeit davon - gegen die in Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit verstoßen, wenn die Maßnahme zur Gewährleistung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgeführten Zwecke - unter Berücksichtigung des staatlichen Beurteilungsspielraumes - in keinem angemessenen Verhältnis steht, mithin in einer demokratischen Gesellschaft nicht zwingend notwendig ist. Der EGMR hat in den Urteilsgründen jedoch ausdrücklich bestätigt, dass die Meinungsfreiheit durch gesetzliche Vorschriften, die die politische Treuepflicht des Beamten statuieren, in Verbindung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Nichts anders gilt danach auch, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass auch Art. 10 und 11 der EU-Grundrechtecharta (vgl. dazu allgemein Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - die nicht in Kraft ist - und Art. 5 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Darüber hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch ebenso wie durch die Richtlinie 2000/78/EG, die durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897) umgesetzt worden ist, nicht begründet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (§ 8 Abs. 1 AGG) vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal - wie hier - aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
41 
„Gewähr bieten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen. Da bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen eines Bewerbers stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers - etwa die Identifizierung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechenden Zielsetzungen einer Partei, die unter Umständen die Zweifel an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers sogar zur Gewissheit werden lassen - sind in der Regel nicht erforderlich. Die Feststellung einer im Einzelfall wesentlichen tatsächlichen subjektiven Einstellung (z.B. Nichtidentifizierung mit den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufenden Zielsetzungen einer Organisation, Distanzierung von der Verfassungsordnung widerstreitenden Bestrebungen und die Motivation für das bisherige Verhalten) kann aber insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob aus den festgestellten Fakten vom Dienstherrn hergeleitete Zweifel an der künftigen Verfassungstreue des Beamtenbewerbers zerstreut werden können, von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
42 
Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Erst wenn diese Schwelle überschritten ist, setzt die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ein (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506, und die Ausführungen unten). Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus (BVerfGE 39, 334, 335, 359; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980, a.a.O., vom 31.01.1980 - 2 C 5.78 -, NJW 1980, 2145, und vom 22.04.1977 - VII C 17.74 -, BVerwGE 52, 313). Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis des Beamtenbewerbers zu den mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Zielen einer extremistischen politischen Partei linker oder rechter Prägung - unabhängig von der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts - bedeutsam sein, insbesondere wenn der Parteibeitritt aufgrund freier Willensentschließung erfolgt ist und zu politischen Aktivitäten für die Ziele der Partei verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein schematisches Anknüpfen rechtserheblicher Zweifel an die Feststellung bestimmter Verhaltensweisen ist nicht zulässig (BVerfGE 39, 334, 354 f.). Die Frage, ob der Beamtenbewerber nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gründet sich auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Beurteilungselementen und ist weitgehend Tatfrage (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
43 
Dabei ist für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue auch von Bedeutung, ob jemand erstmals in das Beamtenverhältnis berufen werden soll oder sich schon einmal im Beamtenverhältnis befand. Bei einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, wie vorliegend bei der erstrebten Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, besteht bereits eine breitere Entscheidungsgrundlage. Hier ist neben den bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis liegenden Umständen das Verhalten im Beamtenverhältnis zu beachten. Durch das weitere Verhalten im Beamtenverhältnis können früher zu Tage getretene Bedenken bekräftigt oder zerstreut werden (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 9 S. 41 f.).
44 
Aufgrund des sonach festgestellten Sachverhalts hat der Dienstherr zu prüfen, ob der Beamtenbewerber die geforderte Gewähr der Verfassungstreue bietet (BVerfGE 39, 334, 353; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.). Seine Überzeugung ist maßgebend. Ihr liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers in Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst feststellen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich - was das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend beachtet hat - darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.). Dabei sind die Grenzen für die einzelnen Ansatzpunkte der verwaltungsgerichtlichen Prüfung angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Sachverhalte fließend.
45 
Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Dienstherr hat im jeweiligen Einzelfall nach Ermittlung der für und gegen ihn sprechenden Umstände die Persönlichkeit des Bewerbers umfassend zu würdigen, wobei eine sachgerechte Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist der Dienstherr, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, auch gehalten, das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht - wie ausgeführt - im Beschluss vom 22.05.1975 hervorgehoben hat, die Treuepflicht des Beamten sei einer Differenzierung nach Art der dienstlichen Obliegenheiten nicht zugänglich. Verfassungstreue im Sinne der Fähigkeit und inneren Bereitschaft, „die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten“ (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140, 151, und Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2312), verweist auf eine Grundvoraussetzung des Eignungskriteriums im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Jedenfalls insoweit handelt es sich um eine (nach unten) differenzierungsresistente Größe. Mit anderen Worten: Unabhängig von dem wahrzunehmenden öffentlichen Amt sowie der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses umschreibt eine solche „Verfassungstreue“ ein notwendiges Element des persönlichen Anforderungsprofils. Arbeiter und Angestellte sind insoweit nicht weniger eingebunden als Beamte. Indes ergeben sich im Prozess der (prognostischen) Bewertung durch die Einstellungsbehörde, ob ein Bewerber das erforderliche Maß an Verfassungstreue besitzt oder nicht, mit Blick darauf Differenzierungsmöglichkeiten, dass ein Korrespondenzverhältnis zwischen der „Verfassungstreuegeprägtheit“ eines Amtes und den Anforderungen an den Nachweis einer entsprechenden Fähigkeit und Bereitschaft eines Bewerbers (bzw. der Zweifel hieran) besteht (Höfling, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, RdNrn. 155 ff.: „Die Einstellung eines Sachbearbeiters eines kommunalen Friedhofsamtes erfordert eine andere Prognosesicherheit hinsichtlich seiner Verfassungstreue als diejenige über den zukünftigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“). In gleicher Weise kann auch der Status des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses Berücksichtigung finden. Dazu hat bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfGE 39, 334, 356): „Wer als Berufsziel den Staatsdienst im Auge hat, nähert sich diesem Dienst in drei „Stufen“: er studiert, er erwirbt die jeweils erforderliche Vorbildung - für den höheren Dienst durch Absolvierung des Vorbereitungsdienstes -, er wird als Beamter auf Probe übernommen. In der zweiten und dritten Stufe hat der Dienstvorgesetzte Gelegenheit, den Bewerber intensiv kennenzulernen, ihn zu beobachten und sich schließlich ein Urteil über seine Persönlichkeit zu bilden. Hier, wo die Verwaltung unmittelbar sich ein zuverlässiges Bild über den Anwärter machen kann, muss der Schwerpunkt liegen für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht. Das bedeutet aber, dass für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst eine gewissermaßen „vorläufige“ Beurteilung ausreicht….“. Das so verstandene Differenzierungsgebot hat der Dienstherr auch bei der Frage der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.
46 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die für Verpflichtungsklagen (und Neubescheidungsklagen) vielfach angeführte „Regel“, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, gilt nicht uneingeschränkt. Aus dem materiellen Recht können sich Abweichungen ergeben. Das ist auch hier der Fall. Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
47 
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Beklagte seiner Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ausdrücklich erklärt hat, es gehe von der Darstellung des Klägers aus, soweit seine Erklärungen zu den ihm angelasteten Vorfällen von den Erkenntnissen des Innenministeriums abwichen, hat auch der Senat von dem so festgestellten Sachverhalt auszugehen.
48 
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 07.08.2006 geltend macht, der Datenschutz sei in doppelter Hinsicht nicht beachtet worden, was zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen müsse. Der Landesbeauftragte für Datenschutz führt aus, dass zwar eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz datenschutzrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen sei, jedoch habe die Anfrage des Kultusministeriums an das Innenministerium vom 22.07.2003 hinsichtlich der anfragenden Stelle und der Unterrichtung des Petenten nicht den Vorgaben der Nr. 12 zu § 6 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG) vom 18.07.2003 (GABl. S. 502) entsprochen. Unabhängig davon, dass die Verwaltungsvorschrift zum Zeitpunkt der bezeichneten Anfrage noch nicht in Kraft getreten war (sie trat - erst - am Tag nach der Veröffentlichung am 27.08.2003 in Kraft), ist zu berücksichtigen, dass dem vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 die unter dem 05.02.2004 mitgeteilten Erkenntnisse zugrunde lagen, die durch das Innenministerium auf eine Anfrage des Oberschulamts Karlsruhe über das Kultusministerium vom 08.01.2004 übermittelt worden waren; von dieser Anfrage war der Kläger unterrichtet worden. Dass das Innenministerium zuvor das Kultusministerium gem. § 16 LDSG fernmündlich über die Aktivitäten des Klägers in der AI HD bzw. der dortigen autonomen Szene unterrichtet hatte und dieses unter dem 22.07.2003 eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet hatte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der später gewonnenen Erkenntnisse. Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass er selbst zu den ihm angelasteten Aktivitäten mit der Folge Stellung genommen hat, dass der Beklagte von seiner Darstellung ausgegangen ist. Ein streitiger Sachverhalt, bei dem den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz maßgebliche Bedeutung zukäme, ist danach nicht gegeben.
49 
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die u.a. Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Daraus, dass er als Aktivist für die autonome Szene in Heidelberg und Umgebung vielfach in Erscheinung getreten sei, könne in Verbindung mit seiner Einlassung bei der Anhörung mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass er sich mit den Zielsetzungen dieser Szene identifiziere. Die vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnisse seien jedenfalls in ihrer Gesamtheit von hinreichendem Gewicht, wobei der zum Vorschein gekommenen Gewaltbereitschaft (Nr. 3, 4 und 9) sowie den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Nr. 9, 13 und 17) besondere Bedeutung zukämen. Lehrer in öffentlichen Schulen könne nicht sein, wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei und sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle. Der Senat teilt die letztgenannte Rechtsauffassung. Indes kann bereits ein aktives Einsetzen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und hat außer Acht gelassen, dass er das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt hat.
50 
Dies gilt zunächst, soweit er eine zum Vorschein gekommene Gewaltbereitschaft des Klägers konstatiert hat. Denn den dafür zum Beleg angeführten Vorfällen Nr. 3, 4 und 9 lässt sich dafür nichts entnehmen. Bei der Aktion am 23.03.1997 in Laudenbach (Nr. 3) war der Kläger als Fotoreporter für die Heidelberger Rundschau anwesend. Bei der Personalienfeststellung durch die Polizei kam es durch einen Beamten zum Schusswaffeneinsatz. Der Kläger hat deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und der Polizei später Beweisfotos zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sind auch seine Personalien aufgenommen worden. Eine Gewaltbereitschaft ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass er am 01.02.1999 an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 an die Stadt Heidelberg teilgenommen hat (Nr. 4). Als Vertreter des Trägervereins hat er sich bei der offiziellen Übergabe innerhalb des Gebäudes und nicht außerhalb in der protestierenden Menge befunden. Von Stein- und Flaschenwürfen hat er nichts mitbekommen. Als er später davon erfahren hat, hat er dies, wie sich aus dem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung vom 02.02.1999 ergibt, verurteilt. Eine Gewaltbereitschaft folgt schließlich nicht ansatzweise daraus, dass die Anwesenheit des Klägers im Zusammenhang mit der „Partybesetzung“ eines leer stehenden Gebäudes im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg am 06.02.2000 festgestellt worden ist (Nr. 9). Der Kläger hat sich auf Bitten der Einsatzleitung der Polizei bereit erklärt, die Kommunikation zwischen der Polizei und den Besatzern zu gewährleisten. Er hat sich ausdrücklich versichert, dass sein Betreten des Geländes von der Polizei gebilligt wurde; ein Platzverweis ist gegen ihn nicht ausgesprochen worden.
51 
Auch von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz kann insoweit nicht die Rede sein. Dass der Kläger bei der Demonstration „Gegen den Irakkrieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden konnte (Nr. 17), stellt schon von vornherein keinen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar. Der Beklagte führt aus, dass zu dieser Demonstration diverse demokratische Organisationen aufgerufen hätten. Dass sich auch das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ an dem Aufruf beteiligt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit sich nach der vom Kläger angemeldeten Demonstration am 20.01.2001 (Nr. 13) eine spontane Demonstration durch die Fußgängerzone in Heidelberg formiert hat. Der Kläger hat in der Folge einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Ihm wurde vorgeworfen, die Kundgebung nicht vernehmlich genug aufgelöst zu haben. Nachdem in der folgenden Verhandlung die Zeugenaussagen widersprüchlich geblieben waren, wurde das Verfahren auf Anregung des Gerichts gegen die Zahlung von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Ein im vorliegenden Verfahren bedeutsamer Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verbleibt danach nicht.
52 
Auch die weiter angeführten Vorfälle ergeben nichts für das dem Kläger unterstellte aktive Eintreten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind nicht geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.
53 
Der Beklagte hat zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes (01.02.2001 bis 24.07.2002) nicht hinreichend ermittelt oder jedenfalls bei seiner Abwägung nicht gewürdigt. Er hat damit einen für seine Prognose grundsätzlich (vgl. BVerfGE 39, 334, 356) besonders bedeutsamen Zeitabschnitt außer Acht gelassen und ist insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Hat ein Bewerber, wie hier, bereits einen Vorbereitungsdienst abgeleistet, während dessen der Dienstherr sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über ihn machen konnte, so ist das Verhalten des Bewerbers während dieses Zeitraums jedenfalls eingehend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506; vgl. auch Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 49.78 -, DÖD 1982, 24).
54 
Der Beklagte hat mithin bei seiner dem Kläger ungünstigen Prognose wesentliche Beurteilungselemente außer Acht gelassen und ist von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Zweifel des Dienstherrn an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers keinen Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung erfordern und der Dienstherr sich darauf beschränken darf, die festgestellten äußeren Verhaltensweisen des Klägers seinem Urteil zugrunde zu legen und hieraus im Weg wertender Schlussfolgerung auf eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende, mit der künftigen beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbare Motivation zu schließen.
55 
Auch wenn der Beklagte die Führung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes zwar als tadelsfrei ermittelt und in seine Abwägung einbezogen hätte, ihr aber gegenüber den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätte, so hätte er damit gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Falle, da die angegriffenen Bescheide nichts über die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten aussagen, das Berufungsvorbringen des Beklagten zugrunde zu legen. Dieses lässt nicht erkennen, dass der Beklagte dem Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes das Gewicht beigemessen hat, das ihm nach den oben dargelegten Bewertungsgrundsätzen zukommen muss. Der Beklagte hat auch nicht berücksichtigt, dass seit den letzten dem Kläger angelasteten Aktivitäten bei Erlass des Widerspruchsbescheides nahezu ein Jahr verstrichen war, was für die Prognose über künftiges verfassungstreues Verhalten ihre Aussagekraft, falls sie inzwischen keine Fortsetzung durch gleichgerichtete Aktivitäten gefunden hatten, bereits minderte. Hinzu kommt, dass es sich bei sämtlichen jüngeren Aktivitäten, insbesondere denjenigen nach der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes, um Verhaltensweisen handelt, denen der Beklagte im Hinblick auf die von ihm anzustellende Prognose schon deshalb kein maßgebendes Gewicht beimessen durfte, weil sie sich zumindest auch auf mit der Verfassungsordnung vereinbare Ziele bezogen und auch in der Art der Durchführung ersichtlich von der Verfassung gedeckt waren (zum Eintreten gegen den Irak-Krieg vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -, NJW 2006, 77; zum antifaschistischen Engagement vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147: „In der Tat will das Grundgesetz nationalsozialistische Bestrebungen abwehren. Zugleich schafft es rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats“). Dies hat der Beklagte hingegen ebenso wenig ausreichend beachtet wie den für den Kläger sprechenden Umstand, dass er bei dem letzten ihm zur Last gelegten Vorfall am 28.12.2003 (Nr. 20), bei dem er als Fotograf anwesend war, auf Bitten der Polizei deeskalierend eingegriffen und den Kontakt mit den Kundgebungsteilnehmern hergestellt hat. Dass dieses Verhalten des Klägers kein Einzelfall war, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
56 
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des Beklagten auch im Übrigen den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht wird. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass der Beklagte von einem Bekenntnis des Klägers zu den verfassungsfeindlichen Zielen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg - für verfassungsfeindliche Zielsetzungen der autonomen Szene Heidelberg, die der Beklagte ebenfalls angesprochen hat, fehlt es an gewichtigen Erkenntnissen - ausgegangen ist. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die AI HD Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere. Unabhängig von der Frage, ob dies durch die wiedergegebenen Äußerungen hinreichend belegt wird, lässt der Beklagte unberücksichtigt, dass der Kläger in seiner (im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen) Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt hat. Dies wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass er sich gleichzeitig zur Militanz bekannt hat. Denn er hat dies dahingehend näher erläutert, dass Militanz für ihn eine entschlossene, widerständische Haltung bedeute, die nicht vor Konfrontationen zurückschrecke. Diese Auffassung hat der Kläger an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführten, halte er es nicht für sinnvoll, Kilometer weit davon entfernt sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht seien. Dieses Verständnis des Begriffs „Militanz“ (vgl. auch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl., militant: kämpferisch) kann - zumal im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verurteilung von Gewalt, für die ein Gegenbeispiel in Wort oder Tat in der Person des Klägers nicht erkennbar ist - nicht mit einem Bekenntnis zur Gewalt gleichgesetzt werden. Hier sind auch die grundrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen, die es gebieten, dass eine Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen ist es erforderlich, sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe anzugeben (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 u.a. -, BVerfGE 102, 347, m.w.N.).
57 
Der Beklagte hat zwar zu Recht nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der AI HD abgestellt. Aber auch die Annahme eines herausragenden Engagement für die AI HD ist nicht gerechtfertigt. Für die AI HD hat der Kläger bei der Kundgebung am 16.11.2003 (Nr. 19) die Namen der gefallenen Widerstandskämpfer verlesen. Soweit ihm auch angelastet wird, Demonstrationen angemeldet zu haben (Nr. 5 und 13), ist schon nicht erkennbar, dass er dies im Namen und Auftrag der AI HD getan hat. Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AI HD nicht die Rede sein, so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Der Senat bemerkt indes, dass es sich bei der AI HD nicht um eine festgefügte, auf ein bestimmtes Programm eindeutig festgelegte Gruppierung handelt (und ebenso wenig um eine Gruppierung, die ihre Mitglieder auf ein Parteiprogramm verpflichtet; vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 09.06.1981 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.), sondern - wie sich aus ihrer Selbstdarstellung ergibt und durch die Angaben des Klägers belegt wird - um einen Zusammenschluss von Menschen unterschiedlichster Couleur. Der Kläger hat dazu erklärt, dass der Text „Wir über uns!“ eine Art Plattform darstelle, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisierten, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes seien daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erführen sie in der Praxis der AI HD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Die Art und Weise, wie die AI HD ihre Entscheidungen gestalte, sei basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaftsordnung dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, sei ausdrücklich nicht die Rede. Die AI HD wende sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text sei ausdrücklich von parteiunabhängiger Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lasse, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollten. Auch mit diesen Angaben des Klägers hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt. Auch hat er nicht hinreichend in den Blick genommen, dass für die Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation - zumal einer lokalen Organisation mit fehlender Organisationsstruktur - eindeutige Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Hier aber hat der Beklagte insbesondere einzelne Äußerungen - nicht des Klägers - in Publikationen und auf Veranstaltungen angeführt, die schon das Merkmal der Evidenz und Dichte nicht erfüllen dürften. Abgesehen davon sind insoweit auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Inhalte einer auf einer Versammlung geäußerten Meinung zu berücksichtigen und die Grundsätze der Einschränkungsmöglichkeit des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten. Die Bürger, die nicht wie Beamte Einschränkungen aus Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen, sind in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Eine Grenze besteht nach Art. 5 Abs. 2 GG, soweit Meinungsäußerungen auf verfassungsgemäße Weise rechtlich verboten, insbesondere unter Strafe gestellt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, NVwZ 2006, 585, m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen, die auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweisen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000, a.a.O.).
58 
Der Beklagte hat nach alledem eine neue, selbständige, maßgebend auf die Person des Klägers bezogene Abwägung auf der Grundlage des derzeitigen Gesamtbildes vorzunehmen, bei der auch dem jüngeren Verhalten ein höheres Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.). Dabei wird der Beklagte auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger im Jahre 2004 wegen seines Engagements in der offenen Kultur- und Jugendarbeit zur Verleihung der Bürgerplakette der Stadt Heidelberg vorgeschlagen war und die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg diesem Vorschlag zugestimmt hatte.
59 
Der Berufung war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob die angegriffenen Bescheide des Beklagten im vorliegenden Fall auch gegen europa- bzw. völkerrechtliche Bestimmungen verstoßen.
60 
Auch eine Beweiserhebung war danach nicht geboten. Soweit der Kläger Zeugenbeweis beantragt hat (Beweisanträge I - III), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es war auch kein Sachverständigengutachten dazu einzuholen (Beweisantrag IV), dass es in Staat und Gesellschaft Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, deren Benennung und Bekämpfung daher keine Diffamierung des Staates darstellt. Abgesehen davon, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte Bewertung dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich und der Beweisantrag auch inhaltlich bereits zu unbestimmt ist, ist er, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung wird auch mit dem Beweisantrag V dargetan, dem zudem ebenfalls wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen war. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Akten des Innenministeriums zum vorliegenden Fall beizuziehen (Beweisantrag VI). Ob sie Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers von dort aus veranlasst worden ist, ist unerheblich. Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen (Beweisantrag VII), eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage einzuholen, wie der in der Richtlinie 2000/78/EG verwendete Begriff „Weltanschauung“ zu verstehen ist. Auch darauf kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
63 
Beschluss
vom 13. März 2007
64 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25.483,77 EUR festgesetzt.
65 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung, eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage sowie gegen die im Laufe des Berufungsverfahrens getroffene Befristungsentscheidung des Beklagten.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen sieben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und zwei - beide deutsche Staatsangehörige - noch minderjährig sind, in der Bundesrepublik Deutschland. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24. Juni 1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. VG Minden, Urteil vom 08.02.1993 - 5 K 2522/91.A -). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. August 2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. November 2007 (- A 7 K 1100/06 -) aufgehoben. Seit dem 7. Oktober 1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels, seine Frau besitzt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitisch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 wurden der PKK und der ERNK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdullah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10. Januar 2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1.000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in vier Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, vier Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers - mit einem Schnellfeuergewehr posierend, neben weiteren bewaffneten Personen - welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Bei der Durchsuchung wurde in der Wohnung des Klägers der türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit T., ein PKK-Funktionär, angetroffen.
Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 (5 KLs 500 Js 58139/06) wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Auf die schriftlichen Urteilsgründe wird zunächst verwiesen. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 8. April 2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. März 2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. November 2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
10 
Am 3. Januar 2013 hat der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet. Er bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
11 
Mit Bescheid vom 28. März 2013 hat der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Klägers befristet.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. März 2012 aufzuheben;
14 
hilfsweise: den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
18 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. April 2013 erklärte der Kläger, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpften. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990er-Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
19 
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Mai 2013 das Verfahren ausgesetzt und gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung bei dem Gerichtshof der Europäischen Union eingeholt, die dieser mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, InfAuslR 2015, 357) beantwortet hat.
20 
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. August 2015 erneut Stellung genommen. Er meint, der Gerichtshof habe in seinem Urteil nochmals ausdrücklich bestätigt, dass es den einzelnen Mitgliedstaaten freistehe zu bestimmen, was die Begriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ nach ihren nationalen Bedürfnissen erforderten. Notwendig sei zu berücksichtigen, dass die PKK weiterhin als Terrororganisation gelistet sei und diese seit 2015 auch wieder terroristische Anschläge zu verantworten habe. Die Handlungen des Klägers erfüllten davon ausgehend die vom Gerichtshof aufgestellten und nicht abschließend zu verstehenden Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie auf der Grundlage der vom Senat schon vorgenommenen individuellen Würdigung. Dieser habe sich von der Unterstützung der PKK auch nicht distanziert, weswegen weiterhin von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers auszugehen sei, zumal dieser im Januar an einer PKK-Großveranstaltung in Paris und am 22. Dezember 2013 an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen habe, bei der vor ca. 1.000 Teilnehmern mehrere Redner aufgetreten und einschlägige Parolen skandiert worden seien, wie sich aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 30. Juli 2015 ergebe.
21 
Der Kläger bestreitet seine Teilnahme an beiden Veranstaltungen.
22 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Beweisantrag gestellt: „Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger am 22. Dezember 2013 bei einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim-Neckarau sowie am 12. Januar 2013 bei einer Großdemonstration von PKK-Anhängern in Paris anwesend war, wird beantragt, einen Zeugen vom Hörensagen, zu laden über das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, zu laden und zu befragen.“ Diesen hat der Senat abgelehnt.
23 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe über das Ausweisungsverfahren (3 Hefte), die ausländerrechtlichen Akten der Stadt Mannheim bezüglich des Klägers (2 Hefte), die Strafakten betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.208 - 5 KLs 500 Js 58139/06 - (1 Band Strafakten und 1 Band Vollstreckungsakten) und die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über das Klageverfahren wegen Widerrufs der Asylanerkennung - A 7 K 1100/06 - vor. Diese sind ebenso wie die Akten über das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Karlsruhe - 1 K 929/12 - und über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 1 K 930/12 -, über das vorliegende Berufungsverfahren - 11 S 2336/12 -, über das Beschwerdeverfahren bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht - 11 S 1437712 - und über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 11 S 1987/12 - Gegenstand der mündlichen Verhandlungen am 4. April 2013 und am 2. März 2016 gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Auch die Berufung hinsichtlich der Befristungsentscheidung bleibt ohne Erfolg (II.).
I.
25 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
26 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1).
27 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Die Ausweisung verstößt vorliegend auch nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln (5.).
28 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
29 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
30 
Der Kläger hat die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
31 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 24, m. w. Nachw.). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert, „die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
32 
Nichts anderes wird der Sache nach durch die Definition des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris) zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
33 
Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und unter anderem auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
34 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
35 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2015, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 26; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
36 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde und verweist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 2016 (- 11 S 889/15 -, juris, Rn. 76 ff.), die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in dieser Sache waren.
37 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkers-party). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: Die PKK sehe sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Sie treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Es sei überraschend, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. Der Preis für Kritik an der PKK könne der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern oder Büros.
38 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
39 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
40 
Soweit der Kläger darauf abstellen will, dass die PKK in der Vergangenheit positiv im Entspannungsprozess in der Türkei gewirkt habe und es insbesondere der Politikwechsel des türkischen Präsidenten Erdogan sei, der die Situation erneut habe eskalieren lassen, führt dies für den Senat zu keiner anderen Einschätzung der PKK. Unbestritten gab es in der Vergangenheit beiderseitige Bemühungen um eine Entspannung, gleichwohl hat die PKK zu keinem Zeitpunkt ihr Selbstverständnis geändert und ihrer auch terroristischen Vorgehensweise abgeschworen. Eine heterogene Ausrichtung einer Vereinigung steht ihrer Qualifikation als terroristisch im Übrigen nicht entgegen. Es genügt, dass terroristische Mittel Teil ihrer politischen Agenda sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG, Rn. 31).
41 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger entfalteten Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch aktuell vorgehalten werden dürfen, da er von diesen weder erkennbar noch glaubhaft Abstand genommen hat.
42 
Diese Aktivitäten des Klägers sind überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung überhaupt) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
43 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat, ohne hiervon erkennbar und glaubhaft Abstand genommen zu haben.
44 
Der Kläger sammelte in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Soweit der Kläger dies abgestritten hat, ist dies für den Senat nicht glaubhaft. Das Landgericht hat sich in seinen ausführlichen Urteilsgründen im Einzelnen mit den im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass gerade der Kläger für die Eintreibung der Spenden für die PKK im Bezirk Mannheim zuständig und dabei unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt war. Es hat in seinen Urteilsgründen unter anderem das Folgende ausgeführt:
45 
„Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung folgende Angaben zur Sache gemacht:
46 
Er hat eingeräumt, 4 Exemplare der Zeitschrift Serxwebun von einem jungen Kurden erhalten zu haben, um diese an Interessierte abzugeben. Er sei Sympathisant der PKK, jedoch nicht deren Mitglied. Er habe nichts von den im Personalcomputer abgespeicherten Dateien gewusst und könne einen Computer auch nicht betätigen. Der Computer sei von seinem ältesten Sohn und seiner Ehefrau, die ihn auch bezahlt habe, angeschafft worden und habe allen Familienmitgliedern, vorwiegend jedoch seinem ältesten Sohn für dessen Schreibarbeiten, zur Verfügung stehen sollen. Auch die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10.1.2007 aufgefundene handschriftliche Vorlage für ein Spendenformular habe er nicht gefertigt. Der in seiner Hosentasche aufgefundene Notizblock und der im Wohnzimmerschrank aufgefundene Notizzettel, der sich unter anderen ihm gehörenden Unterlagen befunden habe, könnten ihm gehören; vielleicht habe er auch die darin enthaltenen Aufschriebe gefertigt, wisse jedoch nicht mehr, was diese bedeuteten. Er habe ein Mobiltelefon, könne SMS-Nachrichten jedoch weder schreiben, noch öffnen.
47 
Die Kammer hält diese Einfassung bereits für unglaubhaft, soweit der Angeklagte behauptet hat, dass er seine Aufschriebe in dem Notizblock und auf dem Notizzettel nicht deuten könne. Zur Überzeugung der Kammer ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar, da die Aufschriebe in einfacher Gestaltung im Wesentlichen nur aus der Zuordnung von Zahlen zu aufgelisteten Namen bestehen und nicht sämtliche Aufschriebe älteren Datums gewesen sind, was die Kammer aus dem Umstand schließt, dass der Notizblock in der Hosentasche des Angeklagten aufgefunden worden ist. Zudem ist die Einlassung widerlegt und der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer überführt.
48 
Hierbei waren folgende Erwägungen maßgeblich:
49 
a) Die Feststellungen zu den vom Gebietsverantwortlichen T. versendeten Rundschreiben per SMS am 26.7. und 27.7.2005, deren Inhalt und deren Empfänger ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D.. Die in türkischer Sprache verfassten SMS-Rundschreiben sind von der vereidigten Dolmetscherin N. U. in die deutsche Sprache übersetzt worden, an deren fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit die Kammer nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KHK D. keine Zweifel hat, der die von ihr schon seit vielen Jahren für seine Dienststelle erbrachten Übersetzungsleistungen als stets beanstandungsfrei bezeichnet hat.
50 
b) Dass der Angeklagte in gehobener Stellung zumindest dem Raumverantwortlichen für Mannheim direkt unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen T. gewesen ist, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen T. die beiden Rundschreiben per SMS erhalten hat und hiermit aufgefordert worden ist, dass er als einer der „Freunde, die für die Räume verantwortlich sind,...die Freunde, mit denen" er „zusammenarbeite, benachrichtigen" müsse und aus dem Umstand, dass - so der Zeuge KHK D. glaubhaft - bei der Polizeikontrolle des Gebietsverantwortlichen T. am 17.10.2005 aus den bei diesem sichergestellten Notizzetteln die Verantwortlichkeiten und telefonischen Erreichbarkeiten verschiedener Personen für die Räume des Gebietes Mannheim und speziell für den Raum Mannheim wie folgt notiert gewesen sind: „Mannheim: M. verantwortl. 0176…H. 0170… K. 0… Whg." Die zur Person H. angegebene Mobilfunknummer konnte nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D. eindeutig als Mobilfunknummer des Angeklagten ermittelt werden.
51 
c) Die Feststellungen über die bei der Wohnungsdurchsuchung außerhalb des vom ältesten Sohn A. bewohnten Zimmers aufgefundenen und sichergestellten Gegenstände ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KOK S.. Aus dem Auffindeort des kleinen Notizblocks in der Hosentasche des Angeklagten hat die Kammer geschlossen, dass er dem Angeklagten auch gehört. Gleiches gilt für den handschriftlich beschriebenen Notizzettel, der äußerlich in Format, Gestaltung und noch zu erkennender ursprünglicher Heftung mit den Blättern aus dem kleinen Notizblock identisch ist, in vergleichbarer Weise mit einer Liste von Namen und diesen zugeordneten Zahlen beschrieben ist und - so der Angeklagte in seiner Einlassung - im Wohnzimmerschrank bei weiteren ihm gehörenden Unterlagen gefunden worden ist. Die Feststellungen zum Durchsuchungsergebnis im vom ältesten Sohn bewohnten Zimmer, insbesondere dem am Arbeitsplatz um den Personalcomputer aufgefundenen Briefverkehr, zu den im Personalcomputer festgestellten und von der Zeugin KHK' in S. ausgedruckten Dateien und ihrem Erstellungsdatum, insbesondere des Vordrucks einer Spendenliste, der Auflistung der in Abschnitt II. B. festgestellten Spenden und der Lichtbilder vom Angeklagten im irakisch-türkischen Grenzgebiet aus dem Sommer 2006, ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen der Zeugin KHK' in S.. Aus deren glaubhaften, konkreten und originelle Einzelheiten enthaltenden Bekundungen rechtfertigt sich zur Überzeugung der Kammer auch der nachfolgend zu ziehende Schluss darauf, dass der älteste Sohn des Angeklagten A. zuletzt am 10.1.2007 um 00:32 Uhr im Personalcomputer einen neuen Vordruck einer Spendenliste hergestellt hat und ausdrucken wollte. Bei der Durchsuchung am 10.1.2007 gegen 6:10 Uhr hat im Zimmer des ältesten Sohnes A. - so die Zeugin KHK' in S. - auf der Tastatur zum Personalcomputer ein handschriftlich beschriebenes Blatt in tabellarischer Form gelegen, das sie habe beschlagnahmen wollen und daher zur Seite gelegt habe. Beim Hochfahren des ausgeschalteten Personalcomputers sei der Bildschirmhintergrund mit zahlreichen Büsten des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan voll gewesen, was durch eine gerichtliche Inaugenscheinnahme des vom Desktop gefertigten Lichtbildes bestätigt werden konnte. Des Weiteren seien ohne weitere Tastaturbefehle sofort drei Blätter ausgedruckt worden, worunter sich der in den eigenen Dateien am 10.1.2007 um 0:32 Uhr hergestellte Vordruck für eine Spendenliste befunden habe. Diesen habe A. dem Drucker entnommen, zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Bei einem Vergleich mit der ursprünglich auf der Tastatur liegenden handschriftlichen Vorlage habe sie feststellen können, dass diese und der ausgedruckte Vordruck in der Überschrift und in der Überschriftenzeile inhaltlich identisch gewesen seien. Gegen Ende der Durchsuchung habe A. die zur Seite gelegte handschriftliche Vorlage in einem unbeobachteten Moment zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Sie habe die noch auffindbaren Schnipsel mitgenommen, auf der Dienststelle zusammengesetzt und die so wieder-hergestellte handschriftliche Vorlage sowie 2 Ausdrucke des am 10.1.2007 um 00:32 Uhr am Personalcomputer erstellten Vordrucks für Spendenlisten als Beweismittel asserviert. Durch Inaugenscheinnahme dieser beiden Asservate sowie des auf dem Wohnzimmerschrank aufgefundenen Vordrucks für Spendenlisten konnte zur Überzeugung der Kammer bestätigt werden, dass alle drei Schriftstücke in Überschrift und Überschriftenzeile identisch gewesen sind. Dass es sich um einen Vordruck für Spendenlisten gehandelt hat, hat die Kammer aus den Bekundungen des Zeugen KOK S. über die von der auch der Kammer als zuverlässig bekannten Dolmetscherin A. für die ermittelnde Polizeidienststelle gefertigten Übersetzung der Überschrift und der Überschriftenzeile der Vordrucke geschlossen. Die Überschrift der Vordrucke lautete demnach „Mannheim 2006 Belegzählungsliste". Die erste Zeile, die die Überschriften für insgesamt 5 Spalten beinhaltet hat, wurde wie folgt zuverlässig übersetzt: „Bezirk"/„Beleg-Nummer"/„Beleg-Seriennummer" /„Betrag in EUR"/„offen Verlust". Die Zuverlässigkeit der Übersetzung wird durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen KOK S. weiter bestätigt, sie stimme im Wesentlichen mit der bereits zuvor vorgenommenen Übersetzung durch den türkisch-stämmigen Kollegen KOM I. überein.
52 
d) Dass der Angeklagte Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen und diese in seinem kleinen Notizblock handschriftlich verbucht hat, hat die Kammer aus dem festgestellten Inhalt dieser handschriftlichen Auflistungen geschlossen. Dieser Schluss wird bekräftigt durch das festgestellte politische Vorleben des Angeklagten, das nicht nur einen engagierten Einsatz für die kurdische Sache demonstriert, sondern sogar Kontakte zu aktiven Freiheitskämpfern im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Des Weiteren äußert sich dieser Einsatz sogar in der bereits dargelegten gehobenen Stellung des Angeklagten im Raum Mannheim, wie sich aus den beiden an ihn adressierten SMS-Rundschreiben ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um die Auflistung von aus anderen Gründen von bestimmten Personen an den Angeklagten geleisteten Beträgen gehandelt hat, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich geworden.
53 
e) Dass der Angeklagte die zu II. B. festgestellten Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen, selbst oder durch seinen ältesten Sohn A. in der am 21.5.2006 am Computer erstellten Auflistung verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK abgeführt hat, hat die Kammer aus der weitreichenden Übereinstimmung dieser Auflistung mit den vom Angeklagten in seinem kleinen Notizblock handschriftlich gefertigten Spendenauflistungen geschlossen. Die Computerdatei enthält die im Sachverhalt dargestellten Namen in der linken Spalte, in einer weiteren Spalte Zahlen zwischen 10 und 30 und - allerdings nur 10 - weitere Spalten, die mit den Ziffern 1 bis 10 überschrieben und in den jeweiligen Namenszeilen unregelmäßig mit einem Plus-Zeichen versehen sind. Bestätigt wird dieser Schluss durch die übereinstimmenden und zuverlässigen Bekundungen der Zeugen KHK S. und KHK D., in zahlreichen früheren Verfahren über Spendenerhebungen von PKK-Aktivisten hätten sie solche oder ganz ähnliche Listen aufgefunden. Dass der Personalcomputer, in dem die Auflistung der festgestellten eingetriebenen Spenden erstellt worden ist, überwiegend vom ältesten Sohn des Angeklagten genutzt und dieser im Rahmen der Durchsuchung am 10.1.2007 dabei ertappt worden ist, wie er selbst in der Nacht zuvor einen Vordruck einer Spendenliste am Computer hergestellt hat, lässt Zweifel an der Aussagekraft der genannten Schlussfolgerung nicht aufkommen. Dass der Angeklagte entweder selbst oder jedenfalls A. im Auftrag des Angeklagten an dem Computer Arbeiten vorgenommen hat, schließt die Kammer daraus, dass auf der Festplatte auch die vom Angeklagten aufgenommenen Bilder seiner Reise ins türkisch-irakische Grenzgebiet im Sommer 2006 abgespeichert waren und der gesamte nicht unerhebliche Briefverkehr des und mit dem Angeklagten am Arbeitsplatz um den Computer herum aufgefunden worden ist. Die Kammer hat ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern A. für das Einsammeln der festgestellten Spenden allein oder zumindest überwiegend verantwortlich gewesen ist, weil in der Hosentasche des Angeklagten ein Notizblock mit Spendenlisten aufgefunden worden ist und sein ausgeprägtes politisches Vorleben und die Sendung der beiden SMS-Rundschreiben auf sein Handy den zweifelsfreien Schluss auf seine führende Rolle als PKK-Aktivist im Raum Mannheim gebietet.
54 
f) Dass der Angeklagte die vier bei ihm aufgefundenen Exemplare des Publikationsorgans Serxwebun nicht nur zur Abgabe an andere - wie er selbst eingeräumt hat -, sondern zum Verkauf erhalten hat, schließt die Kammer aus der mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Aufmachung der Zeitschrift als zentrales Publikationsorgan der PKK und dem als gerichtskundig festgestellten Umstand.“
55 
Diesen überzeugenden Ausführungen des Landgericht schließt sich der Senat an und macht sich diese zu eigen. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren darauf beschränkt, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten. Die im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Fotos, die ihn mit einem Schnellfeuergewehr posierend zeigen, suchte er damit zu erklären, dass er die Waffe für die Fotos von ihm ansonsten nicht näher bekannten Kurden bekommen habe. Ihm sei danach gewesen und es habe sich bei der Reise in den Irak um eine „Pilgerreise“ gehandelt. Im Weiteren wollte er den Senat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2013 ohne Erfolg glauben machen, die Anwesenheit des Herrn T. bei ihm zuhause bei der Durchsuchung, bei dem es sich ausweislich der Akte des Landgerichts um einen PKK-Funktionär handelt, sei rein zufällig gewesen, er wisse dessen Namen nicht, habe ihn nicht näher gekannt und er sei nur deshalb bei ihm gewesen, weil er diesen einmal in der Stadt getroffen und sich über seinen Sohn unterhalten habe, was bei Kurden üblich sei, weshalb er ihn zum Tee eingeladen habe. Er stellte, soweit es um seine Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 ging, wie sie in der Ausweisungsverfügung dargelegt wurden, diese zunächst nicht in Abrede, erklärte sodann jedoch in seiner Anhörung am 2. März 2016, nach der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe 2008 an keinen solchen Veranstaltungen mehr teilgenommen zu haben.
56 
Diese Einlassungen des Klägers sind nicht nur lebensfremd und teilweise widersprüchlich, sondern auch mit Blick auf seine frühere langjährige Vereinstätigkeit in PKK-nahen Vereinigungen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts schlicht unglaubhaft. Soweit er in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte, dass er Gewaltanwendung nicht gut heiße, hat sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil, sein Posieren mit einem Schnellfeuergewehr anlässlich einer „Pilgerreise“ in den Irak spricht eine andere Sprache. Es liegt für den Senat nach all dem fern, anzunehmen, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
57 
Zur Überzeugung des Senats stehen daher eine Vielzahl von Umständen fest, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Kläger die PKK bewusst, gewollt, vorbehaltlos und durch das organisierte Spendensammeln in qualifizierter Weise unterstützt. Es verbietet sich dabei, die Schwere der Gefahr unter Außerachtlassung des terroristischen Kontexts zu bestimmen. Ohne ideologische, personelle und finanzielle Unterstützung lässt sich das Phänomen des Terrorismus und dessen spezifische Gefährlichkeit kaum adäquat erfassen, die von Haverkamp (ZStW 2011, 92 <94 f.>) zutreffend wie folgt umschrieben wird:
58 
„Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Gewalt stellt das gewählte Mittel zur Erreichung der politischen Vorstellungen dar. Dabei dient die mediale Aufmerksamkeit als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Terroristen und Publikum, letztere unterteilt in Angst erfüllte Dritte und in Sympathisanten. Auf diese Weise soll eine Reaktionsspirale ausgelöst werden, in der zum einen die Gegner Zugeständnisse machen (z.B. Austausch von Gefangenen) oder durch Demokratie aushöhlende Gegenmaßnahmen überreagieren und zum anderen Unterstützer gewonnen oder mobilisiert werden.“
59 
Gerade der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu.
60 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition (so: Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 21) bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheitsresolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (Bauer, a. a. O., Rn. 16, 21). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen.
61 
Denn das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre nur zu verneinen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen würden, die der dargestellten gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
62 
Wenn nach der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder diesbezügliche Unterstützungshandlungen nur gestützt werden durfte, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten, genügte schon bislang ein rein passives Verhalten gleichwohl nicht, um die gegenwärtige Gefährlichkeit zu verneinen. Es bedurfte stets eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck brachte (Bauer, a. a. O., Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30.7.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2014 - 11 S 2224/13 -, juris). Selbst wenn man daher in der Neuregelung eine (materielle) Verschärfung und nicht nur eine Scharfzeichnung durch ausdrückliche Normierung des Ausnahmetabstandes des Abstandnehmens sehen will, dessen Voraussetzungen regelmäßig vom betroffenen Ausländer darzulegen sind, käme diese in vorliegendem Fall nicht zum Tragen. Denn auch dann, wenn man neben dem Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitere Gründe für eine Verneinung der Gefahr gerade in diesem Kontext anerkennen wollte, müsste es sich um solche handeln, die dem Ziel der Abstandnahmeklausel entsprechen, die vom Betroffenen ausgehende Gefahr verlässlich verneinen zu können. Daran ließe sich etwa in Fällen denken, in denen Unterstützungshandlungen lange Zeit zurückliegen und der Ausländer sich tatsächlich aus dem Umfeld der terroristischen Vereinigung eindeutig zurückgezogen hat oder er aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, unterstützend tätig zu sein (etwa aufgrund einer gravierenden Erkrankung o. ä.).
63 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Angesichts der unglaubhaften Einlassungen des Klägers, bei denen dieser gleichwohl seine ideologische Nähe zur PKK nicht verbergen konnte (Befragung am 4. April 2013 zu PKK-Fahnen, Fotos von Öcalan in seiner Wohnung: „Uns gefällt das ja auch, wir sind ja auch nicht dagegen“ … „Also in bin kein PKK’ler, aber ich mag als Kurde die PKK, ich stehe dahinter“ … „Also PKK’ler ist derjenige, der in den Bergen gegen den Feind kämpft. Wie soll ich PKK’ler sein, ich muss jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen usw. Ich muss einkaufen usw.“) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist und daher keine Gewähr dafür besteht, dass er sich künftig nicht erneut aktiv für die PKK engagiert. Der Kläger hat daher weder glaubhaft und erkennbar von seinen Unterstützungshandlungen Abstand genommen noch liegen andere Umstände vor, die es zulassen würden, eine gegenwärtige und vom Kläger ausgehende Gefahr von erheblichem Gewicht zu verneinen.
64 
Darauf, ob der Kläger zuletzt im Januar 2013 an einer PKK-nahen Großveranstaltung in Paris und im Dezember 2013 an einer an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beklagten schon deshalb nicht nachgekommen werden musste. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Beweisantrag überhaupt zulässig war, nachdem ein solcher nicht nur einen substantiierten Vortrag zu den unter Beweis gestellten Tatsachen voraussetzt (BGH, Urteil vom 29.08.1990 - 3 StR 184/90 -, NJW 1991, 435) und der Zeuge hinreichend individualisiert bezeichnet werden muss, sondern auch, dass konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu erfolgen, aus welchem Grund der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beweistatsache bestätigen kann (BGH, Beschlüsse vom 3.11.2010 - 1 StR 497/10 -, NJW 2011, 1239 und vom 2.08.2000 - 3 StR 154/00 -, NStZ-RR 2001, 43; Urteil vom 28.11.1997 - 3 StR 114/97 -, NJW 1998, 1723 <1725>).
65 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
66 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Die Vorgaben sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 54; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus). Aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
67 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland zu keinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann.
68 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
69 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) jedenfalls dem Grunde nach geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154) klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
70 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
71 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
72 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
73 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
74 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken, dass die konkreten vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründen, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
75 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
76 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
77 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
78 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27 der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
79 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland niemals einer solchen nachgegangen ist.
80 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk Mannheim). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m.w.N.).
81 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
82 
Nach alledem ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
83 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 55 AufenthG, Rn. 23; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
84 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
85 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 78) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51) oder gar ein diesbezügliches „Punktesystem“ (so aber: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 29 a. E.).
86 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
87 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
88 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 26 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
89 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.).
90 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.).
91 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war in Deutschland niemals erwerbstätig und ist von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
92 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
93 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
94 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 58 ff.; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.; so wohl auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, ARB 1/80 Art. 13, Rn. 69 ff.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492; VG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 - 27 K 2552/14 -, juris, Rn. 140 ff.).
95 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
96 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
97 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
98 
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Antrag ist als Klageerweiterung (dazu: Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a VwGO, Rn. 51 a. E., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.02.1988 - IVb ZR 45/87 -, NJW-RR 1988, 1465) aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Ausweisungsverfügung mit der darauf bezogenen Befristungsentscheidung zwar zulässig und sachdienlich - insbesondere steht § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen -, aber nicht begründet. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen, ohne dies näher zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vortrags schließt der Senat, dass sich der Kläger insoweit darauf beruft, dass eine Gefahr von ihm nicht ausgehe. Dieser Auffassung folgt der Senat aus den schon dargestellten Gründen jedoch nicht. Im Übrigen hat der Kläger keine persönlichen oder sonstigen Umstände dargelegt, die die Befristungsentscheidung - etwa bezüglich der konkret festgesetzten Sperrfrist - in Frage stellen könnten und solche sind auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 (- 11 S 1857/15 -, juris) nicht ersichtlich.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
100 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
101 
Beschluss vom 2. März 2016
102 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
103 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Auch die Berufung hinsichtlich der Befristungsentscheidung bleibt ohne Erfolg (II.).
I.
25 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
26 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1).
27 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Die Ausweisung verstößt vorliegend auch nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln (5.).
28 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
29 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
30 
Der Kläger hat die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
31 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 24, m. w. Nachw.). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert, „die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
32 
Nichts anderes wird der Sache nach durch die Definition des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris) zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
33 
Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und unter anderem auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
34 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
35 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2015, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 26; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
36 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde und verweist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 2016 (- 11 S 889/15 -, juris, Rn. 76 ff.), die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in dieser Sache waren.
37 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkers-party). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: Die PKK sehe sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Sie treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Es sei überraschend, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. Der Preis für Kritik an der PKK könne der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern oder Büros.
38 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
39 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
40 
Soweit der Kläger darauf abstellen will, dass die PKK in der Vergangenheit positiv im Entspannungsprozess in der Türkei gewirkt habe und es insbesondere der Politikwechsel des türkischen Präsidenten Erdogan sei, der die Situation erneut habe eskalieren lassen, führt dies für den Senat zu keiner anderen Einschätzung der PKK. Unbestritten gab es in der Vergangenheit beiderseitige Bemühungen um eine Entspannung, gleichwohl hat die PKK zu keinem Zeitpunkt ihr Selbstverständnis geändert und ihrer auch terroristischen Vorgehensweise abgeschworen. Eine heterogene Ausrichtung einer Vereinigung steht ihrer Qualifikation als terroristisch im Übrigen nicht entgegen. Es genügt, dass terroristische Mittel Teil ihrer politischen Agenda sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG, Rn. 31).
41 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger entfalteten Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch aktuell vorgehalten werden dürfen, da er von diesen weder erkennbar noch glaubhaft Abstand genommen hat.
42 
Diese Aktivitäten des Klägers sind überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung überhaupt) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
43 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat, ohne hiervon erkennbar und glaubhaft Abstand genommen zu haben.
44 
Der Kläger sammelte in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Soweit der Kläger dies abgestritten hat, ist dies für den Senat nicht glaubhaft. Das Landgericht hat sich in seinen ausführlichen Urteilsgründen im Einzelnen mit den im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass gerade der Kläger für die Eintreibung der Spenden für die PKK im Bezirk Mannheim zuständig und dabei unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt war. Es hat in seinen Urteilsgründen unter anderem das Folgende ausgeführt:
45 
„Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung folgende Angaben zur Sache gemacht:
46 
Er hat eingeräumt, 4 Exemplare der Zeitschrift Serxwebun von einem jungen Kurden erhalten zu haben, um diese an Interessierte abzugeben. Er sei Sympathisant der PKK, jedoch nicht deren Mitglied. Er habe nichts von den im Personalcomputer abgespeicherten Dateien gewusst und könne einen Computer auch nicht betätigen. Der Computer sei von seinem ältesten Sohn und seiner Ehefrau, die ihn auch bezahlt habe, angeschafft worden und habe allen Familienmitgliedern, vorwiegend jedoch seinem ältesten Sohn für dessen Schreibarbeiten, zur Verfügung stehen sollen. Auch die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10.1.2007 aufgefundene handschriftliche Vorlage für ein Spendenformular habe er nicht gefertigt. Der in seiner Hosentasche aufgefundene Notizblock und der im Wohnzimmerschrank aufgefundene Notizzettel, der sich unter anderen ihm gehörenden Unterlagen befunden habe, könnten ihm gehören; vielleicht habe er auch die darin enthaltenen Aufschriebe gefertigt, wisse jedoch nicht mehr, was diese bedeuteten. Er habe ein Mobiltelefon, könne SMS-Nachrichten jedoch weder schreiben, noch öffnen.
47 
Die Kammer hält diese Einfassung bereits für unglaubhaft, soweit der Angeklagte behauptet hat, dass er seine Aufschriebe in dem Notizblock und auf dem Notizzettel nicht deuten könne. Zur Überzeugung der Kammer ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar, da die Aufschriebe in einfacher Gestaltung im Wesentlichen nur aus der Zuordnung von Zahlen zu aufgelisteten Namen bestehen und nicht sämtliche Aufschriebe älteren Datums gewesen sind, was die Kammer aus dem Umstand schließt, dass der Notizblock in der Hosentasche des Angeklagten aufgefunden worden ist. Zudem ist die Einlassung widerlegt und der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer überführt.
48 
Hierbei waren folgende Erwägungen maßgeblich:
49 
a) Die Feststellungen zu den vom Gebietsverantwortlichen T. versendeten Rundschreiben per SMS am 26.7. und 27.7.2005, deren Inhalt und deren Empfänger ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D.. Die in türkischer Sprache verfassten SMS-Rundschreiben sind von der vereidigten Dolmetscherin N. U. in die deutsche Sprache übersetzt worden, an deren fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit die Kammer nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KHK D. keine Zweifel hat, der die von ihr schon seit vielen Jahren für seine Dienststelle erbrachten Übersetzungsleistungen als stets beanstandungsfrei bezeichnet hat.
50 
b) Dass der Angeklagte in gehobener Stellung zumindest dem Raumverantwortlichen für Mannheim direkt unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen T. gewesen ist, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen T. die beiden Rundschreiben per SMS erhalten hat und hiermit aufgefordert worden ist, dass er als einer der „Freunde, die für die Räume verantwortlich sind,...die Freunde, mit denen" er „zusammenarbeite, benachrichtigen" müsse und aus dem Umstand, dass - so der Zeuge KHK D. glaubhaft - bei der Polizeikontrolle des Gebietsverantwortlichen T. am 17.10.2005 aus den bei diesem sichergestellten Notizzetteln die Verantwortlichkeiten und telefonischen Erreichbarkeiten verschiedener Personen für die Räume des Gebietes Mannheim und speziell für den Raum Mannheim wie folgt notiert gewesen sind: „Mannheim: M. verantwortl. 0176…H. 0170… K. 0… Whg." Die zur Person H. angegebene Mobilfunknummer konnte nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D. eindeutig als Mobilfunknummer des Angeklagten ermittelt werden.
51 
c) Die Feststellungen über die bei der Wohnungsdurchsuchung außerhalb des vom ältesten Sohn A. bewohnten Zimmers aufgefundenen und sichergestellten Gegenstände ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KOK S.. Aus dem Auffindeort des kleinen Notizblocks in der Hosentasche des Angeklagten hat die Kammer geschlossen, dass er dem Angeklagten auch gehört. Gleiches gilt für den handschriftlich beschriebenen Notizzettel, der äußerlich in Format, Gestaltung und noch zu erkennender ursprünglicher Heftung mit den Blättern aus dem kleinen Notizblock identisch ist, in vergleichbarer Weise mit einer Liste von Namen und diesen zugeordneten Zahlen beschrieben ist und - so der Angeklagte in seiner Einlassung - im Wohnzimmerschrank bei weiteren ihm gehörenden Unterlagen gefunden worden ist. Die Feststellungen zum Durchsuchungsergebnis im vom ältesten Sohn bewohnten Zimmer, insbesondere dem am Arbeitsplatz um den Personalcomputer aufgefundenen Briefverkehr, zu den im Personalcomputer festgestellten und von der Zeugin KHK' in S. ausgedruckten Dateien und ihrem Erstellungsdatum, insbesondere des Vordrucks einer Spendenliste, der Auflistung der in Abschnitt II. B. festgestellten Spenden und der Lichtbilder vom Angeklagten im irakisch-türkischen Grenzgebiet aus dem Sommer 2006, ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen der Zeugin KHK' in S.. Aus deren glaubhaften, konkreten und originelle Einzelheiten enthaltenden Bekundungen rechtfertigt sich zur Überzeugung der Kammer auch der nachfolgend zu ziehende Schluss darauf, dass der älteste Sohn des Angeklagten A. zuletzt am 10.1.2007 um 00:32 Uhr im Personalcomputer einen neuen Vordruck einer Spendenliste hergestellt hat und ausdrucken wollte. Bei der Durchsuchung am 10.1.2007 gegen 6:10 Uhr hat im Zimmer des ältesten Sohnes A. - so die Zeugin KHK' in S. - auf der Tastatur zum Personalcomputer ein handschriftlich beschriebenes Blatt in tabellarischer Form gelegen, das sie habe beschlagnahmen wollen und daher zur Seite gelegt habe. Beim Hochfahren des ausgeschalteten Personalcomputers sei der Bildschirmhintergrund mit zahlreichen Büsten des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan voll gewesen, was durch eine gerichtliche Inaugenscheinnahme des vom Desktop gefertigten Lichtbildes bestätigt werden konnte. Des Weiteren seien ohne weitere Tastaturbefehle sofort drei Blätter ausgedruckt worden, worunter sich der in den eigenen Dateien am 10.1.2007 um 0:32 Uhr hergestellte Vordruck für eine Spendenliste befunden habe. Diesen habe A. dem Drucker entnommen, zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Bei einem Vergleich mit der ursprünglich auf der Tastatur liegenden handschriftlichen Vorlage habe sie feststellen können, dass diese und der ausgedruckte Vordruck in der Überschrift und in der Überschriftenzeile inhaltlich identisch gewesen seien. Gegen Ende der Durchsuchung habe A. die zur Seite gelegte handschriftliche Vorlage in einem unbeobachteten Moment zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Sie habe die noch auffindbaren Schnipsel mitgenommen, auf der Dienststelle zusammengesetzt und die so wieder-hergestellte handschriftliche Vorlage sowie 2 Ausdrucke des am 10.1.2007 um 00:32 Uhr am Personalcomputer erstellten Vordrucks für Spendenlisten als Beweismittel asserviert. Durch Inaugenscheinnahme dieser beiden Asservate sowie des auf dem Wohnzimmerschrank aufgefundenen Vordrucks für Spendenlisten konnte zur Überzeugung der Kammer bestätigt werden, dass alle drei Schriftstücke in Überschrift und Überschriftenzeile identisch gewesen sind. Dass es sich um einen Vordruck für Spendenlisten gehandelt hat, hat die Kammer aus den Bekundungen des Zeugen KOK S. über die von der auch der Kammer als zuverlässig bekannten Dolmetscherin A. für die ermittelnde Polizeidienststelle gefertigten Übersetzung der Überschrift und der Überschriftenzeile der Vordrucke geschlossen. Die Überschrift der Vordrucke lautete demnach „Mannheim 2006 Belegzählungsliste". Die erste Zeile, die die Überschriften für insgesamt 5 Spalten beinhaltet hat, wurde wie folgt zuverlässig übersetzt: „Bezirk"/„Beleg-Nummer"/„Beleg-Seriennummer" /„Betrag in EUR"/„offen Verlust". Die Zuverlässigkeit der Übersetzung wird durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen KOK S. weiter bestätigt, sie stimme im Wesentlichen mit der bereits zuvor vorgenommenen Übersetzung durch den türkisch-stämmigen Kollegen KOM I. überein.
52 
d) Dass der Angeklagte Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen und diese in seinem kleinen Notizblock handschriftlich verbucht hat, hat die Kammer aus dem festgestellten Inhalt dieser handschriftlichen Auflistungen geschlossen. Dieser Schluss wird bekräftigt durch das festgestellte politische Vorleben des Angeklagten, das nicht nur einen engagierten Einsatz für die kurdische Sache demonstriert, sondern sogar Kontakte zu aktiven Freiheitskämpfern im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Des Weiteren äußert sich dieser Einsatz sogar in der bereits dargelegten gehobenen Stellung des Angeklagten im Raum Mannheim, wie sich aus den beiden an ihn adressierten SMS-Rundschreiben ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um die Auflistung von aus anderen Gründen von bestimmten Personen an den Angeklagten geleisteten Beträgen gehandelt hat, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich geworden.
53 
e) Dass der Angeklagte die zu II. B. festgestellten Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen, selbst oder durch seinen ältesten Sohn A. in der am 21.5.2006 am Computer erstellten Auflistung verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK abgeführt hat, hat die Kammer aus der weitreichenden Übereinstimmung dieser Auflistung mit den vom Angeklagten in seinem kleinen Notizblock handschriftlich gefertigten Spendenauflistungen geschlossen. Die Computerdatei enthält die im Sachverhalt dargestellten Namen in der linken Spalte, in einer weiteren Spalte Zahlen zwischen 10 und 30 und - allerdings nur 10 - weitere Spalten, die mit den Ziffern 1 bis 10 überschrieben und in den jeweiligen Namenszeilen unregelmäßig mit einem Plus-Zeichen versehen sind. Bestätigt wird dieser Schluss durch die übereinstimmenden und zuverlässigen Bekundungen der Zeugen KHK S. und KHK D., in zahlreichen früheren Verfahren über Spendenerhebungen von PKK-Aktivisten hätten sie solche oder ganz ähnliche Listen aufgefunden. Dass der Personalcomputer, in dem die Auflistung der festgestellten eingetriebenen Spenden erstellt worden ist, überwiegend vom ältesten Sohn des Angeklagten genutzt und dieser im Rahmen der Durchsuchung am 10.1.2007 dabei ertappt worden ist, wie er selbst in der Nacht zuvor einen Vordruck einer Spendenliste am Computer hergestellt hat, lässt Zweifel an der Aussagekraft der genannten Schlussfolgerung nicht aufkommen. Dass der Angeklagte entweder selbst oder jedenfalls A. im Auftrag des Angeklagten an dem Computer Arbeiten vorgenommen hat, schließt die Kammer daraus, dass auf der Festplatte auch die vom Angeklagten aufgenommenen Bilder seiner Reise ins türkisch-irakische Grenzgebiet im Sommer 2006 abgespeichert waren und der gesamte nicht unerhebliche Briefverkehr des und mit dem Angeklagten am Arbeitsplatz um den Computer herum aufgefunden worden ist. Die Kammer hat ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern A. für das Einsammeln der festgestellten Spenden allein oder zumindest überwiegend verantwortlich gewesen ist, weil in der Hosentasche des Angeklagten ein Notizblock mit Spendenlisten aufgefunden worden ist und sein ausgeprägtes politisches Vorleben und die Sendung der beiden SMS-Rundschreiben auf sein Handy den zweifelsfreien Schluss auf seine führende Rolle als PKK-Aktivist im Raum Mannheim gebietet.
54 
f) Dass der Angeklagte die vier bei ihm aufgefundenen Exemplare des Publikationsorgans Serxwebun nicht nur zur Abgabe an andere - wie er selbst eingeräumt hat -, sondern zum Verkauf erhalten hat, schließt die Kammer aus der mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Aufmachung der Zeitschrift als zentrales Publikationsorgan der PKK und dem als gerichtskundig festgestellten Umstand.“
55 
Diesen überzeugenden Ausführungen des Landgericht schließt sich der Senat an und macht sich diese zu eigen. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren darauf beschränkt, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten. Die im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Fotos, die ihn mit einem Schnellfeuergewehr posierend zeigen, suchte er damit zu erklären, dass er die Waffe für die Fotos von ihm ansonsten nicht näher bekannten Kurden bekommen habe. Ihm sei danach gewesen und es habe sich bei der Reise in den Irak um eine „Pilgerreise“ gehandelt. Im Weiteren wollte er den Senat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2013 ohne Erfolg glauben machen, die Anwesenheit des Herrn T. bei ihm zuhause bei der Durchsuchung, bei dem es sich ausweislich der Akte des Landgerichts um einen PKK-Funktionär handelt, sei rein zufällig gewesen, er wisse dessen Namen nicht, habe ihn nicht näher gekannt und er sei nur deshalb bei ihm gewesen, weil er diesen einmal in der Stadt getroffen und sich über seinen Sohn unterhalten habe, was bei Kurden üblich sei, weshalb er ihn zum Tee eingeladen habe. Er stellte, soweit es um seine Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 ging, wie sie in der Ausweisungsverfügung dargelegt wurden, diese zunächst nicht in Abrede, erklärte sodann jedoch in seiner Anhörung am 2. März 2016, nach der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe 2008 an keinen solchen Veranstaltungen mehr teilgenommen zu haben.
56 
Diese Einlassungen des Klägers sind nicht nur lebensfremd und teilweise widersprüchlich, sondern auch mit Blick auf seine frühere langjährige Vereinstätigkeit in PKK-nahen Vereinigungen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts schlicht unglaubhaft. Soweit er in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte, dass er Gewaltanwendung nicht gut heiße, hat sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil, sein Posieren mit einem Schnellfeuergewehr anlässlich einer „Pilgerreise“ in den Irak spricht eine andere Sprache. Es liegt für den Senat nach all dem fern, anzunehmen, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
57 
Zur Überzeugung des Senats stehen daher eine Vielzahl von Umständen fest, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Kläger die PKK bewusst, gewollt, vorbehaltlos und durch das organisierte Spendensammeln in qualifizierter Weise unterstützt. Es verbietet sich dabei, die Schwere der Gefahr unter Außerachtlassung des terroristischen Kontexts zu bestimmen. Ohne ideologische, personelle und finanzielle Unterstützung lässt sich das Phänomen des Terrorismus und dessen spezifische Gefährlichkeit kaum adäquat erfassen, die von Haverkamp (ZStW 2011, 92 <94 f.>) zutreffend wie folgt umschrieben wird:
58 
„Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Gewalt stellt das gewählte Mittel zur Erreichung der politischen Vorstellungen dar. Dabei dient die mediale Aufmerksamkeit als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Terroristen und Publikum, letztere unterteilt in Angst erfüllte Dritte und in Sympathisanten. Auf diese Weise soll eine Reaktionsspirale ausgelöst werden, in der zum einen die Gegner Zugeständnisse machen (z.B. Austausch von Gefangenen) oder durch Demokratie aushöhlende Gegenmaßnahmen überreagieren und zum anderen Unterstützer gewonnen oder mobilisiert werden.“
59 
Gerade der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu.
60 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition (so: Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 21) bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheitsresolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (Bauer, a. a. O., Rn. 16, 21). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen.
61 
Denn das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre nur zu verneinen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen würden, die der dargestellten gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
62 
Wenn nach der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder diesbezügliche Unterstützungshandlungen nur gestützt werden durfte, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten, genügte schon bislang ein rein passives Verhalten gleichwohl nicht, um die gegenwärtige Gefährlichkeit zu verneinen. Es bedurfte stets eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck brachte (Bauer, a. a. O., Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30.7.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2014 - 11 S 2224/13 -, juris). Selbst wenn man daher in der Neuregelung eine (materielle) Verschärfung und nicht nur eine Scharfzeichnung durch ausdrückliche Normierung des Ausnahmetabstandes des Abstandnehmens sehen will, dessen Voraussetzungen regelmäßig vom betroffenen Ausländer darzulegen sind, käme diese in vorliegendem Fall nicht zum Tragen. Denn auch dann, wenn man neben dem Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitere Gründe für eine Verneinung der Gefahr gerade in diesem Kontext anerkennen wollte, müsste es sich um solche handeln, die dem Ziel der Abstandnahmeklausel entsprechen, die vom Betroffenen ausgehende Gefahr verlässlich verneinen zu können. Daran ließe sich etwa in Fällen denken, in denen Unterstützungshandlungen lange Zeit zurückliegen und der Ausländer sich tatsächlich aus dem Umfeld der terroristischen Vereinigung eindeutig zurückgezogen hat oder er aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, unterstützend tätig zu sein (etwa aufgrund einer gravierenden Erkrankung o. ä.).
63 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Angesichts der unglaubhaften Einlassungen des Klägers, bei denen dieser gleichwohl seine ideologische Nähe zur PKK nicht verbergen konnte (Befragung am 4. April 2013 zu PKK-Fahnen, Fotos von Öcalan in seiner Wohnung: „Uns gefällt das ja auch, wir sind ja auch nicht dagegen“ … „Also in bin kein PKK’ler, aber ich mag als Kurde die PKK, ich stehe dahinter“ … „Also PKK’ler ist derjenige, der in den Bergen gegen den Feind kämpft. Wie soll ich PKK’ler sein, ich muss jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen usw. Ich muss einkaufen usw.“) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist und daher keine Gewähr dafür besteht, dass er sich künftig nicht erneut aktiv für die PKK engagiert. Der Kläger hat daher weder glaubhaft und erkennbar von seinen Unterstützungshandlungen Abstand genommen noch liegen andere Umstände vor, die es zulassen würden, eine gegenwärtige und vom Kläger ausgehende Gefahr von erheblichem Gewicht zu verneinen.
64 
Darauf, ob der Kläger zuletzt im Januar 2013 an einer PKK-nahen Großveranstaltung in Paris und im Dezember 2013 an einer an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beklagten schon deshalb nicht nachgekommen werden musste. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Beweisantrag überhaupt zulässig war, nachdem ein solcher nicht nur einen substantiierten Vortrag zu den unter Beweis gestellten Tatsachen voraussetzt (BGH, Urteil vom 29.08.1990 - 3 StR 184/90 -, NJW 1991, 435) und der Zeuge hinreichend individualisiert bezeichnet werden muss, sondern auch, dass konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu erfolgen, aus welchem Grund der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beweistatsache bestätigen kann (BGH, Beschlüsse vom 3.11.2010 - 1 StR 497/10 -, NJW 2011, 1239 und vom 2.08.2000 - 3 StR 154/00 -, NStZ-RR 2001, 43; Urteil vom 28.11.1997 - 3 StR 114/97 -, NJW 1998, 1723 <1725>).
65 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
66 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Die Vorgaben sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 54; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus). Aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
67 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland zu keinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann.
68 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
69 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) jedenfalls dem Grunde nach geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154) klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
70 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
71 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
72 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
73 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
74 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken, dass die konkreten vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründen, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
75 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
76 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
77 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
78 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27 der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
79 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland niemals einer solchen nachgegangen ist.
80 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk Mannheim). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m.w.N.).
81 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
82 
Nach alledem ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
83 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 55 AufenthG, Rn. 23; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
84 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
85 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 78) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51) oder gar ein diesbezügliches „Punktesystem“ (so aber: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 29 a. E.).
86 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
87 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
88 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 26 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
89 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.).
90 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.).
91 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war in Deutschland niemals erwerbstätig und ist von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
92 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
93 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
94 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 58 ff.; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.; so wohl auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, ARB 1/80 Art. 13, Rn. 69 ff.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492; VG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 - 27 K 2552/14 -, juris, Rn. 140 ff.).
95 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
96 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
97 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
98 
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Antrag ist als Klageerweiterung (dazu: Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a VwGO, Rn. 51 a. E., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.02.1988 - IVb ZR 45/87 -, NJW-RR 1988, 1465) aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Ausweisungsverfügung mit der darauf bezogenen Befristungsentscheidung zwar zulässig und sachdienlich - insbesondere steht § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen -, aber nicht begründet. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen, ohne dies näher zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vortrags schließt der Senat, dass sich der Kläger insoweit darauf beruft, dass eine Gefahr von ihm nicht ausgehe. Dieser Auffassung folgt der Senat aus den schon dargestellten Gründen jedoch nicht. Im Übrigen hat der Kläger keine persönlichen oder sonstigen Umstände dargelegt, die die Befristungsentscheidung - etwa bezüglich der konkret festgesetzten Sperrfrist - in Frage stellen könnten und solche sind auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 (- 11 S 1857/15 -, juris) nicht ersichtlich.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
100 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
101 
Beschluss vom 2. März 2016
102 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
103 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Tenor

1. a) § 1 Absatz 2 und § 2 Satz 1 Nummer 3 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz) vom 22. Dezember 2006 (Bundesgesetzblatt l Seite 3409) sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

b) § 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b hinsichtlich des Unterstützens einer unterstützenden Gruppierung und § 2 Satz 1 Nummer 2 des Antiterrordateigesetzes hinsichtlich des Merkmals "Befürworten" sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

c) § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 a des Antiterrordateigesetzes ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten im Trefferfall Zugriff auf Informationen gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 1 a des Antiterrordateigesetzes eröffnet wird.

d) § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 b und § 10 Absatz 1 des Antiterrordateigesetzes sind, soweit es an ergänzenden Regelungen nach Maßgabe der Gründe fehlt, mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

e) § 2 Satz 1 Nummer 2 und § 10 Absatz 1 des Antiterrordateigesetzes sind im Übrigen nach Maßgabe der Gründe verfassungskonform auszulegen.

2. § 2 Satz 1 Nummern 1 bis 3, § 3 Absatz 1 Nummer 1, § 5 Absatz 1 und 2 sowie § 6 Absatz 1 und 2 des Antiterrordateigesetzes sind mit Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie sich auf nicht gemäß § 4 des Antiterrordateigesetzes verdeckt gespeicherte Daten erstrecken, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren.

3. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014 gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit der Maßgabe fort, dass außerhalb des Eilfalls gemäß § 5 Absatz 2 des Antiterrordateigesetzes eine Nutzung der Antiterrordatei nur zulässig ist, sofern der Zugriff auf die Daten von Kontaktpersonen (§ 2 Satz 1 Nummer 3 des Antiterrordateigesetzes) und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen und gewährleistet ist, dass bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten im Trefferfall allein ein Zugang zu Informationen gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 3 des Antiterrordateigesetzes gewährt wird; sobald danach die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten von Kontaktpersonen und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen ist, dürfen diese auch für die Nutzung der Datei im Eilfall gemäß § 5 Absatz 2 des Antiterrordateigesetzes nicht mehr genutzt werden.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

5. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen aus dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

A.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Verfassungsmäßigkeit des Antiterrordateigesetzes.

I.

2

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das als Art. 1 des Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3409) erlassene Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz - ATDG). Das Antiterrordateigesetz wurde seit seinem Inkrafttreten am 31. Dezember 2006 nicht substanziell geändert. Bei sachgerechtem Verständnis des Beschwerdevorbringens wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen die §§ 1 bis 6 ATDG über die Speicherung und Verwendung von Daten; ausgenommen ist insoweit allerdings § 2 Satz 1 Nr. 4 ATDG. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen die diese Vorschriften flankierenden §§ 8 bis 12 ATDG, die insbesondere die datenschutzrechtliche Verantwortung und Kontrolle betreffen.

3

1. Durch das Antiterrordateigesetz wurde die Rechtsgrundlage für die Antiterrordatei, eine der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienende Verbunddatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder, geschaffen. Die Datei erleichtert und beschleunigt den Informationsaustausch zwischen den beteiligten Polizeibehörden und Nachrichtendiensten, indem bestimmte Erkenntnisse aus dem Zusammenhang der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, über die einzelne Behörden verfügen, für alle beteiligten Behörden schneller auffindbar und leichter zugänglich werden.

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a) § 1 ATDG legt zum einen fest, dass die Antiterrordatei als gemeinsame standardisierte zentrale Datei beim Bundeskriminalamt geführt wird, und bestimmt zugleich die an ihr beteiligten Behörden. Nach § 1 Abs. 1 ATDG sind das Bundeskriminalamt, in Verbindung mit § 58 Abs. 1 BPolG, § 1 Abs. 3 Nr. 1 d BPolZV das Bundespolizeipräsidium, die Landeskriminalämter, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst und das Zollkriminalamt beteiligte Behörden. Neben diesen von Gesetzes wegen beteiligten Behörden können nach § 1 Abs. 2 ATDG in Verbindung mit § 12 Nr. 2 ATDG durch Errichtungsanordnung unter bestimmten Voraussetzungen weitere Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei beteiligt werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dies in erster Linie die Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes der Länder sein (BTDrucks 16/2950, S. 14). Ausweislich der Errichtungsanordnung mit Stand vom 4. Juni 2010 haben in drei Bundesländern polizeiliche Dienststellen unterhalb der Ebene der Landeskriminalämter Zugriff auf die Antiterrordatei.

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b) In § 2 ATDG wird bestimmt, dass und in Bezug auf welche Personen oder Objekte Behörden verpflichtet sind, bereits erhobene Daten in der Antiterrordatei zu speichern. Voraussetzung einer Speicherung ist zunächst, dass polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Daten auf die in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ATDG genannten Personen oder Objekte beziehen und dass die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zu Deutschland erforderlich ist. Von der Speicherung betroffen sind nach Nr. 1 zunächst Personen, die Vereinigungen oder Gruppierungen des internationalen Terrorismus angehören oder in einer besonderen Nähe dazu stehen. Darüber hinaus sind nach Nr. 2 auch Einzelpersonen von der Speicherung betroffen, sofern sie rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden, unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen. Nr. 3 sieht schließlich auch die Speicherung der Daten von Kontaktpersonen zu den in Nr. 1 und 2 genannten Personen vor, sofern der Kontakt nicht nur flüchtiger oder zufälliger Art ist und durch sie Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu erwarten sind.

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c) Welche Daten über die in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ATDG genannten Personen und Objekte zu speichern sind, ergibt sich aus § 3 Abs. 1 ATDG. Die Regelung differenziert dabei zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG aufgeführten Grunddaten (im Folgenden zur Verdeutlichung auch als einfache Grunddaten bezeichnet) und den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG aufgeführten erweiterten Grunddaten.

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Die einfachen Grunddaten sind zu allen in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ATDG genannten Personengruppen zu speichern. Als solche Grunddaten definiert die Vorschrift verschiedene allgemeine Angaben zur Person, wie Anschriften, besondere körperliche Merkmale, Sprachen, Dialekte, Lichtbilder sowie die Bezeichnung der Fallgruppe nach § 2 ATDG. Demgegenüber verlangt § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG eine Speicherung der erweiterten Grunddaten nur zu den in § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ATDG genannten Personen sowie zu Kontaktpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie von terrorismusbezogenen Aktivitäten Kenntnis haben. Die erweiterten Grunddaten werden im Einzelnen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b aa bis rr ATDG aufgezählt. Dazu zählen unter anderem Angaben wie Telekommunikationsanschlüsse und Telekommunikationsendgeräte (aa), Bankverbindungen (bb), Volkszugehörigkeit (gg), Angaben zur Religionszugehörigkeit (hh), terrorismusrelevante Fähigkeiten (ii), Angaben zur Ausbildung (jj), Angaben zu Tätigkeiten in wichtigen Infrastruktureinrichtungen (kk), Angaben zu Gewaltbereitschaft (ll) oder zu besuchten Orten und Gebieten, die als Treffpunkt terrorismusverdächtiger Personen dienen (nn).

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Nach der Gesetzesbegründung sollen die Daten, soweit der Art der Daten nach möglich, standardisiert gespeichert werden. Die Daten sollen also nicht freihändig, sondern durch Auswahl bestimmter systemseitig vorgegebener Angaben eingestellt werden. Diese Standardisierung soll die Recherchefähigkeit der Datei sichern und der Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis dienen (BTDrucks 16/2950, S. 17). Ein Korrektiv zur weitgehenden Standardisierung der gespeicherten Angaben bietet die durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG ermöglichte Eingabe besonderer Bemerkungen, ergänzender Hinweise und Bewertungen als Freitext.

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Neben den Grunddaten und erweiterten Grunddaten sieht § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG Angaben zur einspeichernden Behörde und zu deren Aktenzeichen vor, wodurch die Kontaktaufnahme für den weiteren Informationsaustausch erleichtert werden soll.

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Soweit besondere Geheimhaltungsinteressen oder schutzwürdige Interessen des Betroffenen dies erfordern, ermöglicht § 4 ATDG die beschränkte oder verdeckte Speicherung von Daten. Bei der verdeckten Speicherung werden die Daten so eingegeben, dass die anderen beteiligten Behörden das Vorhandensein der Daten bei Abfragen nicht erkennen und unmittelbar keinen Zugriff auf die gespeicherten Daten erhalten. Die Abfrage wird dann automatisiert an die informationsführende Behörde weitergeleitet, damit diese nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften aus eigenem Entschluss mit der abfragenden Behörde Kontakt aufnimmt und über die Übermittlung der Daten entscheidet. Dies sollte zunächst dem Quellenschutz der jeweiligen Ermittlungsbehörden dienen, insbesondere der Geheimdienste bei ihrer Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten. Im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens ist der Schutz der Betroffenen als eigener Zweck hinzugekommen (vgl. BTDrucks 16/3642, S. 6).

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d) In § 5 Abs. 1 ATDG ist der Zugriff auf die gespeicherten Daten im Regelfall normiert. § 5 Abs. 1 Satz 1 ATDG erlaubt den beteiligten Behörden Abfragen im automatisierten Verfahren, wenn dies im Rahmen ihrer Aufgaben zur Bekämpfung oder Aufklärung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Durch diese Zugriffsbefugnis, die nicht auf eine Suche nach einem bestimmten Namen begrenzt ist, wird den abfragenden Behörden eine Recherche in allen offen und verdeckt gespeicherten Datensätzen sowohl der Grunddaten als auch der erweiterten Grunddaten einschließlich des Freitextfeldes ermöglicht. Im Falle eines Treffers erhält die abfragende Behörde bei einer Abfrage zu Personen Zugriff auf die Grunddaten sowie die Angaben zur einspeichernden Behörde. Zugriff auf die erweiterten Grunddaten erhält die abfragende Behörde im Falle eines Treffers gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 und 4 ATDG nur, wenn die Behörde, die die Daten eingegeben hat, den Zugriff im Einzelfall auf Ersuchen nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften gewährt. Auch bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten werden im Trefferfall aber hiervon unabhängig ohne weiteres die korrespondierenden einfachen Grunddaten übermittelt.

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Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG darf die abfragende Behörde die Daten, auf die sie gemäß § 5 Abs. 1 ATDG Zugriff erhalten hat, nur zur Prüfung, ob der Treffer der gesuchten Person zuzuordnen ist, sowie zur Vorbereitung und Substantiierung eines Einzelübermittlungsersuchens verwenden.

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e) § 5 Abs. 2 Satz 1 ATDG ermöglicht der abfragenden Behörde, im Eilfall unmittelbar auf die erweiterten Grunddaten eines Treffers Zugriff zu nehmen. Ein Eilfall im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass ein solcher Zugriff zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann. Die Entscheidung hierüber trifft der Leiter oder ein besonders beauftragter Beamter des höheren Dienstes der abfragenden Behörde. Der Zugriff bedarf im Übrigen der nachträglichen Zustimmung der Behörde, die die Daten eingegeben hat; diese entscheidet zugleich über die weitere Verwendbarkeit der Daten.

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Hat die abfragende Behörde im Eilfall Zugriff auf Daten erhalten, erlaubt § 6 Abs. 2 ATDG die Verwendung dieser Daten nur, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist. Haben das Bundeskriminalamt oder ein Landeskriminalamt auf Ersuchen oder im Auftrag des Generalbundesanwalts die Antiterrordatei genutzt, übermitteln sie nach § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 ATDG die Daten dem Generalbundesanwalt für die Zwecke der Strafverfolgung; der Generalbundesanwalt darf die Daten für ein Ersuchen um die Übermittlung von Erkenntnissen zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG verwenden.

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In § 7 ATDG ist festgelegt, dass sich die Übermittlung von Erkenntnissen aufgrund eines Ersuchens nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften richtet.

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f) § 8 ATDG teilt die datenschutzrechtliche Verantwortung zwischen einspeichernder und abfragender Behörde auf. Letztere trägt die Verantwortung für die Zulässigkeit der Abfrage, erstere die Verantwortung für die Erhebung, die Zulässigkeit der Eingabe sowie die Richtigkeit und Aktualität der Daten. § 9 ATDG sieht eine Protokollierung aller Zugriffe auf die Daten zum Zweck der Datenschutzkontrolle vor. Diese ist gemäß § 10 Abs. 1 ATDG in die Hände der Datenschutzbeauftragten des Bundes und - nach Maßgabe des Landesrechts - der Länder gelegt.

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In § 10 Abs. 2 ATDG ist die Auskunftserteilung an Betroffene geregelt. Die Regelung differenziert zwischen den offen und den verdeckt gespeicherten Daten. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 ATDG erteilt über die offen gespeicherten Daten das Bundeskriminalamt die Auskunft nach § 19 BDSG, wobei es das Einvernehmen der jeweils datenverantwortlichen Behörde einholt. Dagegen richtet sich die Auskunft zu verdeckt gespeicherten Daten gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 ATDG nach den Rechtsvorschriften für die Behörde, die die Daten eingegeben hat. Das bedeutet, dass die Betroffenen Auskunft zu einer etwaigen verdeckten Speicherung nicht zentral beim Bundeskriminalamt erhalten können, sondern nur jeweils bei der Behörde, die die Daten verdeckt gespeichert hat.

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In § 11 ATDG sind schließlich Vorgaben zur Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten enthalten, während § 12 ATDG regelt, welche Einzelheiten das Bundeskriminalamt in einer Errichtungsanordnung festzulegen hat, wobei diese der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums der Verteidigung, des Bundesministeriums der Finanzen und der für die beteiligten Behörden zuständigen obersten Landesbehörden bedarf. Hierzu gehören die Bestimmung der weiteren beteiligten Polizeivollzugsbehörden nach § 1 Abs. 2 ATDG, Einzelheiten zur Art der nach § 3 Abs. 1 ATDG zu speichernden Daten und zu den zugriffsberechtigten Organisationseinheiten der beteiligten Behörden.

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g) Das Antiterrordateigesetz ist gemäß Art. 5 Abs. 2 Halbsatz 1 Gemeinsame-Dateien-Gesetz befristet und tritt mit Ablauf des 30. Dezember 2017 außer Kraft. Es ist nach Art. 5 Abs. 2 Halbsatz 2 Gemeinsame-Dateien-Gesetz fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten zu evaluieren.

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2. Die Vorschriften des Antiterrordateigesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3409), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 26. Februar 2008 (BGBl I S. 215) geändert worden ist, lauten - soweit hier von Interesse - wie folgt:

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§ 1 Antiterrordatei

(1) Das Bundeskriminalamt, die in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 des Bundespolizeigesetzes bestimmte Bundespolizeibehörde, die Landeskriminalämter, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst und das Zollkriminalamt (beteiligte Behörden) führen beim Bundeskriminalamt zur Erfüllung ihrer jeweiligen gesetzlichen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland eine gemeinsame standardisierte zentrale Antiterrordatei (Antiterrordatei).

(2) Zur Teilnahme an der Antiterrordatei sind als beteiligte Behörden im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern weitere Polizeivollzugsbehörden berechtigt, soweit

1. diesen Aufgaben zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland nicht nur im Einzelfall besonders zugewiesen sind,

2. ihr Zugriff auf die Antiterrordatei für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Nummer 1 erforderlich und dies unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und der Sicherheitsinteressen der beteiligten Behörden angemessen ist.

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§ 2 Inhalt der Antiterrordatei und Speicherungspflicht

Die beteiligten Behörden sind verpflichtet, bereits erhobene Daten nach § 3 Abs. 1 in der Antiterrordatei zu speichern, wenn sie gemäß den für sie geltenden Rechtsvorschriften über polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse (Erkenntnisse) verfügen, aus denen sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Daten sich beziehen auf

1. Personen, die

a) einer terroristischen Vereinigung nach § 129a des Strafgesetzbuchs, die einen internationalen Bezug aufweist, oder einer terroristischen Vereinigung nach § 129a in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuchs mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland oder

b) einer Gruppierung, die eine Vereinigung nach Buchstabe a unterstützt,

angehören oder diese unterstützen,

2. Personen, die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen,

3. Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie mit den in Nummer 1 Buchstabe a oder in Nummer 2 genannten Personen nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt in Verbindung stehen und durch sie weiterführende Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu erwarten sind (Kontaktpersonen), oder

4. (…)

und die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist. Satz 1 gilt nur für Daten, die die beteiligten Behörden nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften automatisiert verarbeiten dürfen.

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§ 3 Zu speichernde Datenarten

(1) In der Antiterrordatei werden, soweit vorhanden, folgende Datenarten gespeichert:

1. zu Personen

a) nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3: der Familienname, die Vornamen, frühere Namen, andere Namen, Aliaspersonalien, abweichende Namensschreibweisen, das Geschlecht, das Geburtsdatum, der Geburtsort, der Geburtsstaat, aktuelle und frühere Staatsangehörigkeiten, gegenwärtige und frühere Anschriften, besondere körperliche Merkmale, Sprachen, Dialekte, Lichtbilder, die Bezeichnung der Fallgruppe nach § 2 und, soweit keine anderen gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen und dies zur Identifizierung einer Person erforderlich ist, Angaben zu Identitätspapieren (Grunddaten),

b) nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie zu Kontaktpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie von der Planung oder Begehung einer in § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a genannten Straftat oder der Ausübung, Unterstützung oder Vorbereitung von rechtswidriger Gewalt im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 Kenntnis haben, folgende weiteren Datenarten (erweiterte Grunddaten):

aa) eigene oder von ihnen genutzte Telekommunikationsanschlüsse und Telekommunikationsendgeräte,

bb) Adressen für elektronische Post,

cc) Bankverbindungen,

dd) Schließfächer,

ee) auf die Person zugelassene oder von ihr genutzte Fahrzeuge,

ff) Familienstand,

gg) Volkszugehörigkeit,

hh) Angaben zur Religionszugehörigkeit, soweit diese im Einzelfall zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich sind,

ii) besondere Fähigkeiten, die nach den auf bestimmten Tatsachen beruhenden Erkenntnissen der beteiligten Behörden der Vorbereitung und Durchführung terroristischer Straftaten nach § 129a Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuchs dienen können, insbesondere besondere Kenntnisse und Fertigkeiten in der Herstellung oder im Umgang mit Sprengstoffen oder Waffen,

jj) Angaben zum Schulabschluss, zur berufsqualifizierenden Ausbildung und zum ausgeübten Beruf,

kk) Angaben zu einer gegenwärtigen oder früheren Tätigkeit in einer lebenswichtigen Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 5 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes oder einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel oder Amtsgebäude,

ll) Angaben zur Gefährlichkeit, insbesondere Waffenbesitz oder zur Gewaltbereitschaft der Person,

mm) Fahr- und Flugerlaubnisse,

nn) besuchte Orte oder Gebiete, an oder in denen sich in § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannte Personen treffen,

oo) Kontaktpersonen nach § 2 Satz 1 Nr. 3 zu den jeweiligen Personen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a oder Nr. 2,

pp) die Bezeichnung der konkreten Vereinigung oder Gruppierung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a oder b,

qq) der Tag, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das die Speicherung der Erkenntnisse begründet, und

rr) auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende zusammenfassende besondere Bemerkungen, ergänzende Hinweise und Bewertungen zu Grunddaten und erweiterten Grunddaten, die bereits in Dateien der beteiligten Behörden gespeichert sind, sofern dies im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen geboten und zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist,

2. (…)

3. zu den jeweiligen Daten nach den Nummern 1 und 2 die Angabe der Behörde, die über die Erkenntnisse verfügt, sowie das zugehörige Aktenzeichen oder sonstige Geschäftszeichen und, soweit vorhanden, die jeweilige Einstufung als Verschlusssache.

(2) Soweit zu speichernde Daten aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zu kennzeichnen sind, ist diese Kennzeichnung bei der Speicherung der Daten in der Antiterrordatei aufrechtzuerhalten.

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§ 4 Beschränkte und verdeckte Speicherung

(1) Soweit besondere Geheimhaltungsinteressen oder besonders schutzwürdige Interessen des Betroffenen dies ausnahmsweise erfordern, darf eine beteiligte Behörde entweder von einer Speicherung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b genannten erweiterten Grunddaten ganz oder teilweise absehen (beschränkte Speicherung) oder alle jeweiligen Daten zu in § 2 genannten Personen, Vereinigungen, Gruppierungen, Stiftungen, Unternehmen, Sachen, Bankverbindungen, Anschriften, Telekommunikationsanschlüssen, Telekommunikationsendgeräten, Internetseiten oder Adressen für elektronische Post in der Weise eingeben, dass die anderen beteiligten Behörden im Falle einer Abfrage die Speicherung der Daten nicht erkennen und keinen Zugriff auf die gespeicherten Daten erhalten (verdeckte Speicherung). Über beschränkte und verdeckte Speicherungen entscheidet der jeweilige Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Beamter des höheren Dienstes.

(2) Sind Daten, auf die sich eine Abfrage bezieht, verdeckt gespeichert, wird die Behörde, die die Daten eingegeben hat, automatisiert durch Übermittlung aller Anfragedaten über die Abfrage unterrichtet und hat unverzüglich mit der abfragenden Behörde Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob Erkenntnisse nach § 7 übermittelt werden können. Die Behörde, die die Daten eingegeben hat, sieht von einer Kontaktaufnahme nur ab, wenn Geheimhaltungsinteressen auch nach den Umständen des Einzelfalls überwiegen. Die wesentlichen Gründe für die Entscheidung nach Satz 2 sind zu dokumentieren. Die übermittelten Anfragedaten sowie die Dokumentation nach Satz 3 sind spätestens zu löschen oder zu vernichten, wenn die verdeckt gespeicherten Daten zu löschen sind.

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§ 5 Zugriff auf die Daten

(1) Die beteiligten Behörden dürfen die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren nutzen, soweit dies zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Im Falle eines Treffers erhält die abfragende Behörde Zugriff

1. a) bei einer Abfrage zu Personen auf die zu ihnen gespeicherten Grunddaten oder

b) bei einer Abfrage zu Vereinigungen, Gruppierungen, Stiftungen, Unternehmen, Sachen, Bankverbindungen, Anschriften, Telekommunikationsanschlüssen, Telekommunikationsendgeräten, Internetseiten oder Adressen für elektronische Post nach § 2 Satz 1 Nr. 4 auf die dazu gespeicherten Daten, und

2. auf die Daten nach § 3 Abs. 1 Nr. 3.

Auf die zu Personen gespeicherten erweiterten Grunddaten kann die abfragende Behörde im Falle eines Treffers Zugriff erhalten, wenn die Behörde, die die Daten eingegeben hat, dies im Einzelfall auf Ersuchen gewährt. Die Entscheidung hierüber richtet sich nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften.

(2) Die abfragende Behörde darf im Falle eines Treffers unmittelbar auf die erweiterten Grunddaten zugreifen, wenn dies aufgrund bestimmter Tatsachen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann (Eilfall). Ob ein Eilfall vorliegt, entscheidet der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Beamter des höheren Dienstes. Die Entscheidung und ihre Gründe sind zu dokumentieren. Der Zugriff ist unter Hinweis auf die Entscheidung nach Satz 3 zu protokollieren. Die Behörde, die die Daten eingegeben hat, muss unverzüglich um nachträgliche Zustimmung ersucht werden. Wird die nachträgliche Zustimmung verweigert, ist die weitere Verwendung dieser Daten unzulässig. Die abfragende Behörde hat die Daten unverzüglich zu löschen oder nach § 11 Abs. 3 zu sperren. Sind die Daten einem Dritten übermittelt worden, ist dieser unverzüglich darauf hinzuweisen, dass die weitere Verwendung der Daten unzulässig ist.

(3) Innerhalb der beteiligten Behörden erhalten ausschließlich hierzu ermächtigte Personen Zugriff auf die Antiterrordatei.

(4) Bei jeder Abfrage müssen der Zweck und die Dringlichkeit angegeben und dokumentiert werden und erkennbar sein.

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§ 6 Weitere Verwendung der Daten

(1) Die abfragende Behörde darf die Daten, auf die sie Zugriff erhalten hat, nur zur Prüfung, ob der Treffer der gesuchten Person oder der gesuchten Angabe nach § 2 Satz 1 Nr. 4 zuzuordnen ist, und für ein Ersuchen um Übermittlung von Erkenntnissen zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus verwenden. Eine Verwendung zu einem anderen Zweck als zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist nur zulässig, soweit

1. dies zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat oder zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist, und

2. die Behörde, die die Daten eingegeben hat, der Verwendung zustimmt.

(2) Im Eilfall darf die abfragende Behörde die Daten, auf die sie Zugriff erhalten hat, nur verwenden, soweit dies zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr nach § 5 Abs. 2 Satz 1 im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist.

(3) Im Falle einer Verwendung nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 sind die Daten zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten; Gleiches gilt für Kennzeichnungen nach § 3 Abs. 2.

(4) Soweit das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter auf Ersuchen oder im Auftrag des Generalbundesanwalts die Antiterrordatei nutzen, übermitteln sie die Daten, auf die sie Zugriff erhalten haben, dem Generalbundesanwalt für die Zwecke der Strafverfolgung. Der Generalbundesanwalt darf die Daten für Ersuchen nach Absatz 1 Satz 1 verwenden. § 487 Abs. 3 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

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§ 7 Übermittlung von Erkenntnissen

Die Übermittlung von Erkenntnissen aufgrund eines Ersuchens nach § 6 Abs. 1 Satz 1 zwischen den beteiligten Behörden richtet sich nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften.

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§ 8 Datenschutzrechtliche Verantwortung

(1) Die datenschutzrechtliche Verantwortung für die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten, namentlich für die Rechtmäßigkeit der Erhebung, die Zulässigkeit der Eingabe sowie die Richtigkeit und Aktualität der Daten trägt die Behörde, die die Daten eingegeben hat. Die Behörde, die die Daten eingegeben hat, muss erkennbar sein. Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Abfrage trägt die abfragende Behörde.

(2) Nur die Behörde, die die Daten eingegeben hat, darf diese Daten ändern, berichtigen, sperren oder löschen.

(3) Hat eine Behörde Anhaltspunkte dafür, dass Daten, die eine andere Behörde eingegeben hat, unrichtig sind, teilt sie dies umgehend der Behörde, die die Daten eingegeben hat, mit, die diese Mitteilung unverzüglich prüft und erforderlichenfalls die Daten unverzüglich berichtigt.

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§ 9 Protokollierung, technische und organisatorische Maßnahmen

(1) Das Bundeskriminalamt hat bei jedem Zugriff für Zwecke der Datenschutzkontrolle den Zeitpunkt, die Angaben, die die Feststellung der aufgerufenen Datensätze ermöglichen, sowie die für den Zugriff verantwortliche Behörde und den Zugriffszweck nach § 5 Abs. 4 zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden, soweit ihre Kenntnis für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung, zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage oder zum Nachweis der Kenntnisnahme bei Verschlusssachen erforderlich ist. Die ausschließlich für Zwecke nach Satz 1 gespeicherten Protokolldaten sind nach 18 Monaten zu löschen.

(2) Das Bundeskriminalamt hat die nach § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen.

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§ 10 Datenschutzrechtliche Kontrolle, Auskunft an den Betroffenen

(1) Die Kontrolle der Durchführung des Datenschutzes obliegt nach § 24 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Die datenschutzrechtliche Kontrolle der Eingabe und der Abfrage von Daten durch eine Landesbehörde richtet sich nach dem Datenschutzgesetz des Landes.

(2) Über die nicht verdeckt gespeicherten Daten erteilt das Bundeskriminalamt die Auskunft nach § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes im Einvernehmen mit der Behörde, die die datenschutzrechtliche Verantwortung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 trägt und die Zulässigkeit der Auskunftserteilung nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften prüft. Die Auskunft zu verdeckt gespeicherten Daten richtet sich nach den für die Behörde, die die Daten eingegeben hat, geltenden Rechtsvorschriften.

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§ 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten

(1) Unrichtige Daten sind zu berichtigen.

(2) Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder ihre Kenntnis für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht mehr erforderlich ist. Sie sind spätestens zu löschen, wenn die zugehörigen Erkenntnisse nach den für die beteiligten Behörden jeweils geltenden Rechtsvorschriften zu löschen sind.

(3) An die Stelle einer Löschung tritt eine Sperrung, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen eines Betroffenen beeinträchtigt würden. Gesperrte Daten dürfen nur für den Zweck abgerufen und genutzt werden, für den die Löschung unterblieben ist; sie dürfen auch abgerufen und genutzt werden, soweit dies zum Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter unerlässlich ist und die Aufklärung des Sachverhalts ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder der Betroffene einwilligt.

(4) Die eingebenden Behörden prüfen nach den Fristen, die für die Erkenntnisdaten gelten, und bei der Einzelfallbearbeitung, ob personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind.

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§ 12 Errichtungsanordnung

Das Bundeskriminalamt hat für die gemeinsame Datei in einer Errichtungsanordnung im Einvernehmen mit den beteiligten Behörden Einzelheiten festzulegen zu:

1. den Bereichen des erfassten internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland,

2. den weiteren beteiligten Polizeivollzugsbehörden nach § 1 Abs. 2,

3. der Art der zu speichernden Daten nach § 3 Abs. 1,

4. der Eingabe der zu speichernden Daten,

5. den zugriffsberechtigten Organisationseinheiten der beteiligten Behörden,

6. den Einteilungen der Zwecke und der Dringlichkeit einer Abfrage und

7. der Protokollierung.

Die Errichtungsanordnung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums der Verteidigung, des Bundesministeriums der Finanzen und der für die beteiligten Behörden der Länder zuständigen obersten Landesbehörden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist vor Erlass der Errichtungsanordnung anzuhören.

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§ 13 Einschränkung von Grundrechten

Die Grundrechte des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

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3. Erste Überlegungen zur Schaffung einer Antiterrordatei gehen auf die 15. Wahlperiode des Bundestags zurück. Damals legte der Bundesrat auf Initiative der Länder Niedersachsen, Bayern, Saarland und Thüringen einen "Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer gemeinsamen Datei der deutschen Sicherheitsbehörden zur Beobachtung und Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus (Anti-Terror-Datei-Gesetz)" vor (BTDrucks 15/4413). In diese gemeinsame Datei sollten nach den Vorstellungen des Entwurfs die teilnehmenden Polizeibehörden und Nachrichtendienste alle Daten über Personen oder Vorgänge einstellen, die im Zusammenhang mit dem islamistischen Extremismus und Terrorismus stünden (BTDrucks 15/4413, S. 8). Die damalige Bundesregierung favorisierte dagegen die Schaffung einer Indexdatei, also lediglich eines elektronischen Fundstellennachweises für die zum Auffinden weiterer Erkenntnisse erforderlichen Daten (BTDrucks 15/4413, S. 9). Keiner der beiden Vorschläge wurde in der 15. Wahlperiode realisiert.

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Nach fehlgeschlagenen Anschlagsversuchen auf Eisenbahnzüge in Koblenz und Dortmund im August 2006 brachte die Bundesregierung den "Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz)" ein, der in seinem Art. 1 auch den Entwurf für das "Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz - ATDG)" enthielt (BTDrucks 16/2950, S. 5) und mit nur geringfügigen Änderungen nach einer Anhörung von Sachverständigen im Innenausschuss (Innenausschussprotokoll Nr. 16/24) verabschiedet wurde. Nach der Begründung des Entwurfs soll das Gesetz eine Rechtsgrundlage für eine gemeinsame Datei schaffen, die den Informationsaustausch zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten effektiver gestalten, bewährte Formen der Zusammenarbeit ergänzen und Übermittlungsfehler verringern solle (BTDrucks 16/2950, S. 12). Nach § 1 Abs. 1 ATDG soll die Antiterrordatei dazu dienen, die beteiligten Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu unterstützen, wobei mit dem Begriff der "Aufklärung" die nachrichtendienstlichen Aufgaben und mit dem Begriff der "Bekämpfung" die polizeilichen Aufgaben umschrieben würden. § 2 ATDG regele den Inhalt der Antiterrordatei. In der Datei dürften nur Daten zu Kenntnissen gespeichert werden, über die die beteiligten Behörden auf der Grundlage der für sie geltenden Rechtsvorschriften bereits verfügten; es werde keine zusätzliche Rechtsgrundlage für die Datenerhebung durch die beteiligten Behörden geschaffen (BTDrucks 16/2950, S. 15). Durch § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG sollten auch gewalttätige und gewaltbereite Einzeltäter, insbesondere auch als solche bezeichnete "Hassprediger", erfasst werden (vgl. BTDrucks 16/2950, S. 15).

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§ 3 Abs. 1 ATDG lege fest, welche Datenarten zu den in § 2 genannten Personen und Objekten zu speichern seien. Die Grunddaten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG sollten der Identifizierung der abgefragten Personen dienen. Die erweiterten Grunddaten sollten neben der Identifizierung einer gesuchten Person auch eine zuverlässige Gefährdungseinschätzung als fachliche Erstbewertung ermöglichen. Im Gegensatz zu den Grunddaten seien die erweiterten Grunddaten grundsätzlich nur recherchierbar, würden der abfragenden Behörde aber im Trefferfall erst auf Nachfrage nach Maßgabe des Fachrechts angezeigt. Die einzugebenden Daten sollten - soweit möglich - nach systemseitigen Vorgaben in standardisierter Form erfasst werden. Die durch das Freitextfeld eröffnete Möglichkeit, daneben individuelle Bemerkungen, Hinweise und Bewertungen eingeben zu können, diene dazu, auch terrorismusrelevante Angaben zu erfassen, die sich nicht über einen Katalog standardisiert erfassen ließen. Die grundsätzliche Pflicht zur Standardisierung dürfe hierdurch jedoch nicht umgangen werden (BTDrucks 16/2950, S. 17).

37

Das Antiterrordateigesetz ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Gemeinsame-Dateien-Gesetz am 31. Dezember 2006 in Kraft getreten.

38

4. In der Praxis der teilnehmenden Behörden ist die Handhabung und Nutzung der Antiterrordatei von ihrem Charakter als standardisierte Datei geprägt. Standardisierung bedeutet, dass nicht alle der gemäß § 3 Abs. 1 ATDG zu speichernden Angaben freihändig in die Datei eingegeben werden, sondern in einem Katalog eine bestimmte Auswahl von Angaben, sogenannte Katalogwerte, angeboten wird, aus denen die eingebende Behörde auswählt. Nach Angaben der Bundesregierung wurden Freitexteingabemöglichkeiten auf solche Angaben nach § 3 Abs. 1 ATDG begrenzt, bei denen eine Standardisierung auf feste Katalogwerte nicht möglich ist. Dies betrifft im Rahmen der Grunddaten die Angaben zu Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort, sowie im Rahmen der erweiterten Grunddaten beispielsweise die Rufnummer und Gerätenummer eines Telekommunikationsendgeräts oder die Fahrzeugident-Nummer, Kennzeichen und Zulassungsort eines Kraftfahrzeugs sowie naturgemäß auch das Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG. Die Standardisierung erfolgt innerhalb der Eingabemaske in Form sogenannter "Pull-Down Menüs" durch eine Liste von Katalogwerten, die zur Auswahl angeboten werden. Zu welchen Datenarten des § 3 Abs. 1 ATDG Kataloge angeboten werden und welche als Katalogwerte bezeichneten Angaben in den jeweiligen Katalogen ausgewählt werden können, wird grundsätzlich von einer beim Bundeskriminalamt angesiedelten Katalogredaktion aufgrund der Vorgaben des § 3 Abs. 1 ATDG und der weiteren gemäß § 12 Satz 1 Nr. 3 ATDG in der Errichtungsanordnung enthaltenen Konkretisierungen bestimmt und in einem Katalogmanual festgehalten, das ebenso wie die Errichtungsanordnung selbst als "VS - Nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert ist. Zu unterscheiden sind dabei "geschlossene" und "lernende" Kataloge. Bei "geschlossenen" Katalogen sind die möglichen Katalogwerte abschließend festgelegt. So ist beispielsweise im Rahmen der Angaben des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ee ATDG zu den von einer Person genutzten Fahrzeugen im Katalog "Fahrzeugart" aus der abschließenden Liste "PKW; LKW; Bus; Boot; Flugzeug; Motorrad; Bahn; Sonderfahrzeug; Fahrrad; Quad" auszuwählen. Andere Einträge sind nicht möglich. Eine Veränderung des Katalogs kann nur die Katalogredaktion beim Bundeskriminalamt vornehmen. "Lernende" Kataloge sind den geschlossenen Katalogen insofern ähnlich, als eine vorgegebene Auswahl von Katalogwerten den Nutzern von der Katalogredaktion zur Auswahl vorgeschlagen ist. Darüber hinaus kann ein Nutzer den Katalog aber um weitere Einträge ergänzen. Diese stehen anschließend auch allen anderen Nutzern als Katalogwerte zur Auswahl zur Verfügung. Für diese zusätzlichen Einträge ist keine Zustimmung des Bundeskriminalamtes erforderlich. So kann beispielsweise bei den Angaben zu Telekommunikationsendgeräten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b aa ATDG ein neuer Typ von Telekommunikationsendgerät durch die Nutzer in den Katalog aufgenommen werden, sollte dies erforderlich werden, weil die zu speichernde Person einen neuartigen Typ von Telekommunikationsendgerät benutzt, der bislang nicht im Katalog aufgeführt ist.

39

Die Befüllung der Antiterrordatei mit Datenbeständen aus den Quelldateien der teilnehmenden Behörden erfolgt oftmals in einem teilautomatisierten Verfahren. Zunächst werden dabei die in den Quelldateien vorhandenen Datensätze im Wege einer manuellen fachlichen Prüfung von der jeweiligen teilnehmenden Behörde auf ihre Relevanz für die Antiterrordatei überprüft und gegebenenfalls als geeignet markiert. Anschließend wird aus den markierten Datensätzen eine sogenannte Exportdatei erzeugt, in die nur diejenigen Datenarten aus der Quelldatei aufgenommen werden, für die in der Antiterrordatei Entsprechungen vorhanden sind. Datenarten der Antiterrordatei, die in der Quelldatei nicht vorhanden oder beim konkreten Datensatz nicht belegt sind, bleiben auch in der Antiterrordatei unbelegt. Dabei findet im Hinblick auf die standardisierten Kataloge auch eine Prüfung statt, ob jeder Katalogwert aus der Quelldatei mit den vorgegebenen Katalogwerten der Antiterrordatei übereinstimmt. Im Fall unterschiedlicher Terminologie findet eine Übersetzung statt, beispielsweise von "Fernsprecher" zu "Telefon". Anschließend wird die Exportdatei an das Bundeskriminalamt übermittelt und dort in die Antiterrordatei importiert.

40

5. Im Hinblick auf die Antiterrordatei führten verschiedene Datenschutzbeauftragte Kontrollen bei teilnehmenden Behörden durch. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kontrollierte die Datenverarbeitung beim Bundeskriminalamt, beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesnachrichtendienst. Er äußerte im Hinblick auf die Speicherung von erweiterten Grunddaten von Kontaktpersonen grundsätzliche Bedenken und kritisierte, dass beim Bundeskriminalamt Daten einer Quelldatei ohne Einzelfallprüfung in das Freitextfeld nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG übertragen wurden. Daraufhin änderte das Bundeskriminalamt das Verfahren der Befüllung des Freitextfeldes (BTDrucks 16/12600, S. 51 f.). Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wurden neben Problemen bei der Befüllung der Antiterrordatei, insbesondere des Freitextfeldes, Mängel bei der Kennzeichnung von Daten festgestellt, die aus heimlichen Telekommunikationsüberwachungen stammen. Eine förmliche Beanstandung unterblieb im Hinblick auf die Zusage sofortiger Behebung der festgestellten Mängel (BTDrucks 17/5200, S. 83 f.). Auch Landesbehörden wurden im Hinblick auf die Antiterrordatei überprüft, so etwa in Baden-Württemberg in Form mehrtägiger Kontrollbesuche beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (Abteilung Staatsschutz) und beim Landesamt für Verfassungsschutz. Mängel bezüglich einiger Datensätze führten auf die Beanstandung des Landesbeauftragten hin zu einer Löschung oder Korrektur dieser Datensätze (Landtag von Baden-Württemberg, LTDrucks 14/2050, S. 12, 14 ff.). Weitere Kontrollen wurden durch die Landesbeauftragten für den Datenschutz durchgeführt.

II.

41

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Vorschriften in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie seinen Grundrechten aus Art. 10, Art. 13 und Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

42

1. Er sei durch die Vorschriften unmittelbar betroffen. Zwar bedürften die Vorschriften des Antiterrordateigesetzes noch eines faktischen Vollzugsaktes, nämlich der Einstellung seiner Daten in die Antiterrordatei. Da er hiervon aber nicht benachrichtigt werde, könne er eine effektive gerichtliche Kontrolle nicht herbeiführen. Allerdings könne er nach § 10 Abs. 2 ATDG um Auskunft ersuchen und gegebenenfalls dann den Rechtsweg beschreiten. Diese Rechtsschutzmöglichkeit greife aber zu kurz. Selbst wenn ihm an einem Tag mitgeteilt werde, nicht in die Antiterrordatei aufgenommen zu sein, könne schon am nächsten Tag das Gegenteil zutreffen. Zudem seien diese Ersuchen in Bezug auf die verdeckt gespeicherten Daten bei mehr als 30 verschiedenen Behörden zu stellen.

43

Wegen der Pflicht der Verfassungsschutzbehörden, erhobene Daten in der Antiterrordatei zu speichern, befürchtet der Beschwerdeführer, dass ihn betreffende Daten in die Antiterrordatei aufgenommen würden, ohne dass er davon Kenntnis erlangen könne. Angesichts der Befugnis der Verfassungsschutzbehörden zu heimlicher Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln sei es möglich, als unbescholtener Bürger bei legalem Verhalten - beispielsweise aufgrund eines anonymen Hinweises - Objekt einer intensiven nachrichtendienstlichen Ausspähung zu werden. Möglich sei auch, dass von ihm als Kontaktperson zu Personen, deren Verstrickung in den Terrorismus er nicht kenne, weiterführende Hinweise für die Aufklärung des internationalen Terrorismus erwartet würden.

44

2. Durch die Antiterrordatei erhielten alle beteiligten Behörden Zugriff auf die von den Verfassungsschutzbehörden gespeicherten Daten, insbesondere auch die Polizeibehörden, die diese Informationen selbst nicht hätten erheben dürfen und ohne die Antiterrordatei nicht davon Kenntnis bekommen würden. Durch das Antiterrordateigesetz werde so das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten teilweise aufgehoben. Der Verfassungsrang dieses Trennungsgebots folge aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG; es sei Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des Grundrechtsschutzes. Es ziele darauf zu verhindern, dass die gesetzlichen Bestimmungen für Eingriffsbefugnisse der Polizei dadurch ausgehöhlt würden, dass die Polizei Informationen erhalte, die sie aufgrund der für sie geltenden Bestimmungen nicht selbst gewinnen könne.

45

3. Die Regelungen des Antiterrordateigesetzes verletzten das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers. Sie seien zu unbestimmt und unverhältnismäßig. Nach ihnen seien Daten auch über Personen einzustellen, die - unter Umständen aufgrund nur ungesicherter Anhaltspunkte - als Befürworter rechtswidriger Gewalt gälten, wobei hierfür nicht nur typisch terroristische, sondern jedwede minimale Gewalt genüge; was ein "Befürworten" darstelle, bleibe offen. Für die Speicherung könnten "Anhaltspunkte" für eine innere Gesinnung ausreichen. Daher werde § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht.

46

Die Kontaktpersonenregelung des § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG sei zu unbestimmt. Durch die Aufnahme von Kontaktpersonen ohne eigene Kenntnis terroristischer Aktivitäten werde der Kreis der Betroffenen auf der Grundlage einer "doppelten Mutmaßung" unverhältnismäßig ausgedehnt. Es würden nämlich auch Daten unbescholtener Personen erfasst, soweit nur - auch ungesicherte - "Anhaltspunkte" für einen Kontakt zu Personen bestünden, bei denen - eventuell ebenfalls ungesicherte - "Anhaltspunkte" für terroristische Handlungsweisen oder für ein "Gewaltbefürworten" vorlägen. Die erforderliche Erwartung, von den Kontaktpersonen "weiterführende Hinweise" gewinnen zu können, schränke den betroffenen Personenkreis faktisch nicht ein.

47

Unverhältnismäßig und zu unbestimmt sei die Regelung der Grunddaten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG. Die Grundrechtsbeeinträchtigung verstärke sich, wenn nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG "erweiterte Grunddaten" in die Antiterrordatei eingestellt würden. Diese Daten stellten ein weitgehendes Persönlichkeitsprofil dar. Die Regelung des § 5 Abs. 2 ATDG, der im Eilfall allen beteiligten Behörden Zugriff auch auf diese Daten gestatte, sei unverhältnismäßig, da sie der Bedeutung dieser Daten nicht gerecht werde und schon eine Gefahr für die Gesundheit einer Person den Zugriff auf die erweiterten Grunddaten rechtfertige.

48

Ferner sei die Aufnahme von nur auf "Anhaltspunkten" beruhenden Bemerkungen, Zusammenfassungen, Bewertungen und Hinweisen als zusätzlicher Freitext gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG unverhältnismäßig und zu unbestimmt. Mangels sachhaltiger Beschränkung könnten in unbegrenztem Umfang weitere Informationen aller Art in die Datei eingestellt werden; die Speicherung von Freitexten sei nicht im Voraus abschätzbar.

49

Das Bestimmtheitsgebot werde auch verletzt, weil das Antiterrordateigesetz keine eigenständige Regelung zur Löschung der Daten enthalte, sondern nur auf die Vorschriften der die Daten eingebenden Behörden verweise. Diese fänden sich in einer Vielzahl von Gesetzen, die das Antiterrordateigesetz nicht mitteile. Auch bleibe unklar, was mit den von den beteiligten Behörden zur Kenntnis genommenen und ihrerseits gespeicherten Daten im Sperr- oder Löschungsfall zu geschehen habe.

50

4. Gegen Art. 13 GG verstoße, dass in die Antiterrordatei auch Daten aufgenommen werden könnten, die aus in Wohnungen durchgeführten "großen Lauschangriffen" herrührten. § 3 Abs. 2 ATDG ermögliche dies, ohne dass die grundrechtlich gebotenen Hürden eingehalten werden müssten. Das Brief- und Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG werde verletzt, weil die den Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten eingeräumten, weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten durch die Datenübermittlung mittels Antiterrordatei zu einer unverhältnismäßigen Kenntnisnahme des privaten Kommunikationsverhaltens des Beschwerdeführers und seiner Kommunikationsinhalte durch andere Behörden führten.

51

5. Auch das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Beschreiten des Rechtswegs gegen Akte der öffentlichen Gewalt nach Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt. Die durchgängige Verheimlichung der Maßnahmen nehme dem Beschwerdeführer jede Chance einer gerichtlichen Überprüfung. Es fehle auch an einer anderen, den Rechtsweg ersetzenden Nachprüfung.

III.

52

Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg Stellung genommen.

53

1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

54

a) Die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht unmittelbar, selbst und gegenwärtig durch das Antiterrordateigesetz beschwert sei. Er trage keinen Sachverhalt vor, der eine Speicherung in der Antiterrordatei nahelege. Der Beschwerdeführer habe unterlassen, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gemäß § 10 Abs. 2 ATDG beim Bundeskriminalamt und gegebenenfalls bei weiteren teilnehmenden Behörden um Auskunft über eine Speicherung in der Antiterrordatei zu ersuchen, um nachzuweisen, von einer Speicherung betroffen zu sein. Der Aufwand, erforderlichenfalls bei den 38 beteiligten Behörden eine Auskunft einzuholen, sei zumutbar. Auch sei der Vortrag des Beschwerdeführers zu vage, als dass er zur Darlegung der Beschwerdebefugnis genügen könne, ohne deren eine "Popularverfassungsbeschwerde" ausschließende Funktion aufzugeben. Es fehle zugleich an einer hinreichenden Bestimmung des Beschwerdegegenstandes, weil unklar sei, welche Bestimmungen konkret angegriffen seien.

55

b) Die Verfassungsbeschwerde sei jedenfalls unbegründet.

56

aa) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass des Antiterrordateigesetzes ergebe sich grundsätzlich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 a bis c GG; soweit der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst betroffen seien, folge sie aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG sowie hinsichtlich des Zollkriminalamtes und der Bundespolizei aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Die Schaffung einer zentralen Datei beim Bundeskriminalamt lasse sich auch der in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG angesiedelten Befugnis zur Errichtung von Zentralstellen zuordnen.

57

bb) Ob sich dem Grundgesetz ein organisatorisches und befugnisbezogenes Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden entnehmen lasse, könne dahinstehen, da es nicht zu einer Vermischung der Aufgaben- und Tätigkeitsfelder von Verfassungsschutz- und Polizeibehörden komme. Dem Grundgesetz könne ein strenges Verbot der Informationshilfe zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden nicht entnommen werden. Das Antiterrordateigesetz bewirke keinen unkontrollierten Datenfluss. Es ermögliche lediglich die Kontaktaufnahme zwischen den Behörden und einen Informationsfluss, der sich nach anderen Normen richte. Die relevanten Informationsweitergabenormen erhielten keine neue Dimension.

58

cc) Das Antiterrordateigesetz verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht. Die Speicherung und der Abruf der Daten sowie ihre weitere Verwendung seien gerechtfertigt.

59

Die Speicherung von Daten in der Antiterrordatei stelle allenfalls einen geringfügigen Grundrechtseingriff beziehungsweise eine geringfügige Vertiefung des Grundrechtseingriffs der ursprünglichen Datenerhebung und -verwendung dar. In der Antiterrordatei dürften nur bereits nach den jeweiligen Fachgesetzen erhobene Daten gespeichert werden. Die Befüllung selbst bewirke noch keine Zweckänderung. Der Verwendungszusammenhang der in der Antiterrordatei gespeicherten Daten sei auf einen sehr spezifischen Gefahrensektor des internationalen Terrorismus beschränkt. Auch die Standardisierung der gespeicherten Angaben wirke beschränkend. Die einfachen Grunddaten enthielten im Wesentlichen Angaben zur Person mit dem Ziel einer Erleichterung des Informationsaustauschs, die erweiterten Grunddaten dienten darüber hinaus im Eilfall dazu, einen ersten Eindruck von einer Person und ihrer Gefährlichkeit zu vermitteln.

60

Bedenken gegen die Bestimmtheit der umfassten Personengruppen griffen nicht durch. Der Begriff der Gewalt in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG erfordere enger als nach dem Strafgesetzbuch physische Kraftentfaltung mit Zwangswirkung. Die Variante des Befürwortens von Gewalt ziele auf sogenannte Hassprediger und verlange ein nach außen erkennbares Gutheißen von Gewaltanwendung. Für die nach § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG zu speichernden Kontaktpersonen müssten andere Maßstäbe als beispielsweise bei der präventiven Telefonüberwachung gelten, da die Vorschrift nur die Einstellung bereits anderweitig rechtmäßig gespeicherter Personen und keine neue Informationserhebung betreffe. Die erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte erforderten immer eine Tatsachenbasis für einen Verdacht. Die Speicherung von Daten im Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG sei ein Korrektiv zur Standardisierung der Dateneingabe und dadurch eingegrenzt, dass die Daten einen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zu den gesetzlich definierten Daten aufweisen müssten. Auch das umfasste Informationsvolumen sei begrenzt.

61

Die Eingriffstiefe einer Recherche in der Antiterrordatei werde dadurch begrenzt, dass sie nur erfolgen dürfe, wenn sie zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich sei. Die Antiterrordatei könne nicht zum automatischen Abgleich mit anderen Datenbanken genutzt werden. Ein Treffer eröffne grundsätzlich nur den Zugriff auf die einfachen Grunddaten zur Identifizierung einer Person und die Nutzung dieser Daten sei auf den Trefferabgleich und das Stellen eines Ermittlungsersuchens begrenzt. Das Antiterrordateigesetz diene allein dazu, im Hinblick auf Personen, gegen die schon ermittelt werde, den Kontakt zwischen den beteiligten Behörden zu ermöglichen; es gestatte nicht, "Verdächtige" erst zu finden. Die Freigabe der erweiterten Grunddaten aufgrund eines Ermittlungsersuchens richte sich nach den maßgeblichen fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften.

62

Ein schwerer, dem Antiterrordateigesetz zurechenbarer Eingriff ergebe sich aus der Möglichkeit zum Zugriff auch auf die erweiterten Grunddaten im Eilfall und deren Verwendung zur Abwehr der in § 5 Abs. 2 ATDG genannten Gefahren. Allerdings sei auch der Informationsgehalt der erweiterten Grunddaten beschränkt. Der Zugriff sei nur in außerordentlichen Notsituationen vorgesehen. Soweit die Vorschrift auf Sachen von erheblichem Wert abstelle, würden diese nicht nur durch ihren finanziellen, sondern ihren gemeinschaftlichen Wert bestimmt: Dies ziele auf den Schutz von öffentlichen Sachen wie Brücken, Behörden und Infrastruktureinrichtungen. Auch sei der Zugriff im Eilfall mit besonderen verfahrensrechtlichen Sicherungen verbunden. Tatsächlich habe man bislang nur einmal auf die Vorschrift zurückgegriffen.

63

Die dem Antiterrordateigesetz zuzurechnenden Grundrechtseingriffe seien gerechtfertigt. Die Bekämpfung des Terrorismus sei eine Verfassungsaufgabe von höchstem Rang. Die Errichtung der Antiterrordatei sei geeignet, dieses Ziel zu verfolgen, da sie den beteiligten Behörden durch die Verbesserung des Informationsaustauschs die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus erleichtere. Das Antiterrordateigesetz sei für eine effektive Aufklärung und Bekämpfung der weit verzweigten Netzwerke des internationalen Terrorismus auch unverzichtbar, um Erkenntnisse aus dem Bereich des internationalen Terrorismus und seiner Unterstützer bei der Polizei und den Nachrichtendiensten rasch auffindbar zu machen. Das Antiterrordateigesetz sei auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Bei einer Gesamtabwägung stehe die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zum Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe.

64

dd) Die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten könnten auch aus Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG herrühren, weshalb § 13 ATDG ausdrücklich die Einschränkung dieser Grundrechte benenne. Die Befüllung mit solchen Daten wiege wesentlich schwerer, sei gleichwohl nicht unverhältnismäßig. Der neue Verwendungszweck sei hinreichend eingegrenzt und die Kennzeichnungspflicht in § 3 Abs. 2 ATDG stelle sicher, dass der Verwendungszusammenhang nicht verloren gehe. Zwar beschränke § 5 Abs. 1 ATDG die Suche nicht auf Fälle, in denen die Übermittlung der auf Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG beruhenden Daten nach den Datenübermittlungsvorschriften möglich wäre. Doch würden der suchenden Behörde als Treffer nur die einfachen Grunddaten übermittelt. Dass von Art. 10 oder Art. 13 GG besonders geschützte Daten selbst als Treffer ausgeworfen würden, werde im Übrigen dadurch verhindert, dass die Behörde nach verfassungskonformer Auslegung des § 4 Abs. 1 ATDG verpflichtet sei, Grunddaten, die aus Eingriffen in Art. 10 oder Art. 13 GG herrührten, verdeckt zu speichern.

65

Die Möglichkeit des Zugriffs auf besonders geschützte Daten im Rahmen des Eilfalls nach § 5 Abs. 2 ATDG sei im Ergebnis mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren, da sie einen konkreten polizeilichen Gefahrenabwehreinsatz erleichtere, nicht aber dazu diene, weitergehende Persönlichkeitsprofile zu erstellen.

66

ee) Das Antiterrordateigesetz sei auch mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, da der von einer Eintragung in die Antiterrordatei Betroffene nicht rechtsschutzlos gestellt sei. Zwar erhalte er keine Mitteilung von Amts wegen, doch könne er - verwaltungsgerichtlich durchsetzbar - nach § 10 Abs. 2 ATDG Auskunft verlangen. Diese Ausgestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten sei durch die Art der Verwaltungsaufgabe und die geringe Eingriffsqualität des Eintrags in der Antiterrordatei gerechtfertigt.

67

ff) Art. 10 Abs. 1 ATDG übertrage die datenschutzrechtliche Kontrolle der Antiterrordatei im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten auf den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und auf die Landesdatenschutzbeauftragten. Die Kontrolle der Datenschutzbeauftragten werde nicht dadurch unvollständig, dass die Kontrollbefugnisse auf ihre jeweilige Körperschaft beschränkt seien. Durch eine Kontrollbefugnis des Bundesbeauftragten für alle Nutzungsvorgänge würde eine verfassungsrechtlich problematische Kontrolle des Bundesbeauftragten für Landesbehörden entstehen. Zugriff auf die Protokolldaten erhielten die Landesdatenschutzbeauftragten beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden.

68

gg) In tatsächlicher Hinsicht macht die Bundesregierung folgende Angaben: Von der Speicherung seien überwiegend im Ausland lebende Personen betroffen, bei denen die Schreibweise des Namens nicht immer eindeutig sei. Im August 2012 seien in der Antiterrordatei 17.101 Datensätze zu Personen gespeichert gewesen, davon ca. 920 Doppelnennungen beziehungsweise Doppelspeicherungen, so dass etwa 16.180 unterschiedliche Personen von einer Speicherung betroffen seien. 2.888 dieser Personen hätten ihren Wohnsitz im Inland, 14.213 Personen im Ausland. Die Vielzahl von Personen mit Wohnsitz im Ausland erkläre sich aus der Teilnahme des Bundesnachrichtendienstes. Verdeckt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 ATDG seien 2.833 Personen gespeichert. Die beteiligten Behörden übten größte Zurückhaltung, Kontaktpersonen ohne Kenntnis terroristischer Aktivitäten in die Antiterrordatei einzustellen. Sie habe im August 2012 nur 141 überwiegend von Landespolizeibehörden eingestellte Datensätze von undolosen Kontaktpersonen enthalten.

69

Die vorhandenen Datensätze enthielten kaum Eintragungen in den erweiterten Grunddaten. Nur 44 % der Datensätze seien überhaupt mit erweiterten Grunddaten befüllt. Kaum ein Datensatz enthalte einen annähernd vollständigen erweiterten Grunddatensatz. Über 94 % der Eintragungen enthielten keine Angaben im Freitextfeld, was auch daran liege, dass die Quelldatei des Bundesnachrichtendienstes kein vergleichbares Feld enthalte. Das Freitextfeld sei auf eine Anzahl von 2.000 Zeichen, also Text von weniger als einer DIN A 4-Seite, beschränkt. Die Eintragungen seien in der Regel sehr kurz, sie umfassten oft nur ein Wort, überwiegend zwischen 15 und 55 Zeichen. Nur bei einem Drittel der Personendatensätze fänden sich im Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG mehr als 100 Zeichen.

70

Von März 2007 bis Herbst 2012 seien relativ konstant 1.200 Suchanfragen pro Woche, insgesamt ca. 350.000 Suchanfragen, protokolliert worden. Daran zeige sich, dass die Antiterrordatei eher als "spezielles Telefonbuch" und nicht für einen gesamten Quellenabgleich genutzt werde. In diesem Zeitraum sei in weniger als 1 % der Fälle eine Anfrage nach den erweiterten Grunddaten gestellt worden. In der Regel sei es für die Behörden sinnvoller, direkt Kontakt mit der speichernden Behörde aufzunehmen, als um die erweiterten Grunddaten zu ersuchen, die nur in besonderen Situationen als erste und schnelle Gefährlichkeitseinschätzung weiterführend seien. Bei den Anfragen zu erweiterten Grunddaten sei überschlägig in einem von drei oder vier Fällen der Zugriff verweigert worden.

71

Um eine vernünftige Eingrenzung der Ergebnisse zu ermöglichen, stelle das System derzeit sicher, dass bei einer Abfrage mit mehr als 200 Treffern technisch die Ausgabe verweigert werde. Die Zahl der bei einer Suche ausgeworfenen Treffer liege im Mittel bei vier bis fünf. Im Rahmen der Eilfallregelung des § 5 Abs. 2 ATDG habe bis August 2012 lediglich ein Zugriff auf die erweiterten Grunddaten stattgefunden. Dabei habe es sich um einen Zugriff eines Landeskriminalamts auf einen Datensatz des Bundesamts für Verfassungsschutz gehandelt.

72

Auf dem Protokolldatenserver seien insgesamt ca. 7,7 Millionen Datensätze gespeichert; jeder Datensatz spiegele jeweils die durch eine Aktion in der Antiterrordatei ausgelösten Datenbanktransaktionen wider.

73

2. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erhebt Bedenken gegen das Antiterrordateigesetz. Die informationelle Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten stehe unter dem Vorbehalt des Trennungsgebots. Damit sei nicht zu vereinbaren, wenn im Eilfall die beteiligten Polizeibehörden unmittelbar auf die von den Nachrichtendiensten gespeicherten erweiterten Grunddaten zugreifen könnten. Bedenken hinsichtlich des Gebots der Normenklarheit bestünden insbesondere in Blick auf § 1 Abs. 2 ATDG, das Tatbestandsmerkmal "Befürworten" in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG, die Kontaktpersonenregelung des § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG, bei der die Abgrenzung zwischen den von der Speicherung umfassten Kontaktpersonen und den nichtbetroffenen flüchtigen oder zufälligen Alltagskontakten unklar sei, sowie das Freitextfeld des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG. Die Speicherung von Freitexten ermögliche in Zusammenschau mit den übrigen erfassten Daten die Erstellung weitreichender Persönlichkeitsprofile. § 10 Abs. 2 Satz 2 ATDG, der den Betroffenen unter Umständen zumute, Auskunftsersuchen an alle an der Antiterrordatei teilnehmenden Behörden zu richten und gegen diese gegebenenfalls zu klagen, gewähre keinen effektiven Rechtsschutz; geboten sei eine Benachrichtigungspflicht.

74

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit verweist weiter darauf, dass die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen ihm und den Landesdatenschutzbeauftragten zu kontrollfreien Räumen führen könne. Da die Datei bei einer Bundesbehörde geführt werde, müsse er auf alle Protokolldaten Zugriff haben - auch auf diejenigen, die Datenzugriffe der Landesbehörden beträfen. Lücken der Kontrolle seien auch im Hinblick auf Daten, die durch Maßnahmen nach dem Artikel-10-Gesetz gewonnen worden seien, zu befürchten. Schwierigkeiten ergäben sich zudem daraus, dass auf den Protokolldatenserver nur an dessen Standort zugegriffen werden könne.

75

3. Das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein und der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit haben gemeinsam Stellung genommen. Sie halten die Verfassungsbeschwerde für zulässig und begründet. Das Antiterrordateigesetz werde weder dem Grundsatz der Normenklarheit und -bestimmtheit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht und verletze sowohl das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG. Ebenso sei zweifelhaft, ob das Antiterrordateigesetz dem Trennungsgebot gerecht werde.

76

§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ATDG fasse den betroffenen Personenkreis zu weit. Es fehle für die Aufnahme von Personen an einem hinreichenden Verdachtsgrad, in Nr. 2 sei der Begriff der Gewalt nicht hinreichend auf terroristische Formen der Gewalt begrenzt, und in Nr. 3 würden die Kontaktpersonen angesichts der hohen Sensibilität der zu erfassenden Daten in vielerlei Hinsicht nicht hinreichend eingeschränkt. Es drohe die Errichtung einer bloßen Gesinnungsdatei. Die Speicherung der Religionszugehörigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b hh ATDG sei wegen der Gefahr einer Stigmatisierung besonders eingriffsintensiv und im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG problematisch. Auch die Zugriffsregelungen unterlägen nur unzureichenden Bindungen an den ursprünglichen Zweck der Datenerhebung. Alle beteiligten Behörden könnten ohne Eingriffsschwelle auf die einfachen Grunddaten zugreifen. Die tatbestandlichen Hürden für einen Zugriff im Eilfall seien gleichfalls nicht sehr hoch; Bedenken bestünden auch gegen § 6 Abs. 1 ATDG. Weiterhin genügten die verfahrensrechtlichen Sicherungen durch Lösch- und Aussonderungsprüffristen, Sperrung und Änderung sowie Auskunft nicht den verfassungsrechtlichen Erfordernissen. Es fehlten Vorgaben für ein gemeinsames Auskunftsverfahren im Falle der verdeckten Speicherung. Die Landesdatenschutzbeauftragten seien schließlich bei der Durchführung ihrer Kontrollen, namentlich im Hinblick auf den Zugriff auf die Protokolldaten, auf ähnliche Schwierigkeiten wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gestoßen.

77

4. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg berichtet von Kontrollbesuchen beim Landeskriminalamt und beim Landesamt für Verfassungsschutz in den Jahren 2007 (vgl. hierzu Landtag von Baden-Württemberg, LTDrucks 14/2050, S. 12 ff.) und 2012. Probleme hätten sich hinsichtlich des Gewaltbegriffs und der Bestimmung der Grenze zwischen verwerflichem "Befürworten" und grundrechtlich geschützter Meinungsäußerung ergeben. Die Kontaktpersonenregelung habe sich bei den Kontrollen als zu unbestimmt erwiesen. Für die Behörde sei es schwierig, die Intensität bestehender Kontakte zu bewerten und die für eine Speicherung erforderliche Voraussetzung zu prüfen, ob von einer Kontaktperson weiterführende Hinweise für die Aufklärung und Bekämpfung des Terrorismus zu erwarten seien. Kontrollen würden dadurch erschwert, dass für die Landesdatenschutzbeauftragten kein elektronischer Zugriff auf die Protokolldaten möglich sei. Im Übrigen sei die Speicherung der Daten durch die beteiligten Stellen in Baden-Württemberg nicht zu beanstanden gewesen.

IV.

78

Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. November 2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft wurden. Geäußert haben sich der Beschwerdeführer, als Mitglied des Deutschen Bundestages der Abgeordnete Clemens Binninger, die Bundesregierung, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg, der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Als Sachkundige wurden das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Humanistische Union und der Chaos Computer Club angehört.

B.

79

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

80

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, des Brief- und Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG, der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie in Verbindung mit diesen Grundrechten der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG.

81

Der Beschwerdeführer legt die Möglichkeit einer Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar, indem er geltend macht, dass die von ihm angegriffenen Vorschriften mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Speicherung und Verwendung ihn betreffender personenbezogener Daten regelten und dabei zu unbestimmt sowie unverhältnismäßig weit gefasst seien. Da es sich bei den betreffenden Daten auch um Daten handeln kann, die durch Eingriffe in Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG erhoben wurden, kann der Beschwerdeführer auch eine Verletzung dieser Grundrechte geltend machen. Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, dass die Speicherung und Verwendung der Daten nur unzureichend durch Informationsrechte zur Erlangung von Rechtsschutz flankiert werde, rügt er zugleich hinreichend substantiiert eine Verletzung dieser Grundrechte in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

II.

82

Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffenen Vorschriften unmittelbar, selbst und gegenwärtig betroffen.

83

1. Dem Beschwerdeführer fehlt es nicht an der erforderlichen unmittelbaren Betroffenheit. Zwar ist ein Beschwerdeführer nur dann von einer gesetzlichen Regelung unmittelbar betroffen, wenn diese, ohne dass es eines weiteren Vollzugsaktes bedürfte, in seinen Rechtskreis eingreift. Erfordert das Gesetz zu seiner Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen staatlichen Praxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Stelle beeinflussten Vollzugsakt, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (BVerfGE 1, 97 <101 ff.>; 109, 279 <306>; stRspr). Von einer unmittelbaren Betroffenheit ist jedoch dann auszugehen, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht beschreiten kann, weil er keine Kenntnis von der betreffenden Vollziehungsmaßnahme erhält. In solchen Fällen steht ihm die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz ebenso zu wie in den Fällen, in denen die grundrechtliche Beschwer ohne vermittelnden Vollzugsakt durch das Gesetz eintritt (vgl. BVerfGE 30, 1 <16 f.>; 113, 348 <362 f.>; 120, 378 <394>; stRspr). So liegt es hier. Grundsätzlich kann der Beschwerdeführer weder von der Speicherung noch von der Verwendung seiner Daten nach den angegriffenen Vorschriften verlässlich Kenntnis erhalten.

84

Dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 ATDG auf Antrag die Möglichkeit hat, Auskunft über die Speicherung der Daten zu erhalten und anschließend gegen die Speicherung die Gerichte anzurufen, ändert hieran nichts. Denn auf diesem Weg kann er lediglich dagegen vorgehen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Daten über ihn tatsächlich gespeichert sind, nicht aber - wie es seinem Rechtsschutzanliegen entspricht - dagegen, dass eine solche Speicherung, ohne dass er hierauf Einfluss hat oder hiervon Kenntnis erlangt, jederzeit möglich ist. Die Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz zu erheben, das zu heimlichen Maßnahmen berechtigt, entfällt deshalb unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit jedenfalls in der Regel nur, wenn die spätere Kenntniserlangung des Betroffenen durch eine aktive Informationspflicht des Staates rechtlich gesichert ist (so in BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2001 - 1 BvR 1104/92 -, NVwZ 2001, S. 1261 <1262 f.>). Eine solche Informationspflicht sieht das Antiterrordateigesetz indes nicht vor.

85

2. Der Beschwerdeführer ist selbst und gegenwärtig betroffen.

86

Erfolgt die konkrete Beeinträchtigung erst durch die Vollziehung des angegriffenen Gesetzes, erlangt der Betroffene jedoch in der Regel keine Kenntnis von den Vollzugsakten, reicht es für die Möglichkeit der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit aus, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 122, 63 <81 f.>; 125, 260 <305>; stRspr). Der geforderte Grad der Wahrscheinlichkeit wird davon beeinflusst, welche Möglichkeit der Beschwerdeführer hat, seine Betroffenheit darzulegen. So ist bedeutsam, ob die Maßnahme auf einen tatbestandlich eng umgrenzten Personenkreis zielt oder ob sie eine große Streubreite hat und Dritte auch zufällig erfassen kann. Darlegungen, durch die sich der Beschwerdeführer selbst einer Straftat oder als möglicher Verursacher einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit bezichtigen müsste, dürfen zum Beleg der eigenen gegenwärtigen Betroffenheit nicht verlangt werden (vgl. BVerfGE 109, 279 <308>; 113, 348 <363>; 120, 378 <396>).

87

Die Darlegungen des Beschwerdeführers genügen diesen Anforderungen. Zwar kann der Beschwerdeführer eine spezifische Wahrscheinlichkeit, von der Speicherung betroffen zu werden, nur begrenzt aufzeigen. Er verweist im Wesentlichen lediglich auf Kontakte zu möglicherweise dem Terrorismus nahestehenden Personen. Angesichts der großen Streubreite der von der Speicherung in der Antiterrordatei möglicherweise erfassten Personen sind seine Ausführungen jedoch noch ausreichend. Nach § 2 Satz 1 ATDG werden Daten nicht nur von Terrorismusverdächtigen und deren Unterstützern, sondern in weitem Umfang auch von nur dem Umkreis des Terrorismus zugerechneten Personen bis hin zu bloßen Kontaktpersonen - und zwar einschließlich solcher, die von einem Terrorismusbezug ihres Kontaktes nichts wissen - erfasst.

C.

88

Die Verfassungsbeschwerde gibt keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zur Klärung der Reichweite des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes in Bezug auf einen Datenaustausch von verschiedenen Sicherheitsbehörden im Rahmen einer Verbunddatei, wie ihn das Antiterrordateigesetz regelt. Dies gilt auch im Hinblick auf das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta - EuGRCh). Denn die europäischen Grundrechte der Grundrechtecharta sind auf den zu entscheidenden Fall nicht anwendbar. Die angegriffenen Vorschriften sind schon deshalb an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen, weil sie nicht durch Unionsrecht determiniert sind (vgl. BVerfGE 118, 79 <95>; 121, 1 <15>; 125, 260 <306 f.>; 129, 78 <90 f.>). Demzufolge liegt auch kein Fall der Durchführung des Rechts der Europäischen Union vor, die allein die Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechtecharta nach sich ziehen könnte (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh).

89

Allerdings betreffen die angegriffenen Vorschriften die Ermöglichung eines Datenaustauschs zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und damit Fragen, die zum Teil auch Regelungsbereiche des Unionsrechts berühren. So verfügt die Europäische Union für Regelungen zum Datenschutz in Art. 16 AEUV über eigene Kompetenzen. Dabei legt etwa die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23. November 1995, S. 31 ff. - Datenschutz-Richtlinie) wesentliche Anforderungen an die Datenverarbeitung fest, die grundsätzlich sowohl für Private als auch für öffentliche Behörden gelten. Entsprechend kennt das Unionsrecht diverse Kompetenz- und Rechtsgrundlagen im Zusammenhang mit der Terrorismusabwehr. Insbesondere sieht Art. 2 des Beschlusses 2005/671/JI des Rates vom 20. September 2005 über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten (ABl. L 253 vom 29. September 2005, S. 22 ff.) vor, dass die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften alle einschlägigen Informationen über die von ihren Strafverfolgungsbehörden durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse zu terroristischen Straftaten an Eurojust, Europol und die anderen Mitgliedstaaten weiterzuleiten haben. Das Antiterrordateigesetz und die hierdurch erstrebte Effektivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden steht somit auch in unionsrechtlichen Bezügen und wirkt sich, wenn im Wege des durch das Antiterrordateigesetz angestoßenen Informationsaustauschs weitergehende Ergebnisse gewonnen werden, mittelbar auch auf den Umfang der unionsrechtlichen Berichtspflichten aus. Ebenso bestehen Anknüpfungspunkte zum Unionsrecht in Bezug auf die Pflichten zum Erlass von restriktiven Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen zur Bekämpfung des Terrorismus nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 vom 28. Dezember 2001, S. 70 ff.). Auch sonst können und müssen gegebenenfalls die Ergebnisse der durch die Antiterrordatei effektivierten Zusammenarbeit in die zahlreichen unionsrechtlich geregelten Rechtsbeziehungen im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit einfließen.

90

Gleichwohl ist unzweifelhaft und - im Übrigen auch nach den Maßstäben der Acte-claire-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, S. 3415 Rn. 16 ff.) - keiner weiteren Klärung bedürftig, dass das Antiterrordateigesetz und die auf seiner Grundlage erfolgende Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste keine Durchführung des Rechts der Union im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh darstellen. Für die Datenschutzrichtlinie ergibt sich dies schon aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG, die die Datenverarbeitung betreffend die öffentliche Sicherheit, die Sicherheit des Staates und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Auch sonst ist die Einrichtung und Ausgestaltung der Antiterrordatei nicht durch Unionsrecht determiniert. Insbesondere gibt es keine unionsrechtliche Bestimmung, die die Bundesrepublik Deutschland zur Einrichtung einer solchen Datei verpflichtet, sie daran hindert oder ihr diesbezüglich inhaltliche Vorgaben macht. Das Antiterrordateigesetz verfolgt vielmehr innerstaatlich bestimmte Ziele, die das Funktionieren unionsrechtlich geordneter Rechtsbeziehungen nur mittelbar beeinflussen können, was für eine Prüfung am Maßstab unionsrechtlicher Grundrechtsverbürgungen nicht genügt (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, C-309/96, Annibaldi, Slg. 1997, S. I-7493 Rn. 22). Eine Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte scheidet damit von vornherein aus. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 51 Abs. 2 EuGRCh wie auch aus Art. 6 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union, dass die Charta den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus ausdehnt und weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union begründet noch die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben ändert (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. November 2011, C-256/11, Dereci u.a., Rn. 71; EuGH, Urteil vom 8. November 2012, C-40/11, Iida, Rn. 78; EuGH, Urteil vom 27. November 2012, C-370/12, Pringle, Rn. 179 f.).

91

Der Europäische Gerichtshof ist danach für die aufgeworfenen - ausschließlich die deutschen Grundrechte betreffenden - Fragen nicht gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 GG. Nichts anderes kann sich aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Åkerberg Fransson (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013, C-617/10) ergeben. Im Sinne eines kooperativen Miteinanders zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof (vgl. BVerfGE 126, 286 <307>) darf dieser Entscheidung keine Lesart unterlegt werden, nach der diese offensichtlich als Ultra-vires-Akt zu beurteilen wäre oder Schutz und Durchsetzung der mitgliedstaatlichen Grundrechte in einer Weise gefährdete (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG), dass dies die Identität der durch das Grundgesetz errichteten Verfassungsordnung in Frage stellte (vgl. BVerfGE 89, 155 <188>; 123, 267 <353 f.>; 125, 260 <324>; 126, 286 <302 ff.>; 129, 78 <100>). Insofern darf die Entscheidung nicht in einer Weise verstanden und angewendet werden, nach der für eine Bindung der Mitgliedstaaten durch die in der Grundrechtecharta niedergelegten Grundrechte der Europäischen Union jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrecht oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses ausreiche. Vielmehr führt der Europäische Gerichtshof auch in dieser Entscheidung ausdrücklich aus, dass die Europäischen Grundrechte der Charta nur in "unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden" (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013, C-617/10, Rn. 19).

D.

92

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet.

I.

93

Die angegriffenen Vorschriften greifen in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), des Brief- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) und des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) ein.

94

1. Die §§ 1 bis 6 ATDG regeln die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten und berühren damit den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Soweit die von der Speicherung und Verwendung betroffenen Daten durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG erhoben wurden, ist auch deren Folgeverwendung an diesen Grundrechten zu messen (vgl. BVerfGE 125, 260 <313>; stRspr).

95

2. Die Vorschriften greifen in diese Grundrechte ein. Ein Eingriff liegt dabei zunächst in der Verknüpfung der Daten aus verschiedenen Quellen durch die Anordnung einer Speicherungspflicht gemäß §§ 1 bis 4 ATDG. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den Daten um bereits anderweitig erhobene Daten handelt, denn sie werden nach eigenen Kriterien zusammengeführt und aufbereitet, um sie anderen Behörden als denen, die sie erhoben haben, zu deren Zwecken zur Verfügung zu stellen. Weitere Eingriffe liegen in den Regelungen zur Verwendung der Daten gemäß den §§ 5 und 6 ATDG in Form von Recherchen, in der Zugriffsmöglichkeit auf die einfachen Grunddaten im Trefferfall gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG sowie in der Zugriffsmöglichkeit auch auf die erweiterten Grunddaten im Eilfall gemäß § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG.

II.

96

Die angegriffenen Vorschriften sind in formeller Hinsicht mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere werden die Grenzen der Bundeskompetenzen eingehalten.

97

1. Soweit das Antiterrordateigesetz den Austausch von Informationen zwischen dem Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern, dem Bundesverfassungsschutz, den Landesverfassungsschutzbehörden sowie weiteren Polizeivollzugsbehörden regelt, kann sich der Bund auf die Gesetzgebungskompetenzen des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 a bis c GG zur Zusammenarbeit der Behörden stützen. Zusammenarbeit ist eine auf Dauer angelegte Form der Kooperation, die die laufende gegenseitige Unterrichtung und Auskunftserteilung, die wechselseitige Beratung sowie gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistung in den Grenzen der je eigenen Befugnisse umfasst und funktionelle und organisatorische Verbindungen, gemeinschaftliche Einrichtungen und gemeinsame Informationssysteme erlaubt (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 231 [Apr. 2010]). Hierunter fällt auch die durch das Antiterrordateigesetz vorgesehene Zusammenarbeit.

98

Die Kompetenz für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizeibehörden beschränkt sich nicht auf die Strafverfolgung. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG soll die Möglichkeit schaffen, föderale Zuständigkeitsgrenzen bei der Erfüllung repressiver und präventiver Aufgaben zu lockern. Der Begriff "Kriminalpolizei" in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 a GG schließt nicht aus, dass der Bund eine Zusammenarbeit auch zur Verhinderung von Straftaten regeln kann, sondern dient lediglich der Beschränkung auf Regelungen, die sich auf bedeutsame Straftaten von Gewicht beziehen (Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 239 ff. [Apr. 2010]; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 73 Rn. 114; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 73 Rn. 43; Werthebach/Droste, in: Bonner Kommentar, Bd. 9, Art. 73 Nr. 10 Rn. 109, 118 ff. [Dez. 1998]).

99

Dem Rückgriff auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG steht nicht entgegen, dass das Antiterrordateigesetz eine Zusammenarbeit der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden nicht nur fachlich, sondern zugleich fachübergreifend regelt. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG erlaubt auch solche fachübergreifenden Regelungen. Dies entspricht nicht nur einem funktionalen Verständnis der Norm, die allgemein eine Effektivierung der Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden über föderale Kompetenzgrenzen hinweg ermöglichen will, sondern wird auch durch ihre ursprüngliche Fassung nahegelegt, die noch nicht in einzelne Buchstaben aufgegliedert war. Den Materialien lässt sich ebenfalls nichts für ein engeres Verständnis entnehmen. Die Änderung der Vorschrift im Jahr 1972 hatte nicht das Ziel, der Norm in dieser Hinsicht einen anderen Sinn zu geben (vgl. BTDrucks VI/1479).

100

2. Soweit § 1 Abs. 1 ATDG als weitere Behörden den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Zollkriminalamt und die Bundespolizei mit einbezieht, findet dies in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 GG eine Kompetenzgrundlage.

101

Die Kompetenz für die Einbeziehung des Bundesnachrichtendienstes ergibt sich aus der Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der auswärtigen Beziehungen gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG. Allerdings sind die dem Bund insoweit zugewiesenen Kompetenzen durch die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Übrigen geprägt und berechtigen den Gesetzgeber nicht, dem Bundesnachrichtendienst allein deshalb, weil es sich um Fälle mit Auslandsbezug handelt, Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Taten als solche gerichtet sind (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 ff.>). Vielmehr müssen Regelungen, damit sie auf die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden können, in einen Regelungs- und Verwendungszusammenhang eingebettet sein, der auf die Auslandsaufklärung bezogen ist und der politischen Information der Bundesregierung dient (vgl. BVerfGE 100, 313 <370 f.>). Die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Antiterrordatei ist hiermit jedoch vereinbar. Dies gilt zunächst insoweit, als die §§ 5 und 6 ATDG dem Bundesnachrichtendienst Zugriff auf die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten ermöglichen. Denn ein Zugriff ist nach diesen Vorschriften nur für die jeweiligen Aufgaben der abfragenden Behörden eröffnet; dem Bundesnachrichtendienst werden damit also keine weiteren, allgemein auf die Verhinderung von Straftaten des internationalen Terrorismus gerichtete Kompetenzen zugewiesen. Hiermit vereinbar ist aber auch, dass der Bundesnachrichtendienst seine eigenen Daten durch Einstellung in die Datei anderen Behörden zugänglich macht. Denn das Antiterrordateigesetz begründet keine neuen, durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht mehr gedeckten Datenerhebungsbefugnisse, sondern knüpft an die jeweils für die eigene Aufgabenerfüllung erhobenen Daten an und verpflichtet lediglich dazu, diese Daten anderen Behörden für deren Aufgaben zugänglich zu machen. Die Regelung des Umfangs solcher zweckändernder Bereitstellung von Daten für andere Aufgabenträger ist kraft Sachzusammenhangs Teil der jeweiligen Kompetenz für die Datenerhebung und den hiermit korrespondierenden Datenschutz (vgl. BVerfGE 125, 260 <314 f.>). Der Gesetzgeber gestaltet hierdurch den Bundesnachrichtendienst nicht in eine vorgelagerte Polizeibehörde um.

102

Entsprechend kann der Bund die Beteiligung des Militärischen Abschirmdienstes auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG (Verteidigung) und der Bundespolizei sowie des Zollkriminalamts auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG (Zoll- und Grenzschutz) stützen. Auch hier tragen die Vorschriften sowohl die Eröffnung eines Zugriffs dieser Behörden auf die Daten als auch die Pflicht zur Einstellung ihrer Daten in die Antiterrordatei.

103

Demgegenüber ließe sich auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 5 GG keine Regelung stützen, die es den anderen an der Antiterrordatei beteiligten Behörden unmittelbar erlaubte, die von diesen Bundesbehörden eingestellten Daten abzurufen. Eine solche Regelung ist im Antiterrordateigesetz auch nicht enthalten. Vielmehr setzt § 5 Abs. 1 und 2 ATDG bei sachgerechtem Verständnis für die Nutzung der Datei seitens der jeweils Zugriff nehmenden Behörden eigene Datenerhebungsvorschriften, gegebenenfalls auf Landesebene, voraus (vgl. BVerfGE 125, 260 <315>; 130, 151 <193>).

104

3. Dahinstehen kann, ob es für die Führung der Antiterrordatei als Verbunddatei zusätzlich einer Verwaltungskompetenz des Bundes bedarf. Denn eine solche Kompetenz ergäbe sich für die beim Bundeskriminalamt geführte Antiterrordatei jedenfalls aus der Befugnis zur Einrichtung von Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG.

III.

105

Die durch die angegriffenen Vorschriften errichtete Antiterrordatei ist in ihren Grundstrukturen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht einer solchen Datei, die im Rahmen der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus der Informationsanbahnung und in Eilfällen auch der Gefahrenabwehr dient, nicht schon grundsätzlich entgegen. Ihre nähere normative Ausgestaltung muss jedoch auch in ihren Einzelbestimmungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.

106

1. Die Antiterrordatei ist auf ein legitimes Ziel gerichtet. Sie soll den Sicherheitsbehörden in erster Linie schnell und einfach Kenntnis darüber verschaffen, ob bei anderen Sicherheitsbehörden relevante Informationen zu bestimmten Personen aus dem Umfeld des internationalen Terrorismus vorliegen. Damit will sie Vorinformationen vermitteln, mit denen diese Behörden schneller und zielführender Informationsersuchen bei anderen Behörden stellen können und die in dringenden Fällen auch eine erste handlungsleitende Gefahreneinschätzung ermöglichen. Der Gesetzgeber erstrebt nicht einen allgemeinen Austausch personenbezogener Daten aller Sicherheitsbehörden oder den Abbau jeglicher Informationsgrenzen zwischen ihnen; dies würde den Grundsatz der Zweckbindung als solchen unterlaufen und wäre dann von vornherein unzulässig. Er beabsichtigt und schafft vielmehr nur eine begrenzte Erleichterung des Informationsaustauschs, der die grundsätzliche Maßgeblichkeit der fachrechtlich begrenzten Einzelübermittlungsvorschriften unberührt lässt und sachlich auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus beschränkt ist. Zwar ist der Begriff des "Terrorismus" nicht aus sich heraus eindeutig. Das Antiterrordateigesetz orientiert sich jedoch, wie sich aus § 2 Satz 1 Nr. 1 a ATDG, der zentralen Bestimmung zu den in der Datei erfassten Personen, ergibt, an § 129a StGB und versteht hierunter konkret definierte, schwerwiegende Straftaten, die auf die Einschüchterung der Bevölkerung oder gegen die Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation gerichtet sind. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

107

2. Die angegriffenen Vorschriften sind zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich. Mit den gemäß §§ 1 bis 4 ATDG begründeten Speicherungspflichten wird ein Grunddatenbestand geschaffen, der den beteiligten Behörden in § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG zur Vorbereitung weiterer Informationsabfragen zur Verfügung gestellt wird und ihnen gemäß § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG in besonders dringenden Fällen Informationen zur Abwehr spezifischer Gefahren vermitteln soll. Ein anderes Instrumentarium, das diese Ziele vergleichbar effektiv und weniger belastend sicherstellt, ist nicht ersichtlich.

108

3. Das Antiterrordateigesetz ist in seinen Grundstrukturen auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vereinbar.

109

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Schwere der gesetzgeberischen Grundrechtsbeschränkung bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel, zwischen Individual- und Allgemeininteresse herzustellen (vgl. BVerfGE 100, 313 <375 f.>; 113, 348 <382>; 120, 378 <428>; stRspr).

110

Die angegriffenen Vorschriften sind von erheblichem Eingriffsgewicht (a). Dem stehen jedoch gewichtige öffentliche Belange gegenüber (b). Bei einer Abwägung sind gegen die Errichtung und den Charakter der Antiterrordatei keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben; es bedarf für die nähere Ausgestaltung der Datei jedoch normenklarer und hinreichend begrenzender Regelungen einschließlich von Bestimmungen zu einer effektiven Kontrolle ihrer Anwendung (c).

111

a) Der durch die angegriffenen Vorschriften geschaffene Informationsaustausch ist von erheblichem Gewicht. Dies ergibt sich aus dem Zusammenwirken der hierfür maßgeblichen Grundrechtseingriffe, die nicht isoliert betrachtet werden können: Das Gewicht der Speicherung der einzustellenden Daten und die Frage ihres zulässigen Umfangs bemessen sich maßgeblich nach Zweck und Charakter der Datei, ebenso wie umgekehrt das Gewicht der Datenverwendung wesentlich vom Umfang der Speicherungspflicht abhängt. Als ein die Schwere des Eingriffs erhöhender Faktor fällt ins Gewicht, dass durch die Datei ein Informationsaustausch zwischen zahlreichen Sicherheitsbehörden mit sehr unterschiedlichen Aufgaben ins Werk gesetzt wird und dieser insbesondere auch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden umfasst (aa). Gemindert wird die Schwere des Eingriffs durch die Beschränkung auf bereits erhobene Daten, die Ausgestaltung als Verbunddatei mit einem Schwerpunkt auf der Informationsanbahnung und ihre Ausrichtung allein auf das Ziel der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus (bb).

112

aa) Das Eingriffsgewicht der Antiterrordatei ist dadurch erhöht, dass sie einen Informationsaustausch zwischen einer großen Zahl von Sicherheitsbehörden mit zum Teil deutlich verschiedenen Aufgaben und Befugnissen ermöglicht. Bedeutung hat hierbei insbesondere, dass sie auch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden umfasst.

113

(1) Die den verschiedenen Sicherheitsbehörden jeweils eingeräumten Datenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse sind, soweit es um personenbezogene Daten geht, auf ihre spezifischen Aufgaben zugeschnitten und durch sie begrenzt. Entsprechend unterliegen die Daten von Verfassungs wegen hinsichtlich ihrer Verwendung Zweckbindungen und können nicht ohne weiteres an andere Behörden übermittelt werden. Die Aufgliederung der Sicherheitsbehörden nach fachlichen und föderalen Gesichtspunkten entfaltet damit für den Datenschutz auch eine besondere grundrechtliche Dimension. Dass Informationen zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden nicht umfassend und frei ausgetauscht werden, ist nicht Ausdruck einer sachwidrigen Organisation dieser Behörden, sondern von der Verfassung durch den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung grundsätzlich vorgegeben und gewollt.

114

Allerdings schließt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Zweckbindung von Daten Zweckänderungen durch den Gesetzgeber nicht aus, wenn diese durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sind, die die grundrechtlich geschützten Interessen überwiegen (vgl. BVerfGE 100, 313 <360>; 109, 279 <375 f.>; 110, 33 <69>). Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Informationsaustauschs zwischen verschiedenen Behörden kommt es insbesondere auf die Vergleichbarkeit der verschiedenen Informationszusammenhänge an. Je verschiedenartiger Aufgaben, Befugnisse und Art der Aufgabenwahrnehmung sind, desto größeres Gewicht hat der Austausch entsprechender Daten. Für die Verfassungsmäßigkeit solcher Zweckänderungen ist deshalb insbesondere maßgeblich, wieweit die Bindungen der Datenerhebung seitens der übermittelnden oder hier der einstellenden Behörde denen entsprechen, unter denen die abfragenden Behörden Daten erheben können. Ausgeschlossen ist eine Zweckänderung danach dann, wenn mit ihr grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Ermittlungsmethoden umgangen werden, also die Informationen für den geänderten Zweck selbst auf entsprechender gesetzlicher Grundlage nicht oder nicht in dieser Art und Weise hätten erhoben werden dürfen (vgl. BVerfGE 109, 279 <377>; 120, 351 <369>). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden, dass die Weiterverwendung von Daten, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis herrühren, nur für Zwecke verfassungsmäßig ist, die auch als Rechtfertigung für die ursprüngliche Erhebung ausgereicht hätten (vgl. BVerfGE 100, 313 <360, 389>; 109, 279 <375 f.>; 110, 33 <73>), und hat zur Gewährleistung dieser Anforderungen verfahrensrechtliche Sicherungen wie Kennzeichnungs- und Protokollierungspflichten für erforderlich gehalten (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 113, 29 <58>; 124, 43 <70>). Entsprechendes gilt auch für Zweckänderungen der Datenverarbeitung, wenn Daten durch Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erhoben wurden. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen für die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass Behörden, für die aufgrund ihrer Aufgabenstellung weniger strenge Anforderungen gelten, Daten im Wege der Übermittlung an Behörden weiterleiten, die ihrerseits strengeren Anforderungen unterliegen.

115

(2) Danach hat die Zusammenführung von Daten der Nachrichtendienste und der Polizeibehörden erhöhtes Gewicht und unterliegt grundsätzlich verfassungsrechtlich engen Grenzen. Denn Polizeibehörden und Nachrichtendienste haben deutlich voneinander unterschiedene Aufgaben. Dementsprechend unterliegen sie hinsichtlich der Offenheit ihrer Aufgabenwahrnehmung sowie bezüglich der Datenerhebung grundlegend verschiedenen Anforderungen.

116

(aa) Den Nachrichtendiensten kommt die Aufgabe zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen zu betreiben. Ihr Datenzugriff dient dabei zugleich verschiedenartigen und weit gefassten Zielen wie dem Schutz vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Inland und vor innerstaatlichen Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste, dem Schutz vor gewaltbereiten Bestrebungen, die den gesamten Bereich der "auswärtigen Belange" gefährden, oder dem Schutz vor Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG, § 1 Abs. 2 BNDG, § 1 Abs. 1 MADG sowie § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 G 10). Sie haben mannigfaltige Bestrebungen auf ihr Gefahrenpotenzial hin allgemein zu beobachten und sie gerade auch unabhängig von konkreten Gefahren in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 122, 120 <145>).

117

Diesem vorfeldbezogenen Aufgabenspektrum entsprechend haben die Nachrichtendienste weitreichende Befugnisse zur Datensammlung, die weder hinsichtlich der konkreten Tätigkeitsfelder spezifisch ausdefiniert noch hinsichtlich der jeweils einzusetzenden Mittel detailscharf ausgestaltet sind. Für die Behörden des Verfassungsschutzes umfassen sie Methoden und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung wie etwa den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen (vgl. § 8 Abs. 2 BVerfSchG; § 6 Abs. 1 LVSG Baden-Württemberg). Nach § 5 G 10 darf der Bundesnachrichtendienst zur Informationsgewinnung in bestimmten Fällen mit dem Instrument der strategischen Überwachung internationale Telekommunikationsbeziehungen nach bestimmten Suchbegriffen durchfiltern (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 ff.> zur Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 1 G 10 a.F.). Unbeschadet der auch hier differenzierten verfassungsrechtlichen Anforderungen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, spiegeln diese Befugnisse die Weite der Aufgaben der Nachrichtendienste und zeichnen sich durch relativ geringe Eingriffsschwellen aus. Überdies sammeln die Nachrichtendienste Daten grundsätzlich geheim. Der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung gilt für sie nicht, und sie sind von Transparenz- und Berichtspflichten gegenüber den Betroffenen weithin freigestellt. Entsprechend gering sind die Möglichkeiten individuellen Rechtsschutzes. Zum Teil werden diese sogar ganz durch eine politische Kontrolle ersetzt (vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG).

118

Im Gegenzug und zum Ausgleich zu der Weite dieser Datenerhebungsbefugnisse ist die Zielrichtung der Aufklärung begrenzt. Unbeschadet näherer Differenzierungen zwischen den verschiedenen Diensten beschränkt sie sich im Wesentlichen darauf, fundamentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und hierüber zu berichten, um eine politische Einschätzung der Sicherheitslage zu ermöglichen. Ziel ist nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die politische Information. So ist Aufgabe der Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes nicht die Bekämpfung von Straftaten als solchen, sondern übergreifend die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. In Form von Lageberichten, Analysen und Berichten über Einzelerkenntnisse soll die Bundesregierung in den Stand gesetzt werden, Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und ihnen - politisch - zu begegnen (vgl. BVerfGE 100, 313 <371>). Entsprechend zielt auch die Aufklärung der Verfassungsschutzbehörden nicht unmittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von konkreten Straftaten oder die Vorbereitung entsprechender operativer Maßnahmen. Auch hier beschränkt sich die Aufgabe der Dienste auf eine Berichtspflicht gegenüber den politisch verantwortlichen Staatsorganen beziehungsweise der Öffentlichkeit (vgl. BVerfGE 130, 151 <206>).

119

Dieser auf die politische Vorfeldaufklärung beschränkte Auftrag der Nachrichtendienste spiegelt sich auch in einer Beschränkung ihrer Befugnisse: Polizeiliche Befugnisse haben sie nicht, und sie dürfen auch im Wege der Amtshilfe nicht die Polizei um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt sind (vgl. § 8 Abs. 3 BVerfSchG, § 2 Abs. 3 BNDG, § 4 Abs. 2 MADG, § 3 Abs. 4 des Hessischen Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz [VerfSchutzG HE]). Im Falle eines Übermittlungsersuchens dürfen sie grundsätzlich nur solche Daten übermitteln, die bei der ersuchten Behörde bereits bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können (vgl. etwa § 17 Abs. 1 BVerfSchG - auch i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 BNDG und § 10 Abs. 4 MADG -, § 8 Abs. 2 Satz 2 VerfSchutzG HE, § 19 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbVerfSchG).

120

(bb) Von diesem Aufgaben- und Befugnisprofil unterscheidet sich das der Polizei- und Sicherheitsbehörden grundlegend. Ihnen obliegt die Verhütung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten sowie die Abwehr von sonstigen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ihre Aufgaben sind geprägt von einer operativen Verantwortung und insbesondere der Befugnis, gegenüber Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls auch mit Zwang durchzusetzen. Dabei sind ihre Aufgaben gesetzlich differenziert umgrenzt und durch ein materiell wie verfahrensrechtlich vielfältig abgestuftes Arsenal von Handlungsbefugnissen unterlegt. Unbeschadet gewisser Aufgaben auch dieser Behörden schon im Vorfeld von Gefahren, sind ihnen Befugnisse gegenüber Einzelnen grundsätzlich nur aus konkretem Anlass verliehen; Voraussetzung ist in der Regel, dass Anhaltspunkte für einen Tatverdacht oder eine Gefahr vorliegen. Diesem Aufgabenprofil entsprechen auch die Datenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse dieser Behörden. Sie sind, da sie letztlich Zwangsmaßnahmen bis hin zu Eingriffen in die persönliche Freiheit vorbereiten und begründen können, gesetzlich wesentlich enger und präziser gefasst als diejenigen der Nachrichtendienste sowie vielfältig voneinander abgegrenzt. Entsprechend setzen grundsätzlich auch diese auf den Umgang mit Daten bezogenen Befugnisse - bei vielfältigen Abstufungen im Einzelnen - einen konkreten Anlass, etwa eine Gefahr oder einen Tatverdacht voraus. Soweit der Gesetzgeber die Erhebung personenbezogener Daten ausnahmsweise anlasslos vorsorglich oder zur bloßen Verhütung von Gefahren oder Straftaten erlaubt, ist dies besonders rechtfertigungsbedürftig und unterliegt gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 125, 260 <318 ff., 325 ff.>).

121

Entsprechend handelt die Polizei grundsätzlich offen und folgt auch ihr Umgang mit Daten ganz überwiegend dem Grundsatz der Offenheit. Zwar setzt die Aufgabenwahrnehmung der Polizeibehörden in erheblichem Umfang auch Ermittlungen voraus, die gegenüber den Betroffenen zunächst verdeckt erfolgen. Jedoch werden damit nur bestimmte, durch konkrete Verdachtsmomente unterlegte Aufklärungsmaßnahmen oder -phasen abgeschirmt, die die prinzipielle Offenheit der polizeilichen Arbeit unberührt lässt. Vor allem werden insofern die ermittelten Daten bei sich anschließenden Maßnahmen gegenüber Einzelnen - wie der Erhebung der Anklage oder dem Erlass einer Polizeiverfügung - offengelegt und wird dem Betroffenen Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu verhalten. Auch die Ermittlungen selbst werden, soweit möglich, offen geführt. Im Strafverfahren zeigt sich dies beispielhaft an den zahlreichen Anhörungs-, Akteneinsichts- und Verteidigungsrechten des Beschuldigten, an der offenen Durchführung von Wohnungsdurchsuchungen (vgl. § 106 StPO), den Vorgaben für die Nutzung von vorsorglich gespeicherten Daten (vgl. BVerfGE 125, 260 <353>) sowie der grundsätzlich öffentlichen und mündlichen Verhandlung am Ende des Anklagevorwurfs im Strafverfahren. Der Einsatz verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) und heimliche Datenerhebungen mit technischen Mitteln (§§ 100a ff. StPO) sind demgegenüber nur ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingungen zulässig. Entsprechend unterliegt die Polizei auch im Bereich der Gefahrenabwehr dem Grundsatz der offenen Datenerhebung (vgl. § 21 Abs. 3 BPolG; § 19 Abs. 1 PolG Baden-Württemberg; Art. 30 Abs. 3 BayPAG).

122

Die Rechtsordnung unterscheidet damit zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die auf eine operative Aufgabenwahrnehmung hin ausgerichtet und durch detaillierte Rechtsgrundlagen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt sind und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen stützen können. Eine Geheimpolizei ist nicht vorgesehen.

123

(cc) Regelungen, die den Austausch von Daten der Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermöglichen, unterliegen angesichts dieser Unterschiede gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgt insoweit ein informationelles Trennungsprinzip. Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden. Einschränkungen der Datentrennung sind nur ausnahmsweise zulässig. Soweit sie zur operativen Aufgabenwahrnehmung erfolgen, begründen sie einen besonders schweren Eingriff. Der Austausch von Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein mögliches operatives Tätigwerden muss deshalb grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen, das den Zugriff auf Informationen unter den erleichterten Bedingungen, wie sie den Nachrichtendiensten zu Gebot stehen, rechtfertigt. Dies muss durch hinreichend konkrete und qualifizierte Eingriffsschwellen auf der Grundlage normenklarer gesetzlicher Regelungen gesichert sein; auch die Eingriffsschwellen für die Erlangung der Daten dürfen hierbei nicht unterlaufen werden.

124

bb) Das Eingriffsgewicht der Antiterrordatei ist allerdings dadurch gemindert, dass sie als Verbunddatei ausgestaltet ist, die in ihrem Kern auf die Informationsanbahnung beschränkt ist und eine Nutzung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen vorsieht.

125

(1) Die angegriffenen Vorschriften gestalten die Antiterrordatei als Instrumentarium aus, das - außerhalb des Eilfalls gemäß § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 ATDG - Informationen nicht unmittelbar zur Aufgabenwahrnehmung durch die jeweiligen Behörden, insbesondere nicht zu operativen Zwecken bereitstellt, sondern nur als Grundlage für weitere Datenübermittlungen. Die Antiterrordatei setzt zwar schon unmittelbar selbst einen Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden ins Werk, indem sie Recherchen in allen Grunddaten erlaubt und den abfragenden Behörden gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 ATDG einen Zugriff auf die einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG gewährt. § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG bestimmt jedoch, dass die abfragende Behörde diese Daten nur zur Prüfung, ob sie der gesuchten Person zuzuordnen sind, und für ein Ersuchen um Übermittlung von Erkenntnissen zur Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe der Behörde verwenden darf. Die so erlangten Informationen dürfen also grundsätzlich nur genutzt werden, um zu entscheiden, ob und gegenüber welcher Behörde um weitere Informationen nachgesucht werden soll, und um solche Einzelübermittlungsersuchen besser zu begründen. Für die Übermittlung von Daten aus den bei den Fachbehörden geführten Dateien auf Ersuchen im Einzelfall und damit auch zur operativen Aufgabenwahrnehmung ist demgegenüber das jeweils einschlägige Fachrecht maßgeblich. Die Antiterrordatei ermächtigt somit hinsichtlich der einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG nicht zu einem Informationsaustausch für die Aufgabenwahrnehmung selbst, sondern bereitet ihn nur vor. Das gilt erst recht für die erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG, auf die den Behörden im Regelfall gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 ATDG bereits der Zugriff nur nach Maßgabe der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften eröffnet wird.

126

Das Antiterrordateigesetz stützt sich damit maßgeblich auf die fachrechtlichen Grundlagen für Datenübermittlungen und bezieht daraus rechtsstaatliche Grenzen. Im Ergebnis stellt es sicher, dass - außerhalb von § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG - ein Austausch von Daten zur unmittelbaren Nutzung für die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus nur unter den rechtlichen Voraussetzungen der einzelnen Übermittlungsvorschriften zulässig ist. Es fängt so die geringen, letztlich auf das Kriterium der Erforderlichkeit beschränkten Anforderungen für die Informationsanbahnung im Vorfeld durch Verweis auf die differenzierteren Grenzziehungen bei der Datenübermittlung auf. Diese müssen dann freilich ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen und können sich jedenfalls für Datenübermittlungen zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei nicht mit vergleichbar niederschwelligen Voraussetzungen wie der Erforderlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung oder der Wahrung der öffentlichen Sicherheit begnügen.

127

(2) Die grundsätzlich auf Informationsanbahnung beschränkte Funktion der Antiterrordatei mindert ihr Eingriffsgewicht wesentlich; dennoch bleibt das Eingriffsgewicht auch in dieser Funktion erheblich. Denn obgleich eine Datennutzung zur operativen Aufgabenwahrnehmung erst aufgrund weiterer Datenübermittlungsvorschriften zulässig ist, führt die Antiterrordatei im Vorfeld dieser Aufgabenwahrnehmung doch schon selbst zu einem unmittelbaren Austausch von Erkenntnissen der Behörden. Sie erlaubt der anfragenden Behörde im Falle eines Treffers nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 ATDG generell den Zugriff auf die Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG als Klarinformationen und eröffnet die Möglichkeit zu Recherchen auch in den erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG, wobei insoweit im Trefferfall freilich allein ein Fundstellennachweis zu der informationsführenden Behörde und die korrespondierenden einfachen Grunddaten übermittelt werden. Als Instrument der Informationsanbahnung erleichtert die Antiterrordatei damit den fachrechtlichen Austausch und verleiht so den bestehenden Einzelübermittlungsvorschriften materiell ein verändertes Gewicht. Es stellt diese in ein anderes, nun vorinformiertes Umfeld und bewirkt den Austausch von Erkenntnissen für Fälle, in denen er andernfalls unpraktikabel oder unmöglich wäre. Die Antiterrordatei stellt sich so als vorgelagerter Bestandteil dieses fachgesetzlichen Austauschs dar.

128

Die Aufnahme in eine solche Datei kann für die Betreffenden erheblich belastende Wirkung haben. Wer einmal in der Datei erfasst ist, muss damit rechnen, aufgrund einer Abfrage dem Umkreis des Terrorismus zugeordnet und - mittels weiterer, dadurch erleichterter Übermittlungsersuchen - hieran anknüpfenden belastenden Maßnahmen unterworfen zu werden. Die Konsequenzen einer solchen Zuordnung können beträchtlich sein und Einzelne in schwierige Lagen bringen, ohne dass sie um diese Einordnung wissen und eine praktikable Möglichkeit haben, sich hiergegen zu wehren. Die Erheblichkeit dieses Eingriffs verstärkt sich dadurch, dass die Daten abgelöst von den jeweiligen konkreten Hintergründen in der Datei registriert werden und zum Teil auf bloßen Prognosen und subjektiven Einschätzungen der Behörden beruhen können, die naturgemäß unsicher sind. Letztlich können Bürgerinnen und Bürger hierdurch erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt werden, ohne dafür selbst zurechenbar Anlass gegeben zu haben. Dass belastende Maßnahmen dabei grundsätzlich nicht unmittelbar auf eine Nutzung der Daten der Antiterrordatei nach den angegriffenen Vorschriften allein gestützt werden können, sondern als deren mittelbare Wirkung in Verbindung mit weiteren Vorschriften drohen, ändert nichts daran, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Maßnahmen durch die Antiterrordatei erhöht wird.

129

(3) Ein besonders schweres Eingriffsgewicht kommt der Antiterrordatei insoweit zu, als sie in Eilfällen auch einen Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden erlaubt, bei dem die Informationen unmittelbar zur Abwehr von spezifischen Gefahren und damit auch zu operativen Zwecken genutzt werden dürfen.

130

b) Die Einrichtung der Antiterrordatei ist mit dem Übermaßverbot grundsätzlich vereinbar. Dem Eingriffsgewicht für die Betroffenen steht das öffentliche Interesse gegenüber, für die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus einen gezielten Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden und genauere Einschätzungen für die Gefahrenabwehr in wichtigen Eilfällen zu ermöglichen.

131

Der Errichtung einer zentralen Verbunddatei zum Zweck eines gezielten Informationsaustauschs für die Aufgaben der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus darf der Gesetzgeber erhebliches Gewicht beimessen. Denn schon angesichts der Zahl der mit diesen Aufgaben befassten Behörden ist die Gewährleistung eines zielführenden Austauschs der Erkenntnisse zwischen ihnen von besonderer Bedeutung. Zurzeit nehmen nach der Errichtungsanordnung mehr als 60 Behörden und Polizeidienststellen an der Antiterrordatei teil. Ungeachtet der Frage, welches Ausmaß an Organisationsdifferenzierung im Einzelnen sachgerecht ist, können die hierbei entstehenden Informationsprobleme für die Aufklärung und Bekämpfung des Terrorismus in einem föderalen Staat mit Gewaltenteilung jedenfalls nicht vollständig auf organisatorischer Ebene gelöst werden.

132

Zur Effektivität der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus darf der Gesetzgeber, wenn er einen Informationsaustausch allein auf der Grundlage der Einzelübermittlungsvorschriften für unzureichend hält, eine sie koordinierende Verbunddatei zur Informationsanbahnung wie die Antiterrordatei schaffen. Die Verhinderung und Verfolgung von terroristischen Straftaten, die international organisiert und zur Verbreitung von Angst und Schrecken verübt werden, stellt die zuständigen staatlichen Behörden vor besondere Herausforderungen. Da solche Straftaten besonders schwer zu erfassen sind und die Zielpersonen sich oft in hohem Maße konspirativ verhalten, hängt der Erfolg einer wirksamen Aufgabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörden hier in besonderer Weise davon ab, dass wichtige Informationen, die bei einer Behörde anfallen, auch für andere Behörden erschlossen werden und durch das Zusammenführen und Abgleichen der verschiedenen Daten aus diffusen Einzelerkenntnissen aussagekräftige Informationen und Lagebilder werden. Es liegt auf der Hand, dass eine speziell strukturierte Datei mit Grundprofilen von in den Fokus der Behörden geratenen Personen sowie mit Nachweisen, bei welchen Behörden Informationen zu welchen Personen zugänglich sind, die Aufgabenwahrnehmung wesentlich verbessern kann. Ebenso tragfähig ist die Annahme, dass den Behörden in dringenden Eilfällen unmittelbar bestimmte Informationen anderer Behörden zur Verfügung stehen müssen, um diesen eine erste Gefährdungseinschätzung und damit sachgerechte weitere Maßnahmen zu ermöglichen.

133

Für die Bedeutung einer solchen Datei ist dabei das große Gewicht einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus für die demokratische und freiheitliche Ordnung zu berücksichtigen. Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus, wie sie das Antiterrordateigesetz zum Bezugspunkt hat (siehe oben D. III. 1.), zielen auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen hierbei in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Es ist Gebot unserer verfassungsrechtlichen Ordnung, solche Angriffe nicht als Krieg oder als Ausnahmezustand aufzufassen, die von der Beachtung rechtsstaatlicher Anforderungen dispensieren, sondern sie als Straftaten mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen. Dem entspricht umgekehrt, dass der Terrorismusbekämpfung im rechtsstaatlichen Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung ein erhebliches Gewicht beizumessen ist (vgl. BVerfGE 115, 320 <357 f.>).

134

c) Angesichts der sich gegenüberstehenden Interessen bestehen bei umfassender Würdigung gegen die Grundstrukturen der Antiterrordatei als Instrument der Informationsanbahnung und auch als handlungsanleitende Informationsquelle für eine Gefahreneinschätzung in dringenden Eilfällen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings entspricht die Regelung der Datei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne nur, wenn sie hinsichtlich der zu erfassenden Daten sowie deren Nutzungsmöglichkeiten normenklar und in der Sache hinreichend begrenzt ausgestaltet ist sowie hierbei qualifizierte Anforderungen an die Kontrolle gestellt und beachtet werden (BVerfGE 125, 260 <325>).

135

aa) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind zunächst die Grundstrukturen, mit denen der Gesetzgeber die Antiterrordatei als Verbunddatei zur Informationsanbahnung errichtet. Es ist im Ausgangspunkt nicht unverhältnismäßig, in diese Datei hinsichtlich bestimmter, dem internationalen Terrorismus vermutlich nahestehender Personen einen Grundbestand an identifizierenden Daten aufzunehmen, die den beteiligten Behörden zur Informationsanbahnung zur Verfügung stehen sollen. Da sie nur rechtlich begrenzte Einzelübermittlungen vorbereiten, ist eine solche Zusammenführung von Daten der Nachrichtendienste und Polizeibehörden durch die Aufgaben der Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt. Ebenfalls bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass in diese Datei über einen Grundbestand an identifizierenden Daten hinaus weitere, inhaltlich aussagekräftigere, sogenannte erweiterte Grunddaten aufzunehmen sind. Auch diese Daten - die den beteiligten Behörden wegen ihrer höheren Persönlichkeitsrelevanz grundsätzlich nicht als Klarinformationen, wohl aber zur verdeckten Recherche zur Verfügung gestellt werden - haben die Aufgabe, einen gezielteren Informationsaustausch nach Maßgabe des Fachrechts zu ermöglichen, und sind durch das Ziel einer Effektivierung der Terrorismusbekämpfung grundsätzlich gerechtfertigt.

136

Allerdings bedarf es einer Ausgestaltung der Datei, die den Informationsaustausch im Einzelnen normenklar regelt und hinreichend begrenzt. Dies gilt ebenso für die Bestimmung der beteiligten Behörden, die in der Datei zu erfassenden Personen und die über sie zu erfassenden Daten wie für die nähere Regelung der Nutzung dieser Daten. Auch muss eine effektive Kontrolle gewährleistet sein (siehe unten D. IV.).

137

bb) Wegen der großen Bedeutung der Verhinderung von terroristischen Anschlägen ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit der Antiterrordatei darüber hinaus eine Informationsquelle zur Verfügung stellen will, die in dringenden Eilfällen auch eine erste handlungsanleitende Gefährdungseinschätzung der Behörden ermöglichen soll. Freilich liegt hierin ein Eingriff, der besonders schwer wiegt, weil der Datenaustausch in diesen Fällen nicht nur eine Informationsanbahnung nach Maßgabe des Fachrechts ermöglicht, sondern unmittelbar auch operativen Zwecken dient. Jedoch verstößt auch dies nicht von vornherein gegen das Übermaßverbot. Maßgeblich ist insoweit jedoch, dass die gesetzlichen Eingriffsschwellen in Bezug auf die Dringlichkeit und die bedrohten Rechtsgüter in einer Weise begrenzend ausgestaltet sind, die diesem besonderen Eingriffsgewicht Rechnung trägt (siehe unten D. IV. 4. d).

IV.

138

Von diesen Grundsätzen ausgehend genügen die angegriffenen Vorschriften den Anforderungen an eine hinreichend bestimmte und dem Übermaßverbot entsprechende Ausgestaltung der Antiterrordatei in verschiedener Hinsicht nicht. Sie verletzen insoweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

139

1. Die Regelung des § 1 Abs. 2 ATDG zur Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei ist mit dem Bestimmtheitsgebot unvereinbar.

140

a) Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (vgl. BVerfGE 110, 33 <52 ff.>; 113, 348 <375 ff.>; 120, 378 <407 f.>). Der Gesetzgeber kann dabei, soweit er Anlass, Zweck und Ausmaß selbst festlegt, die genauere Bestimmung dieser Maßstäbe unter Umständen gemäß Art. 80 Abs. 1 GG an die Verwaltung delegieren, die diese dann durch Rechtsverordnung festzulegen hat. Auch hierbei handelt es sich jedoch um gesetzliche Grundlagen im materiellen Sinne, die nicht nur verwaltungsintern für die Behörden, sondern als Außenrecht auch für den Bürger und gegebenenfalls die Gerichte verbindlich sind. Das Bestimmtheitsgebot steht damit in enger Beziehung zu den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten, nach denen Eingriffe in die Grundrechte nur durch Gesetz und gegebenenfalls aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Umfang von Grundrechtseingriffen in den wesentlichen Aspekten im parlamentarischen Verfahren öffentlich unter Mitwirkung auch der nicht die Regierung tragenden Abgeordneten diskutiert, deren weitere generell-abstrakte Präzisierung durch die Verwaltung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG erkennbar als Konkretisierung dieser parlamentarischen Entscheidung ausgewiesen und die insoweit letztlich maßgeblichen Normen für alle verbindlich und durch Ausfertigung und Verkündung erkennbar bekanntgemacht werden. Die demokratische und rechtsstaatliche Funktion des Gesetzesvorbehalts greifen hierbei ineinander. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit gesetzlicher Regelung zu stellen sind, richtet sich dabei nach der Intensität der durch die Regelung oder aufgrund der Regelung erfolgenden Grundrechtseingriffe.

141

Nach diesen Maßstäben müssen die an der Antiterrordatei beteiligten Behörden entweder unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung bestimmt werden. Die Entscheidung, welche Behörde ihre Daten in die Datei einzustellen hat und welche Behörde zu deren Abruf berechtigt ist, entscheidet maßgeblich über Umfang und Inhalt der Datei sowie über das Ausmaß der weiteren Nutzung der Daten. Es handelt sich um ein wesentliches Regelungselement, das einer normenklaren und bestimmten Festlegung mit Wirkung nach außen bedarf. Vor allem aber intensiviert die Einbeziehung einer jeden weiteren Polizeivollzugsbehörde in den Informationsverbund des Antiterrordateigesetzes die Durchbrechung der informationellen Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden. Der Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden verleiht den mit dem Antiterrordateigesetz verbundenen Grundrechtseingriffen erhöhtes Gewicht (D. III. 3. a) aa). Dies setzen gerade die Regelungen über die Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei unter Durchbrechung der informationellen Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden auch organisationsrechtlich ins Werk. Die Regelungen über die teilnehmenden Behörden bilden damit den Kern des spezifischen grundrechtlichen Gefährdungspotenzials der Antiterrordatei.

142

b) § 1 Abs. 2 ATDG genügt weder für sich allein noch in Verbindung mit der Errichtungsanordnung gemäß § 12 ATDG den besonderen Anforderungen, die an die gesetzliche Bestimmung der Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei zu stellen sind.

143

aa) Eine hinreichend normenklare gesetzliche Festlegung, aus der sich die beteiligten Behörden unmittelbar selbst bestimmen lassen, liegt nicht schon in § 1 Abs. 2 ATDG allein. Zwar schließen die Bestimmtheitsanforderungen nicht grundsätzlich aus, dass der Gesetzgeber die abrufberechtigten Behörden einer Datei - je nach deren Art und Gegenstand - nur generell abstrakt festlegt. Wenn der Kreis dieser Behörden sich unmittelbar aus dem Gesetz hinreichend bestimmt erschließen lässt, kann es unschädlich sein, wenn hierbei die konkreten Behörden nicht ausdrücklich genannt sind (vgl. BVerfGE 130, 151 <199, 203>). So liegt es vorliegend jedoch nicht. § 1 Abs. 2 ATDG umschreibt die zu beteiligenden Behörden nur nach weiten und wertungsoffenen Kriterien. Er verweist auf anderweitige Aufgabenzuweisungen sowie auf Gesichtspunkte der Erforderlichkeit und Angemessenheit, die die Bestimmung der beteiligten Behörden letztlich für allgemeine sicherheitspolitische Opportunitätserwägungen öffnet. Die Vorschrift wird dabei, wie sich aus ihrem Regelungskontext ergibt, auch vom Gesetzgeber selbst nicht so verstanden, dass sie die zu beteiligenden Behörden selbst abschließend bestimmen soll. Vielmehr ergibt sich aus dem in § 12 Nr. 2 ATDG geregelten Erfordernis einer Festlegung dieser Behörden durch die Errichtungsanordnung sowie aus den in § 1 Abs. 2 und § 12 ATDG vorgesehenen - dabei nicht widerspruchsfreien - Benehmens-, Einvernehmens- und Zustimmungserfordernissen, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift den Kreis der beteiligten Behörden noch nicht unmittelbar selbst festlegen wollte, sondern dies nach Fachkriterien der eigenständigen Entscheidung der Exekutive überlassen wollte. Dass nach dem derzeitigen Stand der Errichtungsanordnung nur aus drei Bundesländern weitere Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei beteiligt werden, bestätigt dies. Jedenfalls bezogen auf eine Datei vom Eingriffsgewicht der Antiterrordatei genügt eine solche Offenheit der beteiligten Behörden den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

144

bb) Eine hinreichend klare Bestimmung der beteiligten Behörden ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 2 ATDG in Verbindung mit der Errichtungsanordnung gemäß § 12 Nr. 2 ATDG. Zwar bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Delegation der endgültigen Festlegung dieser Behörden auf die Verwaltung. Für eine solche Festlegung reicht angesichts der spezifischen Grundrechtsrelevanz der Bestimmung der an der Antiterrordatei teilnehmenden Behörden jedoch nicht eine Errichtungsanordnung als bloße Verwaltungsvorschrift, die weder gegenüber den in ihren Daten Betroffenen noch gegenüber den Gerichten rechtlich bindende Wirkung hat, und die auch nicht rechtsförmlich ausgefertigt und verkündet wird. Will der Gesetzgeber die Entscheidung über die beteiligten Behörden in die Hände der Exekutive legen, ist er hier nach Maßgabe des Art. 80 Abs. 1 GG auf die Form der Rechtsverordnung verwiesen.

145

2. Nicht in jeder Hinsicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar sind die Vorschriften, die den von der Datei erfassten Personenkreis festlegen. Einige dieser Bestimmungen verletzen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Andere bedürfen einer einengenden verfassungskonformen Auslegung.

146

a) Keinen Einwänden unterliegt allerdings § 2 Satz 1 Nr. 1 a ATDG. Die Vorschrift ordnet die Erfassung der Daten von Personen an, die möglicherweise einer terroristischen Vereinigung angehören oder sie unterstützen, und erfasst damit diejenigen, die im Fokus einer effektiven Terrorismusabwehr stehen. Indem die Vorschrift an Strafnormen anknüpft, die bereits ihrerseits strafbares Handeln schon weit in das Vorfeld von Rechtsgutverletzungen vorverlagern, und dabei schon "tatsächliche Anhaltspunkte" - gegebenenfalls auch nur für Unterstützungshandlungen - ausreichen lässt, öffnet die Vorschrift zwar beträchtlichen Raum für subjektive Einschätzungen der Behörden und ein weites Feld von Unwägbarkeiten. Im Rahmen der Antiterrordatei, die außerhalb von dringenden Eilfällen nur der Informationsanbahnung dient und in diesem Rahmen ermöglichen soll, auch ungesicherte Einschätzungen von Verdachts- und Gefahrenlagen noch im Vorfeld von Ermittlungen zu verwerfen oder zu erhärten, ist diese Ausgestaltung jedoch hinnehmbar. Bei sachgerechter Auslegung stellen diese Tatbestandsmerkmale immerhin hinreichend sicher, dass eine Speicherung nicht auf bloßen Spekulationen beruhen darf. Insbesondere bedürfen tatsächliche Anhaltspunkte einer Rückbindung an konkrete Erkenntnisse und ist der Begriff des Unterstützens - auch von den subjektiven Voraussetzungen her - wie in § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB zu verstehen (vgl. BTDrucks 16/2950, S. 15). Schließlich ermöglicht die die Speicherpflichten allgemein begrenzende Klausel am Ende von § 2 Satz 1 ATDG, nach der die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland erforderlich sein muss, Korrekturen, wenn im Einzelfall Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Speicherung bestehen. Zwar ist diese Klausel angesichts ihrer Offenheit ungeeignet, eine von vornherein an sich unbestimmte oder schon grundsätzlich zu weit gefasste Speicherungspflicht zu heilen. Sofern aber, wie vorliegend, eine grundsätzlich tragfähige Festlegung der zu speichernden Daten gegeben ist, ist die Klausel geeignet, für atypische Einzelfälle eine verfassungsrechtlich tragfähige Lösung zu ermöglichen.

147

b) § 2 Satz 1 Nr. 1 b ATDG, der den Kreis der erfassten Personen unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung terroristischer Vereinigungen erweitert, ist teilweise mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar und verfassungswidrig.

148

aa) Unbedenklich ist die Vorschrift allerdings insoweit, als sie Personen erfasst, die einer Gruppierung angehören, welche eine terroristische Vereinigung unterstützt. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit macht es keinen Unterschied, ob eine Unterstützung einzeln oder kollektiv erfolgt. Dementsprechend ist die Speicherung dieser Personen in gleicher Weise verhältnismäßig wie die Speicherung von Unterstützern einer terroristischen Vereinigung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 a (2. Alternative) ATDG.

149

bb) Demgegenüber wird der Kreis nochmals erweitert, indem die Vorschrift auch Personen erfasst, die eine unterstützende Vereinigung lediglich unterstützen. Ein Erfordernis eines subjektiven Bezugs zum Terrorismus ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Sie deckt ihrem Wortlaut und nicht fernliegenden Sinn nach damit auch eine Erstreckung der Speicherungspflicht auf Personen, die weit im Vorfeld und möglicherweise ohne Wissen von einem Terrorismusbezug eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen, wie zum Beispiel den Kindergarten eines Moscheevereins, den die Behörden jedoch der Unterstützung terroristischer Vereinigungen verdächtigen. Eine solche Öffnung der Norm für die Einbeziehung schon des weitesten Umfelds terroristischer Vereinigungen verstößt gegen den Grundsatz der Normenklarheit und ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Zwar steht es dem Gesetzgeber frei, auch die bloße Unterstützung von unterstützenden Vereinigungen als Grund für eine Speicherung vorzusehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie sich willentlich als Förderung der den Terrorismus unterstützenden Aktivitäten solcher Gruppierungen darstellt. Der Gesetzgeber hat dies gegebenenfalls aber in einer dem Grundsatz der Normenklarheit genügenden Weise in der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen. Dem Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 1 b ATDG lässt sich hierfür nichts entnehmen. Angesichts der Funktionsweise der Antiterrordatei, deren Anwendung den Betroffenen in der Regel nicht bekannt und auch nicht richterlich überprüft wird, darf hierüber keine Unklarheit verbleiben. Deshalb scheidet hier auch eine verfassungskonforme Auslegung aus.

150

c) Nicht vollständig mit der Verfassung vereinbar ist § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG. Die Vorschrift, die Einzelpersonen erfassen soll, die möglicherweise in einer Nähe zum Terrorismus stehen, verbindet eine Reihe von mehrdeutigen und potenziell weiten Rechtsbegriffen. Hinsichtlich der Begriffe der rechtswidrigen Gewalt und des vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt lässt sich eine Verfassungswidrigkeit wegen Stimmengleichheit im Senat nicht feststellen; nach Auffassung der vier Mitglieder des Senats, die die Entscheidung insoweit tragen (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), ist die Verwendung dieser Merkmale mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern den Merkmalen keine übermäßig weite Bedeutung beigelegt wird (aa). Nach der Auffassung der anderen vier Mitglieder des Senats, die für die Entscheidung im Ergebnis nicht tragend wird (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), müsste die Vorschrift weitergehend insoweit für verfassungswidrig erklärt werden (bb). Hingegen reicht das bloße Befürworten von Gewalt im Sinne dieser Vorschrift nach der einhelligen Auffassung des Senats für die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nicht. Die Vorschrift verstößt insoweit gegen das Übermaßverbot und ist verfassungswidrig (cc).

151

aa) (1) Zentral stellt die Vorschrift auf den Begriff der rechtswidrigen Gewalt ab. Zwar wird diesem Begriff an anderer Stelle der Rechtsordnung ein sehr weiter Sinn beigelegt, der als Anknüpfungspunkt für eine Qualifizierung der betroffenen Personen als in der Nähe des Terrorismus stehend zu wenig signifikant wäre, als dass er den betroffenen Personenkreis in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Weise eingrenzen und eine Speicherung der Daten der Betreffenden verfassungsrechtlich tragen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat verfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen, dass die Strafgerichte im Zusammenhang mit dem Nötigungstatbestand (§ 240 StGB) bei der strafrechtlichen Beurteilung von Blockadeaktionen für die Bejahung einer Gewaltanwendung schon die körperliche Kraftentfaltung durch Anbringung von mit Personen verbundenen Metallketten an den Pfosten eines Einfahrtstors genügen ließen, weil die Ankettung der Demonstration eine über den psychischen Zwang hinausgehende Eignung gab, Dritten den Willen der Demonstranten aufzuzwingen (vgl. BVerfGE 104, 92 <102>). Laut Auskunft der Sicherheitsbehörden in der mündlichen Verhandlung wird das Merkmal rechtswidriger Gewalt in der Praxis jedoch enger verstanden. Im Rahmen des hier zu überprüfenden Gesetzes wäre eine weite Auslegung des Begriffs der rechtswidrigen Gewalt im Sinne des strafrechtlichen Nötigungstatbestandes auch weder durch den Wortlaut noch durch die Zielsetzung des Gesetzes nahegelegt. Entsprechend der gegen terroristische Straftaten gewendeten Zielrichtung der Antiterrordatei ist der Begriff vielmehr dahin zu verstehen, dass er nur Gewalt umfasst, die unmittelbar gegen Leib und Leben gerichtet oder durch den Einsatz gemeingefährlicher Mittel geprägt ist. In dieser Auslegung bestehen gegen die Verhältnismäßigkeit des durch Verwendung des Gewaltbegriffs in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG erfassten Personenkreises keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

152

(2) Erfasst werden nach § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG zudem sowohl Personen, die Gewalt anwenden, unterstützen und vorbereiten, als auch solche, die sie nur befürworten oder durch ihre Tätigkeit vorsätzlich hervorrufen. Dies eröffnete unverhältnismäßig weite Eingriffsmöglichkeiten, wenn für das vorsätzliche Hervorrufen von Gewalt auch der Eventualvorsatz im Sinne strafrechtlicher Terminologie als ausreichend angesehen würde. Wird dem Merkmal des vorsätzlichen Hervorrufens von Gewalt hier jedoch eine Bedeutung beigelegt, wonach nur das willentliche Hervorrufen von Gewalt erfasst ist, wahrt dies den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

153

bb) Nach Auffassung der anderen vier Mitglieder des Senats, die für die Entscheidung im Ergebnis nicht tragend wird (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), ist § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG wegen fehlender Bestimmtheit und übermäßiger Reichweite insgesamt als verfassungswidrig zu erklären. Dem lässt sich nicht dadurch entgehen, dass den Begriffen der rechtswidrigen Gewalt und des vorsätzlichen Hervorrufens eine von den aus dem Strafrecht allgemein bekannten Begrifflichkeiten abweichende engere Interpretation unterlegt wird. Ein solcher Rückgriff auf eine verfassungskonforme Auslegung ist inkonsequent und weicht die datenschutzrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen auf.

154

(1) Wie auch die die Entscheidung tragenden Senatsmitglieder sehen, sind maßgebliche Merkmale dieser Vorschrift mehrdeutig und werden an anderer Stelle der Rechtsordnung - und zwar in einem für die Begriffsvorstellungen des Rechtsalltags grundlegenden Bereich des Strafrechts - in einer Weise weit verstanden, die im Kontext der Antiterrordatei mit den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot nicht vereinbar ist. So stellt die Vorschrift allgemein auf den Begriff der rechtswidrigen Gewalt ab. Nach eingeführten strafrechtlichen Definitionen reicht hierfür schon das Errichten von physischen Barrieren auf einer Straße (vgl. BVerfGE 104, 92 <101 f.>; BVerfGK 18, 365 <369>). Danach berechtigte - bei einem entsprechenden thematischen Bezug - schon die Durchführung von bloßen Blockadeaktionen mit Anketten zur Aufnahme in die Antiterrordatei. Eine zusätzliche Erweiterung liegt darin, dass für eine Speicherung schon das vorsätzliche Hervorrufen solcher Gewalt genügt. Nach den gängigen Vorsatzlehren des Strafrechts ist dieses Merkmal erfüllt, wenn der Betreffende damit rechnet, dass von ihm veröffentlichte Bilder oder Texte Dritte - auch wider seinen Willen - zu Ausschreitungen veranlassen. Solche Auslegungen sind auch nicht etwa fernliegend: Sie knüpfen an den Wortlaut und an allgemein anerkannte strafrechtliche Auslegungsgrundsätze an, auf die zurückzugreifen im Kontext der Norm, die selbst auf Strafrechtsnormen verweist, naheliegt. Sie können aus Sicht der Sicherheitsbehörden auch sinnvoll und attraktiv erscheinen: Sie erlaubten es, einen nochmals wesentlich weiteren Kreis von Personen auch aus dem bloßen Umfeld des Terrorismus zunächst grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Datei umfasst anzusehen. Deren Eingrenzung könnten sie dann unter Rückgriff auf die salvatorische Klausel am Ende des § 2 ATDG, nach der die Daten nur zu speichern sind, wenn ihre Kenntnis zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, nach sehr subjektiven Kriterien vornehmen.

155

(2) Eine einengende verfassungskonforme Auslegung kommt hier nicht in Betracht.

156

(a) Eine solche Auslegung scheidet für § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG schon deshalb aus, weil der im Zentrum der Norm stehende Begriff der "rechtswidrigen Gewalt" vom Gesetzgeber bewusst weit und offen gewählt wurde. Im Gesetzgebungsverfahren waren die Unschärfe und übermäßige Reichweite des Gewaltbegriffs Gegenstand ausdrücklicher Kritik (BTPlenarprotokoll 16/71, S. 7100; BT Innenausschuss, Protokoll Nr. 16/24, S. 55; A-Drucks 16(4)131 D, S. 10; A-Drucks 16(4)131 J, S. 10) und wurde zu dessen Eingrenzung sogar ein eigener Gegenvorschlag eingebracht, wonach in Anlehnung an § 129a Abs. 2 StGB rechtswidrige Gewalt nur als Anknüpfungspunkt für die Speicherung dienen sollte, "wenn dies[e] dazu bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen und vom Handeln der Person die Gefahr einer erheblichen Schädigung eines Staates oder einer internationalen Organisation ausgeht" (vgl. BTDrucks 16/3642, S. 14 f.). Man hatte damit versucht, den Gewaltbegriff ähnlich einzuengen, wie dies auch in internationalen und europäischen Bestimmungen zur Terrorismusbekämpfung erstrebt wird (vgl. Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164/3 vom 22. Juni 2002, Art. 1; Entwurf einer Allgemeinen Konvention zum internationalen Terrorismus, in: Measures to eliminate international terrorism, Report of the Working Group vom 3. November 2010, UN Doc. A/C.6/65/L.10.). Hierüber hat sich der Gesetzgeber jedoch in bewusster Entscheidung hinweggesetzt - ersichtlich um den Sicherheitsbehörden weiteren Freiraum zu belassen. Eine solche Entscheidung kann dann aber nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung korrigiert werden.

157

(b) Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet hier aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen aus. Wenn die gesetzliche Eingriffsgrundlage in der genannten Weise offen formuliert ist und bei Zugrundelegung anerkannter Begriffsdefinitionen nicht fernliegend auch eine derart ausgreifende Auslegung trägt, genügt sie als Grundlage für eine Datenverarbeitung, wie sie vorliegend in Rede steht, nicht dem Grundsatz der Normenklarheit und ist unverhältnismäßig. Der Grundsatz der Normenklarheit zielt gerade darauf, dem Gesetzgeber hinsichtlich der Anforderungen an Grundrechtseingriffe selbst hinreichend klare Entscheidungen abzuverlangen, die die Wahrung des Übermaßverbots hinreichend verlässlich sicherstellen. Werden diese Anforderungen vom Gesetzgeber verfehlt, kann das Bundesverfassungsgericht dieses Manko nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung heilen. Der Rückgriff auf die verfassungskonforme Auslegung - mit der im Grunde jede Blankettermächtigung eingegrenzt werden könnte - nimmt die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und damit seine Maßstäbe substantiell zurück. Dies führt notwendig zu Inkonsequenzen: Welche der offenen Rechtsbegriffe einer verfassungskonformen Auslegung noch zugänglich sind, welche aber nicht, lässt sich kaum mehr nachvollziehbar abgrenzen. So auch vorliegend: Warum in § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG die Begriffe der "Gewalt" und des "vorsätzlichen Hervorrufens" einer verfassungskonform einengenden Auslegung noch zugänglich sein sollen, der Begriff des "Befürwortens" in derselben Vorschrift oder des "Unterstützens einer unterstützenden Gruppierung" in § 2 Satz 1 Nr. 1 b ATDG hingegen nicht, lässt sich überzeugend nicht begründen.

158

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Rechtsordnung auch sonst unbestimmte Rechtsbegriffe kennt und Normen immer auslegungsbedürftig sind; kein Einwand ist auch, dass dementsprechend der Gewaltbegriff in verschiedenen Zusammenhängen verschiedene Bedeutung hat. Denn die Anforderungen an die Bestimmtheit und eine hinreichend klare Begrenzung von Rechtsgrundlagen unterscheiden sich je nach Sachbereich und Regelungszusammenhang. Im Datenschutzrecht sind die Anforderungen an die Bestimmtheit und Normenklarheit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders hoch (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 118, 168 <187>; 120, 378 <408>) - und dies muss insbesondere für die Antiterrordatei gelten, die den Datenaustausch von Sicherheitsbehörden noch im Vorfeld von Ermittlungen regelt. Denn anders als der Gesetzesvollzug etwa durch Verwaltungsakt, bei dem behördliche Maßnahmen an den Einzelnen adressiert und mit einer Begründung versehen werden sowie im Einzelfall gerichtlich überprüfbar sind, vollzieht sich die Datenverarbeitung nach dem Antiterrordateigesetz außerhalb jeder unmittelbaren Wahrnehmbarkeit. Sie bleibt informell und gegenüber dem Betroffenen ohne Begründung und kann in der Regel auch nicht gerichtlich überprüft werden. Während eine gewisse Unbestimmtheit von Eingriffsgrundlagen sonst im kontradiktorischen Wechselspiel und durch schrittweise Entwicklung von Auslegungsregeln konkretisiert werden kann, müssen sich hier die Grenzen der Datenverarbeitung für den Betroffenen verlässlich und für die Sicherheitsbehörden möglichst aus sich heraus erkennbar unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.

159

Diese qualifizierten Bestimmtheitsanforderungen des grundrechtlichen Datenschutzes beruhen auch nicht auf übersteigertem Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden. Vielmehr sollen diese Anforderungen gerade für die noch nicht oder wenig formalisierten Phasen der sicherheitsbehördlichen Aufgabenwahrnehmung, in denen die Datenverarbeitung oftmals eine besondere Rolle spielt, aus sich heraus eindeutige Bedingungen gewährleisten, die die Behörden bei der Wahrnehmung ihrer anspruchsvollen Aufgaben möglichst klar anleiten und auch von Zweifelsfragen entlasten.

160

(c) Eine verfassungskonforme Auslegung ist auch nicht in Respekt vor dem Gesetzgeber geboten. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit dem Antiterrordateigesetz ein anspruchsvolles und differenziertes Regelungskonzept verwirklicht hat, das in verschiedener Hinsicht durch rechtsstaatliche Mäßigung und das ernsthafte Bestreben der Gewährleistung eines angemessenen Datenschutzes gekennzeichnet ist. Die verfassungsrechtliche Beurteilung der konkreten Vorschriften, die dieses Konzept umsetzen, kann sich jedoch nicht nach einer Gesamtbewertung der politischen Anstrengungen des Gesetzgebers richten. Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, die verfassungsrechtlichen Maßstäbe hiervon unabhängig auch im Einzelnen zur Geltung zu bringen und damit sicherzustellen, dass die in der Gesamtanlage zugrundegelegte Rechtsstaatlichkeit nicht durch offene Einzelbestimmungen wieder entgleitet. Der Respekt vor dem Gesetzgeber gebietet es vielmehr umgekehrt, von einer eigenen Eingrenzung der datenschutzrechtlichen Anforderungen durch das Gericht abzusehen und stattdessen die Vorschriften für verfassungswidrig zu erklären: Anstatt ihm eine vom Regelungsziel her vielleicht naheliegende, aber ersichtlich nicht gewollte Regelung - jedenfalls bis auf weiteres - durch Auslegung zuzuschreiben, würde dies die Aufgabe der maßgeblichen Grenzziehungen in Wahrung seiner Zuständigkeit an ihn zurückspielen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dies den Gesetzgeber aus fachlichen oder sonst regelungsbedingten Gründen vor besondere Schwierigkeiten gestellt hätte.

161

cc) Besonders weit reicht das Merkmal des Befürwortens von Gewalt. Hier stellt der Gesetzgeber allein auf eine innere Haltung ab, die sich in keinerlei gewaltfördernden Aktivitäten niedergeschlagen haben muss. Die Verwendung dieses Merkmals ist mit der Verfassung nicht vereinbar und die Vorschrift insoweit verfassungswidrig. Die prinzipiell überschießende Reichweite dieses Kriteriums kann auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ausgeräumt werden. Zwar nennt die Gesetzesbegründung als Beispiel nur Hassprediger, gegen deren Aufnahme in die Datei im Falle eines öffentlichen Anstachelns zu Hass und Gewalt verfassungsrechtlich keine grundsätzlichen Bedenken bestehen. Jedoch ist eine Beschränkung auf solche Fälle in dem grundsätzlich weitergreifenden Wortlaut nicht angelegt. Vielmehr legt dieser ein Verständnis nahe, nach dem es allein auf eine entsprechende Haltung ankommt. Insofern reicht es danach aus, dass hierauf aus tatsächlichen Anhaltspunkten rückgeschlossen werden kann. Das Anknüpfen an ein solches Kriterium, das unmittelbar auf das forum internum abstellt und damit auf den unverfügbaren Innenbereich des Individuums zugreift, ist besonders geeignet, einschüchternde Wirkung auch für die Wahrnehmung der Freiheitsrechte wie insbesondere der Glaubens- und Meinungsfreiheit zu entfalten. Das Gesetz macht hier die subjektive Überzeugung als solche zum Maßstab und legt damit Kriterien zugrunde, die vom Einzelnen nur begrenzt beherrscht und durch rechtstreues Verhalten nicht beeinflusst werden können. Die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nach Maßgabe eines solchen Kriteriums ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG ist insoweit verfassungswidrig.

162

d) Verfassungswidrig ist auch § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG. Die dort vorgesehene Einbeziehung von Kontaktpersonen ist weder mit dem Bestimmtheitsgrundsatz noch mit dem Übermaßverbot vereinbar.

163

§ 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG bestimmt, dass auch bloße Kontaktpersonen der in den vorangehenden Nummern erfassten Personen in die Antiterrordatei aufzunehmen sind. Das Gesetz erfasst diese als eigene Gruppe, deren Daten den beteiligten Behörden in gleicher Weise zugänglich gemacht werden wie die der anderen in der Datei erfassten Personen. In die Datei aufzunehmen sind dabei auch solche Kontaktpersonen, die von einem Terrorismusbezug der Hauptperson nichts wissen - insoweit allerdings nur mit den einfachen Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG). Soweit es um Kontaktpersonen geht, die um den Terrorismusbezug der betreffenden Hauptperson wissen, sind darüber hinaus auch die erweiterten Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG) in die Datei einzustellen.

164

Die Regelung zur Einbeziehung der Kontaktpersonen als eigene Gruppe in den auch Klarinformationen umfassenden Datenaustausch genügt den Bestimmtheitsanforderungen nicht. Welche Personen tatsächlich in die Datei aufzunehmen sind, ist auf ihrer Grundlage nicht vorhersehbar. Auch wenn der Gesetzgeber Personen mit nur flüchtigem oder zufälligem Kontakt ausnimmt, erfasst die Norm im Übrigen die Personen des gesamten gesellschaftlichen Lebensumfelds der in den Nummern 1 und 2 der Vorschrift Genannten - sowohl die des privaten Umfeldes, als auch solche, die in beruflichen oder geschäftlichen Kontakten zu ihnen stehen. Ersichtlich aber sollen nicht alle danach in Betracht kommenden Personen tatsächlich in die Datei aufgenommen werden. In der mündlichen Verhandlung wurde dargelegt, dass die Zahl der zurzeit tatsächlich erfassten Kontaktpersonen gering sei und hinsichtlich der "undolosen" Kontaktpersonen nur 141 Personen erfasse. Die zunächst äußerst weit definierte Gruppe soll vielmehr nach Maßgabe der Schlussklausel am Ende des § 2 Satz 1 ATDG, nach der die Kenntnis der entsprechenden Daten für die Terrorismusabwehr erforderlich sein muss, wieder weitgehend eingeschränkt werden. Damit wird den Behörden aber kein hinreichend bestimmter Maßstab an die Hand gegeben. Vielmehr bleibt die Bestimmung der zu speichernden Daten letztlich deren freier Einschätzung überlassen.

165

Angesichts der kaum übersehbaren Reichweite des potenziell durch die Regelung erfassten Personenkreises verstößt sie auch gegen das Übermaßverbot. Allerdings ist verfassungsrechtlich nicht prinzipiell ausgeschlossen, Daten auch von Kontaktpersonen in der Antiterrordatei bereitzustellen. In der Regel sind solche Personen, die nicht unter die Nummern 1 und 2 der Vorschrift fallen und damit selbst nicht als potenzielle Unterstützer von terroristischen Aktivitäten gelten, aber nach dem Zweck der Datei nur insoweit von Interesse, als sie Aufschluss über die als terrorismusnah geltende Hauptperson vermitteln können. Hieran muss sich auch die gesetzliche Ausgestaltung orientieren. Möglich wäre es insoweit etwa, Kontaktpersonen mit wenigen Elementardaten zu erfassen und diese - entsprechend der derzeitigen Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b oo ATDG - als Information zu der entsprechenden terrorismusnahen Hauptperson nur verdeckt recherchierbar zu speichern. Es könnte so immerhin sowohl die Suche nach Kontaktpersonen durch eine Abfrage, die sich auf die Hauptperson bezieht, ermöglicht werden als auch eine verdeckte Recherche nach dem Namen einer Kontaktperson selbst, die im Trefferfall freilich nur zu einem Nachweis auf die informationsführende Behörde und das dazugehörige Aktenzeichen führte (vgl. auch unten D. IV. 4. c). Eine solche Regelung wäre angesichts des deutlich geringeren Eingriffsgewichts trotz der verbleibenden Weite der potenziell erfassten Personen auch mit den Bestimmtheitsanforderungen vereinbar, die maßgeblich auch von dem Gewicht des in Frage stehenden Grundrechtseingriffs abhängen (vgl. BVerfGE 59, 104 <114>; 86, 288 <311>; 117, 71 <111>). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Kontaktpersonen handelt, die um den Terrorismusbezug der betreffenden Hauptperson wissen oder nicht.

166

3. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a und b ATDG geregelte Umfang der erfassten Daten. Allerdings bedarf es hinsichtlich § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG ergänzender Regelungen zu den in der Norm zum Teil enthaltenen Konkretisierungsanforderungen an die Verwaltung.

167

a) Keinen verfassungsrechtlichen Einwänden unterliegt die Bestimmung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG umschriebenen Grunddaten, die den beteiligten Behörden ohne qualifizierte Eingriffsschwellen als Klarinformationen zur Verfügung gestellt werden.

168

Umfang und Aussagekraft dieser Daten sind allerdings durchaus erheblich. Da mit ihnen nicht nur aktuelle Informationen, sondern auch frühere Namen, Adressen, Staatsangehörigkeiten und Lichtbilder erfasst werden, können sie einen Teil des Lebenswegs der betreffenden Person erkennbar machen. Überdies umfasst die Vorschrift sensible Daten. Hierzu gehören insbesondere die Angaben zu besonderen körperlichen Merkmalen. Auch wenn hierunter bei sachgerechtem Verständnis nur äußere, mit erkennungsdienstlichen Maßnahmen feststellbare Merkmale zu verstehen sind, werden dadurch höchstpersönliche Eigenheiten erfasst. Ähnliches gilt für die in die Datei aufzunehmenden Informationen, die der Sache nach die Herkunft betreffen. Zwar knüpft die Vorschrift nicht differenzierend und potenziell stigmatisierend an eine bestimmte Herkunft an, sondern sieht entsprechende Angaben für alle erfassten Personen gleichermaßen vor. Auch insoweit aber sind diese Angaben nicht belanglos.

169

Dennoch ist die Bestimmung mit dem Übermaßverbot vereinbar. Die Umschreibung der Daten ist hinreichend bestimmt und ihre Reichweite auch bei Gesamtsicht verhältnismäßig. Mit ihnen wird - beschränkt auf möglicherweise terrorismusnahe Personen (siehe oben D. IV. 2.) - ein zwar aussagekräftiges, aber letztlich doch auf äußerliche Parameter beschränktes Grundprofil zur genaueren Identifizierung der Betroffenen erstellt. Angesichts der Bedeutung der Terrorismusbekämpfung ist dies auch unter Einbeziehung der Daten der Nachrichtendienste verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Daten nicht neu ermittelt werden, die Datei also nicht auf die investigative Erstellung eines hinsichtlich der Grunddaten vollständigen Profils zielt, sondern lediglich die Zusammenführung der bei den einzelnen Behörden bereits vorliegenden Daten bewirkt. Freilich dürfte die Speicherung im Ergebnis zu einem großen Teil auch Personen betreffen, bei denen sich letztlich herausstellen wird, dass sie mit dem Terrorismus nichts zu tun haben. Jedoch ist dies für eine Datei, die den Behörden ermöglichen soll, Informationen zu möglichen terroristischen Aktivitäten erst zusammenzufügen, unvermeidbar. Angesichts des hohen Ranges der gegebenenfalls durch terroristische Gewalttaten bedrohten Rechtsgüter sowie der zum Teil sehr schwer aufklärbaren Strukturen gerade von internationalen terroristischen Aktivitäten (siehe oben D. III. 3. b) ist eine solche Vorverlagerung der Terrorismusbekämpfung durch die Zusammenfügung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG erfassten Grunddaten rechtsstaatlich nicht ausgeschlossen.

170

b) Keinen verfassungsrechtlichen Einwänden hinsichtlich des Übermaßverbots unterliegt auch der Umfang der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG zu speichernden erweiterten Grunddaten, die den beteiligten Behörden grundsätzlich nur zur verdeckten Recherche und als Klardaten in Eilfällen zur Verfügung gestellt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass für diejenigen Merkmale, deren Gehalt erst durch eine weitere abstrakt-generelle Konkretisierung der Verwaltung Profil gewinnt, die für die Anwendung maßgeblichen Konkretisierungen nachvollziehbar dokumentiert und veröffentlicht werden.

171

aa) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Speicherung der Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b aa bis ff, jj, ll, mm, oo, pp und qq ATDG.

172

(1) Die nach diesen Vorschriften in die Antiterrordatei einzustellenden Merkmale sind vom Gesetzgeber hinreichend bestimmt gefasst und nicht auf den Zwischenschritt einer abstrakt-generellen Konkretisierung durch die Verwaltung angelegt. Die Reichweite der Speicherungspflicht ist aus ihnen unmittelbar erkennbar, und ihre Anwendung kann im Rahmen der aufsichtlichen und gegebenenfalls gerichtlichen Kontrolle ohne weiteres geprüft werden. Dass die Merkmale zum Teil in standardisierter Form mittels eines Computerprogramms gespeichert werden, ist unerheblich. Die interne Vorgabe von Standards hat keine andere Bedeutung als Vorgaben durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften sonst. Dies gilt jedenfalls vorliegend, wo den Behörden eine Anwendung der Vorschriften gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG auch in Ergänzung zu den vorgegebenen Standards möglich ist.

173

(2) Die nach diesen Vorschriften zu erfassenden Merkmale sind auch in Blick auf Umfang und Aussagegehalt mit dem Übermaßverbot vereinbar.

174

Allerdings reicht die mögliche Aussagekraft dieser Daten weit. Mit den Telekommunikationsanschlüssen, -endgeräten und E-Mailadressen werden praktisch alle modernen Kommunikationsmittel und mit den Bankverbindungen die Koordinaten praktisch aller größeren finanziellen Transaktionen erfasst; zugleich wird durch die Speicherung der genutzten Fahrzeuge eine Grundlage für Beobachtungen zur privaten Mobilität geschaffen. Dies sind die Basisdaten eines großen Teils individueller Kommunikation. Verbunden werden diese Daten überdies mit Angaben zur Ausbildung, zu individuell erworbenen Fähigkeiten und persönlichen Umständen, die Einblick in die persönliche Biographie geben. In der Kombination der verschiedenen Angaben, zumal verbunden mit den einfachen Grunddaten, lassen sich detaillierte Aussagen zu den Betroffenen zusammentragen, die sich leicht zu einem verdichteten Steckbrief zusammenfügen. Gewicht hat dies insbesondere, weil in der Datei aus verschiedenen Erhebungskontexten auch Daten der Nachrichtendienste mit denen der Polizeibehörden zusammengeführt werden (siehe oben D. III. 3. a) aa).

175

Umgekehrt ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Vorschriften nicht eine Erhebung neuer Daten, sondern allein die Zusammenführung von bei den einzelnen Behörden bereits vorhandenen Daten vorsehen. Vor allem aber stehen diesem Eingriffsgewicht die überaus gewichtigen öffentlichen Interessen einer effektiven Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegenüber (siehe oben D. III. 3. b). Angesichts der eminenten Gefahren terroristischer Straftaten für höchste individuelle Rechtsgüter und die Rechtsordnung als Ganze ist die zusammenführende Speicherung dieser Daten bei einer Gesamtabwägung für die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele mit dem Übermaßverbot vereinbar.

176

Dies gilt zunächst für das Ziel, diese Daten in Eilfällen als Klarinformationen zu einer handlungsanleitenden ersten Gefahreneinschätzung bereitstellen zu können. Soweit der Gesetzgeber damit in besonders dringenden Gefahrensituationen das Ergreifen von polizeilichen Maßnahmen ermöglichen will - und die Nutzung auf solche gewichtigen Notfälle begrenzt (so in § 5 Abs. 2 ATDG, siehe unten D. IV. 4. d) -, ist die zusammenführende Bereitstellung dieser bei den verschiedenen Diensten vorhandenen Daten verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

177

Dies gilt aber auch für den weiteren mit der Speicherung dieser Daten verfolgten Zweck, nämlich für deren verdeckte Nutzung zur Informationsanbahnung. Denn gerade weil die mit diesen Daten geschaffenen Aufklärungsmöglichkeiten inhaltlich weit reichen, können sie Ermittlungen zur Terrorismusabwehr wesentlich zielführender machen und besteht an ihrer Bereitstellung auch ein gewichtiges öffentliches Interesse. Weil die Daten dabei auf einen terrorismusnahen Personenkreis und auf bereits erhobene Daten beschränkt bleiben, ist gegen ihre Bereitstellung grundsätzlich nichts einzuwenden. Entscheidend für die erweiterten Grunddaten ist dabei, dass sie den Behörden zur Informationsanbahnung nur verdeckt bereitgestellt, als Klarinformationen aber nur nach Maßgabe des Fachrechts übermittelt werden. Zwar nimmt ihnen dies nicht schon überhaupt das Eingriffsgewicht. Auch die verdeckte Bereitstellung eröffnet eine Nutzungsmöglichkeit außerhalb ihres ursprünglichen Kontexts durch den Abgleich der verschiedenen Daten untereinander sowie mit anderen Informationen und kann neue Erkenntnisse schaffen, mit denen eine fachrechtliche Übermittlung dieser Daten erst zielführend möglich und zulässig wird (siehe oben D. III. 3. a) bb) [2]). Jedoch wird das Eingriffsgewicht der Speicherung durch eine nur verdeckte Bereitstellung deutlich gemindert. Denn bei einer verdeckten Bereitstellung der Daten ist - wenn das Nutzungsregime konsequent ausgestaltet ist (siehe unten D. IV. 4. c) - gewährleistet, dass die Daten den ermittelnden Behörden durch die Abfragen noch nicht unmittelbar selbst bekannt werden, sondern erst auf Grundlage der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften und deren differenzierter Eingriffsschwellen und Voraussetzungen. Personenbezogene Informationen ergeben sich folglich aus diesen Daten allenfalls im Rückschluss aus der Treffermeldung, nicht aber aus einer Übermittlung dieser Daten selbst. Eine zusammenführende Speicherung von Daten zu einer in dieser Art auf die Vorbereitung eines Austauschs beschränkten verdeckten Nutzung darf sich auch auf die hier in Frage stehenden erweiterten Grunddaten erstrecken.

178

bb) Mit der Verfassung vereinbar ist auch die Speicherung der Merkmale gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG. Für diese Merkmale hat der Gesetzgeber jedoch sicherzustellen, dass die für ihre Anwendung erforderlichen Konkretisierungen durch die Verwaltung dokumentiert und veröffentlicht werden.

179

(1) Die Vorschriften genügen dem Bestimmtheitsgebot.

180

Allerdings sind diese Bestimmungen besonders konkretisierungsbedürftig und lassen aus sich heraus für die Bürgerinnen und Bürger noch nicht abschließend erkennbar werden, welche Informationen tatsächlich in der Datei erfasst werden. So reicht etwa das Spektrum der besonderen Fähigkeiten zur Vorbereitung und Durchführung terroristischer Straftaten, der Tätigkeiten in öffentlichen Amtsgebäuden oder der Orte und Gebiete, an denen sich terrorismusnahe Personen treffen, außerordentlich weit. Auch lässt sich, was unter Volks- oder Religionszugehörigkeit erfasst werden soll, angesichts der verschieden ausdifferenzierten Konkretisierungsmöglichkeiten schwer aus der Norm allein einschätzen. Die genaue Festlegung der in der Datei aufzunehmenden Informationen soll dementsprechend auch nach dem Verständnis des Gesetzgebers noch nicht abschließend in den gesetzlichen Bestimmungen selbst liegen, sondern erst in weiteren abstrakt-generellen Konkretisierungen der Sicherheitsbehörden, die diese auf einer ersten Stufe mittels der Errichtungsanordnung gemäß § 12 Nr. 3 ATDG und schließlich in einem standardisierten Computerprogramm festzulegen haben (vgl. BTDrucks 16/2950, S. 17). Ungeachtet der Ausgestaltung des § 3 Abs. 1 ATDG als strikte Speicherungspflicht wollte der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen ersichtlich nicht abschließend festlegen, dass alle Informationen, die unter die hier genannten Tatbestandsmerkmale subsumiert werden können, tatsächlich in die Datei aufzunehmen sind. Vielmehr sollen hierüber erst die Behörden entscheiden.

181

Trotz dieser Offenheit und Konkretisierungsbedürftigkeit genügen die Vorschriften im Gesamtkontext der Datei den Anforderungen der Normenklarheit und dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Bestimmtheitsgebot verbietet nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (BVerfGE 118, 168 <188>). Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfGE 78, 205 <212>; vgl. auch BVerfGE 110, 370 <396>; 117, 71 <111>). Erforderlich ist, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodenlehre hinreichend konkretisieren lassen und verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justiziabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. BVerfGE 21, 73 <79 f.>; 118, 168 <188>; 120, 274 <316>; stRspr).

182

Im Kontext der primär auf die Informationsanbahnung der heterogenen Sicherheitsbehörden ausgerichteten Antiterrordatei mit ihrem Ziel, verstreute und auch nicht gesicherte Erkenntnisse zur Effektivierung der Terrorismusabwehr für andere Behörden leichter erschließbar zu machen, kann eine präzisere gesetzliche Umschreibung der zu speichernden Daten sinnvoll nicht verlangt werden. Die Frage, welche Aspekte im Einzelnen für die Ermittlungen erheblich sein können, steht in enger Wechselwirkung mit dem Kenntnisstand der Behörden, kann sich kurzfristig durch unvorhergesehene Ereignisse ändern und dann eine zügige Aktualisierung erfordern. Die abschließende Eingrenzung der relevanten Kriterien ist insoweit nur auf der Grundlage spezifisch fachlicher Einblicke und aktueller Einschätzungen möglich. Unter diesen Umständen ist aus dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die zu speichernden Daten noch konkretisierungsbedürftig offen umschreibt und ein gestuftes Verfahren für deren Konkretisierung bei der Anwendung vorsieht, in dem die tatsächlich in die Datei einzustellenden Angaben nach fachlichen Kriterien präzisiert und eingegrenzt werden. Eine solche Konkretisierung ist, auch wenn sie abstrakt-generelle Festlegungen von erheblicher Bedeutung enthält, keine Aufgabe, die zwingend dem Gesetzgeber selbst obliegt. Vielmehr kann sie im gewaltenteiligen Staat rechtsstaatlich unbedenklich der Exekutive anvertraut werden. Maßgeblich ist hierbei, dass der Gesetzgeber den Behörden vorliegend nicht etwa eine Blankettvollmacht erteilt, sondern die Merkmale konkretisierungsfähig umschrieben hat. Die Gesichtspunkte und Zielrichtung der zu speichernden Daten sind gesetzlich in einer Weise sachhaltig formuliert und mit Beispielen und Beurteilungsgesichtspunkten unterlegt, dass sie als Grundlage einer Konkretisierung durch die Verwaltung aussagekräftig sind und hierfür klare Leitlinien und Grenzen enthalten. Zu berücksichtigen ist hierbei wiederum, dass es allein um die Konkretisierung des Umfangs der in die Datei einzustellenden, bei den einspeichernden Behörden bereits vorhandenen Daten zu solchen Personen geht, die als dem Terrorismus möglicherweise nahestehend angesehen werden können und insoweit vom Gesetzgeber selbst hinreichend begrenzt umschrieben sein müssen (siehe oben D. IV. 2.).

183

(2) Als Ausgleich für die Offenheit und Konkretisierungsbedürftigkeit dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass die für die Anwendung der Bestimmungen im Einzelfall letztlich maßgebliche Konkretisierung und Standardisierung seitens der Sicherheitsbehörden nachvollziehbar dokumentiert und veröffentlicht wird.

184

Angesichts der aus dem Gesetz selbst nur begrenzt erkennbaren Bedeutung der gesetzlichen Merkmale in der Anwendungspraxis bedürfen sie nachvollziehbarer Konkretisierung und Standardisierung durch die Verwaltung. Die Unbestimmtheit der hier zu beurteilenden Vorschriften bedarf deshalb eines Ausgleichs durch besondere Konkretisierungs- und Transparenzanforderungen an die Verwaltung, weil die Anwendung der vorliegenden Datei in der Regel von den Betroffenen nicht wahrgenommen wird und sich die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe damit nicht im Wechselspiel von Verwaltungsakt und gerichtlicher Kontrolle vollzieht. Mangels verwaltungsgerichtlicher Kontrolle fällt somit ein zentraler Mechanismus notwendiger Begrenzung unbestimmter Befugnisnormen weitgehend aus. Zur Kompensation dieser Besonderheit hat der Gesetzgeber zu gewährleisten, dass die Verwaltung die für die Anwendung der Antiterrordatei im Einzelfall maßgeblichen Vorgaben und Kriterien in abstrakt-genereller Form festlegt und verlässlich dokumentiert (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 193 ff.) wie auch in einer vom Gesetzgeber näher zu bestimmenden Weise veröffentlicht. Eine solche Festlegung, Dokumentation und Offenlegung dient zum einen der Einhegung der der Verwaltung eingeräumten Befugnisse, indem sie einer uferlosen oder missbräuchlichen Anwendung der Vorschrift vorbaut (vgl. SächsVerfGH, a.a.O., Rn. 198). Zum anderen sichert sie ein hinreichendes Kontrollniveau. Die Dokumentation und Offenlegung der von der Verwaltung festgelegten Kriterien versetzt insbesondere die Datenschutzbeauftragten in die Lage, zu kontrollieren, ob die sich auch nach Vorstellung des Gesetzgebers in Stufen vollziehende Anwendung der Vorschriften durch die Exekutive rationalen Kriterien folgt und durch Sinn und Zweck des Gesetzes geleitet ist.

185

Die derzeitige Rechtslage genügt diesen Anforderungen nicht uneingeschränkt. Allerdings werden die in Frage stehenden unbestimmten Rechtsbegriffe nach gegenwärtiger Praxis durch einen - in das maßgebliche Computerprogramm eingebundenen - Katalog der zu speichernden Merkmale konkretisiert und standardisiert. Die Bundesregierung hat dem Senat diesbezüglich ein "Katalog-Manual" vorgelegt, in dem die für die Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG im Einzelfall maßgeblichen Vorgaben und Kriterien dokumentiert sind. Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale werden in ihm durch vorgegebene Eingabealternativen - deren Beurteilung im Einzelnen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - einengend präzisiert sowie die Anwendung und Bedeutung der Bestimmungen in der Praxis nachvollziehbar offengelegt.

186

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen jedoch in formeller Hinsicht. Das Antiterrordateigesetz macht zu einer Dokumentations- und Veröffentlichungspflicht für die Konkretisierung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe keine hinreichend klaren Vorgaben. Schon dass eine Konkretisierung der zu erfassenden Daten in Form eines informationstechnisch aufgearbeiteten standardisierten Katalogs realisiert werden soll, lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar, sondern erst im Rückgriff auf die Materialien entnehmen. Das Gesetz sieht allerdings in § 12 Nr. 3 ATDG die Festlegung von Einzelheiten hinsichtlich der nach § 3 Abs. 1 ATDG zu speichernden Daten durch die Errichtungsanordnung vor. Hierunter sind jedoch - zumindest nach dem Verständnis der Norm in der Praxis - nicht die für ihre Anwendung letztlich maßgebenden Festlegungen zu verstehen, wie sie aus dem Katalog-Manual ersichtlich sind, sondern lediglich Konkretisierungen auf mittlerer Ebene, die derzeit im Hinblick auf viele Merkmale wenig über den Gesetzeswortlaut hinausgehen. Die in dem Manual dokumentierten Vorgaben werden demgegenüber nicht als Teil der Errichtungsanordnung verstanden. Jedenfalls aber ist weder für das Manual unmittelbar noch für die Errichtungsanordnung als solche eine Veröffentlichung vorgeschrieben. Vielmehr werden beide als "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" behandelt.

187

Damit genügt die derzeitige Rechtslage den Anforderungen an eine rechtsstaatliche Ausgestaltung nicht. Will der Gesetzgeber an den unbestimmten Rechtsbegriffen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG festhalten, bedarf es einer ergänzenden Bestimmung, die eine nachvollziehbare Dokumentation und Veröffentlichung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Konkretisierung dieser Merkmale durch die Sicherheitsbehörden gewährleistet.

188

(3) Die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG in die Datei aufzunehmenden Merkmale sind ihrem Inhalt nach mit dem Übermaßverbot vereinbar. Zwar handelt es sich um Daten, die - zumal in Verbindung mit den anderen zu speichernden Merkmalen - unter Umständen höchstpersönliche Umstände offenlegen können. Angesichts der begrenzenden Funktion der Datei und der Bedeutung der Terrorismusabwehr (vgl. oben D. III. 3. a) bb), b) bewegt sich der Gesetzgeber hiermit jedoch in dem ihm zukommenden Gestaltungsspielraum.

189

Dies gilt auch für die Merkmale der Volks- und Religionszugehörigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg und hh ATDG. Allerdings gelten für die Aufnahme dieser Merkmale besonders hohe Anforderungen, da für sie gemäß Art. 3 Abs. 3 GG ein besonderer verfassungsrechtlicher Diskriminierungsschutz besteht und die Religionszugehörigkeit überdies durch Art. 140 GG, Art. 136 Abs. 3 WRV vor einem Offenbarenmüssen besonders geschützt ist. Entsprechend gelten diese Daten auch sonst als besonders sensibel (vgl. § 3 Abs. 9, § 28 Abs. 6 bis 9 BDSG, Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Art. 6 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 [BGBl 1985 II S. 539]). Die Berücksichtigung auch dieser Daten ist angesichts der Bedeutung einer wirksamen Terrorismusabwehr aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Für sie ist allerdings von Verfassungs wegen eine zurückhaltende Umsetzung geboten. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Aufnahme entsprechender Angaben nicht über eine lediglich identifizierende Bedeutung hinausgeht.

190

cc) Mit dem Übermaßverbot vereinbar ist auch das Freitextfeld gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG. Es handelt sich hierbei nicht um eine Blankovollmacht zur Ergänzung der Datei um beliebige weitere Informationen, sondern um eine Öffnung für Hinweise und Bewertungen, die durch die Standardisierung und Katalogisierung der Eingaben sonst nicht abgebildet werden. Sie haben sich, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, dabei stets auf die gesetzlich definierten Grunddaten oder erweiterten Grunddaten zu beziehen und sind inhaltlich durch sie gebunden. Als bloße Ergänzungen erlaubt die Vorschrift auch nicht etwa, ganze Akten in die Datei einzustellen, sondern begrenzt entsprechende Eingaben - nach derzeitiger Praxis durch eine technische Begrenzung auf 2.000 Zeichen - auf punktuelle Erläuterungen. In diesem Verständnis sind gegen die Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben.

191

4. Nicht in jeder Hinsicht mit dem Übermaßverbot vereinbar sind die Regelungen zur Verwendung der Daten.

192

a) Verfassungsrechtlich unbedenklich sind allerdings Abfrage und Nutzung in Bezug auf die einfachen Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG geregelt.

193

aa) § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 ATDG geben den beteiligten Behörden auf diese Daten einen unmittelbaren Zugriff als Klarinformationen. Dabei kann eine Behörde sowohl namenbezogene Abfragen vornehmen als auch Abfragen, die sich auf einzelne oder mehrere der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG genannten Angaben erstrecken und damit der Identifizierung ihr noch nicht bekannter Personen dienen. Im Trefferfall wird dann jeweils auf die Gesamtheit der zu den betreffenden Personen gespeicherten einfachen Grunddaten Zugriff gegeben. Dabei errichtet § 5 Abs. 1 Satz 1 ATDG keine qualifizierten Eingriffsschwellen. Für eine Abfrage reicht es, dass sie für die Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Höhere Eingriffsschwellen verlangt das Gesetz auch nicht für die - in ihm selbst noch nicht geregelten, sondern vorausgesetzten (siehe oben D. II. 2.) - Abrufbefugnisse der beteiligten Behörden; es geht ersichtlich davon aus, dass auch insoweit die niederschwelligen allgemeinen Datenerhebungsbefugnisse reichen.

194

Damit sind den beteiligten Behörden Abfragen und Recherchen in den Grunddaten in weitem Umfang eröffnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Befugnisse unbegrenzt sind. Eine Grenze liegt insbesondere darin, dass § 5 ATDG lediglich Einzelabfragen, nicht aber auch eine Rasterung, Sammelabfragen oder die übergreifende Ermittlung von Zusammenhängen zwischen Personen durch Verknüpfung von Datenfeldern erlaubt. Die Vorschrift setzt damit einen konkreten Ermittlungsanlass voraus. Auch steht jede Abfrage unter der im Einzelfall sachhaltig zu prüfenden Voraussetzung der Erforderlichkeit. Im Übrigen ermächtigt die Vorschrift nach ihrer derzeitigen Ausgestaltung weder zu einer automatischen Bilderkennung noch zur Verwendung von Ähnlichenfunktionen oder zur Abfrage mit unvollständigen Daten (so genannten "wildcards").

195

bb) Trotz der verbleibenden Weite der Abrufmöglichkeiten, insbesondere durch den Verzicht auf begrenzende Eingriffsschwellen, ist die Regelung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Maßgeblich hierfür sind die Nutzungsregelungen. Eine Nutzung der übermittelten Daten ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG ausschließlich zur Identifizierung ermittlungsrelevanter Personen und zur Vorbereitung von Einzelübermittlungsersuchen an die informationsführende Behörde erlaubt. Darüber hinausgehende ermittlungs- oder handlungsleitende Informationen dürfen die Behörden aus diesen Angaben nicht ziehen. Sie können sie erst in einem weiteren Schritt nach Maßgabe des Fachrechts erlangen. Auch die Weiterverwendung der Daten zu anderen Zwecken ist nur mit Zustimmung der informationsführenden Behörde, das heißt bei sachgerechtem Verständnis wiederum nur nach Maßgabe des Fachrechts zulässig. Bezogen auf die einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 a ATDG ist ein solcher auf das Vorfeld begrenzter Austausch angesichts der großen Bedeutung der Terrorismusabwehr unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG sind insoweit verfassungsgemäß.

196

b) Mit dem Übermaßverbot vereinbar sind auch die durch § 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 ATDG eröffneten Recherchen in Bezug auf die erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG, soweit diese namenbezogen durchgeführt werden.

197

§ 5 Abs. 1 Satz 1 ATDG erlaubt Abfragen hinsichtlich aller in die Antiterrordatei eingestellten Daten und damit auch Recherchen in den erweiterten Grunddaten. Wenn eine Abfrage nach einer namentlich eingegebenen Person zu einem Treffer in den erweiterten Grunddaten führt, erhält die Behörde gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ATDG jedoch nicht Zugang auf die erweiterten Grunddaten selbst, sondern nur eine Treffermeldung verbunden mit dem Nachweis, bei welcher Behörde und unter welchem Aktenzeichen entsprechende Informationen geführt werden. Der Zugriff auf die erweiterten Grunddaten selbst wird erst auf Einzelersuchen nach Maßgabe des Fachrechts durch Freischaltung seitens der informationsführenden Behörde ermöglicht (§ 5 Abs. 1 Satz 3 und 4 ATDG). Recherchen in Bezug auf die erweiterten Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG bleiben folglich verdeckt. Ihre Übermittlung als Klarinformationen ist ein eigenständiger, nachgelagerter Rechtsakt und steht unter den jeweiligen fachrechtlichen Voraussetzungen für eine Einzelübermittlung der Daten, die hier ihrerseits die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen müssen. Gegen eine solche verdeckte Nutzung der erweiterten Grunddaten ist trotz ihrer Reichweite verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

198

c) Mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar ist hingegen die Ermächtigung zu merkmalbezogenen Recherchen in den erweiterten Grunddaten, die der abfragenden Behörde im Trefferfall nicht nur eine Fundstelle zu weiterführenden Informationen vermittelt, sondern unmittelbar Zugang zu den entsprechenden einfachen Grunddaten des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG verschafft. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a ATDG ist insoweit verfassungswidrig.

199

Der Informationsgehalt der erweiterten Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG reicht inhaltlich weit und kann höchstpersönliche sowie die Biographie der Betreffenden nachzeichnende Informationen enthalten (siehe oben D. IV. 3. b) aa) [2]). Der Zugriff auf solche Informationen muss unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten deshalb deutlich beschränkter bleiben als in Bezug auf die einfachen Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG. Der Gesetzgeber selbst sieht deshalb grundsätzlich nur eine verdeckte Recherche in diesen Daten vor und stellt ihre Übermittlung als Klarinformationen unter den Vorbehalt der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften. Indem er bei Recherchen in diesen Daten im Trefferfall jedoch zugleich Zugriff auf die einfachen Grunddaten als Klarinformationen gewährt, nimmt er für merkmalbezogene Recherchen, das heißt für die "Inverssuche", diese Einschränkung der Sache nach in erheblichem Umfang zurück. Durch die Verbindung einer Treffermeldung bezüglich erweiterter Grunddaten mit den individualisierten Informationen der einfachen Grunddaten werden auch die abgefragten erweiterten Grunddaten individuell zuordenbar und als personenbezogene Information auswertbar. So kann eine Behörde durch Abfrage einzelner oder mehrerer Merkmale - zum Beispiel durch die Suche nach Personen mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit und Ausbildung, die einen bestimmten Treffpunkt frequentieren (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 b hh, jj, nn ATDG) - eine Recherche vornehmen und erhält im Trefferfall nicht nur die Angabe, welche Behörde insoweit Informationen führt, sondern auch alle Namen, Adressen sowie sonstige in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG genannten Informationen von allen Personen, auf die die abgefragten Merkmale zutreffen.

200

Eine solch weitgehende Nutzung trägt der inhaltlichen Reichweite der erweiterten Grunddaten nicht hinreichend Rechnung. Ungeachtet der Frage, ob es gerechtfertigt sein kann, einzelne der erweiterten Grunddaten wie etwa die Telekommunikationsanschlüsse auch den einfachen Grunddaten zuzuordnen, ist die Möglichkeit der individuellen Erschließung des weitreichenden Informationsgehalts aller erweiterten Grunddaten im Rahmen von merkmalbezogenen Recherchen mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Wenn der Gesetzgeber in diesem Umfang Daten in die Datei einzustellen anordnet, dürfen diese im Rahmen der Informationsanbahnung nur zur Ermöglichung eines Fundstellennachweises genutzt werden. Dementsprechend muss eine Nutzungsregelung so ausgestaltet sein, dass dann, wenn sich eine Recherche auch auf erweiterte Grunddaten erstreckt, nur das Aktenzeichen und die informationsführende Behörde angezeigt werden, nicht aber auch die korrespondierenden einfachen Grunddaten.

201

d) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken - auch nicht für den Fall einer Inverssuche (vgl. vorstehend unter c) - unterliegt demgegenüber die Nutzung der erweiterten Grunddaten im Eilfall gemäß § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATDG.

202

Zwar handelt es sich hierbei um die weitestgehende Nutzungsmöglichkeit der in der Antiterrordatei zusammengeführten Daten. Denn der Zugriff erstreckt sich hier zusätzlich zu den einfachen auch auf alle erweiterten Grunddaten als Klarinformationen und eröffnet dabei auch nicht nur eine Datennutzung zur Vorbereitung weiterer Übermittlungsersuchen, sondern - im Sinne einer handlungsleitenden Gefahreneinschätzung - auch zur Terrorismusabwehr selbst (§ 6 Abs. 2 ATDG). Daraus ergibt sich insbesondere wegen der damit verbunden Überwindung des informationellen Trennungsprinzips zwischen Nachrichtendiensten und Polizei ein besonders schweres Eingriffsgewicht (siehe oben D. III. 3. a) aa), bb) [3]).

203

Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Nutzung erlaubt ist, sind jedoch hinreichend eng gefasst, um den Eingriff zu rechtfertigen. Erlaubt sind Zugriff und Nutzung der Daten nur zum Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter, das heißt zunächst zum Schutz von Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen. Ersichtlich sind im Kontext dieser Norm unter Gesundheitsbeeinträchtigungen nur schwerwiegende Gesundheitsverletzungen mit dauerhaften Folgen gemeint. Soweit die Vorschrift darüber hinaus auch den Schutz von Sachen mit erheblichem Wert vorsieht, stellt der Gesetzgeber klar, dass es nicht um den Schutz des Eigentums oder der Sachwerte als solcher geht, sondern um Sachen, "deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist" (§ 5 Abs. 2 Satz 1 ATDG). Gemeint sind im Zusammenhang mit der Terrorismusabwehr etwa wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen. Auch enthält die Vorschrift hohe Eingriffsschwellen. Es bedarf für die Schutzgüter einer gegenwärtigen Gefahr, die sich nicht nur auf tatsächliche Anhaltspunkte stützt, sondern durch bestimmte Tatsachen unterlegt sein muss. Dabei sind Zugriff und Nutzung der Daten nur erlaubt, wenn dies unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann. Der Zugriff auf die Daten ist überdies verfahrensrechtlich gesichert. Die weitere Verwendung der Daten steht weiterhin unter Zustimmungsvorbehalt der jeweils informationsführenden Behörden, über deren Erteilung - wie der Zusammenhang der Norm nahelegt - nach Maßgabe des jeweiligen Fachrechts zu entscheiden ist. Insgesamt sind damit die Anforderungen streng; entsprechend ist die Vorschrift in der bisherigen Praxis auch erst einmal zur Anwendung gekommen. Gegen eine solche Regelung sind verfassungsrechtlich keine Bedenken zu erheben. Sie genügt dem Übermaßverbot und hat auch vor dem informationellen Trennungsprinzip Bestand.

204

5. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt auch Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle. Bedingt durch Zweck und Funktionsweise der Datei gewährleistet das Antiterrordateigesetz Transparenz hinsichtlich des Informationsaustauschs nur in begrenztem Umfang und öffnet damit den Betroffenen auch nur eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten; die Kontrolle über seine Anwendung liegt damit im Wesentlichen bei der Aufsicht durch die Datenschutzbeauftragten. Dies ist mit der Verfassung vereinbar, wenn für die effektive Ausgestaltung der Aufsicht verfassungsrechtliche Maßgaben beachtet werden.

205

a) Bei der Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten für die behördliche Aufgabenwahrnehmung hat der Gesetzgeber unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch Anforderungen an Transparenz, Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle zu beachten (vgl. BVerfGE 125, 260 <325 ff.>).

206

Transparenz der Datenverarbeitung soll dazu beitragen, dass Vertrauen und Rechtssicherheit entstehen können und der Umgang mit Daten in einen demokratischen Diskurs eingebunden bleibt. Zugleich ermöglicht sie den Bürgerinnen und Bürgern, sich entsprechend zu verhalten. Gegenüber den Betroffenen bildet sie überdies die Voraussetzung für einen wirksamen Rechtsschutz. Indem sie den Einzelnen Kenntnis hinsichtlich der sie betreffenden Datenverarbeitung verschafft, setzt sie sie in die Lage, die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Maßnahmen - erforderlichenfalls auch gerichtlich - prüfen zu lassen und etwaige Rechte auf Löschung, Berichtigung oder Genugtuung geltend zu machen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>; 109, 279 <363>; 118, 168 <207 f.>; 120, 351 <361>; 125, 260 <335>; stRspr).

207

Die aufsichtliche Kontrolle flankiert die subjektivrechtliche Kontrolle durch die Gerichte objektivrechtlich. Sie dient - neben administrativen Zwecken - der Gewährleistung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung insgesamt und schließt dabei den Schutz der subjektiven Rechte der Betroffenen ein. Dass auch Anforderungen an die aufsichtliche Kontrolle zu den Voraussetzungen einer verhältnismäßigen Ausgestaltung der Datenverarbeitung gehören können (vgl. BVerfGE 100, 313 <361> unter Verweis auf BVerfGE 30, 1 <23 f., 30 f.>; 65, 1 <46>; 67, 157 <185>), trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Speicherung und Verarbeitung von Daten um Eingriffe handelt, die für die Betreffenden oftmals nicht unmittelbar wahrnehmbar sind und deren freiheitsgefährdende Bedeutung vielfach nur mittelbar oder erst später im Zusammenwirken mit weiteren Maßnahmen zum Tragen kommt. Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können deshalb auch dann unverhältnismäßig sein, wenn sie nicht durch ein hinreichend wirksames aufsichtsrechtliches Kontrollregime flankiert sind. Dies hat umso größeres Gewicht, je weniger eine subjektivrechtliche Kontrolle sichergestellt werden kann.

208

b) Das Antiterrordateigesetz enthält wenige Regelungen zur Herstellung von Transparenz und zur Gewährleistung individuellen Rechtsschutzes. Im Wesentlichen begnügt es sich mit der Anerkennung von - inhaltlich wie verfahrensrechtlich begrenzt wirksamen - Auskunftsrechten. Angesichts der Funktion und Wirkweise dieser Datei ist das jedoch nicht zu beanstanden.

209

aa) Als maßgebliches Instrument zur Gewährleistung von Transparenz sieht das Antiterrordateigesetz Auskunftsansprüche nach Maßgabe des Bundesdatenschutzgesetzes vor (§ 10 Abs. 2 ATDG). Diese Ansprüche unterliegen freilich Grenzen und sind zum Teil nur mit beträchtlichem Verfahrensaufwand realisierbar. Angesichts der Funktion des Antiterrordateigesetzes genügen sie jedoch verfassungsrechtlichen Anforderungen.

210

(1) § 10 Abs. 2 ATDG gewährt grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft, ob Daten des Auskunftssuchenden in der Datei erfasst sind. Durch Verweis auf § 19 BDSG und die Grenzen der Auskunftserteilung nach den für die datenverantwortlichen Behörden jeweils geltenden Rechtsvorschriften ist dieser Anspruch indessen begrenzt. So bleibt die Auskunft etwa ausgeschlossen, wenn sie die Aufgabenwahrnehmung der informationsführenden Behörde gefährdet (vgl. § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG; § 15 Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG; Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 BayPAG) oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes einer Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist (vgl. etwa § 15 Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG; Art. 11 Abs. 3 Nr. 2 BayVSG; § 14 Abs. 2 Nr. 2 VSG NRW). Für die Antiterrordatei ist davon auszugehen, dass diesen Ausnahmen außerhalb von Fehlanzeigen Bedeutung zukommen und sie den Auskunftsanspruch deutlich einschränken können. Die Auskunftsrechte sind deshalb aber nicht unzureichend. Einschränkungen der Auskunftspflicht setzen voraus, dass sie gegenläufigen Interessen von größerem Gewicht dienen und die gesetzlichen Ausschlusstatbestände sicherstellen, dass die betroffenen Interessen einander umfassend und auch mit Blick auf den Einzelfall zugeordnet werden (vgl. BVerfGE 120, 351 <364 f.>). Weitergehende Auskunftsrechte ergeben sich aus der Verfassung auch nicht für die Antiterrordatei.

211

(2) Für verdeckt gespeicherte Daten gemäß § 4 ATDG ist die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen mit erheblichem Verfahrensaufwand verbunden. Anders als für die anderen Daten kann hier der Auskunftsanspruch gemäß § 10 Abs. 2 ATDG nicht einheitlich gegenüber dem Bundeskriminalamt geltend gemacht werden, sondern nur gegenüber den einzelnen informationsführenden Behörden. Gegebenenfalls kann damit ein Antrag auf Auskunft bei allen Behörden, die Daten in die Antiterrordatei einspeichern, erforderlich sein. Trotz der Schwerfälligkeit eines solchen Verfahrens ist auch diese Regelung verfassungsrechtlich noch hinnehmbar. Sie ist eine Konsequenz und Kehrseite der auch im Interesse der Betroffenen ergangenen Entscheidung, bestimmte Daten als so geheim einzustufen, dass sie nur vollständig verdeckt in die Datei eingestellt werden und für keine Behörde - auch nicht das Bundeskriminalamt - erkennbar sind. Ob Daten einer solchen Geheimhaltung bedürfen, ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, die grundsätzlich in seiner Verantwortung liegt und verfassungsrechtlich vertretbar ist. Erschwert der Gesetzgeber aus Geheimschutzgründen in dieser Weise schon den Informationsaustausch zwischen den Behörden selbst, ist auch die entsprechende Erschwerung der Auskunftsansprüche hinnehmbar. Eine mögliche Bündelung der Auskunftspflicht durch das Bundeskriminalamt, die die Schwerfälligkeit letztlich geteilter Auskunftspflichten nicht substantiell beseitigen könnte, muss der Gesetzgeber nicht vorsehen.

212

(3) Insgesamt sind damit die Auskunftsansprüche verfassungsrechtlich vertretbar ausgestaltet. Sie können freilich nur ein Mindestmaß an Transparenz für die Einzelnen gewährleisten. Angesichts des Zwecks und der Wirkweise der Antiterrordatei ist dieses jedoch verfassungsrechtlich hinzunehmen.

213

bb) Im Übrigen kennt das Antiterrordateigesetz weder einen Grundsatz der Offenheit der Datennutzung noch einen Richtervorbehalt noch eigene nachträgliche Benachrichtigungspflichten, die über die Benachrichtigungspflichten aus anderen Vorschriften hinausgehen. Es verzichtet damit auf wichtige Instrumentarien zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit der Datennutzungsregelungen. Angesichts des Zwecks der Antiterrordatei ist dies jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Antiterrordatei dient im Kern der Informationsanbahnung zur Vorbereitung weiterer Ermittlungen im Rahmen der Abwehr des internationalen Terrorismus. Dass solche Ermittlungen grundsätzlich nicht dem Grundsatz der Offenheit folgen können, liegt auf der Hand. Auch ein Richtervorbehalt ist im Rahmen der Antiterrordatei kein geeignetes Mittel, das verfassungsrechtlich geboten wäre. Wegen der geringen rechtlichen Durchformung der Befugnisse gemäß § 5 Abs. 1 ATDG und der Eilbedürftigkeit der Entscheidung bei einem Zugriff gemäß § 5 Abs. 2 ATDG würde ein richterlicher Prüfvorbehalt weitgehend leerlaufen. Ebenfalls ist das Absehen von spezifischen Benachrichtigungspflichten verfassungsrechtlich vertretbar. Eine Benachrichtigungspflicht käme ohne substantielle Beeinträchtigung der Funktionsweise der Datei nur für die Fälle in Betracht, in denen Personen endgültig aus der Datei herausgenommen werden. Der Nutzen einer derart beschränkten Benachrichtigungspflicht ist im Vergleich zum damit verbundenen Aufwand jedoch zu gering, als dass sie unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten wäre.

214

c) Weil eine Transparenz der Datenverarbeitung und die Ermöglichung individuellen Rechtsschutzes durch das Antiterrordateigesetz nur sehr eingeschränkt sichergestellt werden können, kommt der Gewährleistung einer effektiven aufsichtlichen Kontrolle umso größere Bedeutung zu. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt deshalb an eine wirksame Ausgestaltung dieser Kontrolle sowohl auf der Ebene des Gesetzes als auch der Verwaltungspraxis gesteigerte Anforderungen.

215

aa) Die Gewährleistung einer wirksamen Aufsicht setzt zunächst sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene mit wirksamen Befugnissen ausgestattete Aufsichtsinstanzen - wie nach geltendem Recht die Datenschutzbeauftragten - voraus. Weiter ist erforderlich, dass Zugriffe und Änderungen des Datenbestandes vollständig protokolliert werden. Dabei muss durch technische und organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Daten den Datenschutzbeauftragten in praktikabel auswertbarer Weise zur Verfügung stehen und die Protokollierung hinreichende Angaben für die Zuordnung zu dem zu kontrollierenden Vorgang enthält.

216

In Blick auf den Charakter der Antiterrordatei als eine Bund und Länder übergreifende Verbunddatei ist Sorge dafür zu tragen, dass deren effektive Kontrolle nicht aufgrund föderaler Zuständigkeitsunklarheiten hinter der Effektivierung des Datenaustauschs zurückbleibt. Dies bedeutet nicht, dass dem Datenschutzbeauftragten des Bundes ein umfassender Zugriff auch auf solche Protokolldaten zu gewähren ist, die das Einstellen und Abrufen der Daten seitens der Landesbehörden betreffen. Vielmehr obliegt deren Kontrolle den Landesbeauftragten. Allerdings entspricht es der Antiterrordatei als Verbunddatei, dass es den Datenschutzbeauftragten gestattet sein muss, zusammenzuarbeiten und sich etwa im Wege der Amtshilfe durch Delegation oder Ermächtigung bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse gegenseitig zu unterstützen. Ebenfalls ist zu gewährleisten, dass im Zusammenspiel der verschiedenen Aufsichtsinstanzen auch eine Kontrolle der durch Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz gewonnenen Daten - die in einer Datei, welche maßgeblich auch vom Bundesnachrichtendienst befüllt wird, besondere Bedeutung haben - praktisch wirksam sichergestellt ist. Wenn der Gesetzgeber eine informationelle Kooperation der Sicherheitsbehörden vorsieht, muss er auch die kontrollierende Kooperation zugunsten des Datenschutzes ermöglichen.

217

Angesichts der Kompensationsfunktion der aufsichtlichen Kontrolle für den schwach ausgestalteten Individualrechtsschutz kommt deren regelmäßiger Durchführung besondere Bedeutung zu und sind solche Kontrollen in angemessenen Abständen - deren Dauer ein gewisses Höchstmaß, etwa zwei Jahre, nicht überschreiten darf - durchzuführen. Dies ist bei ihrer Ausstattung zu berücksichtigen.

218

bb) Die Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Anforderungen einer wirksamen aufsichtlichen Kontrolle obliegt dem Gesetzgeber und den Behörden gemeinsam.

219

Der Gesetzgeber hat in § 8 ATDG die Verantwortung für die Datenverarbeitung geregelt, in § 5 Abs. 4, § 9 ATDG eine differenzierte und umfassende Protokollierung aller Zugriffe auf die Datenbank angeordnet und sieht in § 10 Abs. 1 ATDG eine an die föderale Kompetenzverteilung anknüpfende, sachlich nicht eingeschränkte Aufsicht durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vor. Diese Regelungen sind Grundlage für eine wirksame Kontrolle, die im Wesentlichen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dass dabei gemäß § 10 Abs. 1 ATDG in Verbindung mit § 24 Abs. 4 Satz 4 BDSG in besonderen, strikt zu handhabenden Ausnahmefällen eine Auskunft oder Einsicht unter Umständen verweigert werden kann, stellt die Wirksamkeit dieser Befugnisse nicht in Frage. An einer hinreichenden gesetzlichen Vorgabe fehlt es allerdings hinsichtlich des Erfordernisses turnusmäßig festgelegter Pflichtkontrollen. Den Gesetzgeber trifft insoweit eine Nachbesserungspflicht.

220

Im Übrigen darf der Gesetzgeber zunächst darauf vertrauen, dass die Bestimmungen in einer kooperationsbereiten Behördenpraxis wirksam umgesetzt werden. Er hat insoweit allerdings zu beobachten, ob hierbei Konflikte auftreten, die gesetzlicher Klarstellungen oder der Einführung etwa von Streitlösungsmechanismen wie dem Ausbau von Klagebefugnissen (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 25. September 1998 - 3 S 379/98 -, NJW 1999, S. 2832; weitergehend Art. 76 Abs. 2 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [Datenschutz-Grundverordnung] vom 25. Januar 2012, KOM[2012] 11 endgültig) bedürfen.

221

d) Zur Gewährleistung von Transparenz und Kontrolle bedarf es schließlich einer gesetzlichen Regelung von Berichtspflichten.

222

Da sich die Speicherung und Nutzung der Daten nach dem Antiterrordateigesetz der Wahrnehmung der Betroffenen und der Öffentlichkeit weitgehend entzieht, dem auch die Auskunftsrechte nur begrenzt entgegenwirken und weil eine effektive gerichtliche Kontrolle nicht ausreichend möglich ist, sind hinsichtlich Datenbestand und Nutzung der Antiterrordatei regelmäßige Berichte des Bundeskriminalamts gegenüber Parlament und Öffentlichkeit gesetzlich sicherzustellen. Sie sind erforderlich und müssen hinreichend gehaltvoll sein, um eine öffentliche Diskussion über den mit der Antiterrordatei ins Werk gesetzten Datenaustausch zu ermöglichen und diesen einer demokratischen Kontrolle und Überprüfung zu unterwerfen.

223

6. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der in § 11 Abs. 2 und 4 ATDG geregelten Löschungsvorschriften. Dass die Höchstgrenze der Speicherungsdauer den Löschungsfristen der jeweiligen in die Datei eingestellten Daten gemäß dem für diese geltenden Fachrecht folgt, ist nach der Konzeption der Datei als Verbunddatei naheliegend und jedenfalls verfassungsrechtlich vertretbar.

V.

224

Soweit die angegriffenen Vorschriften die Einbeziehung von Daten in die Antiterrordatei vorsehen, die durch Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis oder das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung erhoben werden, verstoßen sie gegen Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG.

225

1. Für Datenerhebungen, die in die Grundrechte der Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG eingreifen, gelten angesichts deren besonderen Schutzgehalts in der Regel besonders strenge Anforderungen. Diese gesteigerten Anforderungen wirken nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in den Anforderungen für die Weitergabe und Zweckänderung der hierdurch gewonnen Daten fort. So darf etwa die Schwelle für die Übermittlung von Daten, die im Rahmen strafprozessualer Maßnahmen durch eine Wohnraumüberwachung erlangt wurden, nicht unter diejenige abgesenkt werden, die bei der Gefahrenabwehr für entsprechende Eingriffe gilt, da durch eine Zweckänderung grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden nicht umgangen werden dürfen (vgl. BVerfGE 109, 279 <377 f.>; vgl. auch BVerfGE 100, 313 <389 f., 394>). Ebenso ist eine Weitergabe von Telekommunikationsdaten, die nur unter besonders strengen Bedingungen abgerufen werden dürfen, nur dann an eine andere Stelle zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung von Aufgaben erfolgt, deretwegen ein Zugriff auf diese Daten auch unmittelbar zulässig wäre (vgl. BVerfGE 125, 260 <333>; ähnlich bereits BVerfGE 100, 313 <389 f.>; 109, 279 <375 f.>; 110, 33 <73 f.>). Dem entspricht, dass Daten, die aus gewichtigen Eingriffen in Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG stammen, zu kennzeichnen sind. Die Erkennbarkeit solcher Daten soll die Beachtung der spezifischen Grenzen für die Datennutzung auch nach deren etwaiger Weiterleitung an andere Stellen sicherstellen.

226

2. Eine vollständige und uneingeschränkte Einbeziehung aller auch durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 und in Art. 13 Abs. 1 GG erhobenen Daten in die Antiterrordatei ist mit diesen Anforderungen nicht vereinbar; nichts anderes kann im Übrigen auch für solche Daten gelten, die durch Eingriff in das - von dem Beschwerdeführer nicht gerügte - Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 120, 274 <302 f.>) gewonnen wurden. Solche Daten können regelmäßig nur unter strengen Maßgaben erhoben werden und setzen etwa das Vorliegen erhöhter Eingriffsschwellen wie eine qualifizierte Gefahrenlage oder einen qualifizierten Tatverdacht, eine Gefahr für besonders bedeutsame Rechtsgüter beziehungsweise die Verfolgung von besonders gravierenden Straftaten voraus. Zu ihnen gehören insbesondere Informationen, die durch Telekommunikationsüberwachung, Wohnraumüberwachung oder auch Maßnahmen der strategischen Beschränkung (vgl. §§ 5 ff. G 10) gewonnen und gegebenenfalls auf das Artikel 10-Gesetz gestützt wurden. Durch Einstellung in die Antiterrordatei können diese Daten - etwa ein bei einer Abhörmaßnahme in Erfahrung gebrachtes besonderes körperliches Merkmal oder ein seltener Dialekt - einer großen Anzahl von Behörden ohne weiteres als Vorabinformationen zugänglich gemacht und zur Recherche zur Verfügung gestellt werden, allein damit diese sich über die Identität dieser Person ein Bild machen und entscheiden können, ob sie ein Einzelübermittlungsersuchen stellen wollen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 ATDG). Die Informationen werden hierbei unabhängig von bereits geschehenen oder konkret bevorstehenden Terrorakten für Ermittlungsmaßnahmen noch weit im Vorfeld greifbarer Gefahrenlagen zur Verfügung gestellt, für die eine Datenerhebung unter schweren Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis oder die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht gerechtfertigt werden könnte. Auch wenn das Kriterium der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer hypothetischen Neuerhebung der Daten für die Beurteilung einer Weiterleitung bereits erhobener Daten nicht schematisch abschließend ist und die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte nicht ausschließt, ist vorliegend eine vollständige und unterschiedslose Einbeziehung auch der durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG erhobenen Daten mit dem Übermaßverbot bei Gesamtabwägung unvereinbar.

227

3. Hieran ändert die Einlassung der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung nichts, nach der solche Daten künftig nur noch gemäß § 4 ATDG verdeckt gespeichert würden. Aus dem Antiterrordateigesetz ergibt sich eine solche Beschränkung nicht. Indem § 3 Abs. 2 ATDG ausdrücklich auf kennzeichnungspflichtige Daten Bezug nimmt, wird vielmehr erkennbar, dass auch solche Daten grundsätzlich von den Regelungen des Antiterrordateigesetzes umfasst sein sollen. Dementsprechend war auch die bisherige Praxis nach Auskunft der Bundesregierung insoweit jedenfalls nicht einheitlich. Verfassungsrechtlich tragfähig ist diesbezüglich nur eine Regelung, die den Umgang mit diesen Daten in einer dem Grundsatz der Normenklarheit genügenden Form ausdrücklich festlegt.

228

Allerdings wäre eine Regelung, die für solche Daten stets eine verdeckte Speicherung gemäß § 4 ATDG vorsieht, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mit der Verfassung vereinbar. Sie gewährleistet, dass die entsprechenden Informationen nur nach Maßgabe der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften zugänglich gemacht werden, denen dann ihrerseits die Funktion zukommt, die verfassungsrechtlich gebotenen qualifizierten Eingriffsschwellen und einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz sicherzustellen. Da dieser Weg in der mündlichen Verhandlung von der Regierung und allen anwesenden Vertretern der Sicherheitsbehörden einhellig als sachgerecht angesehen wurde, besteht kein Anlass zu der Prüfung, ob auch andere Wege - wie die Unterwerfung solcher Daten unter eine Nutzungsregelung wie für die erweiterten Grunddaten (siehe oben D. IV. 4. c) - verfassungsrechtlich zulässig wären.

E.

I.

229

Die teilweise Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschriften führt nicht zu deren Nichtigkeitserklärung, sondern nur zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014, dürfen die Vorschriften weiter angewendet werden, jedoch mit der Maßgabe, dass außerhalb des Eilfalls gemäß § 5 Abs. 2 ATDG eine Nutzung der Antiterrordatei nur zulässig ist, sofern der Zugriff auf die Daten von Kontaktpersonen gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen und gewährleistet ist, dass bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten im Trefferfall allein ein Zugang zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG, nicht aber zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG gewährt wird. Sobald die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten von Kontaktpersonen und auf Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, ausgeschlossen werden kann, dürfen diese auch für die Nutzung der Datei im Eilfall gemäß § 5 Abs. 2 ATDG nicht mehr genutzt werden.

230

Die bloße Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit einer befristeten Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung, kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der beanstandeten Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (BVerfGE 109, 190 <235 f.>). Dies ist vorliegend der Fall. Die Datei wird vom Gesetzgeber mit plausiblen Gründen als wesentliche Verbesserung für eine wirksame Terrorismusabwehr angesehen. Dabei ist die Grundanlage der Datei und des durch sie ins Werk gesetzten Informationsaustauschs vom Gesetzgeber differenziert ausgestaltet und mit der Verfassung grundsätzlich vereinbar. Da die Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen Einzelfragen der Ausgestaltung betrifft, deren belastende Wirkungen durch einschränkende Maßgaben der vorübergehenden Anwendbarkeit der Vorschriften gemildert werden können, ergibt sich angesichts der Bedeutung der Datei für die Abwehr des internationalen Terrorismus bei einer Gesamtabwägung, dass die angegriffenen Vorschriften vorübergehend weiter angewendet werden können.

231

Als Voraussetzung für eine vorübergehende weitere Anwendbarkeit ist allerdings zuvor die Zugriffsmöglichkeit auf Daten von Kontaktpersonen gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG auszuschließen sowie sicherzustellen, dass bei Recherchen in den erweiterten Grunddaten und in Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung herrühren, im Trefferfall allein ein Zugang zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG, nicht aber zu Informationen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATDG gewährt wird. Die Eilfallregelung des § 5 Abs. 2 ATDG darf ohne zuvor zu erfüllende Maßgaben weiterhin angewendet werden, damit für solche dringenden Gefahren keine Schutzlücke entsteht. Sobald der Zugriff auf diese Daten jedoch für die vorübergehende Nutzung der Daten gemäß § 5 Abs. 1 ATDG ausgeschlossen ist, ist ein solcher Zugriff auch im Rahmen des § 5 Abs. 2 ATDG unzulässig. Denn auch im Eilfall gibt es keinen Grund mehr für einen Zugriff auf verfassungsrechtlich zu Unrecht bereitgestellte Daten, sobald diese ohne weiteres herausgefiltert und gesperrt werden können.

232

Dem Gesetzgeber wird eine großzügige Frist eingeräumt, die es ihm ermöglicht zu prüfen, ob er im Zusammenhang mit der Neuregelung des Antiterrordateigesetzes auch eine Überarbeitung von Bestimmungen anderer Gesetze, die den angegriffenen Vorschriften dieses Verfahrens ähnlich sind, sowie eventuell von Datenübermittlungsvorschriften einzelner Sicherheitsbehörden für angezeigt hält und diese möglicherweise hiermit verbinden will.


II.

233

Die Entscheidung ist zu C. einstimmig, im Übrigen teilweise mit Gegenstimmen ergangen. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. März 2006 - 1 K 83/06 - geändert. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25. August 2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. November 2004 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg im Beamtenverhältnis auf Probe.
Der am ... 1970 in Heidelberg geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Nach einem Studium an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Fach Geschichte mit den Nebenfächern Deutsch und Bildende Kunst bestand er am 03.07.2000 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Note gut (1,5). Mit Wirkung vom 01.02.2001 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Realschullehreranwärter ernannt. Der Vorbereitungsdienst endete am 24.07.2002 mit dem Bestehen der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Gesamtnote gut (2,0).
Bereits am 27.02.2002 hatte der Kläger seine Einstellung in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg beantragt. Nach den Kriterien der Bestenauslese in Verbindung mit der Bedarfslage stand er Ende 2003 zur Einstellung als Beamter auf Probe zum 01.02.2004 an. Bereits im Sommer 2003 war dem damals für die Einstellung zuständigen Oberschulamt Karlsruhe vom Innenministerium über das Kultusministerium Baden-Württemberg mitgeteilt worden, nach vorliegenden Erkenntnissen bewege sich der Kläger seit den 1990er Jahren im linksextremen Spektrum des Heidelberger Raumes und sei in die dortige autonome Szene eingebunden. Mit Schreiben des Oberschulamts vom 15.12.2003 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nach den dem Amt mitgeteilten Erkenntnissen Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden; es werde deshalb ein vertieftes Einstellungsgespräch für erforderlich gehalten. Unter dem 30.12.2003 teilte das Oberschulamt dem Kläger mit, es werde zunächst über das Innenministerium eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz richten, ob gerichtsverwertbare Tatsachen über ihn vorlägen, die unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue Bedenken gegen seine Übernahme in den Schuldienst begründeten.
Im vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 wurde der Kläger unter anderem zu den vom Innenministerium unter dem 05.02.2004 übermittelten, ihm inzwischen bekannt gemachten Erkenntnissen sowie zu dem auf der Homepage des Autonomen Zentrums in Heidelberg veröffentlichten Selbstdarstellung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AI HD) „Wir über uns!“ befragt. Hierzu nahm der Kläger (auch) schriftlich Stellung.
Mit Bescheid vom 25.08.2004 lehnte das Oberschulamt Karlsruhe den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst des Landes ab. Aufgrund der Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz, die er im Wesentlichen als zutreffend eingeräumt habe, sowie aufgrund der ebenfalls eingeräumten Tatsache, dass er aktives Mitglied der AI HD sei, verblieben Zweifel an seiner Verfassungstreue. Dies insbesondere auch, weil der Kläger sich ausdrücklich zur Militanz als „legitimem Mittel im Kampf um die Befreiung“ und zu den Zielen dieser Organisation aktiv bekenne. Die AI HD stelle sich selbst als eine Gruppe dar, die davon überzeugt sei, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern werde. Bei den Aktivitäten der AI HD sei es mehrfach zu Ausschreitungen gekommen. Da das System der parlamentarischen Demokratie und das Gewaltmonopol des Staates zu den wesentlichen Merkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählten, seien öffentliche Aktivitäten, die diese freiheitliche demokratische Grundordnung über ein Jahrzehnt hinweg und bis in jüngste Zeit bekämpften, geeignet, Zweifel daran zu begründen, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Der Kläger habe diese Zweifel bislang nicht ausräumen können. Ihm mangele es somit an einer unabdingbaren Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst.
Den Widerspruch des Klägers vom 29.08.2004 wies das Oberschulamt Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 zurück. Dabei nahm es Bezug auf die folgenden Erkenntnisse (wobei die Nummerierung des Bescheides beibehalten wird) :
3. Am 23.03.1997 sei es im Rahmen eines Treffens von Angehörigen der „Antifaschistischen Jugendaktion Heidelberg“ und des „Antifaschistischen Aktionsbündnisses Rhein-Neckar“ in Laudenbach zu einer „Outing-Aktion“ der dort lebenden „Rechtsextremistin“ gekommen. Während dieser Aktion seien Flugblätter und Handzettel verteilt sowie an Gebäuden und Verkehrszeichen angebracht worden. Nach Beendigung der Aktion hätten sich mehrere Teilnehmer zum Bahnhof Laudenbach begeben. Dort sei durch die Polizei eine Personalienfeststellung von 23 Tatverdächtigen erfolgt, wobei die Personalien des Klägers erhoben worden seien.
4. Am 01.12.1999 habe der Kläger an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 in Heidelberg an die Stadt Heidelberg teilgenommen. Bei den anschließenden Abrissarbeiten seien aus der Menge der Teilnehmer heraus einige Steine und Flaschen in Richtung des Abrissbaggers geworfen worden, wobei eine Seitenscheibe des Baggers beschädigt worden sei.
5. Am 05.06.1999 habe der Kläger beim Amt für öffentliche Ordnung Heidelberg eine Demonstration gegen die „Kriegspolitik der NATO und der BRD“ für den 10.07.1999 in der Innenstadt von Heidelberg angemeldet.
10 
6. Vor der Jugendarrestanstalt Wiesloch hätten der Kläger und weitere Angehörige der autonomen Szene Heidelberg am 16.09.1999 demonstriert. Anlass sei die dortige Unterbringung eines Angehörigen der autonomen Szene Heidelberg vom 13. bis 27.09.1999 gewesen.
11 
7. In der Dezemberausgabe 1999 des Stadtmagazins „Meier-Rhein-Neckar-Raum“ hätten der Kläger und ein weiterer Angehöriger der autonomen Szene Heidelberg zum Thema „Autonomes Zentrum: Einfach weggelächelt?“ Stellung genommen.
12 
9. Am 06.02.2000 hätten zwischen 0.35 Uhr und 2.00 Uhr ca. 300 Angehörige des autonomen Spektrums ein leer stehendes Gebäude der Deutschen Bahn im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg besetzt und eine Party gefeiert. Gegen 5.00 Uhr hätten mehrere Personengruppen das Objekt verlassen. Am Vormittag des 06.02.2000 habe der Leiter der Netzbetriebe Heidelberg Strafantrag gestellt. Gegen 12.00 Uhr hätten auf den Gleisen vor dem leer stehenden Gebäude noch 7 Personen festgestellt werden können, die nicht freiwillig den Bereich verlassen hätten. Die Personalien seien festgestellt worden. Der Kläger sei eine der Personen gewesen. Ein Platzverweis sei ausgesprochen worden.
13 
10. In der Publikation RABATZ 01 vom 07.02.2000, einer Sonderzeitung zur laufenden Kampagne für ein autonomes Zentrum in Heidelberg, sei ein Interview mit dem Kläger veröffentlicht worden, der als Sprecher des „AZ (im Exil)“ benannt worden sei.
14 
11. Auf der Internetseite des autonomen Zentrums Heidelberg sei am 16.02.2000 unter dem Titel „Autonomes Zentrum Heidelberg - unser Haus könnt ihr zerstören, unsere Ideen nicht!“ eine Stellungnahme zur Demonstration „Ein Jahr Räumung des Autonomen Zentrums - Der Kampf geht weiter - Für eine starke Linke“ am 12.02.2000 in Heidelberg veröffentlicht worden, in der der Kläger namentlich erwähnt worden sei.
15 
12. Am 13.01.2001 sei der Kläger an der Veranstaltung „Test your playground“ bei „Hildes Hellbächl“ (ehemalige Szenenkneipe) festgestellt worden.
16 
13. Am 20.01.2001 habe der Kläger nach ordnungsgemäßer Anmeldung eine Kundgebung der linksextremistischen Szene als verantwortlicher Versammlungsleiter anlässlich einer geplanten Veranstaltung der rechtsextremistischen „Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg“ abgehalten. Nachdem die Redebeiträge beendet gewesen seien, sei zu einer Spontandemonstration zum Heidelberger Rathaus aufgerufen worden. Der Kläger sei als Versammlungsleiter durch den Polizeieinsatzleiter darauf hingewiesen worden, dass dies einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellen könne. Von ihm als Versammlungsleiter sei die Veranstaltung jedoch nicht beendet worden, so dass sich ein Demonstrationszug durch die Heidelberger Fußgängerzone formiert habe. Gegen den Kläger sei wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein Strafverfahren eingeleitet worden, das durch Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 08.01.2002 nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt worden sei.
17 
14. Am 15.06.2002 habe der Kläger mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums an der Gegenaktion anlässlich eines Aufmarsches der rechtsextremistischen „Karlsruhe Kameradschaft“ in Karlsruhe teilgenommen.
18 
15. In einer Broschüre der linksextremistisch beeinflussten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Kreisvereinigung Heidelberg, über die Geschichte der Mannheimer Lechleiter-Widerstandsgruppe sei der Kläger als Mitverfasser genannt. Diese Broschüre habe bei der VVN-Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ vom 13. bis 31.01.2003 in der Volkshochschule Heidelberg käuflich erworben werden können.
19 
16. Am 15.02.2003 habe sich der Kläger mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums an einer Aktion des linksextremistischen „Heidelberger Forums gegen Militarismus und Krieg“ (Antikriegsforum) vor dem US-Hauptquartier Heidelberg beteiligt. An diesem Tag habe ein europaweiter Aktionstag gegen den drohenden Irakkrieg stattgefunden.
20 
17. Der Kläger habe mit zahlreichen linksextremistischen Szeneangehörigen bei der Demonstration „Gegen den Irak-Krieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden können, zu der neben diversen demokratischen Organisationen das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ aufgerufen habe.
21 
18. Vom 25. bis 28.06.2003 hätten auf dem Heidelberger Marktplatz die Aktionstage „Für ein neues autonomes Zentrum“ stattgefunden. Der Kläger habe mit weiteren Angehörigen des linksextremistischen Spektrums Heidelberg während des gesamten Zeitraums daran teilgenommen.
22 
19. Am 16.11.2003 habe der Kläger an der Kundgebung unter dem Motto „Schluss mit Heldengedenken und Ehrenfriedhof“ vor dem Eingang des Ehrenfriedhofs in Heidelberg teilgenommen. Er habe das Grußwort der AI HD verlesen.
23 
20. Am 28.12.2003 sei der Kläger mit weiteren Szeneaktivisten anlässlich einer Kundgebung vor einem besetzten Haus in Mannheim-Jungbusch festgestellt worden.
24 
Das Oberschulamt führte weiter aus, im Wesentlichen räume der Kläger die angeführten Geschehnisse ein. Soweit er in seiner Einlassung von den Erkenntnissen abweiche, werde von seiner Darstellung ausgegangen. Die im Verlauf des Verfahrens nicht ausgeräumten Zweifel an seiner Verfassungstreue ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die unter anderem Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Die „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ grenze sich in ihrem gesamten Erscheinungsbild eindeutig von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab und propagiere darüber hinaus den „Widerstand und Aktionen gegen FaschistInnen und das rassistische Gesamtsystem der BRD“. Wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei, sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle und Militanz als angemessenes Mittel der politischen Auseinandersetzung ansehe, könne nicht als Lehrer in öffentlichen Schulen wirken.
25 
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - abgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, die Verfassungstreuepflicht verlange vom Beamten, dass er sich kompromisslos von Gruppen distanziere, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten. Dabei sei es unerheblich, mit welchem angeblich moralischen Anspruch dies getan werde. Der Kläger habe sich nicht in dem hier erforderlichen Umfang distanziert. Er sei nach wie vor Mitglied der AI HD. Bei seinem Einstellungsgespräch am 21.04.2004 habe er spontan geäußert, er stehe persönlich hinter dem Inhalt des Papiers „Wir über uns!“. Später habe er einige Aussagen relativiert und die grundsätzlich staatsfeindliche Haltung der AI HD geleugnet. Für das Oberschulamt Karlsruhe habe dies die begründeten Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers nicht ausgeräumt. Dies sei nachvollziehbar und bei der gerichtlichen Überprüfung der Bewertung des Dienstherrn zu akzeptieren. Die weiterhin vorhandene Befürchtung, der Kläger biete nicht die Gewähr, jederzeit für die Erhaltung unserer Grundordnung einzutreten, habe die geschilderte tatsächliche Grundlage durch die abwiegelnden Einlassungen nicht verloren. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der im gerichtlichen Verfahren angeführten Umstände, die den Kläger als engagierten Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht schilderten. Dies schließe eine tiefgreifend negative Einstellung gegenüber unserem Staat und seiner Verfassungsordnung nicht aus. Auch wer aus übersteigerter Sensibilität für bestimmte positive Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus unseren Staat und das Handeln seiner Verfassungsorgane wegen stets möglicher Missstände verachte, grundsätzlich ablehne und bekämpfe, sei als Beamter dieses Staates ungeeignet, weil er die besondere politische Treuepflicht wegen seiner ablehnenden inneren Einstellung nicht garantieren könne. Ob der Kläger nur vordergründig „Antifaschist“ sei und es ihm in Wahrheit um „Systemüberwindung“ als Anarchist oder Kommunist gehe oder ob er sich dieser radikalen Linken nur angeschlossen habe, weil sie sich aus seiner Sicht am konsequentesten gegen Rassismus und Nationalismus einsetze, könne die Einstellungsbehörde nicht beweisen und müsse sie auch nicht klären. Auch wer aus moralischem Rigorismus, Naivität oder Leichtgläubigkeit eine Gruppe unterstütze, von der sich ein Beamter distanzieren müsse, handele gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht. Der Kläger könne schließlich nicht mit Erfolg einwenden, er habe extreme politische Meinungen, die unseren Staat und seine Verfassung diskreditierten, bisher als Lehrer nie vertreten und es gebe keinen Anlass, dies in Zukunft zu vermuten. Dem könne das Oberschulamt entgegenhalten, ihm genüge eine formal korrekte Haltung seiner Beamten gegenüber dem Staat nicht.
26 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 04.08.2006 - 4 S 994/06 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und 15.11.2004 zu verpflichten, ihn - vorbehaltlich der gesundheitlichen Untersuchung - als Realschullehrer im Beamtenverhältnis auf Probe in den Schuldienst einzustellen,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
29 
Zur Begründung verweist er auf seinen gesamten bisherigen Vortrag und macht geltend, im Wege der Ermessensreduzierung auf Null komme keine andere Entscheidung als seine Einstellung in Betracht. Ergänzend trägt er vor, dass die gesamte sogenannte „Sündenliste“ des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Frage nach Zweifeln an der Verfassungstreue außen vor bleiben müsse, weil sie unter Missachtung des Datenschutzes gewonnen worden sei. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Landesbeauftragten für Datenschutz vom 07.08.2006. Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung verstoße auch gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000, die nunmehr durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt worden sei. Schließlich sei festzuhalten, dass - neben Art. 10 EMRK - auch die EU-Grundrechtscharta in Art. 10 und 11 sowie der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte in Art. 5 und 19 jedermann ungehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Außerdem verletzten sowohl die Entscheidungen des Beklagten als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts die Konvention 111 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1958.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, die vom Kläger unter Berufung auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz geltend gemachten Verfahrensverstöße seien - selbst wenn man diese bejahen würde - für die Entscheidung des Oberschulamts nicht kausal. Soweit sich der Kläger auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bzw. die Richtlinie 2000/78/EG berufe, sei ihm entgegenzuhalten, dass eine etwaige Benachteiligung aus Gründen der Weltanschauung nach § 8 Abs. 1 AGG und Art. 4 Abs. 1 der Antidiskriminierungsrichtlinie gerechtfertigt wäre. Die Rechtfertigungsprüfung unterscheide sich insoweit nicht von der Prüfung des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG. Auch die Berufung auf das Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf der Internationalen Arbeitsorganisation gehe fehl. Dieses Übereinkommen verleihe dem Kläger keine subjektiven Rechte.
33 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat zwar keinen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe, wohl aber einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag.
35 
Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Prognose über die Verfassungstreue unterfällt seinem Beurteilungsspielraum. Während für die Frage der Beurteilung der Verfassungstreue hier die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgebend ist, hat der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums die Eignung für das angestrebte Amt bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Damit aber sind für den Dienstherrn auch Umstände von Bedeutung, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren und die er zunächst in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2006 - 6 A 77/04 -, Juris) und im Übrigen auch mit Blick auf den dem Dienstherrn weiterhin zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. die Ausführungen unten) ausscheiden.
36 
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Danach darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung, die für jedes Beamtenverhältnis gilt. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG und entsprechender Vorschriften verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176, und Urteil vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00 u.a. -, BVerwGE 114, 258).
37 
Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Dies ist die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Zu den grundlegenden, sogar einer Verfassungsänderung entzogenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates, denen der Beamte verpflichtet ist, sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und muss es sein. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Staat und Gesellschaft können an einer unkritischen Beamtenschaft kein Interesse haben (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
38 
Der Beamte muss danach bei seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen, z.B. als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1243/95 u.a. -, BVerfGE 96, 152). Die Verfassungstreuepflicht verlangt ferner, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren und dass er in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen innerhalb und außerhalb des Dienstes für den Staat Partei ergreift. Ein Beamter, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt - unabhängig von seinen Motiven - seine Treuepflicht nicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
39 
Der verfassungsrechtliche Inhalt der politischen Treuepflicht des Beamten wird nicht beeinflusst von dem Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf - Übereinkommen 111 - vom 25.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 98), dem der Bundesgesetzgeber durch Gesetz vom 08.03.1961 (BGBl. II 1961 S. 97) zugestimmt hat, sowie dem Ausschussbericht von 1986 zur Prüfung der Einhaltung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland - Untersuchungsbericht -. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, haben das Übereinkommen 111 und der Untersuchungsbericht nur an die Bundesregierung gerichtete Empfehlungen, nicht jedoch das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Bestimmungen zum Inhalt; sie begründen keine subjektiven Rechte für den Einzelnen und können die Verfassungsrang genießende politische Treuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht erweitern oder einschränken (BVerwG, Urteil vom 10.05.1984 - 1 D 7.83 - BVerwGE 76, 157; Urteil vom 16.09.1987 - 1 D 122.86 -, ZBR 1988, 281; Urteil vom 01.02.1989 - 1 D 2.86 -, BVerwGE 86, 99). Dies bedeutet zugleich, dass es dem Senat verwehrt ist, insoweit bei der Rechtsauslegung als völkerrechtliche Vorgabe das Übereinkommen 111 und die Empfehlungen des Untersuchungsberichts zugrunde zu legen. Dem steht letztlich die vorrangige Norm des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, aus dem nach der insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die politische Treuepflicht der Beamten herzuleiten ist (BVerfGE 39, 334, 346 ff.) mit der weiteren Folge, dass, wie es ebenfalls dieser Rechtsprechung entspricht (a.a.O. S. 355), auch eine im Untersuchungsbericht empfohlene Differenzierung in den Anforderungen an die politische Treuepflicht, die sich nach der jeweiligen dienstlichen Funktion des Beamten richten würde, insoweit grundsätzlich nicht zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 01.02.1989, a.a.O.; Urteil vom 20.01.1987 - 1 D 114.85 -, NJW 1987, 2691; vgl. dazu auch die Ausführungen unten).
40 
Eine andere Beurteilung der politischen Treuepflicht gebietet auch nicht die Auslegung der Art. 10 und 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK - BGBl. 1952 II S. 685, 953) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 26.09.1995 (- 7/1994/454/535 -, NJW 1996, 375; Vogt / Bundesrepublik Deutschland). Danach kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Einzelfall gegen das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und - in Abhängigkeit davon - gegen die in Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit verstoßen, wenn die Maßnahme zur Gewährleistung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgeführten Zwecke - unter Berücksichtigung des staatlichen Beurteilungsspielraumes - in keinem angemessenen Verhältnis steht, mithin in einer demokratischen Gesellschaft nicht zwingend notwendig ist. Der EGMR hat in den Urteilsgründen jedoch ausdrücklich bestätigt, dass die Meinungsfreiheit durch gesetzliche Vorschriften, die die politische Treuepflicht des Beamten statuieren, in Verbindung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Nichts anders gilt danach auch, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass auch Art. 10 und 11 der EU-Grundrechtecharta (vgl. dazu allgemein Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - die nicht in Kraft ist - und Art. 5 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Darüber hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch ebenso wie durch die Richtlinie 2000/78/EG, die durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897) umgesetzt worden ist, nicht begründet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (§ 8 Abs. 1 AGG) vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal - wie hier - aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
41 
„Gewähr bieten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen. Da bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen eines Bewerbers stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers - etwa die Identifizierung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechenden Zielsetzungen einer Partei, die unter Umständen die Zweifel an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers sogar zur Gewissheit werden lassen - sind in der Regel nicht erforderlich. Die Feststellung einer im Einzelfall wesentlichen tatsächlichen subjektiven Einstellung (z.B. Nichtidentifizierung mit den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufenden Zielsetzungen einer Organisation, Distanzierung von der Verfassungsordnung widerstreitenden Bestrebungen und die Motivation für das bisherige Verhalten) kann aber insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob aus den festgestellten Fakten vom Dienstherrn hergeleitete Zweifel an der künftigen Verfassungstreue des Beamtenbewerbers zerstreut werden können, von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
42 
Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Erst wenn diese Schwelle überschritten ist, setzt die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ein (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506, und die Ausführungen unten). Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus (BVerfGE 39, 334, 335, 359; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980, a.a.O., vom 31.01.1980 - 2 C 5.78 -, NJW 1980, 2145, und vom 22.04.1977 - VII C 17.74 -, BVerwGE 52, 313). Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis des Beamtenbewerbers zu den mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Zielen einer extremistischen politischen Partei linker oder rechter Prägung - unabhängig von der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts - bedeutsam sein, insbesondere wenn der Parteibeitritt aufgrund freier Willensentschließung erfolgt ist und zu politischen Aktivitäten für die Ziele der Partei verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein schematisches Anknüpfen rechtserheblicher Zweifel an die Feststellung bestimmter Verhaltensweisen ist nicht zulässig (BVerfGE 39, 334, 354 f.). Die Frage, ob der Beamtenbewerber nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gründet sich auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Beurteilungselementen und ist weitgehend Tatfrage (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
43 
Dabei ist für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue auch von Bedeutung, ob jemand erstmals in das Beamtenverhältnis berufen werden soll oder sich schon einmal im Beamtenverhältnis befand. Bei einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, wie vorliegend bei der erstrebten Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, besteht bereits eine breitere Entscheidungsgrundlage. Hier ist neben den bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis liegenden Umständen das Verhalten im Beamtenverhältnis zu beachten. Durch das weitere Verhalten im Beamtenverhältnis können früher zu Tage getretene Bedenken bekräftigt oder zerstreut werden (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 9 S. 41 f.).
44 
Aufgrund des sonach festgestellten Sachverhalts hat der Dienstherr zu prüfen, ob der Beamtenbewerber die geforderte Gewähr der Verfassungstreue bietet (BVerfGE 39, 334, 353; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.). Seine Überzeugung ist maßgebend. Ihr liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers in Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst feststellen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich - was das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend beachtet hat - darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.). Dabei sind die Grenzen für die einzelnen Ansatzpunkte der verwaltungsgerichtlichen Prüfung angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Sachverhalte fließend.
45 
Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Dienstherr hat im jeweiligen Einzelfall nach Ermittlung der für und gegen ihn sprechenden Umstände die Persönlichkeit des Bewerbers umfassend zu würdigen, wobei eine sachgerechte Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist der Dienstherr, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, auch gehalten, das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht - wie ausgeführt - im Beschluss vom 22.05.1975 hervorgehoben hat, die Treuepflicht des Beamten sei einer Differenzierung nach Art der dienstlichen Obliegenheiten nicht zugänglich. Verfassungstreue im Sinne der Fähigkeit und inneren Bereitschaft, „die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten“ (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140, 151, und Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2312), verweist auf eine Grundvoraussetzung des Eignungskriteriums im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Jedenfalls insoweit handelt es sich um eine (nach unten) differenzierungsresistente Größe. Mit anderen Worten: Unabhängig von dem wahrzunehmenden öffentlichen Amt sowie der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses umschreibt eine solche „Verfassungstreue“ ein notwendiges Element des persönlichen Anforderungsprofils. Arbeiter und Angestellte sind insoweit nicht weniger eingebunden als Beamte. Indes ergeben sich im Prozess der (prognostischen) Bewertung durch die Einstellungsbehörde, ob ein Bewerber das erforderliche Maß an Verfassungstreue besitzt oder nicht, mit Blick darauf Differenzierungsmöglichkeiten, dass ein Korrespondenzverhältnis zwischen der „Verfassungstreuegeprägtheit“ eines Amtes und den Anforderungen an den Nachweis einer entsprechenden Fähigkeit und Bereitschaft eines Bewerbers (bzw. der Zweifel hieran) besteht (Höfling, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, RdNrn. 155 ff.: „Die Einstellung eines Sachbearbeiters eines kommunalen Friedhofsamtes erfordert eine andere Prognosesicherheit hinsichtlich seiner Verfassungstreue als diejenige über den zukünftigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“). In gleicher Weise kann auch der Status des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses Berücksichtigung finden. Dazu hat bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfGE 39, 334, 356): „Wer als Berufsziel den Staatsdienst im Auge hat, nähert sich diesem Dienst in drei „Stufen“: er studiert, er erwirbt die jeweils erforderliche Vorbildung - für den höheren Dienst durch Absolvierung des Vorbereitungsdienstes -, er wird als Beamter auf Probe übernommen. In der zweiten und dritten Stufe hat der Dienstvorgesetzte Gelegenheit, den Bewerber intensiv kennenzulernen, ihn zu beobachten und sich schließlich ein Urteil über seine Persönlichkeit zu bilden. Hier, wo die Verwaltung unmittelbar sich ein zuverlässiges Bild über den Anwärter machen kann, muss der Schwerpunkt liegen für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht. Das bedeutet aber, dass für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst eine gewissermaßen „vorläufige“ Beurteilung ausreicht….“. Das so verstandene Differenzierungsgebot hat der Dienstherr auch bei der Frage der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.
46 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die für Verpflichtungsklagen (und Neubescheidungsklagen) vielfach angeführte „Regel“, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, gilt nicht uneingeschränkt. Aus dem materiellen Recht können sich Abweichungen ergeben. Das ist auch hier der Fall. Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
47 
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Beklagte seiner Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ausdrücklich erklärt hat, es gehe von der Darstellung des Klägers aus, soweit seine Erklärungen zu den ihm angelasteten Vorfällen von den Erkenntnissen des Innenministeriums abwichen, hat auch der Senat von dem so festgestellten Sachverhalt auszugehen.
48 
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 07.08.2006 geltend macht, der Datenschutz sei in doppelter Hinsicht nicht beachtet worden, was zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen müsse. Der Landesbeauftragte für Datenschutz führt aus, dass zwar eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz datenschutzrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen sei, jedoch habe die Anfrage des Kultusministeriums an das Innenministerium vom 22.07.2003 hinsichtlich der anfragenden Stelle und der Unterrichtung des Petenten nicht den Vorgaben der Nr. 12 zu § 6 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG) vom 18.07.2003 (GABl. S. 502) entsprochen. Unabhängig davon, dass die Verwaltungsvorschrift zum Zeitpunkt der bezeichneten Anfrage noch nicht in Kraft getreten war (sie trat - erst - am Tag nach der Veröffentlichung am 27.08.2003 in Kraft), ist zu berücksichtigen, dass dem vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 die unter dem 05.02.2004 mitgeteilten Erkenntnisse zugrunde lagen, die durch das Innenministerium auf eine Anfrage des Oberschulamts Karlsruhe über das Kultusministerium vom 08.01.2004 übermittelt worden waren; von dieser Anfrage war der Kläger unterrichtet worden. Dass das Innenministerium zuvor das Kultusministerium gem. § 16 LDSG fernmündlich über die Aktivitäten des Klägers in der AI HD bzw. der dortigen autonomen Szene unterrichtet hatte und dieses unter dem 22.07.2003 eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet hatte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der später gewonnenen Erkenntnisse. Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass er selbst zu den ihm angelasteten Aktivitäten mit der Folge Stellung genommen hat, dass der Beklagte von seiner Darstellung ausgegangen ist. Ein streitiger Sachverhalt, bei dem den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz maßgebliche Bedeutung zukäme, ist danach nicht gegeben.
49 
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die u.a. Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Daraus, dass er als Aktivist für die autonome Szene in Heidelberg und Umgebung vielfach in Erscheinung getreten sei, könne in Verbindung mit seiner Einlassung bei der Anhörung mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass er sich mit den Zielsetzungen dieser Szene identifiziere. Die vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnisse seien jedenfalls in ihrer Gesamtheit von hinreichendem Gewicht, wobei der zum Vorschein gekommenen Gewaltbereitschaft (Nr. 3, 4 und 9) sowie den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Nr. 9, 13 und 17) besondere Bedeutung zukämen. Lehrer in öffentlichen Schulen könne nicht sein, wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei und sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle. Der Senat teilt die letztgenannte Rechtsauffassung. Indes kann bereits ein aktives Einsetzen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und hat außer Acht gelassen, dass er das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt hat.
50 
Dies gilt zunächst, soweit er eine zum Vorschein gekommene Gewaltbereitschaft des Klägers konstatiert hat. Denn den dafür zum Beleg angeführten Vorfällen Nr. 3, 4 und 9 lässt sich dafür nichts entnehmen. Bei der Aktion am 23.03.1997 in Laudenbach (Nr. 3) war der Kläger als Fotoreporter für die Heidelberger Rundschau anwesend. Bei der Personalienfeststellung durch die Polizei kam es durch einen Beamten zum Schusswaffeneinsatz. Der Kläger hat deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und der Polizei später Beweisfotos zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sind auch seine Personalien aufgenommen worden. Eine Gewaltbereitschaft ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass er am 01.02.1999 an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 an die Stadt Heidelberg teilgenommen hat (Nr. 4). Als Vertreter des Trägervereins hat er sich bei der offiziellen Übergabe innerhalb des Gebäudes und nicht außerhalb in der protestierenden Menge befunden. Von Stein- und Flaschenwürfen hat er nichts mitbekommen. Als er später davon erfahren hat, hat er dies, wie sich aus dem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung vom 02.02.1999 ergibt, verurteilt. Eine Gewaltbereitschaft folgt schließlich nicht ansatzweise daraus, dass die Anwesenheit des Klägers im Zusammenhang mit der „Partybesetzung“ eines leer stehenden Gebäudes im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg am 06.02.2000 festgestellt worden ist (Nr. 9). Der Kläger hat sich auf Bitten der Einsatzleitung der Polizei bereit erklärt, die Kommunikation zwischen der Polizei und den Besatzern zu gewährleisten. Er hat sich ausdrücklich versichert, dass sein Betreten des Geländes von der Polizei gebilligt wurde; ein Platzverweis ist gegen ihn nicht ausgesprochen worden.
51 
Auch von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz kann insoweit nicht die Rede sein. Dass der Kläger bei der Demonstration „Gegen den Irakkrieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden konnte (Nr. 17), stellt schon von vornherein keinen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar. Der Beklagte führt aus, dass zu dieser Demonstration diverse demokratische Organisationen aufgerufen hätten. Dass sich auch das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ an dem Aufruf beteiligt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit sich nach der vom Kläger angemeldeten Demonstration am 20.01.2001 (Nr. 13) eine spontane Demonstration durch die Fußgängerzone in Heidelberg formiert hat. Der Kläger hat in der Folge einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Ihm wurde vorgeworfen, die Kundgebung nicht vernehmlich genug aufgelöst zu haben. Nachdem in der folgenden Verhandlung die Zeugenaussagen widersprüchlich geblieben waren, wurde das Verfahren auf Anregung des Gerichts gegen die Zahlung von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Ein im vorliegenden Verfahren bedeutsamer Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verbleibt danach nicht.
52 
Auch die weiter angeführten Vorfälle ergeben nichts für das dem Kläger unterstellte aktive Eintreten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind nicht geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.
53 
Der Beklagte hat zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes (01.02.2001 bis 24.07.2002) nicht hinreichend ermittelt oder jedenfalls bei seiner Abwägung nicht gewürdigt. Er hat damit einen für seine Prognose grundsätzlich (vgl. BVerfGE 39, 334, 356) besonders bedeutsamen Zeitabschnitt außer Acht gelassen und ist insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Hat ein Bewerber, wie hier, bereits einen Vorbereitungsdienst abgeleistet, während dessen der Dienstherr sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über ihn machen konnte, so ist das Verhalten des Bewerbers während dieses Zeitraums jedenfalls eingehend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506; vgl. auch Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 49.78 -, DÖD 1982, 24).
54 
Der Beklagte hat mithin bei seiner dem Kläger ungünstigen Prognose wesentliche Beurteilungselemente außer Acht gelassen und ist von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Zweifel des Dienstherrn an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers keinen Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung erfordern und der Dienstherr sich darauf beschränken darf, die festgestellten äußeren Verhaltensweisen des Klägers seinem Urteil zugrunde zu legen und hieraus im Weg wertender Schlussfolgerung auf eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende, mit der künftigen beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbare Motivation zu schließen.
55 
Auch wenn der Beklagte die Führung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes zwar als tadelsfrei ermittelt und in seine Abwägung einbezogen hätte, ihr aber gegenüber den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätte, so hätte er damit gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Falle, da die angegriffenen Bescheide nichts über die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten aussagen, das Berufungsvorbringen des Beklagten zugrunde zu legen. Dieses lässt nicht erkennen, dass der Beklagte dem Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes das Gewicht beigemessen hat, das ihm nach den oben dargelegten Bewertungsgrundsätzen zukommen muss. Der Beklagte hat auch nicht berücksichtigt, dass seit den letzten dem Kläger angelasteten Aktivitäten bei Erlass des Widerspruchsbescheides nahezu ein Jahr verstrichen war, was für die Prognose über künftiges verfassungstreues Verhalten ihre Aussagekraft, falls sie inzwischen keine Fortsetzung durch gleichgerichtete Aktivitäten gefunden hatten, bereits minderte. Hinzu kommt, dass es sich bei sämtlichen jüngeren Aktivitäten, insbesondere denjenigen nach der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes, um Verhaltensweisen handelt, denen der Beklagte im Hinblick auf die von ihm anzustellende Prognose schon deshalb kein maßgebendes Gewicht beimessen durfte, weil sie sich zumindest auch auf mit der Verfassungsordnung vereinbare Ziele bezogen und auch in der Art der Durchführung ersichtlich von der Verfassung gedeckt waren (zum Eintreten gegen den Irak-Krieg vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -, NJW 2006, 77; zum antifaschistischen Engagement vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147: „In der Tat will das Grundgesetz nationalsozialistische Bestrebungen abwehren. Zugleich schafft es rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats“). Dies hat der Beklagte hingegen ebenso wenig ausreichend beachtet wie den für den Kläger sprechenden Umstand, dass er bei dem letzten ihm zur Last gelegten Vorfall am 28.12.2003 (Nr. 20), bei dem er als Fotograf anwesend war, auf Bitten der Polizei deeskalierend eingegriffen und den Kontakt mit den Kundgebungsteilnehmern hergestellt hat. Dass dieses Verhalten des Klägers kein Einzelfall war, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
56 
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des Beklagten auch im Übrigen den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht wird. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass der Beklagte von einem Bekenntnis des Klägers zu den verfassungsfeindlichen Zielen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg - für verfassungsfeindliche Zielsetzungen der autonomen Szene Heidelberg, die der Beklagte ebenfalls angesprochen hat, fehlt es an gewichtigen Erkenntnissen - ausgegangen ist. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die AI HD Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere. Unabhängig von der Frage, ob dies durch die wiedergegebenen Äußerungen hinreichend belegt wird, lässt der Beklagte unberücksichtigt, dass der Kläger in seiner (im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen) Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt hat. Dies wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass er sich gleichzeitig zur Militanz bekannt hat. Denn er hat dies dahingehend näher erläutert, dass Militanz für ihn eine entschlossene, widerständische Haltung bedeute, die nicht vor Konfrontationen zurückschrecke. Diese Auffassung hat der Kläger an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführten, halte er es nicht für sinnvoll, Kilometer weit davon entfernt sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht seien. Dieses Verständnis des Begriffs „Militanz“ (vgl. auch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl., militant: kämpferisch) kann - zumal im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verurteilung von Gewalt, für die ein Gegenbeispiel in Wort oder Tat in der Person des Klägers nicht erkennbar ist - nicht mit einem Bekenntnis zur Gewalt gleichgesetzt werden. Hier sind auch die grundrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen, die es gebieten, dass eine Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen ist es erforderlich, sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe anzugeben (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 u.a. -, BVerfGE 102, 347, m.w.N.).
57 
Der Beklagte hat zwar zu Recht nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der AI HD abgestellt. Aber auch die Annahme eines herausragenden Engagement für die AI HD ist nicht gerechtfertigt. Für die AI HD hat der Kläger bei der Kundgebung am 16.11.2003 (Nr. 19) die Namen der gefallenen Widerstandskämpfer verlesen. Soweit ihm auch angelastet wird, Demonstrationen angemeldet zu haben (Nr. 5 und 13), ist schon nicht erkennbar, dass er dies im Namen und Auftrag der AI HD getan hat. Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AI HD nicht die Rede sein, so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Der Senat bemerkt indes, dass es sich bei der AI HD nicht um eine festgefügte, auf ein bestimmtes Programm eindeutig festgelegte Gruppierung handelt (und ebenso wenig um eine Gruppierung, die ihre Mitglieder auf ein Parteiprogramm verpflichtet; vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 09.06.1981 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.), sondern - wie sich aus ihrer Selbstdarstellung ergibt und durch die Angaben des Klägers belegt wird - um einen Zusammenschluss von Menschen unterschiedlichster Couleur. Der Kläger hat dazu erklärt, dass der Text „Wir über uns!“ eine Art Plattform darstelle, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisierten, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes seien daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erführen sie in der Praxis der AI HD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Die Art und Weise, wie die AI HD ihre Entscheidungen gestalte, sei basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaftsordnung dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, sei ausdrücklich nicht die Rede. Die AI HD wende sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text sei ausdrücklich von parteiunabhängiger Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lasse, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollten. Auch mit diesen Angaben des Klägers hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt. Auch hat er nicht hinreichend in den Blick genommen, dass für die Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation - zumal einer lokalen Organisation mit fehlender Organisationsstruktur - eindeutige Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Hier aber hat der Beklagte insbesondere einzelne Äußerungen - nicht des Klägers - in Publikationen und auf Veranstaltungen angeführt, die schon das Merkmal der Evidenz und Dichte nicht erfüllen dürften. Abgesehen davon sind insoweit auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Inhalte einer auf einer Versammlung geäußerten Meinung zu berücksichtigen und die Grundsätze der Einschränkungsmöglichkeit des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten. Die Bürger, die nicht wie Beamte Einschränkungen aus Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen, sind in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Eine Grenze besteht nach Art. 5 Abs. 2 GG, soweit Meinungsäußerungen auf verfassungsgemäße Weise rechtlich verboten, insbesondere unter Strafe gestellt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, NVwZ 2006, 585, m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen, die auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweisen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000, a.a.O.).
58 
Der Beklagte hat nach alledem eine neue, selbständige, maßgebend auf die Person des Klägers bezogene Abwägung auf der Grundlage des derzeitigen Gesamtbildes vorzunehmen, bei der auch dem jüngeren Verhalten ein höheres Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.). Dabei wird der Beklagte auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger im Jahre 2004 wegen seines Engagements in der offenen Kultur- und Jugendarbeit zur Verleihung der Bürgerplakette der Stadt Heidelberg vorgeschlagen war und die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg diesem Vorschlag zugestimmt hatte.
59 
Der Berufung war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob die angegriffenen Bescheide des Beklagten im vorliegenden Fall auch gegen europa- bzw. völkerrechtliche Bestimmungen verstoßen.
60 
Auch eine Beweiserhebung war danach nicht geboten. Soweit der Kläger Zeugenbeweis beantragt hat (Beweisanträge I - III), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es war auch kein Sachverständigengutachten dazu einzuholen (Beweisantrag IV), dass es in Staat und Gesellschaft Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, deren Benennung und Bekämpfung daher keine Diffamierung des Staates darstellt. Abgesehen davon, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte Bewertung dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich und der Beweisantrag auch inhaltlich bereits zu unbestimmt ist, ist er, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung wird auch mit dem Beweisantrag V dargetan, dem zudem ebenfalls wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen war. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Akten des Innenministeriums zum vorliegenden Fall beizuziehen (Beweisantrag VI). Ob sie Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers von dort aus veranlasst worden ist, ist unerheblich. Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen (Beweisantrag VII), eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage einzuholen, wie der in der Richtlinie 2000/78/EG verwendete Begriff „Weltanschauung“ zu verstehen ist. Auch darauf kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
63 
Beschluss
vom 13. März 2007
64 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25.483,77 EUR festgesetzt.
65 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat zwar keinen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes im Beamtenverhältnis auf Probe, wohl aber einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag.
35 
Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, die Prognose über die Verfassungstreue unterfällt seinem Beurteilungsspielraum. Während für die Frage der Beurteilung der Verfassungstreue hier die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgebend ist, hat der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums die Eignung für das angestrebte Amt bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Damit aber sind für den Dienstherrn auch Umstände von Bedeutung, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren und die er zunächst in eigener Verantwortung zu beurteilen hat. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2006 - 6 A 77/04 -, Juris) und im Übrigen auch mit Blick auf den dem Dienstherrn weiterhin zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. die Ausführungen unten) ausscheiden.
36 
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Danach darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung, die für jedes Beamtenverhältnis gilt. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG und entsprechender Vorschriften verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176, und Urteil vom 18.05.2001 - 2 WD 42.00 u.a. -, BVerwGE 114, 258).
37 
Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Dies ist die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Zu den grundlegenden, sogar einer Verfassungsänderung entzogenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates, denen der Beamte verpflichtet ist, sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und muss es sein. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Staat und Gesellschaft können an einer unkritischen Beamtenschaft kein Interesse haben (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
38 
Der Beamte muss danach bei seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen, z.B. als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1243/95 u.a. -, BVerfGE 96, 152). Die Verfassungstreuepflicht verlangt ferner, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren und dass er in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen innerhalb und außerhalb des Dienstes für den Staat Partei ergreift. Ein Beamter, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt - unabhängig von seinen Motiven - seine Treuepflicht nicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
39 
Der verfassungsrechtliche Inhalt der politischen Treuepflicht des Beamten wird nicht beeinflusst von dem Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf - Übereinkommen 111 - vom 25.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 98), dem der Bundesgesetzgeber durch Gesetz vom 08.03.1961 (BGBl. II 1961 S. 97) zugestimmt hat, sowie dem Ausschussbericht von 1986 zur Prüfung der Einhaltung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland - Untersuchungsbericht -. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, haben das Übereinkommen 111 und der Untersuchungsbericht nur an die Bundesregierung gerichtete Empfehlungen, nicht jedoch das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Bestimmungen zum Inhalt; sie begründen keine subjektiven Rechte für den Einzelnen und können die Verfassungsrang genießende politische Treuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht erweitern oder einschränken (BVerwG, Urteil vom 10.05.1984 - 1 D 7.83 - BVerwGE 76, 157; Urteil vom 16.09.1987 - 1 D 122.86 -, ZBR 1988, 281; Urteil vom 01.02.1989 - 1 D 2.86 -, BVerwGE 86, 99). Dies bedeutet zugleich, dass es dem Senat verwehrt ist, insoweit bei der Rechtsauslegung als völkerrechtliche Vorgabe das Übereinkommen 111 und die Empfehlungen des Untersuchungsberichts zugrunde zu legen. Dem steht letztlich die vorrangige Norm des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, aus dem nach der insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die politische Treuepflicht der Beamten herzuleiten ist (BVerfGE 39, 334, 346 ff.) mit der weiteren Folge, dass, wie es ebenfalls dieser Rechtsprechung entspricht (a.a.O. S. 355), auch eine im Untersuchungsbericht empfohlene Differenzierung in den Anforderungen an die politische Treuepflicht, die sich nach der jeweiligen dienstlichen Funktion des Beamten richten würde, insoweit grundsätzlich nicht zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 01.02.1989, a.a.O.; Urteil vom 20.01.1987 - 1 D 114.85 -, NJW 1987, 2691; vgl. dazu auch die Ausführungen unten).
40 
Eine andere Beurteilung der politischen Treuepflicht gebietet auch nicht die Auslegung der Art. 10 und 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK - BGBl. 1952 II S. 685, 953) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 26.09.1995 (- 7/1994/454/535 -, NJW 1996, 375; Vogt / Bundesrepublik Deutschland). Danach kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Einzelfall gegen das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und - in Abhängigkeit davon - gegen die in Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit verstoßen, wenn die Maßnahme zur Gewährleistung der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgeführten Zwecke - unter Berücksichtigung des staatlichen Beurteilungsspielraumes - in keinem angemessenen Verhältnis steht, mithin in einer demokratischen Gesellschaft nicht zwingend notwendig ist. Der EGMR hat in den Urteilsgründen jedoch ausdrücklich bestätigt, dass die Meinungsfreiheit durch gesetzliche Vorschriften, die die politische Treuepflicht des Beamten statuieren, in Verbindung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Nichts anders gilt danach auch, soweit sich der Kläger darauf beruft, dass auch Art. 10 und 11 der EU-Grundrechtecharta (vgl. dazu allgemein Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - die nicht in Kraft ist - und Art. 5 und 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantierten. Darüber hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch ebenso wie durch die Richtlinie 2000/78/EG, die durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897) umgesetzt worden ist, nicht begründet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (§ 8 Abs. 1 AGG) vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal - wie hier - aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
41 
„Gewähr bieten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen. Da bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen eines Bewerbers stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers - etwa die Identifizierung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechenden Zielsetzungen einer Partei, die unter Umständen die Zweifel an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers sogar zur Gewissheit werden lassen - sind in der Regel nicht erforderlich. Die Feststellung einer im Einzelfall wesentlichen tatsächlichen subjektiven Einstellung (z.B. Nichtidentifizierung mit den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufenden Zielsetzungen einer Organisation, Distanzierung von der Verfassungsordnung widerstreitenden Bestrebungen und die Motivation für das bisherige Verhalten) kann aber insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob aus den festgestellten Fakten vom Dienstherrn hergeleitete Zweifel an der künftigen Verfassungstreue des Beamtenbewerbers zerstreut werden können, von ausschlaggebender Bedeutung sein (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
42 
Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Erst wenn diese Schwelle überschritten ist, setzt die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ein (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506, und die Ausführungen unten). Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus (BVerfGE 39, 334, 335, 359; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980, a.a.O., vom 31.01.1980 - 2 C 5.78 -, NJW 1980, 2145, und vom 22.04.1977 - VII C 17.74 -, BVerwGE 52, 313). Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis des Beamtenbewerbers zu den mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Zielen einer extremistischen politischen Partei linker oder rechter Prägung - unabhängig von der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts - bedeutsam sein, insbesondere wenn der Parteibeitritt aufgrund freier Willensentschließung erfolgt ist und zu politischen Aktivitäten für die Ziele der Partei verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O., m.w.N.). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein schematisches Anknüpfen rechtserheblicher Zweifel an die Feststellung bestimmter Verhaltensweisen ist nicht zulässig (BVerfGE 39, 334, 354 f.). Die Frage, ob der Beamtenbewerber nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gründet sich auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Beurteilungselementen und ist weitgehend Tatfrage (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
43 
Dabei ist für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue auch von Bedeutung, ob jemand erstmals in das Beamtenverhältnis berufen werden soll oder sich schon einmal im Beamtenverhältnis befand. Bei einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, wie vorliegend bei der erstrebten Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, besteht bereits eine breitere Entscheidungsgrundlage. Hier ist neben den bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis liegenden Umständen das Verhalten im Beamtenverhältnis zu beachten. Durch das weitere Verhalten im Beamtenverhältnis können früher zu Tage getretene Bedenken bekräftigt oder zerstreut werden (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 9 S. 41 f.).
44 
Aufgrund des sonach festgestellten Sachverhalts hat der Dienstherr zu prüfen, ob der Beamtenbewerber die geforderte Gewähr der Verfassungstreue bietet (BVerfGE 39, 334, 353; BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.). Seine Überzeugung ist maßgebend. Ihr liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers in Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst feststellen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich - was das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend beachtet hat - darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.). Dabei sind die Grenzen für die einzelnen Ansatzpunkte der verwaltungsgerichtlichen Prüfung angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Sachverhalte fließend.
45 
Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Dienstherr hat im jeweiligen Einzelfall nach Ermittlung der für und gegen ihn sprechenden Umstände die Persönlichkeit des Bewerbers umfassend zu würdigen, wobei eine sachgerechte Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist der Dienstherr, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, auch gehalten, das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht - wie ausgeführt - im Beschluss vom 22.05.1975 hervorgehoben hat, die Treuepflicht des Beamten sei einer Differenzierung nach Art der dienstlichen Obliegenheiten nicht zugänglich. Verfassungstreue im Sinne der Fähigkeit und inneren Bereitschaft, „die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten“ (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140, 151, und Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, NJW 1997, 2312), verweist auf eine Grundvoraussetzung des Eignungskriteriums im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Jedenfalls insoweit handelt es sich um eine (nach unten) differenzierungsresistente Größe. Mit anderen Worten: Unabhängig von dem wahrzunehmenden öffentlichen Amt sowie der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses umschreibt eine solche „Verfassungstreue“ ein notwendiges Element des persönlichen Anforderungsprofils. Arbeiter und Angestellte sind insoweit nicht weniger eingebunden als Beamte. Indes ergeben sich im Prozess der (prognostischen) Bewertung durch die Einstellungsbehörde, ob ein Bewerber das erforderliche Maß an Verfassungstreue besitzt oder nicht, mit Blick darauf Differenzierungsmöglichkeiten, dass ein Korrespondenzverhältnis zwischen der „Verfassungstreuegeprägtheit“ eines Amtes und den Anforderungen an den Nachweis einer entsprechenden Fähigkeit und Bereitschaft eines Bewerbers (bzw. der Zweifel hieran) besteht (Höfling, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 33 Abs. 1 bis 3, RdNrn. 155 ff.: „Die Einstellung eines Sachbearbeiters eines kommunalen Friedhofsamtes erfordert eine andere Prognosesicherheit hinsichtlich seiner Verfassungstreue als diejenige über den zukünftigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“). In gleicher Weise kann auch der Status des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses Berücksichtigung finden. Dazu hat bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfGE 39, 334, 356): „Wer als Berufsziel den Staatsdienst im Auge hat, nähert sich diesem Dienst in drei „Stufen“: er studiert, er erwirbt die jeweils erforderliche Vorbildung - für den höheren Dienst durch Absolvierung des Vorbereitungsdienstes -, er wird als Beamter auf Probe übernommen. In der zweiten und dritten Stufe hat der Dienstvorgesetzte Gelegenheit, den Bewerber intensiv kennenzulernen, ihn zu beobachten und sich schließlich ein Urteil über seine Persönlichkeit zu bilden. Hier, wo die Verwaltung unmittelbar sich ein zuverlässiges Bild über den Anwärter machen kann, muss der Schwerpunkt liegen für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht. Das bedeutet aber, dass für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst eine gewissermaßen „vorläufige“ Beurteilung ausreicht….“. Das so verstandene Differenzierungsgebot hat der Dienstherr auch bei der Frage der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.
46 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die für Verpflichtungsklagen (und Neubescheidungsklagen) vielfach angeführte „Regel“, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, gilt nicht uneingeschränkt. Aus dem materiellen Recht können sich Abweichungen ergeben. Das ist auch hier der Fall. Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).
47 
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Beklagte seiner Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ausdrücklich erklärt hat, es gehe von der Darstellung des Klägers aus, soweit seine Erklärungen zu den ihm angelasteten Vorfällen von den Erkenntnissen des Innenministeriums abwichen, hat auch der Senat von dem so festgestellten Sachverhalt auszugehen.
48 
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 07.08.2006 geltend macht, der Datenschutz sei in doppelter Hinsicht nicht beachtet worden, was zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen müsse. Der Landesbeauftragte für Datenschutz führt aus, dass zwar eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz datenschutzrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen sei, jedoch habe die Anfrage des Kultusministeriums an das Innenministerium vom 22.07.2003 hinsichtlich der anfragenden Stelle und der Unterrichtung des Petenten nicht den Vorgaben der Nr. 12 zu § 6 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG) vom 18.07.2003 (GABl. S. 502) entsprochen. Unabhängig davon, dass die Verwaltungsvorschrift zum Zeitpunkt der bezeichneten Anfrage noch nicht in Kraft getreten war (sie trat - erst - am Tag nach der Veröffentlichung am 27.08.2003 in Kraft), ist zu berücksichtigen, dass dem vertieften Einstellungsgespräch am 21.04.2004 die unter dem 05.02.2004 mitgeteilten Erkenntnisse zugrunde lagen, die durch das Innenministerium auf eine Anfrage des Oberschulamts Karlsruhe über das Kultusministerium vom 08.01.2004 übermittelt worden waren; von dieser Anfrage war der Kläger unterrichtet worden. Dass das Innenministerium zuvor das Kultusministerium gem. § 16 LDSG fernmündlich über die Aktivitäten des Klägers in der AI HD bzw. der dortigen autonomen Szene unterrichtet hatte und dieses unter dem 22.07.2003 eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet hatte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der später gewonnenen Erkenntnisse. Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass er selbst zu den ihm angelasteten Aktivitäten mit der Folge Stellung genommen hat, dass der Beklagte von seiner Darstellung ausgegangen ist. Ein streitiger Sachverhalt, bei dem den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz maßgebliche Bedeutung zukäme, ist danach nicht gegeben.
49 
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergäben sich vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein bzw. der aktiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Szene bzw. Organisation, dem Bekenntnis zu deren verfassungsfeindlichen Zielen, die u.a. Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere, sowie daraus, dass der Kläger über die bloße Mitgliedschaft hinaus hervorgehobene Funktionen („Sprecher“, Versammlungsleiter, Anmelder/Initiator von Demonstrationen für eine verfassungsfeindliche Organisation) ausgeübt habe. Daraus, dass er als Aktivist für die autonome Szene in Heidelberg und Umgebung vielfach in Erscheinung getreten sei, könne in Verbindung mit seiner Einlassung bei der Anhörung mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass er sich mit den Zielsetzungen dieser Szene identifiziere. Die vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnisse seien jedenfalls in ihrer Gesamtheit von hinreichendem Gewicht, wobei der zum Vorschein gekommenen Gewaltbereitschaft (Nr. 3, 4 und 9) sowie den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Nr. 9, 13 und 17) besondere Bedeutung zukämen. Lehrer in öffentlichen Schulen könne nicht sein, wer aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei und sich darin aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stelle. Der Senat teilt die letztgenannte Rechtsauffassung. Indes kann bereits ein aktives Einsetzen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und hat außer Acht gelassen, dass er das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt hat.
50 
Dies gilt zunächst, soweit er eine zum Vorschein gekommene Gewaltbereitschaft des Klägers konstatiert hat. Denn den dafür zum Beleg angeführten Vorfällen Nr. 3, 4 und 9 lässt sich dafür nichts entnehmen. Bei der Aktion am 23.03.1997 in Laudenbach (Nr. 3) war der Kläger als Fotoreporter für die Heidelberger Rundschau anwesend. Bei der Personalienfeststellung durch die Polizei kam es durch einen Beamten zum Schusswaffeneinsatz. Der Kläger hat deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und der Polizei später Beweisfotos zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sind auch seine Personalien aufgenommen worden. Eine Gewaltbereitschaft ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass er am 01.02.1999 an der Übergabe des als „Autonomes Zentrum“ genutzten Gebäudes Alte Bergheimer Straße 7 an die Stadt Heidelberg teilgenommen hat (Nr. 4). Als Vertreter des Trägervereins hat er sich bei der offiziellen Übergabe innerhalb des Gebäudes und nicht außerhalb in der protestierenden Menge befunden. Von Stein- und Flaschenwürfen hat er nichts mitbekommen. Als er später davon erfahren hat, hat er dies, wie sich aus dem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung vom 02.02.1999 ergibt, verurteilt. Eine Gewaltbereitschaft folgt schließlich nicht ansatzweise daraus, dass die Anwesenheit des Klägers im Zusammenhang mit der „Partybesetzung“ eines leer stehenden Gebäudes im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Heidelberg am 06.02.2000 festgestellt worden ist (Nr. 9). Der Kläger hat sich auf Bitten der Einsatzleitung der Polizei bereit erklärt, die Kommunikation zwischen der Polizei und den Besatzern zu gewährleisten. Er hat sich ausdrücklich versichert, dass sein Betreten des Geländes von der Polizei gebilligt wurde; ein Platzverweis ist gegen ihn nicht ausgesprochen worden.
51 
Auch von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz kann insoweit nicht die Rede sein. Dass der Kläger bei der Demonstration „Gegen den Irakkrieg“ am 20.03.2003 in Heidelberg festgestellt werden konnte (Nr. 17), stellt schon von vornherein keinen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar. Der Beklagte führt aus, dass zu dieser Demonstration diverse demokratische Organisationen aufgerufen hätten. Dass sich auch das „Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg“ an dem Aufruf beteiligt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit sich nach der vom Kläger angemeldeten Demonstration am 20.01.2001 (Nr. 13) eine spontane Demonstration durch die Fußgängerzone in Heidelberg formiert hat. Der Kläger hat in der Folge einen Strafbefehl erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Ihm wurde vorgeworfen, die Kundgebung nicht vernehmlich genug aufgelöst zu haben. Nachdem in der folgenden Verhandlung die Zeugenaussagen widersprüchlich geblieben waren, wurde das Verfahren auf Anregung des Gerichts gegen die Zahlung von 200,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Ein im vorliegenden Verfahren bedeutsamer Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verbleibt danach nicht.
52 
Auch die weiter angeführten Vorfälle ergeben nichts für das dem Kläger unterstellte aktive Eintreten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind nicht geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.
53 
Der Beklagte hat zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes (01.02.2001 bis 24.07.2002) nicht hinreichend ermittelt oder jedenfalls bei seiner Abwägung nicht gewürdigt. Er hat damit einen für seine Prognose grundsätzlich (vgl. BVerfGE 39, 334, 356) besonders bedeutsamen Zeitabschnitt außer Acht gelassen und ist insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Hat ein Bewerber, wie hier, bereits einen Vorbereitungsdienst abgeleistet, während dessen der Dienstherr sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über ihn machen konnte, so ist das Verhalten des Bewerbers während dieses Zeitraums jedenfalls eingehend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 45.80 -, NJW 1985, 506; vgl. auch Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 49.78 -, DÖD 1982, 24).
54 
Der Beklagte hat mithin bei seiner dem Kläger ungünstigen Prognose wesentliche Beurteilungselemente außer Acht gelassen und ist von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Zweifel des Dienstherrn an der künftigen Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers keinen Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung erfordern und der Dienstherr sich darauf beschränken darf, die festgestellten äußeren Verhaltensweisen des Klägers seinem Urteil zugrunde zu legen und hieraus im Weg wertender Schlussfolgerung auf eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende, mit der künftigen beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbare Motivation zu schließen.
55 
Auch wenn der Beklagte die Führung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes zwar als tadelsfrei ermittelt und in seine Abwägung einbezogen hätte, ihr aber gegenüber den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätte, so hätte er damit gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Falle, da die angegriffenen Bescheide nichts über die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten aussagen, das Berufungsvorbringen des Beklagten zugrunde zu legen. Dieses lässt nicht erkennen, dass der Beklagte dem Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes das Gewicht beigemessen hat, das ihm nach den oben dargelegten Bewertungsgrundsätzen zukommen muss. Der Beklagte hat auch nicht berücksichtigt, dass seit den letzten dem Kläger angelasteten Aktivitäten bei Erlass des Widerspruchsbescheides nahezu ein Jahr verstrichen war, was für die Prognose über künftiges verfassungstreues Verhalten ihre Aussagekraft, falls sie inzwischen keine Fortsetzung durch gleichgerichtete Aktivitäten gefunden hatten, bereits minderte. Hinzu kommt, dass es sich bei sämtlichen jüngeren Aktivitäten, insbesondere denjenigen nach der Absolvierung des Vorbereitungsdienstes, um Verhaltensweisen handelt, denen der Beklagte im Hinblick auf die von ihm anzustellende Prognose schon deshalb kein maßgebendes Gewicht beimessen durfte, weil sie sich zumindest auch auf mit der Verfassungsordnung vereinbare Ziele bezogen und auch in der Art der Durchführung ersichtlich von der Verfassung gedeckt waren (zum Eintreten gegen den Irak-Krieg vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -, NJW 2006, 77; zum antifaschistischen Engagement vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147: „In der Tat will das Grundgesetz nationalsozialistische Bestrebungen abwehren. Zugleich schafft es rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats“). Dies hat der Beklagte hingegen ebenso wenig ausreichend beachtet wie den für den Kläger sprechenden Umstand, dass er bei dem letzten ihm zur Last gelegten Vorfall am 28.12.2003 (Nr. 20), bei dem er als Fotograf anwesend war, auf Bitten der Polizei deeskalierend eingegriffen und den Kontakt mit den Kundgebungsteilnehmern hergestellt hat. Dass dieses Verhalten des Klägers kein Einzelfall war, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
56 
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des Beklagten auch im Übrigen den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht wird. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass der Beklagte von einem Bekenntnis des Klägers zu den verfassungsfeindlichen Zielen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg - für verfassungsfeindliche Zielsetzungen der autonomen Szene Heidelberg, die der Beklagte ebenfalls angesprochen hat, fehlt es an gewichtigen Erkenntnissen - ausgegangen ist. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die AI HD Gewalt bei der politischen Auseinandersetzung propagiere. Unabhängig von der Frage, ob dies durch die wiedergegebenen Äußerungen hinreichend belegt wird, lässt der Beklagte unberücksichtigt, dass der Kläger in seiner (im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen) Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, dass er Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt hat. Dies wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass er sich gleichzeitig zur Militanz bekannt hat. Denn er hat dies dahingehend näher erläutert, dass Militanz für ihn eine entschlossene, widerständische Haltung bedeute, die nicht vor Konfrontationen zurückschrecke. Diese Auffassung hat der Kläger an einem Beispiel verdeutlicht: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführten, halte er es nicht für sinnvoll, Kilometer weit davon entfernt sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht seien. Dieses Verständnis des Begriffs „Militanz“ (vgl. auch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl., militant: kämpferisch) kann - zumal im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verurteilung von Gewalt, für die ein Gegenbeispiel in Wort oder Tat in der Person des Klägers nicht erkennbar ist - nicht mit einem Bekenntnis zur Gewalt gleichgesetzt werden. Hier sind auch die grundrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen, die es gebieten, dass eine Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen ist es erforderlich, sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe anzugeben (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 u.a. -, BVerfGE 102, 347, m.w.N.).
57 
Der Beklagte hat zwar zu Recht nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der AI HD abgestellt. Aber auch die Annahme eines herausragenden Engagement für die AI HD ist nicht gerechtfertigt. Für die AI HD hat der Kläger bei der Kundgebung am 16.11.2003 (Nr. 19) die Namen der gefallenen Widerstandskämpfer verlesen. Soweit ihm auch angelastet wird, Demonstrationen angemeldet zu haben (Nr. 5 und 13), ist schon nicht erkennbar, dass er dies im Namen und Auftrag der AI HD getan hat. Kann schon danach von einem hervorstechenden Engagement für die AI HD nicht die Rede sein, so bedarf es keiner weiteren Vertiefung der Frage ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Der Senat bemerkt indes, dass es sich bei der AI HD nicht um eine festgefügte, auf ein bestimmtes Programm eindeutig festgelegte Gruppierung handelt (und ebenso wenig um eine Gruppierung, die ihre Mitglieder auf ein Parteiprogramm verpflichtet; vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 09.06.1981 und vom 22.04.1977, jeweils a.a.O.), sondern - wie sich aus ihrer Selbstdarstellung ergibt und durch die Angaben des Klägers belegt wird - um einen Zusammenschluss von Menschen unterschiedlichster Couleur. Der Kläger hat dazu erklärt, dass der Text „Wir über uns!“ eine Art Plattform darstelle, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisierten, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes seien daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erführen sie in der Praxis der AI HD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Die Art und Weise, wie die AI HD ihre Entscheidungen gestalte, sei basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaftsordnung dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, sei ausdrücklich nicht die Rede. Die AI HD wende sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text sei ausdrücklich von parteiunabhängiger Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lasse, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollten. Auch mit diesen Angaben des Klägers hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt. Auch hat er nicht hinreichend in den Blick genommen, dass für die Annahme der verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation - zumal einer lokalen Organisation mit fehlender Organisationsstruktur - eindeutige Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, a.a.O.). Hier aber hat der Beklagte insbesondere einzelne Äußerungen - nicht des Klägers - in Publikationen und auf Veranstaltungen angeführt, die schon das Merkmal der Evidenz und Dichte nicht erfüllen dürften. Abgesehen davon sind insoweit auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Inhalte einer auf einer Versammlung geäußerten Meinung zu berücksichtigen und die Grundsätze der Einschränkungsmöglichkeit des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten. Die Bürger, die nicht wie Beamte Einschränkungen aus Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen, sind in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Eine Grenze besteht nach Art. 5 Abs. 2 GG, soweit Meinungsäußerungen auf verfassungsgemäße Weise rechtlich verboten, insbesondere unter Strafe gestellt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, NVwZ 2006, 585, m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen, die auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweisen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000, a.a.O.).
58 
Der Beklagte hat nach alledem eine neue, selbständige, maßgebend auf die Person des Klägers bezogene Abwägung auf der Grundlage des derzeitigen Gesamtbildes vorzunehmen, bei der auch dem jüngeren Verhalten ein höheres Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.). Dabei wird der Beklagte auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger im Jahre 2004 wegen seines Engagements in der offenen Kultur- und Jugendarbeit zur Verleihung der Bürgerplakette der Stadt Heidelberg vorgeschlagen war und die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg diesem Vorschlag zugestimmt hatte.
59 
Der Berufung war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob die angegriffenen Bescheide des Beklagten im vorliegenden Fall auch gegen europa- bzw. völkerrechtliche Bestimmungen verstoßen.
60 
Auch eine Beweiserhebung war danach nicht geboten. Soweit der Kläger Zeugenbeweis beantragt hat (Beweisanträge I - III), sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es war auch kein Sachverständigengutachten dazu einzuholen (Beweisantrag IV), dass es in Staat und Gesellschaft Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, deren Benennung und Bekämpfung daher keine Diffamierung des Staates darstellt. Abgesehen davon, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte Bewertung dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich und der Beweisantrag auch inhaltlich bereits zu unbestimmt ist, ist er, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung wird auch mit dem Beweisantrag V dargetan, dem zudem ebenfalls wegen Unerheblichkeit nicht nachzugehen war. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Akten des Innenministeriums zum vorliegenden Fall beizuziehen (Beweisantrag VI). Ob sie Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers von dort aus veranlasst worden ist, ist unerheblich. Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen (Beweisantrag VII), eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage einzuholen, wie der in der Richtlinie 2000/78/EG verwendete Begriff „Weltanschauung“ zu verstehen ist. Auch darauf kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
63 
Beschluss
vom 13. März 2007
64 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25.483,77 EUR festgesetzt.
65 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung, eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage sowie gegen die im Laufe des Berufungsverfahrens getroffene Befristungsentscheidung des Beklagten.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen sieben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und zwei - beide deutsche Staatsangehörige - noch minderjährig sind, in der Bundesrepublik Deutschland. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24. Juni 1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. VG Minden, Urteil vom 08.02.1993 - 5 K 2522/91.A -). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. August 2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. November 2007 (- A 7 K 1100/06 -) aufgehoben. Seit dem 7. Oktober 1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels, seine Frau besitzt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitisch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 wurden der PKK und der ERNK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdullah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10. Januar 2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1.000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in vier Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, vier Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers - mit einem Schnellfeuergewehr posierend, neben weiteren bewaffneten Personen - welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Bei der Durchsuchung wurde in der Wohnung des Klägers der türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit T., ein PKK-Funktionär, angetroffen.
Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 (5 KLs 500 Js 58139/06) wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Auf die schriftlichen Urteilsgründe wird zunächst verwiesen. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 8. April 2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. März 2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. November 2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
10 
Am 3. Januar 2013 hat der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet. Er bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
11 
Mit Bescheid vom 28. März 2013 hat der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Klägers befristet.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. März 2012 aufzuheben;
14 
hilfsweise: den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
18 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. April 2013 erklärte der Kläger, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpften. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990er-Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
19 
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Mai 2013 das Verfahren ausgesetzt und gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung bei dem Gerichtshof der Europäischen Union eingeholt, die dieser mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, InfAuslR 2015, 357) beantwortet hat.
20 
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. August 2015 erneut Stellung genommen. Er meint, der Gerichtshof habe in seinem Urteil nochmals ausdrücklich bestätigt, dass es den einzelnen Mitgliedstaaten freistehe zu bestimmen, was die Begriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ nach ihren nationalen Bedürfnissen erforderten. Notwendig sei zu berücksichtigen, dass die PKK weiterhin als Terrororganisation gelistet sei und diese seit 2015 auch wieder terroristische Anschläge zu verantworten habe. Die Handlungen des Klägers erfüllten davon ausgehend die vom Gerichtshof aufgestellten und nicht abschließend zu verstehenden Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie auf der Grundlage der vom Senat schon vorgenommenen individuellen Würdigung. Dieser habe sich von der Unterstützung der PKK auch nicht distanziert, weswegen weiterhin von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers auszugehen sei, zumal dieser im Januar an einer PKK-Großveranstaltung in Paris und am 22. Dezember 2013 an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen habe, bei der vor ca. 1.000 Teilnehmern mehrere Redner aufgetreten und einschlägige Parolen skandiert worden seien, wie sich aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 30. Juli 2015 ergebe.
21 
Der Kläger bestreitet seine Teilnahme an beiden Veranstaltungen.
22 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Beweisantrag gestellt: „Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger am 22. Dezember 2013 bei einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim-Neckarau sowie am 12. Januar 2013 bei einer Großdemonstration von PKK-Anhängern in Paris anwesend war, wird beantragt, einen Zeugen vom Hörensagen, zu laden über das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, zu laden und zu befragen.“ Diesen hat der Senat abgelehnt.
23 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe über das Ausweisungsverfahren (3 Hefte), die ausländerrechtlichen Akten der Stadt Mannheim bezüglich des Klägers (2 Hefte), die Strafakten betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.208 - 5 KLs 500 Js 58139/06 - (1 Band Strafakten und 1 Band Vollstreckungsakten) und die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über das Klageverfahren wegen Widerrufs der Asylanerkennung - A 7 K 1100/06 - vor. Diese sind ebenso wie die Akten über das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Karlsruhe - 1 K 929/12 - und über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 1 K 930/12 -, über das vorliegende Berufungsverfahren - 11 S 2336/12 -, über das Beschwerdeverfahren bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht - 11 S 1437712 - und über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 11 S 1987/12 - Gegenstand der mündlichen Verhandlungen am 4. April 2013 und am 2. März 2016 gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Auch die Berufung hinsichtlich der Befristungsentscheidung bleibt ohne Erfolg (II.).
I.
25 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
26 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1).
27 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Die Ausweisung verstößt vorliegend auch nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln (5.).
28 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
29 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
30 
Der Kläger hat die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
31 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 24, m. w. Nachw.). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert, „die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
32 
Nichts anderes wird der Sache nach durch die Definition des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris) zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
33 
Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und unter anderem auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
34 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
35 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2015, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 26; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
36 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde und verweist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 2016 (- 11 S 889/15 -, juris, Rn. 76 ff.), die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in dieser Sache waren.
37 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkers-party). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: Die PKK sehe sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Sie treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Es sei überraschend, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. Der Preis für Kritik an der PKK könne der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern oder Büros.
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
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Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
40 
Soweit der Kläger darauf abstellen will, dass die PKK in der Vergangenheit positiv im Entspannungsprozess in der Türkei gewirkt habe und es insbesondere der Politikwechsel des türkischen Präsidenten Erdogan sei, der die Situation erneut habe eskalieren lassen, führt dies für den Senat zu keiner anderen Einschätzung der PKK. Unbestritten gab es in der Vergangenheit beiderseitige Bemühungen um eine Entspannung, gleichwohl hat die PKK zu keinem Zeitpunkt ihr Selbstverständnis geändert und ihrer auch terroristischen Vorgehensweise abgeschworen. Eine heterogene Ausrichtung einer Vereinigung steht ihrer Qualifikation als terroristisch im Übrigen nicht entgegen. Es genügt, dass terroristische Mittel Teil ihrer politischen Agenda sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG, Rn. 31).
41 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger entfalteten Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch aktuell vorgehalten werden dürfen, da er von diesen weder erkennbar noch glaubhaft Abstand genommen hat.
42 
Diese Aktivitäten des Klägers sind überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung überhaupt) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat, ohne hiervon erkennbar und glaubhaft Abstand genommen zu haben.
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Der Kläger sammelte in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Soweit der Kläger dies abgestritten hat, ist dies für den Senat nicht glaubhaft. Das Landgericht hat sich in seinen ausführlichen Urteilsgründen im Einzelnen mit den im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass gerade der Kläger für die Eintreibung der Spenden für die PKK im Bezirk Mannheim zuständig und dabei unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt war. Es hat in seinen Urteilsgründen unter anderem das Folgende ausgeführt:
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„Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung folgende Angaben zur Sache gemacht:
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Er hat eingeräumt, 4 Exemplare der Zeitschrift Serxwebun von einem jungen Kurden erhalten zu haben, um diese an Interessierte abzugeben. Er sei Sympathisant der PKK, jedoch nicht deren Mitglied. Er habe nichts von den im Personalcomputer abgespeicherten Dateien gewusst und könne einen Computer auch nicht betätigen. Der Computer sei von seinem ältesten Sohn und seiner Ehefrau, die ihn auch bezahlt habe, angeschafft worden und habe allen Familienmitgliedern, vorwiegend jedoch seinem ältesten Sohn für dessen Schreibarbeiten, zur Verfügung stehen sollen. Auch die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10.1.2007 aufgefundene handschriftliche Vorlage für ein Spendenformular habe er nicht gefertigt. Der in seiner Hosentasche aufgefundene Notizblock und der im Wohnzimmerschrank aufgefundene Notizzettel, der sich unter anderen ihm gehörenden Unterlagen befunden habe, könnten ihm gehören; vielleicht habe er auch die darin enthaltenen Aufschriebe gefertigt, wisse jedoch nicht mehr, was diese bedeuteten. Er habe ein Mobiltelefon, könne SMS-Nachrichten jedoch weder schreiben, noch öffnen.
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Die Kammer hält diese Einfassung bereits für unglaubhaft, soweit der Angeklagte behauptet hat, dass er seine Aufschriebe in dem Notizblock und auf dem Notizzettel nicht deuten könne. Zur Überzeugung der Kammer ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar, da die Aufschriebe in einfacher Gestaltung im Wesentlichen nur aus der Zuordnung von Zahlen zu aufgelisteten Namen bestehen und nicht sämtliche Aufschriebe älteren Datums gewesen sind, was die Kammer aus dem Umstand schließt, dass der Notizblock in der Hosentasche des Angeklagten aufgefunden worden ist. Zudem ist die Einlassung widerlegt und der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer überführt.
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Hierbei waren folgende Erwägungen maßgeblich:
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a) Die Feststellungen zu den vom Gebietsverantwortlichen T. versendeten Rundschreiben per SMS am 26.7. und 27.7.2005, deren Inhalt und deren Empfänger ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D.. Die in türkischer Sprache verfassten SMS-Rundschreiben sind von der vereidigten Dolmetscherin N. U. in die deutsche Sprache übersetzt worden, an deren fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit die Kammer nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KHK D. keine Zweifel hat, der die von ihr schon seit vielen Jahren für seine Dienststelle erbrachten Übersetzungsleistungen als stets beanstandungsfrei bezeichnet hat.
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b) Dass der Angeklagte in gehobener Stellung zumindest dem Raumverantwortlichen für Mannheim direkt unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen T. gewesen ist, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen T. die beiden Rundschreiben per SMS erhalten hat und hiermit aufgefordert worden ist, dass er als einer der „Freunde, die für die Räume verantwortlich sind,...die Freunde, mit denen" er „zusammenarbeite, benachrichtigen" müsse und aus dem Umstand, dass - so der Zeuge KHK D. glaubhaft - bei der Polizeikontrolle des Gebietsverantwortlichen T. am 17.10.2005 aus den bei diesem sichergestellten Notizzetteln die Verantwortlichkeiten und telefonischen Erreichbarkeiten verschiedener Personen für die Räume des Gebietes Mannheim und speziell für den Raum Mannheim wie folgt notiert gewesen sind: „Mannheim: M. verantwortl. 0176…H. 0170… K. 0… Whg." Die zur Person H. angegebene Mobilfunknummer konnte nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D. eindeutig als Mobilfunknummer des Angeklagten ermittelt werden.
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c) Die Feststellungen über die bei der Wohnungsdurchsuchung außerhalb des vom ältesten Sohn A. bewohnten Zimmers aufgefundenen und sichergestellten Gegenstände ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KOK S.. Aus dem Auffindeort des kleinen Notizblocks in der Hosentasche des Angeklagten hat die Kammer geschlossen, dass er dem Angeklagten auch gehört. Gleiches gilt für den handschriftlich beschriebenen Notizzettel, der äußerlich in Format, Gestaltung und noch zu erkennender ursprünglicher Heftung mit den Blättern aus dem kleinen Notizblock identisch ist, in vergleichbarer Weise mit einer Liste von Namen und diesen zugeordneten Zahlen beschrieben ist und - so der Angeklagte in seiner Einlassung - im Wohnzimmerschrank bei weiteren ihm gehörenden Unterlagen gefunden worden ist. Die Feststellungen zum Durchsuchungsergebnis im vom ältesten Sohn bewohnten Zimmer, insbesondere dem am Arbeitsplatz um den Personalcomputer aufgefundenen Briefverkehr, zu den im Personalcomputer festgestellten und von der Zeugin KHK' in S. ausgedruckten Dateien und ihrem Erstellungsdatum, insbesondere des Vordrucks einer Spendenliste, der Auflistung der in Abschnitt II. B. festgestellten Spenden und der Lichtbilder vom Angeklagten im irakisch-türkischen Grenzgebiet aus dem Sommer 2006, ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen der Zeugin KHK' in S.. Aus deren glaubhaften, konkreten und originelle Einzelheiten enthaltenden Bekundungen rechtfertigt sich zur Überzeugung der Kammer auch der nachfolgend zu ziehende Schluss darauf, dass der älteste Sohn des Angeklagten A. zuletzt am 10.1.2007 um 00:32 Uhr im Personalcomputer einen neuen Vordruck einer Spendenliste hergestellt hat und ausdrucken wollte. Bei der Durchsuchung am 10.1.2007 gegen 6:10 Uhr hat im Zimmer des ältesten Sohnes A. - so die Zeugin KHK' in S. - auf der Tastatur zum Personalcomputer ein handschriftlich beschriebenes Blatt in tabellarischer Form gelegen, das sie habe beschlagnahmen wollen und daher zur Seite gelegt habe. Beim Hochfahren des ausgeschalteten Personalcomputers sei der Bildschirmhintergrund mit zahlreichen Büsten des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan voll gewesen, was durch eine gerichtliche Inaugenscheinnahme des vom Desktop gefertigten Lichtbildes bestätigt werden konnte. Des Weiteren seien ohne weitere Tastaturbefehle sofort drei Blätter ausgedruckt worden, worunter sich der in den eigenen Dateien am 10.1.2007 um 0:32 Uhr hergestellte Vordruck für eine Spendenliste befunden habe. Diesen habe A. dem Drucker entnommen, zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Bei einem Vergleich mit der ursprünglich auf der Tastatur liegenden handschriftlichen Vorlage habe sie feststellen können, dass diese und der ausgedruckte Vordruck in der Überschrift und in der Überschriftenzeile inhaltlich identisch gewesen seien. Gegen Ende der Durchsuchung habe A. die zur Seite gelegte handschriftliche Vorlage in einem unbeobachteten Moment zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Sie habe die noch auffindbaren Schnipsel mitgenommen, auf der Dienststelle zusammengesetzt und die so wieder-hergestellte handschriftliche Vorlage sowie 2 Ausdrucke des am 10.1.2007 um 00:32 Uhr am Personalcomputer erstellten Vordrucks für Spendenlisten als Beweismittel asserviert. Durch Inaugenscheinnahme dieser beiden Asservate sowie des auf dem Wohnzimmerschrank aufgefundenen Vordrucks für Spendenlisten konnte zur Überzeugung der Kammer bestätigt werden, dass alle drei Schriftstücke in Überschrift und Überschriftenzeile identisch gewesen sind. Dass es sich um einen Vordruck für Spendenlisten gehandelt hat, hat die Kammer aus den Bekundungen des Zeugen KOK S. über die von der auch der Kammer als zuverlässig bekannten Dolmetscherin A. für die ermittelnde Polizeidienststelle gefertigten Übersetzung der Überschrift und der Überschriftenzeile der Vordrucke geschlossen. Die Überschrift der Vordrucke lautete demnach „Mannheim 2006 Belegzählungsliste". Die erste Zeile, die die Überschriften für insgesamt 5 Spalten beinhaltet hat, wurde wie folgt zuverlässig übersetzt: „Bezirk"/„Beleg-Nummer"/„Beleg-Seriennummer" /„Betrag in EUR"/„offen Verlust". Die Zuverlässigkeit der Übersetzung wird durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen KOK S. weiter bestätigt, sie stimme im Wesentlichen mit der bereits zuvor vorgenommenen Übersetzung durch den türkisch-stämmigen Kollegen KOM I. überein.
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d) Dass der Angeklagte Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen und diese in seinem kleinen Notizblock handschriftlich verbucht hat, hat die Kammer aus dem festgestellten Inhalt dieser handschriftlichen Auflistungen geschlossen. Dieser Schluss wird bekräftigt durch das festgestellte politische Vorleben des Angeklagten, das nicht nur einen engagierten Einsatz für die kurdische Sache demonstriert, sondern sogar Kontakte zu aktiven Freiheitskämpfern im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Des Weiteren äußert sich dieser Einsatz sogar in der bereits dargelegten gehobenen Stellung des Angeklagten im Raum Mannheim, wie sich aus den beiden an ihn adressierten SMS-Rundschreiben ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um die Auflistung von aus anderen Gründen von bestimmten Personen an den Angeklagten geleisteten Beträgen gehandelt hat, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich geworden.
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e) Dass der Angeklagte die zu II. B. festgestellten Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen, selbst oder durch seinen ältesten Sohn A. in der am 21.5.2006 am Computer erstellten Auflistung verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK abgeführt hat, hat die Kammer aus der weitreichenden Übereinstimmung dieser Auflistung mit den vom Angeklagten in seinem kleinen Notizblock handschriftlich gefertigten Spendenauflistungen geschlossen. Die Computerdatei enthält die im Sachverhalt dargestellten Namen in der linken Spalte, in einer weiteren Spalte Zahlen zwischen 10 und 30 und - allerdings nur 10 - weitere Spalten, die mit den Ziffern 1 bis 10 überschrieben und in den jeweiligen Namenszeilen unregelmäßig mit einem Plus-Zeichen versehen sind. Bestätigt wird dieser Schluss durch die übereinstimmenden und zuverlässigen Bekundungen der Zeugen KHK S. und KHK D., in zahlreichen früheren Verfahren über Spendenerhebungen von PKK-Aktivisten hätten sie solche oder ganz ähnliche Listen aufgefunden. Dass der Personalcomputer, in dem die Auflistung der festgestellten eingetriebenen Spenden erstellt worden ist, überwiegend vom ältesten Sohn des Angeklagten genutzt und dieser im Rahmen der Durchsuchung am 10.1.2007 dabei ertappt worden ist, wie er selbst in der Nacht zuvor einen Vordruck einer Spendenliste am Computer hergestellt hat, lässt Zweifel an der Aussagekraft der genannten Schlussfolgerung nicht aufkommen. Dass der Angeklagte entweder selbst oder jedenfalls A. im Auftrag des Angeklagten an dem Computer Arbeiten vorgenommen hat, schließt die Kammer daraus, dass auf der Festplatte auch die vom Angeklagten aufgenommenen Bilder seiner Reise ins türkisch-irakische Grenzgebiet im Sommer 2006 abgespeichert waren und der gesamte nicht unerhebliche Briefverkehr des und mit dem Angeklagten am Arbeitsplatz um den Computer herum aufgefunden worden ist. Die Kammer hat ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern A. für das Einsammeln der festgestellten Spenden allein oder zumindest überwiegend verantwortlich gewesen ist, weil in der Hosentasche des Angeklagten ein Notizblock mit Spendenlisten aufgefunden worden ist und sein ausgeprägtes politisches Vorleben und die Sendung der beiden SMS-Rundschreiben auf sein Handy den zweifelsfreien Schluss auf seine führende Rolle als PKK-Aktivist im Raum Mannheim gebietet.
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f) Dass der Angeklagte die vier bei ihm aufgefundenen Exemplare des Publikationsorgans Serxwebun nicht nur zur Abgabe an andere - wie er selbst eingeräumt hat -, sondern zum Verkauf erhalten hat, schließt die Kammer aus der mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Aufmachung der Zeitschrift als zentrales Publikationsorgan der PKK und dem als gerichtskundig festgestellten Umstand.“
55 
Diesen überzeugenden Ausführungen des Landgericht schließt sich der Senat an und macht sich diese zu eigen. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren darauf beschränkt, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten. Die im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Fotos, die ihn mit einem Schnellfeuergewehr posierend zeigen, suchte er damit zu erklären, dass er die Waffe für die Fotos von ihm ansonsten nicht näher bekannten Kurden bekommen habe. Ihm sei danach gewesen und es habe sich bei der Reise in den Irak um eine „Pilgerreise“ gehandelt. Im Weiteren wollte er den Senat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2013 ohne Erfolg glauben machen, die Anwesenheit des Herrn T. bei ihm zuhause bei der Durchsuchung, bei dem es sich ausweislich der Akte des Landgerichts um einen PKK-Funktionär handelt, sei rein zufällig gewesen, er wisse dessen Namen nicht, habe ihn nicht näher gekannt und er sei nur deshalb bei ihm gewesen, weil er diesen einmal in der Stadt getroffen und sich über seinen Sohn unterhalten habe, was bei Kurden üblich sei, weshalb er ihn zum Tee eingeladen habe. Er stellte, soweit es um seine Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 ging, wie sie in der Ausweisungsverfügung dargelegt wurden, diese zunächst nicht in Abrede, erklärte sodann jedoch in seiner Anhörung am 2. März 2016, nach der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe 2008 an keinen solchen Veranstaltungen mehr teilgenommen zu haben.
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Diese Einlassungen des Klägers sind nicht nur lebensfremd und teilweise widersprüchlich, sondern auch mit Blick auf seine frühere langjährige Vereinstätigkeit in PKK-nahen Vereinigungen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts schlicht unglaubhaft. Soweit er in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte, dass er Gewaltanwendung nicht gut heiße, hat sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil, sein Posieren mit einem Schnellfeuergewehr anlässlich einer „Pilgerreise“ in den Irak spricht eine andere Sprache. Es liegt für den Senat nach all dem fern, anzunehmen, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
57 
Zur Überzeugung des Senats stehen daher eine Vielzahl von Umständen fest, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Kläger die PKK bewusst, gewollt, vorbehaltlos und durch das organisierte Spendensammeln in qualifizierter Weise unterstützt. Es verbietet sich dabei, die Schwere der Gefahr unter Außerachtlassung des terroristischen Kontexts zu bestimmen. Ohne ideologische, personelle und finanzielle Unterstützung lässt sich das Phänomen des Terrorismus und dessen spezifische Gefährlichkeit kaum adäquat erfassen, die von Haverkamp (ZStW 2011, 92 <94 f.>) zutreffend wie folgt umschrieben wird:
58 
„Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Gewalt stellt das gewählte Mittel zur Erreichung der politischen Vorstellungen dar. Dabei dient die mediale Aufmerksamkeit als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Terroristen und Publikum, letztere unterteilt in Angst erfüllte Dritte und in Sympathisanten. Auf diese Weise soll eine Reaktionsspirale ausgelöst werden, in der zum einen die Gegner Zugeständnisse machen (z.B. Austausch von Gefangenen) oder durch Demokratie aushöhlende Gegenmaßnahmen überreagieren und zum anderen Unterstützer gewonnen oder mobilisiert werden.“
59 
Gerade der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu.
60 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition (so: Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 21) bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheitsresolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (Bauer, a. a. O., Rn. 16, 21). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen.
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Denn das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre nur zu verneinen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen würden, die der dargestellten gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
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Wenn nach der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder diesbezügliche Unterstützungshandlungen nur gestützt werden durfte, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten, genügte schon bislang ein rein passives Verhalten gleichwohl nicht, um die gegenwärtige Gefährlichkeit zu verneinen. Es bedurfte stets eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck brachte (Bauer, a. a. O., Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30.7.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2014 - 11 S 2224/13 -, juris). Selbst wenn man daher in der Neuregelung eine (materielle) Verschärfung und nicht nur eine Scharfzeichnung durch ausdrückliche Normierung des Ausnahmetabstandes des Abstandnehmens sehen will, dessen Voraussetzungen regelmäßig vom betroffenen Ausländer darzulegen sind, käme diese in vorliegendem Fall nicht zum Tragen. Denn auch dann, wenn man neben dem Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitere Gründe für eine Verneinung der Gefahr gerade in diesem Kontext anerkennen wollte, müsste es sich um solche handeln, die dem Ziel der Abstandnahmeklausel entsprechen, die vom Betroffenen ausgehende Gefahr verlässlich verneinen zu können. Daran ließe sich etwa in Fällen denken, in denen Unterstützungshandlungen lange Zeit zurückliegen und der Ausländer sich tatsächlich aus dem Umfeld der terroristischen Vereinigung eindeutig zurückgezogen hat oder er aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, unterstützend tätig zu sein (etwa aufgrund einer gravierenden Erkrankung o. ä.).
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So liegt der Fall hier jedoch nicht. Angesichts der unglaubhaften Einlassungen des Klägers, bei denen dieser gleichwohl seine ideologische Nähe zur PKK nicht verbergen konnte (Befragung am 4. April 2013 zu PKK-Fahnen, Fotos von Öcalan in seiner Wohnung: „Uns gefällt das ja auch, wir sind ja auch nicht dagegen“ … „Also in bin kein PKK’ler, aber ich mag als Kurde die PKK, ich stehe dahinter“ … „Also PKK’ler ist derjenige, der in den Bergen gegen den Feind kämpft. Wie soll ich PKK’ler sein, ich muss jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen usw. Ich muss einkaufen usw.“) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist und daher keine Gewähr dafür besteht, dass er sich künftig nicht erneut aktiv für die PKK engagiert. Der Kläger hat daher weder glaubhaft und erkennbar von seinen Unterstützungshandlungen Abstand genommen noch liegen andere Umstände vor, die es zulassen würden, eine gegenwärtige und vom Kläger ausgehende Gefahr von erheblichem Gewicht zu verneinen.
64 
Darauf, ob der Kläger zuletzt im Januar 2013 an einer PKK-nahen Großveranstaltung in Paris und im Dezember 2013 an einer an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beklagten schon deshalb nicht nachgekommen werden musste. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Beweisantrag überhaupt zulässig war, nachdem ein solcher nicht nur einen substantiierten Vortrag zu den unter Beweis gestellten Tatsachen voraussetzt (BGH, Urteil vom 29.08.1990 - 3 StR 184/90 -, NJW 1991, 435) und der Zeuge hinreichend individualisiert bezeichnet werden muss, sondern auch, dass konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu erfolgen, aus welchem Grund der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beweistatsache bestätigen kann (BGH, Beschlüsse vom 3.11.2010 - 1 StR 497/10 -, NJW 2011, 1239 und vom 2.08.2000 - 3 StR 154/00 -, NStZ-RR 2001, 43; Urteil vom 28.11.1997 - 3 StR 114/97 -, NJW 1998, 1723 <1725>).
65 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
66 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Die Vorgaben sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 54; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus). Aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
67 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland zu keinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann.
68 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
69 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) jedenfalls dem Grunde nach geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154) klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
70 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
71 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
72 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
73 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
74 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken, dass die konkreten vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründen, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
75 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
76 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
77 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
78 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27 der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
79 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland niemals einer solchen nachgegangen ist.
80 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk Mannheim). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m.w.N.).
81 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
82 
Nach alledem ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
83 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 55 AufenthG, Rn. 23; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
84 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
85 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 78) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51) oder gar ein diesbezügliches „Punktesystem“ (so aber: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 29 a. E.).
86 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
87 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
88 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 26 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
89 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.).
90 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.).
91 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war in Deutschland niemals erwerbstätig und ist von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
92 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
93 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
94 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 58 ff.; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.; so wohl auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, ARB 1/80 Art. 13, Rn. 69 ff.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492; VG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 - 27 K 2552/14 -, juris, Rn. 140 ff.).
95 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
96 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
97 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
98 
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Antrag ist als Klageerweiterung (dazu: Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a VwGO, Rn. 51 a. E., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.02.1988 - IVb ZR 45/87 -, NJW-RR 1988, 1465) aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Ausweisungsverfügung mit der darauf bezogenen Befristungsentscheidung zwar zulässig und sachdienlich - insbesondere steht § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen -, aber nicht begründet. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen, ohne dies näher zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vortrags schließt der Senat, dass sich der Kläger insoweit darauf beruft, dass eine Gefahr von ihm nicht ausgehe. Dieser Auffassung folgt der Senat aus den schon dargestellten Gründen jedoch nicht. Im Übrigen hat der Kläger keine persönlichen oder sonstigen Umstände dargelegt, die die Befristungsentscheidung - etwa bezüglich der konkret festgesetzten Sperrfrist - in Frage stellen könnten und solche sind auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 (- 11 S 1857/15 -, juris) nicht ersichtlich.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
100 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
101 
Beschluss vom 2. März 2016
102 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
103 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Auch die Berufung hinsichtlich der Befristungsentscheidung bleibt ohne Erfolg (II.).
I.
25 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
26 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1).
27 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Die Ausweisung verstößt vorliegend auch nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln (5.).
28 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
29 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
30 
Der Kläger hat die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
31 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 24, m. w. Nachw.). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert, „die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
32 
Nichts anderes wird der Sache nach durch die Definition des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris) zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
33 
Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und unter anderem auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
34 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
35 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2015, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 26; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
36 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde und verweist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 2016 (- 11 S 889/15 -, juris, Rn. 76 ff.), die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in dieser Sache waren.
37 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkers-party). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: Die PKK sehe sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Sie treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Es sei überraschend, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. Der Preis für Kritik an der PKK könne der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern oder Büros.
38 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
39 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
40 
Soweit der Kläger darauf abstellen will, dass die PKK in der Vergangenheit positiv im Entspannungsprozess in der Türkei gewirkt habe und es insbesondere der Politikwechsel des türkischen Präsidenten Erdogan sei, der die Situation erneut habe eskalieren lassen, führt dies für den Senat zu keiner anderen Einschätzung der PKK. Unbestritten gab es in der Vergangenheit beiderseitige Bemühungen um eine Entspannung, gleichwohl hat die PKK zu keinem Zeitpunkt ihr Selbstverständnis geändert und ihrer auch terroristischen Vorgehensweise abgeschworen. Eine heterogene Ausrichtung einer Vereinigung steht ihrer Qualifikation als terroristisch im Übrigen nicht entgegen. Es genügt, dass terroristische Mittel Teil ihrer politischen Agenda sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG, Rn. 31).
41 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger entfalteten Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch aktuell vorgehalten werden dürfen, da er von diesen weder erkennbar noch glaubhaft Abstand genommen hat.
42 
Diese Aktivitäten des Klägers sind überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung überhaupt) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
43 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat, ohne hiervon erkennbar und glaubhaft Abstand genommen zu haben.
44 
Der Kläger sammelte in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Soweit der Kläger dies abgestritten hat, ist dies für den Senat nicht glaubhaft. Das Landgericht hat sich in seinen ausführlichen Urteilsgründen im Einzelnen mit den im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass gerade der Kläger für die Eintreibung der Spenden für die PKK im Bezirk Mannheim zuständig und dabei unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt war. Es hat in seinen Urteilsgründen unter anderem das Folgende ausgeführt:
45 
„Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung folgende Angaben zur Sache gemacht:
46 
Er hat eingeräumt, 4 Exemplare der Zeitschrift Serxwebun von einem jungen Kurden erhalten zu haben, um diese an Interessierte abzugeben. Er sei Sympathisant der PKK, jedoch nicht deren Mitglied. Er habe nichts von den im Personalcomputer abgespeicherten Dateien gewusst und könne einen Computer auch nicht betätigen. Der Computer sei von seinem ältesten Sohn und seiner Ehefrau, die ihn auch bezahlt habe, angeschafft worden und habe allen Familienmitgliedern, vorwiegend jedoch seinem ältesten Sohn für dessen Schreibarbeiten, zur Verfügung stehen sollen. Auch die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10.1.2007 aufgefundene handschriftliche Vorlage für ein Spendenformular habe er nicht gefertigt. Der in seiner Hosentasche aufgefundene Notizblock und der im Wohnzimmerschrank aufgefundene Notizzettel, der sich unter anderen ihm gehörenden Unterlagen befunden habe, könnten ihm gehören; vielleicht habe er auch die darin enthaltenen Aufschriebe gefertigt, wisse jedoch nicht mehr, was diese bedeuteten. Er habe ein Mobiltelefon, könne SMS-Nachrichten jedoch weder schreiben, noch öffnen.
47 
Die Kammer hält diese Einfassung bereits für unglaubhaft, soweit der Angeklagte behauptet hat, dass er seine Aufschriebe in dem Notizblock und auf dem Notizzettel nicht deuten könne. Zur Überzeugung der Kammer ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar, da die Aufschriebe in einfacher Gestaltung im Wesentlichen nur aus der Zuordnung von Zahlen zu aufgelisteten Namen bestehen und nicht sämtliche Aufschriebe älteren Datums gewesen sind, was die Kammer aus dem Umstand schließt, dass der Notizblock in der Hosentasche des Angeklagten aufgefunden worden ist. Zudem ist die Einlassung widerlegt und der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer überführt.
48 
Hierbei waren folgende Erwägungen maßgeblich:
49 
a) Die Feststellungen zu den vom Gebietsverantwortlichen T. versendeten Rundschreiben per SMS am 26.7. und 27.7.2005, deren Inhalt und deren Empfänger ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D.. Die in türkischer Sprache verfassten SMS-Rundschreiben sind von der vereidigten Dolmetscherin N. U. in die deutsche Sprache übersetzt worden, an deren fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit die Kammer nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KHK D. keine Zweifel hat, der die von ihr schon seit vielen Jahren für seine Dienststelle erbrachten Übersetzungsleistungen als stets beanstandungsfrei bezeichnet hat.
50 
b) Dass der Angeklagte in gehobener Stellung zumindest dem Raumverantwortlichen für Mannheim direkt unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen T. gewesen ist, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen T. die beiden Rundschreiben per SMS erhalten hat und hiermit aufgefordert worden ist, dass er als einer der „Freunde, die für die Räume verantwortlich sind,...die Freunde, mit denen" er „zusammenarbeite, benachrichtigen" müsse und aus dem Umstand, dass - so der Zeuge KHK D. glaubhaft - bei der Polizeikontrolle des Gebietsverantwortlichen T. am 17.10.2005 aus den bei diesem sichergestellten Notizzetteln die Verantwortlichkeiten und telefonischen Erreichbarkeiten verschiedener Personen für die Räume des Gebietes Mannheim und speziell für den Raum Mannheim wie folgt notiert gewesen sind: „Mannheim: M. verantwortl. 0176…H. 0170… K. 0… Whg." Die zur Person H. angegebene Mobilfunknummer konnte nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D. eindeutig als Mobilfunknummer des Angeklagten ermittelt werden.
51 
c) Die Feststellungen über die bei der Wohnungsdurchsuchung außerhalb des vom ältesten Sohn A. bewohnten Zimmers aufgefundenen und sichergestellten Gegenstände ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KOK S.. Aus dem Auffindeort des kleinen Notizblocks in der Hosentasche des Angeklagten hat die Kammer geschlossen, dass er dem Angeklagten auch gehört. Gleiches gilt für den handschriftlich beschriebenen Notizzettel, der äußerlich in Format, Gestaltung und noch zu erkennender ursprünglicher Heftung mit den Blättern aus dem kleinen Notizblock identisch ist, in vergleichbarer Weise mit einer Liste von Namen und diesen zugeordneten Zahlen beschrieben ist und - so der Angeklagte in seiner Einlassung - im Wohnzimmerschrank bei weiteren ihm gehörenden Unterlagen gefunden worden ist. Die Feststellungen zum Durchsuchungsergebnis im vom ältesten Sohn bewohnten Zimmer, insbesondere dem am Arbeitsplatz um den Personalcomputer aufgefundenen Briefverkehr, zu den im Personalcomputer festgestellten und von der Zeugin KHK' in S. ausgedruckten Dateien und ihrem Erstellungsdatum, insbesondere des Vordrucks einer Spendenliste, der Auflistung der in Abschnitt II. B. festgestellten Spenden und der Lichtbilder vom Angeklagten im irakisch-türkischen Grenzgebiet aus dem Sommer 2006, ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen der Zeugin KHK' in S.. Aus deren glaubhaften, konkreten und originelle Einzelheiten enthaltenden Bekundungen rechtfertigt sich zur Überzeugung der Kammer auch der nachfolgend zu ziehende Schluss darauf, dass der älteste Sohn des Angeklagten A. zuletzt am 10.1.2007 um 00:32 Uhr im Personalcomputer einen neuen Vordruck einer Spendenliste hergestellt hat und ausdrucken wollte. Bei der Durchsuchung am 10.1.2007 gegen 6:10 Uhr hat im Zimmer des ältesten Sohnes A. - so die Zeugin KHK' in S. - auf der Tastatur zum Personalcomputer ein handschriftlich beschriebenes Blatt in tabellarischer Form gelegen, das sie habe beschlagnahmen wollen und daher zur Seite gelegt habe. Beim Hochfahren des ausgeschalteten Personalcomputers sei der Bildschirmhintergrund mit zahlreichen Büsten des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan voll gewesen, was durch eine gerichtliche Inaugenscheinnahme des vom Desktop gefertigten Lichtbildes bestätigt werden konnte. Des Weiteren seien ohne weitere Tastaturbefehle sofort drei Blätter ausgedruckt worden, worunter sich der in den eigenen Dateien am 10.1.2007 um 0:32 Uhr hergestellte Vordruck für eine Spendenliste befunden habe. Diesen habe A. dem Drucker entnommen, zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Bei einem Vergleich mit der ursprünglich auf der Tastatur liegenden handschriftlichen Vorlage habe sie feststellen können, dass diese und der ausgedruckte Vordruck in der Überschrift und in der Überschriftenzeile inhaltlich identisch gewesen seien. Gegen Ende der Durchsuchung habe A. die zur Seite gelegte handschriftliche Vorlage in einem unbeobachteten Moment zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Sie habe die noch auffindbaren Schnipsel mitgenommen, auf der Dienststelle zusammengesetzt und die so wieder-hergestellte handschriftliche Vorlage sowie 2 Ausdrucke des am 10.1.2007 um 00:32 Uhr am Personalcomputer erstellten Vordrucks für Spendenlisten als Beweismittel asserviert. Durch Inaugenscheinnahme dieser beiden Asservate sowie des auf dem Wohnzimmerschrank aufgefundenen Vordrucks für Spendenlisten konnte zur Überzeugung der Kammer bestätigt werden, dass alle drei Schriftstücke in Überschrift und Überschriftenzeile identisch gewesen sind. Dass es sich um einen Vordruck für Spendenlisten gehandelt hat, hat die Kammer aus den Bekundungen des Zeugen KOK S. über die von der auch der Kammer als zuverlässig bekannten Dolmetscherin A. für die ermittelnde Polizeidienststelle gefertigten Übersetzung der Überschrift und der Überschriftenzeile der Vordrucke geschlossen. Die Überschrift der Vordrucke lautete demnach „Mannheim 2006 Belegzählungsliste". Die erste Zeile, die die Überschriften für insgesamt 5 Spalten beinhaltet hat, wurde wie folgt zuverlässig übersetzt: „Bezirk"/„Beleg-Nummer"/„Beleg-Seriennummer" /„Betrag in EUR"/„offen Verlust". Die Zuverlässigkeit der Übersetzung wird durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen KOK S. weiter bestätigt, sie stimme im Wesentlichen mit der bereits zuvor vorgenommenen Übersetzung durch den türkisch-stämmigen Kollegen KOM I. überein.
52 
d) Dass der Angeklagte Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen und diese in seinem kleinen Notizblock handschriftlich verbucht hat, hat die Kammer aus dem festgestellten Inhalt dieser handschriftlichen Auflistungen geschlossen. Dieser Schluss wird bekräftigt durch das festgestellte politische Vorleben des Angeklagten, das nicht nur einen engagierten Einsatz für die kurdische Sache demonstriert, sondern sogar Kontakte zu aktiven Freiheitskämpfern im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Des Weiteren äußert sich dieser Einsatz sogar in der bereits dargelegten gehobenen Stellung des Angeklagten im Raum Mannheim, wie sich aus den beiden an ihn adressierten SMS-Rundschreiben ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um die Auflistung von aus anderen Gründen von bestimmten Personen an den Angeklagten geleisteten Beträgen gehandelt hat, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich geworden.
53 
e) Dass der Angeklagte die zu II. B. festgestellten Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen, selbst oder durch seinen ältesten Sohn A. in der am 21.5.2006 am Computer erstellten Auflistung verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK abgeführt hat, hat die Kammer aus der weitreichenden Übereinstimmung dieser Auflistung mit den vom Angeklagten in seinem kleinen Notizblock handschriftlich gefertigten Spendenauflistungen geschlossen. Die Computerdatei enthält die im Sachverhalt dargestellten Namen in der linken Spalte, in einer weiteren Spalte Zahlen zwischen 10 und 30 und - allerdings nur 10 - weitere Spalten, die mit den Ziffern 1 bis 10 überschrieben und in den jeweiligen Namenszeilen unregelmäßig mit einem Plus-Zeichen versehen sind. Bestätigt wird dieser Schluss durch die übereinstimmenden und zuverlässigen Bekundungen der Zeugen KHK S. und KHK D., in zahlreichen früheren Verfahren über Spendenerhebungen von PKK-Aktivisten hätten sie solche oder ganz ähnliche Listen aufgefunden. Dass der Personalcomputer, in dem die Auflistung der festgestellten eingetriebenen Spenden erstellt worden ist, überwiegend vom ältesten Sohn des Angeklagten genutzt und dieser im Rahmen der Durchsuchung am 10.1.2007 dabei ertappt worden ist, wie er selbst in der Nacht zuvor einen Vordruck einer Spendenliste am Computer hergestellt hat, lässt Zweifel an der Aussagekraft der genannten Schlussfolgerung nicht aufkommen. Dass der Angeklagte entweder selbst oder jedenfalls A. im Auftrag des Angeklagten an dem Computer Arbeiten vorgenommen hat, schließt die Kammer daraus, dass auf der Festplatte auch die vom Angeklagten aufgenommenen Bilder seiner Reise ins türkisch-irakische Grenzgebiet im Sommer 2006 abgespeichert waren und der gesamte nicht unerhebliche Briefverkehr des und mit dem Angeklagten am Arbeitsplatz um den Computer herum aufgefunden worden ist. Die Kammer hat ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern A. für das Einsammeln der festgestellten Spenden allein oder zumindest überwiegend verantwortlich gewesen ist, weil in der Hosentasche des Angeklagten ein Notizblock mit Spendenlisten aufgefunden worden ist und sein ausgeprägtes politisches Vorleben und die Sendung der beiden SMS-Rundschreiben auf sein Handy den zweifelsfreien Schluss auf seine führende Rolle als PKK-Aktivist im Raum Mannheim gebietet.
54 
f) Dass der Angeklagte die vier bei ihm aufgefundenen Exemplare des Publikationsorgans Serxwebun nicht nur zur Abgabe an andere - wie er selbst eingeräumt hat -, sondern zum Verkauf erhalten hat, schließt die Kammer aus der mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Aufmachung der Zeitschrift als zentrales Publikationsorgan der PKK und dem als gerichtskundig festgestellten Umstand.“
55 
Diesen überzeugenden Ausführungen des Landgericht schließt sich der Senat an und macht sich diese zu eigen. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren darauf beschränkt, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten. Die im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Fotos, die ihn mit einem Schnellfeuergewehr posierend zeigen, suchte er damit zu erklären, dass er die Waffe für die Fotos von ihm ansonsten nicht näher bekannten Kurden bekommen habe. Ihm sei danach gewesen und es habe sich bei der Reise in den Irak um eine „Pilgerreise“ gehandelt. Im Weiteren wollte er den Senat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2013 ohne Erfolg glauben machen, die Anwesenheit des Herrn T. bei ihm zuhause bei der Durchsuchung, bei dem es sich ausweislich der Akte des Landgerichts um einen PKK-Funktionär handelt, sei rein zufällig gewesen, er wisse dessen Namen nicht, habe ihn nicht näher gekannt und er sei nur deshalb bei ihm gewesen, weil er diesen einmal in der Stadt getroffen und sich über seinen Sohn unterhalten habe, was bei Kurden üblich sei, weshalb er ihn zum Tee eingeladen habe. Er stellte, soweit es um seine Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 ging, wie sie in der Ausweisungsverfügung dargelegt wurden, diese zunächst nicht in Abrede, erklärte sodann jedoch in seiner Anhörung am 2. März 2016, nach der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe 2008 an keinen solchen Veranstaltungen mehr teilgenommen zu haben.
56 
Diese Einlassungen des Klägers sind nicht nur lebensfremd und teilweise widersprüchlich, sondern auch mit Blick auf seine frühere langjährige Vereinstätigkeit in PKK-nahen Vereinigungen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts schlicht unglaubhaft. Soweit er in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte, dass er Gewaltanwendung nicht gut heiße, hat sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil, sein Posieren mit einem Schnellfeuergewehr anlässlich einer „Pilgerreise“ in den Irak spricht eine andere Sprache. Es liegt für den Senat nach all dem fern, anzunehmen, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
57 
Zur Überzeugung des Senats stehen daher eine Vielzahl von Umständen fest, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Kläger die PKK bewusst, gewollt, vorbehaltlos und durch das organisierte Spendensammeln in qualifizierter Weise unterstützt. Es verbietet sich dabei, die Schwere der Gefahr unter Außerachtlassung des terroristischen Kontexts zu bestimmen. Ohne ideologische, personelle und finanzielle Unterstützung lässt sich das Phänomen des Terrorismus und dessen spezifische Gefährlichkeit kaum adäquat erfassen, die von Haverkamp (ZStW 2011, 92 <94 f.>) zutreffend wie folgt umschrieben wird:
58 
„Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Gewalt stellt das gewählte Mittel zur Erreichung der politischen Vorstellungen dar. Dabei dient die mediale Aufmerksamkeit als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Terroristen und Publikum, letztere unterteilt in Angst erfüllte Dritte und in Sympathisanten. Auf diese Weise soll eine Reaktionsspirale ausgelöst werden, in der zum einen die Gegner Zugeständnisse machen (z.B. Austausch von Gefangenen) oder durch Demokratie aushöhlende Gegenmaßnahmen überreagieren und zum anderen Unterstützer gewonnen oder mobilisiert werden.“
59 
Gerade der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu.
60 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition (so: Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 21) bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheitsresolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (Bauer, a. a. O., Rn. 16, 21). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen.
61 
Denn das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre nur zu verneinen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen würden, die der dargestellten gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
62 
Wenn nach der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder diesbezügliche Unterstützungshandlungen nur gestützt werden durfte, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten, genügte schon bislang ein rein passives Verhalten gleichwohl nicht, um die gegenwärtige Gefährlichkeit zu verneinen. Es bedurfte stets eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck brachte (Bauer, a. a. O., Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30.7.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2014 - 11 S 2224/13 -, juris). Selbst wenn man daher in der Neuregelung eine (materielle) Verschärfung und nicht nur eine Scharfzeichnung durch ausdrückliche Normierung des Ausnahmetabstandes des Abstandnehmens sehen will, dessen Voraussetzungen regelmäßig vom betroffenen Ausländer darzulegen sind, käme diese in vorliegendem Fall nicht zum Tragen. Denn auch dann, wenn man neben dem Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitere Gründe für eine Verneinung der Gefahr gerade in diesem Kontext anerkennen wollte, müsste es sich um solche handeln, die dem Ziel der Abstandnahmeklausel entsprechen, die vom Betroffenen ausgehende Gefahr verlässlich verneinen zu können. Daran ließe sich etwa in Fällen denken, in denen Unterstützungshandlungen lange Zeit zurückliegen und der Ausländer sich tatsächlich aus dem Umfeld der terroristischen Vereinigung eindeutig zurückgezogen hat oder er aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, unterstützend tätig zu sein (etwa aufgrund einer gravierenden Erkrankung o. ä.).
63 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Angesichts der unglaubhaften Einlassungen des Klägers, bei denen dieser gleichwohl seine ideologische Nähe zur PKK nicht verbergen konnte (Befragung am 4. April 2013 zu PKK-Fahnen, Fotos von Öcalan in seiner Wohnung: „Uns gefällt das ja auch, wir sind ja auch nicht dagegen“ … „Also in bin kein PKK’ler, aber ich mag als Kurde die PKK, ich stehe dahinter“ … „Also PKK’ler ist derjenige, der in den Bergen gegen den Feind kämpft. Wie soll ich PKK’ler sein, ich muss jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen usw. Ich muss einkaufen usw.“) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist und daher keine Gewähr dafür besteht, dass er sich künftig nicht erneut aktiv für die PKK engagiert. Der Kläger hat daher weder glaubhaft und erkennbar von seinen Unterstützungshandlungen Abstand genommen noch liegen andere Umstände vor, die es zulassen würden, eine gegenwärtige und vom Kläger ausgehende Gefahr von erheblichem Gewicht zu verneinen.
64 
Darauf, ob der Kläger zuletzt im Januar 2013 an einer PKK-nahen Großveranstaltung in Paris und im Dezember 2013 an einer an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beklagten schon deshalb nicht nachgekommen werden musste. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Beweisantrag überhaupt zulässig war, nachdem ein solcher nicht nur einen substantiierten Vortrag zu den unter Beweis gestellten Tatsachen voraussetzt (BGH, Urteil vom 29.08.1990 - 3 StR 184/90 -, NJW 1991, 435) und der Zeuge hinreichend individualisiert bezeichnet werden muss, sondern auch, dass konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu erfolgen, aus welchem Grund der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beweistatsache bestätigen kann (BGH, Beschlüsse vom 3.11.2010 - 1 StR 497/10 -, NJW 2011, 1239 und vom 2.08.2000 - 3 StR 154/00 -, NStZ-RR 2001, 43; Urteil vom 28.11.1997 - 3 StR 114/97 -, NJW 1998, 1723 <1725>).
65 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
66 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Die Vorgaben sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 54; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus). Aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
67 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland zu keinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann.
68 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
69 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) jedenfalls dem Grunde nach geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154) klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
70 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
71 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
72 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
73 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
74 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken, dass die konkreten vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründen, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
75 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
76 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
77 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
78 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27 der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
79 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland niemals einer solchen nachgegangen ist.
80 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk Mannheim). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m.w.N.).
81 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
82 
Nach alledem ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
83 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 55 AufenthG, Rn. 23; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
84 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
85 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 78) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51) oder gar ein diesbezügliches „Punktesystem“ (so aber: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 29 a. E.).
86 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
87 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
88 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 26 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
89 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.).
90 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.).
91 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war in Deutschland niemals erwerbstätig und ist von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
92 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
93 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
94 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 58 ff.; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.; so wohl auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, ARB 1/80 Art. 13, Rn. 69 ff.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492; VG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 - 27 K 2552/14 -, juris, Rn. 140 ff.).
95 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
96 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
97 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
98 
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Antrag ist als Klageerweiterung (dazu: Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a VwGO, Rn. 51 a. E., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.02.1988 - IVb ZR 45/87 -, NJW-RR 1988, 1465) aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Ausweisungsverfügung mit der darauf bezogenen Befristungsentscheidung zwar zulässig und sachdienlich - insbesondere steht § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen -, aber nicht begründet. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen, ohne dies näher zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vortrags schließt der Senat, dass sich der Kläger insoweit darauf beruft, dass eine Gefahr von ihm nicht ausgehe. Dieser Auffassung folgt der Senat aus den schon dargestellten Gründen jedoch nicht. Im Übrigen hat der Kläger keine persönlichen oder sonstigen Umstände dargelegt, die die Befristungsentscheidung - etwa bezüglich der konkret festgesetzten Sperrfrist - in Frage stellen könnten und solche sind auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 (- 11 S 1857/15 -, juris) nicht ersichtlich.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
100 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
101 
Beschluss vom 2. März 2016
102 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
103 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.